Küssen ausdrücklich erwünscht - Alexandra Görner - E-Book

Küssen ausdrücklich erwünscht E-Book

Alexandra Görner

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Beschreibung

Das Herz im Heuhaufen verlieren und die Liebe seines Lebens aufgabeln Als Kane kurz vor der Hochzeit von seiner Verlobten sitzen gelassen wir, stürzt er sich mit aller Kraft in die Arbeit auf seiner Ranch. Denn um die ist es nur unwesentlich besser bestellt als um sein gebrochenes Herz. Dabei kommt ihm die Unterstützung von Samantha nur recht. Die Schauspielerin ist aus L.A. nach Riverside, Montana gekommen, um sich inkognito für ihre nächste Rolle vorzubereiten. Es dauert nicht lange bis die Funken zwischen ihnen sprühen, doch Kane ahnt immer noch nicht wer Samantha wirklich ist. Sie weiß, dass sie es ihm sagen muss, aber wird er ihr ihre Lüge verzeihen?  

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Seitenzahl: 472

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Die Autorin

Alexandra Görner ist 33 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einer kleinen Stadt in Sachsen. Sie arbeitet in einem Zuliefererbetrieb für die Automobilindustrie und schreibt nur in ihrer Freizeit. Die verbringt sie außerdem am liebsten mit ihrer Familie und natürlich mit tollen Büchern.

Das Buch

Als Kane kurz vor der Hochzeit von seiner Verlobten sitzen gelassen wir, stürzt er sich mit aller Kraft in die Arbeit auf seiner Ranch. Denn um die ist es nur unwesentlich besser bestellt als um sein gebrochenes Herz. Dabei kommt ihm die Unterstützung von Samantha nur recht. Die Schauspielerin ist aus L.A. nach Riverside, Montana gekommen, um sich inkognito für ihre nächste Rolle vorzubereiten. Es dauert nicht lange bis die Funken zwischen ihnen sprühen, doch Kane ahnt immer noch nicht wer Samantha wirklich ist. Sie weiß, dass sie es ihm sagen muss, aber wird er ihr ihre Lüge verzeihen?

Von Alexandra Görner sind bei Forever erschienen:

In der London-City-Reihe:Verliebt, verlobt, vielleicht.Süße Küsse unterm MistelzweigSie dürfen die Nanny jetzt küssenLand, Luft und LiebeHalbzeitküsseVerlieb dich, verlieb dich nichtHeißkalte Winterküsse

In der Montana-Kisses-Reihe:Verlieben ausdrücklich erlaubtKüssen ausdrücklich erwünscht

Küssen ist die beste Verteidigung

Alexandra Görner

Forever by Ullsteinforever.ullstein.de

Originalausgabe bei ForeverForever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuli 2018 (1)

© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018Umschlaggestaltung: zero-media.net, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privatE-Book powered by pepyrus.com

ISBN 978-3-95818-247-9

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Inhalt

Die Autorin / Das Buch

Titelseite

Impressum

Kapitel 1

Kane

Kapitel 2

Samantha

Kapitel 3

Kane

Kapitel 4

Samantha

Kane

Kapitel 5

Samantha

Kane

Kapitel 6

Samantha

Kapitel 7

Kane

Kapitel 8

Samantha

Kapitel 9

Kane

Samantha

Kapitel 10

Kane

Samantha

Kapitel 11

Kane

Samantha

Kapitel 12

Kane

Samantha

Kane

Kapitel 13

Samantha

Kapitel 14

Kane

Kapitel 15

Samantha

Kane

Samantha

Kane

Kapitel 16

Samantha

Kane

Samantha

Kane

Kapitel 17

Samantha

Kapitel 18

Kane

Samantha

Kane

Leseprobe: Verlieben ausdrücklich erlaubt

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Cover

Titelseite

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 1

Kane

»Bist du bereit?« Nervös zupfte ich an meinem Hemdsärmel und rückte einen meiner Manschettenknöpfe zurecht. Ich stand mit Riley, meinem Bruder, im Hinterzimmer der Kirche in Riverside und war reichlich aufgeregt.

Bereit? Keine Ahnung, war ich das? Ich spürte Rileys neugierige Blicke auf mir, versuchte allerdings, sie geflissentlich zu ignorieren.

»Freya ist die Richtige«, gab ich zurück und war mir darüber bewusst, dass ich damit Rileys Frage nicht wirklich beantwortete.

Die Antwort diente mehr zu meiner eigenen als zu seiner Beruhigung. Riley mochte Freya nicht besonders. Das wusste ich, allerdings rechnete ich es ihm wirklich hoch an, dass er es schaffte, seine wahren Gefühle ihr gegenüber zu verbergen. Meine Beziehung zu Freya war nicht immer einfach gewesen, das konnte selbst ich nicht leugnen. Doch das zählte jetzt nicht mehr. Was zählte, war dieser Tag, dieser Moment. Und dass wir in wenigen Minuten Mann und Frau sein würden. Durch das Eheversprechen für immer miteinander verbunden. Warum war ich dann bloß so schrecklich nervös?

Plötzlich ging die Tür ein Stück auf und mein anderer Bruder Tom streckte den Kopf herein.

»Wo bleibt ihr beiden denn? Die Gäste werden langsam unruhig und ich ehrlich gesagt auch«, meinte er augenzwinkernd und fügte dann leicht grinsend hinzu: »Du bekommst doch jetzt hoffentlich nicht kalte Füße?«

Um ehrlich zu sein waren sie eiskalt. Aber das behielt ich lieber für mich.

Tom war extra aus Boston angereist. Leider hatten wir nicht die Möglichkeit, uns so oft zu sehen, wie mir lieb gewesen wäre, und trotzdem wusste ich, dass ich mich immer auf meinen Bruder verlassen konnte, wenn ich ihn brauchte.

Ich ließ meinen Manschettenknopf los, griff nach dem Jackett, das noch über der Stuhllehne hing und zog mich schließlich fertig an. Ich warf Riley und Tom einen kurzen Blick zu. »Dann lasst uns gehen«, sagte ich. Ja, ich war bereit.

Angespannt schaute ich den Mittelgang der Kirche hinunter. Die Orgelmusik war längst verklungen und nicht nur ich wurde langsam nervös, auch unsere Gäste warfen einander mittlerweile neugierige Blicke zu. Die alten Kirchenbänke knarzten und hier und da wurde leise geflüstert. Jemand gab einen schlechten Scherz von sich, den er wohl für witzig hielt. All das versuchte ich auszublenden. Stattdessen konzentrierte ich mich voll und ganz auf die geschlossene Kirchentür und trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen. Wo blieb Freya nur?

»Soll ich mal nach ihr sehen?«, bot Tom flüsternd an, sich unauffällig zu mir herüberlehnend.

Ich überlegte kurz und als ich gerade im Begriff war zu nicken, schwang die Tür auf und Freya erschien in einem wunderschönen weißen Kleid.

Ihr Anblick zauberte sofort ein Lächeln auf mein Gesicht und die tonnenschwere Last der Angst, sie könnte mich sitzen lassen, hob sich von meinem Herzen und wich einem enormen Glücksgefühl. Freya, meine Braut. Sie war endlich da.

Langsam schritt sie auf mich zu und ich wandte meinen Blick nicht eine Sekunde von ihr ab. Sie war wunderschön und jetzt wusste ich auch nicht mehr, warum ich Idiot vorhin eigentlich Zweifel gehabt hatte. Ich konnte einfach nicht aufhören zu lächeln und ich konnte es nicht erwarten, Freyas Mann zu werden und für immer mit ihr zusammen zu sein. Mit jedem Schritt, den Freya näherkam, wurde das Rascheln ihres atemberaubenden Kleides ein bisschen lauter. Es war bodenlang und schneeweiß, das Oberteil aus Spitze gefertigt und mit cremeweißen Perlen bestickt. Und dann begegneten sich unsere Blicke. Freya schaute mich an. Ihre Schritte wurden jetzt langsamer, ihr Blick flackerte und huschte von mir zu meinen Brüdern, die neben mir standen. Unsicher schaute sie schließlich zur Seite, bevor ihr Blick endlich zu mir zurückkehrte. Ein seltsames Gefühl beschlich mich, ich ahnte, dass etwas nicht stimmte. Und der Schleier der Angst senkte sich abermals über mich.

»Alles okay bei dir? Geht’s dir gut?«, raunte ich, als Freya schließlich neben mir stehen blieb.

Angespannt schaute sie mir in die Augen, dann schüttelte sie plötzlich vorsichtig den Kopf.

»Es tut mir leid, Kane. Das musst du mir wirklich glauben«, stotterte sie.

