Maori Healing – Spirit of Love - Christel Siemen - E-Book
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Maori Healing – Spirit of Love E-Book

Christel Siemen

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Beschreibung

Romantik, Sinnlichkeit und Dramatik: Teil 2 der spannenden und gefühlvollen Neuseeland-Familiensaga von Christel Siemen. Maggie gibt nicht auf! Nach dem viel zu frühen Tod ihres Mannes hat sie sich wieder aufgerappelt und zur erfolgreichen Besitzerin eines Rinderimperiums in Neuseeland emporgearbeitet. Doch ein erneuter Schicksalsschlag stellt sie auf eine harte Probe. Maggie erkrankt laut ihren Ärzten unheilbar. Und da geschieht das Unglaubliche: In den Trümmern ihres Lebens wächst Maggie über sich hinaus. Zusammen mit dem Maori Ben, den sie immer mehr in ihr Leben lässt, entdeckt sie für sich das Maori-Healing. Und vielleicht ist es auch Zeit für eine neue Liebe ... Vor der wunderschönen Kulisse Neuseelands blickt der Leser tief in das Gefühlsleben Maggies und begegnet der spirituellen Energie in einer spannenden und emotionsgeladenen Handlung. »Maori Healing« von Christel Siemen ist ein eBook von feelings*emotional eBooks. Mehr von uns ausgewählte erotische, romantische, prickelnde, herzbeglückende eBooks findest Du auf unserer Facebook-Seite. Genieße jede Woche eine neue Geschichte - wir freuen uns auf Dich!

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Christel Siemen

Maori Healing

Spirit of Love Neuseelandroman

Knaur e-books

Über dieses Buch

Maggie gibt nicht auf! Nach dem viel zu frühen Tod ihres Mannes hat sie sich wieder aufgerappelt und zur erfolgreichen Besitzerin eines Rinderimperiums in Neuseeland emporgearbeitet. Doch ein erneuter Schicksalsschlag stellt sie auf eine harte Probe.

Maggie erkrankt laut ihren Ärzten unheilbar. Und da geschieht das Unglaubliche: In den Trümmern ihres Lebens wächst Maggie über sich hinaus. Zusammen mit dem Maori Ben, den sie immer mehr in ihr Leben lässt, entdeckt sie für sich das Maori Healing. Und vielleicht ist es auch Zeit für eine neue Liebe …

Vor der wunderschönen Kulisse Neuseelands blickt der Leser tief in das Gefühlsleben Maggies und begegnet der spirituellen Energie in einer spannenden und emotionsgeladenen Handlung.

Inhaltsübersicht

Ein kleines Fünkchen Hoffnung?Was ist das?Das war’sHerzschmerzMaggie gibt sich geschlagenFreundschaftVerwirrtZu früh gefreut?Schwangerschaftsurlaub der KuhVerzaubertDer AbschiedHakaHumbug?UnheilbarReittherapieIch muss dich sehenIrrtumMüdeMaori HealingAufgelöstEine mysteriöse NachrichtUngewissheitVerdachtSpurensucheFelsenfestSOSWas tun?Mutige MaggieDie FluchtRobGermanyVerhaftetEnttäuschungStich ins HerzAbgangWie konntest du nur?Das dunkle Loch der VergangenheitAngekommenEin Jahr später
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Für Menschen mit Fibromyalgie

 

Vielleicht gibt es sie doch, die Auflösung des Schmerzes. Werdet nicht müde, danach zu suchen. Vor allen Dingen lenkt die Aufmerksamkeit auf die wirklich wichtigen Dinge des Lebens. Es gibt so viel zu entdecken!

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Ein Leben ohne Bücher

ist wie eine Kindheit ohne Märchen,

ist wie eine Jugend ohne Liebe,

ist wie ein Alter ohne Frieden.

 

Dr. Carl Peter Fröhling

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Ein kleines Fünkchen Hoffnung?

Neuseeland war in Maggies Vorstellung das Paradies, das Land ihrer Träume gewesen. Wie hatte sie sich auf ihr Praktikum auf dieser Rinderfarm gefreut, als sie in den Flieger gestiegen war, um ihr großes Abenteuer in Angriff zu nehmen. Und als sie dann noch Claas kennengelernt hatte, die Liebe ihres Lebens, hatte sie nichts mehr von diesem wunderschönen Flecken der Welt trennen können …

 

Maggies Gedanken wanderten aus der Vergangenheit zurück ins Hier und Jetzt. Liebevoll deckte sie das kleine Mädchen zu, an dessen Bett sie gerade saß.

Sie lebte auf ihrer eigenen riesigen Farm, zusammen mit ihrer Nichte Chiara, mit Marc und der neunjährigen Rose. Chiara und Marc waren seit Kurzem verheiratet und hatten Rose, ein Nachbarmädchen, das in seinen jungen Jahren bereits vom Schicksal arg gebeutelt worden war, als Pflegekind zu sich genommen. Maggie hatte Rose wie eine Tochter ins Herz geschlossen, und die Kleine lauschte abends so gern Geschichten aus Maggies Kindheit im fernen Deutschland.

Friedlich war das Mädchen jetzt unter den liebevollen Streicheleinheiten eingeschlafen, ihre Stoffkuh, ein Geschenk von Maggie, fest an sich gekuschelt.

Müde strich sich Maggie ihre langen Haare aus dem Gesicht. Sie musste gerade an eine Lebensweisheit aus ihrer eigenen Kindheit denken, die sie von ihrem Vater übernommen hatte: »Es kommt im Leben immer anders, als man denkt. Das Leben schreibt seine eigenen Geschichten.«

Wie oft hatte Maggie diesen Satz gehört, wenn sie selbst als Kind zu Bett gebracht worden war und den alten Familiengeschichten gelauscht hatte.

