Karl der Große: Missionar und Werkzeug Gottes - Hans-Jürgen Ferdinand - E-Book

Karl der Große: Missionar und Werkzeug Gottes E-Book

Hans-Jürgen Ferdinand

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Beschreibung

Der Roman soll tiefe Einblicke in die vielen Facetten von Karls Persönlichkeit gewähren. Er soll zeigen, dass der Karl der Große vielmehr war als ein bedeutender Feldherr und „Missionar in Eisen“. Ich hoffe, dass ich vor den Augen des Lesers ein farbiges Bild der politischen, religiösen und geistigen Konflikte in der Regierungszeit Karls des Großen entfaltet: Das klösterliche, klerikale Leben mit seinen strengen Regeln und Intrigen, die Machtkämpfe zwischen König und der römischen Kurie, zwischen Klerus und weltlichem Adel und vor allem zwischen dem Fränkisch Reich und den Kaisern in Konstantinopel mit ihren doch sehr unterschiedlichen christlichen Glaubensauffassungen. Der geistige Weitblick des fränkischen Königs im kirchlichen und wirtschaftlichen Leben, sein stetes Drängen auf Vereinheitlichung staatlicher Ordnung wird in all seinen Handlungen immer wieder erkennbar. Spannende Momentaufnahmen der damaligen Zeit sollen nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Spaß!

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Seitenzahl: 358

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Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek: Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte Dateien sind im Internet über https://portal.ddb.de abrufbar.

Impressum:

Autor: Hans-Jürgen Ferdinand

E-Book: ISBN 978-3-95924-969-0

Herausgeber: ©red scorpion books

Coverfoto: Adobe Stock / Stefan

© Redaktion und Lektorat: www.evelyne-kern.de

Gedruckte Ausgabe:

ISBN: 978-3-86933-269-7

Satz und Layout: www.winkler-layout.de

Herausgeber: Helios-Verlag

© Inhaltliche Rechte beim Autor

Hans-Jürgen Ferdinand

Karl der Große: Missionar und Werkzeug Gottes

Historischer Roman

Vorwort

Karls Streben seinen Machtbereich zu erweitern, kann zu keinem Zeitpunkt seiner Herrschaft von seiner Absicht getrennt werden, das Christentum über die ihm damals bekannte Welt hinaus zu verbreiten. Der fränkische Herrscher sah sich fortwährend dafür verantwortlich, Gottes Reich auf Erden zu vergrößern. Als weltliches Oberhaupt der christlichen Kirche sah Karl sich zunehmend in göttlichem Auftrag handelnd; mit großem Sendungsbewusstsein ausgestattet, als Werkzeug Gottes, den christlichen Glauben überall dort zu verbreiten, wo seine reale Macht dies zuließ, gleichzeitig bei all seinen Handlungen und trotz seiner ihm sicherlich auch bewussten Unzulänglichkeiten, sein eigenes Seelenheil stets bedenkend. Karl ließ sich vielmehr von reinen Machtinteressen leiten, die alle letztlich der Verbreitung und Verfestigung des für Karl einzig „wahren Glaubens“ an Jesus Christus dienten. Er bereitete mit dem Schwert vor, was die fränkische Geistlichkeit in mühsamer Missionsarbeit fortzuführen hatte.

In Sachsen leistete er in über dreißig Jahren überwiegend militärische(!) Bekehrungsarbeit ebenso wie auch unter den Grenzvölkern der Friesen, Normannen, Kelten, Sorben, Awaren, Abodriten, etc.

Karl war auf seine unverwechselbare Art der erfolgreichste Missionar seiner Zeit! Sein Eintreten und persönliches Eingreifen in Glaubensfragen und kirchlichen Reformen (Bilderstreit, Prädestinationsstreit, Adoptianismus, Arianismus, Filioque-Formel, Admonito Generalis, Kapitular von Herstal, etc.) war für einen weltlichen Herrscher ungewöhnlich stark ausgeprägt. Sein missionarisches Wirken war sehr stark nach innen in die von ihm beherrschten Völkerschaften gerichtet.

Gemeinsam mit dem Papst als geistliches Oberhaupt des christlichen Abendlandes bildete Karl eine in etwa gleichberechtigte Machtdominanz. Durch seine ungemein machtvolle Einflussnahme in Glaubensangelegenheiten ist auch die Bedeutung der römisch-katholischen Kirche und des Papsttums im christlichen Abendland beträchtlich gewachsen.

Das fränkische Imperium Christianum war von der Gestalt seines Begründers, des fränkischen Königs und späteren Kaisers Karl, so geprägt, dass sein inneres und äußeres Schicksal ohne ihn schwer abzuwägenden Gefährdungen ausgesetzt schien. Wenn wir Karl an den Möglichkeiten seiner Zeit messen, selbst dann, wenn uns manche seiner verbrecherischen Taten regelrecht bedrücken, so berührt uns doch über mehr als ein Jahrtausend hinweg die Größe seiner beispielslosen Lebensleistung.

Paulus Diaconus hatte am letzten Sonntag im November nach der Morgenmesse in der kleinen Pfalzkapelle, die dem heiligen Remigius geweiht war, seinem König die Geschichte seiner Vorfahren, der Bischöfe von Metz in lateinischer Sprache übergeben. Sie war in Buchform gebunden und die Buchdeckel mit zwei aus Elfenbein kunstvoll geschmückten Reliefs der Auferstehungsgeschichte des Gottessohnes ausgestattet.

König Karl hatte sich bei Paulus sehr herzlich bedankt, ihn freundlich umarmt und ihn gebeten, während eines für den Abend im großen Sitzungssaal für circa fünf Dutzend Personen anberaumten Essens seine Geschichten vorzutragen. Eingeladen hatte Karl den gesamten am Hof anwesenden Klerus, die weltlichen Großen, meist Grafen und auch einige wenige Anführer seiner gepanzerten Elitetruppen. Karl hatte weiter darum gebeten, auf prunkvolle Gewänder zu verzichten, sondern vielmehr mit sauberer Alltagskleidung beim Gastmahl zu erscheinen. Der fränkische König verzichtete selbst zunehmend auf die schmückenden Gewandungen, die in der quirligen Pfalz zu Ingelheim von einigen seiner weltlichen Amtsträger bevorzugt getragen wurden.

Karl zeigte auch deutlich seinen Unmut über zu viel Schmuck und allzu feine Stoffe bei seinen Gefolgsleuten. Stattdessen empfahl er die fränkische Tracht aus leinener Leibwäsche, wie all seine Frauen sie immer selbst gesponnen und gewebt hatten. Dazu Hosen, Stiefel, Schnür- oder Bundschuhe mit hohen wollenen Strümpfen. Für den Leib empfahl Karl eine Art Kutte aus aneinandergenähten Stoffstreifen und ein von einer Leibbinde gehaltenes Wams. Im Winter und an kalten Tagen war ein einfacher Schulterpelz aus Marder- oder Fischotterfellen angesagt. Nur an besonderen Festtagen oder beim Empfang hoher ausländischer Gesandter trug er die seinem Rang entsprechende festliche Kleidung und schmückte bisweilen sein Haupt mit einem perlenbesetzten Golddiadem. Seinem Rat gemäß trug der König heute selbst braune, halbhohe Stiefel aus Hirschleder, graue Wadenbinden um hohe, derb gestrickte Wollstrümpfe, seinen Unterleib bedeckte er mit einer kurzen leinenen Hose und darüber eine mit dem Saft von Kastanienschalen bräunlich gefärbte Kniehose aus weichem Rehleder, ein kurzes Unterhemd und ein langes Hemd mit Ärmeln, das bis hin zu seinen Knien in seiner Hose steckte. Seinen Leib bedeckte eine Art ärmellose Kutte, die er meist mit einer seidenen Leibbinde oder auch schon mal mit einem mit Tiersymbolen verzierten Gürtel zusammenhielt. Er trug meist ein Schwert, dessen Griff und Gehänge aus Gold oder Silber waren. Heute hatte er noch ein mit Biberfell besetztes Wams angezogen, das er jedoch schon recht früh ablegte und an seine Stuhllehne hängte, da der Kamin in seinem Rücken wohlige Wärme ausstrahlte.

