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Ist es denkbar, dass wir mehr als nur einmal leben? Dass wir vor diesem Leben bereits mehrmals existiert haben? Und dass unsere Existenz Folgen haben wird, über dieses eine Leben hinaus? Die Idee von Reinkarnation und Karma ist noch relativ neu im westlichen Kulturkreis. Sie ist sicher nicht im klassischen Sinne „beweisbar“, aber sie ist es wert, ernsthaft geprüft zu werden. Dies geschieht in diesem kleinen Buch mit den Mitteln der Vernunft. Dabei werden auch kritische Fragen angesprochen: Bedeutet Karma, an allem selbst schuld zu sein? Wie steht es mit Krankheit und Behinderung? Und wie verwandelt sich das Leben, wenn man es unter den Gesichtspunkten von Reinkarnation und Karma lebt? „Karma neu denken“ will eine Perspektive öffnen, die Wiederverkörperung als Entwicklungsweg der Individualität und als Schlüssel für ein neues Wirklichkeitsverständnis versteht. „Die Idee der Wiederverkörperung hat mit einer Qualität von Weisheit zu tun, der unser Alltagsbewusstsein noch kaum gewachsen ist. Sie vermag aber alles zu verändern, unser Denken über uns selbst als geistige Wesen und unsere auf das Diesseits begrenzte Weltsicht.“ - Jens Heisterkamp
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Seitenzahl: 73
Veröffentlichungsjahr: 2023
Jens Heisterkamp Karma neu denken
ISBN E-Book 978-3-95779-192-4
ISBN gedruckte Version 978-3-95779-191-7
Diesem E-Book liegt die erste Auflage 2023 der gedruckten Ausgabe zugrunde.
E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
Schlanke Reihe Band 8
Erste Auflage 2023
© Info3 Verlagsgesellschaft Brüll & Heisterkamp KG, Frankfurt am Main 2023
Lektorat: Anna-Katharina Dehmelt, Frankfurt am Main
Korrektorat: Katharina de Roos, Bonn
Satz: Ulrich Schmid, de·te·pe, Aalen
Umschlag: Frank Schubert, Frankfurt am Main
Coverbild: Alexej von Jawlensky: Meditation (1934),
Wikimedia gemeinfrei
Ist es denkbar, dass wir mehr als nur ein Mal leben? Dass wir vor diesem Leben bereits mehrmals existiert haben? Und dass unsere Existenz Folgen haben wird, über dieses eine Leben hinaus?
Die Idee von Reinkarnation und Karma ist noch relativ neu im westlichen Kulturkreis. Sie ist sicher nicht im klassischen Sinne „beweisbar“, aber sie ist es wert, ernsthaft geprüft zu werden. Dies geschieht in diesem kleinen Buch mit den Mitteln der Vernunft. Dabei werden auch kritische Fragen angesprochen: Bedeutet Karma, an allem selbst schuld zu sein? Wie steht es mit Krankheit und Behinderung? Und wie verwandelt sich das Leben, wenn man es unter den Gesichtspunkten von Reinkarnation und Karma lebt?
„Karma neu denken“ will eine Perspektive öffnen, die Wiederverkörperung als Entwicklungsweg der Individualität und als Schlüssel für ein neues Wirklichkeitsverständnis versteht.
Dr. phil. Jens Heisterkamp studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Philosophie. Er ist als Redakteur und Verleger im lnfo3 Verlag in Frankfurt am Main tätig.
