Kein Moment zum Verlieben - Alexandra Görner - E-Book

Kein Moment zum Verlieben E-Book

Alexandra Görner

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Beschreibung

Ein Tag wie jeder andere und doch der Tag, der zwei Leben verändert   Bei einer Gasexplosion im Herzen von London wird Cole schwer verletzt. Eine Unbekannte eilt ihm zur Hilfe, holt die Sanitäter und verschwindet danach genauso schnell, wie sie aufgetaucht ist. Doch Cole wird sich ewig an das Paar blaue Augen erinnern, das ihm Hoffnung und Kraft gab, als er dachte, sein Leben wäre vorbei. Stattdessen kann er nur einen Neuanfang wagen und zieht zurück in seine alte Heimat nach Cornwall. Auch wenn ihm da ein wenig freundlicher Empfang bereitet wird. Denn Cole ist nicht ohne Grund vor Jahren weggezogen…   Lana sucht noch Wochen später nach dem gutaussehende Unbekannten, den sie auf der Straße fand und dessen Namen sie nie erfahren hat. Nie erfahren hat, ob er überlebt hat. Doch schließlich gibt sie auf, widmet sich ihrer Berufung als Sozialarbeiterin im Frauenhaus. Ein Job, der schlaucht, und der einen Urlaub dringend nötig macht. Kurzerhand fährt sie zu ihrer Cousine nach Cornwall um dort wieder Kraft zu tanken. Und auf einmal steht der Mann vor ihr, den sie nicht mehr aus dem Kopf bekommt, obwohl sie ihn gar nicht kennt. Ihr Herz schlägt sofort höher, doch Cole hat eine dunkle Vergangenheit…

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Kein Moment zum Verlieben

Die Autorin

Alexandra Görner ist 35 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in einer kleinen Stadt in Sachsen. Sie arbeitet in einem Zuliefererbetrieb für die Automobilindustrie und schreibt nur in ihrer Freizeit. Die verbringt sie außerdem am liebsten mit ihrer Familie und natürlich mit tollen Büchern.

Das Buch

Bei einer Gasexplosion im Herzen von London wird Cole schwer verletzt. Eine Unbekannte eilt ihm zur Hilfe, holt die Sanitäter und verschwindet danach genauso schnell, wie sie aufgetaucht ist. Doch Cole wird sich ewig an das Paar blaue Augen erinnern, das ihm Hoffnung und Kraft gab, als er dachte, sein Leben wäre vorbei. Stattdessen kann er nur einen Neuanfang wagen und zieht zurück in seine alte Heimat nach Cornwall. Auch wenn ihm da ein wenig freundlicher Empfang bereitet wird. Denn Cole ist nicht ohne Grund vor Jahren weggezogen…

Lana sucht noch Wochen später nach dem gutaussehende Unbekannten, den sie auf der Straße fand und dessen Namen sie nie erfahren hat. Nie erfahren hat, ob er überlebt hat. Doch schließlich gibt sie auf, widmet sich ihrer Berufung als Sozialarbeiterin im Frauenhaus. Ein Job, der schlaucht, und der einen Urlaub dringend nötig macht. Kurzerhand fährt sie zu ihrer Cousine nach Cornwall um dort wieder Kraft zu tanken. Und auf einmal steht der Mann vor ihr, den sie nicht mehr aus dem Kopf bekommt, obwohl sie ihn gar nicht kennt. Ihr Herz schlägt sofort höher, doch Cole hat eine dunkle Vergangenheit…

Von Alexandra Görner sind bei Forever erschienen:In der London-City-Reihe (E-Book):Verliebt, verlobt, vielleichtSüße Küsse unterm MistelzweigSie dürfen die Nanny jetzt küssenLand, Luft und LiebeHalbzeitküsseVerlieb dich, verlieb dich nichtHeißkalte Winterküsse

In der Montana-Kisses-Reihe:Verlieben ausdrücklich erlaubtKüssen ausdrücklich erwünschtVerliebt und Zugeschneit

Küssen ist die beste VerteidigungKein Moment zum Verlieben

Alexandra Görner

Kein Moment zum Verlieben

Roman

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuli 2019 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-432-9

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Leseprobe: Verliebt und zugeschneit

Empfehlungen

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Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

Cole

Manche Menschen behaupten, wenn man kurz davor ist zu sterben, sieht man sein Leben noch einmal wie in einem Film vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen. Bei mir war das anders. Als ich zu Boden fiel, verschwendete ich keinen Gedanken an meine Vergangenheit. Ich bereute weder Fehler noch getroffene Entscheidungen. Denn ich konnte die Zeit nicht zurückdrehen, und daher lohnte es nicht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Was mir wirklich Sorgen bereitete, war eher die Zukunft. Falls ich überhaupt eine haben sollte. Im Moment sah es ganz und gar nicht danach aus.

Aber eine Sache gab es dann doch, die ich von Herzen bedauerte, nämlich, dass ich es zeit meines Lebens nicht geschafft hatte, ein guter Vater für meine Tochter Roxy zu sein. Das war wirklich das Einzige, das mir unendlich leidtat. Allem Anschein nach würde ich gleich vor meinen Schöpfer treten, und ich hatte nicht besonders viel Gutes vorzuweisen, was ich der Welt hinterlassen würde. Den meisten Menschen, denen ich in meinem bisherigen Leben begegnet war, hatte ich nichts außer Kummer und Sorgen bereitet.

In den letzten fünf Jahren hatte ich eine Menge Jobs angenommen, um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auf einer Bohrinsel mitten im tosenden Atlantik zu arbeiten, war mir gefährlicher erschienen als in London mit meinen Kollegen auf einem Gerüst zu stehen, um die verspiegelten Fenster in ein neu gebautes Hochhaus einzusetzen. Zumindest bis gerade eben und diesem ohrenbetäubenden Knall, als Gott weiß was explodierte und der Boden unter mir schwankte, das Gerüst, auf dem ich stand, schließlich wegsackte und ich den Halt unter den Füßen verlor. Ich wurde meterweit durch die Luft geschleudert und stürzte dann einfach in die Tiefe.

Lana

Der Knall war so furchtbar laut, dass ich für ein paar Sekunden wie erstarrt war, bevor sich die Schockstarre auflöste und ich mich panisch umsah. Londons Bürgersteige waren wie jeden Morgen voller Menschen. Autos, die sich hupend durch die verstopften Straßen schoben. Passanten, die zur Arbeit eilten, zum Einkaufen gingen oder sonstigen Aktivitäten nachgingen, bevölkerten die Gehwege. Ich selbst war gerade die Stufen der U-Bahn-Station nach oben gestiegen, die Aprilsonne schien mir warm ins Gesicht, und während ich lächelte und mich einfach auf den heutigen Tag freute, war da dieser schrecklich laute Knall gewesen. Ich spürte, wie der Boden unter meinen Füßen zitterte, und dann folgte ich einfach meinem Instinkt, wie so ziemlich alle Menschen, die gerade unterwegs waren. Ich warf mich schreiend auf den Boden. Mein Becher Kaffee to go, den ich mir vorhin auf dem Weg zur Arbeit gekauft hatte, rutschte mir aus der Hand, und der Kaffee spritzte beim Aufprall auf den Asphalt gegen meine Beine. Für einen Moment fühlte ich die heiße Flüssigkeit durch meine Strumpfhose hindurch. Ich kümmerte mich aber nicht weiter um den Schmerz, auch nicht darum, dass ich mir mit Sicherheit gerade meine Knie auf der Straße aufgeschlagen hatte. Ich lag einfach nur da, zitterte vor Angst am ganzen Körper und hielt mir schützend die Hände über den Kopf. Ich wusste nicht, was die Explosion gerade eben ausgelöst hatte oder was eigentlich genau passiert war, aber unweigerlich kamen mir die Bombenanschläge aus dem Jahr 2005 in den Sinn. Die Menschen um mich herum schrien und kreischten panisch. Ein schreckliches Durcheinander war losgebrochen, und ich schaute vorsichtig unter meinen Händen hervor. Die Straße war mit Trümmerteilen übersät. Alles war voller Staub, Schutt und Glassplittern. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, und mein Herz klopfte mir heftig gegen die Rippen. Dann folgte ich meinem zweiten Impuls. Ich rappelte mich auf, und dann sprintete ich einfach los und versuchte mich irgendwo in Sicherheit zu bringen. Während ich rannte, wich ich, so gut es ging, Trümmerteilen aus, trotzdem strauchelte ich zweimal und wäre um Haaresbreite hingefallen, aber jedes Mal schaffte ich es, mich auf den Beinen zu halten. Getrieben von der Angst, dass gleich eine weitere Explosion folgen könnte, rannte ich weiter, so lange, bis ich über etwas fiel, beziehungsweise jemanden.

