Kind der Drachen – Licht oder Finsternis? - Sabine Hentschel - E-Book

Kind der Drachen – Licht oder Finsternis? E-Book

Sabine Hentschel

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Beschreibung

Caras neues Leben scheint perfekt: Sie kann endlich mit ihrer großen Liebe zusammen seien. Doch da ziehen am Horizont bereits die ersten dunklen Wolken auf... Nachdem Marces und Cara ihre Zweisamkeit eine Weile allein genießen konnten, entscheiden sich beide dafür, dass es Zeit wird in die Welt der Sterblichen zurückzukehren. Cara beginnt daraufhin ein Studium in Jena und muss feststellen, dass es auch im normalen Leben jede Menge Hürden zu bewältigen gibt. Sie macht neue Bekanntschaften und schließt Freundschaften. Umso mehr Zeit sie jedoch mit den Sterblichen verbringt, desto häufiger muss sie ihre Liebe zu Marces vor den Anderen verteidigen. Das führt schließlich dazu, dass sie mehr und mehr in einen Spagat zwischen den zwei Welten gerät. Marces kümmert sich unterdessen weiter um die Erhaltung der Ordnung in der Welt der Unsterblichen und lädt sich als Hilfe seine beste Freundin Lilly ein. Diese Begegnung sowie der darauf folgende Besuch von Tara und Elen verschlechtern allerdings zusehends die Stimmung zwischen Marces und Cara. Sie ist hin und hergerissen. Wem kann sie vertrauen? In welcher Welt will sie leben? In der Welt der Sterblichen oder in jener der Unsterblichen? Nachdem sich Marces' und Elens Streitigkeiten von Tag zu Tag verschlimmern, ziehen zu alledem auch noch düstere Wolken am Himmel auf. Ein gerissener Gegenspieler von Marces treibt im Hintergrund sein Unwesen und seine Absichten sind tödlich. Für wen wird sie sich entscheiden? Für ihr sterbliches Leben (Licht) oder ihre unsterbliche Familie (Dunkelheit)? Lässt sich die Welt der Sterblichen wirklich mit jener der Unsterblichen vereinen? Begleitet Cara auf ihrem schwierigen Weg ihr eigenes Ich zu finden und dabei die Konsequenzen ihres Handels nicht aus dem Auge zu verlieren! Taucht ein in eine Welt in der auch der Hass keine Grenzen kennt. Denn auch Unsterbliche machen in ihrer Wut vor nichts halt.

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Seitenzahl: 347

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Sabine Hentschel

Kind der Drachen

Licht oder Finsternis?

epubli

Die Autorin:

Sabine Hentschel wurde 1987 in der Universitätsstadt Jena geboren. Sie lebte von 2002 bis 2005 in dem kleinen Örtchen Werdau (Sachsen), wo sie wie ihre Romanfigur Cara, das Abitur an dem „Alexander von Humboldt“ Gymnasium absolvierte. Nach ihrem Abschluss ging Sabine Hentschel zurück nach Jena und studierte dort Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte. Bereits während ihrer Schulzeit entstanden im Rahmen des Deutsch-Leistungskurses einige bisher unveröffentlichte Gedichte, Kurzgeschichten und Theaterstücke. Die Idee zu Ihrer Drachenkind-Saga kam ihr jedoch erst im Verlauf ihres Studiums. Kind der Drachen – Licht oder Finsternis? ist das zweite Buch ihrer All Age Fantasy Saga. Derzeit arbeitet Sie eifrig an den letzten Teilen ihrer Drachenkind-Pentalogie um Cara, Marces und den anderen Drachenkindern.

Impressum

Originalausgabe 2015

Copyright © des Gesamtwerkes: Sabine Hentschel

Illustrationen: Copyright © Sabine Hentschel

Umschlaggestaltung: Patrizia Kramer, www.p-kramer.de

Lektorat: Christin Müller

Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

ISBN: 978-3-7375-6661-2

Weitere Informationen unter: www.sabinehentschel.de

Das Leben ist ein langer Weg,
voller Möglichkeiten und Entscheidungen.

