Keim daheim - Dirk Bockmühl - E-Book

Keim daheim E-Book

Dirk Bockmühl

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Beschreibung

In "Keim daheim" erzählt der Mikrobiologe Professor Dirk Bockmühl in bester Pop-Science-Manier von der Wunderwelt unserer unsichtbaren Mitbewohner. Von Bakterien, Viren und Pilzen - sie alle gehören zu den Keimen, auch bekannt als Mikroben - , die unserer Gesundheit zuträglich sind, von solchen, die uns krankmachen, und von all denen, die mit uns daheim in unseren vier Wänden wohnen. Sie sind in uns, auf uns und um uns herum: Keime – Bakterien, Viren und Pilze. Manche sind für unser Leben unverzichtbar, andere einfach nur lästig, und es gibt auch welche, die sehr gefährlich sind. Wunderbar anschaulich führt Professor Bockmühls Hygiene-Sprechstunde mitten hinein in das faszinierende Reich unserer unsichtbaren Untermieter und erklärt alles, was man über sie wissen kann. So erfahren wir, dass der Biofilm nichts mit dem Kino zu tun hat oder was gegen Schweißgeruch hilft. Und wir begeben uns auf eine mikrobiologische Wohnungstour: Danach sehen wir unsere Toilette garantiert mit anderen Augen und wissen uns vor dem Angriff der "Killerlappen" zu schützen. Ein herrlich schlauer Lesespaß für Allergiker, Phobiker, Reinheitsfanatiker und Putzmuffel und obendrein ein Ratgeber für den richtigen Umgang mit (beinahe) jedem "Keim daheim".

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Dirk Bockmühl

Keim daheim

Alles über Bakterien, Pilze und VirenProf. Bockmühls Hygiene-Sprechstunde

Mit Illustrationen von claire Lenkova

Knaur e-books

Über dieses Buch

In »Keim daheim« erzählt der Mikrobiologe Professor Dirk Bockmühl in bester Pop-Science-Manier von der Wunderwelt unserer unsichtbaren Mitbewohner. Von Bakterien, Viren und Pilzen – sie alle gehören zu den Keimen, auch bekannt als Mikroben –, die unserer Gesundheit zuträglich sind, von solchen, die uns krankmachen, und von all denen, die mit uns daheim in unseren vier Wänden wohnen.

Sie sind in uns, auf uns und um uns herum: Keime – Bakterien, Viren und Pilze. Manche sind für unser Leben unverzichtbar, andere einfach nur lästig, und es gibt auch welche, die sehr gefährlich sind. Wunderbar anschaulich führt Professor Bockmühls Hygiene-Sprechstunde mitten hinein in das faszinierende Reich unserer unsichtbaren Untermieter und erklärt alles, was man über sie wissen kann. So erfahren wir, dass der Biofilm nichts mit dem Kino zu tun hat oder was gegen Schweißgeruch hilft. Und wir begeben uns auf eine mikrobiologische Wohnungstour: Danach sehen wir unsere Toilette garantiert mit anderen Augen und wissen uns vor dem Angriff der »Killerlappen« zu schützen. Ein herrlich schlauer Lesespaß für Allergiker, Phobiker, Reinheitsfanatiker und Putzmuffel und obendrein ein Ratgeber für den richtigen Umgang mit (beinahe) jedem »Keim daheim«.

Inhaltsübersicht

VorwortTeil I1. KapitelUnsere unsichtbaren MitbewohnerProbiotika: Bakterien, die sich nützlich machen2. KapitelWas sind eigentlich Mikroorganismen?Bakterien und Pilze: Die bekanntesten MikrobenOhne Wirt geht nix: Viren und ParasitenAlt, älter, Archaeen3. KapitelManche mögen’s heißWas der Mikrobe Leib und Seele zusammenhältWasser ist Leben4. KapitelBöse hoch drei: Infektionen, Vergiftungen und Allergien durch KeimeMikrobielle BandenkriminalitätWenn’s uns stinkt5. KapitelAuf in den Kampf: Was gegen Keime hilftDie wichtigsten antimikrobiellen WirkstoffeEine kleine Einkaufsliste gegen KeimeTeil II6. KapitelWie Reinigung funktioniert und wie man damit Geld spartDer Sinnersche KreisMögen Sie Chemie?7. KapitelWarum das Klo besser ist als sein RufBesondere Situationen erfordern besondere MaßnahmenGroßes Kino – der BiofilmKosmetika – Träume zum AuftragenSchimmelpilze oder der Fluch des Pharao8. KapitelWunderwerk KühlschrankEin Alien in der KücheVon Horrorschwämmen und KillerlappenEin Loblied auf die SpülmaschineDie Kaffeemaschine und ihre Tücken9. KapitelUngebetene Gäste im BettRisiken und Nebenwirkungen lebender Kuscheltiere10. KapitelKeime in der WaschmaschineWäschegeruch statt WäscheduftTeil III11. KapitelDie Erkenntnis des Herrn SemmelweisWie Resistenzen entstehenDie »klassischen« KrankenhauskeimeDas richtige Mittel zur rechten Zeit12. KapitelDie Hygiene-HypotheseZauberformel »gezielte Hygiene«Der Keim-Knigge: Sechs goldene [...]1. Mikroorganismen entstehen nicht aus dem Nichts2. Hände waschen: die wichtigste Hygienemaßnahme3. Problematische und unproblematische Lebensmittel4. Wasser weg – Keime weg5. Welche Mittel sinnvoll sind – und welche nicht6. Lassen Sie sich nicht verrückt machenDanksagung
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Vorwort

Was war eigentlich Ihr seltsamstes Telefongespräch in letzter Zeit? Meins ereignete sich, als ich zwischen zwei Vorlesungen in meinem Büro saß, gerade in mein Käsebrot beißen wollte und das Telefon klingelte. Es war ein Kollege aus einer Firma, mit dem wir schon viele Kooperationen gemacht hatten. »Entschuldige, dass ich dich störe«, raunte er mir zu, nachdem ich abgenommen hatte. »Aber mein Geschirrspüler will mich umbringen!« »Ja, klar«, gab ich kauend mit einem Grinsen zurück. »Aber die Weltraumpolizei ist sicher bereits eingeschaltet, denn das klingt mir schon sehr nach schlechter Science-Fiction.« »Wenn du es nicht glaubst, ruf doch mal den Link auf, den ich dir gerade geschickt habe.« Das war schnell erledigt, und tatsächlich titelte das amerikanische Internetmagazin Science Daily: »My dishwasher is trying to kill me«. Da hatte nämlich eine slowenische Forschergruppe einige krankheitserregende Pilzarten in Spülmaschinen nachgewiesen, darunter auch eine Art mit dem düsteren Namen »schwarze Hefe«, die unter bestimmten Umständen schwere Infektionen hervorrufen könne.