Mit meinem rechten Arm schlug ich ungebremst auf der Straße auf, während der Rest meines Körpers auf einem Fremden zum Liegen kam. Während ich vor Schmerz einen Schrei ausstieß, gab er keinen Mucks von sich. Ich kämpfte das Bedürfnis, meine Flucht fortzusetzen, nieder. Stattdessen kniete ich mich heftig atmend neben ihm auf die Straße und versuchte, meine eigenen Schmerzen zu ignorieren und mich an den Erste-Hilfe-Kurs zu erinnern, den ich vor einer gefühlten Ewigkeit einmal besucht hatte. Aber mir wollte einfach nichts einfallen. Mein Kopf war wie leer gefegt. Der Mann war schmutzig, sein Körper, seine Kleidung, sein Gesicht, einfach alles war mit einer Staubschicht bedeckt. Er war so verdreckt, dass ich nicht einmal hätte sagen können, welche Haarfarbe er hatte. Mit heftig klopfendem Herzen checkte ich seine Atmung. Hoffentlich war er nicht tot, dachte ich angstvoll. Als ich den schwachen Puls an seinem Hals fühlte, stieß ich erleichtert die Luft aus. Seine Augen waren zwar geschlossen. Aber er lebte, allerdings schien er auch schlimm verletzt zu sein. Aus einer Kopfwunde sickerte Blut. Ein dunkles Rinnsal in der grauen Staubschicht. Einer seiner Hemdsärmel war zerfetzt, und ich erkannte eine Schnittwunde, aus der ebenfalls Blut sickerte. Sie schien mir ziemlich tief zu sein. Seine Fingerknöchel waren aufgeschürft, seine Jeans wiesen einen langen, längs über seinen Oberschenkel verlaufenden Riss auf. Sein anderes Bein stand in einem unnatürlichen Winkel ab. Mir wurde ganz anders zumute. Ich überlegte, was ich tun könnte, und blickte Hilfe suchend auf. Das Chaos war nicht abgeebbt. Aber mittlerweile heulten die Sirenen der Kranken- und Polizeiwagen. Ich erblickte bereits Notärzte und Sanitäter, die alle Hände voll zu tun hatten, und wusste, dass der Mann sofort ärztliche Hilfe benötigte. Gerade, als ich aufstehen und ihm diese Hilfe besorgen wollte, hielt er mich am Arm fest. Ich zuckte erschrocken zusammen, sah auf ihn hinab und blickte einen Moment später in die blauesten Augen, die ich jemals gesehen hatte.

Seine Lider flatterten, als er mit rauer, trockener Stimme hervorstieß: »Bin ich tot?«

Angesichts der Erleichterung, die ich über sein Aufwachen empfand, schossen mir sogar die Tränen in die Augen. Ich schüttelte schniefend den Kopf. »Nein, sind Sie nicht. Sie leben. Aber ich glaube, Sie sind schwer verletzt. Ich hole Hilfe. Ich bin gleich wieder da.«

Er brachte ein schwaches Nicken zustande. »Danke«, wisperte er, und dann fügte er leise hinzu: »Ich gehe nicht weg.«

Nur ungern ließ ich den Fremden allein auf der Straße liegen. Aber ich musste es tun, um Hilfe zu holen. Es dauerte viel zu lange, bis ich mit einem Sanitäter im Schlepptau zurückkam. Der Fremde hatte seine Augen wieder geschlossen, und ich befürchtete schon das Schlimmste. Aber dann öffnete er sie wieder, und der Sanitäter begann sofort mit der Erstversorgung. Das Einzige, das mich daran hinderte zusammenzubrechen, war das Adrenalin, das in meinem Körper pulsierte. Gleich darauf kamen zwei weitere Helfer dazu, und schließlich hievten sie den Fremden auf eine Trage. Während sie den Mann zu einem Krankenwagen schleppten, der in einiger Entfernung quer auf der Straße geparkt war, sagte der Sanitäter zu mir: »Kommen Sie mit. Sie brauchen ebenfalls einen Arzt.« Mit einem hastigen Nicken deutete er auf die Wunde, die unter meinen zerrissenen Jackenärmel zum Vorschein kam, und meine aufgeschürften Knie. Aber meine Verletzungen kamen mir so banal vor, dass ich den Kopf schüttelte.

»Ich komme schon klar«, behauptete ich und blieb einfach auf der Straße stehen, während er ein gemurmeltes »Wenn Sie meinen« von sich gab und bereits zum nächsten Verletzten eilte.

Es gab so viele, die Hilfe brauchten. Meine Knie zitterten, als der Krankenwagen mit dem Fremden darin abfuhr. Ich ging ein paar Schritte, blieb dann aber stehen und ließ mich kurzerhand auf den Bürgersteig sinken. Niemand schien von mir Notiz zu nehmen. Erleichtert begriff ich, dass eine zweite Explosion bis jetzt ausgeblieben war. Ich atmete tief durch und besah dann meinen Arm. Erst jetzt nahm ich den Schmerz bewusst wahr. Das Blut ließ den Jackenstoff an meiner Haut kleben. Während ich mir meine Verletzung näher ansah, spürte ich, wie mir plötzlich schwarz vor Augen wurde, und der letzte Gedanke, der in mein Bewusstsein drang, war der, dass ich doch hätte Hilfe annehmen sollen.

»In ein paar Tagen werden Sie von der Verletzung nichts mehr spüren«, sagte Donna, eine wirklich nette Krankenschwester, zu mir, als sie meine Wunde am Arm versorgte.

Auf dem Bürgersteig war ich ohnmächtig geworden und erst im Krankenhaus wieder aufgewacht. Mittlerweile ging es mir allerdings schon besser. Donna richtete sich auf, als sie fertig war, und packte dann das nicht benötigte Verbandsmaterial zusammen. Den Rest entsorgte sie im Müll.

»Hatten Sie schon Gelegenheit, die Nachrichten zu verfolgen?«, fragte sie, und ich schüttelte den Kopf.

»Nein, leider nicht. Ist denn schon bekannt, was der Grund für die Explosion war?«

»Vorhin wurde in den Nachrichten gemeldet, dass es allen Spekulationen zum Trotz wohl kein Anschlag war. Wenn man den neuesten Mutmaßungen Glauben schenken will, hat es sich um eine Gasexplosion gehandelt.«

Überrascht blickte ich Donna an. Mir erschienen die Vorkommnisse des heutigen Morgens noch immer unwirklich.

»Eine Gasexplosion! Wie konnte das nur passieren?«, fragte ich und erwartete im Grunde gar keine Antwort. Ich hatte einfach nur laut gedacht.

Schulterzuckend erwiderte Donna: »Laut BBC soll das im Moment unklar sein. Die Behörden scheinen völlig im Dunkeln zu tappen, und die Ermittlungen laufen gerade erst an.« Dann fügte sie hinzu: »Ich denke, bis genauere Erklärungen vorliegen, werden vielleicht einige Tage oder sogar Wochen vergehen.«

»Ja, bestimmt«, erwiderte ich gedehnt und blickte nachdenklich auf meinen Verband.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte Donna, der mein sorgenvoller Blick anscheinend nicht entgangen war.

Ich zögerte zu fragen, aber dann tat ich es doch.

»Ich suche jemanden, und ich dachte, dass er vielleicht in dieses Krankenhaus gebracht worden sein könnte«, begann ich. Donna schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Wie heißt denn dieser Jemand?«

Meine Wangen färbten sich rot, und ich kam mir wirklich albern vor. Aber aus irgendeinem Grund bekam ich den Fremden nicht aus dem Kopf. Seit er weggebracht worden war, musste ich an ihn denken.

