Karrierebooster Soft Skills - Lothar E. Keck - E-Book

Karrierebooster Soft Skills E-Book

Lothar E. Keck

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Beschreibung

Lothar E. Keck, erfolgreicher Projektsteurer und Kommunikationstrainer lässt Sie an seinen Erfahrungen aus der Praxis teilhaben. Er sagt: "Manche Auftraggeber haben mich immer dann beauftragt, wenn Probleme drohten. Diese Herausforderungen haben mir Spaß gemacht und eigentlich habe ich immer das bekommen, was ich wollte. Diese Erfahrung wünsche ich auch Ihnen". In diesem Buch erhalten Sie Antworten auf Fragen zu den wichtigsten Bereichen beruflicher Anforderungen (Verhandeln, Besprechungen führen, Präsentieren und frei reden, Konflikte lösen, Teams führen sowie das Thema Körpersprache), untermauert durch wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Verhaltenspsychologie und den Neurowissenschaften. •Schlechte Besprechungen haben eine große Gemeinsamkeit. Kennen Sie das Geheimnis? •Körpersprache als Erfolgsfaktor in einem Gerichtsprozess? Wie kann das sein? •Wieso verhandeln Sie aus der Perspektive der Gegenseite erfolgreicher, als wenn Sie sich nur auf Ihre Ziele konzentrieren? •Wie die besten Absichten Ihrer Teammitglieder das Projekt gefährden. Kann die Pre-Mortem-Analyse helfen, Risiken zu vermeiden? •Eine harte Provokation rettete ein Projekt vor dem Scheitern. Wollen Sie wissen wie? •Cholerischer Gesprächspartner? Wie Sie es schaffen cool zu bleiben. •Emotionen haben im Beruf nichts zu suchen, Punkt. Wieso eigentlich? Das Gegenteil ist der Fall! •Beteilige ich mich am "PowerPoint-Bashing" oder halte ich endlich eine mitreißende Präsentation? Ein wichtiger, zentraler Punkt bringt die Wende. Der Erfolg hat zwei Standbeine. Fachwissen alleine reicht nicht, wenn Sie Ihre Fähigkeiten nicht überzeugend "rüberbringen". Effektiv zu kommunizieren ist daher neben der fachlichen Qualifikation der ausschlaggebende Faktor für den beruflichen Erfolg.

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Seitenzahl: 550

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Dipl.-Ing. Lothar E. Keck

Karrierebooster Soft Skills

Die wichtigsten Schlüsselkompetenzen

Abb. 1 Foto: Monika Nonnenmacher

Impressum

ISBN

Veröffentlicht: Oktober 2024, Alle Rechte vorbehalten

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Verlag:Lothar E. KeckLothringer Str. 150677 Köln