Mein Kollege und ich telefonierten noch eine ganze Weile weiter und erörterten diese Studie und die Einschätzung des Wissenschaftsmagazins. Ich will Sie mit den Details nicht langweilen, aber lassen Sie mich das Fazit mal in eine Frage verpacken: Wenn in der Geschirrspülmaschine eine so tödliche Gefahr lauert, warum kennen Sie niemanden, der dadurch umgekommen ist? Ich jedenfalls würde lieber sterben, als unser Geschirr wieder von Hand zu spülen, so viel ist sicher. Klar ist auch: wenn man jemanden mit einem Geschirrspüler umbringen will, muss man sich ordentlich anstrengen, und die Keime im Gerät dürften dabei vermutlich keine Rolle spielen. Bevor Sie nun einen großen Bogen um diese vermeintlich mörderische Maschine in Ihrer Küche machen: Der Geschirrspüler ist eine fantastische Methode, um schmutziges Geschirr wieder sauber und keimfrei zu kriegen, zum Beispiel, wenn man mit rohem Hühnchen hantiert hat, was nun wirklich nicht risikofrei ist, weil sich in so einem toten Huhn Heerscharen von Bakterien tummeln, die nur darauf warten, Ihnen einen ordentlichen Brechdurchfall zu verpassen. Deshalb garen Sie Hühnchenfleisch ja auch gut durch und stecken das Schneidbrettchen von der Zubereitung eben (hoffentlich) in den Geschirrspüler. Wenn nun die ganze Welt aufhören würde, heikles Geschirr in die Spülmaschine zu packen, weil dort angeblich irgendein Pilz darauf lauert, über die Menschheit herzufallen, hätten wir ein echtes Problem!

 

Wir werden uns im Laufe unserer gemeinsamen Zeit hier im Buch ein wenig genauer anschauen, was an solchen Artikeln dran ist, wann Mikroorganismen wirklich gefährlich werden, aber auch wo sie sogar unentbehrlich für uns sind. Doch die unsichtbare Welt um uns herum in Gut und Böse zu unterteilen wäre zu einfach und bleibt weiterhin eher Sache der Fiction als der Science, obwohl sich unter den Mikroben fast so illustre Gestalten wie Luke Skywalker und Darth Vader tummeln. Gerade deswegen ist es wirklich gut, mehr über unsere mikrobiellen Begleiter zu wissen, um in den Situationen, in denen wir ihnen begegnen, richtig handeln zu können. Sie dürfen dann auch gerne ein bisschen mit der (Reinigerspray-)Pistole herumfuchteln, wenn Sie nicht ganz auf das »Star-Wars«-Gefühl verzichten wollen, aber manchmal müssen Sie bitte auch ganz lieb zu den kleinen Mikroorganismen sein, denn sie tun eine Menge für uns.

Was genau, das möchte ich Ihnen in diesem Buch näherbringen. Ich möchte Sie mitnehmen in die unsichtbare Welt der Mikroorganismen in uns und um uns. Eine Welt, die mich schon seit vielen Jahren fasziniert. So sehr, dass ich (fast) nichts lieber tue, als zu diesem Thema zu forschen und andere mit meiner Begeisterung anzustecken. Keine Angst, diese Ansteckung ist völlig gefahrlos. Vielleicht erzähle ich Ihnen erst mal ein bisschen was über diese wunderbar vielfältigen Wesen, bevor ich Sie dann gerne auch zu mir nach Hause einlade – zu einer mikrobiologischen Hausführung, bei der wir am Schluss noch einen kleinen Gang vor die Tür machen werden. Sie werden sehen, es gibt viel zu entdecken und auch eine Menge praktischer Tipps, die ich ganz am Ende zur Sicherheit noch einmal in einem Keim-Knigge zusammengefasst habe. Damit Sie sich in mikrobieller Gesellschaft zukünftig angemessen bewegen können.

So, meinetwegen kann es jetzt aber losgehen. Sind Sie bereit?

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Teil I

Die unsichtbare Welt um uns

1

Mikroben und Menschen – ein Dream-Team?

Unsere unsichtbaren Mitbewohner

Wir sind nicht allein! Diesen Satz habe ich vor kurzem gelesen, als der ehemalige deutsche Astronaut Ulrich Walter mutmaßte, es müsse noch anderes Leben im Universum existieren und dies auch mathematisch begründete. Nun bin ich zwar als Mikrobiologe allgemein wissenschaftlich interessiert, mathematisch aber – nun ja, sagen wir – nicht allzu begabt, sodass ich den Ausführungen des Kosmosforschers nicht lange folgen konnte. Die Formeln, die die Existenz unserer Mitbewohner im All beweisen sollten, wurden mir dann doch zu lang. Eins aber ist auch für den durchschnittlich rechenkundigen Mikrobiologen unbestreitbar: Wir sind tatsächlich nicht allein, und zwar nirgendwo und zu keinem Zeitpunkt unseres Lebens. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, muss man noch nicht mal ein Raumschiff betreten, um anschließend suchend in ferne Galaxien zu entschweben. Man kann getrost auf der Erde bleiben und abwarten. Denn unsere Begleiter werden uns ganz sicher finden. Ich meine jene Mikroorganismen, die wir zwar nicht sehen können, die aber enorm wichtig für uns sind und überall auf uns, in uns und um uns herum existieren. Bevor Sie sich nun vielleicht sogar ein klein wenig angewidert abwenden, lassen Sie mich eine Lanze für diese Lebewesen brechen, denn obwohl viele Menschen beim Wort »Mikroorganismen« direkt an Krankheitserreger, Pest und Verderben denken (oder wenigstens an eine gepflegte Magen-Darm-Grippe), spielen Mikroben vor allem eine Rolle, wenn es darum geht, uns zu nützen und zu schützen. Ich kann das sogar beweisen: Haben Sie schon mal ein Antibiotikum genommen? Dann sind Sie mit einiger Wahrscheinlichkeit in den zweifelhaften Genuss einer Nebenwirkung gekommen, die fast unumgänglich ist: Durchfall. Warum ist das so? Ganz einfach: Antibiotika sollen Bakterien bekämpfen, und zwar die, derentwegen Sie zum Arzt gegangen sind und denen Sie die Halsschmerzen, die Blasenentzündung oder was uns sonst gerne mal so heimsucht verdanken. Wenn Sie nun die Tablette mit dem Antibiotikum geschluckt haben, breitet sich der Wirkstoff in Ihrem Körper aus und findet hoffentlich auch irgendwann die Störenfriede, mit denen Sie sich infiziert haben. Nur: Bei Ihnen wohnen auch andere Bakterien, ohne die Sie ziemlich aufgeschmissen wären, weil sie bei der Verdauung helfen, indem sie bestimmte Nahrungsbestandteile zersetzen und erst in eine Form bringen, die für uns nutzbar ist. Zugegeben, der Darm ist nicht die beste Wohngegend, aber die kleinen Kerle fühlen sich dort wohl. Bis dann so ein Medikament des Weges kommt und ihnen hinterrücks den Garaus macht, weil das Antibiotikum nämlich nicht unterscheiden kann, ob es sich um »gute« Darmbakterien handelt oder um »böse« Erreger einer Mandelentzündung. Die Darmbakterien können also ihre Arbeit nicht mehr machen, und Ihr Mittagessen zieht halbverdaut seiner Wege.

