Kia Ora – Secret of Love - Christel Siemen - E-Book
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Kia Ora – Secret of Love E-Book

Christel Siemen

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Beschreibung

Der letzte Teil der herzergreifenden und tief bewegenden Familien-Saga vor der traumhaften Kulisse Neuseelands. Der junge Maori-Nachkomme Tane steht auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Etwas orientierungslos und auf der Suche nach seiner Berufung absolviert er ein landwirtschaftliches Praktikum im fernen Deutschland. Zum ersten Mal in Tanes Leben ist er angekommen, knüpft Freundschaften und wehrt sich nicht gegen die aufkeimenden Gefühle, die er für die Bauerntochter entwickelt. Doch plötzlich bricht die grausame Wirklichkeit über ihn herein, als das Schicksal gleich mehrmals erbarmungslos zuschlägt. Völlig überfordert von seinen Gefühlen reist er überstürzt zurück in seine Heimat. Auf der elterlichen Rinderfarm ist jedoch nichts, wie es war, und Tanes angekratzte Seele kommt nicht zur Ruhe. Erst als er der geheimnisvollen Grace begegnet und durch sie die Freuden der körperliche Liebe kennenlernt, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Doch weiß Tane, was wahre Liebe bedeutet? »Kia Ora« von Christel Siemen ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!

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Christel Siemen

Kia Ora Secret of Love

Neuseelandroman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Der junge Maori-Nachkomme Tane steht auf der Schwelle zum Erwachsenwerden. Etwas orientierungslos und auf der Suche nach seiner Berufung absolviert er ein landwirtschaftliches Praktikum im fernen Deutschland. Zum ersten Mal in Tanes Leben ist er angekommen, knüpft Freundschaften und wehrt sich nicht gegen die aufkeimenden Gefühle, die er für die Bauerntochter entwickelt.

Doch plötzlich bricht die grausame Wirklichkeit über ihn herein, als das Schicksal gleich mehrmals erbarmungslos zuschlägt. Völlig überfordert von seinen Gefühlen, reist er überstürzt zurück in seine Heimat. Auf der elterlichen Rinderfarm ist jedoch nichts, wie es war, und Tanes angekratzte Seele kommt nicht zur Ruhe. Erst als er der geheimnisvollen Grace begegnet und durch sie die Freuden der körperlichen Liebe kennenlernt, scheint sich alles zum Guten zu wenden. Doch weiß Tane, was wahre Liebe bedeutet?

Inhaltsübersicht

PrologSchützenfestWas ist mit mir?Das erste MalDas UnglückKaum HoffnungDein ranginuiVerwüstungMarkusUnbenannte GefahrLiebeskummerMilchkriseDie CliqueZukunftsideeIn der Bucht von HaheiGast auf Tangata WhenuaVöllig ahnungslosDie VersuchungChristmas Day ParadeWeihnachtenViel zu frühWaisenkindAuf Wolke siebenMir ist so heiß!FassungslosIm Stich gelassenDie FluchtGeysireUngewissheitÜberraschungsgastDie Wahrheit kommt ans LichtWird’s bald!Na warte!AngekommenFamilienverhältnisse
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Für meine Mama

Für meinen Papa

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Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, muss aber vorwärts gelebt werden.

 

Søren Kierkegaard

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Prolog

Sohn eines Landwirtes aus Wittmarschen bricht bewusstlos zusammen!

Der Tod durch sogenannte Kloakengase ist eine ständige Gefahr auf dem Land. Obwohl die Wirkung der Faulgase den Landwirte seit Generationen bekannt ist, kommt es immer wieder zu tödlichen Unfällen. Die Zahl der Opfer ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen, auch weil es immer mehr Biogasanlagen in Deutschland gibt, in denen die Gase unter perfekten Bedingungen entstehen können. Schwefelwasserstoff, der in den modernen Anlagen, aber auch in altmodischen Güllegruben bei faulender Biomasse entweicht, ist ein tückischer Stoff. In geringer, unschädlicher Konzentration riecht es nach faulen Eiern – in tödlicher Menge nimmt man es gar nicht mehr wahr, weil der ätzende Stoff die Riechnerven sofort ausschaltet.

Wir fragen uns, ob die Sicherheitsvorkehrungen, die die Berufsgenossenschaften für die modernen Biogasanlagen vorschreiben, ausreichen? Hätte das Unglück verhindert werden können? Der aktuelle Fall am vergangenen Wochenende auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in Wittmarschen veranschaulicht, wie …

 

Eine große Luftaufnahme vom Hof der Schulze-Wenningers prangte über dem Artikel. Deutlich waren die großen Silotöpfe der Biogasanlage zu erkennen.

»Diese Schmierfinken!«

Wütend zerknüllte Tane van Wyk die Zeitung und schmiss sie in den Fußraum. Seine Fäuste ballten sich zusammen. Und wieder mal kam ihm der beißende Gedanke, wie er das Unglück hätte verhindern können.

Er stierte vor sich hin und bemerkte gar nicht, wie ihn die Stewardess mehrmals ansprach. Etwas hilflos stand sie mit dem Abendessen vor ihm.

»Sir, geht es Ihnen gut?«

»Ja. Ähm …«

»Darf ich Ihnen das Essen servieren?«

»Nein, ich habe keinen Hunger«, rief er etwas zu ruppig aus. »Entschuldigung«, sagte er schnell. Die Stewardess konnte schließlich nichts dafür, dass er schlecht drauf war.

»Haben Sie sonst einen Wunsch?« Fragend blickte die hübsche junge Frau ihn erneut an.

Tane schwieg und blickte zu dem kleinen Fenster hinaus. Dabei gab es gar nichts zu sehen. Es war bereits stockdunkel.

Die Stewardess zuckte mit den Schultern und fuhr mit ihrem Wägelchen weiter durch die Sitzreihen.

Tane saß im Flieger und war auf dem Weg zurück in seine Heimat, auf die Nordinsel Neuseelands. Dort war seine Heimat, auf der Rinderfarm »Tangata Whenua«. Die Farm lag auf der Coromandel-Halbinsel, in der Nähe der Bucht von Hahei. Sein Auslandsjahr in Deutschland war beendet, und sein Visum würde in wenigen Tagen ablaufen.