www.soft-skill-training.eu

Umschlaggestaltung: Christina Plener, Berlin

Veröffentlichungsplattform: epubli Berlin

Inhalt

Impressum4

Inhalt5

Persönliches12

Zwei Standbeine - Fachwissen und Soft Skills15

Wie wir ticken - Der rote Faden durch die Soft Skills17

Besuch im Neandertal - Genetische Prägung 17

Blick in die Antike - Kulturelle Prägung 19

Ausflug in das Innere - Der heutige Kenntnisstand 20

Wahrnehmung - Wer ist eigentlich Herr meiner Sinne? 24

Kopf oder Bauch - Schwierige Entscheidungen 29

Die Rolle des Wohlbefindens bei Entscheidungen 32

Einige Grundelemente der Kommunikation35

Womit überzeugen wir? 35

Fakten vs. Emotionen 35

Persönlichkeit 38

Stimme und Sprechen 39

Die "vier Ohren" 42

Aktives Zuhören 43

Paraphrasieren 46

Verständlichkeit 47

Small Talk 49

Lautlose Botschaften – Körpersprache51

Das körpersprachliche Umfeld 51

Was ist Körpersprache? 52

Sehorgan Gehirn 55

Spiegelneuronen, Empathie, Rapport 57

Wie interpretieren wir Körpersprache? 60

Körpersignale 61

Inkongruente Kommunikation 63

Gender-, Kultur- und Hierarchieunterschiede 65

Proxemik 68

Funktionen der Körpersprache 75

Funktionale Gestik 76

Emblematische Gestik 76

Sprachergänzung und -unterstützung 80

Dominanz- und Submissionssignale 82

Status- und Gruppenzugehörigkeitsindikatoren 87

Emotions- und Befindlichkeitsanzeiger 93

Neuere Anwendungsgebiete 95

Dr. Ekmans Micro Expressions 95

Haltung macht mutig 96

Körpersprache in ausgewählten Situationen 98

Kontaktaufnahme, Kennenlernen, Begrüßung 98

Erster Eindruck und der "Halo"-Effekt 98

Begrüßung 99

Lügen und Täuschung in Konflikt- und Verhandlungssituationen 102

Lügen erkennen? 102

Lügen ist Stress 103

Täuschungssignale 104

Blickrichtungsanalyse 106

Corona und Kommunikationsverhalten108

Änderungen des Verhaltens und der Wahrnehmung 108

Tipps für die Online-Kommunikation 110

Das Heft fest in der Hand - Besprechungen wirklich führen113

Die Grenzen der Selbstorganisation 113

Besprechungen wirklich führen 115

Besprechungsvorbereitung 116

Besprechungsumfeld 117

Besprechungsteilnehmer 122

Themenvorbereitung 126

Besprechungsablauf 129

Einstieg 129

Ausblick 130

Themenbearbeitung 131

Resümee 132

Ausstieg 133

Werkzeuge der Besprechungsleitung 133

Protokollführung 137

Führungsstil und Autorität 141

Spielregeln als Führungsinstrument 144

Startbesprechung (Kick-off Meeting) 144

Organisatorische Regeln 145

Kommunikationsregeln 146

Ablaufregeln 147

Verhandeln in der Besprechung 149

Besprechungsprobleme 149

Aufrechterhaltung der Kontinuität 149

Besprechungskonflikte und deren Lösung 150

Hart Verhandeln - die sanfte Kunst155

Feilschen oder verhandeln? 155

Die Verhandlungsbeteiligten 156

Die Rolle von Macht und Status 156

Verhandlungstypen 161

Vorbereitung 164

Informationsbeschaffung 164

Selbstmotivation 168

Checkliste zur Vorbereitung 169

Die Verhandlung 172

Der Einstieg 172

Konfrontatives Verhandeln 174

Kooperatives Verhandeln - Das Harvard-Konzept 177

Sachfragen von der Beziehungsebene trennen 179

Konzentration auf Interessen statt auf Positionen 181

Verhandlungsmasse mehren 184

Objektive Beurteilungskriterien anwenden 186

Taktische Hinweise 187

Auf Gegenargumente reagieren 187

Den Rücken freihalten 189

Mehr fragen als sagen 190

Nachdrücklich argumentieren 191

Umgang mit Forderungen 193

Der Körper spricht 195

Verhandlungsabschluss 196

Besonderheiten von Teamverhandlungen 197

Rahmenbedingungen 197

Das eigene Team 198

Das fremde Team 199

Probleme und Konflikte 202

Kommunikationsprobleme 202

Ungleiche Machtverhältnisse 203

Rechtsanwälte 204

Schwierige Verhandlungspartner 206

Im Rampenlicht - Öffentlich präsentieren und frei reden209

Chancen und Hindernisse 210

Präsentieren 212

Vorbereitung der Präsentation 212

Zielgruppe 212

Veranstaltungsumfeld 213

Präsentationstechnik und -organisation 215

Death by PowerPoint? 218

Präsentieren als Führungsaufgabe 221

Überzeugungskraft 225

Charisma 225

Turbolader für Argumente 227

Storytelling und Metapher 228

Empfangskanäle (VAKOG) 231

Publikumsorientierung 231

Sprechpausen 232

Sprachliche Weichmacher 233

Sprachmarotten 234

Dialekt 235

Besonderheiten der Körpersprache beim Präsentieren 237

Haltung 237

Gestik 238

Mimik 239

Blickkontakt 240

Äußere Erscheinung 242

Proxemik 244

Probleme 244

Aufmerksamkeitsverlust 244

Schwierige Teilnehmer, Störungen 250

Hilfsmittel 253

Manuskript 253

Visuelle Unterstützung 254

PowerPoint 255

Flipchart 255

Handout 256

10 Tipps für bessere Folien 257

1. Weniger ist mehr, Folien nicht überfrachten 257

2. Keine "selbsterklärenden" Folien 257

3. Abwechslungsreiche Gestaltung 258

4. Max. 4-7 Stichworte (Bullet Points) statt Sätze 259

6. Große Schriften, einfache Schrifttypen 259

7. Sparsame Farbgebung und Animationen 260

8. Klare, gut unterscheidbare Kontraste 261

9. Verzicht auf Logo, Fußzeilen und reine Deko-Elemente 261

10. Schnelle Erfassung des Inhalts erleichtern 262

10 Tipps für den persönlichen Auftritt 263

1. Der Referent ist die Präsentation, nicht PowerPoint 263

2. Zentraler Standort, Licht, sichtbar sein 264

3. Touch-Turn-Talk, Blickkontakt 265

4. Krawumm! Primäreffekt beim Einstieg nutzen 266

5. Frei sprechen, nicht vorlesen. 266

6. Storytelling, Metapher, Dialog statt Monolog 267

7. Gehirngerecht kommunizieren 268

8. Abwechslungsreich präsentieren 269

10. Rezenzeffekt beim Ausstieg nutzen 271

Kriegsbeil oder Friedenspfeife? - Konflikte verstehen und lösen273

Wie man einen ordentlichen Konflikt produziert 273

Einflüsse auf unser Konfliktverhalten 275

Konflikte 276

Konflikt oder Meinungsverschiedenheit? 276

Konflikte positiv? 280

Illusion Konfliktvermeidung 280

Stattdessen Eskalationsvermeidung 282

Kommunikation im Konflikt 284

Lösungsstrategien - Von Selbsthilfe bis Direktive 284

Eigenständige Konfliktbewältigung 284

Moderation 286

Mediation 287

Direktive 291

Synergien wecken - Teamentwicklung und Teamführung292

Mir nach, ich weiß auch nicht, wo's langgeht! 292

Haufen, Gruppe oder Team? 294

Gruppendynamik, ein labiles System 298

Teamentwicklungsphasen 298

Die optimale Teamgröße 302

Gruppentypen 304

Die dunklen Seiten des Teams 304

"Groupthink" und Radikalisierung von Entscheidungen 305

"Social loafing" (Trittbrettfahrer, soziales Faulenzen) 310

Polarisierung zwischen verschiedenen Teams 314

Erfolgsfaktoren 316

Die Teammitglieder 318

Teamfähigkeit 318

Funktion, Position, Rolle 320

Rollen und Persönlichkeit im Team 322

Rollenmodell nach Belbin 323

Thomanns Persönlichkeitstypen 324

Das D.I.S.G.-Modell 326

Big Five / OCEAN-Modell 327

Sylvia Löhken: Intro- / Extroversion 328

Kritische Anmerkung zu Persönlichkeitsmodellen 332

Der Teamleiter 333

Organisatorische Einbindung 333

Qualifikation und Selbstverständnis 335

Die Führung des Teams 337

Teamführung 338

Teamorganisation und laterale Führung 339

Linie, Matrix und andere Organisationsformen 339

Laterale Führung 341

Motivation und Veränderung 342

Führung während der Teamentwicklung 354

Führungsstil 361

Führungsinstrument Spielregeln 364

Resümee 367

Führung ohne Hierarchie? (Gastbeitrag von Samir A. Keck) 368

Anhang372

Checkliste "Öffentlich präsentieren und frei reden" 373

Formular Besprechungsvorbereitung 380

Formular Verhandlungsvorbereitung 381

Formular Änderungsantrag 382

Anmerkungen 383

Abbildungsnachweis und Copyright 385

Der Autor 387

Persönliches  

Gegen Ende meines Hochschulstudiums als Architekt und Stadtplaner und sicher noch am Anfang meiner Berufstätigkeit war ich überzeugter Anhänger quantitativer Methoden, die mir aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Rationalität das Gefühl der Objektivität und Sicherheit gaben, optimale Lösungen zu finden und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Ich beschäftigte mich damals mit Netzplantechnik, Nutzwertanalyse, statistischen Verfahren und anderen komplizierten Dingen. Ohne es zu merken, leitete mich ein zweieinhalb Jahre währendes Stipendium 1), das mich nach Indien führte, auf einen ganz anderen Weg. Plötzlich musste ich mich mit Menschen auseinandersetzen, die ganz andere Wertvorstellungen besaßen als ich, und die sich ganz anders und oft unerwartet verhielten. Um dort zu "überleben", musste ich mich anpassen, musste lernen, die andere Seite zu verstehen und mein Verhalten zu ändern. Rückblickend war das für mich ein unschätzbar wertvolles Training im Umgang mit Menschen, das anschließend, während meiner Tätigkeit in einem multinationalen Team für die UNDP in Sri Lanka, einige Jahre später für ein deutsches Consultingunternehmen in Nigeria, in zahlreichen Projekten in Europa und hierzulande und nicht zuletzt im Rahmen meiner selbständigen Berufsausübung noch vertieft wurde.

Zurück in Deutschland stellte ich fest, dass meine hauptsächlich im Ausland erworbenen Fähigkeiten, mich auf Menschen jeglicher Couleur einzulassen und mein eigenes Verhalten danach auszurichten, sehr dabei halfen, Menschen zu überzeugen und meine beruflichen Ziele zu erreichen. Dies war für mich umso entscheidender, als ich nach einiger Zeit der Berufstätigkeit meine eigentliche Berufung in der Projektsteuerung fand. Hier stand ich in beratender oder operativ verantwortlicher Form immer irgendwie an der Spitze eines Teams, musste in immer wieder wechselnder Form Arbeitsgruppen z.T. hoch qualifizierter Fachleute anführen, schwierige Bauherrn von noch schwierigeren Entscheidungen überzeugen, mit widerspenstigen Behörden verhandeln und mit renitenten Baufirmen umgehen, am Vormittag mit dem einfachen Handwerker in der Baugrube reden und am Nachmittag vielleicht mit dem Vorstand einer großen Firma auf der Chefetage verhandeln. Irgendwann war es dann so weit, dass ich den Sprung in die Selbstständigkeit wagte und nun auch noch das wirtschaftliche Risiko allein tragen musste.

Für meinen Erfolg war die fachliche Qualifikation sicher sehr wichtig. Aber ebenso wichtig waren auch meine sozialen und kommunikativen Fähigkeiten und manches Mal waren Diplomatie, Verhandlungsgeschick oder Durchsetzungsvermögen noch vor der Fachkompetenz ausschlaggebend für das Ergebnis.

Während meines gesamten Berufslebens beobachtete ich immer wieder mit Erstaunen, wie ungeschickt sich manche meiner Kollegen in allen möglichen Situationen verhielten, wie sie mit den falschen Fragen zum falschen Zeitpunkt schlafende Hunde weckten, ihre berechtigten Interessen oder gute fachliche Lösungen nicht durchsetzen und ihr hervorragendes Fachwissen einfach nicht an den Mann bringen konnten. Irgendwann, kurz nach der Jahrtausendwende, war es dann so weit, dass ich das Gefühl hatte, meinen Kollegen etwas von meiner Erfahrung vermitteln zu können und ich beschloss, parallel zu meiner Tätigkeit als Projektsteurer einige Seminare im Bereich Soft Skills anzubieten. Bei den Vorbereitungen hierzu wurde mir schnell klar, dass der Grundstein meines Erfolgs oft weniger auf fachlichem Terrain lag (ich hatte immer das Gefühl, dass es in meinem Bereich bessere Fachleute gab als mich), als vielmehr auf dem Gebiet der Soft Skills.

Die Themen, die dem vorliegenden Buch zugrunde liegen, beruhen auf den persönlichen Erfahrungen, die ich im Laufe von mehr als vier Jahrzehnten in meinem Beruf machen durfte (und manchmal musste), und stellen eine Zusammenfassung meiner Seminarthemen dar. Das Feedback, das ich von zahlreichen Seminarteilnehmern erhalte, zeigt mir, dass auch die unmittelbaren Ereignisse meines Berufslebens, die ich zwischendurch als Anekdoten mit Lerneffekt erzähle, als wertvolle Hinweise betrachtet werden, die zum Verständnis des Themas beitragen. Sie helfen mir auch zu demonstrieren, dass diese Seminarinhalte keine blanke Theorie sind, sondern unmittelbar praktische Relevanz haben. Auch in diesem Buch werde ich daher manchmal von konkreten Situationen und Erfahrungen berichten. Zur Unterscheidung von rein sachlichen Inhalten sind diese Episoden ebenso wie eventuelle Fremdbeispiele jeweils von einem Rahmen umgeben.

Mein Anliegen ist es, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nicht irgendwelche simpel erscheinende, aber wenig hilfreiche Patentrezepte oder langatmige akademische Ergüsse ohne praktischen Nährwert anzubieten. Mir geht es u.a. auch darum, Ihnen einen Einblick zu vermitteln, wie wir Menschen "ticken", da dies zum Verständnis unserer Wahrnehmung und unseres Kommunikationsverhaltens unverzichtbar ist. Das ist auch der Grund dafür, warum ich in fremden Fachbereichen "gewildert" und Ihnen Informationen aus der Verhaltenspsychologie, den Neurowissenschaften und anderen spannenden Gebieten zusammengetragen habe.

Wenn Sie Ihre Sinne geschärft haben, Ihre Aufmerksamkeit auf bestimmte Verhaltensweisen und Mechanismen gerichtet und verstanden haben, warum wir Menschen uns in bestimmten Situationen so verhalten, wie wir es tun, dann kommen die richtigen Reaktionen meist von ganz allein. Mein Rat: Lesen Sie nicht nur dieses Buch. Beschäftigen Sie sich immer wieder mit den hier behandelten Themen. Schärfen Sie Ihre Sinne und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das, was jeden Tag um Sie herum vorgeht. Beobachten Sie und reflektieren Sie, warum bestimmte Dinge so passieren, wie sie passieren. Langfristig werden Sie von der ungeheuren Speicherkapazität Ihrer grauen Zellen profitieren, die man nach einiger Zeit Erfahrung nennen wird.

Mit diesem Buch biete ich Ihnen an, an meinen Erfahrungen zu partizipieren, wobei mir jeder dogmatische Anspruch fernliegt. Für viele geschilderte Probleme mag es andere Lösungen geben als die, welche ich Ihnen anbiete. Aber vielleicht finden Sie bei meinen Schilderungen auch den einen oder anderen Tipp, der Ihnen hilft - und damit habe ich mein Ziel erreicht.

Es ist mir ein persönliches Anliegen, nur über Themen zu schreiben, die ich aus eigener Erfahrung kenne. Allerdings habe ich durch meinen Sohn Samir Alexis Keck einen eher oberflächlichen Einblick in die Welt agiler Organisationsformen erhalten. Samir ist seit vielen Jahren sehr erfolgreich als Berater, Trainer und Coach in diesem Bereich tätig und in der Zwischenzeit anerkannter Experte auf diesem Gebiet sowie Mitbegründer verschiedener Unternehmen, u.a. aktuell OrgVolution GmbH. Auch wenn ich in seinem Spezialgebiet über keine persönliche Erfahrung verfüge, erscheint mir das Thema äußerst interessant und zu wichtig, um Ihnen einen Einblick vorzuenthalten. Ich habe Samir daher gebeten, einige Gedanken zum Thema "Führung ohne Hierarchie" zu Papier zu bringen. Das Ergebnis finden Sie am Ende des Kapitels "Synergien wecken - Teamentwicklung und Teamführung".

Viel Spaß beim Lesen und Erfolg beim Umsetzen wünscht Ihnen

Lothar E. Keck

Zwei Standbeine - Fachwissen und Soft Skills

Als moderne, aufgeklärte Menschen wissen wir den Wert rationalen Denkens und Handelns zu schätzen. Im Berufsleben hat die fachliche Qualifikation einen hohen Stellenwert. Dabei vergessen wir ganz gerne, dass die Fachqualifikation nur eines von zwei Standbeinen des beruflichen Fortkommens ist. Nachhaltiger Erfolg bedarf darüber hinaus auch der Fähigkeit, technische Zusammenhänge verständlich darzustellen, Menschen zu überzeugen, zu motivieren und für eine Sache zu begeistern, widerstrebende Interessen zusammenzubringen, Konflikte konstruktiv zu lösen und einiges mehr. Nicht umsonst werden diese Fähigkeiten auch als Schlüsselqualifikationen bezeichnet. Im Rahmen dieses Buches spreche ich lieber von Soft Skills. Schließlich ist ja auch die fachliche Qualifikation definitiv eine Schlüsselqualifikation. Der Begriff "Soft Skills" betont hingegen den dualen Ursprung des Begriffs, und ruft deren Zwillingsschwester, die Fachkompetenz, ins Gedächtnis die gelegentlich ja auch als "Hard Skills" bezeichnet wird.

Manch einer reibt sich verwundert die Augen, wenn er feststellt, dass der berufliche Erfolg trotz hervorragender Fachkenntnisse ausbleibt. Was den Fachidioten zum Fachidioten macht, ist die einseitige Konzentration auf Fachwissen und die Vernachlässigung sozialer und kommunikativer Fähigkeiten. Für den nachhaltigen Berufserfolg ist eben auch die Fähigkeit ausschlaggebend, seine Sache verkaufen zu können, Gesprächspartner zu überzeugen, auf Widerstände konstruktiv zu reagieren und Konflikte nachhaltig zu lösen.

Oft genug merken wir nicht, dass wir uns selbst im Weg stehen, wenn es mit der Kommunikation wieder einmal nicht so geklappt hat, wie wir uns das wünschen.