Nicht nur im Darm, auch auf unserer Haut leben Bakterien und schützen uns, indem sie zum Beispiel helfen, den berühmten Säureschutzmantel der Haut aufzubauen. Das funktioniert, indem diese Mikroorganismen Bestandteile des Hautfettes, das wir alle abgeben und das unsere Haut geschmeidig und sanft halten soll, zu schwachen Säuren umbauen. Diese Säuren sorgen wiederum dafür, dass sich andere Keime, die etwa Hautkrankheiten auslösen, nicht mehr vermehren und somit keinen Unsinn anrichten können.

Dieses Prinzip funktioniert übrigens nicht nur auf der Haut: Sauerkraut zum Beispiel verdirbt nicht, weil der Weißkohl vorher mit Milchsäurebakterien versetzt worden ist und Fäulnisbakterien keine Säure mögen. Früher stampfte man bei der Herstellung von Sauerkraut ordentlich mit nackten Füßen im Fass mit dem gehobelten Weißkohl herum – und jetzt dürfen Sie mal raten, woher die Milchsäurebakterien kamen …

Sie sehen, wir sind besiedelt von hoffentlich überwiegend nützlichen Mikroorganismen und das nicht zu knapp. Wirklich nachgezählt hat natürlich niemand, aber man kann davon ausgehen, dass es ungefähr so viele Bakterienzellen sind wie Körperzellen, also circa 30 bis 40 Billionen. Wenn Sie nun das bereits oben erwähnte mathematische Problem plagt: eine Billion ist eine Eins mit 12 Nullen. Übrigens sind etwa 25 Billionen unserer Körperzellen rote Blutkörperchen; Fettzellen gibt es deutlich weniger – eine Information, die ich insbesondere nach Weihnachten nützlich finde, wenn sich zumindest meine Fettzellen offensichtlich überproportional vermehrt zu haben scheinen.

Aber Zahlen sind ja bekanntlich Schall und Rauch, und viel interessanter ist es doch, was wir da so mit uns herumschleppen. Auch darauf gibt es inzwischen zumindest den Versuch einer Antwort: Vor ein paar Jahren hat ein Konsortium amerikanischer Forscher das sogenannte humane Mikrobiom analysiert, also untersucht, welche Mikroben auf und in uns leben. Um es kurz zu machen: Jeder von uns beherbergt einen ziemlich eindrucksvollen Zoo an Bakterien und Pilzen, wobei die jeweilige Zusammensetzung unserer mikrobiellen Gemeinschaft einen genauso exakten (wenn nicht sogar exakteren) Rückschluss auf uns als Individuum zulässt wie unser Fingerabdruck. Wenn Sie jetzt an den letzten Fernsehkrimi denken, liegen Sie übrigens gar nicht falsch. Denn beim Betreten eines Raumes hinterlassen Sie eine so einzigartige Mischung von mikrobiellen Zellen, dass man anhand der Analyse der Zusammensetzung dieser Mikroorganismen darauf schließen kann, dass eben genau Sie in diesem Raum waren und niemand anders. Für Verbrecher ein beunruhigender Gedanke, denn auch die Spurensicherung weiß natürlich um diesen Zusammenhang, und wir können wohl davon ausgehen, dass der Sherlock Holmes des ausgehenden 21. Jahrhunderts sich nicht mehr mit richtigen Fingerabdrücken aufhält, sondern die Molekularbiologie nutzt, um Täter zu überführen.

Auch wenn die Forschung bei der Analyse des humanen Mikrobioms große Schritte vollzogen hat, sind wir heute dennoch weit davon entfernt, zu verstehen, wofür »unsere« Mikroorganismen wirklich im Einzelnen gut sind. Die bereits erwähnte Schutzfunktion unserer Hautflora oder die Hilfe bei der Verdauung durch die Darmbakterien ist zwar unumstritten, aber die Aufgabe der Mikroben in und auf uns ist sicher viel, viel umfangreicher. Ich würde nicht so weit gehen wie der Journalistikprofessor Michael Pollan aus Berkeley, der einmal geschrieben hat, einige seiner besten Freunde seien Bakterien, denn ich bin ziemlich altmodisch und unterhalte mich gerne von Angesicht zu Angesicht mit meinen Freunden, und das ist mit Bakterien nun einmal erwiesenermaßen schwierig. Aber die Richtung, in die Pollans Satz geht, die stimmt schon.

Lassen Sie uns doch in diesem Sinne direkt mal eine ganz spannende Gruppe von freundlichen Keimen anschauen.

Probiotika: Bakterien, die sich nützlich machen

Etwas Grundlegendes zu Beginn: Wir müssen uns nicht einbilden, über unsere Mikroflora herrschen zu können; vielmehr sollten wir uns mit dem Gedanken abfinden, dass sie uns beherrscht oder, wie Pollan es ausdrückt, dass wir unsere Interessen mit denen unserer mikrobiellen Bewohner in Einklang bringen sollten. Ich mag in diesem Zusammenhang das Bild vom Gärtner, der ja den Pflanzen auch nicht befehlen kann zu wachsen, sondern durch Gießen und Düngen dafür sorgt, dass es seinen Schützlingen möglichst gut geht. Irgendwann, wenn genügend gepflegt, gedüngt und gejätet wurde, kann der Gärtner dann die Früchte seiner Arbeit ernten; sprich: sich an den Blüten erfreuen oder auch das selbst gezogene Obst und Gemüse genießen.