Er wurde das traurige Bild, das sich immer wieder hinter seinen geschlossenen Lidern auftat, einfach nicht mehr los. Wie in einem Zeitraffer liefen die Ereignisse des gestrigen Tages vor seinem geistigen Auge ab.

Im Flugzeug wurde das Licht gedimmt. Die Nacht setzte ein. Die Passagiere senkten ihre Rückenlehnen, so weit es ging, und schlossen die Augen. Der Geräuschpegel ebbte ab. Allmählich wurde es ruhiger im Flieger. Die Stewardessen gingen auf ihre Plätze zurück.

Tane, der dringend einige Stunden Schlaf gebraucht hätte, konnte nicht einschlafen, obwohl er hundemüde war. In der letzten Nacht hatte er auch schon keine Ruhe gefunden.

[home]

Schützenfest

Es war Schützenfest in der Bauernschaft. Während Tane auf dem Herren-WC vor dem Spiegel stand, beobachtete er sich amüsiert und zog grinsend einen Flunsch.

»Junge, du hast auch schon mal besser ausgesehen«, sagte er lachend und setzte sich seinen Strohhut wieder auf. Dann kehrte er zu seinen Freunden an die Biertheke zurück.

Die Landjugend stand an der Vogelstange und feuerte zwei Freunde an, die im Wettstreit dabei waren, den Holzvogel von der hohen Stange herunterzuschießen. Es lockte die Königswürde. Die Familien aus der Gemeinde hatten sich an diesem späten Vormittag auf der Lichtung inmitten eines Buchenwaldes versammelt. Es war Anfang Mai, und zur hellen Freude der Bevölkerung lachte die Sonne vom strahlend blauen Himmel. Mit vierundzwanzig Grad war es ideales Wetter für einen Frühschoppen in geselliger Runde.

»Wetten, dass du uns vermissen wirst, wenn du wieder in deiner Heimat bist?«, meinte Markus lachend und klopfte Tane auf die Schulter.

»Kann sein«, prostete Tane seinem Freund mit einem frisch gezapften Bier zu. Zum Zeichen hielt er sein Glas demonstrativ in die Höhe und stieß mit Markus an. »Prost.«

Tane musste immer schmunzeln, wenn er das deutsche Wort »Prost« verwendete. Seine Muttersprache war Englisch. Der deutsche Trinkspruch klang ulkig in seinen Ohren. Seine Mutter Maggie benutzte das Wort auch manchmal. Sie war eine gebürtige Deutsche, genauso wie Chiara, die Nichte seiner Mutter.

Maggie legte großen Wert darauf, dass ihr Sohn zweisprachig aufwuchs. Manchmal wurde zu Hause ein munteres Kauderwelsch gesprochen.

Als Tane letztes Jahr nach seinem Schulabschluss keine Ahnung gehabt hatte, was er werden sollte, hatte der Vater auf eine landwirtschaftliche Ausbildung oder auf den Besuch der Agrarhochschule gedrängt. Auf Schule hatte Tane damals aber »keinen Bock« mehr gehabt. Dabei standen ihm nach einem guten Bursary, das war der neuseeländische Abschluss nach dreizehn Jahren Schule, alle Wege offen.

»Ich bin nicht dafür geschaffen, den ganzen Tag über den Büchern zu hocken. Ich bin ein Freigeist und kein Stubenhocker«, war Tanes lapidare Antwort gewesen. Sehr zum Leidwesen seiner Mutter, die aufgrund seiner guten Noten, besonders in den Fächern der Naturwissenschaften, darauf gedrängt hatte, sein Lernpotenzial nicht zu verschenken. Nach langem Hin und Her hatten sie sich darauf geeinigt, dass er vorerst für ein Jahr als landwirtschaftlicher Praktikant nach Deutschland gehen würde. Chiaras deutscher Vater hatte ihm über seine Kontakte einen Job auf einem großen Bauernhof im Münsterland verschafft. Gegen Kost und Logis und ein kleines Taschengeld sollte er dort alles rund um die Landwirtschaft kennenlernen.

Mit Markus, der mit einundzwanzig Jahren fast gleich alt war wie Tane, hatte er sich von Anfang an sehr gut verstanden. Markus war angehender Landwirt. Er lebte zwar auf dem elterlichen Hof, ging tagsüber aber einer landwirtschaftlichen Ausbildung auf einem befreundeten Betrieb im Nachbarort nach. Er sollte später einmal den Hof übernehmen.

Die beiden Jungen gingen durch dick und dünn. Die Gastmutter, Elisabeth Schulze-Wenninger, behauptete immer, die ersten grauen Haare hätte sie den jungen Männern zu verdanken. »Mit dem Unsinn, den ihr beiden euch den ganzen Tag ausdenkt, bin ich grau, bevor das Jahr zu Ende geht. Ich dachte, in eurem Alter ist die Pubertät längst vorbei. Aber ihr lehrt mich eines Besseren«, kam es von ihr, wenn die jungen Männer es mal wieder zu toll getrieben hatten.

Tane hatte durch Markus den Anschluss zu den Jugendlichen im Ort bekommen.

Es verging kaum ein freier Abend, an dem sie nicht mit der Clique unterwegs waren. Im Winter war nicht viel los gewesen. Deshalb hatten sie sich in der Zeit in der Scheune eine alte Karre zu einem zünftigen Karnevalswagen umgebaut. Sie war mit Zapfanlage, Sitzgelegenheiten und entsprechender Musikbeschallung ausgestattet worden. Dadurch hatte Tane auch den deutschen Karneval kennengelernt.

Bereits in Neuseeland war er kein Kind von Traurigkeit gewesen, und er musste zugeben, auch hier in Deutschland wussten die Menschen Feste zu feiern. Er fühlte sich hier wohl und hatte keine Mühe, Freundschaften zu schließen. Überall war er beliebt und gern gesehen.

Neugierig hatte Tane reagiert, als zum ersten Mal der Begriff »Schützenfest« gefallen war.