Fragend starrte ich sie an. »Was ist denn los?«

»Ich kann das einfach nicht«, stieß Freya schließlich hervor. Sie ließ die Hand mit dem Brautstrauß sinken. »Das ist ein Fehler.« Schließlich fügte sie hinzu: »Ich kann dich nicht heiraten.«

Ihre Worte fühlten sich an, als würde mir jemand mit voller Wucht eine Faust in den Magen rammen. War das ihr Ernst? Hilflos starrte ich sie an und erkannte, dass es so war. Automatisch trat ich einen Schritt zurück. Meine Kehle fühlte sich wie ausgetrocknet an. Das war also unser Ende. Dass es so weit kommen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Freya schaute mich mit leerem Blick an. Dann machte sie kehrt und stürzte aus der Kirche, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Ich konnte nicht denken und schon gar nicht begreifen, was hier gerade geschah. Ich konnte ihr nur hinterher schauen.

»Möchtest du reden?«

Langsam hob ich den Blick von der Flasche, die ich in der Hand hielt. Meine Finger umklammerten sie krampfhaft, aber ich hatte noch keinen Schluck von meinem Bier getrunken. Noch nicht einmal volllaufen lassen wollte ich mich. Langsam schüttelte ich den Kopf und musterte Tom, der jetzt neben Riley an meinem Verandageländer lehnte.

»Nach reden ist mir nicht gerade zumute.«

Tom zuckte hilflos mit den Schultern. »Nach betrinken wohl auch nicht. Ist besser so. Sich volllaufen zu lassen hat noch niemandem geholfen. Außerdem kommt Freya davon nicht zurück.«

Riley zog scharf die Luft ein und allein die Erwähnung von Freyas Namen versetzte mir einen heftigen Stich mitten ins Herz. Wenn ich überhaupt noch eines hatte. Im Moment fühlte es sich an, als hätte sie es mir aus der Brust gerissen und es mit ihren hochhackigen Schuhen zu Brei zerquetscht.

Dafür sollte ich sie wirklich hassen, dachte ich. Aber irgendwie konnte ich das nicht. Die Worte »enttäuscht« und »verletzt« trafen es am ehesten. »Am Boden zerstört« passte auch ganz hervorragend.

Tom biss sich auf die Lippen. »Sorry, ich weiß, wir wollten ihren Namen nicht mehr erwähnen. Das kommt nicht wieder vor, versprochen.« Tom wirkte zerknirscht und Riley ratlos.

»Danke, dass ihr es unseren Gästen verklickert habt«, erwiderte ich tonlos. Einfach um irgendetwas zu sagen. Ich hätte es nicht fertiggebracht, mich vor die versammelte Meute zu stellen und meine Niederlage einzugestehen. Ich war daher ziemlich dankbar, dass Tom und Riley das übernommen hatten.

»Kein Problem. Jederzeit wieder«, gab Tom zurück und stolperte gleich ins nächste Fettnäpfchen.

»Oh Mann«, stöhnte Riley, »dein Feingefühl war auch schon besser. Reiß dich doch mal zusammen.«

»Das war nicht so gemeint«, erwiderte Tom und stieß einen leisen Fluch aus. Ich nahm es ihm nicht weiter übel und Riley im Grunde auch nicht.

»Jetzt kriegt euch mal wieder ein«, ging ich dazwischen, bevor die Situation noch zu einer handfesten Auseinandersetzung eskalierte.

Tom zögerte, doch dann fragte er: »Was hast du jetzt eigentlich vor?«

Ich dachte kurz über eine Antwort nach. Dann zuckte ich lustlos mit den Schultern.

»Keine Ahnung«, sagte ich ehrlich. »Wohl einfach weitermachen«, gab ich lahm von mir.

So war das eben. Hin und wieder passierten schlimme Dinge. Dinge, die einen vollkommen aus der Bahn warfen. Die Wunden hinterließen. Aber dann ging das Leben einfach weiter. »Ein Leben ohne Freya«, schoss es mir durch den Kopf. Und dieser Gedanke schmerzte brutal. Brutaler, als ich es meinen Brüdern oder irgendjemandem sonst gegenüber je zugegeben hätte.

Kapitel 2

Samantha

Die großen Terrassentüren meines Schlafzimmers waren weit geöffnet. Im lauen Wind blähten sich die bodenlangen weißen Gardinen. Es war ein heißer Tag in Los Angeles. Die Geräusche des Rasensprengers, gemischt mit dem Rascheln der Blätter, drangen leise durch die offenen Flügeltüren zu uns herauf.

Ich saß an meinem Schminktisch, auf einem mit weißem Leder bezogenen bequemen Drehhocker, betrachtete selbstkritisch mein Spiegelbild und war mir nicht sicher, ob ich mit dem, was ich sah, wirklich zufrieden war. Um ehrlich zu sein, hatte ich mir von meiner optischen Verwandlung ein bisschen mehr versprochen.

Amanda baute sich mit verschränkten Armen hinter mir auf. Unsere Blicke begegneten sich im Spiegel.

»Okay, was stört dich an deinem Aussehen?«, fragte meine beste Freundin, die nebenbei auch meine Stylistin war, während sie mit einer ihrer Schuhspitzen ungeduldig auf meinen weißen Parkettboden tippte.

Ich war eine absolute Perfektionistin und das wusste Amanda. Das musste ich sogar sein. Sonst hätte ich es nämlich nie dahin geschafft, wo ich heute war.

»Ich finde, ich sehe noch zu sehr wie Samantha Davenport, die berühmte Schauspielerin, aus. Oder was meinst du?«, antwortete ich wahrheitsgemäß und berührte dabei nachdenklich eine Strähne meiner braunen Haare, die in langen Wellen über meine Schultern fielen. Und genau darin lag das Problem. Denn für die nächsten drei Monate wollte ich genau diese Person nicht mehr sein.

Amanda seufzte hinter mir leise auf. »Bist du dir wirklich sicher, dass das, was du vorhast, eine gute Idee ist?«

Ich nickte. Schließlich hatte ich schon weitaus verrücktere Dinge getan. Während ich Amanda meine ganze Aufmerksamkeit schenkte, gab ich zurück: »Und ob. Um ehrlich zu sein, kann ich es gar nicht erwarten, endlich in dieses neue, aufregende Abenteuer zu starten.«

Ich grinste wie ein Honigkuchenpferd, als ich an die Herausforderungen dachte, die mich erwarteten. Bei diesem Gedanken erhob ich mich schließlich und ging zum Fenster auf der Westseite. Von hier aus hatte ich einen perfekten Blick hinaus in meinen üppig bepflanzten Garten. Seit nun fast fünf Jahren lebte ich hier, in meiner wunderschönen großen weißen Villa inmitten dieser bewachten exklusiven Wohnanlage in Los Angeles, und mein Anwesen glich einem Hochsicherheitstrakt. Niemand kam ohne das Wissen meiner Bodyguards und des Sicherheitspersonals rein oder raus. Es sei denn, ich gestattete es höchstpersönlich. Es war ein gut behütetes Leben, das ich führte. Aber es war auch ein Leben in einem Käfig. In einem goldenen zwar, aber ein Käfig blieb eben ein Käfig. Und niemand, der nicht selbst berühmt war, konnte nachvollziehen, wie es sich anfühlte, nicht einen Schritt in der Öffentlichkeit tun zu können, ohne ständig von Paparazzi verfolgt und fotografiert zu werden. Keine Restaurantbesuche ohne ein Foto in der Zeitung oder im Internet am nächsten Tag. Kein Joggen in einem öffentlichen Park, ohne abgelichtet zu werden. Nirgendwo konnte ich mich wirklich frei bewegen und deshalb fieberte ich meinem neuen Abenteuer so glühend entgegen. Denn dann würde ich all diese und noch viele weitere Dinge völlig unbehelligt tun können, und darauf freute ich mich wahnsinnig. Was mich wohl erwartete? Ich lernte gerne neue Menschen kennen und stellte mich immer wieder neuen Herausforderungen. Für mich gab es kaum etwas Schöneres.

»Was halten deine Eltern eigentlich von deiner Idee?«, wollte Amanda wissen und begann, ungeduldig in meinem großzügigen Schlafzimmer auf- und abzulaufen. Das tat sie immer, wenn sie nervös wurde. Allerdings hatte sie wenig Grund dazu, schließlich war ich diejenige, die sich auf dieses waghalsige Abenteuer einließ.

»Mom hat ihren neuesten Roman endlich fertig geschrieben und ist den ganzen Sommer über auf großer Lesungstour quer durch die Staaten, um ihn zu promoten, und Dad ist seit Wochen nur noch mit der Eröffnung seiner neuen Galerie in Washington beschäftigt.«

Meine Eltern und ich standen uns nicht besonders nahe. Im Sommer bekamen wir uns kaum zu Gesicht. Das änderte sich allerdings meist im Herbst und im Winter. Zumindest Weihnachten verbrachten wir jedes Jahr gemeinsam, in ihrem Haus in den Hamptons. Das war Tradition.