Oh ja, sie hatte es geliebt, wenn ihr Vater mit seiner vollen, warmen Stimme von seinen Kindertagen auf dem Bauernhof schwärmte. Wie er bei den Kühen im Stall übernachtet hatte – ohne dass seine Mutter davon wusste –, wie er beim Nachbarn heimlich die reifen Kirschen vom Baum geklaut und nachts Mutproben mit den Nachbarskindern erlebt hatte. Nur zu gern schmückte er die Erlebnisse so weit aus, dass sie stets ein kleines spannendes Abenteuer darstellten und Maggies Fantasie anregten. Maggies Eltern brachten ihrer Tochter bei, dass sich auch in Zeiten bitterster Not immer ein Fünkchen Hoffnung entzündete. Dazu trug auch der tiefe Glaube an Gott bei, der das Auf und Ab ihres eigenen Lebens prägte. Dieses Urvertrauen gaben sie an ihre Tochter weiter, und es half Maggie damals, sich ihr Studium selbst zu finanzieren und auf eigenen Beinen zu stehen, nachdem ihre Eltern viel zu früh und kurz hintereinander verstorben waren.

Als sie nach Neuseeland ausgewandert war und sich mit ihrem Mann Claas gemeinsam eine Farm aufgebaut hatte, glaubte sie, im Paradies angekommen zu sein. Sieben glückliche Jahre lang.

Dann schlug das Schicksal erneut brutal zu: Der plötzliche Unfalltod ihres Mannes veränderte alles! Sie wurde viel zu jung Witwe und stand mit einer riesengroßen Farm und der ganzen Verantwortung allein da. Das war hart, sehr hart!

Die darauffolgenden Jahre waren eine riesengroße Bewährungsprobe und ein wahres Wechselbad der Gefühle. Viel stürmte auf die junge Frau ein.

Aber rückblickend betrachtet, war es immer wieder aufgetaucht, dieses berühmte Fünkchen Hoffnung. So, wie es ihr Vater immer prophezeit hatte.

Neuerdings schien Maggie das Glück allerdings verlassen zu haben. Sie war an einem Punkt angelangt, wo sie ihren Zweckoptimismus verloren glaubte. Ausgerechnet sie, die immer so optimistisch gewesen war!

Gesundheitlich ging es ihr immer schlechter! Erst hatten die Symptome schleichend begonnen, dann waren sie immer hartnäckiger und letztendlich chronisch geworden. Maggie konnte sich therapieren lassen und kämpfen, wie sie wollte, eine Lösung kam nicht in Sicht.

Und heute hatte sie die endgültige Diagnose bekommen.

Ihr Befund lautete »unheilbar«. Sie könnte mit ihrer Erkrankung sehr alt werden, aber große Hoffnung auf Besserung könne man ihr derzeit nicht machen. Die Wissenschaft forsche noch …

Ach, Papa, sprach sie in Gedanken zu ihrem verstorbenen Vater, dieses Mal wirst du wohl nicht recht behalten, denn ich sehe das berühmte Fünkchen Hoffnung einfach nicht mehr.

Maggie resignierte – zum ersten Mal in ihrem Leben.

Von den anderen Hausbewohnern unbemerkt, schlich sie sich in ihr Schlafzimmer.

Sie war des Kämpfens müde. So müde!

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Was ist das?

Hastig sprang Chiara aus dem Bett, griff nach ihrer Hose, zog eine frische Bluse aus dem Schrank und schlüpfte gleichzeitig barfuß in ihre Sandaletten.

»Mensch, Marc!«, rief Chiara erschrocken aus. »Weißt du, wie spät es ist?« Drei Bürstenstriche durch ihr langes blondes Haar, etwas Lippensepst – für mehr war heute Morgen einfach keine Zeit. Sie rief laut über den Flur: »Rose bist du wach? Aufstehen, Kleines! Es ist höchste Zeit!

Mit Schwung stieß Chiara die Zimmertür zu ihrer neunjährigen Pflegetochter auf, die schräg gegenüber schlief. Vor Erstaunen blieb ihr Mund offen stehen. Gerade eben hatte sie zum Reden ansetzen wollen, doch nun stellte sie fest, dass das Zimmer leer war. Das Bett war ordentlich gemacht, und von Rose war weit und breit keine Spur.

»Rose? Rose, Kleines, wo bist du?«, rief Chiara laut durchs Haus.

»Hier, hier bin ich«, kam eine zarte Stimme aus dem Erdgeschoss.

Das Mädchen steckte seinen Lockenkopf durch die Küchentür. Fertig angezogen, den Schulranzen bereits auf dem Rücken, kam sie Chiara unten an der Treppe entgegen.

»Da bist du ja endlich, ich wollte schon ohne dich zur Bushaltestelle aufbrechen.«

»Entschuldige, Mäuschen, ich habe total verschlafen. Es tut mir leid. Und du? Bist du allein aufgestanden?«

»Ich bin doch kein kleines Mädchen mehr«, entrüstete sich Rose und straffte ihre zierlichen Schultern.

»Tante Maggie hat mir ihren alten Wecker gegeben. Den stelle ich mir jetzt immer selbst. Dann brauchst du mich nicht zu wecken.«

»Aber, Rose, das mache ich doch gern«, wendete Chiara ein.

»Ist schon okay, mein Vater hat mich früher auch nie geweckt. Ich bin das gewohnt«, war ihre Antwort.