»Schützenfest? Was ist das wieder für eine Vokabel? Das Wort habe ich bisher nie gehört. Ihr habt eigenartige Namen für eure Feste!«

»Schützenfest, das ist für uns das Fest des Jahres. Pass auf, ich erkläre es dir. Jedes Jahr am gleichen Wochenende im Mai treffen sich hier die Leute aus der Gemeinde zu einer zweitägigen Feier. Hintergrund ist das Gedenken an die gefallenen Soldaten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg. Dieses Brauchtumsfest findet seit über einhundert Jahren statt. Es wird ein großes Festzelt aufgebaut und am ersten Abend wird mit einem Thronball das Königspaar vom Vorjahr gefeiert.«

»Thron? Königspaar?«, fragte Tane erstaunt. »Die Monarchie ist doch in Deutschland vor langer Zeit abgeschafft worden, oder?«, forderte er seinen Kumpel auf weiterzuerzählen.

»Stimmt, aber wir haben ein Königspaar. Denn am zweiten Tag des Festes wird ein Holzvogel aufgehängt, und die männlichen Gemeindemitglieder, wir nennen sie Schützen, schießen mit einem Gewehr auf diesen Vogel, bis er herunterfällt. Wer das geschafft hat, ist der neue Schützenkönig und darf sich von den Frauen eine Königin erwählen. Dieses Paar lädt für den zweiten Abend wiederum seine Freunde und Bekannten zu einem neuen Thronball ein, um gebührend zu feiern. Sie repräsentieren dann für ein Jahr unsere Ortschaft. An den Festtagen finden Umzugsparaden durch die Gemeinde statt, und wir halten Gedenkfeiern in der Kirche und am Ehrenfriedhof. Komm mal mit, ich zeige dir meine Uniform für das Fest.«

Gemeinsam gingen sie zu einem alten Bauernschrank, in dem Kleidung aufbewahrt wurde. Markus war Offizier im hiesigen Schützenverein und nahm damit eine besondere Funktion unter den Schützen wahr. Dafür trug er ein schwarzes Jackett mit Abzeichen, eine weiße Hose und einen Säbel. Am Revers hing ein Orden.

»Das ist nicht euer Ernst?«, sagte Tane lachend. »Das musst du tragen? Machen das die anderen auch?«

»Na klar. Je nachdem, welche Position der Schütze innehat. Es gibt die Funktion des Präsidenten, des Majors, Fahnenoffiziers und so weiter und so fort. Du wirst schon sehen. Ich erkläre es dir genauer, wenn die Schützen ihre erste Parade abhalten.«

Lachend nahm Tane den Säbel und zog ihn aus der Scheide. Dabei stellte er seine Beine in Schrittposition und hob den Säbel herausfordernd zum Kampf. Wild fuchtelnd schlug er damit durch die Luft.

»He, pass auf. Das Ding ist scharf!«, warnte Markus.

Zu spät! Die Spitze des Säbels hatte sich in einer Gardine am Fenster verheddert, und schon hing ein weißer Vorhangzipfel an seiner Waffe.

Das würde Ärger geben. Seine Gastmutter fand das bestimmt nicht lustig.

Hastig zogen die beiden Übeltäter den Vorhang hin und her, in der Hoffnung, das Loch irgendwie vertuschen zu können.

[home]

Was ist mit mir?

Für den Tag des Festes hatte Tane sich einen alten Strohhut mit schwarz-weiß-grünem Hutband organisiert und ein Holzgewehr zusammengezimmert. Unter dem Gegröle der Schützen war Tane am Morgen zum Ehrenmitglied ernannt worden. Allmählich verstand er die Sitten dieses alten Brauchtumsfestes.

Die Feierlichkeiten wuchsen sich zu einem feuchtfröhlichen Spektakel aus, das Bier floss in Strömen. Viele Ortsbewohner wollten mit dem Neuseeländer sprechen und anstoßen. Die Leute fanden es interessant, den jungen Mann in ihren Reihen begrüßen zu können. Besonders die jungen Mädchen hielten sich auffallend viel in seiner Nähe auf.

Er sah gut aus, war groß und kräftig gewachsen. Seine schwarzen kurzen, dichten Haare standen etwas wirr in alle Himmelsrichtungen ab, und seine dunkle Haut verlieh ihm zusätzlich einen Hauch an Exotik. Besonders auffällig war ein Tattoo, welches im Nacken aus dem Shirt hervorlugte und bis zum Haaransatz reichte.

An dem Morgen hatte er sein weißes T-Shirt mit der neuseeländischen Nationalflagge auf dem Rücken angezogen.

 

Tane war schmunzelnd an einem Stehtisch stehen geblieben und sah sich das aufgeregte Gebaren der Menschen an. Aus seiner Heimat war er auch einige Traditionen gewohnt. Schließlich schlummerte durch seinen Vater Ben maorisches Blut in seinen Adern. Das erklärte auch seine dunkle Hautfarbe. Sein Vater hatte die Kinder auf der Farm schon früh mit der alten Kultur vertraut gemacht.

Diese unbändige, fröhliche Art, ein Fest zu feiern, gefiel Tane. Sie erinnerte ihn an die Feierlichkeiten in Neuseeland.

Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, dass er heimlich beobachtet wurde. Es war Charlotte, die Tochter seiner Gasteltern. Er hatte natürlich längst bemerkt, dass Charlotte ihn mochte. Bisher war er ihren Flirtversuchen immer geschickt ausgewichen. Und das war beileibe nicht immer einfach gewesen. Sie war zwar schüchtern, ließ aber dennoch keine Gelegenheit aus, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Wenn sie meinte, sich unbeobachtet zu fühlen, himmelte sie Tane an.

Doch die intensiven Blicke und die charmanten Sprüche des Mädchens perlten an ihm ab wie Tautropfen an einem Lotosblatt. Ein Lächeln war alles, was er auf ihre Avancen erwiderte.