»Genau darin liegt mein Problem. Seinen Namen kenne ich leider nicht. Das Einzige, das ich über ihn weiß, ist, dass er bei der Explosion schwer verletzt wurde und man ihn in ein Krankenhaus gebracht hat.«

Ich zuckte kurz mit den Schultern, dann fügte ich hinzu: »Ich weiß ja nicht mal, ob er überhaupt in dieser Klinik ist. Er könnte auch in einer anderen sein.« Ich spürte Donnas fragende Blicke auf mir und wurde verlegen. »Ich hätte einfach gerne gewusst, ob er okay ist«, erklärte ich, und Donna lächelte verständnisvoll.

»Tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen nicht helfen kann. Aber wenn Sie eine Beschreibung des Mannes für mich hätten, könnte ich mich auf der Station umhören.«

Seine Augen waren blau, und sein Blick nahm einen sofort gefangen, dachte ich. Aber das konnte ich Donna natürlich nicht sagen. Schließlich wollte ich nicht, dass sie mich für vollkommen verrückt hielt.

»Danke für das Angebot. Aber lassen Sie nur. Am besten, Sie vergessen meine Frage einfach.«

Donna nickte. »Wie Sie wollen. Ich muss leider weiter. Die nächsten Patienten warten auf mich. Alles Gute für Sie.«

»Danke«, erwiderte ich, und nach einem aufmunternden Lächeln ließ sie mich allein.

Kapitel 2

Cole

»Wie geht es Ihnen, Mr Knox?«

Dr. Benson, mein behandelnder Arzt, schaute mich abwartend an, während eine Krankenschwester mein Krankenblatt studierte.

»Als wäre ich heute früh von einem meterhohen Gerüst gefallen«, erwiderte ich mit schwacher Stimme.

Beide verzogen ihre Lippen zu einem kurzen Lächeln.

»Freut mich, dass Sie schon wieder Witze machen können. Ich deute das als gutes Zeichen. Wissen Sie eigentlich, welch großes Glück Sie heute Morgen hatten?«, fragte er.

»Denke schon«, gab ich knapp zurück.

»Das Sie noch am Leben sind und keine noch schwerwiegenderen Verletzungen erlitten haben, grenzt an ein Wunder. Wenn Sie mich fragen, ich denke, Gott hat seine schützende Hand über Sie gehalten.«

Ich schnaubte und schüttelte leicht den Kopf.

Gott? Gewiss nicht, dachte ich. Alle, die mich kannten, würden behaupten, dass es mit Sicherheit nicht Gott gewesen war, der es heute gut mit mir gemeint hatte, sondern wohl eher der Teufel.

»Wann kann ich das Krankenhaus verlassen?«, wollte ich wissen, obwohl ich mich schlicht und einfach miserabel fühlte. Jeder Knochen in meinem Körper schmerzte.

Dr. Benson lächelte gutmütig. »Ich sagte lediglich, dass Sie unter den gegebenen Umständen keine ernsthaften Verletzungen erlitten haben. Nicht, dass Sie hier herausspazieren können, weil Sie wieder kerngesund sind. Mr Knox, nur zur Erinnerung: Sie haben eine Gehirnerschütterung erlitten, Prellungen, und ein paar Ihrer Rippen sind angebrochen, Ihr linkes Bein hatte einen offenen Bruch, den wir im OP richten mussten, um Ihnen nur einige der Verletzungen ins Gedächtnis zu rufen. Ich würde Sie also gerne noch ein paar Tage hierbehalten. Wenn Sie allerdings wirklich gehen wollen, dann nur auf Ihre eigene Verantwortung. Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Ich kann Sie nicht zwingen zu bleiben.«

Er deutete mit einem leichten Nicken auf die Krankenschwester, die neben ihm stand und mich nun ebenfalls abwartend anschaute. »Donna kann Ihre Entlassungspapiere fertig machen. Aber wie gesagt, ich rate Ihnen dringend davon ab.« Er musterte mich mit einem prüfenden Blick, dann sagte er: »Ich werde später noch einmal nach Ihnen sehen und hoffe natürlich, dass ich Sie dann noch antreffen werde.« Während er nach einer kurzen Verabschiedung mein Zimmer verließ, hängte Donna mein Krankenblatt zurück an das Bettgestell.

»Dr. Benson weiß, was er tut. Sie können ihm vertrauen«, erklärte sie, während ich mich vorbeugen musste, damit sie mein Kissen aufschütteln konnte. Stöhnend lehnte ich mich wieder nach hinten, als sie damit fertig war.

»Wenn Sie es sagen«, erwiderte ich kurz angebunden und stöhnte leise vor Schmerzen.

»Ich bringe Ihnen gleich noch ein Schmerzmittel. Das wird Ihnen helfen.« Gerade als ich etwas erwidern wollte, meinte sie: »Und sagen Sie jetzt bitte nicht, dass Sie es nicht haben wollen. Vor mir müssen Sie nicht den Helden spielen. Ich sehe doch, dass Sie leiden.«

Sie verschwand schließlich mit einem kurzen Lächeln, und ich versuchte mich zu entspannen, was angesichts meiner jetzigen Situation schier unmöglich schien. Oh, Mann, ich hasste es, hier im Bett zu liegen und mich kaum bewegen zu können. Aber letztendlich sah ich ein, dass Dr. Benson recht hatte. Im Krankenhaus war ich momentan am besten aufgehoben. Also blieb ich hier, auch wenn ich meine Entlassung gar nicht erwarten konnte.

»Was hast du jetzt vor?«, fragte Jimmy Donelly, als er zwei Tage später mein Krankenzimmer betrat und sich langsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einen Stuhl, der vor meinem Bett stand, sinken ließ. Zischend stieß er die Luft aus und schloss für einen kurzen Moment die Augen.

»Geht’s wieder?«, fragte ich, und Jimmy nickte, während er die Augen öffnete.

Donelly war ein Glückpilz wie ich gewesen und hatte die Explosion überlebt. Vier unserer Kollegen hatten weniger Glück gehabt.

Ich biss die Zähne zusammen, als ich mir meinen Pullover überzog. Die Jeans anzuziehen, war schmerzhaft gewesen, aber immerhin besser als in diesem dünnen Krankenhausnachthemd herumzulaufen, das im Nacken zugebunden wurde und dabei meinen Allerwertesten entblößte.

Als ich fertig war, ließ ich mich wieder auf mein Bett sinken und atmete für ein paar Augenblicke tief durch. Dann ebbte der Schmerz langsam ab, und ich konnte wieder klar denken.

Nachdenklich warf ich einen Blick aus dem Fenster. Es gab niemanden, der auf mich wartete, und keinen, der in den letzten Tagen zu Besuch ins Krankenhaus gekommen wäre, um mich zu sehen. Ich hatte keinen Notfallkontakt, und wenn ich das Zeitliche gesegnet hätte, hätte es mit Sicherheit keinen auch nur die Bohne interessiert. Da machte ich mir nichts vor. Mir kam die Frau in den Sinn, deren Gesicht plötzlich vor mir aufgetaucht war, als ich verletzt auf der Straße gelegen hatte. In all dem Staub, Schmutz und Chaos hatte sie wie ein Engel ausgesehen. Die Sonne hatte ihre braunen gelockten Haare leuchten lassen, und ich hatte die Erleichterung in ihrem Blick gesehen, als sie das erste Mal meine Stimme gehört hatte. Sie schien wirklich froh darüber gewesen zu sein, dass ich noch atmete. Und das, obwohl sie mich gar nicht kannte.

Mir fiel ein, was Dr. Benson über meine Verletzungen gesagt hatte. An Wunder glaubte ich nicht. Aber es schien, als könnte dieses Ereignis den Anstoß geben, endlich etwas an meinem Vagabundendasein zu ändern. Ich besann mich wieder auf Jimmys Frage. Und die Antwort, die eben noch schwierig schien, kam mir jetzt ganz leicht vor. Und dann erwiderte ich schlicht und einfach: »Ich glaube, es ist an der Zeit, meine Zelte in London abzubrechen und nach Hause zu fahren.«

Obwohl ich mir nicht sicher war, wo sich dieses Zuhause eigentlich befand. Mein kleines Apartment in London betrachtete ich jedenfalls nicht als solches. So viel stand schon mal fest.