Ein Traum wird wahr

Mein Leben hatte sich seit jenen vergangenen Tagen vollkommen verändert. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mit diesem Mann aus meinen Träumen einst alles teilen würde. Das Schicksal selbst hatte mir das größte Geschenk gemacht, dass es für mich gab - Marces.
Seit den Ereignissen auf der Burg, den Reisen zu Sylra und den anderen Drachen waren einige Wochen vergangen. Ich saß an jenem Tag allein im Garten. Marces war bereits drei Tage zuvor nach Jena aufgebrochen, um sich um »unser« neues Haus, wie er es nannte, zu kümmern. Es sollte alles fertig sein, wenn ich ihm am nächsten Morgen folgte. Marces rief ein paar Mal am Tag an nur um meine Stimme zu hören und um sicherzugehen, dass ich kein Traum war, wie er meinte. Manchmal versuchte er bei jenen Telefonaten ein paar Details über das Haus auszuplaudern, aber ich blockte jedes Mal ab. Es sollte eine Überraschung sein, so hatten wir es ausgemacht. Ich wollte vorher nichts davon wissen. Auch wenn meine Vorfreude auf unser gemeinsames, neues Leben groß war, genoss ich noch eine Weile die Unbeschwertheit und Stille seines Gartens. Er war meine Höhle.
Ein Ort, an den ich mich zurückziehen konnte. Abgeschottet von der Außenwelt gab er einem ein Gefühl der Ruhe und Zufriedenheit. Auch unser neues Haus sollte solch einen Garten besitzen. Dies war meine einzige Bedingung. Ich brauchte solch einen Ort. Ich brauchte diese Stille, um mich von meinem neuen Leben mit allen seinen Möglichkeiten ab und zu abschotten zu können.
All die Wege, die ich gehen konnte, all die Entscheidungen, die gefällt werden mussten. Das Leben in Jena, das Leben als Student, eröffnete so viel, dass es mir zunächst etwas Angst machte. Aber ich bewies den Mut mich diesem zu stellen. Ich wollte mein neues Leben voller Freude und Zuversicht beginnen.
Während Marces also unser Haus einräumte, traf ich erste Vorbereitungen für die Universität. Meine Anmeldung für Jena war soweit durch. Der Studentenausweis sowie erste Blöcke und Einführungsliteratur lagen schon bereit. Ich freute mich wahnsinnig. Endlich konnte ich meiner Leidenschaft für die Altertümer dieser Welt nachgehen und mein Archäologiestudium beginnen. Außerdem freute ich mich darauf neue Leute kennenzulernen und neue Erfahrungen zu sammeln. Da die Menschen hier nichts von meiner Vergangenheit wussten, konnte ich ganz unkompliziert an die Sache herangehen.
Neben den neuen Erfahrungen, die auf mich warteten, blieben da aber auch zwei alt bewerte – Kesy und Adrian folgten uns nach Jena. Kesy in ihr Psychologiestudium und Adrian zu den Informatikern. Sie bezogen eine gemeinsame Wohnung in unmittelbarer Nähe zur Universität. Nachdem ich den Großteil meiner Sachen am Abend zusammengepackt hatte legte ich mich zeitig schlafen. Der folgende Tag sollte aufregend genug werden, dafür brauchte ich viel Kraft.
In jener Nacht schlief ich unruhig in Marces’ Bett. Er fehlte mir. Seine Nähe war etwas Unersetzliches. Ich drehte mich mehrmals im Schlaf um bis ich etwas Ruhe fand und schließlich träumte:
Im Traum öffnete ich die Augen. Ein heller Lichtstrahl blendete mich. Ich blinzelte ein paar Mal, bis ich wieder etwas erkennen konnte. Zunächst sah beziehungsweise fühlte ich nur mit den Füßen. Der Boden, auf dem ich stand, war fest, etwas kalt aber angenehm. Teilweise etwas glatt. Als ich die Füße bewegte, knarrte es unter ihnen. Ich blickte nach unten und erblickte einen Holzfußboden. Dielen oder so etwas, ich war mir nicht sicher, was es war. Es füllte den gesamten Raum aus, bis zu den Wänden, die ihn jenem hellem Gelb gehalten waren wie Marces’ Wohnzimmer. Direkt vor mir erstreckte sich eine breite Fensterfront, durch die das Licht hereinfiel.
Ich lief auf sie zu und bemerkte, dass es sich um breite Türen handelte, weswegen ich sie direkt aufschob und hinaustrat. Draußen erstreckte sich über die gesamte Breite des Hauses eine kleine Terrasse, die auf hölzernen Stützen leicht über dem Niveau des Gartens in jenen hinausragte. Der Garten lief nach hinten in den angrenzenden Wald über. Im vorderen Bereich standen mehrere alte Bäume sowie vereinzelte Rosenbüsche. Bereits von der Terrasse aus konnte man sehen, dass er wie jener in Marces’ Haus verwinkelt und geheimnisvoll war. Allerdings nicht so durchdacht wie dieser, eher natürlicher, ländlicher. Wie ein kleiner, eigener, verworrener Wald. Ich musste etwas schmunzeln.
Dieses Haus ... Konnte es möglich sein, dass es unser Haus in Jena war? Hatte Marces es nicht abwarten können? Wollte er mir schon jetzt wenigstens einen Teil des Hauses zeigen? Ach – Marces.
In jenem Moment wachte ich auf.
Die Sonne ging draußen gerade auf. Er wusste, dass mir sein Garten fehlen würde. Wahrscheinlich hatte er mir genau, deshalb diesen Traum geschickt. Er wollte mir zeigen, dass ich auch in Jena meinen ganz persönlichen Platz haben würde.
Ich schüttelte den Kopf – Marces. Du konntest es aber auch nicht lassen, dachte ich. Er saß wahrscheinlich gerade im Wohnzimmer und lächelte in sich hinein. Oder wollte er meine Neugier wecken? Mich necken? Ich gestehe, er hatte es geschafft. Meine Aufregung bezüglich des Umzugs stieg. So sehr, dass ich nicht mehr schlafen konnte und dabei war es gerade mal um sieben. Viel zu früh, meiner Meinung nach, um schon aufzustehen. Ich schmiss mich zurück in Marces’ Kissen und drückte mein Gesicht hinein. Es roch nach ihm. Marces. Es klopfte.
»Miss! Sind Sie wach?«, sagte Partu leise.
Ich drehte mich zur Tür: »Partu? Ja, ich bin wach. Kommen Sie ruhig rein!«
Er öffnete die Tür und trat vors Bett: »Der Herr hat gesagt, ich solle nach Ihnen sehen. Er meinte, Sie seien schon wach und wir könnten losfahren« Wie bitte, dachte ich. Jetzt schon, es war doch grad so gemütlich im Bett. Ich setzte mich wieder auf. Er kannte mich doch zu gut. Er wusste, dass ich nach diesem Traum unmöglich wieder hätte einschlafen können. Gut, dachte ich, dass er wenigstens bis sieben gewartet hatte. Ich musste bei dem Gedanken daran, was andernfalls passiert wäre, schmunzeln. Allein der Gedanke, dass ich um drei Uhr morgens vorm neuen Haus gestanden hätte, war irgendwie komisch, verrückt und witzig zu gleich.
»Von mir aus!«, antwortete ich Partu: »Aber lassen Sie mich erst einmal langsam aus dem Bett kommen und anziehen.«.