Es war nicht so, dass sie ihm nicht gefallen hätte. Nein, im Gegenteil, sie war eine sehr attraktive junge Frau. Zwar nicht allzu groß, das glich sie aber mit hohen Absätzen geschickt aus. Ihre dunkelblonden langen Haare fielen wie ein seidener Teppich über ihre Schultern, und ihre wachen braunen Augen glänzten, wenn sie Tane ansah.

Natürlich machte er sich seine eigenen Gedanken, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

Auch Markus hatte längst bemerkt, wem das Interesse seiner Schwester galt. Wenn er mit Tane allein war, witzelte er stets darüber.

»Eh, Kiwi, bist du blind? Solche Angebote bekommst du nicht alle Tage. Was ist mit dir los? Es liegt doch klar auf der Hand, dass sie auf dich steht!«, sagte er grinsend.

Schon seit dem ersten Tag nannte Markus Tane Kiwi – nach dem Vogel, dem Wahrzeichen der Neuseeländer.

So aufgeschlossen Tane auch sonst war, dem Thema Mädchen wich er aus. Als ihm keine passende Ausrede mehr einfiel, erfand er schließlich ein Mädchen in seiner Heimat, das auf ihn warten würde. Nach außen hin quittierte er Markus’ Sprüche stets cool mit einem Schulterzucken. Tief in ihm aber gab es eine Instanz, die sich mit diesem Thema mehr als heftig auseinandersetzte.

Tane gab die Begegnung mit Charlotte mittlerweile jedes Mal einen Stich. Ein Gefühl tiefer Scham und Sehnsucht nach »Normalität« zog herauf wie ein Gewitter mit dunklen Regenwolken. Er versuchte, sich abzulenken und mehr und mehr in die Arbeit zu stürzen. Daher kam es auch, dass er so fleißig in der Landwirtschaft mitarbeitete und seine lockere Einstellung zu Fleiß und Leistung immer mehr ablegte. Ohne dass es ihm auffiel, wurde das strenge Arbeiten zur lieb gewonnenen Gewohnheit.

Im Grunde tat Charlotte ihm leid. Er mochte sie. Ihre versteckten Blicke und Flirtversuche waren bei Weitem nicht zu aufdringlich. Sie war ein süßes Mädchen. Jeder vernünftige Kerl würde sie mit Kusshand zur Freundin nehmen. Tane spürte natürlich, dass sie bis über beide Ohren in ihn verliebt war. Das war nicht zu übersehen. Ihre Geduld grenzte wahrlich an ein Wunder. Sie gab nicht auf, auch wenn er weiterhin auf Distanz blieb.

Ständig horchte er in sich hinein, ob sich da nicht etwas regte. Es war sein innigster Wunsch, und er bemerkte nicht, dass er sich damit innerlich immer mehr blockierte und unter Druck setzte.

Was keiner wusste oder hätte auch nur erahnen können: In Tane gärte seit über zwei Jahren eine große Unsicherheit. Damals hatte er sich unsterblich in einen Mitschüler verliebt und war lange mit seinem Liebeskummer herumgelaufen, ohne dass er sich jemandem anvertraut hätte. Auch wenn es ein einseitiges Gefühl gewesen war – der andere Junge hatte vermutlich gar nicht bemerkt, was er empfunden hatte –, hatte er sich in den Glauben verrannt, verliebt zu sein. Wie hätte er auch wissen sollen, wie sich Liebe anfühlte? Er war auch zu schüchtern gewesen, um sich etwas anmerken zu lassen. Klar, er hätte sich ohne Weiteres seinen Eltern anvertrauen können. Sie waren liberal und keineswegs verklemmt. Ihr Verhältnis war innig, aber die Scham war zu groß gewesen.

Die Eltern arbeiteten rund um die Uhr. Die Belange auf der großen Rinderfarm nahmen ihre ganze Zeit in Anspruch, und Tane hatte ihnen mit seinen Sorgen nicht zur Last fallen wollen. Dafür liebte er seine Eltern viel zu sehr. Besonders Maggie, seine Mutter, war die Güte in Person. Ihr Kummer und Sorgen zu bereiten, das war für Tane einfach nicht infrage gekommen.

Das Problem hatte sich dann, Gott sei Dank, von einem Tag auf den anderen von allein gelöst, weil der Mitschüler, in den er verknallt war, fortzog. Tane hatte versucht, seine Gefühle zu verdrängen, und sich viel Mühe damit gegeben, es seinen Freunden in der Heimat gleichzutun, um nicht negativ aufzufallen.

Insgeheim hoffte Tane seitdem, dass er sich geirrt hatte. Wenn das richtige Mädchen auftauchen würde, würde gewiss alles ganz anders werden. So hatte er damals auf alle Fälle gedacht. Das war auch mit ein Grund dafür gewesen, ein Jahr nach Deutschland zu gehen. Er hatte gehofft, dass der Abstand ihm helfen würde, sich diesem Thema zu entziehen.

Die Geschichte mit Charlotte bestärkte ihn allerdings erneut darin, dass er scheinbar nicht in der Lage war, sich in Frauen zu verlieben. Und der alte Kummer war wieder allgegenwärtig und wurde in seinem Inneren zu einem fixen Gedanken.

Ungefähr zur gleichen Zeit, wie er sich damals in diesen Mitschüler verliebt hatte, hatte auch seine Großcousine Chelsea einen Freund gefunden.

Chelsea lebte auch auf der Farm seiner Eltern und war bis auf zwei lächerliche Wochen Unterschied gleich alt wie er. Im Grunde waren Tane und sie wie Geschwister aufgewachsen, sie verstanden sich sehr gut und teilten jedes Geheimnis miteinander. Chelsea hatte in der Zeit aber nur Augen für diesen neuen Kerl gehabt, sonst hätte Tane sich ihr sicherlich anvertraut.

Rose, Chelseas ältere Schwester, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr auf der Farm gelebt. Auch zu ihr hatte Tane ein sehr enges Verhältnis. Aber sie arbeitete außerhalb und kam nur noch selten heim.

Mit der Zeit hatte er sich also daran gewöhnt, seinen Kummer mit sich selbst auszumachen. Selbst Markus hatte er sich nicht anvertrauen können.