Karl saß seinem königlichen Rang gemäß in einem Stuhl mit hoher Rückenlehne und breiten Armstützen. Selbst im Sitzen wirkte der fränkische König riesig. Er war von breitem und kräftigem Körperbau, hervorragender Größe, die jedoch das rechte Maß nicht überschritt. Der Schädel war rund, die Augen groß und lebhaft, die Nase überragte ein wenig das Mittelmaß. Der Mund war sinnlich und breit, seine Lippen ein wenig von einem kräftigen Schnurrbart bedeckt. Der König hatte ein freundliches und heiteres Gesicht. Sein langes dunkelblondes Haar wellte sich über der hohen Stirn nach hinten und fiel ihm bis in den Nacken. Des Königs Gang war fest, die ganze Haltung männlich, die Stimme ein wenig zu hell, was freilich zu der Gestalt nicht so recht passen wollte. Nur Angilbert, ein Jugendfreund Karls, hatte mal wieder den Schönling übermäßig herausgeputzt. Er kam mit frisch gewaschenem, mit heißen Eisenzangen gelocktem, bis auf die Schultern fallendem Blondhaar. Sein Bart war feiner gelegt als der des Königs, er trug ein feines Seidenhemd, das an beiden Ärmeln mit silbernem Brokatstoff abgefasst war. Gegürtet war er mit einem breiten Seidentuch, in das kunstvoll der Schaft für einen Hirschfänger eingearbeitet war. Um den Hals trug er eine dicke goldene Kette, die bis zur Brust reichte und in der Mitte ein hieran befestigtes stattliches Kreuz.

Da ausschließlich Männer geladen waren, hatte Karl Anordnungen gegeben, für seine Frau, Königin Fastrada, seine Kinder und für weitere Hofdamen in einem größeren Raum seiner Privatgemächer ebenfalls aufzutischen.

Am Hof des Königs in Ingelheim gab es vier verschiedene Möglichkeiten zu speisen. An der königlichen Tafel nahmen in der Regel die königliche Familie, alle engeren Verwandten Karls, aber auch die alten Freunde des Königs teil, wie Alkuin, Angilbert, Theodulf, Paulus Diaconus, Petrus von Pisa, dann die Inhaber wichtiger Ämter, wie beispielsweise die Grafen Audulf, Cancor und Meginfred als Seneschall, Mundschenk und Stallmeister. Fast immer gab es an der königlichen Tafel auch geladene Gäste. Die einfache Hoftafel umfasste die fest angestellten höheren Beamten, wie Notare, Sekretäre, Bibliothekare, Ärzte, Baumeister und militärisches Führungspersonal. Einen eigenen Speisesaal gab es für die unmittelbare Dienerschaft der Königspfalz. Die vierte Tafel war nur für Mönche und Pfaffen und galt wegen der strengen Fastengebote des Klerus als wenig beliebt.

Die Dunkelheit kam an diesem Tag wieder sehr früh. Pechfackeln mit langem Stiel, die in Eisenschäften schräg an Mauerbrüstungen oder Holzbalken befestigt waren, schufen für den rechteckigen Innenhof der Pfalz ein gespenstisches Licht. Die zum Essen eingeladenen Gäste, Karls Beraterstab, die Geistlichkeit, die Grafen, Militärführer, Beamte, allesamt wichtige Funktionsträger in der fränkischen Machtpyramide strebten aus allen Richtungen des Hofgeländes kommend polternd über eine breite, aber recht steile Holztreppe mit seitlichem Geländer in die um Speisesaal umfunktionierte Aula regia, dem großen Beratungsraum. Die überdachte Treppenkonstruktion mit einem recht breiten Zwischenpodest war wie ein Bienennest seitlich an der Hofseite des königlichen Wohn- und Regierungskomplexes angelehnt. An den Kopfseiten der Aula regia schufen zwei Luftschächte, die Heißluft aus Kaminen im Untergeschoss zuführten, eine erträgliche Raumtemperatur, während ein Dutzend mit Nussöl gespeiste Öllampen an den Wänden für eine angenehme Helligkeit sorgten. An den Wänden der Königshalle hingen dicke Teppiche aus fein gewobener, gekämmter Wolle mit farbigen Jagdbildern, die den Frankenkönig zeigten. Die langen Fackeln und die heute noch zusätzlichen Öllampen tauchten die bis auf die Seite zum Innenhof fensterlose Königshalle in ein gelbliches Licht und warfen tanzende Schatten unter die vom Ruß der Lampen und Fackeln geschwärzte Holzdecke.

Düdo von Harzhorn, ein sächsischer Adeliger, war von König Karl mit dem Ehrenamt des Feuergrafen ausgestattet worden und mit einer Reihe von Feuersknechten zum Aufseher über alle fränkischen Feuerstellen ernannt worden. Düdo hatte schon sehr früh die Macht des fränkischen Königs erkannt und mit seinen Gefolgsleuten opportunistisch die Fronten gewechselt und auch mit dem Taufgelöbnis den christlichen Glauben angenommen. Für seine sächsischen Landsleute war Düdo von Harzhorn ein Verräter, für Karl war er ein treuer Gefolgsmann und Berater in sächsischen Angelegenheiten geworden. Düdo, wie er eigentlich nur gerufen wurde, verleugnete niemals seine sächsische Herkunft. Er hatte seine roten Haare nach sächsischer Art im Nacken zu einem kurzen Zopf geflochten. Auf seinem gedrungenen Körper trug er ein dicht gewebtes, bis an die Knie hinunterreichendes Wams aus Schafswolle. Darüber, an einem breiten Gürtel aus Wisentleder und in einer ledernen Scheide steckte der kurze Sax der Westfalen. Grob gewebte Beinwickel schützten seine Waden und Füße, die in Hirschlederstiefeln steckten. Düdo lief immer wieder von einer Feuerstelle zur anderen, um seine Helfer zur Aufmerksamkeit aufzurufen und vor Leichtsinn mit dem Feuer zu warnen. Die Feuersbrunst, die letztes Jahr durch Unachtsamkeit die Königspfalz zu Attigny an der Aisne fast bis auf die Grundmauer niedergelegt und zu einigen Opfern bei Mensch und Tier geführt hatte, steckte allen damals Beteiligten noch tief in den Knochen.

Graf Audulf aus dem Taubergau bekleidete, wenn er nicht gerade für seinen König als Heerführer, Königsbote oder Diplomat unterwegs war, das Ehrenamt des Seneschalls, der für das leibliche Wohl seines Königs und das seines Gefolges die Verantwortung trug. Audulf hatte auf Weisungen an einer großen rechteckigen, etwa drei Fuß breiten, damastgedeckten Tafel jedem geladenen Gast seinen Platz zugewiesen, was zunächst zu großem Gepolter, Stühle- und Bänkerücken und einer allgemeinen Unruhe mit viel Stimmengewirr im Speisesaal führte.