Aber helfen »unsere« Bakterien uns auch dabei, gesund zu werden oder zu bleiben? Das ist eine interessante Frage, auf die wiederum die Lebensmittelindustrie schon vor längerer Zeit eine Antwort gefunden hat: Probiotika! Sie kennen ja sicherlich diese Milchprodukte mit allerhand nützlichen Bakterienkulturen, die auf so klangvolle Namen wie Lactobacillus acidophilus oder Lactobacillus casei hören, und wissen wahrscheinlich auch, dass diese Milchsäurebakterien hauptsächlich dazu da sind, aus der flüssigen Milch den (einigermaßen) festen Joghurt zu machen. Doch was ist nun das Besondere an probiotischen Joghurts? Ich hatte ja schon erwähnt, dass unsere Darmflora ziemlich wichtig für uns ist und dass wir gerade erst zu verstehen beginnen, was diese kleinen Helferlein in unserem Darm wirklich alles für uns tun. Jeder kann sich wohl recht gut vorstellen, dass uns Bakterien beim Verdauen helfen, aber damit ist offenbar noch lange nicht Schluss. Ziemlich unumstritten ist, dass die Darmbakterien mithelfen, unser Immunsystem zu trainieren und ordentlich funktionieren zu lassen. Möglicherweise haben Sie schon davon gehört, dass Kinder, die gestillt worden sind, weniger Probleme mit Allergien haben. Dieses Phänomen lässt sich darauf zurückführen, dass die Aufnahme von Muttermilch bestimmte Bakterienarten im Darm besonders unterstützt, sodass diese wiederum ihre gesundheitsfördernde Wirkung entfalten können. Diese Wohltäter heißen Bifidobakterien und sind, wie ihre oben genannten Verwandten, in einigen probiotischen Joghurts enthalten, lassen sich aber auch als Nahrungsergänzungsmittel in konzentrierter Form in der Apotheke kaufen.

Die spannende Frage in diesem Zusammenhang lautet: Wirken diese Bakterien auch, wenn man sie mit der Nahrung aufnimmt und wenn man eigentlich längst aus dem Alter raus ist, in dem Muttermilch noch auf dem Speiseplan steht? Das zu beantworten ist in der Tat etwas kompliziert, denn es gibt zwar inzwischen unglaublich viele Studien zu dieser Thematik, aber ganz so einfach funktioniert die heile Darm-Welt nun einmal nicht … Das fängt schon damit an, dass die Bakterien, die Sie mit Ihrem Joghurt löffeln, erst einmal in den Darm kommen müssen. Der Weg dahin ist für so eine Bakterienzelle aber kein Spaziergang, er ähnelt eher dem Weg der Hobbits nach Mordor. Wenn Sie die Geschichte aus J.R.R. Tolkiens »Herr der Ringe« nicht kennen: auch da müssen kleine Wesen viele Gefahren meistern, um zu einem Ort zu gelangen, von dem man sich eigentlich lieber fernhält, weil es dort immer dunkel ist und stinkt. Auch wenn in unserem Verdauungstrakt keine Orks und Trolle lauern, gibt es für die lieben Milchsäurebakterien einen besonderen Ort des Schreckens: unseren Magen, der so viel aggressive Säure enthält, dass das den meisten Keimen den Garaus macht. Unseren kleinen Helden aber kommt hier eine Eigenschaft zugute, die Sie bei der Erwähnung der Lactobacilli weiter oben vielleicht schon erkannt haben – zumindest, wenn Sie sich wie ich durch ein paar Jahre Latein in der Schule quälen mussten. Die Kenntnis einer toten Sprache ist eben doch manchmal zu etwas nutze. Also: Der Zusatz acidophilus heißt so viel wie »säureliebend«, und das bedeutet, dass die mit dieser Vorliebe ausgestatteten Bakterienzellen eine ziemlich gute Chance haben, die Passage durch den Magen zu überleben.

Trotzdem: Ist die Zahl an Bakterien, die im Darm ankommt und dort Gutes tun soll, wirklich groß genug? Auf den ersten Blick schon, denn wir können davon ausgehen, dass Sie mit so einem Töpfchen Joghurt, sagen wir mal (damit es eine glatte Zahl ist) eine Milliarde Bakterien zu sich nehmen. Sie haben aber (wiederum grob geschätzt) eine Billion Darmbakterien! Das bedeutet, jede probiotische Joghurtbakterie muss sich gegen tausend bereits etablierte Bakterienzellen im Darm durchsetzen. Wie mühsam das ist, kann ich nur vermuten, aber wenn es bei uns in der Familie darum geht, was es zum Abendessen gibt, tue ich mich regelmäßig schwer, mich durchzusetzen, und da ist das Verhältnis gerade mal eins zu drei. Natürlich haben die Firmen, die diese Milchprodukte vertreiben, allerhand Studien in Auftrag gegeben, um die positiven Wirkungen der nützlichen Bakterienstämme zu belegen, und es gibt in einigen Fällen ganz gute Hinweise, dass das Konzept funktioniert. Aber seit einigen Jahren ist es in der Europäischen Union ziemlich schwierig geworden, eine gesundheitsfördernde Wirkung von Lebensmitteln zu bewerben; das geht überhaupt nur noch, wenn es wirklich fundierte wissenschaftliche Belege gibt. Deshalb hat die Probiotikindustrie uns Verbrauchern auch jahrelang erst mal ziemlich mühsam verklickern müssen, was diese Produkte überhaupt tun. Wobei sicher nicht jeder auf Anhieb von der Vorstellung begeistert war, Bakterien zu essen und sich auszumalen, was die dann so alles anstellen. Manches will man eben einfach nicht wissen!

Für alle unerschrockenen Leser kommt hier die Geschichte von der Entdeckung der Probiotika (die übrigens kein Märchen ist, auch wenn es so klingt): Es war einmal ein Arzt namens Alfred Nißle, der im Ersten Weltkrieg viele Soldaten behandeln musste. Neben den üblichen Kriegsverletzungen hatte es Dr. Nißle auch mit Männern zu tun, die an schweren, lebensbedrohlichen Durchfallerkrankungen litten. Erstaunlicherweise gab es aber auch Kameraden, die von dieser Problematik auf wundersame Weise verschont blieben. Nißle beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen. Er untersuchte den Darminhalt eines Soldaten, der gesund geblieben war, obwohl er eigentlich hätte erkranken müssen, und isolierte einen bestimmten Bakterienstamm der bekannten Art Escherichia coli, den er für diesen Effekt verantwortlich machte.

Tatsächlich ließen sich die durchfallgeplagten Soldaten kurieren, wenn er ihnen diese Bakterien in konzentrierter Form verabreichte. Das Bakterium E.coli Stamm Nißle 1917 ist Grundlage eines Präparats, das Sie noch heute – neben vielen ähnlichen – rezeptfrei in der Apotheke kaufen können, um Ihrem Darm etwas Gutes zu tun.