Sein Kumpel half ihm allerdings unbewusst mit seiner lockeren, humorvollen Art damit, indem er ihn mit jeder Menge Spaß ablenkte. Das brachte ihn immerhin auf andere Gedanken.

Es konnte doch nicht normal sein, dass er keine Gefühle für Charlotte entwickeln konnte! Obwohl er sich bemühte, wollte sich kein Verliebtsein einstellen. Er sah in ihr eine Freundin, mehr nicht.

Was Tane zusätzlich grübeln ließ, war das Verhältnis zu Markus. Wenn er tatsächlich schwul sein sollte, wieso verliebte er sich nicht in seinen Kumpel? Er sah gut aus, und sie verstanden sich bestens. Aber auch hier kamen nicht die Gefühle auf, wie er sie vor Jahren bei dem neuseeländischen Mitschüler erlebt hatte. Charlotte und Markus waren wie Geschwister für ihn.

In seiner Not googelte er oft abends allein in seinem Zimmer und versuchte, nähere Informationen zu seinem Problem und dem Thema Homosexualität herauszufinden. Er kam sich vor wie ein vierzehnjähriger Pubertierender, der noch von nichts eine Ahnung hatte. Gedanken über ein »Coming-out« oder die Angst, seiner Familie und seinen Freunden gegenüber sein Gesicht zu verlieren, keimten immer mehr in ihm.

[home]

Das erste Mal

Im Menschengewimmel fiel keinem auf, dass die neunzehnjährige Charlotte etwas abseits an einem Tisch saß und unauffällig das Gerangel um Tane beobachtete. Die Anmache der jungen Damen um den Ausländer waren ihr zu blöd. Schließlich kannte sie ihn bereits seit einem Jahr besser als alle anderen.

Tagtäglich begegneten sie sich auf dem Bauernhof ihrer Eltern. Tagsüber war Tane zwar draußen in der Landwirtschaft tätig, und die Freizeit verbrachte er ausschließlich mit ihrem Bruder, aber bei den gemeinsamen Mahlzeiten sahen sie sich regelmäßig. Ihre Eltern legten großen Wert darauf, das Essen gemeinsam im Familienkreis einzunehmen. Charlotte fuhr täglich in die nahe Kreisstadt und ging ihrer Ausbildung als medizinisch-technische Assistentin nach. Sie wohnte wie ihr Bruder Markus bei den Eltern. Das geringe Ausbildungsgehalt reichte nicht für eine eigene Wohnung.

Der junge Neuseeländer hatte es ihr vom ersten Tag an angetan. Darüber war sogar ihre Beziehung zu einem Schulfreund in die Brüche gegangen. Als ihr klar geworden war, dass sie ihr Herz an Tane verloren hatte, hatte sie angefangen, ihn schüchtern zu umgarnen. Aber egal, welchen Versuch sie auch unternommen hatte, über unverbindliche Gespräche waren sie nicht hinausgekommen. Deshalb war Charlotte sogar in die Landjugend eingetreten, um ihm auch am Abend begegnen zu können.

Der letzte laute Schuss drang an Charlottes Ohren. Sie erwachte an ihrem Tisch aus ihren Tagträumen. Sie glichen denen der Nacht, wenn sie an Tane dachte, wie er sie küsste … berührte. Da gab sie sich ihm hin, bog sich ihm entgegen und bebte vor Leidenschaft. Im Traum machte ihre Disziplin Pause. Charlotte gefiel dieses Spiel mit der Fantasie, sie genoss es unendlich. Es erzeugte ein herrliches Prickeln in ihr.

Im wahren Leben aber war es ihr wichtig, dass die Initiative vom Mann ausging. In dieser Beziehung dachte sie recht altmodisch. Sie konnte mit ihm flirten, mehr traute sie sich nicht.

 

Der Vogel war gefallen! Ein lauter Jubel brach an der Vogelstange aus. Euphorisch wurde der neue Schützenkönig gefeiert. Einige Männer nahmen den Sieger auf ihre Schultern, trugen ihn zur Theke und stellten ihn darauf wieder ab. Von allen Seiten wurde er beglückwünscht. Die Blasmusik spielte einen Tusch und sorgte zusätzlich für Stimmung.

Tane stand an einem Stehtisch und griff gerade zu seinem Bierglas, als sich Charlotte mit einem Tablett mit Schnapsgläsern zu ihm gesellte.

»Hey, du Träumer. Wo bist du mit deinen Gedanken? Komm, lass uns zur Feier des Tages miteinander anstoßen. Wo sind die anderen? Ich schmeiße eine Runde.«

Resolut verteilte sie die vielen kleinen Gläser auf dem Tisch.

Tane wies mit der Hand in Richtung Theke und wollte offensichtlich etwas sagen. Aber er kam gar nicht zu Wort, denn Charlotte drückte ihm ein Glas in die Hand.

»Auf unseren neuen Schützenkönig. Ex!«

Damit nahm sie ihren Kopf in den Nacken und kippte den Wacholderschnaps, ohne das Gesicht zu verziehen, in einem Schluck hinunter.

 

Tane, der im letzten Jahr schon unschöne Erfahrungen mit einem Zuviel an münsterländischem Schnaps gemacht hatte, griff nur unwillig zu. Er hatte bereits einige Biere intus. Er war heute Abend mit dem Melken an der Reihe, und es wurde Zeit, dass er mit dem Trinken aufhörte. Da er Charlotte aber nicht schon wieder vor den Kopf stoßen wollte, tat er es ihr dennoch nach. Der Schnaps brannte in seiner Kehle. Er würde ihr heute den Gefallen tun und ihr Spiel mitspielen. Dann ging es sowieso ab nach Neuseeland. Die letzten Tage seines Auslandsaufenthaltes waren angebrochen. Was hatte er schon zu verlieren?