Die dreckige Mietwohnung in Wadebridge, in der ich aufgewachsen war, war lange das einzige Zuhause, das ich kannte. Auch wenn dieses Zuhause eher einem Loch in einer Wand glich anstatt einer Wohnung. Und dann gab es noch das kleine Cottage weit weg von Wadebridge, dass ich mir gemeinsam mit Cherry, meiner Ex-Frau, gemietet hatte und in dem ich die bisher besten und glücklichsten Jahre meines Lebens verbracht hatte. Denn dort hatten wir gemeinsam unsere kleine Tochter aufgezogen. Zumindest bis zu ihrem fünften Geburtstag. Roxy war wahrlich das einzig Gute, das ich jemals hinbekommen hatte. Doch dann war auch dieses Leben vorbei gewesen, und nach der Trennung von Cherry hatte ich es nicht einmal hinbekommen, den Kontakt zu meiner Ex-Frau, geschweige denn zu meiner Tochter, aufrechtzuerhalten.

Im Moment wusste ich nicht, wo ich hingehörte, aber dass ich dem Tod um Haaresbreite von der Schippe gesprungen war, hatte mir doch sehr zu denken gegeben, und mir war klar geworden, dass ich mein Leben ändern wollte. Es einfach musste. Nach der langen Zeit des Umherreisens wünschte ich mir, wieder einen Ort zu finden, an dem ich mich zu Hause fühlte. Wo immer das auch sein würde, und noch etwas wollte ich unbedingt. Ich sehnte mich danach, meine Tochter wiederzusehen.

Eine Woche später wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Wieder zu Hause, packte ich meine Sachen zusammen, kündigte meine Wohnung, regelte meine Angelegenheiten und machte mich auf den Weg nach Manchester, denn dort lebte Cherry mit Roxy seit einiger Zeit.

Als Cherry ein paar Tage später die Tür ihres Apartments in Manchester aufriss und ich ihr, auf ihrer Türschwelle stehend, entgegenblickte, fielen ihr fast die Augen aus dem Kopf.

Sie schnappte hörbar nach Luft, wie ein Fisch auf dem Trockenen, und ihre Wangen färbten sich rot.

»Was willst du hier?«, zischte sie und schien nicht gerade glücklich über mein Auftauchen zu sein. Aus der Wohnung drangen die Geräusche des Fernsehers, und automatisch versuchte ich einen Blick ins Innere der Wohnung zu erhaschen. Aber Cherry zog die Tür ein Stück zu und versperrte mir damit jegliche Sicht. Automatisch wich ich einen Schritt zurück und schaute sie ernst an.

»Das weißt du doch.«

Cherry blickte angespannt drein, sagte aber nichts, daher fügte ich hinzu: »Ich möchte einfach nur Roxy sehen.«

Ihre Miene blieb hart, während sie die Arme vor der Brust verschränkte und schließlich den Kopf schüttelte. »Das halte ich für keine gute Idee. Du solltest gehen.«

Aber ich hatte nicht vor einfach aufzugeben.

Ich atmete tief durch, dann bat ich: »Bitte, nur ganz kurz. Ich will meine Tochter doch nur einmal sehen. Seit ich sie das letzte Mal zu Gesicht bekommen habe ist so viel Zeit vergangen.«

Cherry schnaubte. »Glaubst du, das weiß ich nicht? Zehn Jahre, Cole. Zehn Jahre hast du dich nicht blicken lassen. Und jetzt kreuzt du hier auf und denkst, dass du uns mit deiner Anwesenheit einfach überfallen kannst. Wer sagt denn, dass sie dich sehen will? Und selbst wenn, Roxy ist sowieso nicht zu Hause.«

Ich glaubte ihr nicht. Denn es standen mehrere Paar Schuhe vor der Tür, die eindeutig einem fünfzehnjährigen Mädchen gehören könnten. Ich vermutete, dass Roxy sehr wohl zu Hause war. Aber was sollte ich tun? Cherry der Lüge bezichtigen? Das würde sie nur noch wütender machen.

»Wie hätte ich euch auch besuchen sollen? Schließlich habe ich fünf Jahre im Gefängnis gesessen. Nur für den Fall, dass du dich nicht mehr daran erinnern solltest.«

Cherry schnaubte. »Keine Sorge, das habe ich bestimmt nicht vergessen. Allerdings fehlen dann immer noch weitere fünf Jahre«, warf sie mir vor.

Obwohl sie doch diejenige war, die mich nicht in Roxys Leben haben wollte. Daran schien sich bis heute nichts geändert zu haben. Ich konnte es Cherry ja nicht mal verdenken. Ich an ihrer Stelle hätte es vielleicht sogar genauso gemacht.

»Hast du Roxy wenigstens die Briefe gegeben, die ich geschrieben habe?«

Seit unserer Trennung schrieb ich Roxy jeden Monat einen Brief. Mittlerweile musste eine ganze Menge zusammengekommen sein. Cherrys Wangen färbten sich rosa, und ich wusste, dass meine Tochter keinen einzigen meiner Briefe zu Gesicht bekommen hatte.

»Hat sie denn nie nach mir gefragt? Ich bin schließlich ihr Vater«, wollte ich wissen und hatte dabei das Gefühl, dass mir jemand die Luft abschnürte.

»Doch, schon«, gab Cherry ausweichend zurück und fügte dann hinzu: »Aber du bist nicht mehr ihr Vater. Lediglich ihr Erzeuger und spielst in ihrem Leben keine Rolle.« Diese Worte zu hören war hart. Sie brachten mich beinahe um. Dafür brauchte es also keine Explosion und den Sturz von einem Gerüst, sondern nur eine Unterhaltung mit meiner Ex-Frau.

»Ich habe ein Recht darauf, Roxy zu sehen«, beharrte ich.

Cherry lachte freudlos auf. »Was willst du tun, Cole? Uns vor Gericht zerren und um Roxy kämpfen? Nach zehn Jahren Abwesenheit? Ich bitte dich!«

Zugegeben, ich hatte es in Erwägung gezogen. Den Gedanken aber dann wieder verworfen.

Bevor ich etwas erwidern konnte, fügte Cherry hinzu: »Denk noch nicht einmal daran, das zu tun«, warnte sie mich. »Erspare Roxy diesen Kummer, die Demütigung, vor Gericht Stellung zwischen uns beiden zu beziehen. Es wäre ja doch umsonst, oder glaubst du wirklich, dass es in England einen einzigen Richter gäbe, der dir das Sorgerecht zusprechen würde. Nein, Cole, diese Chance hast du vertan, als du kriminell geworden bist und dafür ins Gefängnis gehen musstest.«

Mühsam kämpfte ich meinen Zorn nieder. Und schaffte es nur aus einem Grund. Weil ich wusste, dass Cherry mit ihren Vorwürfen recht hatte.

Trotzdem konnte ich mir nicht verkneifen zu sagen: »Du hast von meinen kriminellen Geschäften gewusst und hast damals gut von meinem Geld gelebt, das ich damit verdient habe. Und heute tust du es auch noch.«

Cherry schnappte nach Luft. »Das stimmt nicht. Den Unterhalt bezahlst du für Roxy, nicht für mich. Dein Geld ist wahrlich das Letzte, was ich will, und jetzt geh endlich, und lass dich nie wieder hier blicken.«

Cherry wollte die Tür zuknallen, aber ich hielt sie mit meiner Hand offen.

»Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt?«, giftete sie. Ich war wütend, aber es war nicht hilfreich, diesem Zorn nachzugeben. Damit würde ich bei Cherry nichts erreichen. Außerdem fand ich, dass es schon genug böses Blut zwischen uns gegeben hatte. Ich wollte nicht mehr streiten. Davon hatte ich einfach die Nase voll.

»Würdest du Roxy bitte ausrichten, dass ich hier war«, bat ich und fügte dann hinzu: »Sie soll nur wissen, dass ich sie nicht vergessen habe und an sie denke.«

Cherry sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, und ich fügte sicherheitshalber ein eindringliches »Bitte« hinzu.