Als Teilnehmer eines Seminars habe ich mich vor vielen Jahren über einen Kollegen geärgert, der mit einer vermeintlich "dummen Frage" auf meinen Übungsvortrag reagierte. "Hat wohl nicht aufgepasst", dachte ich mir. Ein anderer Kollege mit einem Hieb in die gleiche Kerbe. Meine Reaktion: "Der versteht das eh nicht". Nach der dritten Frage eines weiteren Teilnehmers in der gleichen Richtung fiel bei mir der Groschen: Ich war es! Ich war offenbar nicht in der Lage, mein Anliegen so darzustellen, dass die anderen es verstanden! Ich hatte sie nicht mitgenommen! Ein Schlüsselerlebnis. Es kam nicht darauf an, was ich sagen wollte, sondern vielmehr darauf, was bei den Zuhörern ankam. Ich kann noch so viel auf einer Frequenz senden. Wenn der Empfänger eine andere Wellenlänge verarbeitet, wird meine Botschaft nicht ankommen.

Ein Symptom für die Dominanz fachlicher und die Vernachlässigung nicht-fachlicher Faktoren zeigt sich u.a. in der einschlägigen, beruflichen Ratgeberliteratur, die sich, befeuert durch eine entsprechende Nachfrage, häufig auf oberflächliche Handlungsanweisungen und Patentrezepte konzentriert. Diese Ratschläge funktionieren häufig nach dem einfachen wenn …/dann …-Prinzip: "Wenn dein Gegenüber (Gesprächs-, Verhandlungs-, Konfliktpartner) sich so und so verhält, dann musst du so und so reagieren!" Ich habe Fachbücher, z.B. über Verhandlungsführung, gefunden, die Dutzende, im Einzelfall mehr als 70 solcher Einzeltaktiken für bestimmte Fälle beschreiben, aber ich bin überzeugt, dass man insbesondere in angespannten Situationen unter Stress, wenn schnelle, spontane Reaktionen gefragt sind, nicht einen einzigen dieser "guten Ratschläge" abrufen kann. Die Gründe hierfür liegen in der Funktionsweise unseres Gehirns, das sich nicht ohne Weiteres austricksen lässt. Warum dieser Ansatz nicht funktionieren kann, und welche Rolle der "psychologische Nebel" dabei spielt, erfahren Sie im Detail in einem der folgenden Abschnitte.

Verhandlungsgeschick, Führungsqualität, Überzeugungskraft, Entscheidungsstärke, kurz die Verbesserung kommunikativer Fähigkeiten beruhen weniger auf rationalem Denken und Wissensvermittlung im Sinne von Fachwissen als vielmehr auf der Stärkung empathischer Fähigkeiten, Wissen um die Natur menschlicher Wahrnehmung und deren Grenzen, Beschäftigung mit psychologischen Fragen der Entscheidungsfindung, Verständnis gruppendynamischer Prozesse, Wissen um die Rolle der Emotionen gegenüber rationalen Entscheidungsprozessen, Selbstreflexion, Beobachtung und persönlichen Erfahrungen etc. Genau das ist das Ziel dieses Buches.

Wie wir ticken - Der rote Faden durch die Soft Skills

Um das menschliche Verhalten bei der Kommunikation zu verstehen, reicht es nicht aus, genetische und kulturelle Einflüsse zu kennen. Auch die äußerst komplexen wahrnehmungspsychologischen und neurobiologischen Vorgänge, Gegenstand der folgenden Abschnitte, geben uns Aufschluss darüber, welche Mechanismen in bestimmten Situationen wirksam werden.

Besuch im Neandertal - Genetische Prägung

Es ist uns i.d.R. nicht bewusst, wie stark unsere Reaktionen auf äußere Einflüsse und unser alltägliches Verhalten in unseren Genen verankert sind und auf uralten Instinkten und Überlebensstrategien beruhen, die vor langer Zeit das Überleben der menschlichen Rasse sicherstellten.

Abb. 2

In der Steinzeit, vor rund 60.000 Jahren, wurde der menschliche Körper bei Gefahr blitzschnell durch hormonelle Reaktionen zu Höchstleistungen für Flucht, Angriff oder Erstarren vorbereitet. Für den Neandertaler 2) war dies eine Frage des Überlebens. Noch heute schaltet unser Gehirn bei Stress auf das gleiche Notprogramm um: Erhöhter Blutdruck, schneller Puls, eingeschränkte Wahrnehmung und reduzierte Denkfähigkeit zugunsten instinktiver Reaktionen ...

● Als Einzelner einer größeren Gruppe gegenüberzustehen, musste jedem Neandertaler bedrohlich erscheinen und zu den vorgenannten Reaktionen führen, um seine Sicherheit zu gewährleisten. Kommt Ihnen das unter dem Stichwort "Lampenfieber" nicht bekannt vor?

● In der Steinzeit bedeutete Gruppenzugehörigkeit Sicherheit und Überleben. Gemeinsame Rituale, äußerliche Erkennungszeichen durch Körperschmuck, Haartracht, Kleidung, soziale Verhaltensnormen etc. erleichterten die schnelle Zuordnung zur eigenen oder fremden Gruppe. Noch heute wirkt das nach: Wir erwarten Angepasstheit in Kleidung, Aussehen und Verhalten. Ein fremdes Erscheinungsbild ist vielen suspekt. Wir fassen leichter und schneller Vertrauen zu jemandem, der uns ähnlich ist. Wir erwarten zu bestimmten Anlässen "Geschäftskleidung", während es bei manchen Gelegenheiten auch die Gefahr gibt, als "overdressed" betrachtet zu werden. Verletzung dieser Normen zieht auch heute noch häufig Geringschätzung oder Ausgrenzung nach sich.

● In früheren Zeiten soll der Mensch mit der erhobenen offenen Hand gezeigt haben, dass er unbewaffnet war, und noch heute begrüßen wir uns so. Wir tasten uns heutzutage nicht nach Waffen ab, wenn wir uns zur Begrüßung umarmen. Aber es gibt Forscher, die diese Geste darauf zurückführen, dass man früher sichergehen wollte, dass sich nicht ein gefährlicher Gegenstand im weiten Gewand verbarg.

● Darwin hat mit seiner Theorie des fortwährenden, "natürlichen" Existenzkampfes zur Arterhaltung, dem Überleben des Stärkeren und des daraus resultierenden Egoismus, der angeblich in unseren Genen verankert ist, das neuzeitliche Denken bis heute geprägt. Eigennutz oder Kooperation? Neurobiologische Untersuchungen zeigen, dass unser eingebautes Motivationssystem durch die gehirneigenen Botenstoffe Dopamin, endogene Opioide und Oxytocin auf ein Streben nach sozialer Anerkennung und Kooperation programmiert ist. Kooperation ist daher nicht nur verstandesgeprägte Konditionierung, sondern ein grundlegend natürliches und uraltes Verhalten.

● Spiegelneuronen, erst 1992 durch einen italienischen Neurophysiologen entdeckt, sorgen dafür, dass Vorgänge, die wir bei anderen Menschen beobachten, die gleichen Reaktionen in unserem Gehirn verursachen, als wenn wir diese Handlungen selbst aktiv ausführen würden. Sie sind damit Grundlage für imitationsähnliche Lernvorgänge in frühester Kindheit und für das intuitive Verständnis der Gefühle unserer Mitmenschen ("Theory of mind"), generell als Empathie bezeichnet. Auch diese Eigenschaft ist tief in unseren Genen verankert.

● In der Steinzeit war es wichtig, blitzschnell Freund und Feind zu unterscheiden. Noch heute haben wir die unglaubliche Fähigkeit, innerhalb von Sekundenbruchteilen Emotionen in Gesichtern zu erkennen. Überhaupt glauben wir oft auch dort "Gesichter" zu erkennen, wo keine sind - und sei es in irgendwelchen Gesteinsschatten auf dem Mars oder in überaus simplen Anordnungen von Punkten und Strichen.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass noch heute ca. 4 % der DNA des Neandertalers in uns schlummern und unser Verhalten mit beeinflussen, ob dies heute noch sinnvoll erscheint oder nicht.

Blick in die Antike - Kulturelle Prägung

Es sind nicht nur uralte Gene, Unerfahrenheit oder unreflektierte Gewohnheiten, die uns daran hindern besser zu kommunizieren. Jahrhunderte andauernde kulturelle Prägungen haben uns Scheuklappen angelegt, derer wir uns nicht einmal bewusst sind. Den alten Philosophen haben wir es zu verdanken, dass wir Wertvorstellungen entwickelt und verinnerlicht haben, die nichts mit der Realität zu tun haben und die uns auch heute noch falsche Vorstellungen davon vermitteln, wie Kommunikation funktioniert. Seit der Antike, von Sokrates, Plato, Aristoteles über Descartes und Kant wird uns die Vorherrschaft des Geistes über das Gefühl eingetrichtert: Der Mensch wird ausschließlich über das rationale Denken definiert, Gefühle werden als minderwertig und störend betrachtet und in die Nähe von Krankheit gerückt. Wie sagte schon Plato?

"Die Emotion ist eine unvernünftige und naturwidrige Bewegung der Seele".

Demnach seien es die intellektuellen Fähigkeiten, nachzudenken und vernünftig zu handeln, die das Wesen des Menschen ausmachen und uns maßgeblich vom Tier unterscheiden. Dunkle, animalische Gefühle sind es, die den "Homo sapiens", den vernunftbegabten Menschen, in seiner Erhabenheit behindern. In der Wissenschaft, im Management, in der Wirtschaft, im Berufsleben generell haben Gefühle nichts zu suchen. Gleichzeitig geht der Begriff "irrational" deutlich über eine neutrale Bedeutung im Sinne "der Vernunft nicht zugänglich" hinaus und dient oft als Synonym für unlogisch, aberwitzig, irre, töricht, schlecht. Der Blick in das Synonymenlexikon ist hier sehr aufschlussreich. Diese Einstellung ist so tief verwurzelt in unserer Kultur, in unserer Erziehung und unseren Werten, dass sie für uns selbstverständlich geworden ist und wir nicht darüber nachdenken, wie sehr uns diese Philosophie auf nackte Rechenmaschinen, auf seelenlose Roboter reduziert.

Diese kulturelle Prägung und die lange Zeit fehlende Kenntnis über die Vorgänge in unserem Gehirn und unserem Körper haben dazu geführt, dass wir die Rolle der Emotionen und des Unbewussten in Entscheidungsprozessen, u.a. auch im Rahmen kommunikativer Vorgänge, lange Zeit unterschätzt oder gar ignoriert haben.

"So lange Emotionen existieren, kann es keine perfekte Welt geben" (Eduard V. Eckardt)

Wir können unsere Kommunikation erst wirklich verbessern, wenn es uns gelingt, die Grundhaltung zu überwinden, die aus diesem Zitat spricht. Emotionen dürfen nicht ausgegrenzt werden, sondern müssen als wichtiges, manchmal entscheidendes Element unserer Kommunikationsbemühungen anerkannt werden. Die Wissenschaft ist gerade dabei, uns die hierfür erforderliche Grundlagen zu liefern. Offenbar ist die Ratio, der bewusste Verstand, gerade dabei, seine eigene Vorherrschaft infrage zu stellen, wie das nachfolgende Kapitel zeigt.