Wenn es Sie beruhigt: Das sind natürlich nicht die gleichen (oder gar dieselben) Bakterien, die Ihren Joghurt machen, und die Geschichte der probiotischen Joghurtbakterien ist glücklicherweise auch weniger eklig: Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts nämlich beschrieb der russische Immunologe Ilja Metschnikow den Zusammenhang zwischen dem durchweg hohen Lebensalter bestimmter bulgarischer Volksgruppen und dem Verzehr der landestypischen Milchprodukte und begründete damit schon vor Nißle das probiotische Prinzip. Von vielen Medizinern wurden sowohl die Milchprodukte aus dem Supermarkt als auch die probiotischen Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke übrigens lange Zeit sehr kritisch beäugt, da deren Wirkung nicht einwandfrei belegt werden konnte. Mittlerweile wird jedoch das Potenzial dieser Methode allgemein akzeptiert, und wir dürfen jedenfalls annehmen, dass diese Produkte nicht schaden, also (um mal einen Werbespot einer bekannten Molkerei zu zitieren): Wenn’s schön macht …

2

Keim oder nicht Keim, das ist hier die Frage

Jetzt habe ich die ganze Zeit von Mikroorganismen geredet, aber was haben wir uns unter Mikroorganismen eigentlich vorzustellen? Ein Kollege aus der Marketingabteilung der Firma, für die ich früher gearbeitet habe, sagte mal zu mir: »Ich rufe dich bei allem an, was kleiner ist als ein Hund.« Ich war damals als Mikrobiologe in einem Unternehmen, das Konsumgüter herstellt, ein wenig ein Exot unter vielen Betriebswirten und Chemikern. Eine meiner Aufgaben bestand darin, möglichst alle Fragen rund um die Mikrobiologie aus dem Stegreif beantworten zu können, bevorzugt, wenn mal wieder eine Grippewelle durch Deutschland brandete und die Frage aufkam, ob unsere Produkte auch gegen das Grippevirus wirkten, oder welche Keime denn für Pickel und Kopfschuppen verantwortlich zeichnen. In diesem Zusammenhang tauchte auch die nicht ganz einfach zu beantwortende Frage auf, mit welchen Organismen sich der Mikrobiologe eigentlich beschäftigt. Mein Kollege aus der Marketingabteilung hat es sich da recht einfach gemacht, und auch wenn seine Aussage nicht ganz ernst zu nehmen war – völlig falsch lag er damit eigentlich nicht.

Was sind eigentlich Mikroorganismen?

Als wissenschaftlicher Laie hat man vielleicht die Vorstellung, dass es Tiere und Pflanzen gibt und dann noch so ein paar exotische Geschöpfe wie Amöben und Quallen (gefühlt sind das auch Tiere), Pilze (eigentlich doch Pflanzen, oder nicht?) und eben Bakterien und Viren (die sind ziemlich klein). Mit einem ähnlichen Weltbild bin auch ich in mein Biologiestudium gestartet, musste aber meine Sicht auf die belebte Welt recht schnell überdenken. Noch bevor ich wusste, wo die besten Studentenkneipen waren, habe ich gelernt, dass es aus biologischer Sicht am sinnvollsten ist, Lebewesen in drei Gruppen einzuteilen, nämlich in Bakterien, Archaeen (sprich: Archä-en) und Eukaryota. Dabei fasst man in der Regel Bakterien und Archaeen noch als Gruppe zusammen, die sich »Prokaryota« nennt. Ich ahne, mit welchem Gesichtsausdruck Sie gerade diese Zeilen lesen, denn ganz ähnlich habe ich auch ausgesehen; aber keine Sorge, wir schauen uns das mal zusammen an:

Was Sie hier vor sich sehen, ist der sogenannte phylogenetische Baum des Lebens, wobei »phylogenetisch« so viel heißt wie »stammesgeschichtlich«. Das Ganze ist also so etwas wie ein Familienstammbaum, nur dass hier nicht meine oder Ihre Verwandten und Vorfahren abgebildet sind, sondern die Verwandtschaft zwischen allen Lebewesen auf unserer Erde. Das Prinzip ist dabei gleich, das heißt, ein Schnittpunkt bedeutet einen gemeinsamen Vorfahren, und je kürzer die Strecke zwischen zwei Namen, desto enger sind die beiden verwandt.

Das ist wahrscheinlich immer noch ein bisschen abstrakt, wird aber klar, wenn wir uns das an unserer eigenen Familie verdeutlichen.

Der nächste gemeinsame Vorfahre zwischen mir und meiner Schwester ist meine Mutter. Der nächste gemeinsame Vorfahre meiner Tante und mir ist meine Oma. Da die Strecke zwischen mir und meiner Schwester kürzer ist als die zwischen meiner Tante und mir, sind meine Schwester und ich näher verwandt.

Das gleiche Spielchen kann man mit beliebigen Lebewesen machen, man muss dann nur die Entfernungen anpassen, damit es nicht so unübersichtlich wird. Also wird nicht jede einzelne Generation aufgelistet. Wenn Sie den oben abgebildeten phylogenetischen Stammbaum betrachten, werden Sie sehen, dass Tiere, Pilze und Pflanzen irgendwann in der Vergangenheit einen gemeinsamen Vorfahren hatten. Noch viel, viel früher hatten sogar »wir« (als Tiere, die wir sind) und die Bakterien einen gemeinsamen Vorfahren. Nur dass das eben nicht wie bei Ihnen und Ihrer Tante vielleicht sechzig Jahre her ist, sondern ein kleines bisschen länger. Der gemeinsame Vorfahre zwischen Tieren, Pflanzen und Pilzen zum Beispiel datiert so über den Daumen gepeilt 1 Milliarde Jahre zurück (nageln Sie mich da bitte nicht auf ein paar hunderttausend Jahre rauf oder runter fest).

Bakterien und Pilze: Die bekanntesten Mikroben

Warum erzähle ich Ihnen das eigentlich alles? Nun, wenn Sie auf den Stammbaum schauen, sehen Sie eine unglaublich breit verzweigte und verschiedenartige Gruppe von Lebewesen, die mit »Bakterien« überschrieben ist. Das ist schon mal bemerkenswert, denn wir neigen dazu, die Bakterien, die unseren Darm besiedeln und solche, die typischerweise auf unserer Haut leben oder die aus Milch Joghurt machen, recht pauschal zu betrachten, obwohl wir als Menschen deutlich näher mit einem Champignon verwandt sind als diese Bakterien untereinander. Für diesen zugegebenermaßen despektierlichen Vergleich allein hätte ich aber nicht so weit ausholen müssen, deshalb sollten wir uns noch eine andere Sache klarmachen: Jedes Lebewesen ist aus Zellen aufgebaut. Die Bakterien bestehen bekanntlich nur aus einer einzelnen, und wenn ich schon meiner Cousine nicht mehr besonders ähnlich sehe, können Sie sich vielleicht vorstellen, dass die Zellen, aus denen Sie und ich aufgebaut sind, nicht mehr viel mit einer Bakterienzelle gemein haben. Und das ist durchaus nicht unpraktisch, denn das macht es uns zum Beispiel relativ einfach, ein Antibiotikum zu finden, das die Zelle eines Tuberkulosebakteriums kaputtmacht, aber die Zellen des Lungengewebes direkt daneben eben nicht, weil die zelluläre Struktur, die durch das Antibiotikum angegriffen wird, in dieser Form gar nicht in unseren Zellen vorkommt. Antibiotika sind übrigens so eine Art chemischer Kampfstoff, der ursprünglich aus Pilzzellen gewonnen wurde, weil die sich gegen Bakterien verteidigen mussten. Ein Blick auf den phylogenetischen Stammbaum reicht, um zu erklären, warum das funktioniert: Pilzzellen sehen eher aus wie tierische Zellen und sollten daher ebenso »immun« gegen das Antibiotikum sein wie unsere Körperzellen.