Chiara hatte jetzt keine Zeit, länger darüber nachzudenken. Mit einem Blick auf die Uhr stellte sie erschrocken fest, dass es höchste Eisenbahn war, wenn Rose und sie den Bus noch erwischen wollten. Sie nahm das Mädchen an die Hand, lächelte es an und sagte:

»Na, dann wollen wir beide mal. Hast du schon etwas gegessen?«

»Ja, und hier ist dein Frühstück«, sagte Rose und übergab Chiara stolz ein in Papier eingewickeltes Brot.

»Ach, Schätzchen, wenn ich dich nicht hätte.« Chiara drückte dem Mädchen einen dicken Kuss auf die Wange.

»Hey, und was ist mit mir?«

Chiara und Rose drehten sich um. Sie hatten im Eifer des Gefechts nicht bemerkt, dass Marc hinter ihnen die Treppe heruntergekommen war. Er stand auf der untersten Stufe und streifte sich gerade seine Hosenträger über ein Holzfällerhemd, das er über seiner Brust noch nicht zugeknöpft hatte. Mit einer Größe von knapp einem Meter neunzig überragte er seine Frau fast um einen Kopf.

Chiara lächelte und reckte sich, um ihm die Knöpfe zu schließen. Sie konnte nicht umhin, Marc dabei über die Brust zu streicheln. Schelmisch drückte sie ihm einen zärtlichen Kuss auf seinen Hals. Schließlich waren seine Liebkosungen in den frühen Morgenstunden dafür verantwortlich gewesen, dass sie die Zeit total vergessen hatte.

»Ich auch!«, beschwerte sich Rose hinter ihnen vehement.

Marc kam nun ganz herunter und ging in die Hocke, um Rose mit Schwung durch die Luft zu wirbeln. Dabei drehte er sich mehrmals um die eigene Achse. Das Mädchen jauchzte freudig auf. Sie bekam einen herzhaften Schmatzer auf den Mund, bevor er sie wieder vorsichtig absetzte.

»Das hätte ich mir ja denken können, dass du schon fix und fertig angezogen bist. Aber dein Plüschtier musst du hierlassen.«

Damit setzte er die schwarz-weiß gefleckte Kuh auf eine Kommode. Dieses lustige, flauschige Stofftier hatte Rose zum Einzug auf der Farm von Maggie geschenkt bekommen. Seit dem Tag begleitete die Kuh Rose auf all ihren Wegen. Sie sah schon etwas mitgenommen aus. Aber dennoch liebte Rose das Tier heiß und innig. Sie hatte es Alma getauft, weil Maggie ihr eine Geschichte von dem Kälbchen Alma erzählt hatte, das von Maggie als Kind auf dem elterlichen Hof mit der Flasche großgezogen worden war.

»Alma wartet hier, bis du von der Schule kommst«, sagte Marc grinsend.

Rose strich dem Stofftier noch einmal über den Rücken und verabschiedete es.

»Na, dann will ich mal sehen, dass meine zwei Hübschen nicht zu spät zur Schule kommen. Ich bring euch schnell mit dem Jeep.«

Chiara war Lehrerin an der gleichen Schule, die auch Rose besuchte. Also hatten sie einen gemeinsamen Weg. Sie gingen durch die Küche hinaus in den Vorgarten und zum Auto. Maggie stand im Türrahmen und beobachtete lächelnd das Familienglück.

»Guten Morgen, Tante Maggie.«

Schnell drückte Chiara ihre heiß geliebte Tante im Vorbeigehen.

Maggie hob grüßend die Hand und drehte sich dann aber schnell um.

 

Die drei sollten nicht sehen, dass es ihr im Moment nicht gut ging. Sie flüchtete in den Vorratsraum und hielt sich stöhnend an einem Regal fest. Sie hatte heute Morgen mal wieder höllische Kopfschmerzen. Es war kurz nach sieben, und in der Küche saßen acht Männer, die sich am reich gedeckten Frühstückstisch labten.

Es waren ihre Farmarbeiter, die bei ihr mitverpflegt wurden. Ihr Leben war im Moment doch eigentlich so wundervoll. Wieso mussten ihr diese dämlichen körperlichen Beschwerden ständig dazwischenfunken? Maggie setzte sich auf einen Hocker und stützte ihren schweren Kopf in beide Hände.

So viel war in den letzten vier Jahren geschehen! Nie hätte sie nach dem plötzlichen und viel zu frühen Tod ihres Mannes gedacht, dass sich noch so vieles zum Guten wenden würde. Damals war sie von heute auf morgen mutterseelenallein mit der Verantwortung für drei riesige Rinderfarmen dagestanden. Leider hatte sie von geschäftlichen Dingen nur wenig Ahnung gehabt. Aber wie das Schicksal es wollte, war Marc Bradley in ihr Leben getreten. Damals wusste sie noch nicht, dass er nach einem Großbrand seine Frau, seine kleine Tochter und seine eigene Rinderfarm verloren hatte. Völlig verzweifelt hatte er Hals über Kopf seine Heimat in Wellington verlassen.

Mit seinem Schicksal hadernd, war er zu Maggie auf die Tangata-Whenua-Farm gelangt, und fortan hatten sie die Geschäfte gemeinsam geführt und das riesige Rinderimperium erfolgreich weiter ausgebaut. Vor einem Jahr dann hatte Maggie ihre Nichte Chiara aus ihrer alten Heimat Deutschland aufgenommen, nachdem diese ihre Mutter nach langer Krankheit viel zu früh verloren hatte.

Chiara und Marc hatten sich ineinander verliebt und ihr Glück mit einer wunderschönen, romantischen Hochzeit am Strand von Hahei besiegelt. Als letztes Mitglied der neuen Familie war die kleine Rose dazugestoßen. Ihr Vater, der Nachbar Ted Turner, war dem Alkohol verfallen. Chiara und Marc hatten die Vormundschaft für das Mädchen übernommen. Hatten sie doch alle von Anfang an das kleine verwahrloste Mädchen in ihr Herz geschlossen!