Von Albert Einstein stammt das folgende Zitat:

Der intuitive Geist ist ein heiliges Geschenk und der rationale Verstand ein treuer Diener.Wir haben eine Gesellschaft erschaffen,die den Diener ehrt und das Geschenk vergessen hat.

Wir haben "das Geschenk", wie es Einstein nennt, nicht nur vergessen. Wir haben es seit der Antike zeitweise regelrecht diskreditiert. Die unglücklichen Vorstellungen der Antike haben sich bei vielen bis in die Neuzeit gehalten: Der Mensch ist ein Produkt der Vernunft! Oder richtiger: Er soll es sein.

Noch immer hat diese Prägung starke Auswirkungen auf das Management von Organisationen und auf die Führung von Menschen. Ganze Wirtschaftstheorien, Managementkonzepte, Verkaufsstrategien beruhen auf dem Konzept des logisch denkenden und rational handelnden Menschen. Unter dieser Prämisse wird jedoch allzu schnell das Menschliche des Menschen vergessen, seine inneren Bedürfnisse, seine Wünsche, Träume und Ängste, kurz seine emotionale Seite. Klug ausgedachte Strategien funktionieren nicht und theoretische Modelle brechen zusammen, weil der reale Mensch sich nicht an die "Spielregeln" hält, sondern sich eben "dumm" und "irrational" verhält. Während die Kommunikation durch den technologischen Fortschritt immer schneller und unpersönlicher wird, steigt die Zahl der Burn-out-Fälle und anderer psychischer Probleme in der Arbeitswelt. Welch ein Jammer!

Hoffnung macht Arthur Schopenhauers Bemerkung: "Irgendetwas in uns ist klüger als unser Verstand". Neuere Forschungsergebnisse bestätigen dies.

Ausflug in das Innere - Der heutige Kenntnisstand

Der Fortschritt in der medizinischen Technik und oft auch die Analyse pathologischer Zustände (Krankheit, Unfall, chirurgische Eingriffe) tragen u.a. auch zum besseren Verständnis von Kommunikationsvorgängen bei. Mit der Entwicklung bildgebender Verfahren in der Medizintechnik, z.B. der funktionalen Magnetresonanztomografie (fMRT), der Elektroenzephalografie (EEG) oder der Computertomografie (CT), d.h. seit etwa Mitte der 80er-Jahre, ist es möglich, dem Gehirn sozusagen beim Denken zuzuschauen. Dadurch wissen wir, dass dem Zwischenhirn, dem sog. limbischen System, bei Wahrnehmungs- und Entscheidungsvorgängen eine besondere Bedeutung zukommt. Das Zwischenhirn ist die Emotionszentrale des Menschen, verknüpft Gefühle mit Gedächtnisinhalten und dem Bewusstsein und steuert Angst und Aggression. Die Erkenntnisse der Neurowissenschaften haben auch nicht-medizinische Bereiche maßgeblich beeinflusst und zu neuen Erkenntnissen und Ansätzen z.B. im Bereich Marketing, Lernmethoden, Informationsvermittlung und Kommunikation geführt.

Die kulturelle Prägung und die lange Zeit fehlende Kenntnis über die Vorgänge in unserem Gehirn haben dazu beigetragen, dass wir die Rolle der Emotionen und des Unterbewusstseins in Entscheidungsprozessen und im Rahmen kommunikativer Vorgänge unterschätzt, ignoriert oder gar negativ bewertet haben. Im Gegensatz zu traditionellen Vorstellungen werden Entscheidungen keineswegs ausschließlich durch bewusste und rationale Vorgänge getroffen. Es gilt als erwiesen, dass alle, wirklich alle Entscheidungen auch einen emotionalen "Filter" durchlaufen. Kopf und Bauch gelten in den Neurowissenschaften längst nicht mehr als Konkurrenten. Sie sind untrennbar miteinander verbunden und voneinander abhängig. Jede Wahrnehmung, jeder rationale Denkprozess ist von Emotionen begleitet, ja, ohne Emotionen nicht denkbar, auch wenn das möglicherweise Ihren Vorstellungen von einem Zeitalter der Aufklärung widerspricht. Ohne das sogenannte Irrationale gibt es keine Ratio – auch der Bauch sitzt im Gehirn. Menschen, denen durch Unfall oder Krankheit die Fähigkeit emotionaler Empfindungen abhandengekommen ist (siehe Beispiel "Phineas Cage" z.B. in Wikipedia), sind nicht etwa wie Dr. Spock in Raumschiff Enterprise extrem rational und hyper-realistisch, sondern trotz unverändert hohem IQ unfähig zu vernünftigen Entscheidungen und nicht mehr in der Lage, das normale Leben zu bewältigen.

Ein auslösendes Ereignis, z.B. ein visueller Eindruck oder eine auditive Wahrnehmung löst bereits nach ca. 220-260 Millisekunden eine Reaktion im limbischen System aus. Noch bevor das Ereignis bewusstwird, findet bereits eine Bewertung statt: Sie ärgern sich u.U. schon, bevor Sie es überhaupt wissen! Der entwicklungsgeschichtliche Hintergrund sorgt für eine blitzschnelle überlebensnotwendige Entscheidungsvorbereitung "Flucht, Angriff oder Erstarren" oder gibt "Entwarnung" bei harmlosen Vorgängen. Jetzt erst, 480-640 Millisekunden nach dem Eingangsreiz, wird der Vorgang bewusst und es erfolgt die entsprechende Reaktion z.B. in Form einer Handlung oder einer verbalen Äußerung, während unser Körper bereits vorher längst hormonellen Reaktionen ausgesetzt ist, die u.U. schon vor der Entwarnung Stressreaktionen ausgelöst haben. Emotionen haben also Einfluss auf unser Handeln unterhalb der bewussten Wahrnehmungsschwelle.

Dass Sie vielleicht unter Stress nicht mehr klar denken können oder Ihnen nach einer verbalen Attacke die passende Antwort erst hinterher und damit zu spät einfällt, ist kein Zufall. Aufregung, Angst, Ärger, Stress aber auch Begeisterung und Freude ("vor Angst gelähmt, überwältigt von Freude") bremsen das langsame, rationale Denken zugunsten blind instinktiven, aber blitzschnellen Handelns. Die Managementtrainerin und Autorin Vera Birkenbihl nennt dies "Psychologischer Nebel", auch dies das Relikt einer frühgeschichtlichen Überlebensstrategie. Das limbische System beeinflusst dabei durch entsprechende Hormonausschüttungen das bewusste Denken, umgekehrt ist aber das Großhirn mit seinem rationalen Denken nicht in der Lage, die im Zwischenhirn ausgelösten Emotionen unter Kontrolle zu bringen. Die Stressreaktion erfolgt blitzschnell, der Abbau und die Rückkehr zum Normalzustand jedoch relativ langsam. Auch der Nobelpreisträger Daniel Kahneman geht in seinem hervorragenden Buch "Schnelles Denken, langsames Denken" ausführlich auf diese beiden "Denkmodi" und deren Konsequenzen ein.

Der bewusste Verstand kalkuliert, verifiziert, rationalisiert, aber er versucht auch, eine Entscheidung im Nachhinein rational zu begründen, die wir emotional schon längst gefällt haben. Auch wenn dies für viele offenbar im Widerspruch zu unserer kulturellen Prägung steht, darf man nicht "Ratio" mit "vernünftig" und "Emotion" mit "unvernünftig" gleichsetzen. Das Gegenteil kann der Fall sein und dem Begriff "irrational" eine völlig neue Bedeutung im Sinne von "unbewusste emotionale Vernunft" geben. Mit den Worten des Philosophen Richard D. Precht:

"Gefühle sind immer dabei, selbst bei der kühlsten mathematischen Operation. Wie stark sie mitspielen, bestimmen sie, nicht unser Verstand!"

Mein Mathematiklehrer brach vor Begeisterung und mit Strahlen im Gesicht oft die Kreide ab, wenn er an der Tafel Differenzialgleichungen erklärte. Und ich habe von einem Professor der Rechtswissenschaften gehört, der über "die Schönheit des Sachenrechts" philosophierte, rein rational natürlich.

Die Vorstellung, dass sich Menschen hauptsächlich rational entscheiden, ist ein Mythos und durch zahlreiche psychologische Experimente widerlegt. In einem dieser Versuche bot man einer Reihe von Menschen 100,-€. Davon durften sie 60,-€ zunächst behalten oder mit einer 50%-Chance auf den vollen Betrag wetten. Einer anderen Gruppe bot man ebenfalls 100,-€ mit dem Hinweis, dass sie zunächst 40,-€ wieder verlieren würden oder mit einer 50%-Chance auf den vollen Betrag wetten könnten. Jedem rational denkenden Menschen leuchtet ein, dass die beiden Angebote de facto identisch sind. Dennoch entschieden sich bei der zweiten Option 44 % mehr Probanden zu wetten, obwohl die erste Option, nicht zu wetten, in jedem Fall die bessere Option gewesen wäre, da die durchschnittliche Gewinnerwartung bei der Wette nur 50,-€ betragen hätte. Erkenntnis hieraus: Menschen entscheiden sich eher für einen möglichen Gewinn als für einen drohenden Verlust, selbst wenn dies einer rationalen Entscheidung zuwiderläuft, ein Phänomen, das als Verlustaversion bekannt ist. Ein praktisches Beispiel, das Ihnen vielleicht bekannt vorkommt: Die Energiekonzerne verdienen an Ihren, an unseren Emotionen: Kunden erhalten im Allgemeinen lieber eine Rückzahlung zu viel bezahlter Energieentgelte als die Aufforderung zu einer Nachzahlung und geben damit der Energiewirtschaft einen zinslosen Kredit, statt selbst Zinsen dafür zu kassieren. Eine regelmäßige Umfrage in meinen Seminaren bestätigt dies immer wieder.

Dass dieses Verhalten Auswirkungen auf die Art und Weise hat, wie wir z.B. Verhandlungen führen, wie wir mit bestimmten Fragen unser Gegenüber begrenzt beeinflussen können, liegt auf der Hand. Es ist ein weiteres Mosaiksteinchen in der Erkenntnis, dass die Entscheidungen des "Homo sapiens" (lat. "der weise Mensch") weniger auf rationalen Überlegungen beruhen, als wir das landläufig vermuten, sondern stark von Emotionen und unbewussten Vorgängen in unserem Kopf beeinflusst werden. Eher selten ist noch immer die weise Erkenntnis des Skoda-Werbespruchs aus dem Jahr 2005:

"Seien Sie vernünftig. Hören Sie auch mal auf Ihren Bauch!"