Pilze und Bakterien sind also nicht verwandt, und obwohl wir gerne mal von »Bakterienflora« sprechen, haben all diese Mikroorganismen auch nichts mit Pflanzen zu tun. Und die Zellen von Bakterien und Pilzen sind ebenfalls grundverschieden. Das äußert sich auch darin, dass die oben erwähnten einzelnen Bakterienzellen für sich lebensfähig sind, was für Pilze nicht unbedingt gilt. Wenn Sie sich eine Hefe genauer ansehen (die, mit der wir Brot backen oder auch Bier brauen), so besteht dieser Pilz nur aus einer einzelnen Zelle. Bei dem Schimmelpilz, der auf Ihrem Camembert wächst, sieht das jedoch anders aus: Diese Zellen bilden lange Fäden (die »Hyphen«), die sich wiederum zu einem dreidimensionalen Knäuel zusammenfinden können, das man »Mycel« (sprich: Müzehl) nennt.

Erstaunlicherweise lassen sich nicht nur recht komplizierte Formen, wie der Hut eines Champignons, aus diesem ziemlich chaotischen Zusammenschluss formen, dieses Gebilde kann auch noch unwahrscheinlich groß werden. Das Ganze spielt sich allerdings meistens unter der Erde ab, wo so ein Pilzfadengeflecht sich im Boden ausbreitet. Und wie! Das größte Pilzmycel wurde in Oregon gefunden und hatte eine Ausdehnung von sage und schreibe 9 Quadratkilometern, was etwas mehr als 1200 Fußballfeldern entspricht. Oben auf der Erde ist davon nicht viel zu sehen, denn dort bekommen wir in der Regel nur die Fortpflanzungsorgane der Pilze zu Gesicht, eben die Hüte, die dann als Pilzgulasch im Topf landen.

Anders als Pilze können Bakterienzellen keine so komplizierten Strukturen bilden, denn die einzelnen Zellen bleiben nach der Teilung mehr oder weniger unabhängig. Zwar formen manche auch Ketten, die dadurch entstehen, dass die neu gebildeten Zellen gewissermaßen an der alten »klebenbleiben« und einige Ketten bakterieller Zellen sehen dadurch Pilzhyphen erstaunlich ähnlich, aber es sind eben nach wie vor unabhängige Zellen. Die eukaryotischen Pilze (siehe die Unterteilung in Pro- und Eukaryota auf dem Stammbaum des Lebens) haben also einen Schritt vollzogen, den die Bakterien nicht geschafft haben: den Schritt hin zum mehrzelligen Organismus. In Perfektion besteht so ein Mehrzeller aus Geweben und Organen, also aus hoch spezialisierten Zellverbünden; das finden wir aber erst bei Pflanzen und Tieren.

Falls ich Sie nun verwirrt haben sollte mit all den vielen Begriffen und Zellstrukturen – hier kommt eine kleine Zeichnung, die hoffentlich Klärung bringt:

Wie Sie auf dem Bild links sehen, gibt es auch bei den Bakterien unterschiedliche Zellformen. Wobei die meisten Bakterien entweder eine Kugelform oder die Gestalt eines Stäbchens haben. Wissenschaftlich korrekt heißt eine kugelige Zelle Coccus, eine längliche Bacillus. Im Deutschen dürfen Sie übrigens auch von »Kokken« und »Bazillen« sprechen, wenn Ihnen diese Schreibweise besser gefällt. Warum ich Ihnen das nun wieder erzähle? Na ja, weil viele Bakterienarten so heißen, wie sie aussehen. Schauen wir uns doch ein paar Beispiele an. Hier kommen übrigens neben den Lateinern auch diejenigen von Ihnen richtig zum Zuge, die mal Altgriechisch gepaukt haben, denn viele Namen leiten sich aus dem Griechischen ab. Staphylococcus zum Beispiel, das ist ein kugelförmiges Bakterium, klar. Und da staphylos »Weinstock« oder »Weintraube« bedeutet, wäre auch klar, wie diese Kugelzellen zusammenhängen: in einer Traubenform nämlich. Noch ein Beispiel gefällig? Wie wäre es mit Lactobacillus? Das muss eine stäbchenförmige Zellform sein, wegen Bacillus; Lacto- kennen wir von »Lactose« (beziehungsweise heutzutage eher von »Lactoseintoleranz«), das ist der Milchzucker; Lacto- hat also etwas mit Milch zu tun (nach dem lateinischen Wort lac für Milch). Und was haben wir hier vor uns? Natürlich ein Milchsäurebakterium (hatten wir ja schon bei den Probiotika kennengelernt). Ein letztes? Gut, wollen Sie mal raten, wo Pediococcus wohnt? Keine Idee? Lateiner vor: pes ist lateinisch für »Fuß«. Wenn Sie sich jetzt mal neben der Zellform (Kugel selbstverständlich) auch den passenden Geruch vorstellen, wird Sie die Tatsache interessieren, dass Pediococcus auch bei der Herstellung verschiedener Käsesorten benutzt wird. Da erklärt sich doch so einiges!

Nun besteht der wissenschaftliche Name aller Organismen aber aus zwei Teilen, wie etwa bei Staphylococcus aureus. Hier bezeichnet der zweite Teil die Art und der erste Teil die (übergeordnete) Gattung. Das ist in etwa so wie bei den bayerischen Familiennamen, wo man gerne den Nachnamen vor dem Vornamen nennt. Der Huber Schorsch ist also ein Mitglied der Huberfamilie, genauer der Schorsch. Staphylococcus aureus ist demnach eine Art innerhalb der Staphylokokken, die eine goldene Färbung hat. Weil sich aureus vom lateinischen Wort aurum ableitet, und das heißt Gold. Gar nicht so kompliziert, oder?