An Karls rechter Seite hatten Paulus Diaconus mit Erzkaplan Angilram, dann Petrus von Pisa, Theodulf und Angilbert einen Platz zugewiesen bekommen, während sich an Karls linker Seite die Grafen Adalhard, Wala, sein Schwager Gerold von der Bertholdsbar sowie Markgraf Erich von Friaul und Graf Rorico von der Grafschaft Maine niederließen. Unmittelbar an dieser Kopfseite schlossen sich an beiden Längsseiten der Tische die Sitzplätze der anderen Großen des Fränkischen Reichs an. Alkuin, der große Universalgelehrte und wichtige Berater Karls war an diesem Abend noch nicht anwesend, er hatte sein Kommen aber bis spätestens zum Weihnachtsfest angekündigt. Um den Küchendienern das Auftragen der Speisen und Getränke zu erleichtern, hatte man an den beiden Längsseiten der rechteckigen Tafel für die Bedienung einen Durchgang belassen, der das Auftragen der Speisen aus dem Innenbereich der im Rechteck aufgebauten Tische gut ermöglichte.

Als Karl von einem Nebenraum aus, der auch zu seinen Privatgemächern in der Pfalz zählte, gemeinsam mit Paulus Diaconus den Speisesaal am Kopfende betrat und sich auf einen Stuhl mit Kopflehne setzte, schlug ihm ein Lärmen und Klopfen entgegen, wie es ihm auch bei Reichsversammlungen als Zeichen von Zuneigung und Zustimmung von seinen Gefolgsleuten oft entgegengebracht wurde.

An der Kopfseite befand sich eine Nische mit erhöhtem Sitzplatz für den fränkischen König, die sogenannte Exedra, die Karl niemals in Anspruch nahm, wenn er sich unter seinen Gefolgsleuten befand, sondern lediglich wenn fremde Gesandtschaften ihm seine Aufwartungen machten. So hatte sich Karl auch heute in gleicher Augenhöhe zu den Eliten des Fränkischen Reichs gesetzt. Er ließ das Klopfen und Lärmen eine Weile lächelnd zu, um dann die Hand als ein Zeichen erwarteter Stille zu erheben, die auch prompt einsetzte.

„Meine verehrten Gäste, ihr ehrwürdigen Bischöfe und Äbte, ihr hohen Herrn aus adligem Geblüt, meine verehrten Grafen, ihr dienstbeflissenen Mönche, die ihr allesamt treue Gefolgsleute eures Königs seid, ich begrüße euch alle auf das Herzlichste. Zu Ehren meines Freundes Paulus Diaconus habe ich euch zu dieser feierlichen Tafel gebeten, um mit euch zusammen den Gaumenfreuden zu frönen, aber auch während dieses Gastmahls und den dafür vorgesehenen Pausen dem Ohrenschmaus seiner Gesta episcoporum Mettensium, den Ausführungen über das Leben meiner Vorfahren, der Bischöfe von Metz, zu lauschen. Wenn Paulus Diaconus uns allen in den hierfür vorgesehen Pausen aus seinem mir heute überreichten Buch vorliest, erwarte ich absolute Ruhe und die ihm gebührende Ehrerbietung für sein neues literarisches Werk entgegenzubringen. Nunmehr bitte ich die Küche Speis und Trank zum Wohlgefallen meiner Gäste aufzutischen, euch allen wünsche ich guten Appetit und viel Vergnügen.“

Während sich Karl nach dieser kurzen Ansprache auf seinem Stuhl niederließ, umfing ihn wieder ein kurzes aber heftiges Klopfen und Lärmen als wohlwollend gemeinte Zustimmung.

Draußen hatte plötzlich ein heftiges Schneetreiben eingesetzt und recht heftiger Wind drückte mit der Warmluft auch viel Rauch aus den im Erdgeschoss befindlichen Feuerstellen in den Speisesaal. Der Geruch verbrannten Buchenholzes überdeckte für eine Weile den Geruch der vielen, in Holzschalen dampfenden Gerstensuppen sowie der in ehernen Schüsseln vor Fett triefenden Lamm- und Wildschweinbraten, die von einem guten Dutzend eilfertiger Diener des Küchenpersonals herangeschafft wurden. Es herrschte plötzlich eine rege Betriebsamkeit, es schepperte und klirrte, Stühle, Bänke und Tische knarrten, bisweilen fiel auch etwas vom Tisch, wenn sich Hände nach den mit schaumlosem Dünnbier, Honigmet, mit Wein gefüllten Krügen oder den noch warmen Brotlaiben reckten.

Graf Cancor, der das Ehrenamt des königlichen Mundschenks begleitete, wartete mit den erlesensten Weinen auf, denn schließlich wollte er den versammelten Gästen des Königs zeigen, dass es nicht nur Wein aus Burgund und der Champagne gab. Nein, dazwischen wurden auch herbe Weine von der Mosel, schwerer vom Rhein, wuchtiger aus Spanien und feuriger aus Zypern kredenzt, wobei Letzterer nie fehlen durfte, weil er überaus teuer war. Einige der Mönche ließen sich Fruchtsäfte in ihre Trinkkrüge aus Ton oder Kupfer füllen.

Zwei Jagdhunde hatten vom Innenhof über die steilen, für sie beschwerlichen Holzstiegen ebenfalls den Weg in den Speisesaal und zu ihren Hundeführern gefunden, um hier knurrend oder kratzend ihren Anteil am Braten oder wenigstens an den weggeworfenen Knochen einzufordern. Ein Stimmengewirr erfüllte den Raum so sehr, dass man selbst mit seinem unmittelbaren Tischnachbarn nur schwer ein vernünftiges Gespräch führen konnte. So ging das eine ganze Weile weiter, das Bedienungspersonal hatte zwischenzeitlich schon die meisten Holzschalen für die anfänglich servierte Gerstensuppe vom Tisch abgetragen, den starken Trinkern nachgeschüttet und einige große, mit Gewürzkräutern garnierte Holzschalen mit Geflügelfleisch von Tauben, Hühnern, Fasanen, Wachteln und Schnepfen reihum auf die Tische gestellt. Auch gesottenes Gemüse wie Möhren, Weißkohl und Brechbohnen wurde gereicht. In kleinen Tonschalen wurden noch verschiedene schmackhafte Tunken und Gewürze wie Salz, Pfeffer, Muskat, Safran, aber auch heimische Gewürzkräuter wie Rosmarin, Petersilie, Mauskraut, Knoblauch und Dill bereitgestellt. Auf besonderen Wunsch einiger Kleriker hatte die Küche gebratene Forellen mit Mus aus gepfefferten Früchten aufgetragen.

Bei Tisch entwickelte Karl einen robusten Appetit, erfolgte in der Wahl der Speisen mehr seinem eigenen Geschmack als dem Rat der Ärzte. Sie waren ihm verhasst, weil sie ihm rieten, dem von ihm besonders geschätzten Braten zu entsagen und stattdessen gesottenes Fleisch zu genießen. Wenn der König mal wieder an Rheuma und Gicht litt und die Schmerzen in seinen Gelenken einsetzten, haderte er mit seinen Essgewohnheiten. Er wusste zu gut, dass ein Gichtbrüchiger Fleisch vom Spieß zu Mittag und zu Abend eigentlich meiden musste wie der Teufel das Weihwasser. Die Ärzte waren wie erwähnt machtlos mit ihren Verboten und die Geistlichen mit ihren Geboten, wenigstens die Fastenzeiten einzuhalten.