Unser Verhalten wird in nicht unerheblichem Maß auch vom körpereigenen Hormonhaushalt beeinflusst. Unter den Neurotransmittern (= Botenstoffen) des körpereigenen Belohnungssystems nimmt das Oxytocin, das sogenannte "Kuschelhormon", eine besondere Rolle ein. Es beeinflusst u.a. auch das zwischenmenschliche Sozialverhalten, Empathie/Antipathie, Wohlbefinden bei Nähe und Berührung, Vertrauensbildung, Fairness und Loyalität sowie Kooperationsbereitschaft und beeinflusst daher auch das Teamverhalten der einzelnen Mitglieder einer Gruppe. Die Ausschüttung dieses Botenstoffes wird über das menschliche OXTR-Gen gesteuert. Neuere Untersuchungsergebnisse haben gezeigt, dass es verschiedene Varianten dieses Gens gibt, bei der eine bestimmte Variante einen unmittelbaren Einfluss auf den Oxytocinhaushalt hat. Menschen mit dieser Variante zeigen eine erhöhte Anfälligkeit für Stress, weniger Optimismus, ein geringeres Selbstvertrauen und Defizite im Bereich der sozialen Kompetenz. Damit könnte das Sozialverhalten eines Individuums zum Teil unmittelbar von dessen körperlichen Voraussetzungen abhängen.

Auch andere Verhaltensweisen werden nicht nur durch anerzogene Verhaltensmuster, sondern auf neurobiologischer Ebene auch durch einen Cocktail verschiedener Neurotransmitter gesteuert. So z.B. ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis, Hang zu reflektiertem Überlegen (Acetylcholin), Motivation, Antriebsstärke und Belohnungserwartung (Dopamin), Schmerzunterdrückung bei Stress, Euphorisierung (endogene Opioide), Aktivierung, Reaktionsbereitschaft, Aufmerksamkeit, Motivation und Leistungswille (Noradrenalin), Wahrnehmungssteuerung, Aggressionshemmung, Stimmungsaufhellung, Ausgeglichenheit, Angstfreiheit, Gelassenheit (Serotonin, ugs. "Glückshormon"), Euphorisierung, Glücksempfinden, Notfallaktivierung, Schmerzhemmung, Entspannung (Endorphin), Stressreaktionen (Cortisol).

Auch zwei Grundmuster der menschlichen Motivation, Appetenzverhalten (Belohnungserwartung) und Aversionsverhalten (unangenehme Erfahrungen vermeiden-wollen) sind nicht nur durch angelerntes Verhalten, sondern auch stark durch neurophysiologische Einflüsse bestimmt.

Wahrnehmung - Wer ist eigentlich Herr meiner Sinne?

Auch wenn die klassische Rechts-links-Organisation der Gehirnhälften von einigen Neurowissenschaftlern zunehmend infrage gestellt wird und die Diskussion um die "Plastizität" des Gehirns, die Fähigkeit des Gehirns bei Störungen jeglicher Art Aufgaben in andere Gehirnbereiche zu verlagern, stärker in den Vordergrund getreten ist, werden dessen arbeitsteilige Funktionen noch weitgehend bestätigt. Demnach sieht die Aufgabenteilung folgendermaßen aus:

Die beiden Hirnhälften sind bei Menschen i.d.R. unterschiedlich stark ausgeprägt. Suchen Sie im Internet nach dem kleinen Programm "brainworks.exe". Es wird Ihnen einige Anhaltspunkte für Ihre Rechts-links-Dominanz und zusätzlich auch einen Hinweis für visuelle oder auditive Schwerpunkte geben.

Ach, Sie glauben noch, dass Sie hören, was gesagt wird und sehen, was vor Ihren Augen passiert? Dann glauben Sie vermutlich auch an den Weihnachtsmann! Dabei kennen Sie sicher eine ganze Reihe aus Hunderten von optischen Täuschungen und Vexierbildern, die einem wider besseres Wissen völlig falsche Eindrücke aufdrängen. Ob krumme Linien, falsche Farben, versteckte Personen, unmögliche geometrische Figuren, falsche Größenvorstellungen, nicht vorhandene Bewegungseindrücke, selbst das Wissen um die Täuschung lässt es kaum zu, dass wir die Wirklichkeit sehen. Was wir sehen, ist immer nur die Interpretation der Wirklichkeit und damit sehen wir oft etwas ganz anderes als die objektive Wahrheit.

Nebenbei bemerkt: Derartige Täuschungen sind nicht nur auf den Gesichtssinn beschränkt. Auch im akustischen Bereich gibt es Täuschungen, die uns falsche Tatsachen vorspiegeln, z.B. das Phänomen des Shepard-Risset-Glissandos, das uns ähnlich einer unendlichen akustischen "Penrose-Treppe" á la M. C. Escher, einen ständig tiefer werdenden Ton vortäuscht, der sich in alle Ewigkeit fortsetzen lässt, ohne jemals die Grenze der menschlichen Hörfähigkeit und damit ein Ende zu erreichen. Selbst nach drei Stunden wäre der reale Eindruck immer noch der gleiche wie zu Beginn.

Besonders interessant sind Materialien, die einen unmittelbaren Einblick in das Funktionieren des Gehirns erlauben. So demonstriert das folgende Beispiel auf ganz direkte Weise das Wirken der rechten und linken Gehirnhälfte. Lesen Sie den folgenden Text möglichst schnell und laut!

Sie wdreen kuam gbluaen, dsas Sie vseehrten was Sie heir leesn: Ein Phoenmän ezgruet drcuh den meieclshhncn Giest. Es ist uhwticing in wlehecr Regoieflnhe die Bhctbsuean anregdnoet sind. Das eiinzg Wichgite ist, dsas der etsre und der ltezte Bchtubase am riihegctn Paltz sehten. Deesir Efefkt nennt scih "Tyeicgplomya".

Bis auf das letzte Wort (Typoglycemia), das Ihnen vermutlich noch nie im Leben begegnet ist, konnten Sie wahrscheinlich diesen Wortsalat recht flüssig lesen und verstehen, ohne jedes einzelne Wort sorgfältig analysieren und die Buchstaben neu zusammensetzen zu müssen. Die linke Hirnhälfte sieht die Bäume, die rechte den Wald. Wenn wir hier trotz der kompletten Verdrehung der Buchstaben den Text dennoch relativ flüssig lesen und verstehen können, zeigt das sehr eindringlich, wie die rechte Gehirnhälfte arbeitet und die Worte als Ganzes erfasst.

Bereits 1935 hat Ridley Stroop eine Reihe von Wörtern mit Farbbezeichnungen präsentiert, bei denen die Farben der Wörter nicht mit dem Inhalt des Wortes übereinstimmten, z.B. das Wort "grün", jedoch in roter Farbe gedruckt. Der Widerspruch zwischen Inhalt und Darstellung bringt die meisten Menschen zum Stolpern und Stocken, wenn man Ihnen die Aufgabe gibt, zügig die Farben anzusagen und nicht etwa den Text vorzulesen. Da der analytische Verstand der linken Hirnhälfte mit dem bildhaften Farbsehen der rechten Seite kollidiert, benötigt das Gehirn einen Moment, um den Konflikt aufzulösen.

Psychologische Experimente wie "The invisible Gorilla" oder im Bereich "change blindness" erzeugen immer wieder ungläubiges Erstaunen, wenn zahlreiche Probanden ebenso wie viele meiner Seminarteilnehmer einen als Gorilla verkleideten Menschen, der mitten durch das Bild läuft, nicht bemerken, weil sie durch eine andere Aufgabe abgelenkt werden. In einem anderen Experiment fragen Menschen eine Person auf der Straße nach dem Weg. Dann wird der Fragesteller durch ein "zufälliges" Ereignis wie z.B. den Transport einer Tür kurz verdeckt und der Gefragte setzt seine Erklärung ungerührt fort, ohne zu bemerken, dass der Fragende in der Zwischenzeit ausgetauscht wurde. Oft funktioniert das sogar, wenn es sich bei den beiden Fragestellern um Menschen mit sehr hohem Altersunterschied, oder sogar um Mann und Frau handelt. Nicht umsonst zählen Zeugenaussagen vor Gericht zu den unsichersten Beweismitteln. Was ist der Grund dafür?

Die Fähigkeit, nebensächliche Informationen auszublenden und beim Denken "Abkürzungen" zu nehmen, ist eine wichtige Voraussetzung zur Aufrechterhaltung unserer Handlungsfähigkeit und macht auch aus energetischen Gründen Sinn. Immerhin verzehrt das Gehirn mit nur 2 % Gewichtsanteil bereits 20 % des menschlichen Energiehaushalts. Wollten Sie die ungeheure Menge auf Sie einströmender Informationen und notwendiger Handlungen z.B. beim Autofahren bewusst verarbeiten, kämen Sie vermutlich keinen Meter weit. Wäre es uns nicht möglich, Unwesentliches auszublenden und bestimmte Aufgaben ohne bewusstes Handeln zu erledigen, wären wir kaum in der Lage, ein Auto sicher durch den Stadtverkehr zu manövrieren, auf die verschiedenen Instrumente zu achten, nebenbei ein Gespräch zu führen, die Orientierung nicht zu verlieren, die Verkehrsschilder zu berücksichtigen, rechtzeitig zu schalten und abrupt zu bremsen, wenn zwischen den geparkten Autos plötzlich ein Kind auf die Straße läuft.

Die Selektion von "wichtig" und "unwichtig" findet ganz automatisch statt. Ein einfaches Beispiel: Wie oft schauen wir täglich auf die Uhr, und doch gibt es eine große Anzahl von Menschen, die nicht in der Lage sind, das Zifferblatt ihrer eigenen Uhr im Detail zu beschreiben. Fordert man sie dazu auf, sich die Gestaltung ihrer Uhr nun genau anzuschauen, sind sie anschließend nicht in der Lage zu sagen, wie viel Uhr gerade angezeigt wurde.

Die Kapazität des Gehirns zur bewussten Verarbeitung von Wahrnehmungsinformationen ist relativ gering und stößt schnell an seine Grenzen und manchmal spielt uns die automatische Informationsauswahl sogar einen Streich: Wenn irgendwelche, möglicherweise sogar nebenrangige Informationen in den Vordergrund drängen oder wir uns auf eine bestimmte Sache konzentrieren, werden andere, oft sogar wesentliche Informationen ausgeblendet.

Eine Freundin erhielt in meiner Anwesenheit den Anruf eines Bekannten, der ihr eine wichtige Nachricht zukommen lassen wollte. Wie sie mir hinterher erzählte, wollte sie ihn bei dieser Gelegenheit gleich noch nach seiner Emailadresse fragen, was sie am Ende des Telefonats auch tat. Nachdem sie aufgelegt hatte, stockte sie, drehte sie sich mit einem fragenden Blick zu mir um und sagte: "Was wollte der eigentlich von mir?". Der Wunsch, etwas nicht vergessen zu wollen, hatte ihren Arbeitsspeicher offenbar voll ausgelastet und die Aufnahmefähigkeit ihrer grauen Zellen völlig blockiert.

Andere Faktoren sind z.B. starke Emotionen (Stress, Angst, Freude), die ein "Notfallprogramm" starten, welches rationales Denken und Wahrnehmungsfähigkeit einschränken. Verlangen Sie doch einmal eine schnelle Antwort auf die Frage "Fließt der Rhein in die oder in der Ostsee?". Sie werden erstaunt sein, wie viele Ihrer Mitmenschen ihre grundlegenden geografischen Kenntnisse "vergessen", wenn sie Ihnen die vermeintlich richtige Antwort geben.