 

Charlotte grinste, weil Tane eine undefinierbare Grimasse zog. »Du kannst dich immer noch nicht an unsere Spezialitäten gewöhnen?«

Um ihn in ein Gespräch zu verwickeln, fragte sie nach den Getränken in Neuseeland, die bei der Jugend gerade angesagt waren. Dabei trat sie unauffällig einen Schritt näher an ihn heran. Der Alkohol nahm ihr die sonstigen Hemmungen, und sie wurde mutiger. Ihre Schulter berührte wie zufällig seinen Arm. Gekonnt klimperte sie mit den schwarz geschminkten Wimpern und flirtete ihn an. Sie reichte Tane ein weiteres Schnapsglas und musste sich zwingen, vor Aufregung nicht zu zittern. Ihr Herz flatterte.

»Prost!« Freundlich lächelte Tane Charlotte an.

Und sie, die dieses freundliche Lächeln als Aufforderung ansah, nutzte die Gunst der Stunde. Ihre Rechnung schien aufzugehen. Endlich!

 

»Ich muss heut noch melken!«, fiel es Tane wieder ein und schickte sich an, aufzubrechen.

Doch Charlotte lachte nur und sagte: »Gut, ich begleite dich«, und hakte sich vertrauensvoll einfach bei ihm unter.

Ihm war es zu blöd gewesen, sie abzuschütteln, und so hatte er sie gewähren lassen. Und eigenartig, so falsch fühlte sich ihre Nähe gar nicht an.

Tane gestand sich auf dem Weg nach Hause ein, dass es äußerst amüsant war, sich auf Charlottes gute Laune einzulassen. So ein Flirt war doch nicht zu verachten. Fröhlich zogen sie von dannen und alberten und schäkerten während des Fußmarsches miteinander.

Bald schon standen sie auf dem Flur oben im Bauernhaus, wo sich die Schlafzimmer der Familie befanden.

Tane wollte sich für die Stallarbeit umziehen. Für einen kurzen Moment blieben sie etwas befangen vor Charlottes Schlafzimmertür stehen.

»Ja, dann …«, murmelte Tane und blickte verlegen auf seine Schuhe.

Unerwartet fasste Charlotte erneut nach seinem Arm. »Warte …«, hauchte sie und trat näher an ihn heran. Sie deutete auf seinen Nacken. Dabei strich sie herausfordernd mit ihren Fingerspitzen über sein Tattoo.

»Weißt du, was mich interessiert?«, fragte sie.

»Du wirst es mir gleich verraten«, sagte Tane etwas hölzern und lachte.

»Erlaubst du mir, dich alles fragen zu dürfen?«, hakte sie nach.

»Ich habe keine Geheimnisse vor dir«, kicherte Tane.

Charlottes weiche Stimme senkte sich fast zu einem Flüstern herab, dabei stellte sie sich auf ihre Zehenspitzen und kam ihm näher.

»Hast du schon mal eine Frau geküsst?«, hörte er nahe an seinem Ohr. Dabei strich sie mit ihren Lippen lasziv über sein Ohrläppchen.

Tane zuckte zusammen. Wer weiß, vielleicht hätte er sofort die Flucht ergriffen, wenn er nüchtern gewesen wäre. Doch seine Bierlaune machte ihn locker. Nach einem Moment des Zögerns parierte er die kühne Herausforderung. »Das möchtest du wohl wissen, hm?« Dabei drehte er etwas seinen Kopf.

Tane war gezwungen, ihr direkt in die braunen funkelnden Augen zu sehen. Verlegen senkte er die Augenlider. Ein kühner Gedanke schoss ihm durch den Kopf:Es gab nur eine Möglichkeit herauszufinden, ob er tatsächlich schwul war, … vielleicht war der Zeitpunkt gekommen, vielleicht benötigte er einen Beweis.

Mutig legte er beide Arme um Charlottes schmalen Körper und beugte sich im Zeitlupentempo zu ihr hinab. Zart berührte er mit seinen Lippen die ihren. Sie hatte wunderschöne Augen, in denen er sich gern verlieren wollte. Kurz und sanft küsste er sie, als wolle er eine süße Frucht kosten. Atemlos ließ Charlotte es geschehen.

Gedanken der Unsicherheit machten sich in Tane breit: Hoffentlich machte er alles richtig. Nicht dass sie bemerkte, dass er keinerlei Erfahrung besaß.

Tanes Gedanken drehten sich wie ein Karussell. Er war nervös. Aber dennoch: Wie von Zauberhand verschmolzen ihre zitternden Lippen zu einer Einheit, und der Kuss wurde rasch intensiver.

In Tane war es, als würde er explodieren. Das Unbekannte, die Unsicherheit, seine Angst, alles löste sich auf einmal auf und machte Platz für etwas Neues, Unglaubliches. Er meinte, das Blut in seinen Adern fließen zu hören. Sein Herz pochte wie verrückt.

»Du machst mich so an, Tane«, hauchte sie leise und streichelte dabei seinen Nacken.

Charlotte knabberte an seinem Ohrläppchen. Ihr Atem wurde heftiger.

Ein Zittern lief durch Tanes Körper! Unbekannte Gefühle drohten ihn zu überwältigen. Und mit einem Mal fühlte er sich wieder nüchtern. Sein Bauch zog sich zusammen und vibrierte dabei eigenartig. Eine tiefe Sehnsucht durchströmte seine Glieder, und er wollte mit jeder Faser mehr. Es gab kein Halten, keine Zweifel oder Grübeleien mehr, ob das hier richtig war. Sein Denken setzte aus. Er fühlte, dass sich das Mädchen in seinen Armen wie eine biegsame Feder an ihn schmiegte. Willig und verführerisch gab sie seinem Drängen nach und erwiderte hingebungsvoll seine Zärtlichkeiten. Sie duftete gut. Ihre zarte Haut, weich wie Samt. Ihre Lippen, ihre Augen, ihre erregende Figur …

Zwischen zwei Küssen stammelte sie: »Du überraschst mich. Ich dachte, ich sei dir egal.«

»Da habe ich mich wohl vertan«, seufzte er lächelnd.

»Komm«, lockte sie ihn und drückte mit ihrem Fuß die Zimmertür auf, die nur angelehnt war.

 

Charlotte stand mit dem Rücken zur Wand. Tane, nun mutig geworden, drängte sich ganz nah an sie und übersäte ihr Gesicht und ihren schlanken Hals mit heißen Küssen. Charlotte stöhnte auf. Ihre Münder verschmolzen miteinander. Vorsichtig erkundete sie mit ihrer Zunge sein Inneres.