Eine Idee, die Fragen aufwirft
1. Eine kleine Geschichte der Reinkarnation in Ost und West
2. Reinkarnation und Karma als Provokation des naturalistischen Weltbildes
Erste Provokation: Es gibt ein unsterbliches Subjekt der Wiederverkörperung
Zweite Provokation: Es gibt ein Jenseits im Diesseits
Dritte Provokation: Entwicklung als Sinn der Wiederverkörperung
Vierte Provokation: Es gibt eine objektive moralische Weltstruktur
3. Freiheit will Karma
Ursache und Wirkung
Keine mechanische Kausalität
Karma und Mitgefühl
4. Karma ist Entwicklung jenseits von Strafe
Krankheit und Behinderung
5. Karma vertieft die Menschenwürde
Praktische Wirkungen
„Nach mir die Sintflut“ geht nicht mehr
6. Ein Ausblick
Des Menschen Seele gleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel steigt es, Und wieder nieder Zur Erde muss es, Ewig wechselnd …Goethe
Ist es denkbar, dass wir mehr als nur ein Mal leben? Dass wir vor diesem Leben bereits mehrmals existiert haben? Dass unsere Existenz Folgen haben wird, auch über dieses eine Leben hinaus – dass wir wiederkommen? Diese Perspektive zu öffnen berührt etwas Rätselhaftes und Intimes. Komme ich wieder – ich? Das ist doch so unmittelbar nah, so unverwechselbar eigen – was soll denn da eigentlich wiederkommen? Wo wäre ich denn in der Zwischenzeit gewesen und wo sollte ich nach dem Tod sein? Wenn es Wiederverkörperung geben würde, wäre Vieles infrage gestellt. Es ist eine radikale Idee, die mit so manchem nicht zusammenpasst, was wir über uns Menschen und die Wirklichkeit zu denken gewohnt sind. Eine Idee, die lange Zeit mehr der Esoterik zugeordnet wurde und die man wahlweise als eine exotische Kulturblüte aus dem Osten oder als persönliche Spinnerei abtun konnte.
Inzwischen wird jedoch das Sprechen über Wiederverkörperung selbstverständlicher. Reinkarnation taucht beispielsweise als Film-Motiv auf: Im Jahr 2012 inszenierte Tom Tykwer in seinem Film Cloud Atlas die Idee der Wiederverkörperung und spielte in dem über mehrere Jahrhunderte ausgelegten Plot mit der Möglichkeit, dass manche Persönlichkeiten in ganz anderen Rollen wiederkämen. Auch in anderen Filmen, Serien und Romanen klingt das Motiv an. Inzwischen hält es sogar Einzug in die Alltagskultur: „Schlechtes Karma loswerden: So geht’s“, verheißt etwa ein Artikel auf Focus Online vom Januar 2022. Eine in Frankfurt am Main ansässige Initiative gegen Kinderarmut in Indien heißt Karmaheld und die Stiftung Plan International betreibt zur Ausbildungsförderung junger Frauen in Entwicklungsländern die Gutes Karma Stiftung. So etwas scheint schon fast selbstverständlich, auch wenn die Bezeichnungen etwas augenzwinkernd gemeint sein mögen. In Deutschland sind jedenfalls inzwischen 35 Prozent der Befragten davon überzeugt, schon einmal gelebt zu haben, so die Plattform statista Stand 2017. Der Religionswissenschaftler Helmut Obst (Reinkarnation – Weltgeschichte einer Idee, 2009) spricht gar von Reinkarnation als einer „transreligiösen Erfolgsidee“ – was übrigens auch unter Kirchenmitgliedern gilt, wie der evangelische Theologe Rüdiger Sachau bereits 1998 mit Hinweis auf eine Befragung von Schweizer Gemeinden festgestellt hat. Es glauben heute mehr Menschen an Wiedergeburt als an die Auferstehung.
Diese Popularisierung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier um alles andere als um eine einfache Sache geht und dass sich vermutlich viele, denen die Reinkarnationsvorstellung sympathisch ist, die Konsequenzen dieser Idee keineswegs klarmachen. Die Idee von Reinkarnation und Karma (oder Wiederverkörperung und Schicksal) ist neu und ungewohnt im westlichen Denken. Und um es in einem Satz zu sagen: Sie scheint in Widerspruch zu allem zu stehen, was auf wissenschaftlich solidem Boden steht. Manche sehen in dieser Idee sogar ein Einfallstor für Menschen, die mit der Komplexität des modernen Lebens nicht zurechtkommen und zu irrational anmutenden Konzepten Zuflucht nehmen. Das wird dann als Signal für gesellschaftliche Gefahr im Verzug interpretiert. Dass manche Vertreterinnen und Vertreter dieser Idee in der Tat nicht gerade durch Seriosität glänzen, dass sie beispielsweise zu Spekulationen neigen, in einem früheren Leben diese oder jene Persönlichkeit gewesen zu sein, macht die Sache nicht vertrauenswürdiger. Erst recht gilt das, wenn jemand sich mit verwegener Ahnungslosigkeit anmaßt, das Glück oder Unglück anderer Menschen aus einem früheren Leben erklären zu können.