»Der Einzige, der von meiner Idee so gar nicht begeistert ist, ist übrigens Rodney«, berichtete ich Amanda weiter, woraufhin sie schmunzeln musste. Mit meinen Ideen brachte ich ihn regelmäßig an den Rand eines Nervenzusammenbruchs. Rodney war mein Manager, seit ich meine erste kleine Nebenrolle in einer Fernsehserie hatte.

Abermals seufzte Amanda leise auf und ließ sich dann auf den weißen Lederhocker sinken, auf dem ich vor ein paar Minuten noch gesessen hatte.

»Nun gut«, gab sie schließlich zurück. »Das, was du jetzt vorhast, ist immer noch besser, als sich wie damals für ein Vierteljahr inkognito in eine Psychiatrie einweisen zu lassen.«

Ich lachte laut auf, als ich an diese Zeit zurückdachte. »Das stimmt, diese Erfahrung war wirklich beängstigend. Aber das ist für mich nun mal der beste Weg, um mich auf eine neue Rolle vorzubereiten. Und bitte denke daran, der Film hat mir damals immerhin einen Oscar eingebracht. Also hat sich die Anstrengung gelohnt. Und ich hoffe, dass es sich dieses Mal auch auszahlen wird.«

Amandas rot geschminkte Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. »Von der Seite betrachtet, ist es wohl wirklich weniger dramatisch, Mist zu schaufeln, anstatt sich mit psychisch Kranken einsperren zu lassen.«

»Recht hast du. Und wenn mein Plan funktionieren soll, musst du mir einfach helfen. Du weißt, dass mich niemand erkennen darf. Die Leute verhalten sich seltsam, sobald sie bemerken, dass ich Samantha Davenport bin. Und dann kann ich auf dieser Ranch nicht das lernen, was ich für meine nächste Filmrolle brauche.«

Amanda nickte erneut. »Geht klar, schließlich will ich nicht dafür verantwortlich sein, dass dir eine Oscar-Nominierung durch die Lappen geht.«

Jetzt war es an mir zu lächeln. »Dann sind wir uns einig. Irgendwelche Ideen, wie ich mich optisch so verändern kann, dass es unmöglich ist, mich zu erkennen?«

Amanda legte den Kopf schief und betrachtete mich nachdenklich. »Lass mich kurz überlegen.«

Dann hellte sich ihre Miene auf und ihre Augen begannen zu leuchten. Enthusiastisch sagte sie: »Das lässt sich alles machen. Die Frage ist nur – wie weit bist du bereit zu gehen?«

Sie tippte mir mit dem Zeigefinger auf die Brust. Ich musterte meine beste Freundin eindringlich und überlegte, was sie mit diesen Worten im Sinn hatte. Bis jetzt hatte ich mich immer auf Amanda verlassen können und ich war mir sicher, dass sie mich auch diesmal nicht enttäuschen würde.

»Ich bin bereit, mich auf alles einzulassen. Also, was schwebt dir vor?«

Amanda nickte zufrieden. Sie liebte ihren Job und vor allem liebte sie die große Veränderung. Ich war es natürlich gewohnt, mich für meine Rollen immer wieder zu verwandeln, in neue Charaktere zu schlüpfen und mich auszuprobieren. Und trotzdem konnte ich nicht verhindern, dass nun kribbelnde Aufregung in mir aufstieg, und genoss das Gefühl der Vorfreude in vollen Zügen.

»Wunderbar. Dann lass uns anfangen. Ich habe schon ein paar ganz tolle Ideen«, versprach Amanda und strahlte dabei übers ganze Gesicht, als sie fortfuhr: »Ein veränderter Kleidungsstil und ein bisschen mehr Make-up reichen tatsächlich nicht aus, um dich in eine andere Person zu verwandeln. Was du brauchst, sind auf jeden Fall Kontaktlinsen.« Das stimmte, es war erstaunlich, wie anders man aussah, wenn man nur die Augenfarbe wechselte. Amanda machte eine kurze Pause. »Und du brauchst definitiv einen neuen Haarschnitt mitsamt neuer Haarfarbe, versteht sich.«

»Ich soll mich von meiner langen braunen Mähne trennen?«, fragte ich erschrocken, setzte jedoch kurz darauf nachdenklich hinzu: »Für die anstehenden Dreharbeiten dürfte die Veränderung zumindest kein Problem darstellen. Soweit mir bekannt ist, werde ich eine Perücke tragen oder zumindest Extensions bekommen.«

»Das klingt super, dann steht einem Umstyling ja nichts mehr im Weg.«

Ich dachte kurz über Amandas Vorschlag nach, und stimmte dann spontan zu.

»Ich vertraue dir voll und ganz. Du hast freie Hand«, sagte ich tapfer. Obwohl mir allein beim Gedanken, etwas von meiner Haarpracht zu opfern, das Herz blutete. Aber ich wusste auch, was ich wollte. Und ich wollte mich auf meine neue Filmrolle optimal vorbereiten. Amanda stand vom Hocker auf und tauschte nun mit mir wieder den Platz.

»Bist du bereit?«, fragte sie schließlich lächelnd, als sie wieder hinter mir stand. Sie konnte es gar nicht erwarten, ihre Schere zu zücken. Ich atmete tief durch, während sich unsere Blicke abermals im Spiegel begegneten.

Ich nickte fest. »Ja, ich bin bereit«, gab ich zurück und ließ mich mit Haut und Haar auf dieses neue Abenteuer ein.

Einige Tage später, an einem frühen Samstagmorgen, startete ich in mein neues Abenteuer. Mein Reisegepäck hatte ich auf das Nötigste beschränkt und es bestand nur aus einem einzigen braunen abgenutzten Koffer, den ich auf die Rückbank meines roten Ford Mustang warf.

Amanda stand mit verschränkten Armen neben meinem Auto. Mehrmals hatte sie mir von dieser Reise abgeraten, aber ich war hartnäckig geblieben und hatte darauf bestanden, diesen Roadtrip zu machen. Und heute ging es endlich los.

»Du meldest dich spätestens alle zwei Tage«, bat Amanda, »sonst komme ich um vor Sorge.«

Ich lachte. »Du bist doch sonst nicht so ängstlich«, zog ich sie auf und fügte dann versöhnlich hinzu: »Das werde ich. Verlass dich darauf.«

Amanda nickte verkniffen. Aber dann zog sie mich in eine feste Umarmung. »Pass auf dich auf«, flüsterte sie und ich nickte.

»Aber natürlich«, erwiderte ich. »Mach dir keinen Kopf. Das wird super.«

Leider konnten sie meine Worte nicht überzeugen. Vorsichtig machte ich mich von Amanda los und stieg schließlich ein. Ich schlug die Tür hinter mir zu und einen Augenblick später heulte der Motor auf. Ich winkte Amanda zum Abschied, dann öffnete ich mit der Fernbedienung die großen schweren Tore meiner Einfahrt und fuhr hinaus auf die Straße.

In den folgenden Tagen durchquerte ich zwei Zeitzonen und drei Bundesstaaten. Ich schlief in billigen Motels und aß in Diners, bevor ich endlich die Grenze zu Montana überfuhr. Und das Beste an dieser Reise war, dass niemand mich erkannte. Niemand warf mir neugierige Blicke zu oder stellte aufdringliche Fragen. Keine Autogrammjäger und keine Paparazzi, die mir bei jeder Gelegenheit auflauerten. Ich war eine Frau, die mit einem roten Mustang Cabriolet unterwegs war und sonst nichts. Und das fühlte sich einfach herrlich an.

Mein Enthusiasmus bekam allerdings einen gehörigen Dämpfer, als ich eines schönen Tages auf einer Straße im absoluten Nirgendwo liegen blieb. Leise fluchend schlug ich mit der flachen Hand aufs Lenkrad, während ich das Auto langsam an den Straßenrand steuerte. Dampf quoll zischend unter der Motorhaube hervor. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Ich stellte den Schaltknüppel auf Parken und stieg aus, um einen Blick unter die Haube zu werfen. Ich drückte den Deckel nach oben und noch mehr Dampf stieg auf. Reflexartig sprang ich einen Schritt zurück und starrte dann ratlos meinen Wagen an. Vor Frust hätte ich am liebsten gegen die Karosserie getreten. Der Tag fing ja schon mal ganz toll an.