Dass die Mikrobiologen immer mit diesen lateinischen Namen um sich werfen, ist übrigens nur zu einem ganz kleinen Teil Angeberei, sondern resultiert im Wesentlichen daraus, dass es nur für ganz wenige Mikroorganismen deutsche Namen gibt! Die Bierhefe etwa heißt korrekt Saccharomyces cerevisiae (wenn Sie in Spanien schon mal ein Bier bestellt haben, wissen Sie, warum); es wird aber auch Bier mit anderen Arten gebraut, zum Beispiel mit Saccharomyces carlsbergensis. Na, welches Bier könnte das sein? Das Tolle ist: Sollten Sie von der Craft-Bier-Welle erfasst worden sein und eine neue Hefe entdecken, dürfen Sie dieser einen Namen geben. Dabei ist es verpönt, Ihren eigenen zu benutzen. Wenn Sie also Meier heißen, sollten Sie die neu entdeckte Art nicht Saccharomyces meieri nennen. Üblicherweise würden Sie die neue Spezies vielleicht nach jemandem benennen, den Sie schätzen, oder aber auch nach der Stadt, in der Sie die Entdeckung gemacht haben; dabei könnten dann vielleicht bislang völlig vernachlässigte Namensgebungen von tiefer Poesie wie Saccharomyces castroprauxeli herauskommen.

Und wenn das Ding doch partout nach Ihnen heißen soll? Nun, auch da gibt es eine Möglichkeit, die allerdings mit ein paar Nachteilen verbunden ist. Früher war es nämlich durchaus üblich, einen Krankheitserreger zu entdecken, sich in einem heroischen Selbstversuch mit diesem selber zu infizieren und dann an der dadurch ausgelösten Erkrankung zünftigerweise auch zu versterben, auf dass die staunende Nachwelt den Erreger nach dem furchtlosen Forscher benenne. Ich persönlich würde die zuerst erwähnte Methode der Namensgebung vorziehen, aber da hat jeder so seine Vorlieben …

Ohne Wirt geht nix: Viren und Parasiten

Neben Pilzen und Bakterien gibt es noch eine weitere Gruppe von Mikroorganismen, die erstaunlicherweise gar nicht in unserem Stammbaum auftaucht – und das aus gutem Grund: Viren sind keine richtigen Lebewesen, sondern nur so etwas wie biologische Maschinen, die sich zwar mithilfe von Wirtszellen vermehren können, aber denen fast alles fehlt, was wir von lebendigen Wesen erwarten. Zu definieren, was »Leben« bedeutet, würde an dieser Stelle zu weit führen, doch vieles, das zum Leben dazugehört, wie ein zellulärer Aufbau, die eigenständige Fortpflanzung, die Umwandlung von Energie und die Kommunikation mit der Umwelt finden wir bei Viren nicht.

Für unsere Zwecke reicht es erst einmal, dass wir uns Folgendes merken: Viren können sich nur mithilfe anderer Zellen vermehren. Das bedeutet: Ein Viruspartikel auf einer Oberfläche bleibt allein, während eine Bakterienzelle sich teilen kann, sodass aus einer Zelle zwei werden, aus zweien vier, dann acht, 16, 32, 64, 128 und so weiter … Das hat eine ganze Menge Auswirkungen, etwa auf die Frage, ob es gefährlich ist, mit dieser Oberfläche in Kontakt zu kommen. Den Schluss daraus zu ziehen, eine mit Viren kontaminierte Oberfläche sei ungefährlich, wäre aber falsch und möglicherweise fatal, denn manchmal reichen ein paar Viruspartikel, die wir aufnehmen, damit sich diese in unserem Körper (also mithilfe unserer Zellen) vermehren und womöglich ordentlich Schaden anrichten. Viele Viren sind auch deutlich unempfindlicher gegenüber äußeren Einwirkungen oder Desinfektionsmitteln und sind dadurch nicht so einfach unschädlich zu machen. Insgesamt sind Viren also Mikroorganismen, die man auf dem Schirm haben sollte, mögen sie auch noch so »unlebendig« sein.

Haben wir jetzt alles? Bakterien, Pilze und Viren; das wären die wichtigsten. Aber wie war das noch mit der Definition »alles, was kleiner ist als ein Hund«? Ein bisschen größer als bislang darf es also schon noch werden, womit wir bei einer weiteren und diesmal sehr uneinheitlichen Gruppe von Geschöpfen wären, mit denen sich die Mikrobiologie befasst: den Parasiten. Die finden wir auf verschiedenen Ästen unseres Stammbaums, aber allesamt auf der Seite der Eukaryota. Es gibt einzellige und mehrzellige Organismen, die wir zu den Parasiten zählen; zum Beispiel Geißeltierchen und Amöben (einzellig) oder auch Band- und Fadenwürmer (mehrzellig). Warum werden diese so unterschiedlichen Wesen unter einem Begriff zusammengefasst? Ganz einfach, weil sie eine Eigenschaft vereint, allerdings eine ziemlich unsympathische: Alle Parasiten leben auf Kosten anderer Organismen. Das, so könnten Sie einwerfen, trifft auch auf verbeamtete Professoren zu, womit Sie nicht ganz falschliegen. Bei den Parasiten ist das Verhältnis zu ihrem Ernährer aber inniger als jenes zwischen Beamten und Steuerzahlern, weil sie direkt auf oder in ihrem Wirtsorganismus leben.

Nehmen wir den gemeinen Bandwurm: Der nistet sich im Darm von Tieren und Menschen ein und frisst dort alles, was vorbeikommt. Nicht ganz appetitlich, aber sehr effektiv. Dieses »Mitessertum« funktioniert so gut, dass Bandwurmpatienten radikal an Gewicht verlieren, wenn man dem Treiben keinen Einhalt gebietet. Ein findiger Mensch hat deswegen sogar einmal Bandwurmeier als Schlankheitsmittel verkauft, und die Kunden nahmen in der Tat ab – manche leider so stark, dass sie die Prozedur nicht überlebt haben, denn solche Bandwürmer können mehrere Meter lang werden, und da bleibt für die Darmbesitzer nicht mehr viel übrig vom Abendessen … In der Regel hat so ein Parasit aber wenig Interesse daran, seinen Gastgeber umzubringen, denn dadurch würde er ja die eigene Nahrungsquelle trockenlegen. Manchmal aber, besonders, wenn dieser Fiesling seine Nachkommen reichlich in die Welt gesetzt hat, hat der Wirtsorganismus einfach seine Schuldigkeit getan und kann gehen.