Chiara, Marc und die kleine Rose waren zu ihr ins Farmhaus gezogen und bereicherten fortan ihr Leben mit viel Liebe und Fröhlichkeit. Sie waren zu einer glücklichen Familie zusammengewachsen.

Chiara ging mit Freuden seit einem halben Jahr einer Anstellung als Grundschullehrerin in der nahen Kleinstadt nach.Und Rose entwickelte sich prächtig, nachdem die Schatten ihrer Vergangenheit allmählich verblassten.

Sie hing sehr an Chiara und Marc. Maggie wurde von ihr liebevoll Tante Maggie genannt, und sie und das Kind verband ein besonders inniges Band der Liebe.

Wenn nur diese elendigen Schmerzschübe nicht wären! Ein stetes Klopfen in ihrem Kopf riss Maggie zurück in die Gegenwart. Heute waren es mal wieder höllische, migräneartige Kopfschmerzen.

Die Anfälle kamen jetzt immer häufiger und waren kaum noch zu verbergen. Erst hatte sie dem Stress die Schuld dafür gegeben, denn die Arbeitstage auf der Farm waren lang und intensiv. Also hatte sie eine weitere Hilfe fürs Büro eingestellt, damit sie sich etwas öfter ausruhen konnte. Doch das half auch nichts. Die Ärzte, die Maggie aufgesucht hatte, gaben ihr Spritzen und Schmerzmittel. Eine Ursache konnten sie jedoch nicht finden. Das Blut war in Ordnung, und die Röntgenaufnahmen ergaben keinen auffälligen Befund. Deshalb schluckte sie wohl oder übel Tabletten. Doch je mehr sie davon einnahm, desto mehr hatte Maggie das Gefühl, nun auch noch zusätzlich unter den Nebenwirkungen zu leiden. Von Schmerzlinderung keine Spur! Es war wie verhext.

Völlig ratlos gab sie sich auch an diesem Morgen ihrem Schmerz hin.

Sie war heilfroh, als die Landarbeiter nach dem Frühstück ihr Haus verließen. Maggie strich ihren Rock glatt, räumte notdürftig die Küche auf und flüchtete sich dann in ihr Zimmer. Alle waren jetzt fort. In letzter Zeit konnte sie andere Menschen nur noch kurze Zeit ertragen, dann sehnte sie sich nur noch nach Ruhe und Einsamkeit.

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Das war’s

Rums! Und nochmals Rums! Ein weiterer Schuh flog in seine Richtung. Knapp an seiner rechten Schläfe vorbei. Ben konnte gerade noch ausweichen, ansonsten hätte ihn das Geschoss mit Sicherheit am Kopf getroffen. Er schnappte sich ein Kopfkissen und hielt es sich schützend vor sein Gesicht, weil Dolores sich bereits nach einem weiteren Objekt umsah.

»Ich habe es satt mit dir! Du kannst mich mal!«

Laut stampfte sie mit ihrem rechten Fuß auf den Fußboden. Unglaublich, was diese Frau für ein Temperament besaß!

»Ich warte mal wieder seit Stunden auf dich! Ich mache das nicht mehr mit! Definitiv! Deine ständigen Versprechungen … Nie hast du Zeit für mich!«

Erbost zog sie ihren Koffer vom Schrank im Schlafzimmer und pfefferte ihn auf das breite Bett. Mit einem heftigen Ruck zog sie die Schubladen auf, und ein Kleidungsstück nach dem anderen flog in hohem Bogen in den Koffer. Die sorgfältig zusammengefalteten Sachen fielen auseinander. Es folgten einige Paar Schuhe. Voller Wut raffte sie ihre Kosmetikartikel aus dem angrenzenden Badezimmer zusammen und warf sie wild durcheinander in einen Kulturbeutel. Mit Schwung klappte der Kofferdeckel zu, die Schlösser schnappten ein.

»Mensch, Dolly, jetzt beruhig dich doch!«

Ben stand breitbeinig vor ihr und stemmte seine Arme in die Hüften. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Seine Jeans klebten an seinen muskulösen Beinen.

Auf dem Nachhauseweg hatte er sich völlig abgehetzt, obwohl ihm klar gewesen war, dass er trotzdem mal wieder viel zu spät kam. Ausgemacht war das Abendessen für sieben Uhr. Jetzt war es bereits nach zehn.

Es war auch zu blöd. Einige Rinder hatten im nördlichen Zipfel der Farm einen Weidezaun niedergetreten und waren ausgebüxt. Seine Männer waren bereits zum Abendessen zur Tangata-Whenua-Farm herübergefahren. Auf sich allein gestellt, hatte er die Tiere einfangen und den Zaun notdürftig geflickt. Was war ihm auch anderes übrig geblieben? Schließlich war er für die Tiere verantwortlich.

Seit Maggie van Wyk Ben als Farmmanager für ihre zweite Farm, die Haeta-Farm, eingestellt hatte, lebte er hier, unweit der Hauptfarm. Mit ihm war auch Dolores in das urige Farmhaus eingezogen. Seine Freundin arbeitete bei der neuseeländischen Aufsichtsbehörde für Rinderzucht und war beruflich ebenfalls stark eingespannt und viel unterwegs. Die knappe Freizeit verbrachten sie am liebsten hier auf der Farm.

Doch leider hatte er mal wieder ein Date zum Dinner vermasselt. Es war nicht das erste Mal, dass ihm das passierte. Und so, wie es jetzt aussah, hatte er den Bogen wohl überspannt.