Dass ich allein nichts ausrichten konnte, war mir klar. Daher kramte ich mein Handy aus der Tasche, um Hilfe zu rufen. Prima! Nach einem kurzen Blick aufs Display musste ich zu meiner Frustration feststellen, dass ich keinen Empfang hatte. Wütend warf ich mein Telefon auf den Sitz zurück. Und was sollte ich jetzt tun? Hilflos blickte ich mich in alle Richtungen um und sah nichts als Einöde. Hier war keine Menschenseele. Und da ich mich nicht mehr auf der Hauptstraße befand, durfte ich auch nicht in absehbarer Zeit auf Rettung hoffen. Mieser konnte der Tag nun wirklich nicht weitergehen.

Kapitel 3

Kane

Es war heiß an diesem Vormittag und die Sonne brannte bereits jetzt erbarmungslos vom wolkenlosen Himmel herab. Roger, einer meiner Mitarbeiter, hatte mir gestern nach Feierabend berichtet, dass die Zäune rund um die Südkoppeln von Löchern übersät seien. Das Problem wollte ich mir nun selbst anschauen. Daher hatte ich heute früh als erstes Oscar gesattelt und war losgeritten, um die Weidezäune zu checken. Und tatsächlich, Roger hatte nicht übertrieben. In den Zäunen klafften tatsächlich ein paar ordentliche Löcher, die dringend repariert werden mussten. Ich hatte es seit dem Kauf der Ranch noch immer nicht geschafft, alle alten Zäune durch neue zu ersetzen. Viele waren mittlerweile derart marode, dass wir in letzter Zeit immer häufiger damit beschäftigt waren, die Löcher zu flicken. Draht war teuer und ich konnte es mir leider im Moment nicht leisten, alle Zäune auf einmal zu erneuern. Ärgerlich besah ich den Schaden und zog mir dann mein Basecap ein bisschen tiefer in die Stirn, um mich vor der brütend heißen Sonne zu schützen. Schließlich spornte ich Oscar zu einem leichten Galopp an, denn ich wollte mir nun auch noch die anderen Weidezäune anschauen und prüfen, in welchem Zustand sie sich befanden. Deshalb ritt ich weiter, immer über meine satten grünen Weideflächen und Koppeln hinweg, und schließlich trabte Oscar eine kleine Anhöhe hinauf. Nach allen Seiten schaute ich mich um. Auch hier entdeckte ich ein paar vereinzelte Löcher. Aber der Schaden war bei Weitem nicht so immens wie auf den Südkoppeln. Ich ließ meinen Blick über einen Teil meiner weitläufigen Ländereien schweifen, dann stutzte ich.

Was zum Teufel war denn da los? Ich gab Oscar die Sporen und ritt zu dem roten Mustang Cabriolet, das am Straßenrand geparkt stand.

Langsam näherte ich mich dem Auto. Oscar tänzelte und ich klopfte ihm beruhigend auf sein braunes glänzendes Fell.

»Ganz ruhig, mein Junge«, raunte ich, zog am Zügel und brachte mein Pferd damit zum Stehen.

Verwundert starrte ich den braunen Stetson an, den sich die Fahrerin tief ins Gesicht gezogen hatte und unter dessen Hutkrempe blonde Haare hervorlugten. Sie lümmelte völlig relaxt auf dem weit nach hinten geschobenen Fahrersitz, die langen Beine lagen ausgestreckt auf dem Armaturenbrett. Sie trug abgeschnittene Jeans, ein kariertes Hemd und abgewetzte braune Cowboystiefel.

Ich überlegte, einfach wegzureiten. Die Fremde würde schon irgendwann weiterziehen. Aber dann starrte ich zum wolkenlosen Himmel hinauf. Dass sie schlief war eindeutig, und wenn sie noch lange hier lag, würde sie mit Sicherheit einen Sonnenstich bekommen. Außerdem befand sie sich auf meinem Land und ich hatte was dagegen, dass sich Fremde hier herumtrieben.

»Hey, wachen Sie auf«, sprach ich sie an und erhielt nicht die geringste Reaktion. Ich versuchte es erneut, lauter diesmal. Aber wieder keine Reaktion ihrerseits. Ärgerlich stieg ich vom Pferd und behielt dabei die Zügel locker in der Hand.

Ich berührte sie an der Schulter, schüttelte sie leicht und sagte abermals, ein bisschen ungehaltener inzwischen, »Miss, wachen Sie auf!«

Und tatsächlich, die Fremde regte sich langsam. Ihre Augenlider flatterten, sie streckte sich gemächlich im Ledersitz aus, noch bevor sie ihre Augen richtig öffnete. Unter dem großen Stetson blickten mich jetzt zwei blaugraue Augen an. Sie biss sich leicht auf die Unterlippe, sah sich kurz um, als müsste sie sich erst wieder daran erinnern, wo sie eigentlich war. Dann lächelte sie. Ein breites Lächeln, fast schon ein Grinsen, das ihre Augen auf wunderbare Weise strahlen ließ und eine Reihe leuchtend weißer Zähne entblößte.

Sie war wirklich hübsch, schoss es mir durch den Kopf und mir wurde es auf einmal ganz eng in der Brust. Schnell richtete ich mich auf und brachte genügend Abstand zwischen uns beide. Irgendwie war ich ihr gerade ziemlich nah auf die Pelle gerückt. Das schien sie allerdings nicht im Geringsten zu stören. Sie streckte sich abermals, hörte dabei nicht auf zu lächeln.

»Oh Mann, dann muss ich wohl eingeschlafen sein«, stellte sie fest und wirkte fast ein bisschen überrascht.

»Sieht ganz danach aus«, gab ich knapp zurück und fragte dann: »Was wollen Sie hier?«

Ich musste endlich weiter, denn ich hatte viel zu tun und konnte es mir nicht leisten, den ganzen Tag zu vertrödeln.

Sie nahm die langen schlanken Beine vom Armaturenbrett, richtete sich auf und blickte mich dabei unverwandt an.

»Leider habe ich eine Panne«, erklärte sie dann und schickte sich an, die Fahrertür zu öffnen. »Plötzlich begann es unter der Motorhaube herauszuqualmen.«

Automatisch warf ich einen kurzen Blick auf die geöffnete Motorhaube.

»Und da es hier nirgendwo Handyempfang zu geben scheint«, fuhr sie fort, »blieb mir also nichts anderes übrig, als auf meinen Retter in der Not zu warten.« Sie lächelte wieder. »Und Gott sei Dank, Sie sind endlich da.«

Die Fremde stieg aus und ließ mich dabei nicht aus den Augen, stattdessen musterte sie mich eingehend. Ein Funkeln ließ ihre Augen aufleuchten. »Und wow, ich habe Glück. Ein richtig Hübscher noch dazu.«

Vor Überraschung riss ich die Augen auf. »Flirten Sie etwa mit mir?«, stieß ich perplex hervor. Mein Kommentar ließ sie laut auflachen. »Sieht ganz so aus. Aber ich wollte Ihnen keine Angst machen. Wenn ich Ihr Handy benutzen darf, um Hilfe zu rufen, lasse ich Sie auch schon in Ruhe.«

Ich fühlte mich augenblicklich wie ein Idiot. War ich so dermaßen aus der Übung, was den Umgang mit Frauen anging? Ich dachte kurz an Freya, und die Enttäuschung und die Wut wollten wieder in mir emporsteigen. Schnell verdrängte ich den Gedanken an meine Ex-Verlobte. Das war nicht der passende Moment, um über Freya und unsere gescheiterte Beziehung nachzudenken. Wir hatten uns seit dem verhängnisvollen Moment in der Kirche nicht mehr gesehen und ich wollte, dass das auch so blieb. Mit Freya war ich ein für allemal fertig.

»Kann ich Ihr Handy jetzt haben?«, hakte die Fremde nach und riss mich aus meinen Gedanken.

»Ja klar«, stammelte ich verlegen und fühlte mich wieder wie ein Idiot. Oscar hatte sich derweil nicht vom Fleck gerührt und war ganz brav neben dem roten Mustang stehen geblieben. Jetzt drehte ich mich zu ihm um und holte das Satellitentelefon aus einer der beiden Satteltaschen.

»Sie fahren übrigens ein tolles Auto«, meinte ich, während ich Rogers Durchwahl wählte und mir dann das Telefon ans Ohr hielt.

Sie lehnte sich locker an die Karosserie und behielt mich genau im Blick. »Der Wagen ist ein Erbstück meines Großvaters. Leider ist er nicht mehr ganz so gut in Schuss, wie er sein sollte.«

Aufrichtiges Bedauern schwang in ihrer Stimme mit. Doch dann zuckte sie kurz mit den Schultern. »Leider verstehe ich nicht viel von Autos. Sonst würde ich die Kiste besser behandeln.«

Ich schaute sie an, während ich dem Freizeichen lauschte, dann ging Roger endlich ans Telefon.