Das liegt aber alles nicht an dieser Idee selbst. Wir können vielmehr für sie, wie ich zeigen möchte, durchaus diskussionswürdige Gründe Vorbringen. Und mit der Meinung, dass man doch als Angehöriger eines wissenschaftl ichen Zeitalters nicht eine Idee wie die Wiederverkörperung auch nur ansatzweise ernst nehmen könne, sollte man auch vorsichtig sein. Niemand Geringerer als Markus Gabriel, einer der angesagtesten Philosophen der Gegenwart, sagt dazu: „Auch den Glauben an die Reinkarnation […] können wir nicht naturwissenschaftlich widerlegen oder ausschließen, weil Naturwissenschaften stets nur beschreiben, erklären und teilweise vorhersagen können, wie sich Prozesse und Strukturen im Universum entwickeln, ohne dass daraus jemals abgeleitet werden könnte, dass es nur diejenigen Prozesse und Strukturen gibt, die von den Naturwissenschaften erforscht werden.“ (Markus Gabriel, Der Mensch als Tier, 2022)
Die Idee von Reinkarnation und Karma ist nicht im klassischen Sinne „beweisbar“, aber sie ist es wert, ernsthaft geprüft zu werden. Die leitende Absicht in dieser kleinen Schrift wird es sein zu fragen, wie weit wir kommen, wenn wir dem Prinzip von Reinkarnation und Karma gedanklich nachgehen. Es wird hier also nicht um neugierige Zuordnungsfragen gehen, nicht um ein „Who is Who“ von Reinkarnationsfolgen und auch nicht um Tipps, wie man eigene frühere Inkarnationen herausfinden kann. All das mag tun, wer will, aber auf den folgenden Seiten wird es nicht um diese Formen einer Gebrauchs-Esoterik gehen, sondern ums Prinzip. Es kann versichert werden, dass es, soweit das bei diesem Thema möglich ist, vernünftig zugehen soll. Das bedeutet vor allem, dass ich bemüht sein werde, die Unterschiede zwischen philosophischer Phänomenologie, gedanklicher Schlussfolgerung und Spekulation immer transparent zu halten; ich werde differenzieren zwischen dem, was ich aus eigener Einsicht glaube vertreten zu können und dem, was ich aus anderen Quellen übernehme. Zu diesen „anderen Quellen“ zählt für mich vor allem die Anthroposophie Rudolf Steiners. Und ich hoffe es gelingt mir, auch im Umgang mit dieser Quelle immer die Unterscheidung deutlich zu machen, was hier von mir selbst verstanden wurde und was ein übernommener, vorausgesetzter Inhalt ist. Die Haltung des offenen Fragens ist mir bei alldem immer die Richtschnur – sehen wir, wohin das führen kann.
Soviel glaube ich jedoch vorausschicken zu können: Die Idee von Reinkarnation und Karma hat ein verborgenes Potenzial – es liegt in ihr so etwas wie ein philosophischer „Stein der Weisen“, der alles ändern könnte, den gesamten Blick auf uns selbst und die Welt.
Dass sie heute auch auf viel Skepsis stößt, überrascht deshalb nicht. Eine persönliche Episode sei hier vorangeschickt: Auch bei mir selbst war das anfangs so mit der Skepsis. Als ich mit knapp zwanzig Jahren mein Studium begann, war ich auf der Suche nach etwas Gehaltvollem für mein Leben. Mit Philosophie hatte ich mich bis dahin nicht beschäftigt, weil ich durch Gespräche mit Freunden, die in der Oberstufe an einer Philosophie-AG teilnahmen, den Eindruck gewonnen hatte: Philosophie ist eine komplizierte Art zu sagen, dass wir nichts wissen können. Würde in der Philosophie etwas über den Sinn des Lebens zu finden sein, dann hätte mir das doch bereits irgendwo begegnen müssen. Es hätte doch etwas in das öffentliche Leben einfließen müssen von dem, was man über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens herausgefunden hatte. Dazu hätte für mich vor allem die Frage gehört, ob es so etwas wie ein Leben nach dem Tod gibt. Das war sogar die alles entscheidende Frage. Nach dem, was mir Freundinnen und Freunde über Philosophie erzählt hatten, schien mir diese Disziplin kein aussichtsreicher Weg zu sein.