»Warte, Dolly, du willst doch jetzt nicht alles hinschmeißen?«

»Doch, jetzt reicht es mir endgültig! Mit uns beiden, das funktioniert einfach nicht. Du siehst ja, was dabei herauskommt.«

Dolores schnappte sich ihren Mantel und zog den schweren Koffer hinter sich die Treppe herunter. Hart knallten die Kofferkanten auf die Stufen. Klack, klack, klack.

»Warte!«

Ben, der erst unschlüssig oben im Türrahmen stehen geblieben war, rannte jetzt hastig hinter ihr her.

»Lass uns reden.« Es war ein letzter verzweifelter Versuch.

Dolores drehte sich um und rannte zur Tür hinaus.

»Es tut mir leid, mein Lieber. Zum Reden war in den letzten Monaten mehr als genug Zeit. Es hat einfach keinen Sinn.« Die Autotür klappte zu, und das Fenster der Fahrertür glitt hinunter. »Hier, dein Haustürschlüssel!«

Der Schlüssel landete in hohem Bogen im Staub. Die Reifen ihres Autos drehten durch. Eine Staubwolke wirbelte auf, und das Auto entschwand in der nächsten Kurve aus seinem Sichtfeld.

Zurück blieb ein sprachloser Ben. Er stand auf den Stufen der Veranda und schaute dem davonfahrenden Auto hilflos hinterher. Seine Arme hingen schlaff an seinem Körper hinunter. Das sollte es gewesen sein?

»Ach, Sch…!«

Wütend über das Geschehen, aber noch mehr über sich selbst, kickte Ben einen großen Stein in die Luft und sackte enttäuscht auf die oberste Treppenstufe. So blieb er noch lange sitzen.

Die Nacht war längst hereingebrochen. Am Himmel war nur die schmale Sichel des Mondes zu sehen. Den Kopf in die aufgestützten Arme gesenkt, hockte er da und grübelte vor sich hin.

Dabei hatte alles so aufregend angefangen. Im letzten Jahr, als er noch auf der Tangata-Whenua-Farm gearbeitet hatte, war ihm die Begegnung mit Dolores wie eine Schicksalswende vorgekommen. Nach Jahren des Alleinseins hatte er geglaubt, endlich die Frau seines Herzens gefunden zu haben.

Bevor Dolores in sein Leben getreten war, war da noch die Geschichte mit Chiara gewesen – Chiara, die Nichte seiner Chefin Maggie. Eines Tages war die junge, hübsche Deutsche auf die Farm gezogen, und seit dem Moment war auch seine Liebe zu ihr entbrannt gewesen. Doch nach vielen Irrungen und Wirrungen hatte er sie wohl oder übel seinem Kollegen Marc überlassen müssen. Chiara hatte Bens Liebe leider nicht erwidert und sich für Marc entschieden. Vor lauter Kummer hatte Ben damals daran gedacht, die Farm, die ihm in den letzten Jahren eine Heimat geworden war, zu verlassen.

Doch zum Glück trat genau in diesem Moment Dolores in sein Leben. Wie ein Wirbelwind eroberte sie sein Herz und zog bereits nach wenigen Wochen bei ihm ein. Die erste Zeit verging wie im Rausch. Sie war Balsam für sein einsames Herz. Aber sie hatten nicht bedacht, dass ihre beiden Jobs das junge Glück schon bald auf eine große Zerreißprobe stellen würden. Dolores war im ganzen Land für ihre Behörde unterwegs. Sie blieb oft nächtelang fern. Und war sie mal zu Hause, verlangte sie von Ben, stets alles stehen und liegen zu lassen, um sich ihr zu widmen. Das allerdings war mit seiner neuen verantwortungsvollen Aufgabe als Farmmanager nicht zu vereinbaren. Die Kühe und Kälber bestimmten sein Tagesgeschehen – und nicht die Uhr, geschweige denn Dollys Forderungen.

Ein Streit folgte dem nächsten. Von Liebe war recht bald nichts mehr zu spüren, als hätte jemand die Glut mit einem Eimer Wasser gelöscht. Der Auftritt am heutigen Abend hatte das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht.

Ihm war einfach kein Glück bei den Frauen beschieden. Er war mittlerweile fast dreißig Jahre alt. Auch er sehnte sich nach einer eigenen Familie und wollte nicht länger als Single leben.

Müde erhob er sich endlich und wandte sich dem Haus zu. Es war sehr spät. Er schaute auf seine Armbanduhr: weit nach Mitternacht. Es lohnte sich fast nicht mehr, sich hinzulegen. In einer Stunde würde der Wecker ohnehin wieder klingeln.

Eine kalte Dusche und eine Kanne Kaffee tun es auch, dachte er und setzte seinen Gedanken in die Tat um. Außerdem kalbte gerade eine Kuh. Ein guter Moment, einmal nach dem Tier zu sehen.

 

Sein schwarzes Haar glänzte, als er aus der Dusche trat. Er schlang ein Haargummi um die noch feuchten Strähnen und band sie zu einem Pferdeschwanz im Nacken zusammen. Sein dunkler Teint glänzte im fahlen Licht der Badezimmerbeleuchtung. Ben schüttelte sich. Die letzten Wassertropfen perlten von seinem Oberkörper, bevor er ein kariertes Baumwollhemd über die muskelbespannte Brust zog. Es war nicht zu leugnen, dass er sein Äußeres seinen Vorfahren, den Maoris und Ureinwohnern Neuseelands, verdankte.