Die Sekunden zogen sich endlos dahin, während ich darauf wartete, was Cherry antworten würde.

Sie seufzte lautstark auf, und dann schüttelte sie trotzdem den Kopf. »Das werde ich nicht tun. Wir haben uns ein Leben ohne dich aufgebaut, und ich finde, dass es ein wirklich gutes Leben ist. Das lasse ich mir von dir nicht kaputt machen. Halte dich von uns fern, Cole«, riet sie mir abschließend, und dann startete sie einen neuen Versuch, die Tür zu schließen.

Diesmal hielt ich Cherry nicht auf. Stattdessen drehte ich mich um, marschierte zu meinem Auto, stieg ein und fuhr los.

»Also, wie finden Sie es?«

Allison Barnes, eine Immobilienmaklerin, schaute mich gespannt an.

Wie ich es fand? Das Haus war eine heruntergekommene Bruchbude, sonst nichts. Und um die ehemalige Autowerkstatt, die ans Haus angrenzte, stand es nicht viel besser.

Ohne ihr zu antworten machte ich kehrt und marschierte durch die marode Tür nach draußen. Auf der Veranda blieb ich stehen und genoss für einen Moment die Aussicht. Die Lage des Hauses war allerdings einmalig. Ein richtiger Traum. Der Blick auf den glitzernden Ozean und Port Isaac entschädigte wirklich eine Menge. Aber mal im Ernst, nur jemand, der entweder völlig verrückt oder komplett verzweifelt war, würde dieses Haus kaufen.

»Warum steht das Haus schon so lange zum Verkauf?«, fragte ich mit einer Spur gesundem Misstrauen.

Es war schon seltsam, dass in einer Gegend wie Port Isaac eine Immobilie in dieser Lage so lange auf dem Markt war. Auch wenn sie so baufällig war wie diese hier.

»Ich will Sie nicht belügen, Mr Knox. Das wäre zum einen unprofessionell, und zum anderen entspricht das nicht unserer Firmenphilosophie. Das Haus liegt zu weit außerhalb und ist somit gerade für ältere Menschen unattraktiv, und die Jüngeren haben leider kein Interesse, in einer Kleinstadt wie Port Isaac zu bleiben und sich hier ein Leben aufzubauen. Die jungen Menschen zieht es dann doch eher in die Großstädte«, erklärte sie. In meinen Ohren klang das ziemlich einleuchtend.

»Mir gefällt die Einsamkeit«, sagte ich, und Mrs Barnes´ Gesicht hellte sich augenblicklich auf. Sie witterte ihre Provision. Denn egal, wie freundlich sie sich gab, aus Nächstenliebe machte sie diesen Job sicher nicht.

»Sonst noch etwas, das Sie mir verschweigen?«, fragte ich, und Mrs Barnes schüttelte den Kopf.

»Nein, ich habe Ihnen alles erzählt. Haben Sie Interesse an dem Haus?«, bohrte sie nach. Sie hatte sicher längst bemerkt, dass sie mich an der Angel hatte. Aber so leicht wollte ich es ihr nicht machen.

»Sie müssen mit dem Preis runtergehen«, erklärte ich, und Mrs Barnes schüttelte aus einem ersten Impuls heraus sofort den Kopf.

»Tut mir leid, aber das kann ich nicht. Der Preis ist nicht verhandelbar.«

Ich starrte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Im Ernst? Das Haus ist in einem derart schlechten Zustand, dass ich noch eine Menge Arbeit und noch mehr Geld hineinstecken müsste, sollte ich wirklich so wahnsinnig sein und es kaufen. Und das werde ich nur, wenn Sie mir ein bisschen entgegenkommen.«

Sie seufzte leise auf, und ich merkte, wie ihr Wille schwand. Im Grunde wollte sie sicher nur eines, die Bruchbude endlich loswerden. Ich wette, so nah an einem Verkauf wie gerade eben war sie sehr lange nicht gewesen.

»Also, was sagen Sie zu meinem Vorschlag?«

»Sie bringen mich wirklich in eine Zwickmühle«, sagte sie ausweichend, und dann fügte sie hinzu: »Na gut. Eventuell könnten wir Ihnen 5 Prozent vom Kaufpreis erlassen. Aber das muss ich vorher mit meinem Teilhaber besprechen«, erklärte sie, und ich zuckte mit den Schultern.

»Dann tun Sie das«, willigte ich ein, und Mrs Barnes nickte.

»Ich mache schnell einen Anruf, und dann unterhalten wir uns weiter«, sagte sie, kramte in ihrer überdimensionalen Handtasche und holte ihr Handy hervor.

»Bin gleich wieder da«, erklärte sie, während sie sich das Telefon bereits ans Ohr drückte.

Ich betrachtete das Haus. Es gab eine Menge zu tun. Neue Fenster, neue Fassade, neue Elektrizität, neue Böden, neue Heizungs- und Sanitäranlagen, und das war sicher nur der Anfang. Aber trotz alledem wollte ich es unbedingt haben. Vielleicht, weil es ganz und gar nicht perfekt war, so wie ich, und weil es sonst niemand haben wollte. Was irgendwie auch wieder auf mich zutraf.

Ich blickte Mrs Barnes entgegen, als sie auf mich zukam und dabei ihr Telefon zurück in ihre Tasche gleiten ließ.

»Mein Teilhaber ist einverstanden«, erklärte sie knapp. »5 Prozent Nachlass auf den Kaufpreis«, fügte sie hinzu.

Ich nickte und streckte ihr meine Hand entgegen. »Gekauft«, sagte ich, und Mrs Barnes strahlte von einem Ohr zum anderen.

»Sie werden es bestimmt nicht bereuen«, erklärte sie übermütig, und ich hoffte, sie würde recht behalten. Sicher war ich mir allerdings nicht. Doch das tat der Freude, endlich etwas Eigenes zu besitzen, keinen Abbruch.

Kapitel 3

Zwei Monate später

Lana

Gedankenversunken hockte ich an meinem Schreibtisch im Büro und starrte auf mein Tablet. Ich schaute mir Videos vom Tag der Explosion an, die im Internet kursierten. Zwei Monate waren seitdem verstrichen, und doch konnte ich nicht aufhören, nach ihm zu suchen. Es war seltsam, aber ich bekam den Fremden, über den ich buchstäblich gestolpert war, einfach nicht aus dem Kopf. Also suchte ich weiter nach ihm. Immer in der Hoffnung, sein Gesicht zufällig in einem der Videos zu erkennen. Bis jetzt hatte ich natürlich kein Glück gehabt, und selbst wenn er plötzlich in einem der Filme auftauchen sollte, was brachte es schon, dachte ich resigniert. Schließlich würde ich auf diese Weise seinen Namen trotzdem nicht erfahren, überlegte ich und rieb mir müde mit den Händen über die Augen. Ich sollte diese unsinnige Suche lieber aufgeben, dachte ich gerade, als mich die Stimme meiner Chefin aus meinen Gedanken riss.

»Hast du die Akte schon bearbeitet, die ich dir vorhin gegeben habe?«

Ich sah hoch, und Melissa musterte mich mit fragendem Blick. Mit einem knappen Nicken deutete sie auf mein Tablet.

»Ich kann nur hoffen, dass du dein Tablet für die Arbeit nutzt und nicht für private Angelegenheiten.«

Hitze kroch in meine Wangen, und mein Gesicht färbte sich rot. Melissa hatte mich sozusagen auf frischer Tat ertappt. Schnell beeilte ich mich zu nicken und schob mein Tablet hastig in meine Handtasche, die vor mir auf dem Tisch lag.

»Ja, klar«, stammelte ich. »Ich habe nur …«

Bevor ich Melissa eine fadenscheinige Ausrede auftischen konnte, hob sie die Hand, und ich verstummte augenblicklich.

»Verschone mich bitte mit Ausflüchten. Du weißt genau, was ich davon halte, während der Arbeitszeit private Angelegenheiten zu erledigen. Du wirst diese Dinge in Zukunft in deiner Pause oder außerhalb deines Dienstes klären. Ich hoffe, wir verstehen uns.«

Mit knallroten Wagen nickte ich. »Ja, verstanden. Kommt nicht wieder vor«, gab ich kleinlaut zurück und wünschte mir sehnlichst ein schwarzes Loch herbei, das mich verschlucken würde.