Wenn Sie jetzt einen richtig schlechten Eindruck von Parasiten bekommen haben, war das durchaus in meinem Sinne. Zur Ehrenrettung dieser Gesellen muss ich sagen, dass es auch vermeintlich harmlosere Varianten gibt, solche zum Beispiel, die »nur« unser Blut saugen, wie Mücken, Zecken und Flöhe. Zugegeben, nicht viel sympathischer, aber nicht ganz so gefährlich, wenn – ja, wenn nicht durch die Stiche dieser Blutsauger wiederum krankheitserregende Bakterien und Viren von einem zum anderen übertragen werden könnten. Eines der dramatischsten Beispiele hierfür ist die Pest, die zwar von Bakterien verursacht wird, sich aber dadurch enorm ausbreiten konnte, dass diese Pestbakterien über Flöhe und Ratten weitergereicht werden: Floh sticht Pestkranken, hüpft auf die Ratte und injiziert dieser die Bakterien ins Blut. Die Ratte (die gemeinerweise selbst nicht krank wird) fährt auf irgendeinem Schiff oder Karren in den nächsten Ort, wo schon wieder viele Flöhe darauf warten, über ihren Stich die Pesterreger aus der Ratte in das nächste menschliche Opfer zu transferieren. Auf diese Weise hat sich diese Seuche mehrmals in den vergangenen Jahrhunderten entlang der Handelsrouten über die halbe Welt verbreitet und so in ein paar Jahren ganze Landstriche entvölkert. Heutzutage hat die Pest viel von ihrem Schrecken verloren, weil viele Menschen glücklicherweise unter Bedingungen leben, wo der Kontakt zu Ratte und Floh nicht mehr so innig ist wie im Europa des Mittelalters. Anders als damals wissen wir heute auch, dass Bakterien die eigentlichen Verursacher der Pest sind, und gegen die können wir uns wehren, da Antibiotika bei den meisten bakteriellen Infektionen wirken. So auch im Falle der Pest.

Alt, älter, Archaeen

Da Sie ein aufmerksamer Leser sind, werden Sie vielleicht bemerkt haben, dass ich zu Anfang des Kapitels eine Gruppe von Mikroorganismen erwähnt habe, über die ich noch nichts gesagt habe. Ich meine die Archaeen. Wenn Sie noch einmal auf den Stammbaum schauen, sehen Sie, dass es sich dabei um einen recht großen Teil in der Baumkrone handelt, und zwar auf der Seite der Prokaryota. Diese Organismen, die man deswegen auch früher als »Archaebakterien« bezeichnet hat, sind möglicherweise den wenigsten bekannt, obwohl ihr Einfluss auf uns enorm ist. Archaeen heißen so, weil sie als besonders urtypisch – archaisch – gelten und wohl schon auf der Erde existierten, als diese noch nicht so heimelig war wie heute. Und so finden wir unter ihnen absolute Spezialisten, wenn es um das Besiedeln von Lebensräumen geht, in denen niemand sonst wohnen möchte: giftige, schwefelhaltige Vulkane auf dem Meeresgrund etwa, Salzseen, Eiswüsten oder siedend heiße Quellen. Orte also, bei denen man gewettet hätte, dass dort kein Wesen existieren kann, und dennoch gibt es dort Leben, eben die Archaeen. Doch damit nicht genug: Tiere, die in der Lage sind, Zellulose als Nahrung zu nutzen (also zum Beispiel die Kuh, die mit Heu gefüttert wird, oder die Termiten, die ein hölzernes Bauwerk zum Einsturz bringen) können die Zellulose nur deshalb verdauen, weil sie in ihrem Verdauungstrakt Archaeen quasi als Haustiere halten. Das sind nämlich so ziemlich die Einzigen, die Zellulose biochemisch spalten können und damit in eine Form bringen, mit der auch die Kuh etwas anfangen kann. Dieser Prozess ist kompliziert, weshalb das Verdauen bei den Wiederkäuern auch so umständlich abläuft, und bildet leider auch ein Nebenprodukt, das uns heutzutage viele Probleme macht. Die Rede ist von Methan, das irgendwann hinten oder vorne aus der Kuh herauswill (Heißt das eigentlich bei der Kuh auch »Bäuerchen«? Würde eigentlich passen …) und so in die Atmosphäre gelangt, wo es dummerweise den Treibhauseffekt fördert. Über die Hälfte der Methanemissionen in Deutschland gehen laut Umweltbundesamt auf das Konto der Landwirtschaft – zu wesentlichen Teilen eben aufgrund dieser Prozesse. Wieder einmal zeigt sich demnach: alles hat zwei Seiten, auch die Kuh – verzeihen Sie den Kalauer.

Jetzt sind wir aber wirklich durch mit dem, was die Mikrobiologen beschäftigt, und ich hoffe, ich konnte Sie ein wenig mit meiner Begeisterung für die Mikrobiologie »infizieren« und diese unsichtbaren Organismen wurden zumindest vor Ihrem geistigen Auge mit Leben erfüllt. Ich sollte vielleicht noch etwas zu den Begriffen sagen, die ich benutze: Dass es Unterschiede zwischen Viren, Pilzen und Bakterien gibt, haben wir ja erläutert. Wenn ich »Mikroorganismen« im Allgemeinen anspreche, nutze ich im Verlauf des Buches gerne ein paar Synonyme, hauptsächlich »Mikroben« und »Keime«. Ich tue das vornehmlich aus sprachlichen Gründen, wobei mir die ganz Genauen unter Ihnen natürlich zumindest bei der Verwendung des Wortes »Keim« Ungenauigkeit vorwerfen könnten – weil mit Keimen klassischerweise vor allem Krankheitserreger gemeint sind. Ich werde dennoch in diesem Buch die drei Begriffe Mikroorganismus, Keim und Mikrobe sinngleich verwenden, etwas Abwechslung kann schließlich nicht schaden. Aber ich rede und rede: Wir wollten doch längst einen Blick in unseren Alltag mit Bakterien, Viren und Co. werfen, und genau das werden wir jetzt auch tun.

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Was ein Keim zum Leben braucht

Manche mögen’s heiß

Wann fühlen Sie sich so richtig wohl? Wie wäre es damit: Sie sitzen im Sommerurlaub bei angenehmen 28°C mit einem schönen Eiskaffee am Hotelpool und tauschen mit Freunden den letzten Klatsch und Tratsch aus der Nachbarschaft aus oder plaudern mit Ihrer Familie. Geht schon in Ordnung, oder? Die Herren unter Ihnen dürfen natürlich »Eiskaffee« und »Hotelpool« durch »Bier« und »Grill« ersetzen, aber das Prinzip dürfte klargeworden sein. Zum Wohlfühlen gehören angenehme Temperaturen, etwas fürs leibliche Wohl und ein bisschen Gesellschaft. Wenn ich Ihnen nun erzähle, dass Bakterien eine ganz ähnliche Vorstellung von einem netten Nachmittag haben, halten Sie mich wahrscheinlich für verrückt, denn schließlich kann man Bakterien ohne Zweifel am Hotelpool antreffen, aber einen Eiskaffee schlürfend? Wohl kaum. Wenn wir das Bild aber ein wenig abstrakter malen und wir davon ausgehen, dass es sich hier um Temperatur, Nahrung und Kontakt zu anderen dreht, wird das Ganze offensichtlicher.