Vor elf Jahren hatte er seinen Stamm und seine Heimat verlassen, um in der Weite Neuseelands sein Einkommen als Landarbeiter zu suchen. Die finanziellen Verhältnisse hatten ihn damals dazu gezwungen. Diesen Schritt hatte er bisher noch nie bereut, trotz des Heimwehs, das er im Herzen trug. Auf der Tangata-Whenua-Farm hatte er ein neues Zuhause gefunden. Die familiären Strukturen der Eheleute van Wyk hatten ihm dabei geholfen, sein Heimweh zu vergessen. Und im letzten Jahr waren seine Dienste für die Farm auch endlich honoriert worden, als er die Alleinverantwortung für die Haeta-Farm bekam.

Diese zur Tangata-Whenua-Farm gehörige »Filiale« beherbergte seit jeher die trächtigen Kühe. Für die Kälber gab es einen angegliederten separaten Aufzuchtbetrieb, bis sie alt genug waren, um auf einer Versteigerung verkauft zu werden. Im Durchschnitt kamen hier im Jahr 500 Tiere zur Welt, eine wahre Herausforderung für die Bewohner der Farm.

 

So war es auch an diesem frühen Morgen Bens erste Pflicht, nach den kalbenden Tieren zu sehen. Weil noch alles schlief, machte er danach einen Spaziergang über die Wiesen durch das feuchte Gras. Mit gesenktem Kopf schlenderte er dahin. Es war ein grauer, nebelverhangener Tag. Die lila-blauen Kuhschellenblumen, die sich wie ein Teppich über die Wiese ausgebreitet hatten, ließen noch traurig ihre Köpfe hängen. Dunkle Wolken deuteten heute auf Regen hin. Das Wetter passte genau zu seiner trübseligen Stimmung.

[home]

Herzschmerz

Er stand verdeckt hinter einer alten Trauerweide. Die aufgehende Sonne kämpfte mit ihren ersten Strahlen und verdrängte die Dunkelheit der Nacht. Obwohl er wusste, dass weit und breit keine Menschenseele in der Nähe war, schaute er sich nach allen Seiten um. Mit einem Blick auf sein Handy sah er, dass es gerade einmal fünf Uhr in der Früh war. Die Tangata-Whenua-Farm war durch die Schwaden des Morgennebels hindurch zu erkennen. In der Nähe rupfte friedlich eine Herde Kühe im ersten Morgenlicht die noch nassen Grashalme.

Eine zierliche Frauengestalt kauerte im taufrischen Gras in einem Blütenmeer aus Krokussen. Er sah, dass ihre Schultern zuckten. Ihr Gesicht war nicht zu erkennen. Sie hatte ihn nicht bemerkt, als er den Hügel hinaufgeklettert war. Ein herzzerreißendes Wimmern war zu vernehmen. Es klang verzweifelt.

Vor ihr lag das sorgfältig gepflegte Grab ihres vor vier Jahren verstorbenen Mannes Claas. Es war allseits bekannt, dass Maggie oft hier oben verweilte und in stummer Zwiesprache den Kontakt zu ihrem geliebten Mann suchte. Doch was sie heute Morgen so früh hier heraufgetrieben hatte, musste gravierender sein als sonst. Das Weinen wollte nicht aufhören.

Etwas ratlos stand Ben da und überlegte. Er empfand großes Mitleid. Die Frau in Not war seine Chefin, die er sehr schätzte. Sie war ihm in all den Jahren, die er auf der Farm arbeitete, immer eher eine familiäre Freundin als eine strenge Vorgesetzte gewesen. Sollte er sich bemerkbar machen? Brauchte sie vielleicht jemanden zum Reden? Oder sollte er einfach wieder gehen?

Als ihre Schultern unter ihrem Schluchzen erneut bebten, konnte er nicht anders, als näher an sie heranzutreten.

»Maggie?«, fragte er leise.

Das Schluchzen hörte sofort auf. Erschrocken drehte sich die Angesprochene um. Ihre Augen waren vom vielen Weinen gerötet. Sie fuhr hoch.

»Ben, was machst du denn hier?«

Dabei wandte sie sich rasch wieder ab. Sie wollte nicht, dass sie so gesehen wurde. Hastig wischte sie die Tränen mit dem Handrücken fort.

Dabei ging es auch Ben heute Morgen schlecht. Nicht umsonst trieb er sich um diese Uhrzeit hier draußen herum. Er holte tief Luft und versuchte, sich zusammenzureißen.

»Ich dachte, nur mir ist heute Morgen zum Heulen zumute«, offenbarte er sich, um die befangene Situation etwas aufzulockern. »Komm, ich geb eine Runde Taschentücher aus.«

Damit hielt er ihr ein zerknautschtes Päckchen hin. Verlegen nahm Maggie ein Tuch und putzte sich erst einmal geräuschvoll die Nase.

»Ben, es ist besser, wenn du gehst. Ich möchte nicht, dass du mich so siehst«, setzte sie an.

Sie war sichtbar verlegen. Aus Respekt wandte er sich um und wollte bereits gehen, da vernahm er hinter sich erneut ein jammervolles Stöhnen. Rasch drehte er sich wieder um. Jetzt hinderte ihn nichts mehr daran: Er nahm Maggie vorsichtig in die Arme. Sie hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Da brach es völlig verzweifelt aus ihr heraus:

»Ich halte es nicht mehr aus! Ich weiß nicht mehr, wie ich das schaffen soll! Mein Kopf, es drückt so, es hört einfach nicht wieder auf. Ich werde noch verrückt. Ständig die starken Schmerzen!«

»Maggie, was ist mit dir? Seit wann hast du Kopfschmerzen?«

»Ach, es ist zum …, ist schon gut.« Nach einigen Augenblicken des Schweigens richtete sie sich auf. Ihre Schultern strafften sich.