Melissa hingegen nickte zufrieden. »Schön, dass wir uns diesbezüglich einig sind. Also, wie sieht es aus? Bist du mit der Akte durch?«

Um ehrlich zu sein, hatte ich noch nicht einmal angefangen. Aber das brauchte Melissa ja nicht unbedingt zu erfahren.

»So gut wie«, flunkerte ich und hoffte inständig, dass Melissa meine Lüge nicht durchschauen würde.

Während sich Melissa auf der Kante meines Schreibtisches niederließ, wechselte ich das Thema und fragte: »Gibt es eigentlich Neuigkeiten zu unserem Bauantrag?«

Melissas Blick verfinsterte sich augenblicklich. »Ja, leider. Der Bescheid ist gestern reingekommen. Die zuständige Behörde hat unseren Antrag leider abgelehnt.«

Ich stieß einen leisen Fluch aus. »Das darf doch nicht wahr sein«, schimpfte ich. »Die Steuergelder werden in diesem Land regelrecht verschleudert, aber für Dinge, die wirklich wichtig sind, soll kein Geld da sein? Das kann ich einfach nicht glauben«, ereiferte ich mich und geriet richtig in Rage.

Melissa nickte zustimmend. Und das war schon etwas Besonderes. Seit knapp acht Jahren war sie meine Chefin. Gleicher Meinung waren wir allerdings nicht immer. Während sich Melissa stets an Regeln und Vorschriften hielt, hörte ich eher auf mein Bauchgefühl. Allerdings musste ich zugeben, dass ich dadurch hin und wieder auch in Schwierigkeiten geriet.

»Du hast recht. Das ist wirklich eine Schweinerei. Wir wissen nicht mehr, wo wir die Frauen, die bei uns Schutz suchen, unterbringen sollen, und trotzdem will uns keiner helfen. Es ist frustrierend.«

Melissa klang resigniert, und auch das war eine Premiere. Sie arbeitete seit nunmehr über dreißig Jahre in diesem Frauenhaus in North Kensington, und normalerweise war Melissa die Sorte Mensch, die sogar mit den widrigsten Umständen zurechtkam und immer das Gute in jeder Situation sah. Aber heute wirkte sie müde und abgekämpft.

Mein Job als Sozialarbeiterin hatte mir seit jeher großen Spaß gemacht. Aber selbst ich musste zugeben, dass ich an manchen Tagen genauso ausgebrannt war.

Ich hatte keine Ahnung, wie viele Frauen ich in den letzten Jahren betreut hatte. Aber so viel stand fest, es waren eine ganze Menge gewesen.

»Tut mir leid, wenn ich euch unterbrechen muss«, sagte Maja, eine Kollegin, während sie ihren Kopf zu unserer Bürotür hereinstreckte. »Wir haben gerade einen Neuzugang bekommen.«

Melissa und ich tauschten einen kurzen Blick, dann eilten wir fast zeitgleich aus unserem Büro hinaus in den Flur und liefen die Treppe hinunter.

Die Frau stand noch immer auf der Türschwelle und blickte sich unsicher um. Ohne zu zögern ging ich ihr entgegen.

»Kommen Sie rein«, forderte ich sie mit sanfter Stimme auf. Sie wirkte durcheinander, und ich wollte sie nicht verschrecken. In ihren zitternden Händen hielt sie lediglich eine Plastiktüte. Unschlüssig blickte sie sich nach dem Taxi um, das gerade aus unserer Einfahrt rollte.

Behutsam griff ich nach ihrer Hand und versuchte vorsichtig, sie nach drinnen zu ziehen. Sie riss ihren Blick von dem Taxi los und schaute mir schließlich in die Augen. Sie sah mitgenommen aus, und es war ihr eindeutig anzusehen, dass sie heftig geweint hatte.

»Ich bin Lana«, stellte ich mich vor.

»Heather«, stammelte sie leise und ließ sich schließlich nach drinnen führen.

Als sie über die Schwelle getreten war, schloss ich die Tür hinter ihr.

Unschlüssig stand sie im Flur, trat nervös von einem Bein aufs andere. Langsam nahm ich ihr die Plastiktüte aus der Hand. Bestimmt waren darin all die Habseligkeiten, die sie auf die Schnelle hatte zusammenpacken können. Ich fragte mich, was ihr zugestoßen war. Jedes Schicksal ging mir nahe, und die Geschichten, die die Frauen zu erzählen hatten, machten mich jedes Mal aufs Neue betroffen.

»Ich nehme das für Sie«, sagte ich. Heather ließ die Plastiktüte nur widerwillig los. Aber schließlich überließ sie mir ihre Sachen.

»Am besten, Sie kommen erst einmal mit nach oben, in unser Büro. Dort würden wir gerne Ihre Personalien aufnehmen, und dann können Sie uns ganz in Ruhe erzählen, was passiert ist«, schlug ich ihr vor, und Heather nickte zögerlich.

»Lana, nicht so voreilig!«

Melissas Stimme ließ mich herumfahren. Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte ich sie.

»Was ist denn?«, fragte ich knapp.

Melissas Blick huschte zwischen mir und Heather hin und her.

»Unser Haus ist voll besetzt«, warf sie ein, und ich glaubte schon, mich verhört zu haben. Aber dann fügte sie doch allen Ernstes hinzu: »Wir können niemanden mehr aufnehmen.«

Ich wandte mich wieder an Heather, die angesichts der Unterhaltung zwischen Melissa und mir ganz blass geworden war. Beruhigend drückte ich ihre Hand. »Keine Sorge, wir finden einen Platz für Sie«, versuchte ich sie zu beschwichtigen. Aber an ihrem gehetzten Blick glaubte ich zu erkennen, dass mir das gerade nicht besonders gut gelungen war.

Ich lotste Heather zu einer gemütlichen Sitzgruppe, die einen Teil unseres Foyers einnahm. Sanft drückte ich sie auf einen bequemen Sessel nieder.

»Bitte warten Sie einen Augenblick. Wir sind sofort wieder zurück.«

Heather nickte geistesabwesend, während ich die Plastiktüte vor ihren Füßen abstellte.

Chefin hin oder her. Mit Melissa hatte ich ein Hühnchen zu rupfen.

»Wir müssen uns unter vier Augen unterhalten«, zischte ich, als ich vor ihr stehen blieb.

Maja bekam rote Wangen und ergriff schnell die Flucht. »Ich gehe wieder an die Arbeit«, murmelte sie und verschwand dann eilig.

Ungehalten folgte ich Melissa, die bereits in den Nachbarraum vorangegangen war.

»Das kann unmöglich dein Ernst sein«, platzte ich heraus. »Wer weiß, was die Frau hinter sich hat, und nun findet sie endlich den Mut, zu uns zu kommen, und wir sollen sie wegschicken? Ich weigere mich, das zu akzeptieren«, sagte ich ungehalten.

Melissa presste die Lippen aufeinander. »Glaubst du, das tue ich gerne?«, herrschte sie mich an. »Aber was sollen wir denn machen? Wir haben kein Zimmer, geschweige denn ein Bett zur Verfügung.«

»Dann bringen wir sie woanders unter. In einem der anderen Frauenhäuser in der Stadt gibt es hoffentlich einen freien Platz«, erwiderte ich hartnäckig und fügte dann hinzu: »Wenn es sein muss, bezahle ich ihr ein Hotelzimmer oder quartiere sie in meiner Wohnung ein. Aber ich schicke sie nicht weg und zwinge sie damit, im schlimmsten Fall dorthin zu gehen, wo sie herkommt.«

Melissa stieß hörbar die Luft aus, rieb sich mit beiden Händen über das Gesicht. Dann straffte sie die Schultern und blickte mir fest in die Augen. »Gut«, meinte sie seufzend. »Dann lass uns versuchen, einen Platz für sie zu finden.«

Über Melissas Einlenken war ich erleichtert, und ich beeilte mich, zurück ins Foyer zu gehen. Als ich eintrat, stellte ich mit Schrecken fest, dass Heather verschwunden war. Ihre Plastiktüte war weg und der Sessel, auf den sie sich vorhin gesetzt hatte, leer.