Für jede Diskussion, jede Verhandlung und jedes Gespräch lehrt uns dies: Nicht ablenken lassen, nicht über eine Antwort nachdenken, während der andere noch spricht. Nehmen Sie sich lieber hinterher Zeit für Ihre Antwort; es entgeht Ihnen möglicherweise etwas für Sie Wichtiges!

Ja, das Gehirn liebt Abkürzungen. Statt eine Wahrnehmung mit hohem Energieaufwand immer wieder von Grund auf zu analysieren, greift es gerne auf alte Erfahrungen, bekannte Muster oder gerade auf der Hand liegende Informationen zurück, "quick and dirty" würde vielleicht ein Engländer sagen, schnell und nicht immer fehlerfrei. Ein einfaches Beispiel, das in meinen Seminaren regelmäßig Heiterkeit erzeugt: Ein paar Fragen mit der Bitte, mir die Antworten spontan zuzurufen "Welche Farbe hat der Schnee?", "Welche Farbe hat Papier?", "Welche Farbe hat das Salz", "Was trinkt die Kuh?", und sie werden überrascht sein, wie viele Kühe nach Meinung zahlreicher Teilnehmer Milch trinken.

Nicht nur Stress oder Ablenkung sorgen dafür, dass die gesendeten Informationen nicht 1:1 ankommen, sondern gefiltert werden. Es werden insbesondere auch solche Informationen ausgeblendet, die nicht in das Konzept des Empfängers passen, für ihn ungünstig oder unbequem sind. Hinzu kommen Einflüsse aus früheren, gespeicherten Erfahrungen und unbewussten Wertungen. Dies alles führt dazu, dass aus objektiven Informationen ein subjektives Wahrnehmungsbild "konstruiert" wird, ohne dass damit eine Absicht oder gar böser Wille verbunden ist. Volkstümlich wird dieser Effekt oft auch als "selektive Wahrnehmung" bezeichnet, während Fachleute häufig auch von "konstruktivistischer Wahrnehmung" sprechen; wir konstruieren unsere persönliche Wahrheit. Diese Vorgänge spielen sich, sieht man einmal von bewussten, manipulativen Fehlinterpretationen ab, im Unterbewusstsein statt und führen zu dem Spruch:

"Es gibt immer drei Wahrheiten:Meine Wahrheit, Deine Wahrheit und die Wahrheit"

Ein Nebeneffekt dieser Vorgänge besteht darin, dass die eigene Meinung (unbewusst) überbewertet, und andere Informationen, insbesondere wenn diese unbequem sind oder der eigenen Meinung widersprechen, (ebenso unbewusst) ausgeblendet werden oder Geringschätzung erfahren. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, empfiehlt es sich, Botschaften, von denen man den Eindruck hat, dass sie nicht "ankommen" oder übergangen werden, bewusst und häufiger zu wiederholen, ohne dem Gesprächspartner dabei gleich böse Absicht zu unterstellen. Vielleicht hat er es gehört, aber nicht wirklich wahrgenommen. Überhaupt gilt die Wiederholung von Argumenten in der Psychologie als ein starkes Mittel der Überzeugung. Oft ist es wirksamer, ein Argument mehrfach zu wiederholen, anstatt viele verschiedene Argumente vorzubringen.

Donald Trump gilt als Meister dieses Kniffs und mit der Wiederholung von Lügen oder immer gleicher Schlagworte gelingt es ihm, bestimmte Gedanken fest im Gedächtnis seiner Zuhörer zu verankern. Aus Hillary Clinton wird so im Laufe der Zeit und aufgrund beharrlicher Wiederholung "Crooked Hillary", aus Nancy Pelosi "Nervous Pelosi" und aus seinem Wahlkonkurrenten Biden machte er "Sleepy Joe" - Wiederholung als rhetorische Waffe!

Trump nutzt dieses Instrument auch zur Verbreitung seiner vielen "alternativen Fakten", d.h. Lügen. In der Washington Post vom 21.12.2018 ist nachzulesen, dass er bestimmte Lügen mehr als 100-mal wiederholte. Die Antwort, warum Menschen ihm Glauben schenken, ist nach einer neueren Studie der Yale University ganz simpel: Die Wiederholung macht es. Je häufiger ein Mensch falsche Behauptungen liest oder hört, desto eher glaubt er sie. Das Phänomen nennen die Forscher "illusorischen Wahrheitseffekt". Trump selbst hat im Rahmen einer von CNN aufgezeichneten Rede seine Taktik in aller Offenheit erklärt: "Wenn man es nur lang genug, hart genug, oft genug sagt, werden die Leute anfangen, dir zu glauben" - ähnlich übrigens wie ein (unbelegtes) Zitat, das man Josef Goebbels nachsagt: "Eine Lüge muss nur oft genug wiederholt werden. Dann wird sie geglaubt". Trump steht mit dieser Masche in der Tradition von keinem Geringeren als Marcus Porcius Cato, der bereits vor über 2000 Jahren mit seinem bekannten und ständig wiederholten "Ceterum censeo Carthaginem esse delendam" den römischen Senat mit seiner Forderung nach der Zerstörung Karthagos wohl ziemlich genervt haben dürfte.

Hier zeigt sich auch, dass rhetorische Mittel oft auch Fragen ethischer Grenzen aufwerfen können. Es verhält sich damit wie mit den Bots aus einem Beitrag von NTV vom 17.12.2021: "Bots sind eigentlich nur kleine Programme und als solche so gut oder schlimm, wie ein Schraubenschlüssel - es kommt eben darauf an, ob man damit Köpfe einschlägt oder eine Radmutter festzieht". So ist auch die Taktik der Wiederholung ebenso wie zahlreiche andere nicht per se gut oder schlecht. Es kommt nur darauf an, mit welchem Ziel dieses Mittel eingesetzt wird. Es funktioniert bei Lügen, aber auch wenn es darum geht, wichtige Argumente zu vertreten und eigene Ziele nachdrücklich durchzusetzen, z.B. wenn Sie den Eindruck haben, dass wichtige Argumente in einer Diskussion nicht "angekommen" sind.

Missverständnisse können z.B. während einer Verhandlung über Erfolg oder Misserfolg entscheiden und es ist gut, wenn Sie sich vor Augen halten, dass in der Kommunikation nicht Ihre Absicht zählt, sondern nur das, was der andere wahrnimmt, was bei ihm "ankommt". Mit den Worten des Kommunikationswissenschaftlers Paul Watzlawick:

"Wahr ist nicht, was ICH gesagt habe, wahr ist, was SIE verstanden haben!"

Nicolas Sarkozy hat diese Erkenntnis offenbar in sein politisches Leben integriert. Ihm wird der Spruch zugeschrieben: "Wichtig ist nicht die Wirklichkeit, sondern das, was die Leute wahrnehmen".

Eine Möglichkeit, die Kommunikation unter Menschen zu verbessern, besteht darin, auch auf die bevorzugten "Informationskanäle" zu achten. Die Häufung bestimmter in der Kommunikation verwendeter Begriffe gibt Hinweise darauf, in welchen Kategorien Menschen denken und empfinden. Man unterscheidet dabei fünf verschiedene "Kanäle", oft auch, entsprechend der Anfangsbuchstaben, mit dem Kürzel "VAKOG" bezeichnet:

● Visuell  "Das sieht nicht gut aus"

● Auditiv  "Das hört sich nicht gut an"

● Kinästhetisch  "Das fühlt sich nicht gut an"

● Olfaktorisch  "Das riecht nach Problemen"

● Gustatorisch  "Das schmeckt mir ganz und gar nicht"

wobei der erstgenannte Schwerpunkt zweifellos am weitesten verbreitet ist. Dies mag damit zusammenhängen, dass der Sehsinn ca. 10 Millionen Bit/sec an Information aufnehmen kann, während über das Gehör nur 1 % dieser Informationsmenge verarbeitet werden. Die restlichen Sinne liegen diesbezüglich im Promillebereich. Es erleichtert für den Gesprächspartner das Verständnis einer empfangenen Botschaft, wenn sein spezifischer Empfangskanal durch Verwendung entsprechender Begriffe und Metapher "bedient" wird.

Kopf oder Bauch - Schwierige Entscheidungen

Gespräche, Konflikte, Verhandlungen, Diskussionen, Managementaufgaben verlangen von den Beteiligten oft schnelle Entscheidungen. Welche Rolle spielt dabei bewusstes, analytisches Abwägen im Gegensatz zu intuitiven, spontanen Entscheidungen? Gibt es Unterschiede in der Qualität dieser Entscheidungen? Mit anderen Worten: Ist es besser, sich auf die rationale Auswertung verschiedener Kriterien, Vor- und Nachteile zu verlassen, oder soll man den spontanen Gefühlen nachgeben, und "aus dem Bauch" entscheiden?

Der Strom der durch die Sinne ständig aufgenommenen Informationen kann nur zu einem geringen Bruchteil bewusst verarbeitet werden. Die Zahlen der folgenden Grafik sagen uns, dass wir jede Sekunde nahezu 250.000-mal mehr Informationen empfangen, als wir bewusst verarbeiten können.

Dem gegenüber steht eine ungeheure Verarbeitungs- und Speicherkapazität, die sich im "Untergrund" abspielt, sich unserer bewussten Wahrnehmung entzieht und sich auch nicht gezielt abrufen lässt. Nichtsdestoweniger finden dort Verarbeitungs- und Speicherprozesse statt, die unsere Entscheidungen beeinflussen, indem sie scheinbar ohne besondere gedankliche Vorarbeit Gefühle auslösen und "Vorschläge" zu der als richtig empfundenen Lösung unterbreiten.

Abb. 3

Was wir normalerweise als Intuition bezeichnen, kommt nicht etwa aus dem Nichts. Es ist das Ergebnis einer ungeheuren Menge gespeicherter Erfahrungen und einer blitzschnellen Analyse nach dem Prinzip "Gut gewesen - wieder tun, schlecht gewesen - sein lassen!" (Maja Storch), ohne dass wir die Gründe für dieses Gefühl rational erfassen können oder die Zusammenhänge verstehen. Manche Menschen berichten, dass sie ein körperliches Empfinden registrieren, das ihnen die richtige Entscheidung signalisiert oder sie vor einer falschen warnt. Damasio beschreibt dieses Konzept als "somatischen Marker".

Im Rahmen eines psychologischen Tests sollten Menschen Entscheidungen treffen, die auf einer überschaubaren Zahl von Kriterien beruhten. Eine andere Testgruppe musste ihre Entscheidung auf einer Vielzahl komplexer Faktoren treffen. Die erste Testgruppe traf die besten Entscheidungen durch rationale Überlegungen, Nachdenken, Gegenüberstellung und Gewichtung von Kriterien etc. Wer nun erwartet, dass die höhere Komplexität der Aufgabenstellung ein noch intensiveres Nachdenken erforderte, um zu den besseren Ergebnissen zu kommen, der irrt. In diesen Fällen schnitt die Testgruppe ab, die zu intuitiven Entscheidungen gezwungen war. Das Ergebnis wurde darüber hinaus weiter verbessert, wenn die Testpersonen durch aufgabenfremde Anforderungen abgelenkt (!) wurden, sodass die ursprüngliche Aufgabe sacken konnte. Hier findet die Volksweisheit Bestätigung, dass man wichtige Entscheidungen erst einmal überschlafen sollte.