Karl pflegte sich in der Regel freizukaufen, indem er eine größere Summe für die kirchliche Armen-pflege spendete. Enthaltsamkeit schade seiner Gesundheit, meinte er. Außerdem tränke er Bier und Wein nur in Maßen. Die Ärzte warf er einfach hinaus, wenn sie ihm mit Vorhaltungen kamen. Auch das Fasten, wie es die Geistlichkeit an bestimmten Feiertagen vorschrieb, unterließ Karl. Der übermäßige Genuss von Bier und Wein war ihm zuwider. Immer wieder hatte Karl gegen die Trunksucht gewettert und gemahnt, dass die Gastmähler nicht in Exzessen und Trunkenheit ausarten sollten. Karl konnte sich mit diesen Forderungen selbst beim Klerus nicht durchsetzen, dem nur schwer beizubringen war, dass die Trunksucht ein Laster sei.

Nachdem König Karl erkannt hatte, dass seine Gäste fürs Erste gesättigt schienen, einige hatten sich vom Tisch zurückgelehnt oder rülpsten laut vor sich hin, läutete er mit einer kleinen silbernen Glocke, worauf der Lärm der Gespräche abebbte, um dann nach einem zweiten Läuten vollkommen zu verstummen. „Meine lieben Gäste, wie ich sehe, habt ihr euren ersten Hunger und Durst gestillt und tut gut daran, euch nunmehr ein wenig geistige Nahrung zuzuführen“, lächelte der König wohlwollend in die Runde. „Bevor Paulus Diaconus euch nun die Geschichte der Bischöfe von Metz vorträgt“, fuhr Karl fort, „könnt ihr die Aborte aufsuchen und die Diener können eure Krüge nachfüllen“, sprach Karl mit allseits gut zu vernehmender Stimme.

Daraufhin entstand sofort wieder Unruhe im Saal, Stühle und Bänke rumorten über dem Holzboden, einige Teilnehmer hatten schon so viel getrunken, dass ihre Ungeschicklichkeit, mit der sie sich von ihren Plätzen erhoben, unübersehbar war. Bevor sie die steile Holztreppe hinunter zum Hof und zu den in den Untergeschossen gelegenen Aborten zustrebten, hatten sie durch Zuruf oder Gestik die Diener noch angewiesen, ihre Krüge mit dem gewünschten Getränk erneut zu füllen. Küchendiener nutzten die Pause um Krüge, Teller, Schalen und hölzerne Bratenplatten, aber auch die unter die Tische gefallenen abgenagten Knochen, die Reste von Brot, Obst und Käse einzusammeln.

Paulus hatte sich zwischenzeitlich an einem für ihn hereingetragenen Stehpult zu schaffen gemacht, die erste Seite seines Buches aufgeschlagen und dann, nachdem er die Lichtverhältnisse als nicht ausreichend empfunden hatte, nach einer besonders hellen Leselampe verlangt, wie sie die Schreiber in Skriptorien bei eintretender Dunkelheit häufig benutzten. Es dauerte doch eine ganze Weile, bis alle wieder auf ihren Stühlen und Bänken Platz genommen hatten.

„Wenn wir die Privatgespräche jetzt langsam beenden könnten, hätte ich nichts dagegen“, rief Karl den Männern zu.

Die geladenen Gäste unterbrachen sich darauf, tuschelten noch einmal kurz zur Seite und richteten dann ihren Blick auf den König.

„Ich danke euch, dass ihr nunmehr unseren verehrten Paulus Diaconus zu Wort kommen lasst“, sagte König Karl und lächelte dabei vergnügt.

Als mithilfe des Königs nun ausreichende Stille im Saal eingekehrt war, erhob sich Paulus Diaconus, um nach einigen Begrüßungsworten aus der von ihm verfassten Geschichte der Metzer Bischöfe vorzulesen. Paulus trug seine Ausführungen in einer eindrucksvollen lateinischen Sprache vor, wie sie nur von den gebildetsten Grammatikern seiner Zeit beherrscht wurde. Zunächst seine klare und angenehme Stimme, dann seine Gestik und Mimik, ja auch seine kleinen Sprechpausen im rechten Moment machten bei seinem Vortrag sehr viel Eindruck.

Die Stille und die Blicke aller Zuhörer im Geviert des Saals, die an Paulus Lippen hingen, zeugten von der Spannung, die in seinen Ausführungen lag. Kennern der Szene wie Erzkaplan Angilram und dem überwiegenden Teil der hohen Geistlichkeit konnte nicht verborgen bleiben, wie Paulus die Familie und die Ahnen des fränkischen Königs Karl mit kaum zu verkennender Absicht zu einer Geblütsheiligkeit verhalf und die von Karls Vater Pippin dem Kurzen anno 751 vorgenommene Ablösung des letzten Merowingerkönigs und die mithilfe des Papstes vollzogene eigene Thronbesteigung zu rechtfertigen suchte. Der Segen ihres Ahnherren, des Bischofs Arnulf von Metz, habe sie gegenüber den dekadenten Merowingerkönigen mit einer höheren Weihe versehen, war die eigentliche politische Botschaft seiner Ausführungen. Aber auch all jene seiner Zuhörer, die den politischen Hintergrund nicht verstanden, hingen an seinen Lippen, weil Paulus es verstand, seine Botschaft in so spannende Anekdoten zu kleiden, vor allem aber um die bereits eingesetzte Legendenbildung um das Leben des heiligen Arnulf weiter zu befördern.

Paulus berichtete, wie Arnulfs Sohn Ansegiesel dann Begga, die Tochter Pippin des Älteren geheiratet und die Geschlechter der Arnulfinger und Pippiniden vereint hatte. Ansegiesels Bruder Chlodulf war wie sein Vater Arnulf Bischof von Metz geworden. Paulus schilderte das Heiligenleben dieser Vorfahren Karls in so frommen Geschichten, dass Karl sich wahrlich seiner Abstammung vor seinen Gefolgsleuten rühmen durfte. Obwohl die Abstammung von Arnulf in geschichtlichem Dunkel lag, versuchte Paulus den Nachweis auch von Arnulfs Herkunft zu führen, verstrickte sich dabei in abenteuerliche Theorien, die zurück in die griechische Mythologie führten. Paulus ließ in seinem Vortrag Karls Ahnherrn, Arnulf von Metz, eine längst fällige Ehrung zuteilwerden und zwar dergestalt, dass er das karolingische Haus mit den Trojanern in Zusammenhang brachte, denn den Karolingern fehlte etwas sehr Wichtiges – die Geblütsheiligkeit. Schließlich waren die Karolinger, an vorderster Stelle Karls Vater Pippin, wenn das auch in Vergessenheit geriet, Thronräuber gewesen. Paulus konnte einfach so spannend erzählen, dass niemand Anstoß an solch waghalsigen Theorien nahm. Weil alle sehr andächtig seinen Erzählungen lauschten, hatte Paulus in stillem Einverständnis mit König Karl keine der geplanten Pausen eingelegt, sondern zu Ende erzählt.

Als Paulus Diaconus seinen Vortrag beendet hatte, klappte er sein Buch behutsam zusammen, ging seitwärts einen Schritt auf seinen König zu, sah ihm, der ebenfalls aufgestanden war, fest in die Augen und überreichte ihm jetzt symbolisch und vor aller Augen den Einband mit den Worten: „Möge dir, mein König, dieses Buch Anleitung und Ansporn zu einem frommen und gottgefälligen Leben sein und mögen seine hierin enthaltenen Ausführungen allen Untertanen in deinem großen Reich deine geblütsheilige Abstammung bezeugen.“

Karl umarmte Paulus mit zwei Händen in einer so freundlichen Weise, wie er noch niemand aus seiner Gefolgschaft jemals vor den Augen der fränkischen Großen geehrt hatte. Ein lang anhaltendes Trommeln aller Gäste begleitete diese rührende Szene zwischen ihrem König und dem von allen im Saal so geschätzten lombardischen Gelehrten.