»Sie ist weg«, stieß ich ungläubig hervor, als Melissa neben mir stehen blieb.

Melissa schwieg, während ich geistesgegenwärtig zur Haustür rannte und sie aufriss. Hastig sprintete ich die Einfahrt hinunter. Wir hatten Heather nicht lange allein gelassen. Sie konnte also nicht weit gekommen sein. Als ich am Ende der Einfahrt angekommen war, blieb ich auf dem Gehweg stehen und blickte mich nach allen Richtungen um. Aber von Heather keine Spur. Sie war weg. Ich stieß einen lauten Fluch aus. Das durfte doch nicht wahr sein.

Wütend stapfte ich zurück zum Haus. Als ich eintrat, war Melissa gerade wieder auf dem Weg nach oben Richtung Büro unterwegs. Hastig schlug ich die Tür zu und eilte hinter ihr her.

»Das ist alles deine Schuld«, platzte ich heraus. »Mit deinem Gerede hast du sie vertrieben.«

»Ich weiß, du bist gerade sehr wütend. Aber vergiss nicht, mit wem du sprichst«, wies sie mich zurecht.

Ich biss mir auf die Zunge und schluckte eine weitere giftige Bemerkung hinunter.

»Und jetzt solltest du wieder an die Arbeit gehen«, forderte mich Melissa auf und setzte ihren Weg nach oben fort.

Wütend blieb ich am Fuß der Treppe stehen und blickte Melissa nach. Wie konnte sie jetzt einfach zur Tagesordnung übergehen?

Mit heftig klopfendem Herzen versuchte ich mich zusammenzureißen. Es war zum aus der Haut Fahren. Die Ungerechtigkeit auf dieser Welt machte mich fertig. Schließlich ging ich zähneknirschend in unser Büro zurück und setzte mich wieder hinter meinen Schreibtisch. Aber in mir brodelte es, so wütend war ich. Auf Melissa, auf mich selbst. Auf diesen Hass, der unter den Menschen grassierte, und dieses politische System, unter dem anscheinend immer nur die Schwächsten zu leiden hatten.

»Ich habe mich so machtlos gefühlt, als Heather Hals über Kopf wieder verschwunden ist«, klagte ich am nächsten Mittag, als ich mit Rachel, meiner Freundin, in unserem Stammcafé saß und eine heiße Schokolade trank. Die Sonne, die heute Morgen noch von einem strahlend blauen Himmel geschienen hatte, verkroch sich nun hinter dicken Wolken, und es goss wie aus Kübeln. Dicke Regentropfen klatschten gegen die Fensterscheiben. Auf den Gehwegen eilten die Passanten vorbei.

Rachel seufzte leise auf. »Dieses Gefühl von Machtlosigkeit kenne ich nur allzu gut«, erwiderte sie resigniert. »Ich erlebe es fast tagtäglich.«

Rachel arbeitete hauptberuflich als Rechtsanwaltsgehilfin in einer angesehenen Londoner Kanzlei, und in ihrer Freizeit arbeitete sie ehrenamtlich zwei Nachmittage und Abende die Woche in einer Flüchtlingsunterkunft. Wir kannten uns seit ungefähr zweieinhalb Jahren, und heute waren wir gute Freundinnen.

»An manchen Tagen fühle ich mich so schrecklich ausgebrannt, dass ich am liebsten alles hinschmeißen würde. Aber dann schenkt mir jemand, dem ich geholfen habe, ein erleichtertes Lächeln, und daraus schöpfe ich dann wieder neue Kraft und den Mut zum Weitermachen«, erklärte Rachel, und ich wusste genau, was sie damit meinte, und nickte zustimmend.

»Ob du es glaubst oder nicht, aber seit gestern versuche ich diese Heather zu finden. Ich telefoniere mir die Finger wund. Bis jetzt ohne Erfolg. Ich hatte die Hoffnung, sie in einem anderen Frauenhaus zu finden. Aber niemand scheint auf meine Beschreibung zu passen.«

Rachel trank einen Schluck Kaffee, dann fragte sie: »Und, was machst du jetzt?«

Etwas ratlos zuckte ich mit den Schultern. »Wenn es nach Melissa geht, soll ich diese sinnlose Suche endlich aufgeben und mich wieder auf meine Aufgaben konzentrieren.«

Rachel schaute mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Und, wirst du diesen Ratschlag annehmen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Du kennst mich. Wenn ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt habe, dann kann ich nicht einfach loslassen und die Sache vergessen. Ich werde also weiter versuchen, Heather zu finden.«

Rachel lächelte. »Ich weiß«, erwiderte sie dann und fügte hinzu: »Pass bloß auf. Am Ende bekommst du wegen deiner Alleingänge noch echte Schwierigkeiten mit Melissa.«

Meine Wangen begannen zu glühen, denn durch Rachels Worte wurde ich nur allzu gut an den gestrigen Tag und meine heftige Diskussion mit Melissa erinnert.

»An einer Kündigung war ich gestern ziemlich nah dran«, gab ich verlegen zu.

Rachel nickte geistesabwesend, denn inzwischen bekam der Flachbildfernseher, der über dem Tresen hing, ihre volle Aufmerksamkeit. Ich folgte ihrem Blick, und gerade, als Rachel murmelte: »Schau dir das mal an«, erkannte ich in der Frau, deren Foto gerade über den Bildschirm flimmerte, Heather.

»Das ist sie«, rief ich aufgeregt, und alle Blicke richteten sich auf mich. Aber das war mir egal. Stattdessen sprang ich schnell von meinem Platz am Fenster auf und eilte näher an den Fernseher heran, damit ich den Beitrag besser verstehen konnte.

Und das, was ich hörte, ließ mir das Blut in den Adern gefrieren.

»Großer Gott«, stieß ich ungläubig hervor.

Die Worte des Nachrichtensprechers hämmerten in meinen Kopf, und ganz langsam manifestierten sich die Wortfetzen darin, und ich begriff die komplette Tragweite dessen, was er sagte.

Familiendrama. Frau am Morgen tot in ihrem Haus aufgefunden. Mehrere Messerstiche. Ehemann vorläufig festgenommen.

Mir wurden die Knie weich, und ich hatte das Gefühl, gleich umzukippen. Geistesgegenwärtig hielt ich mich an einem Barhocker, der am Tresen stand, fest, sonst wäre ich bestimmt wirklich gefallen.

Rachel stand mittlerweile neben mir.

»Bist du sicher, dass sie es ist?«, fragte sie und konnte ihren Blick wie ich nicht von den Nachrichten losreißen.

Mein Mund fühlte sich staubtrocken an. Während sich meine Finger in das weiche schwarze Leder des Barhockers gruben.

Während ich nickte, stieß ich hervor: »Ich bin ganz sicher. Das ist Heather.«

»Er hat sie umgebracht«, stieß ich wütend hervor, als ich in unser Büro platzte. Ich konnte es noch immer nicht fassen. Melissa schaute von ihrem Computer auf.

»Wovon sprichst du?«, fragte sie und schien verwirrt. Hatte sie denn heute noch gar keine Nachrichten gesehen?

Frustriert warf ich meine Tasche auf den Schreibtisch.

»Heather«, erklärte ich knapp, und endlich schien Melissa zu begreifen. Ihre Wangen liefen rot an, als sie wissen wollte: »Was genau ist passiert?«

»Ich habe es gerade in den Nachrichten gehört. Anscheinend hat Heathers Mann sie ermordet. Verdammt, wir hätten ihr helfen sollen«, stieß ich hervor. Ich war so zornig.

»Wir hätten nichts tun können«, erinnerte mich Melissa, und ihre Worte brachten mich auf hundertachtzig.

»Wie bitte?«, fragte ich ungläubig. »Ich finde, wir hätten eine Menge für Heather tun können. Sie nicht wegzuschicken, wäre eine fabelhafte Idee gewesen, wenn du mich fragst«, gab ich schroff zurück und konnte mir den Sarkasmus in meiner Antwort einfach nicht verkneifen.