Das Gehirn schläft aber nicht. Das Unbewusste arbeitet weiter an offenen Fragen, während wir uns mit ganz anderen Dingen beschäftigen oder zur Ruhe kommen. Der Benzolring wurde nach den Schilderungen des Entdeckers August Kekulé 1865 im Traum entdeckt. Und wem ist dies noch nicht passiert: Sie wissen auf eine Frage keine Antwort. Während Sie nicht darüber nachdenken und sich mit etwas ganz anderem beschäftigen, fällt Ihnen plötzlich die Antwort ein. Manches Mal hilft eine "kreative Pause" (man beachte den scheinbaren Widerspruch!), Bewegung in eine festgefahrene Verhandlung zu bringen, oder frischen Wind in eine fruchtlose Besprechung, die sich im Kreis dreht.

Als Student beschäftigte ich mich einmal den ganzen Tag erfolglos mit einer kniffligen Hausarbeit und ging dann abends frustriert zu Bett. Mitten in der Nacht wachte ich auf und hatte "die Lösung" geträumt, die anschließend bei der Vorstellung des Ergebnisses sogar große Anerkennung fand.

Ein anderes Erlebnis hatte ich mit meiner Partnerin während einer Urlaubsfahrt. Irgendwie kam das Gespräch auf "diesen Zwergstaat in den Pyrenäen" – wie hieß der doch gleich noch mal? Es fiel uns partout nicht ein. Am folgenden Tag waren wir gegen Abend, mehr als 24 Stunden später, wieder im Auto unterwegs, als mich meine Partnerin plötzlich anschaute und unvermittelt sagte: "Andorra!"

Tatsache ist, dass die Qualität einer Entscheidung nicht unbedingt mit der aufgewendeten Zeit zum Nachdenken, der zur Verfügung stehenden Datenmenge und den analytischen Bemühungen steigt. Eines der (Schein-)Probleme mit intuitiven Entscheidungen - nicht zuletzt aufgrund unserer kulturell bedingten Präferenz der Ratio - besteht häufig darin, diese Entscheidung nach außen hin logisch begründen zu müssen oder dem eigenen Gefühl zu trauen. Besonders im Geschäftsleben besteht die unausgesprochene Erwartung, dass Entscheidungen rational begründet werden müssen, um ernst genommen zu werden. Diesen Anspruch haben wir längst verinnerlicht. Intuitiv getroffene Entscheidungen, sogenannte "Bauchentscheidungen", werden daher oft im Nachhinein mit einem rationalen Deckmäntelchen versehen und logisch begründet, ohne dass es der Person notwendigerweise bewusst sein muss, dass die Begründung nachgeschoben wurde.

Kleiner Exkurs zur Verdeutlichung von Zusammenhängen: Gerade in Konfliktsituationen, in denen die involvierten Personen u.U. hochgradig emotional aufgeladen sind, werden oft die eigentlichen Motive unter dem Mäntelchen scheinbar rationaler Begründungen versteckt. Beziehungsprobleme werden dann z.B. auf der Sachebene ausgetragen, da die Kontrahenten im Innern davon ausgehen, dass der kognitiven Ebene der Sachauseinandersetzung ein höheres Gewicht zukommt und leichter in Worte zu fassen ist als die intuitive, emotionale Ebene der persönlichen Gefühle, die dem Konfliktpartner entgegengebracht werden.

Es liegt der Schluss nahe, dass eine große Erfahrung auf einem bestimmten Gebiet die beste Voraussetzung dafür ist, sich auf intuitive Entscheidungen verlassen zu können. Ein Zöllner "weiß" nach etlichen Jahren der Praxis, wen er aus einer Menschenmenge zur Kontrolle herauspicken muss. Ein erfahrener Polizist "weiß", welchen Pkw er aus dem kontinuierlichen Strom an Fahrzeugen herauswinkt. Ein Feuerwehrmann "weiß" nach vielen Berufsjahren, wann er besser nicht mehr ein brennendes Treppenhaus betritt. Und dennoch kann möglicherweise keiner der drei hinterher sagen, warum er diese Entscheidung getroffen hat.

Optimale Voraussetzungen für die "richtige" Entscheidung sind gegeben, wenn rationale Überlegungen und intuitives Empfinden übereinstimmen und sich die Intuition in Ruhephasen entwickeln kann, in denen keine bewusste Auseinandersetzung mit dem Hauptthema erfolgt.

Die Rolle des Wohlbefindens bei Entscheidungen

Die Erfahrung zeigt, dass das Sprichwort "Voller Bauch studiert nicht gern" im geschäftlichen Bereich oft abgewandelt werden kann in "Voller Bauch streitet nicht gern". Physiologische Einflüsse auf das menschliche Verhalten sind nicht zu unterschätzen. Eine israelische Studie zeigt folgendes Bild:

"Hungriger Richter - hartes Urteil

Es zeigte sich, dass alle Richter zu Beginn eines Sitzungstages 65 % der Anträge positiv beschieden, dann aber zunehmend ablehnender urteilten, bis sie schließlich jedes Gesuch ablehnten. Nach einer Frühstückspause am Vormittag und dem Mittagessen wiederholte sich dieser Verlauf: Die Sitzungen begannen wiederum mit etwa 65 % Zustimmungsraten und sanken dann kontinuierlich ab ...

Vermutlich zeigten auch Experten anderer professioneller Bereiche ähnliche Verhaltensmuster ..."

Quelle: Süddeutsche Zeitung 13.04.2011 (gekürzt)

Offenbar zeigen sich auch hier wieder die 4 % des genetischen Erbes, die wir angeblich noch immer von unserem Neandertaler-Vorfahren in uns tragen sollen: Wer war vermutlich erfolgreicher bei der Mammutjagd zur Nahrungsbeschaffung, ein satter oder ein hungriger Neandertaler? Offensichtlich besteht auch heute noch immer ein Zusammenhang zwischen dem aktuellen Hungerempfinden und dem momentanen Aggressionspotenzial bzw. dem allgemeinen Wohlbefinden und einem entgegenkommenden Sozialverhalten. Konsequenzen für eine konstruktive Gesprächsatmosphäre und ein kooperatives Verhalten des Gesprächspartners sind leicht abzuleiten:

Vor kritischen Gesprächen:

● Geschickte Terminwahl,

● Angenehmes / bequemes Umfeld,

● Bewirtung / Imbiss vor Beginn,

● Legere Kleiderordnung.

Während kritischer Gespräche:

● Begrenzte Sitzungsdauer,

● Angemessene Pausen,

● Kurzer Ortswechsel / Spaziergang,

● Frischluftzufuhr,

● Essen und Getränke.

Die Liste weiterer Möglichkeiten kann weit ausgedehnt werden: Eine nette Einladung, der Gesprächspartner kann eine für ihn genehme Zeit und den Ort bestimmen, eine herzliche, persönliche Begrüßung, die Abholung am Flughafen, am Bahnhof oder am Firmeneingang, ein reservierter Parkplatz vor dem Firmengebäude in der Innenstadt, eine zuversichtliche Einstimmung auf ein positives Ergebnis, der Ausblick auf eine langfristige Zusammenarbeit, ein Rundgang durch das Büro, ein Grußwort des CEO, im Prinzip alles, was die Wertschätzung des Gesprächspartners demonstriert und sein Wohlbefinden fördert.

Natürlich gibt es auch die entgegengesetzte Strategie, den Gesprächspartner z.B. im Rahmen von Verhandlungen zappeln lassen, weichzukochen, mürbezumachen, ihn zu ermüden, ihn in eine unterlegene Position zu bringen. Andere bekannte Strategien bestehen darin, den Verhandlungspartner mit dem Blick zum (blendenden) Fenster oder mit der Tür im Rücken zu platzieren oder ihn vor dem eigenen Schreibtisch, möglichst noch auf einem niedrigeren Stuhl, Platz nehmen zu lassen. Aus dem Gefühl der eigenen Stärke und dem Bemühen um eine ehrliche Kommunikation heraus sollte man jedoch auf solche Strategien aus der manipulativen Trickkiste verzichten. Schließlich besteht hier auch die Gefahr, dass der Schuss nach hinten losgeht, der Gesprächspartner die Strategie, die meist auch von einem speziellen Verhalten sekundiert wird, durchschaut, der Kampfgeist auf der Gegenseite erst richtig geweckt und das Bedürfnis nach einer Retourkutsche jetzt oder später geweckt wird. Wie man weiß, sieht man sich immer zwei Mal!

Einige Grundelemente der Kommunikation

In den nachfolgenden Abschnitten geht es um einige praktische Hinweise, die in fast allen der danach folgenden Anwendungsfälle relevant sind.

Womit überzeugen wir?

Fakten vs. Emotionen

Auf das Wesen der verbalen Kommunikation werden wir im Kapitel "Sicher auftreten - Frei reden" näher eingehen. Hier soll uns die Frage bewegen, womit wir eigentlich überzeugen. Privat wie beruflich stellen sich viele Menschen diese Frage. Weit verbreitet, zumal unter "linkshirnigen" Technikern, Informatikern, Wirtschaftswissenschaftlern, Juristen und anderen Berufsgruppen ist die Ansicht, dass es vor allem die objektiven Fakten und logische Argumente sind, welche die gewünschte Wirkung erzielen. Dies ist natürlich ganz auf der Linie der eingangs geschilderten kulturellen Prägung, wonach allein die Ratio auf dem Sockel der Anerkennung steht und sich über die Niederungen dumpfer Gefühle erhebt.

In meinen Seminaren stelle ich gelegentlich die Frage, was nach Meinung der Teilnehmer am meisten überzeugt. Wenn ich dann die Antwort erhalte, dass es hauptsächlich inhaltliche Faktoren, Fakten oder logische Argumentation sind, die den stärksten Eindruck hinterlassen, stelle ich die Anschlussfrage: "Dann hat Trump also die Wahl aufgrund seiner guten und rationalen Argumente gewonnen?". Nachdenklichkeit löst dann die anfängliche Heiterkeit ab.