»Was gibt’s, Boss?«, erklang seine Stimme am anderen Ende der Leitung. Er klang abgekämpft.

»Ich brauche deine Hilfe«, erklärte ich knapp und vernahm ein leises Schnaufen seinerseits.

Ohne auf Rogers Antwort zu warten, wies ich ihn an. »Ich brauche Kühlwasser und bring am besten gleich Motoröl mit. Auf der Straße nach Riverside, gleich hinter der großen Abzweigung, steht ein roter Ford Mustang am Straßenrand. Du kannst ihn gar nicht verfehlen.«

Nach einer kurzen Pause erwiderte er: »Geht klar, Boss. Das dauert aber ein Weilchen. Ich bin immer noch auf der Weide, die an den Nationalpark grenzt. Die Zäune sehen schrecklich aus. Die wieder zu flicken, wird eine Heidenarbeit werden.«

Ich unterdrückte einen Fluch. Das fehlte mir gerade noch. Schließlich hatte ich selbst gerade genügend Löcher entdeckt, die dringend repariert werden mussten. Sonst würden meine Rinder noch ausbüxen.

»Das erledigen wir zusammen«, sagte ich, weil ich wusste, dass die Arbeit für einen allein kaum zu schaffen war.

»Von mir aus gerne«, erwiderte Roger. »Allerdings habe ich noch eine schlechte Nachricht. Wir haben kaum noch Draht.«

Ich seufzte. Wenn es Probleme gab, kamen sie immer auf einmal.

»Sobald ich wieder auf der Ranch bin, bestelle ich welchen. Bis zur Lieferung müssen wir allerdings irgendwie auskommen.«

»Okay, das sollten wir hinkriegen«, erwiderte Roger schnaufend. »Dann reite ich jetzt zurück zum Haus und mache mich so schnell wie möglich auf den Weg.«

»Gut, ich danke dir. Bis gleich.«

Roger murmelte eine knappe Verabschiedung, dann war die Leitung tot und ich nahm das Telefon vom Ohr. Die Fremde hatte mich während des Gesprächs kaum aus den Augen gelassen.

»Einer meiner Mitarbeiter, sein Name ist Roger, ist auf den Weg hierher und kümmert sich um Ihren Wagen. Allerdings wird es eine Weile dauern, bis er hier sein kann. Die Ranch ist groß und momentan ist er ziemlich beschäftigt.«

Sie nickte. »Dann warte ich solange hier. Das ist gar kein Problem. Schließlich habe ich gerade sehr nette Gesellschaft.«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust und lenkte damit ungewollt meinen Blick auf ihr Dekolleté. Unter dem Ausschnitt ihres karierten Hemdes blitzte ein schwarzes Top hervor. Ich sah schnell weg und mein Blick kehrte zu ihrem Gesicht zurück. Geräuschvoll atmete ich aus.

»Wenn Sie mich damit meinen, muss ich Sie leider enttäuschen. Ich muss weiter, ich habe noch eine Menge Arbeit vor mir.«

»Schade«, sagte sie gedehnt und ihr Lächeln ließ ein bisschen nach. Ich drehte mich um und ging die zwei Schritte zu Oscar zurück. Während ich in den Sattel stieg, warf ich der Fremden noch einen letzten Blick zu.

»Es war nett, Sie kennenzulernen«, sagte ich und tippte mir zum Abschied an mein Basecap, während ich ihr kurz zunickte.

Das Lächeln kehrte auf ihr Gesicht zurück.

»Finde ich auch«, erwiderte sie. »Ich heiße übrigens Samantha Stewart. Verraten Sie mir vielleicht auch noch Ihren Namen?«

»Kane Sullivan«, entgegnete ich. Nicht, dass wir uns je wiedersehen würden. Was fast ein bisschen schade war. Aber dann schüttelte ich über diesen verrückten Gedanken leicht den Kopf. Nein, es war besser so. Frauen machten einem doch nur Scherereien. Mir zumindest.

Ich gab Oscar die Sporen, zog am Zügel und mein Pferd machte kehrt und verfiel kurz darauf in einen leichten Galopp. Ich sah lieber zu, dass ich schnell hier wegkam. Die Frau brachte mit Sicherheit Ärger war das Letzte, was ich dachte, bevor ich mich wieder meinen eigenen Problemen widmete.

Kapitel 4

Samantha

Ich blickte Kane hinterher, der lässig im Sattel saß und sein Pferd zu einem leichten Galopp antrieb. Ich schaute ihm so lange nach, bis er auf der staubigen, gewundenen Straße außer Sichtweite war, erst dann wandte ich mich wieder ab. Ich sah mich um und lehnte mich schließlich leise seufzend an mein Auto. Mit verschränkten Armen hoffte ich, dass dieser Roger nicht lange auf sich warten lassen würde.

Doch ich wartete und wartete. Hin und wieder blickte ich auf meine silberne Armbanduhr, die ich am linken Handgelenk trug. Die Zeit schlich dahin und von Hilfe war leider noch immer keine Spur. Ich überlegte, was ich tun könnte, um mir die Zeit ein bisschen zu vertreiben. Vielleicht sollte ich mich ins Auto setzen und Musik hören? Nein, dazu hatte ich keine Lust. Also beschloss ich mich lieber ein wenig umzusehen. Es war so idyllisch hier und es konnte schließlich nicht schaden, die Gegend zu erkunden. Zumindest bis dieser Roger endlich auftauchte. Ich stieß mich von der Karosserie ab und lief dann eine kleine Anhöhe hinauf. Das satte grüne Weidegras kitzelte mich an meinen nackten Beinen, während ich mit meinen Cowboystiefeln tief im Gras versank. Ich lief immer weiter und weiter, bis ich einen wunderbaren Blick auf die umliegenden Weideflächen und Koppeln hatte. In der Ferne konnte ich einen Zaun aus dicken Holzpfosten und Draht erkennen. Auf der Weide dahinter grasten Dutzende Rinder. Am Horizont türmten sich Ausläufer mächtiger Berge und auf ihren Gipfeln lag bereits Schnee. Ob das schon die Rocky Mountains waren, überlegte ich.

Die Sonne schien von einem strahlend blauen Himmel und ich sog die frische klare Luft tief in meine Lungen. Für einen kurzen Augenblick schloss ich die Augen und ließ einzig und allein die Geräusche der Natur auf mich wirken. Es war schön, einmal allein zu sein. Lange hatte ich mich nicht mehr so frei und unbeschwert gefühlt. Ein toller Moment.

In die Stille mischte sich schließlich das ersehnte Geräusch eines Motors. Ich öffnete die Augen und wandte mich schnell um. Und tatsächlich – auf der gewundenen staubigen Straße näherte sich ein schmutziger brauner Jeep.

Erleichtert hob ich meinen Arm zum Gruß, während ich den Hügel hinablief. Als ich mein Auto erreichte, kam auch der Jeep zum Stehen. Und nur einen Augenblick später ging die Fahrertür auf und ein Mann mittleren Alters stieg aus.

»Der Boss hat mir von Ihnen erzählt. Sie müssen Samantha sein.« Keine Frage, eher eine Feststellung.

Ich bejahte und wollte im selben Atemzug wissen: »Und Sie sind Roger, nicht wahr?«

Er trug T-Shirt und Jeans und statt des Basecaps, das Kane aufgehabt hatte, hatte Roger einen zerbeulten Stetson auf seinem Kopf sitzen. Er verzog das wettergegerbte Gesicht zu einem Lächeln und nickte. »Richtig. Der Boss schickt mich. Er sagte, Sie wären mit Ihrem Wagen liegen geblieben.«

Beeindruckt schnalzte er mit der Zunge, während er meinen Ford Mustang genauer beäugte.

»Ein Prachtstück«, meinte er schließlich anerkennend. »Allerdings bräuchte er ein bisschen mehr Pflege. Das würde ich nur zu gerne für Sie übernehmen.«

Ich zögerte kurz. »Eigentlich wollte ich nicht so lange in der Gegend bleiben«, erwiderte ich schließlich.

»Und wo wollen Sie hin?«, fragte Roger und wirkte dabei nicht im Geringsten neugierig, sondern lediglich interessiert.

Während er auf meine Antwort wartete, ging er zum Kofferraum seines Jeeps und öffnete ihn. Ich hingegen rührte mich nicht vom Fleck. Mit verschränkten Armen lehnte ich an der Fahrertür meines Autos und beobachtete Roger, der gerade zu mir zurückkam.

Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich noch nicht so genau«, sagte ich ehrlich. »Im Moment bin ich auf der Suche nach einem Aushilfsjob auf einer Ranch, wissen Sie.«

Roger, der mittlerweile vor der geöffneten Motorhaube stand und Wasser in den Kühler füllte, lächelte verschmitzt und gab zurück: »Was für ein Zufall! Der Boss hat genau so einen zu vergeben.« Interessiert gesellte ich mich zu ihm. »Das hat er vorhin gar nicht erwähnt.«

Roger blickte kurz zu mir auf, bevor er sich wieder meinem Auto widmete. »Haben Sie ihn denn danach gefragt?«

Ich schüttelte leicht den Kopf. »Nein, natürlich nicht.«

»Na, sehen Sie. Wenn Sie mich fragen, haben Sie nun zwei Möglichkeiten. Entweder Sie fahren zurück auf die Hauptstraße, dann kommen Sie direkt nach Riverside. Dort gibt es übrigens auch ein sehr nettes Hotel. Oder aber Sie kommen mit zum Haus und wir fragen, ob der Boss Ihnen den Job gibt. Dann könnten Sie erst einmal hierbleiben und in dieser Zeit könnte ich mich um dieses Prachtstück kümmern. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber der Zustand des Autos ist eine wahre Schande. Sie sollten den Wagen wirklich besser pflegen.«

Ich nahm Roger seine Ehrlichkeit nicht krumm. Schließlich wusste ich selbst am besten, dass er recht hatte.

»Glauben Sie denn, Kane würde mir den Job geben?«, fragte ich nachdenklich.

Roger zuckte mit den Schultern. »Da der Boss ziemlich dringend jemanden benötigt und es nicht gerade von Bewerbern wimmelt, wüsste ich nicht, was dagegensprechen würde.«

So schnell einen Job zu finden, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Aber das, was Roger sagte, klang vielversprechend. Der hatte mittlerweile Motoröl nachgefüllt und knallte schließlich die Motorhaube meines Mustangs zu: »Und ich kümmere mich dann um Ihr Auto«, bot er abermals an und klang dabei sehr hoffnungsvoll.

Ich reichte ihm die Hand. »Geht klar«, sagte ich, als er einschlug. »Wenn ich den Job bekomme, dürfen Sie mein Auto auf Vordermann bringen.«

Roger grinste selig. Da schlug jemandes Herz also für Oldtimer. »Dann sind wir uns einig. Woher kommen Sie eigentlich? Sie sind auf jeden Fall nicht aus der Gegend«, fügte er gleich darauf hinzu und traf mit seiner Vermutung ins Schwarze.

Ich nickte zustimmend. »Richtig geraten. Ich bin wirklich nicht aus der Gegend. Ich komme aus Kalifornien. Aus San Diego, um genau zu sein.«

Beim Lügen war es wichtig, immer so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben. Dann war die Gefahr geringer, sich später in Widersprüche zu verheddern.

Roger schaute mich überrascht an. »Und was treibt Sie von San Diego hierher, in diese gottverlassene Gegend?«

Ich zögerte einen Moment und überlegte, was ich auf diese Frage antworten sollte. Dann erwiderte ich schließlich ausweichend: »Mich hat wohl einfach die Abenteuerlust gepackt.«

Im Grunde stimmte das ja sogar.

Roger musterte mich nachdenklich. Es war schwer zu sagen, ob er mir glaubte oder nicht. Auf jeden Fall gab er sich mit meiner Antwort für den Moment zum Glück zufrieden. Ohne weiter nachzubohren nickte er und ließ das Thema schließlich auf sich beruhen.

»Dann lassen Sie uns fahren. Mal sehen, was der Boss sagt«, schlug er vor.

Roger ging zu seinem Jeep zurück, während ich mich anschickte, in meinen Mustang zu steigen. »Fahren Sie mir einfach hinterher«, meinte Roger grinsend und ich nickte. Sofort machte sich das wohlige Gefühl der Vorfreude gepaart mit einer gehörigen Portion Aufregung in mir breit.

Ich folgte Roger, der jetzt mit seinem Jeep in gemächlichem Tempo vor mir herfuhr. Sein Wagen wirbelte kleine Staubwölkchen auf der trockenen Straße auf und ich hielt vorsichtshalber Abstand. Interessiert blickte ich mich um und sah nichts außer satten grünen Weideflächen.

Endlich kam ein Haus in Sicht. Beim Anblick des roten Farmhauses begann mein Herz schneller zu schlagen. Ein Jeep und ein Ford Pick-up parkten davor. Beide Autos waren staubig und mit verkrustetem Schlamm bespritzt. Ich tat es Roger gleich und parkte nun ebenfalls vor dem Haus. Bevor ich ausstieg, schaute ich es mir genauer an. Es hatte eine rote Fassade und die weißen Fensterrahmen und Fensterläden bildeten einen tollen Kontrast zum Rest des Hauses. Eine große weiße Haustür schmückte die Vorderseite. Um das Haus herum verlief die Veranda. Eine Schaukel baumelte an einer schweren Kette und bewegte sich keinen Millimeter in der heißen, trockenen und windstillen Luft. Auf der anderen Seite der Veranda stand eine verwitterte Holzbank. Es fiel mir nicht schwer, mir Kane vorzustellen, wie er nach einem langen Arbeitstag auf dieser Bank saß, vielleicht den Sonnenuntergang beobachtete und dabei ein Bier trank.

Seltsamerweise musste ich bei diesem Gedanken lächeln. Wie er wohl gleich reagieren würde, wenn er mich wiedersah, fragte ich mich und wurde nun ein bisschen nervös. Ich musste zugeben, dass Kane es geschafft hatte, mich ein wenig durcheinanderzubringen.

»Möchtest du denn gar nicht aussteigen?«, fragte Roger, der jetzt neben meiner Fahrertür stand und mich neugierig musterte. Überrascht blickte ich ihn an. Ich war völlig in Gedanken versunken gewesen.

»Vorm Boss brauchst du nun wirklich keine Angst zu haben«, ermunterte er mich. »Manchmal ist er ein bisschen schroff, aber in Wirklichkeit ist er ganz zahm.« Er lächelte breit und nickte mir beruhigend zu.

Ich gab mir endlich einen Ruck, stieg aus meinem Auto und folgte Roger, der die Verandastufen nach oben stieg und die weiße Eingangstür öffnete.

Kane

Gereizt beendete ich mein Telefongespräch und warf dann das Handy frustriert auf meinen Schreibtisch. McKinley, dieser alte Gauner, hatte die Preise für seinen Draht schon wieder erhöht. Alles Verhandeln half nicht. Er war partout nicht dazu bereit gewesen, mit dem Preis runterzugehen. Kaufen musste ich den Draht trotzdem bei ihm. Denn leider war er nun mal der schnellste und zuverlässigste Lieferant in der Gegend und wir brauchten den Draht dringend, damit wir die Löcher im Zaun so schnell wie möglich reparieren konnten. Seufzend lehnte ich mich in meinem Schreibtischstuhl zurück und schloss die Augen.

Hatten Freya und Riley am Ende recht gehabt? War es wirklich Wahnsinn, die Ranch zu kaufen und mein ganzes Geld in dieses Land zu investieren? Bis jetzt hatte sie mir nicht viel eingebracht, außer einen Haufen Ärger. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich fragte, was passiert wäre, wenn ich damals nicht so leichtsinnig gewesen wäre und meine gesamten Ersparnisse investiert hätte. Wären Freya und ich dann noch zusammen? Ich dachte an die geplatzte Hochzeit und Enttäuschung kam wieder in mir hoch. Verdammt, wann würde das je aufhören? Dieser Tag war der bisher schlimmste in meinem ganzen Leben gewesen, und das wollte etwas heißen.

Nur zuzugeben, dass ich mit dem Kauf der Ranch einen Fehler gemacht hatte, wäre vielleicht noch schlimmer. Ich hatte so viele Pläne für dieses Land gehabt und nichts davon hatte ich bis heute umsetzen können. Mittlerweile dachte ich sogar tatsächlich darüber nach, hinzuschmeißen und alles wieder zu verkaufen. Mitten in diesen Gedanken klopfte es plötzlich an meiner offenen Bürotür. Überrascht hob ich den Kopf; Roger streckte seinen gerade zur Tür herein.

»Ich hoffe, wir stören nicht, Boss«, sagte er.

»Wir?«, fragte ich überrascht.

Er kam herein und einen Augenblick später betrat Samantha mein Büro. Überrascht starrte ich sie an. Ich hatte nicht erwartet, sie wiederzusehen. Schon gar nicht in meinen eigenen vier Wänden.

»Was machen Sie denn noch hier?«, fragte ich. »Ich dachte, Sie wären längst weitergefahren.«

Sie zuckte kurz mit den Schultern. »Ich bin auf Jobsuche und Roger hat mir erzählt, dass Sie einen zu vergeben haben.«

Ich warf Roger einen schnellen Blick zu. Auf was für Ideen der Mann kam. Das konnte wohl kaum sein Ernst sein. Sie war für den Job mehr als ungeeignet. Nachdenklich strich ich mir die Haare zurück.