»Du machst mich für Heathers Tod verantwortlich?«, fragte Melissa und erhob sich von ihrem Schreibtischstuhl.

Missmutig verschränkte ich die Arme vor der Brust und nickte schließlich. Sollte sie mich doch feuern. Im Moment war mir alles schnuppe.

»Du hast ihr Angst gemacht und sie damit vertrieben. Heather könnte noch am Leben sein. Aber du musstest sie ja unbedingt wegschicken.«

»Jetzt hör mir mal gut zu, Lana. Dieser Job ist nicht gerade leicht. Glaubst du etwa, dass ich die Frau gerne weggeschickt habe? Nein, gewiss nicht. Jedes Mal, wenn ich jemanden ablehnen muss, bricht es mir fast das Herz. Aber es gibt nun mal Regeln, an die ich mich halten muss. Wir können nicht mehr Menschen unterbringen, als wir freie Plätze zur Verfügung haben. Seit nunmehr vierunddreißig Jahren bin ich die Leiterin dieser Einrichtung, und du kannst dir nicht vorstellen, was ich in dieser Zeit alles erlebt habe. Dass Heather umgebracht wurde, ist schrecklich. Ich weiß, du brennst für diese Arbeit. Aber lass mich dir bitte einen Tipp geben: Wenn du diesen Job noch ein paar Jahre machen möchtest, rate ich dir, lass dich nicht zu sehr vereinnahmen. Wenn du es nicht schaffst, Berufliches und Privates zu trennen, besteht die Gefahr, dass du an deinen Aufgaben hier zerbrichst.«

Ich schaute Melissa an, und tief in mir drinnen wusste ich, dass sie recht hatte. Oft reagierte ich zu impulsiv und ließ mich zu schnell mitreißen, und leider war ich auch manchmal zu verbissen.

Aber so war ich nun mal, und ehrlich gesagt hatte ich auch keine große Lust, mich zu ändern.

»Das mag sein«, lenkte ich ein und fügte dann gefrustet hinzu: »Das ist alles so schrecklich unfair und vor allem sinnlos.«

Melissa seufzte leise auf. »Am besten, du gehst jetzt wieder an die Arbeit«, sagte sie schlicht und einfach.

Einen Moment lang starrte ich sie an und war über ihre scheinbare Gleichgültigkeit geschockt. Wie konnte sie nach dieser Nachricht mir nichts, dir nichts zur Tagesordnung übergehen? Ich fragte mich, ob ich in ein paar Jahren ebenso abgestumpft auf derartige Nachrichten reagieren würde.

Ich beobachtete Melissa noch einen kurzen Augenblick, während sie sich längst wieder den Papieren auf ihrem Schreibtisch zugewandt hatte. Seufzend ließ ich mich schließlich auf meinen Schreibtischstuhl sinken und schaltete meinen Computer ein. Ich versuchte an etwas anderes zu denken, aber Heather bekam ich einfach nicht aus meinem Kopf. Ich ließ den gestrigen Tag wieder und wieder Revue passieren und wünschte mir, die Zeit zurückdrehen zu können. Aber das ging nicht. Also versuchte ich, nach vorne zu schauen und mich auf meine Aufgaben zu konzentrieren, allerdings war das unglaublich schwer.

Gedankenversunken starrte ich auf meinen Bildschirm, ohne wirklich etwas zu sehen.

Erschrocken zuckte ich zusammen, als Maja plötzlich neben meinem Schreibtisch auftauchte und eine Akte darauf ablegte.

Betrübt sagte sie: »Ich habe es gerade in den Nachrichten gehört. Tut mir wirklich leid, dass es so weit gekommen ist.«

Wortlos nickte ich. »Ja, mir tut es auch wahnsinnig leid.«

Maja ließ sich auf der Kante meines Schreibtisches nieder und lächelte aufmunternd. »Bald wirst du auf andere Gedanken kommen. Du freust dich sicher schon auf deinen Urlaub. Hast du irgendetwas Bestimmtes vor?«

Für einen kurzen Moment schaute ich Maja verwundert an, und dann fiel es mir wieder ein. Meinen bevorstehenden Urlaub nächste Woche hatte ich bei all den Ereignissen der letzten Tage kurzzeitig vergessen. Dabei freute ich mich wahnsinnig darauf.

»Ich werde meine Cousine Isabella besuchen. Sie lebt in Port Isaac«, stammelte ich.

Majas Blick hellte sich auf. »Cornwall ist wunderschön«, sagte sie, und ich nickte.

»Finde ich auch.«

Ich deutete auf die Akte, die Maja mir eben gebracht hatte. »Ich schaue gleich rein«, erklärte ich, und sie nickte.

»Super. Ich hole mir einen Kaffee. Soll ich dir einen mitbringen?«

»Gerne«, erwiderte ich.

Während sich Maja von der Kante meines Schreibtisches erhob und davonging, um den Kaffee zu holen, zog ich mir die Aktenmappe heran und machte mich mit der Sachlage vertraut. Während ich die Papiere durchging, dachte ich an meinen Trip nach Port Isaac, und meine Laune besserte sich mehr und mehr. Ehrlich gesagt, konnte ich meinen Urlaub nun gar nicht mehr erwarten. Eine Auszeit nach all dem Chaos würde mir bestimmt guttun, und für Isabella war es sicherlich ein Leichtes, mich auf andere Gedanken zu bringen. Darin war sie einfach ein absoluter Profi.

Kapitel 4

Cole

Stirnrunzelnd schaute ich mich in der verlassenen Werkstatt um. Sie wirkte gespenstisch, fast so, als wäre der Besitzer überstürzt verschwunden und hätte alles stehen und liegen lassen. Ich betätigte einen Schalter an der Wand, um herauszufinden, wofür er war. Ruckartig und quietschend schob sich die Hebebühne ein Stück nach oben. An den Wänden standen Werkbänke und Werkzeugschränke. Eine dicke Staubschicht lag über allem, und das Erste, das ich tun musste, war für Ordnung sorgen.

Die Nachmittagssonne drang durch die verdreckten Fenster. In den Ecken hingen Spinnweben. Auf einem Tisch stapelten sich leere Dosen und Flaschen. In einer anderen Ecke türmten sich Autoteile, teilweise stark verrostet und kaum noch zu verwenden. Dann gab es noch einen angrenzenden Raum. Viel kleiner als der, in dem ich mich gerade aufhielt.

Ich stieß die Tür auf. Auch hier sah es so aus, als wäre der Besitzer Hals über Kopf davongelaufen. Auf einem verschmutzten Schreibtisch stapelten sich lose Blätter. Spinnweben hingen in jeder Ecke. Fenster und Fußboden waren genauso verdreckt. Ich zog hier und da einige Schubladen auf und fand Schreibutensilien und sonstiges Büromaterial. Ich seufzte leise auf. In den letzten beiden Monaten hatte ich das Haus auf Vordermann gebracht und während der Renovierung einen großen Teil meiner Ersparnisse aufgebraucht. Ich musste die Werkstatt unbedingt herrichten, damit ich endlich eröffnen konnte. War es Wahnsinn, ausgerechnet damit mein Geld zu verdienen zu versuchen? Auf jeden Fall! Vor allem, wenn man meine kriminelle Vergangenheit bedachte, in der ich ein ziemlich guter Autodieb gewesen war, zumindest so lange, bis ich verhaftet wurde. Aber ich wollte es trotzdem riskieren. Schließlich hatte ich auch einmal eine Ausbildung zum Mechaniker gemacht, und die sollte nicht umsonst gewesen sein.

Am Abend saß ich auf meiner Veranda. Ich streckte die Beine aus und lehnte mich entspannt auf meinem Stuhl zurück, während ich die Sonne betrachtete, die als roter Feuerball langsam am Horizont versank. Während ich die Aussicht genoss, überlegte ich mir, was in der Werkstatt zu tun war, und vor allem, was ich als Erstes erledigen musste. Schließlich begann ich damit, eine Liste anzufertigen, und je mehr Überlegungen ich anstellte und alles aufschrieb, desto besser konnte ich mir die Werkstatt in fertigem Zustand vorstellen.