Die Küche ließ noch süße Früchte, Rosinenbrot, Honigkuchen und etwas Käse auftragen. Dem Alkohol wurde von den meisten weiter gut zugesprochen, was man bei so manchen Teilnehmern jetzt an den Unzulänglichkeiten ihrer Sprache und ihren schwerfälligen Bewegungen erkennen konnte. Geistreiche Gespräche keimten eigentlich nicht mehr auf, Belanglosigkeiten wechselten mit derben, oft zotigen Sprüchen über Frauen ab und die anwesende Geistlichkeit erging sich in aller Regel in nicht weniger Schlüpfrigkeit als die weltlichen Grafen oder gar die Anführer militärischer Kampfverbände.

König Karl zog sich nach einem kurzen, eigentlich belanglosen Gespräch, das er mit Petrus von Pisa und Theodulf über das bayerische Klosterwesen geführt hatte, als einer der Ersten in seinen privaten Wohnbereich, der auf der gleichen Ebene wie der Beratungs- und Speisesaal lag, zurück. Kurz vorher hatte er noch Angilbert wegen seines pfauenhaften Auftretens an diesem Abend tüchtig den Kopf gewaschen: „Jetzt verstehe ich auch, warum alle Weiber hinter dir her sind, Angilbert“, sagte Karl lachend und legte seine Hand auf die Schulter des Mannes, der ihn schon so lange begleitete. „Und eines Tages wirst du sicherlich auf dem Maifeld zum schönsten Krieger gewählt“, fuhr Karl in spöttischer Weise fort.

„Einer muss es ja sein und nur kein Neid“, antwortete Angilbert respektlos und Karl beließ es schmunzelnd dabei.

Angilbert, der aus fränkischem Adel stammte und mit Karl groß geworden war, hatte sich inzwischen an Karls Seite einen festen Platz erkämpft, nicht auf dem Rücken eines Pferdes und nicht durch Schwertschwung oder geschickten Lanzenstoß, sondern durch Klugheit und das rechte Wort zur rechten Zeit. Angilbert war einer der wichtigsten und zuverlässigsten Berater des Königs geworden, nicht nur was Reichsgeschäfte, sondern auch was die privaten Angelegenheiten des Frankenkönigs betraf. Ihm ging an Karls Hof außerdem der Ruf voraus, ein ausdauernder und geschickter Liebhaber zu sein. Er selbst grinste nur vielsagend, wenn man ihn auf seine Frauengeschichten ansprach, doch galant wie er war, äußerte er sich nie dazu, was seinen Ruf nur noch verstärkte und wohl auch Neidgefühle bei seinen Trinkkumpanen auslöste.

Einige seiner Gäste erwiderten des Königs Gutenachtgruß nicht einmal mehr, weil ihr Kopf trunken von zu viel Met oder Wein auf die Tischplatte gefallen oder unter den Tisch gerutscht war. König Karl, dem solche Alkoholexzesse zuwider waren, erhob sich, nickte mit würdevoller Geste gegen den anhaltenden Lärm und verschwand, gefolgt von seinem Leibdiener durch einen zweigeteilten Vorhang in seine Privatgemächer. Natürlich floss bei solchen Gelagen auch der Alkohol in Strömen, und selbst der König konnte das nicht verhindern. Schnaps im heutigen Sinne war zur damaligen Zeit unbekannt, da die Kunst des Destillierens noch nicht erfunden war. Also blieb es beim beliebten Met, beim meist sauren Wein oder beim immer mehr in Mode kommenden Bier, das zunächst einmal aus Weizen, Hafer, Roggen, Hirse oder Gerste gebraut wurde. Hopfen und Malz waren wie Lorbeerblätter, Klatschmohn und Pilze die Zutaten, um einen besonderen Geschmack zu erzielen. Besonders die Mönche genossen den Ruf, gute Bierbrauer zu sein. Bier, meist warm und noch ohne Kohlensäure gehörte zu den Grundnahrungsmitteln. Bier enthielt die damals so dringend benötigten Kalorien, ließ den grauen Alltag erträglicher erscheinen und führte nicht selten auch zur Sucht. Getrunken wurde das Bier bereits zum Frühstück, aber auch zu allen möglichen anderen Gelegenheiten.

Die nächsten Tage verliefen eigentlich für alle Beteiligten in der Pfalz ohne besondere Vorkommnisse. Karl hatte einige Rechtsstreitigkeiten zwischen Grafen, Bistümern und Klöstern beizulegen, aber auch von Erben angefochtene Schenkungen an Klöster einmal bestätigen und zweimal im Sinne der Erben zurücknehmen müssen. Solche Tätigkeiten waren für den fränkischen König Alltagsgeschäft, deren eigentliche Abwicklung und formelle Überwachung in den Händen schreibkundiger Kleriker lag. Die Fertigstellung des Capitular de villis verlangte ihm da schon mehr an geistiger Konzentration ab.

Karl hatte sich fest vorgenommen, seine Anweisungen für die Krongüter-Bewirtschaftung bis zum Jahresende zu vollenden. Daher hatte er sich erneut mit Abt Wirund, den Reichenauer Mönchen und einigen Schreibern in einen kleinen Arbeitsraum zurückgezogen, um hier ungestört arbeiten zu können.

„Auf meinen Haupthöfen“, diktierte Karl, „sollen mindestens hundert Hühner und dreißig Gänse gehalten werden. Dazu will ich genug Edelgeflügel wie Pfauen, Fasanen, Enten, Tauben, Rebhühner und Turteltauben vorfinden. Jedes Königsgut soll Fischteiche anlegen und eine angemessene Kleintierzucht betreiben.“

Karl gab weitere Anweisungen für die Aufzucht von Mastgänsen bis hin zu der Zucht von Jagdhunden und Jagdfalken. Er beschäftigte sich sogar mit Nebensächlichkeiten wie dem Anbau zahlreicher Obst- und Gemüsesorten, Heilpflanzen, ja sogar Blumen. Für die Frauen und Mädchen auf den Spinnstuben seiner Güter verfügte er, dass zur rechten Zeit ausreichendes Material, also Flachs, Wolle, die Färbmittel Waid, Scharlach und Krapp, dazu Wollkämme, Seife, Fett, Gefäße und die übrigen kleinen Dinge, die dort zur Verarbeitung benötigt wurden, immer ausreichend zur Verfügung stehen müssten.

„Die Frauen sollen durchaus in eine Reihe von Aufgaben des landwirtschaftlichen Betriebs eingespannt werden“, forderte der König, „aber ich will nicht, dass sie männliche Arbeit leisten müssen, denn Gott verabscheut alles, was gegen die Natur ist“, machte der König gleich wieder Einschränkungen. „Wohl aber gehören Vieh- und Geflügelzucht zu ihren Aufgaben, dazu zählen auch das Melken der Kühe, Schafe und Ziegen sowie die Schafschur. Die Frau soll aber auch, neben ihrer täglichen Arbeit im Haus und auf dem Hof besonders in der Hochsaison helfen, die alle bäuerlichen Arbeitskräfte beansprucht, so beim Säen und vor allem bei der Ernte. Ich lasse auch gelten, dass die Frauen beim Pflügen als Ochsentreiber helfen oder gar den Weinberg bearbeiten.