Tane machte es ihr nach und gab sich diesem Unbekannten hin. Ihm wurde abwechselnd heiß und kalt. Fantastisch gut fühlte sich das an. Er konnte gar nicht genug davon bekommen. Seine Beine waren weich wie Gummi. Wie in einem Rausch hob er Charlotte an. Sie war leicht. Ihre Beine schlangen sich wie von selbst um seine Hüften. Tane stöhnte laut auf. In seinen Lenden pulsierte es wie verrückt.

»Was machst du nur mit mir?«, stöhnte er zwischen zwei Küssen und ließ sich mit seiner süßen Fracht auf das breite Bett fallen.

Charlotte zog am Saum seines T-Shirts und begann, es ihm über den Kopf zu ziehen. Sanft strich sie mit ihren Fingern über seine breite muskulöse Brust und zog mit ihrem Mund eine Straße von Küssen darüber. Hastig nestelte Tane an den Knöpfen ihrer Bluse. Ungeschickt und ungeduldig riss er an ihnen herum, ein Knopf kullerte unter das Bett.

»Warte ich helfe dir«, hauchte Charlotte.

Sie öffnete ihre Bluse und schmiegte sich sofort wieder an ihn. Zärtlich flüsterte sie: »Ich habe mich so nach dir gesehnt!«

Tane glaubte zu vergehen. Der Gefühlsrausch war noch schöner als überall beschrieben. Das einmal mit einer Frau zu erleben, daran hatte er schon gar nicht mehr geglaubt. Obwohl er bisher keine Erfahrung mit Mädchen gemacht hatte, wusste er intuitiv, was zu tun war. Und wenn da ein Moment der Unsicherheit gewesen war, Charlotte half ihm geschickt darüber hinweg.

»Ähm, ich habe kein Kondom.« Darauf war er nicht vorbereitet gewesen.

»Kein Problem, ich nehme die Pille.«

Charlotte zog ihn wieder an sich heran, um das Liebesspiel fortzusetzen.

Vorsichtig tasteten sie sich immer weiter fort. Die beiden taumelten in einen Strudel der Sehnsucht immer tiefer hinein in das uralte Spiel der Liebe. Sie verschmolzen in Ekstase und vergaßen um sich herum Raum und Zeit. Da war diese großartige Mischung aus Zärtlichkeit und wildem Rhythmus, die in einem alles verzehrenden Finale gipfelte.

 

Später, sie lagen erschöpft und eng aneinandergekuschelt beieinander, kam Tane wieder im Hier und Jetzt an. Ewig hätte er mit ihr so verweilen können. Jetzt wusste er, was die Aussage »auf Wolke sieben schweben« bedeutete. Zärtlich strich er mit seinen Händen über Charlottes bloßen Rücken. Er konnte nicht genug von ihr bekommen.

»Du kleine Hexe, jetzt hast du mich.«

»Schlimm?«

»Nein, gar nicht«, seufzte Tane genüsslich auf und begann, die Frau an seiner Seite erneut mit kleinen Küssen zu übersäen.

»Wenn ich gewusst hätte, worauf ich die ganze Zeit verzichtet habe …«, murmelte er.

»Soll ich dir etwas gestehen?« Charlotte zögerte leicht, bevor sie ihr Geständnis ablegte. »Ich habe mich vom ersten Augenblick an in dich verliebt. Wie mein Vater mit dir zur Küchentür hereinkam, da habe ich sofort gewusst: Der ist es!«

Tane richtete sich etwas auf und schaute dem Mädchen in die Augen.

»Wieso hast du mir denn nichts gesagt? Du hast doch gesehen, wie dämlich ich war«, fragte er.

»Ich habe mich nicht getraut. Es ist doch üblich, dass die Initiative vom Mann ausgeht. Oder sind wir alle zu modern?«

»Ich weiß nicht, ist das bei euch Deutschen so?«, wollte Tane wissen.

»Eigentlich schon. Natürlich gibt es auch forsche Frauen. Doch so bin ich nicht. Vielleicht wollte ich ja erobert werden«, neckte sie.

»Das habe ich ja heute gesehen«, schmunzelte Tane.

Während Charlotte ihren Kopf auf Tanes breite Brust bettete, strich sie ihm zärtlich über die muskulösen Oberarme.

Tane genoss den Augenblick. Er konnte sich an der liebreizenden Erscheinung Charlottes nicht sattsehen. Ihre Haut war so weich. Ihre Augen leuchteten. Es war, als ob tausend Sternchen in ihnen funkelten. Durch die im leichten Windhauch flatternden Vorhänge fiel die Abendsonne ins Zimmer.

So erfüllt von seinen Gefühlen, beugte er sich wieder über sie und flüsterte ihr aus voller Überzeugung ins Ohr.

»Verzeih mir, dass ich so ein Idiot war und dich habe links liegen lassen. Wenn ich gewusst hätte … nie mehr, will ich ohne dich sein.«

 

Charlotte war glückselig. Hingebungsvoll, begleitet von unzähligen Zärtlichkeiten, hauchte sie zurück: »Ich liebe dich schon lange. Aber was sollen wir denn jetzt machen? Du musst nach Neuseeland zurück.«

»Komm doch einfach mit. Meine Mutter wird sich freuen, dich kennenzulernen.«

»Das geht nicht, ich bin mitten in der Ausbildung. Ich kann hier nicht weg.«

»Wir werden uns etwas einfallen lassen. Doch im Moment schwebt mir noch etwas ganz anderes vor.« Leidenschaftlich zog er Charlotte auf seinen Bauch und drehte sich mit ihr im Bett. »Erst möchte ich dich …«

Charlotte kicherte und ergab sich seinen Zärtlichkeiten.

 

Als sie etwas Ruhe gefunden hatten, kamen sie wieder zum Reden. Mit der flachen Hand strich Charlotte über Tanes bloßen Rücken. Schon lange hatte sie einmal sein großes Tattoo betrachten wollen, was ständig unter den T-Shirts im Nacken hervorlugte. Es bedeckte den ganzen Rücken bis zu den Oberarmen. Noch nie hatte sie so etwas gesehen.