»Ich schaff das schon. Du hast nur Pech gehabt, dass du mich in einem schwachen Moment angetroffen hast. Frauen haben manchmal ihre Heultage. Bitte versprich mir, dass niemand davon erfährt. Nachher ist bestimmt alles wieder gut.«

»Nichts ist gut, das sehe ich doch!« Ben ließ nicht locker und schob sie liebevoll zu einer nahe stehenden Holzbank. »Du setzt dich jetzt erst einmal hin. Deine Hose ist schon ganz feucht vom nassen Gras.«

»Ach, das macht nichts.«

Ihre Worte klangen herrisch. Das war eigentlich gar nicht ihre Art. Maggie lief vor Verlegenheit rot an.

Ben merkte natürlich, dass es ihr außerordentlich peinlich war, in solch einer persönlichen Situation überrascht zu werden. Jeder kannte sie nur als die allzeit fröhliche, fleißige und ausgeglichene Maggie. Ihr ganzes Streben galt der großen Rinderfarm und den Leuten, die hier lebten – das Vermächtnis ihres verstorbenen Mannes.

Jeden Morgen und jeden Abend versammelte sie ihre Leute zu einer gemeinsamen Mahlzeit um ihren großen Esstisch in der Küche im Farmhaus. Das waren jedes Mal zehn bis zwölf Personen. In Neuseeland war es auf den großen Farmen nicht üblich, die Landarbeiter zu verköstigen. Sie lebten in der Regel in kleinen Unterkünften auf der Farm und waren Selbstversorger. Doch für Maggie waren die gemeinsamen Essen eine lieb gewonnene Gewohnheit. Frei nach der Devise: Wer zusammenarbeitet, der soll auch zusammen essen. Oft ging es bei diesen Mahlzeiten laut und lebhaft zu. Alle Farmleute hatten viel Spaß miteinander, teilten aber auch die Erlebnisse des Tages, tauschten sich aus – wie eine große Familie eben.

Maggie war als junge Praktikantin von Deutschland nach Neuseeland gekommen und hatte sich in ihren Vorgesetzten Claas van Wyk verliebt. Sie hatte das Land und die Leute schätzen gelernt. Leider waren ihr in ihrer Ehe Kinder versagt geblieben. Das mochte vielleicht auch der Ursprung des Gedankens gewesen sein, ihre Leute regelmäßig um sich zu scharen wie eine Henne ihre Küken. Ihre Angestellten dankten es ihr mit Respekt und Treue.

Es war in Neuseeland gang und gäbe, dass die Landarbeiter nach einer Saison weiterzogen; nicht aber auf der Tangata-Whenua-Farm. Oft standen die Männer schon seit Jahren als Lohnempfänger auf Maggies Gehaltsliste. Sie hatte sogar ihre treuen Arbeiter am Gewinn der Farm beteiligt. Nicht umsonst stand ihr Betrieb, bestehend aus drei Farmen und mehr als zweitausend Kühen, so erfolgreich da. Maggie drückte dem Ganzen mit ihrer fairen, souveränen und zupackenden Art ihren Stempel auf. Sie wurde geschätzt und verehrt. Nie dachte sie an sich selbst, die Menschen und Tiere gingen stets vor.

Dieser Typ Frau war nicht mit dem Häufchen Elend zu vergleichen, auf das Ben gerade hinabblickte. Was hatte Maggies Lebenskraft derart ins Wanken gebracht?

Geduldig wartete Ben, bis das Schluchzen leiser wurde und Maggie wieder durchatmen konnte. Wenn sie wollte, würde sie reden.

Und so war es dann auch. Nach langer Zeit des Schweigens blickte sie aus ihren verquollenen Augen vorsichtig hinauf zu Ben, der wie ein Fels in der Brandung neben ihr ausgeharrt hatte. Liebevoll hatte er den Arm um sie gelegt.

 

Ach, es tut so gut, sich einmal anzulehnen, dachte Maggie für eine Sekunde.

Wie lange hatte sie das nicht mehr getan? Doch genau in diesem Moment wurde ihr bewusst, was die Wärme dieses starken, großen Mannes in ihr auslöste. Vorsichtig rückte sie etwas von ihm ab, sodass sein Arm auf die Banklehne hinabrutschte. Trotz der starken Kopfschmerzen entstanden Gefühle, die sie gar nicht so schnell einordnen konnte. Immerhin war Ben jünger als sie. Bisher hatte sie für ihn immer wie für einen jüngeren Bruder gefühlt, den sie allzu gern ein wenig bemutterte. Wusste sie doch, dass er seit Jahren ohne seine Familie und fern der Heimat leben musste.

»Ben, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, fing sie leise an.

»Sag mir, was dich bedrückt, vielleicht kann ich dir helfen!«

Mir kann keiner mehr helfen,dachte sie. Dennoch fing sie an zu erzählen. Wie auf Knopfdruck sprudelte es aus ihr heraus.

»Das ist gar nicht so einfach. Ich habe seit einiger Zeit so starke Schmerzen, dass ich nicht mehr weiß, wo mir, im wahrsten Sinne des Wortes, der Kopf steht.«

»Dann musst du zum Arzt gehen!«, erwiderte Ben.

»Was meinst du, wo ich bereits Dutzende Male gewesen bin? Doch egal, wen ich auch um Rat gefragt habe, keiner hat mir helfen können!«

»Das glaube ich nicht, die Ärzte müssen doch herausfinden können, was dir fehlt.«

»Sie haben mich komplett durchgecheckt. Nichts! Kein Befund! Sogar beim Psychiater bin ich mehrere Male gewesen. Allmählich glaube ich selbst schon, dass bei mir etwas nicht mehr richtig tickt. Es ist zum Verrücktwerden!«

»Was tut dir denn genau weh?«, hakte Ben nach.