Karl verlangte weiterhin von den Amtleuten seiner Güter, dass zum männlichen Gesinde nahezu alle Berufsgruppen vom Grobschmied bis zum Seifensieder zu zählen hätten. „Jeder Amtmann soll in seinem Bezirk tüchtige Handwerker zur Hand haben“, diktierte er seinen Schreibern in die Feder.

Karl legte für seine Krongüter die Anwesenheit verschiedener Handwerker fest. Er suchte für die zahlreichen unterschiedlichen Arbeitsgänge in seinen Grundherrschaften Leute einzusetzen, die sich auf bestimmte Tätigkeiten spezialisiert hatten. Nicht nur für seine Krongüter, sondern auch für die großen Güter der Klöster, Bistümer und Grafschaften strebte er diese Entwicklung an. Nach seinen Vorstellungen sollten in abgeschlossenen Bereichen einer Grundherrschaft die verschiedenen Handwerker zusammenarbeiten. Solche Bezirke nennt man vici; sie waren die Vorstufe der Handwerkerviertel mittelalterlicher Städte. Von ganz besonderer Bedeutung für den Frankenkönig waren die Waffenschmiede, die hochwertige und langlebige Waffen aus dem kostbaren, da knappen Eisen herstellten.

„Handwerk und Handel sind überaus bedeutsam für die Ernährungssicherheit und das Wohlergehen der Menschen in unserem Reich“, hatte der Frankenkönig immer wieder betont.

Im Besonderen hatte er sich dann mit der Bilanzierungspflicht eines jeden Amtmanns seiner Güter auseinandergesetzt. Karl forderte von seinen Buchhaltern getrennte Rechnungsbücher für Ein- und Ausgaben zu führen und den jährlichen Überschuss in einer externen Gesamtabrechnung darzulegen.

„Ich erwarte von meinen Verwaltern, dass sie als Ausfluss einer Grundherrschaft die wirtschaftlichen Rechte auf Dienste und Abgaben der Hörigen, die einen beträchtlichen Teil der Einkünfte eines Kronguts ausmachen, präzise benennen können“, diktierte der König und fuhr dann fort: „Ich erwarte von den Verwaltern meiner Krongüter, dass sie alljährlich über den Gesamtertrag eines Kronguts zu berichten wissen. Dabei will ich erneut über die grundsätzliche Bedeutung der Viehzucht aufmerksam machen. In den jährlichen Berichten meiner Verwalter müssen die differenzierten Begriffe für die Tiere einer Gattung deutlich werden. Mich interessiert beispielsweise bei der Schweinezucht zu erfahren, über wie viel saugende Ferkel, Mastferkel, Läufer, Mutterschweine und Leitsauen, Borgschweine und Eber ein Gut verfügt“, verlangte der König.

„Das Gleiche gilt für die Pferde, die zahlenmäßig in Hengste, Stuten und in ein-, zwei- oder dreijährige Hengstfohlen oder Stutenfohlen zu trennen sind. Und ich will, dass man bei der Züchtung unserer Lasttiere zwischen Maultier und Maulesel eine saubere Trennung vornimmt“, stellte der König gleich eine weitere Forderung hinten an.

„Bei den Rindern will ich Kenntnis davon erlangen, wie viel Ochsen, Kühe, Kälber, Jung- und Alttiere ein Krongut besitzt. Ein Verwalter muss in seinem Jahresbericht darüber hinaus erläutern können, wie viel die Ochsen, die im Dienst eines Rinderhirten stehen, eingebracht haben. Er muss darlegen können, was der einzelne Hufbauer als Pflug- und Fuhrdienst zu leisten hat. Ich will jährlich etwas über den Schweinezins, die angefallenen Buß- und Friedensgelder erfahren“, forderte der König. „Und es muss von meinen Verwaltern säuberlich aufgelistet werden, was jeder Hörige eines Kronguts an Abgaben in Naturalien zu erbringen hat“, schob König Karl noch nach und beobachtete, wie die Schreiber das Gesagte protokollierten.

„Auch wenn es manchem von euch kleinkariert vorkommt, will ich wissen, was der hörige Bauer für die Inanspruchnahme herrschaftlicher Einrichtungen zum Beispiel für die Schweinemast, das Holzfällen im herrschaftlichen Wald, die Nutzung der Mühle oder des Backhauses, ja selbst für den herrschaftlichen Eber, der eine Sau bespringt, an Gebühren und Abgaben zu leisten hat.“

Dann waren von Karl noch Regeln für die Vereinheitlichung von Hohlmaßen, den Scheffel, den Sester, das Seidel und den Korb erlassen worden. Zu Verwaltungsvorschriften kamen hygienische Regeln für die Zubereitung von Speck, Rauchfleisch, Sülze, Pökelfleisch, Wein, Essig, Würzwein, Most, Senf, Käse, Butter, Malz, Malzbier, Met, Honig, Wachs und Mehl, welches in Karls Anweisung gipfelte: „Und niemand solle sich unterstehen, die Trauben etwa mit den Füßen zu keltern.“

Besondere Erwähnung fanden die Pferde, auf die schon Karls Vater Pippin und sein Großvater, der legendäre Karl Martell, die ungeheure militärische Schlagkraft der Franken aufgebaut hatten. Weil die Pferde auch für Karls Elitetruppen unersetzlich waren, stellte er in seinem Capitular de villis klare Forderungen an seine Krongüter: „Die Zuchthengste sind so zu bewegen, dass sie nicht unbrauchbar werden, die Stuten gut zu pflegen, die Hengstfohlen rechtzeitig abzusondern und am Sankt-Martins-Fest, dem 11. November, zur Begutachtung vorzuführen.“ Immer wieder drängte er auf eine noch bessere und nützlichere Bepflanzung der Gärten mit Obst, Gemüse und Heilpflanzen.

„Du bist wahrscheinlich der erste König der Geschichte, der sich für Beifuß, Liebstöckel und Gartenminze interessiert“, sagte Wirund lachend.

„Du weißt warum“, entgegnete der König. „Aber es stimmt, ich will schon lange, dass in meinen Pfalzen und Krongütern ein Garten angelegt wird, in dem die wichtigsten fünf Dutzend Kräuter und dazu Blumen, Beerensträucher und gute Obstsorten gedeihen.“

Dem König war auch sehr daran gelegen, dass möglichst viele seiner Untertanen Kenntnis über die hilfreichen Arzneien aus Blüten, Blättern, Wurzeln und Samen hatten, die auf einem fünfundsiebzig Seiten Kalbspergament von den Mönchsärzten im Skriptorium des Reichsklosters Lorsch niedergeschrieben waren. Das Capitular de villis zählte allein 74 Gattungen Blumen, Küchenkräuter und Gemüse auf, von der Lilie bis zum Salbei, über die Artischocke und das Katzenkraut, die in den Gärten der Güter gezogen werden sollten. Es legte die Anzahl der Hühner fest und der Eier, die gelegt werden mussten, gleichzeitig aber auch, woraus das Bettzeug des königlichen Schlafgemachs zu bestehen hatte. Es waren Maximalforderungen, die er im Capitular de villis aufzeichnen ließ.

Kein Zweifel aber, dass das Gemeinwesen, wie Karl es in Teilbereichen mit blühenden Gärten, mit wohlbestellten Äckern und Weinbergen, mit vollen Fischteichen und großem Wildbestand der Forste zu formulieren suchte, sein heimliches Utopia, sein heimlicher Garten Eden war.