»Da hat Roger sich leider getäuscht. Der Job ist nicht mehr zu haben.«

Zwei Augenpaare starrten mich überrascht an.

Roger wollte gerade den Mund aufmachen und etwas erwidern, aber Samantha kam ihm zuvor.

»Wollen Sie mir den Job nicht geben, weil ich eine Frau bin?« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und mein Blick glitt unweigerlich zu ihrem verführerischen Dekolleté.

Roger klappte seinen Mund unverrichteter Dinge wieder zu und unterdrückte nur mühsam ein Schmunzeln.

Seufzend antwortete ich: »Nein, es liegt nicht daran, dass Sie eine Frau sind. Bitte verzeihen Sie, wenn ich Ihnen zu nahe trete«, fügte ich ironisch hinzu. »Aber die Arbeit ist hart und körperlich anstrengend. So wie Sie aussehen, bringen Sie keine sechzig Kilo auf die Waage, und ich glaube einfach nicht, dass Sie der Anstrengung, die der Job mit sich bringt, gewachsen sind«, versuchte ich diplomatisch zu formulieren, dass ich sie nicht haben wollte.

Sie kam näher, fixierte mich mit ihren herrlichen blaugrauen Augen. Waren das Kontaktlinsen? Oder hatten ihre Augen wirklich diese intensive Farbe?

»Geben Sie mir eine Chance und ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen.«

Roger räusperte sich leise hinter Samantha und schien sich über dieses Gespräch prächtig zu amüsieren.

»Du hast doch sicher zu tun«, wandte ich mich ihm zu und Roger hüstelte verlegen.

»Klar, Boss«, murmelte er dann und setzte seinen zerbeulten Stetson wieder auf sein bereits leicht ergrautes Haupt.

»Am besten, ich mache mich daran, die nächsten Löcher in den Zäunen zu flicken«, informierte mich Roger und ich nickte zustimmend. »Gute Idee. Wir sehen uns dann später.«

Roger neigte seinen Kopf und machte sich lächelnd auf den Weg zurück an seine Arbeit. Dass ich diese Unterhaltung führen musste, hatte ich ihm zu verdanken, dachte ich säuerlich und verteufelte ihn innerlich.

»Haben Sie denn schon einmal auf einer Ranch gearbeitet?«, fragte ich seufzend. Leider brauchte ich wirklich dringend mehr Personal, aber es war kaum noch jemand bereit, für den Lohn, den ich zahlen konnte, zu schuften. Die Auswahl an geeigneten Bewerbern war daher ziemlich begrenzt.

»Nein«, gab sie zu und schüttelte dabei leicht den Kopf. »Aber wie anspruchsvoll kann die Arbeit schon sein? Sicher lerne ich das alles im Handumdrehen.«

Ich schnaubte leise. War sie wirklich dermaßen eingebildet, dass sie das im Ernst meinte? Was glaubte sie, was wir hier taten? Meine Ranch war schließlich kein Ponyhof. Vielleicht sollte ich ihr eine kleine Lektion erteilen.

»Ich habe zwar noch nie auf einer Ranch gejobbt, allerdings kann ich reiten«, informierte sie mich eilig, bevor ich dazu kam, etwas zu erwidern. Angestrengt musterte ich sie und ich nahm ihr die Geschichte keine Sekunde lang ab. Ich würde jede Wette eingehen, dass sie noch nie auf dem Rücken eines Pferdes gesessen hatte.

»Haben Sie sonst noch irgendwelche Referenzen, die Sie auch nur annähernd für den Job als Farmhelferin qualifizieren?«, fragte ich und wusste genau, dass ich gleich ein »Nein« zu hören bekommen würde. Und tatsächlich schüttelte sie den Bruchteil einer Sekunde später abermals den Kopf. Na, herrlich!

»Hören Sie, ich will Ihnen wirklich nicht zu nahe treten, aber ich sagte ja schon, die Arbeit auf einer Ranch ist hart und anstrengend. Das ist kein Zuckerschlecken und wirklich nicht für jeden. Wir stehen morgens früh auf und gehen abends spät ins Bett. Es gibt eine Menge Tiere, um die wir uns kümmern müssen. Es sind Zäune zu reparieren, Ställe auszumisten und jeden Tag Dutzende anderer Dinge zu tun. Und das Leben in Montana ist ganz und gar nicht leicht. Die Sommer sind heiß und trocken und die Winter lang, hart und schneereich.«

Selbst wenn sie jetzt in der Gegend bleiben und anderswo eine Anstellung finden sollte, war ich mir ziemlich sicher, dass sie niemals bis zum nächsten Winter durchhalten würde. Wahrscheinlicher war, dass sie nicht mal den nächsten Monat überstand.

»Um es kurz zu machen«, fuhr ich fort, »der Job ist nichts für Sie. Nichts für ungut.«

Sie verschränkte die Arme erneut vor der Brust und ging eindeutig auf Konfrontation.

»Sind Sie jetzt fertig mit Ihrer kleinen Ansprache?«, fragte sie für meinen Geschmack etwas zu vorlaut.

Ich lehnte mich lässig auf meinem Stuhl nach hinten und war gespannt, was sie zu sagen hatte.

»Nur zu, wenn Sie anderer Meinung sind, können Sie mich gerne eines Besseren belehren.«

»Ja, durchaus«, erwiderte sie, kam näher und baute sich vor meinem Schreibtisch auf. Süß war sie, das musste man ihr lassen. Ein bisschen dünn, aber trotzdem sehr süß. Leider! Sie hatte wirklich hübsche Augen, umrahmt von dichten langen Wimpern, eine kleine Nase und volle Lippen. Die blonden Haare reichten ihr knapp bis auf die Schultern und fühlten sich bestimmt genauso herrlich weich an wie sie aussahen. Allerdings redete sie auch ganz schön viel. Jetzt zum Beispiel plapperte sie ohne Unterlass. Dumm nur, dass ich ihr gerade überhaupt nicht zugehört hatte, sondern viel zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sie anzustarren. Ich räusperte mich und versuchte mich dann wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und das war, sie so schnell wie möglich loszuwerden.

»Sagen Sie mal, haben Sie mir überhaupt zugehört?« Sie tippte mit ihren Cowboystiefeln ungeduldig auf den Boden.

Nicht eine Sekunde.

»Aber sicher.« Ich log, dass sich die Balken bogen.

Sie beäugte mich misstrauisch.

»Gut, dann sind wir uns ja einig«, stellte sie fest und wirkte dabei selbst ein bisschen überrascht.

Halt! Womit waren wir uns einig? Irgendetwas Wichtiges schien ich gerade verpasst zu haben.

Samantha hingegen wirkte äußerst zufrieden, was mich wiederum ziemlich nervös machte. Sie kam zu mir und ich sah mich gezwungen, mich hinter meinem Schreibtisch zu erheben. Lächelnd streckte sie mir die Hand entgegen.

»Dann haben wir also einen Deal?«

Keine Ahnung, hatten wir den?

Etwas hilflos schaute ich sie an und zuckte dann leicht mit den Schultern. Ich hätte ihr vorhin wirklich zuhören sollen.

»Sieht ganz so aus«, erwiderte ich vage und wusste noch immer nicht, wovon sie eigentlich sprach. Sie hatte mich völlig überrumpelt. Aber eins war sogar mir mittlerweile klar geworden: Ich war gerade dabei, einen Riesenfehler zu machen. Aber anstatt diesen Fehler zu korrigieren, streckte ich wie von selbst meine Hand aus und schlug ein. Was hatte die Frau nur an sich, dass sie es schaffte, mich dermaßen um den Finger zu wickeln? Denn es war nun offiziell, ich war verrückt geworden.

Sie lächelte. »Nach den drei Monaten werden Sie mich nicht mehr gehen lassen wollen«, prophezeite sie selbstsicher, und auch daran hatte ich meine Zweifel.

Drei Monate, das war nicht so schlimm, wie ich gedacht hatte. Drei Monate, das war nichts. Die würde ich doch sicher ohne Schaden zu nehmen überstehen.

»Ich kann nicht besonders viel zahlen«, informierte ich sie und hegte dabei die leise Hoffnung, sie doch noch zu vergraulen. Aber nichts da, sie zuckte nur mit den Schultern.

»Das macht mir nichts aus«, erwiderte sie gelassen.

»Klopf, klopf, ist jemand zu Hause?«, schallte plötzlich eine Stimme durch den Flur und einen Augenblick später streckte Dave seinen Kopf zur geöffneten Bürotür herein. Samantha wirbelte herum und Dave hob interessiert eine Augenbraue, als er sie sah.