»Hat das wehgetan?«

»Was?«

»Na, das Tattoo.«

»Ach, geht so. Ich habe stundenlang still liegen müssen. Das war eine ganz schöne Prozedur.«

»Wieso ist das so groß?«, wollte Charlotte wissen.

»Ich habe es von meinem Vater und meinen Cousins übernommen. Es ist ein Symbol unseres Stammes. Du musst wissen, dass mein Vater in gerader Linie von den Maoris abstammt. Die männlichen Vertreter unserer Familie tragen alle dieses Muster.«

»Respekt.«

»Gefällt es dir?«

»Ja, es hat was«, lächelte sie. »Tane, darf ich dich etwas fragen?«

»Mhm.«

»Mein Bruder hat mir erzählt, dass du in Neuseeland eine Freundin hast …« Sie stockte, während sie sprach.

»Nein, das stimmt so nicht …«, erwiderte Tane.

Die Frage schien ihm sichtlich unangenehm. Wie sollte er ihr auch erklären, dass die besagte Freundin nur seiner Fantasie entsprungen war, um von seiner angeblichen Homosexualität abzulenken. Konnte er Charlotte erzählen, was ihn die letzten Monate bewegt hatte? Gerade wollte er zum Reden ansetzen, als durch das geöffnete Fenster in der Ferne der Klageruf von Kühen zu hören war.

Tane erschrak.

»Ach, du meine Güte. Die Tiere! Ich hätte fast das Melken und die Lieferung vergessen! Ich muss ja heut Abend den Hof hüten … darum haben deine Eltern mich vorhin auf dem Fest gebeten. Sie wollten einmal einen Abend freihaben!«

Hastig sprang er aus dem Bett und raffte seine Sachen zusammen.

»Hey, warte«, rief Charlotte. »Komm noch einmal schnell her. So lasse ich dich nicht gehen.« Sie gab ihm einen Kuss. »Sehe ich dich später wieder? Heute Nacht? Du bist mir noch eine Antwort schuldig«, hauchte sie verführerisch.

»Mal sehen«, neckte er sie und umarmte sie schnell ein letztes Mal. Dabei lächelte er ihr überglücklich zu.

 

Rasch verließ er den Raum. Atemlos blieb Tane einen Moment mit dem Rücken zur Wand stehen. Mit beiden Händen fuhr er sich über die Augen und mit den Fingerspitzen durch die kurzen Haare.

»Wow, ich fasse es nicht. Dass mir das passiert!«

Er war überglücklich und hätte die ganze Welt umarmen können. Halb tanzend lief er zum Stall hinüber. Er wollte sich beeilen und so schnell wie möglich zu Charlotte zurückkehren.

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Das Unglück

Das Milchvieh stand vor seinen Trögen und zermalmte das Futter. Bei dem gleichmäßigen Surren und Pumpen der Melkmaschine konnte Tane seinen Gedanken freien Lauf lassen.

Er schwebte auf Wolke sieben. Diese Redensart, die Tane von den Deutschen übernommen hatte, drückte am besten seine Stimmung aus, in der er sich an diesem Abend befand. Denn es war etwas passiert, mit dem er nicht mehr gerechnet hatte.

An dem Morgen noch war er mit dem trübseligen Gedanken wach geworden, dass diese Art von Glück, wie er sie jetzt verspürte, in seinem Leben nicht vorgesehen war. An sich war er ein unbeschwerter Jugendlicher, der gern mit Freunden zusammen war, Sport trieb und ausgelassen feiern konnte. Er wusste sein Leben, genau wie andere Jugendliche in seinem Alter auch, mit Leichtigkeit zu genießen. Und trotzdem war er einfach die fixe Vorstellung nicht losgeworden, er könne homosexuell sein.

Aber jetzt sah die Welt auf einmal ganz anders aus.

Zudem war Tane besonders stolz darauf, dass ihm die Gasteltern heute Abend die Verantwortung für ihren Betrieb übergeben hatten.

Auf dem Gemeindefest hatte Bauer Schulze-Wenninger zu ihm gesagt: »Also abgemacht, du übernimmst das Füttern und Melken. Ach ja, noch etwas Wichtiges, woran du denken musst … Es kommen heute Abend um sieben noch zwei Trucks mit Biomasse. Sie haben im Stau gestanden und verspäten sich deshalb. Im Büro liegt die Monatsabrechnung für Sören Asmussen, den norddeutschen Fahrer. Gib sie ihm bitte persönlich mit. Dann brauche ich sie ihm nicht zuzuschicken. Karl, unser Angestellter, macht heute eher Feierabend, damit er auch zum Fest gehen kann. Und denk bitte daran, die Belüftungsanlage in der Halle der Biogasanlage noch mal zu kontrollieren, bevor du anfängst. Du weißt ja, dass sie gestern defekt war. Der Kundendienst war heute Morgen da und hat sie repariert. Bisher läuft sie auch wieder tadellos. Ich möchte aber auf alle Fälle sichergehen, dass alles in Ordnung ist. Notfalls reiß alle Fenster und Türen weit auf. Kann ich mich auf dich verlassen?«

»Selbstverständlich. Macht euch mal einen schönen Abend«, hatte er ihnen versichert. »Ihr habt so selten Zeit auszugehen, da helfe ich gern.«

Nachdem er vor gut einem Jahr bei ihnen angefangen hatte, war es mehr die elterliche Entscheidung gewesen, die ihn dazu getrieben hatte, in die Landwirtschaft hineinzuschnuppern. Das hatte er auch am Anfang gar nicht verheimlicht. »Da schlage ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe! Ich wollte immer die Heimat meiner Mutter kennenlernen. Nun murrt daheim keiner mehr, weil ich nicht weiß, was ich einmal werden will.«

Nach der anfänglichen Eingewöhnungszeit hatte sich aber schnell gezeigt, dass Tane sich gut einfügte. Kräftig, wie er war, hatte er sich vor keiner Arbeit gescheut.