Wirund und die Reichenauer Mönche aber ließen den König bei der Formulierung solch häufig utopischer Wunschbilder gewähren und schmunzelten dann heimlich, wenn König Karl allen Ernstes seinen Bauern Anweisung gab, Donnerkraut, eine Wolfsmilchart zu züchten, die bekanntlich den Blitz abwehre. Und doch war Karls anno 787 fertiggestelltes Capitular erst der Anfang von noch viel größeren Umwälzungen, Sehnsüchten und Reformen, die er, zwar noch sehr unausgegoren, aber in seinem Kopf schon mit sich herumtrug.

Alkuin kam zwei Tage nach dem Ersten Advent mit dem Kleriker und Moselfranken Wigbod, einigen Schreibern und etwa einem Dutzend berittener Soldaten in Ingelheim an. Sie kamen von einer Synode in England zurück, die im letzten Jahr am Hofe König Offas von Mercien im Beisein einer päpstlichen Gesandtschaft stattgefunden hatte. Alkuin hatte die Gelegenheit genutzt, seiner angelsächsischen Heimatstadt York einen Besuch abzustatten. Als Ergebnis dieses Besuchs führte er viele Schriftstücke und Bücher in schweren, mit Eisenleisten beschlagenen Kisten mit sich.

Alkuin und seine Begleiter hatten mit ihrem Schiff an der schmalsten Stelle zwischen dem Festland und dem angelsächsischen Königreich, nämlich zwischen Calais und den Kreidefelsen von Dover, übergesetzt, waren an der Küste entlang bis zur friesischen Handelsmetropole Dorestad gesegelt, um dann mit ihrem Schiff von der Rheinmündung über Nimwegen, Kloster Werth auf der Rheininsel, Köln und Koblenz das Rheinufer bei Ingelheim zu erreichen.

König Karl und Alkuin hatten sich nunmehr fast zwei Jahre nicht mehr gesehen und daher so manches zu besprechen. Karl hatte Alkuin auch nach Ingelheim eingeladen, um vornehmlich mit ihm und einigen Großen des Reichs eine Bildungsoffensive zu erörtern.

Nachdem nun Paulus Diaconus bei Karl erst vor einigen Tagen sehr eindringlich einen umfangreichen Reformbedarf, die Forderung nach einem ständigen Regierungssitz und mutig eine Änderung des fränkischen Erbrechts und die Verschriftlichung einer fränkischen Reichsverfassung angemahnt hatte, war Karl natürlich an Alkuins Bewertung über die zum Teil provokativen Ausführungen von Paulus Diaconus sehr gespannt. Daher hatten sich die Beratungsschwerpunkte geändert, es wurden Karls Fragen zur Bildungsreform einfach hintenangestellt. Mit dem Siegel strengster Verschwiegenheit versehen hatte Karl Alkuin daher zu dessen gedanklicher Vorbereitung eine Kopie dieses zwischen König Karl und Paulus Diaconus geführten Gesprächs zukommen lassen. Wenn auch Alkuin manchmal auf Karl weltfremd, ja linkisch und im Umgang mit anderen Geistesgrößen seines Hofs, als dessen Moderator er sich fühlte, etwas abgehoben wirkte, so schätzte Karl an diesem angelsächsischen Benediktinermönch und Priester doch dessen hohe Gelehrsamkeit, seine Intelligenz und umfassende Bildung, die gleichermaßen auf antiken und christlichen Wurzeln fußte. In der Kathedralgemeinschaft im angelsächsischen York erhielt Alkuin das Fundament seiner überragenden Buchgelehrsamkeit und eine intellektuelle Schulung, die ihn zum gesuchten Gesprächspartner des fränkischen Königs machte, wobei die überreiche Bibliothek von York die geistige Rüstkammer Alkuins bildete.

Alkuins Stärke war auch sein kindlicher, fast naiv anmutender Glaube an die Erklärbarkeit der Welt, seine Überzeugung, dass alle Dinge und Wesen im Gefüge einer gottgeschaffenen Ordnung geborgen seien. Alkuin, dieser großartige Kopf, hatte die Gabe, in Unklarheiten noch Maß und Form zu finden, im Zufälligen entdeckte er noch eine Regel und selbst im Chaos fand er noch Gesetzmäßigkeiten. Diese Gedankenwelt und Tradition war von dem großen angelsächsischen Kirchenlehrer Beda Venerabilis begründet worden. Beda hatte als Leiter der Yorker Domschule eine Kultur des Forschens, Lehrens und Interpretierens geschaffen, die von Alkuin fortgeführt wurde. Im Dunstkreis Bedas und auch seines Schülers Alkuin gab es keine unbeantwortbaren Fragen.

König Karl sah in seinem Berater Alkuin den großartigen Geist, wenn es darum ging, in seinen eigenen Unklarheiten das Maß oder die Form zu fi nden, im Zufälligen die Regel und das Gesetz im Chaos. Es war, als hätten sich zwischen den beiden Männern zwei Sichtweisen ein und dergleichen Seele gefunden. Karl, der körperlich alle Überragende, begegnete in Alkuin einem Mann, der ihm kaum bis zur Brust reichte, der jeden Satz viel feiner und bedächtiger aussprach als seine an Schmutz und Blut, Rohheiten und derbe Witze gewöhnten Kampfgefährten.

Alkuins Schwäche bestand in der Abwesenheit jeglichen schöpferischen Antriebs und der Unfähigkeit, diese Ordnung selbst infrage zu stellen. Alkuins besonderes Interesse galt der Musik, mehr noch der Himmelskunde, die Astronomie und Astrologie ungeschieden in sich vereinte. Besonders in diesem Fach war Alkuin ein gesuchter Ratgeber des fränkischen Königs, der häufig um Expertisen nachsuchte, wenn gewichtige Entscheidungen anstanden. Alkuin war ein kleiner schmalgesichtiger, sehr asketisch wirkender Mönch von siebenundfünfzig Jahren mit spärlichem Haar, der sich in seiner Kleidung in keiner Weise von anderen Mönchen am Hof abhob. Von diesem jugendlichen Greis mit Apfelbäckchen, dieser alterslosen Erscheinung, war der König so beeindruckt gewesen, dass er ihm Würden, Macht und sehr viel Geld versprach, nur um ihn an seinen Hof zu locken.

Jedermann am Hof wusste um seine Vorlieben für junge Mönche, seine offensichtlich homoerotischen Neigungen und seine fleischlichen Schwächen. Die jungen Mönche, die ihn umgaben, liebte er von Herzen. Er strich ihnen gern übers Haar oder umfasste, wie er selbst einmal schrieb, ihre Nacken mit den Fingerchen seiner Wünsche und Gelüste. Seine schwülstigen Redewendungen, die er häufig in Briefen an Freunde gebrauchte, forderten den Spott des Hofs heraus, aber jedermann in seinem Umfeld bewunderte auch das Funkeln seines großartigen Geistes. Der Kirchenlehrer aus York kam zu der anberaumten Unterredung in einer sehr schlichten Kombination aus einem Leinenhemd mit langen Ärmeln, einem Wams aus ungefärbtem Leinen und einem halblangen Rock, der bis über die Knie reichte. Die weit geschnittenen Beinkleider und halbhohen Stiefeletten verbargen nur unvollkommen seine dünnen, deutlich nach außen gebogenen Beinchen. Und noch etwas Ungewöhnliches hatte dieser Mönch, was ihn von den anderen so abhob: als einziger Mann am Hof trug Alkuin kein Fleischmesser mit Hirschhornoder Eisengriff an seinem weichen, breiten Ledergürtel, sondern eine Reihe von Schlaufen für eine ganze Sammlung von Schreibbleistücken, Federkielen und Spitzmessern, dazu Parfümphiolen, Salzfässchen und einen Tiegel für die lila Augensalbe irischer Mönche. Er genoss in Karls Beraterrunde wegen seines universellen Wissens einen schon legendären Ruf. Wegen seines häufig besserwisserischen Gehabes wurde er jedoch von vielen nicht gerade geliebt. Er maßte sich an, bisweilen sehr harte Urteile über die literarischen Erzeugnisse von Kollegen zu fällen.