In einer empirischen Studie hat der Psychologe Mehrabian bereits 1939 herausgefunden, was die Zuhörer unter bestimmten Rahmenbedingungen am meisten überzeugt. Widersprachen sich inhaltliche Aussage und stimmlicher / mimischer Ausdruck, dann vertrauten die Testpersonen zu nur 7 % dem sachlichen Inhalt, zu 38 % dem stimmlichen Ausdruck und zu 55 % den körpersprachlichen Signalen. Auf die Frage, ob nun 93 % der Kommunikation nonverbal wäre, antwortete Prof. Mehrabian in einem Interview: "Absolut nicht! Und immer, wenn ich von dieser Fehlinterpretation meiner Untersuchungen höre, krümmt es mich". Leider muss es ihn auch heute noch recht häufig krümmen, wenn er in diversen Veröffentlichungen angeblicher Fachleute, Coaches und Kommunikationstrainer stöbert. Auch wenn es falsch ist, aus Mehrabians Untersuchungen eine allgemeingültige Regel für die zwischenmenschliche Kommunikation abzuleiten, wie sie auch heute noch durch die Fachwelt von Trainern und Autoren geistert, ist doch eines gewiss:

Eine verbale Botschaft wirkt weniger durch die Fakten und den geschilderten Inhalt als durch die begleitenden vokalen (= stimmlichen) und körpersprachlichen Signale. Es ist offenbar nicht so wichtig, was gesagt wird, sondern eher, wie etwas gesagt wird! Erfahrungsgemäß ist dies eine Botschaft, die in unserer über Jahrhunderte durch die antiken Philosophen und einige ihrer modernen Kollegen geprägten verstandesgläubigen Berufswelt auf Skepsis stößt. Erst seit die Neurologen seit etwa Mitte der 80er-Jahre dem Gehirn durch die Entwicklung bildgebender Verfahren sozusagen beim Denken zusehen können, weicht die philosophische Gehirnwäsche langsam neuen Perspektiven. Die Ratio führt sich sozusagen mit ihren eigenen Mitteln ad absurdum und weist nach, dass der Rolle emotionaler Vorgänge eine wesentlich größere Bedeutung bei sogenannten rationalen Entscheidungen beizumessen ist, als uns die alten Philosophen Glauben machen wollten. Aus diesen Erkenntnissen resultieren einige sehr pragmatische Hinweise für das rhetorische Auftreten. Wenden wir uns einmal den drei von Mehrabian definierten Komponenten Inhalt, Stimme und Körpersprache zu.

Die Tatsache, dass die Schilderung von Fakten nur eine begrenzte Überzeugungskraft innehaben und körpersprachliche und vokale Faktoren wesentlich dazu beitragen, Ihre Mitmenschen von Ihren Gedanken zu überzeugen, ist heutzutage weitestgehend anerkannt. Hier ein Zitat des Schweizer Kommunikationsberaters Marcus Knill:

Abb. 4

"Die 'Überzeugungspyramide' veranschaulicht, dass wir ... in erster Linie über unsere Persönlichkeit und zu einem recht großen Teil auch mit unserer Stimme überzeugen. Die geringste Bedeutung hat erstaunlicherweise der Inhalt der Aussage. Personen überzeugen vor allem durch Persönlichkeit und Stimme. Wer eine gesunde, natürliche und selbstsichere Ausdrucksfähigkeit hat, beeinflusst mit weniger Aufwand".

Dies passt auch zu dem Bild, das uns durch ein irritierendes Experiment aus den 70er-Jahren vermittelt wird: Damals führten die Psychologen Naftulin, Ware und Donelly ein verstörendes Experiment durch, das den Einfluss eines Redners auf die Aufnahme eines Fachvortrags durch ein Fachpublikum untersuchen sollte. Hierzu wurde ein Schauspieler als Dr. Myron L. Fox vorgestellt, angeblich Experte auf dem Gebiet mathematischer Anwendungen auf das menschliche Verhalten. Der Titel seines einschließlich Diskussion etwa 90-minütigen Vortrags lautete "Die Anwendung der mathematischen Spieltheorie in der Ausbildung von Ärzten". Der Inhalt des Vortrags war jedoch völliger Unsinn ohne jede inhaltliche Aussage, gespickt mit z.T. erfundenem Fachjargon, Widersprüchen und dargeboten im Brustton der Überzeugung, mit Humor und in der Aura des erfahrenen Experten. Die Zuhörer des mehrfach durchgeführten Experiments bestanden u.a. aus Psychiatern, Psychologen und Ausbildern im Sozialbereich. Keinem der Zuhörer fiel auf, dass er einen unsinnigen Vortrag gehört hatte. Auf Befragen lobten zahlreiche Zuhörer den Vortrag und äußerten die Überzeugung, dass sie etwas Nützliches für ihre eigene Arbeit daraus mitnehmen würden.

Abb. 5

Rund 40 Jahre später, im März 2016, erschien ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung, der eine ganz ähnlich verlaufende Aktion unter Soziologen beschrieb und dabei Worte verwendete wie "sperriges Gewäsch, sinnfreie, akademisch-pompöse Sätze und bla bla". Die Resonanz des Publikums war ganz ähnlich wie viele Jahre zuvor. Der Initiator dieser fast wie ein hinterhältiger Scherz anmutenden Aktion, der Soziologe Peter Dreier, schrieb dazu: "Passen Aussagen zu den Einstellungen und Erwartungen des Publikums, lässt sich selbst gröbster Unfug als Wahrheit verkaufen."

Dieser "Dr.-Fox-Effekt" muss uns zu denken geben. Die politischen Ereignisse der 30er und 40er-Jahre in Deutschland und aktuelle Entwicklungen in Brasilien, USA, Großbritannien, Philippinen, Argentinien und anderen Ländern sollte uns zu denken geben und unsere Aufmerksamkeit auf die Gefahren lenken, die uns aufgrund unserer Empfänglichkeit für emotionale Botschaften sehr wirkungsvoll beeinflussen können: Aus dem Mund eines skrupellosen Redners wird ein solches Verhalten zu einem Instrument der Ablenkung und Demagogie, einer Waffe der Manipulation, bei der Fakten keine Rolle mehr spielen und durch Lügen ("alternative Fakten"!) ersetzt werden können, ohne dass die Glaubwürdigkeit zu leiden scheint. Orwell lässt grüßen.

Für unser Kommunikationsverhalten können wir daraus die Erkenntnis ziehen, dass die Rolle des Sachinhalts in ihrer Wirksamkeit nicht überschätzt werden darf, auch wenn sie nach Ansicht vieler (langweiliger) Redner immer im Vordergrund stehen sollten. Alles andere wird gelegentlich für unseriös gehalten, ohne jedoch zu bedenken, welchen Effekt dies auf die Glaubwürdigkeit des Redners und Konzentration und das Erinnerungsvermögen der Zuhörer hat. Selbstverständlich muss ein seriöser Vortrag auf hieb- und stichfesten Fakten basieren. Die Beispiele Dr. Fox und Peter Dreier führen uns jedoch, wenn auch auf verstörende Weise, die Bedeutung des persönlichen Auftretens und des stimmlichen Ausdrucks bei der Vermittlung von Fakten vor Augen.

Persönlichkeit

Die Veränderung des persönlichen Auftretens oder das Training der Stimme erscheint uns zu Recht als ein schwieriges Unterfangen mit einer eher längerfristigen Perspektive. Fakten zu präsentieren, mag zwar trocken sein, kommt uns im Vergleich dazu jedoch als die einfachere Aufgabe vor. Das Dumme dabei ist nur, dass dies offenbar den geringsten Einfluss auf unsere Fähigkeit hat, unsere Botschaft gewinnend darzustellen und unsere Zuhörer zu überzeugen. Ebenso wichtig wie die Fakten selbst, ist die Art und Weise, wie wir diese präsentieren und der Schlüssel dazu ist nach weitverbreiteter Überzeugung eben Ihr persönliches Auftreten, Ihre Persönlichkeit.

Leider gibt es selbst in der wissenschaftlichen Psychologie keine allgemein verbindliche Definition des Begriffs "Persönlichkeit", der im Rahmen der Kommunikation doch so eine maßgebliche Rolle zu spielen scheint. Auch die Übertragung des Spruchs von Potter Stewart, einem der Richter des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten, der über die Pornografie einmal frei übersetzt sagte "Ich kann sie nicht definieren, aber ich erkenne sie, wenn ich sie sehe", hilft uns nicht weiter. Geht man jedoch davon aus, dass der Begriff "Persönlichkeit" im Zusammenhang mit Fragen der Kommunikation, besonders aber in Bezug auf Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft den subjektiven Eindruck beschreibt, den der Gesprächspartner hinterlässt, ist damit wohl eher die Art und Weise gemeint, wie eine Person wahrgenommen wird und welche Gefühle diese Person auslöst. Welche Assoziationen werden geweckt hinsichtlich Sympathie, Autorität, Kompetenz, Souveränität, Zugänglichkeit, Selbstbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit, Empathie etc.? Wird die Summe dieser Eigenschaften als positiv wahrgenommen, wird man dieser Person sicher eher Glauben schenken als im umgekehrten Fall. Mit belastbaren Fakten nach rationalem Maßstab hat dies zunächst recht wenig zu tun.

Jeder Referent wird sich wünschen, als perfekt wahrgenommen zu werden. Zu diesem Selbstverständnis gehört es, ein "perfektes Produkt" (Rede, Präsentation, Fachvortrag…) abzuliefern. Zeigt sich darin wirklich die "Persönlichkeit" eines Referenten?

Die Ansprüche an sich selbst sind oft ganz andere als die, welche die Zuhörer erwarten. Perfekt ausformulierte Sätze in Schriftdeutsch haben die Tendenz, kalt und unpersönlich zu wirken und sprechen daher die Emotionen des Publikums sehr viel weniger an, als eine natürliche, freie Formulierung, in der auch einmal eine spontane Pause zum Nachdenken vorkommen darf, ein suchender Blick in den Notizen, die Frage "wo war ich gerade stehen geblieben?", die Feststellung "darauf habe ich momentan keine Antwort" auf eine Publikumsfrage, oder das ein oder andere "äh"– und das trotz der ständigen Bemühung, unnütze Füllwörter oder Verlegenheitslaute zu vermeiden. Es wäre daher falsch, an einen Vortrag die Maßstäbe eines Nachrichtensprechers der ARD anzulegen. Authentizität wird von den Zuhörern i.d.R. höher eingeschätzt als verkrampfter Perfektionismus. Indem Sie als Mensch wahrgenommen werden, präsentieren Sie sich mit einer größeren Souveränität als mit abgehobenem Fachjargon. Ihre Kompetenz wird dies weniger untergraben, als Sie vielleicht befürchten mögen, und die Zuhörer haben ein besseres Gefühl für falsche Eitelkeiten, als mancher sich vorstellt. Nehmen Sie daher Abschied von Ihren eigenen Ansprüchen an Ihren Perfektionismus. Stehen Sie eher zu ein paar Schwächen und gelegentlichen Fehlern und zeigen Sie sich gerade dadurch als souveräne Persönlichkeit.

Stimme und Sprechen

Der Eindruck, den Sie durch Ihre Persönlichkeit hinterlassen, wird neben der Körpersprache vor allem auch durch Ihre Stimme geprägt. Sie besitzt großen Anteil an der Vermittlung Ihrer Glaubwürdigkeit.

Sprache ist kein digitales Signal, das am Empfangsort so ankommt, wie es gesendet wurde. Sprache muss immer interpretiert werden und kann daher fehlinterpretiert werden und Anlass zu Missverständnissen geben. Die Stimme ist dabei nicht nur Vehikel für den Inhalt (was gesagt wird), sondern transportiert durch die Art und Weise, wie etwas gesagt wird, auch Emotionen und Interpretationshilfen. Allein der vokale (=stimmliche) Ausdruck, ohne die zusätzliche Unterstützung durch körpersprachliche Signale, kann dabei den verbalen, inhaltlichen Aspekt verstärken, infrage stellen, oder sogar ironisch in sein Gegenteil verkehren; ja heißt plötzlich nein