Partu nickte mir zu: »Wünschen Sie noch zu Frühstücken? Der Herr meinte, Sie hätten wahrscheinlich keinen Hunger und ich sollte mir keine Mühe geben Sie zu überreden?«
Gute Frage, Hunger hatte ich in dem Moment eigentlich überhaupt nicht. Da hatte Marces wieder Recht gehabt. Andernfalls wer will schon freiwillig früh um sieben frühstücken, wenn der Bauch bis obenhin vollgestopft ist mit Aufregung, Erwartung, Freude und so weiter. Da war kein Platz mehr für Kaffee und Brötchen.
»Nein, danke Partu. Ich möchte nichts.« Partu nickte wieder und verließ das Zimmer. Ich quälte mich aus dem Bett. Richtig wach war ich trotzdem noch nicht. Vielleicht wäre ein Kaffee doch gar nicht so schlecht gewesen. Ich zog also mein Lieblingskleid an, ein blauer Sommertraum, und packte meine Klamotten zurück in meine Koffer. Mittlerweile befand sich mein gesamter Kleiderschrank in Marces’ Haus, womit die Kofferanzahl von einst einem auf acht gestiegen war. Wieso eine Person so viele Klamotten braucht?
Keine Ahnung. Aber ich liebe jedes einzelne Stück und kann mich einfach von nichts trennen. Andere würden sagen, das ist doch noch wenig. Nun ja, jeder wie er es für richtig hält. Außerdem muss ich dazu gestehen, dass ich meine komplette Schuhsammlung, mein absolutes Laster, bereits Marces bei seiner Abreise nach Jena mitgegeben hatte. Nachdem er mir versprochen hatte gut auf sie aufzupassen. Was wären wir Frauen nur ohne Schuhe! Nachdem ich alles zusammenhatte, lief ich die Treppe hinunter.
Partu stand bereits im Flur: »Kann ich Ihre Koffer holen lassen, Mademoiselle?«
»Ja!«, antwortete ich.
Partu winkte dem Fahrer und einem weiteren Mann zu. Ich schaute Partu etwas verwundert an. Partu und Marces’ Fahrer waren mir mittlerweile vertraut und ich hatte mich an ihre Anwesenheit gewöhnt, aber dieser Mann war mir gänzlich unbekannt. Partu schien meine Verwunderung zu bemerken: »Dieser Mann ist der Fahrer des Umzugswagens. Der Herr hatte noch ein paar Wünsche. sodass wir noch einige Sachen mitzunehmen haben und ich mir erlaubt habe dafür einen extra Wagen zu besorgen. Natürlich werden Ihre Koffer auch dort gut verstaut werden. Dafür Sorge ich höchstpersönlich!«
»Was sollen wir denn mitbringen?«, fragte ich.
»Nun, unter anderem die Vitrine aus dem Wohnzimmer und natürlich deren Inhalt. Gut verpackt versteht sich!«, antwortete er.
»Meine letzte Infusion.«, bemerkte ich.
»Ist auch dabei. Wenn Sie dann schon einmal im Mercedes Platz nehmen wollen wir sind gleich soweit!«, fuhr er fort und hielt mir die Tür zum Vorgarten auf.
»Danke, Partu!«, antwortete ich und nahm Ihm Mercedes Platz.
Die letzte Infusion. Wieso konnten wir sie nicht einfach hier lassen. Musste ich sie ständig vor Augen haben? Sollte ich mich ständig der Frage stellen, wann ich unsterblich werden wollte? Die nächsten Jahre sollten nur mir und Marces gehören, ohne irgendwelche Probleme und Sorgen der Unsterblichen.
Ich saß kaum zwei Minuten im Auto als Partu und der Fahrer einstiegen.
»Alles erledigt, wir können dann!«, sagte er zum Fahrer, der daraufhin losfuhr. Ich blickte zurück auf Marces’ Haus und verabschiedete mich leise.