Alkuin hasste es, wenn beim Austragen theologischer Kontroversen eher rhetorische als dialektische Fähigkeiten im Vordergrund standen. In allen Sachverhalten, die das fränkische Staatswesen betrafen, vor allem in theologischen Belangen, waren seine Argumentationslinien, seine politischen Analysen von hohem Sachverstand geprägt. Zwischen dem fränkischen König und Alkuin bildete sich eine gegenseitig befruchtende Konstellation, in der das politische, sehr visionär denkende Genie Karls, das weder schreiben und nur ein wenig lesen konnte, in Alkuin den Gehilfen fand, der mit Wissen, Geist, Intuition und Organisationstalent bei der Verwirklichung der wegweisenden Regierungsaufgaben unersetzlich war.

In den folgenden Tagen ritt Karl nicht mehr aus. Die beiden ungleichen Männer hockten Stunde für Stunde zusammen in Karls Arbeitszimmer. Karl hatte seinem Diener befohlen, dass niemand sie stören sollte, nicht einmal die Feuerknechte durften Holz im Kamin nachlegen, das bewerkstelligten die beiden selbst. Karl und Alkuin achteten nicht einmal auf Mahlzeiten, sie bedienten sich lediglich hin und wieder aus einem Krug mit Honig gesüßtem Rheinwein, um ihre Stimmen zu befeuchten oder sie nahmen sich, wenn sie Hunger verspürten, mit kaltem Geflügelbraten oder Käse belegte Weizenbrote.

Zunächst hatte Alkuin dem König von seiner Reise nach England an den Hof König Offas berichtet, wo er mit seinem Begleiter Wigbod an einer Synode teilgenommen hatte, die auch von einer päpstlichen Gesandtschaft besucht wurde.

„Welche Lehren darf der fränkische König aus deinem Besuch dieser englischen Synode entnehmen, Alkuin?“, fragte Karl seinen langjährigen Berater und eröffnete ein lang anhaltendes Gespräch.

„Ja, kommen wir ohne Umschweife zur Sache, mein König“, verspürte auch Alkuin keine Lust, sich mit Nebensächlichkeiten aufzuhalten. „Zunächst muss ich dir sagen, dass ich die Reise in vollen Zügen genossen habe. Zu sehen, wie mürrische Amtsleute und hochfahrende Grafen sich in demütig schwänzelnde Hundeseelen verwandelten, wenn ich mich als dein persönlicher Bote auswies, war schon beeindruckend“, grinste Alkuin. „Wie sie mir das Beste aus Küche und Keller vorsetzten und ihr schnellstes Pferd zur Weiterreise anboten, wie sie mich blinzelnd und gesichterschneidend baten, ja nicht ihre Namen zu vergessen und diese bei schicklicher Gelegenheit dir, dem Frankenkönig, als deine treuen und willfährigen Gefolgsleute zu benennen und möglichst zu loben.“

„Ja, so sind nun mal die Menschen“, lachte Karl, „für den Gunstbeweis des Königs und ein wenig eigenen Machtzuwachs verkaufen sie Vater und Mutter.“

„Ich habe bei König Offa, der englischen Geistlichkeit, aber auch bei den päpstlichen Gesandten, die an der Synode teilnahmen, den Eindruck gewonnen, dass sie uns auf dem Weg nach einer Vereinheitlichung des christlichen Glaubens wohl weitgehendst folgen werden“, begann Alkuin seine Einschätzung von der Reise nach England vorzutragen. „Mit den angelsächsischen Astronomen vermelde ich darüber hinaus die erfreuliche Nachricht, dass der Planet Mars seit dem vergangenen Juli nirgendwo am Firmament gesichtet wurde.“

„Dann dürfen wir also endlich friedlichen Zeiten entgegensehen“, meinte der König erfreut.

Für den König hatte Gott die Sterne als Wegweiser der Menschen ans Firmament gesetzt und einigen Auserwählten wie Alkuin Begabung und Mittel verliehen, ihre Bahnen zu deuten. „Auch zwei christliche Kleinkönige der Insel Irland mit Namen Lancelot und Bedwin habe ich dort kennengelernt“, fuhr Alkuin fort, „und ich glaube, dass beide dir sehr gewogen sind.“

„Das ist erfreulich zu hören, aber die Namen dieser irischen Könige habe ich noch nie gehört!“

„Ja, das ist schade, aber wir sollten Kontakt zu diesen Königreichen aufnehmen“, erwiderte Alkuin, „denn ich erinnere an den segensreichen Einfluss der irischen Kirche und ihrer Missionare auf dem Kontinent, auf das Klosterleben und was die Bildung allgemein betrifft. Erinnert sei an den heiligen Kilian, Bischof von Würzburg, und seine Gefährten als Vorläufer der angelsächsischen Verkündung auf dem Festland.“

„Gut, Alkuin, dann stelle eine Gesandtschaft zusammen, damit wir diese Herrn besser kennenlernen“, ordnete Karl gleich an. „Schließlich wollen wir auch weiterhin, dass irische Dichter, Philosophen und Gelehrte ihr Können auf das Festland mitbringen und sich vielleicht gar meinem Hof anschließen“, gab Karl dann noch zu bedenken.

Alkuin grinste. „Offa beäugt weiterhin sehr misstrauisch deinen engen Verbund mit Papst Hadrian und deine Rolle als weltliches Oberhaupt des Christentums. Darüber hinaus meine ich bei König Offa erkannt zu haben, dass er einem Bündnis zur Abwehr der Normannen sehr aufgeschlossen gegenübersteht“, schilderte Alkuin seine Eindrücke.

„Wahrlich interessante Erkenntnisse, die deine Reise nach England dann ja wohl gerechtfertigt haben“, erwiderte Karl augenzwinkernd.

„Das denke ich schon, denn ich habe auch noch einen Vertrag mit König Offa von Mercien ausgehandelt“, sagte Alkuin und grinste dabei.

„Einen Vertrag? Ich verstehe kein Wort“, entgegnete der König und sah dabei gar nicht glücklich aus.

„Nichts hat Bestand!“, traf Alkuin eine richtige, wenn auch nicht sonderlich neue Feststellung.

„Ja, Alkuin, da hast du sicherlich recht“, antwortete Karl eher beiläufig und rieb sich vor dem lodernden Kaminfeuer die Hände.

„Ich bin dafür, dass es ab und an Veränderungen geben muss“, meinte Alkuin philosophisch.

Karl kannte den kleinen, oft weltfremd wirkenden Gelehrten nur zu gut.

„Na, was bewegt sich jetzt wieder in deinem klugen Kopf?“

„Ich habe meine Anwesenheit bei König Offa auch genutzt, um aus einem Nachteil einen Vorteil zu machen und alle vertraglichen Dinge auf diesem Pergament entsprechend niederzulegen“, strahlte Alkuin über beide Backen und legte ein Pergament auf den Tisch.

„Mit einem Vertrag? Ich verstehe noch immer kein Wort.“

„Es ist der Versuch, die von dir aus verletzter Eitelkeit vor einigen Jahren verhängte Kontinentalsperre unserer Häfen für Schiffe aus Britannien aufzuheben.“