»Das ist ja das Komische. Mal feuert es im Kopf, dann im Genick, unten im Rücken oder in den Beinen, sodass ich Mühe habe, zu gehen. Jeden Tag sucht sich der Schmerz eine neue Baustelle, wo er sich austoben will. Ich weiß schon gar nicht mehr, was ich tun oder nicht tun soll. Putze ich die Fenster, kann es sein, dass mir der rechte Arm stundenlang so wehtut, dass ich kaum noch etwas greifen kann. Das hat nichts mehr mit einem normalen Muskelkater zu tun. Wenn ich ausreite – das ist besonders belastend für mich –, dann habe ich am nächsten Morgen das Gefühl, mein Becken bricht auseinander. Aber am schlimmsten sind diese ständigen Kopfschmerzen. Ich kann schon nicht mal mehr längere Zeit telefonieren oder mich mit jemandem unterhalten. Die Spannung im Kopf wird dann unerträglich und löst sich auch nicht so schnell wieder auf. Ich will dann nur noch flüchten, am liebsten in ein Mauseloch, wo mich keiner hört und sieht.«

Ben hörte ihr voller Mitgefühl zu. Das waren keine guten Nachrichten.

»Das merkt man dir aber gar nicht an. Du musst ja ein Meister im Verstellen sein! Wie lange geht das denn schon so?«

»Ich will ja auch nicht, dass jemand davon erfährt. Ich versuche schon seit Jahren, eine Lösung zu finden, damit der Spuk aufhört. Ich kann dir gar nicht mal genau sagen, wann ich das erste Mal Schmerzen hatte. Irgendwann vor einigen Jahren. Es fing schleichend im Rücken an. Vor einem Jahr wurden die Beschwerden dann immer vielfältiger, schmerzhafter und andauernder. Ich habe das zuerst auf den Stress im letzten Jahr zurückgeführt, als wir diese Sabotageakte hatten und der Kuhstall abgebrannt ist.«

»Warst du mal bei einem Neurologen?«

»Überall: Hausarzt, Neurologe, Zahnarzt, Orthopäde, MRT, Computertomograf, Massagen, Akupunktur, aufwendige Blutuntersuchungen, autogenes Training und so weiter und so fort. Ich glaube, es gibt nichts, was ich noch nicht ausprobiert habe.«

»Das kann ich mir gar nicht vorstellen«, ereiferte sich Ben.

»Glaub mir, mein Lieber, es ist aber wahr. Deshalb konnte ich heute Nacht auch nicht schlafen. Gestern hat der Arzt, der mich im Hamiltoner Krankenhaus vor einer Woche noch einmal vollständig untersucht hatte, angerufen und mir mitgeteilt, dass ich austherapiert sei. Ich solle versuchen, möglichst stressfrei zu leben, und lernen, mit dem Schmerz umzugehen. Damit könne man uralt werden. Leider sei aber auch er mit seinem Latein am Ende. Dann hat er mir alles Gute gewünscht. Peng, aus! Das soll jetzt für den Rest meines Lebens so weitergehen? Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie. Die Farm braucht mich doch, und gerade jetzt, wo Chiara, Marc und Rose bei mir eingezogen sind.«

Während der letzten Worte versagte ihr die Stimme, und das Schluchzen setzte wieder ein.

Was machte sie nur hier? Wieso erzählte sie Ben überhaupt davon? Was sollte er bloß von ihr denken? Mit Sicherheit hielt er sie jetzt für völlig plemplem.

 

Ben war von Maggies Beichte erschüttert. Seine eigenen Probleme, die ihn zu so früher Morgenstunde aus dem Haus getrieben hatten, traten völlig in den Hintergrund. Er mochte diese starke Frau, die er zum ersten Mal in seinem Leben so verzweifelt erlebte. Selbst nach Claas’ Tod und nach dem Beinahe-Untergang der Farm im letzten Jahr hatte er Maggie nicht so verzweifelt erlebt wie jetzt. Ihre Tränen rührten sein Herz. Er spürte genau, wie ihr schmaler Körper zitterte und bebte. Lange Zeit saß er neben ihr, nahm ihre Hände und hielt sie zum Trost.

»Es ist gut, dass du dich endlich jemandem anvertraut hast. Damit darfst du nicht für dich allein weiterleben. Wenn ich das so höre, dann ist es höchste Zeit, dass wir uns um dich kümmern. Immer warst du für uns da, jetzt werden wir für dich da sein. Damit spreche ich sicherlich nicht nur für mich. Du musst auch Marc und Chiara davon erzählen. Sie werden dich nicht im Stich lassen.«

»Aber Marc und Chiara haben selbst in ihrem jungen Leben so viel wegstecken müssen, ich möchte sie damit nicht belasten.«

»Du belastest uns nicht! Wenn ich weiß, dass du jeden Tag allein mit diesem starken Schmerz herumläufst, dann habe ich keine ruhige Minute mehr drüben auf der Haeta-Farm.«

Ben drehte sich ihr zu, sodass sie ihm direkt in die Augen sehen musste. Gleichzeitig nahm er ihre Hände ganz fest in seine und sprach jetzt eindringlich auf sie ein. »Glaub mir Maggie, ab jetzt stehen wir das zusammen durch. Du bist nicht mehr allein! Ich bringe dich nach Hause. Du bist völlig erschöpft. Und wenn ich dich eigenhändig ins Bett stecken muss«, scherzte er.

»Was du jetzt brauchst, ist Ruhe und nochmals Ruhe.«