»Soll ich vielleicht später wiederkommen?«, fragte er und warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich schüttelte schnell den Kopf. »Nicht nötig«, erwiderte ich ein bisschen gereizt.

»Die Einzelheiten besprechen wir später«, wandte ich mich an Samantha, die bereitwillig nickte und mit einem »Meinetwegen« zustimmte.

»Und mit wem habe ich jetzt das Vergnügen?«, wandte sie sich an Dave und ging auch schon auf ihn zu, um ihm zur Begrüßung die Hand zu reichen. Schüchtern und zurückhaltend war sie nicht. Dave strahlte von einem Ohr zum anderen, als er erwiderte: »Ich bin Dave Johnson, der hiesige Tierarzt. Das Vergnügen ist ganz meinerseits. Und wer sind Sie?«

Samantha lächelte charmant. »Samantha Stewart. Nett, Sie kennenzulernen.«

»Das finde ich auch«, gab Dave zurück.

»Lass uns endlich anfangen«, mischte ich mich ungehalten ein. Diese Unterhaltung fing jetzt schon an, mich tierisch zu nerven. »Du bist schließlich nicht umsonst hergekommen«, fügte ich hinzu.

Dave riss sich endlich von Samanthas Anblick los und wandte sich mit geröteten Wangen mir zu. Leise räusperte er sich.

»Sicher, von mir aus kann es losgehen.«

Ich schickte mich an, mein Büro zu verlassen. »Womit anfangen?«, schaltete sich Samantha ein. Ich antwortete ihr nicht, stattdessen machte ich mich wortlos auf den Weg nach draußen. Für Erklärungen hatte ich jetzt keine Zeit. Wir mussten endlich wieder an die Arbeit gehen. Dave folgte mir. Leider ließ sich Samantha nicht abschütteln und auch nicht vertrösten. Stattdessen lief sie eilig hinter uns her und löcherte uns mit Fragen.

»Was habt ihr denn vor? Wartet doch, ich komme mit!«

»Das hatte ich befürchtet«, raunte ich leise, setzte meinen Weg aber unbeirrt fort und genauso unbeirrt heftete sich Samantha an unsere Fersen.

Als ich gefolgt von ihr auf den Hof trat, stand Chris, ein anderer meiner Angestellten, schon neben dem Anhänger, den Dave hergebracht hatte, und war bereit, beim Abladen von Gordon, dem Bullen, zu helfen.

»Dann wollen wir den Prachtkerl mal befreien«, sagte Dave und ging zum Anhänger hinüber. Er öffnete die Ladeklappe und einen Moment später dirigierte er Gordon am Führstrick rückwärts aus dem Hänger. Der Bulle schritt langsam über die Planke. Hinter mir hörte ich Samantha nach Luft schnappen. Ich warf ihr einen kurzen Blick zu und musste unwillkürlich lächeln. Bei Gordons Anblick war ihr der Mund offen stehengeblieben.

»Beeindruckt?«, fragte ich und sie starrte mich an. »Der Bulle ist riesig. Was passiert mit ihm?«

Dave gesellte sich zu uns, nachdem er Gordon an Chris übergeben hatte, der ihn seinerseits bereits auf die Weide hinter dem Stall führte.

»Kane will seine Rinder decken lassen«, mischte sich Dave in unser Gespräch ein und ich stöhnte innerlich auf. Er beugte sich näher zu Samantha und warf mir dabei einen kurzen Seitenblick zu. Er lächelte, als er weitersprach: »Kane könnte seine Rinder auch künstlich besamen lassen, aber er bevorzugt die altmodische Art, wenn Sie wissen, was ich meine.«

Samanthas Wangen wurden von einer gesunden Röte überzogen, während sie knapp nickte. Dave grinste breit. Und ich schüttelte nur den Kopf. Dave konnte manchmal ein richtiger Idiot sein.

»Ich gehe nachsehen, ob Chris Hilfe braucht«, informierte ich die beiden und machte mich auch schon auf den Weg zur Weide. Samantha und Dave folgten mir und einen Augenblick später standen wir am Zaun und sahen Chris dabei zu, wie er den Führstrick entfernte und Gordon und meine Kühe sich selbst überließ.

Nachdenklich beobachtete Samantha die Szenerie.

»Und das reicht?«

»Was meinen Sie damit?«, fragten Dave und ich gleichzeitig.

Samantha lächelte. »Na ja, Sie bringen den Bullen einfach auf die Weide zu Ihren Kühen und warten darauf, dass er Ihre Kühe deckt?«

Ich nickte, während Dave nur dämlich grinste. Aber einen kleinen Scherz konnte selbst ich mir auf diese Frage nicht verkneifen.

»Was haben Sie erwartet, dass ich was Nettes koche, romantische Musik anmache und Kerzen anzünde?«

Samanthas Wangen färbten sich erneut rot und ich sah die Wut in ihrem Blick aufflackern. So brüskiert zu werden, schien ihr gehörig gegen den Strich zu gehen.

Dave lachte herzlich über meinen Witz und mir gelang es nur mehr schlecht als recht, ein breites Grinsen zu unterdrücken. Gerade als Samantha einen Kommentar abgeben wollte, ergriff Dave erneut das Wort: »So gerne ich eurer Plauderei weiter lauschen würde, aber ich muss mich jetzt leider verabschieden. Die Arbeit ruft.«

Dave wandte sich an Samantha.

»Lassen Sie sich von Kane nicht ärgern. In Wirklichkeit ist er nicht so fies, wie er vorgibt zu sein, sondern zahm wie ein Lämmchen.«

Daves Grinsen verstärkte sich, als ich entgegnete: »Sieh zu, dass du endlich verschwindest.«

»Schon gut, schon gut. Ich mache mich ja schon davon. Samantha, war wirklich nett, Sie kennenzulernen«, sagte er nun und streckte ihr zum Abschied die Hand entgegen. »Ich hoffe, Sie haben es sich gut überlegt, den Job anzunehmen. Sollten Sie sich hier draußen einsam fühlen, dann scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen. Kane hat ja meine Nummer«, merkte er augenzwinkernd an.

»Auf Wiedersehen«, sagte ich nachdrücklich, bevor sich Dave noch die Zähne locker quatschte.

»Bin schon weg«, meinte er versöhnlich und steuerte auf sein Auto zu. Doch als er sich schon ein paar Schritte entfernt hatte, blieb er noch einmal stehen und sah sich nach uns um.

»Bevor ich es vergesse: Wenn ich den Bullen abhole, untersuche ich deine Kühe und dann werden wir sehen, wie viele trächtig sind. Einverstanden?«

Ich nickte. »Einverstanden. Wir bleiben in Kontakt.« Dave tippte sich zum Abschied an den Hut, den er mittlerweile aufgesetzt hatte, und schlenderte zu seinem Auto zurück.

Schweigend stand Samantha neben mir und ich überlegte abermals, wie ich sie loswerden konnte.

»Sie sollten erst mal ins Hotel fahren und morgen wiederkommen. Oder noch besser, erst am Montag.«

»Ins Hotel?«

Sie schaute mich verdutzt an und ich nickte. »Ja, Sie steigen jetzt in Ihr Auto und fahren die Schotterstraße zurück, auf der Sie gekommen sind. Wenn Sie die Hauptstraße erreichen, halten Sie sich links, dann können Sie Riverside gar nicht verfehlen. Die Stadt ist nicht besonders groß.«

Ich wollte mich umdrehen und gehen. Ich hatte noch zu arbeiten und keine Zeit, den Babysitter zu spielen.

»Ich will nicht im Hotel wohnen«, hielt mich Samantha zurück. »Wo dann?«, fragte ich seufzend.

»Wie wäre es, wenn ich die nächsten drei Monate einfach bei Ihnen einziehe?«, schlug sie vor.

»Was?«, stammelte ich.

Samantha machte eine allumfassende Geste. »Ihr Haus ist ja wohl groß genug. Sie haben doch sicher ein Gästezimmer, in dem ich unterkommen kann.«

»Nein«, wiegelte ich energisch ab. Ich wollte sie auf keinen Fall hier wohnen haben. Sie würde mich nur von der Arbeit ablenken, da war ich mir ziemlich sicher.

»Das klang aber vorhin ganz anders«, meinte sie vorwurfsvoll. »Vorhin?«

Samantha nickte. »Ja, als wir uns in Ihrem Büro unterhalten und uns auf die drei Monate Probezeit geeinigt haben.«

Ach, das Gespräch, bei dem ich nicht zugehört hatte, weil ich zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sie mit den Augen zu verschlingen. Dieses Gespräch meinte sie also.