Der Ruhepol

Der Fahrer bog in eine kleine Straße ein, ich drehte mich zum Fenster und schaute hinaus. Die Häuser, an denen wir vorbeifuhren, erstrahlten im sanften Sonnenlicht. Freundlich und einladend sprachen sie zu mir. Hießen mich willkommen in der neuen Umgebung. Sie machten mir Mut, dass der neue Anfang nur Gutes bringen würde. Dass meine Identität, meine andere Seite ein Geheimnis bleiben sollte.
»Wir sind da!«, sagte Partu, als der Fahrer vor dem steinernen Tor einer großen, weißen Villa stehenblieb.
»Das ist es?«, fragte ich.
»Ja, Mademoiselle!«, antwortete er und stieg aus. Ich folgte ihm. Die Sonne fiel direkt auf das Haus, sodass es zu glitzern begann. Es verzauberte mich, fing mich ein. Ich schloss die Augen, lauschte dem Wind, den Vögeln und dem Wald.
»Kommen Sie, Mademoiselle? Der Herr wartet sicherlich schon!«, fügte Partu an.
Ich seufzte kurz, bevor ich die Augen wieder öffnete und Partu ansah: »Ich komme schon, Partu!«
Er nickte mir zu, nahm ein paar Koffer aus dem Auto und schritt voran. Durch ein kleines Tor gelangte man in den kurzen Vorgarten des Hauses, der mit Rosen bestückt war. Rote Rosen, wie jene in Marces Garten, wundervolle Rosen. Dahinter erstreckte sich das dreistöckige Haus. Im mittleren reichte ein kleiner Balkon nach vorne hinaus. Wie jene der toskanischen Villen. Partu öffnete mir die Tür. Er besaß bereits seinen eigenen Schlüssel.
Marces kam uns aus dem Wohnzimmer sofort entgegengestürmt: »Maus! Da bist du ja endlich!«
Ich fiel ihm um den Hals und küsste ihn leidenschaftlich. Das Gefühl wieder bei ihm zu sein. Seine Nähe, seine Liebe und Zuneigung wieder zu spüren, war das wundervollste. Meine Sehnsucht nach ihm wurde endlich wieder gestillt.
»Ich hab dich so sehr vermisst!«, sagte ich.
Marces küsste mich erneut.
»Ich bin so froh, dass du wieder bei mir bist. Das macht unser Heim endlich vollkommen!«, sagte er.
»Unser Heim!«, wiederholte ich.
Marces trat etwas zurück: »Alles OK?«.
»Ja!«, antwortete ich: »Das klingt nur so unglaublich. Du – Ich. Dieses Wir, das ist immer noch alles wie ein Traum.«
Ich schmunzelte: »Und jetzt dieses Haus, unser Haus. Es ist wundervoll.«
Marces streichelte mir mit seiner Hand sanft übers Gesicht: »Ich liebe dich!«
»Ich liebe dich auch!«, entgegnete ich: »Und ich freue mich auf unser gemeinsames Leben hier.«
Dann gab ich ihm erneut einen Kuss. Denn ich konnte nicht von ihm lassen. Mein Glück war unbeschreiblich schön. Ein Traum, der dahinschwebte. Wir standen noch eine Weile im Flur. Küssten uns und genossen die Zweisamkeit.
Bevor Marces mich schließlich an die Hand nahm, um mir den Rest des Hauses zu zeigen. Vom Flur aus gelangte man linker Hand direkt in die Küche die zum Vorgarten hinaus lag. Sie war hell und freundlich eingerichtet.
Die weißen Schränke passten zum Äußeren des Hauses. Durch die Küche oder den Flur trat man nach hinten ins Esszimmer wo Marces gerade seinen geliebten großen Esstisch aufstellen ließ. Der Raum erinnerte mich vollkommen an jenes in Marces’ Haus in Prag. An der Schmalseite des Esszimmers, eben so nach hinten ausgerichtet lag das Wohnzimmer, welches auch durch den Flur betretbar war. Es erstrahlte in dem leuchtenden Gelb, wie ich es im Traum zuvor gesehen hatte.
Ich grinste Marces an: »Den Raum kenne ich schon!«
Er lächelte zurück: »Dann weißt du ja auch sicherlich, wo es dahin geht!« Er deutete mit dem Finger auf die großen Glastüren. Ich schob sie auf, wie im Traum, und trat auf die wundervolle Terrasse.
»Ich hoffe, dir gefällt dein neuer Garten!«, sagte Marces. »Er ist wundervoll! Danke!«, antwortete ich. Vor mir erstreckte sich der Garten aus meinem Traum. Die Rosenbüsche blühten in der Sonne. Die Bäume wogen sich im Wind und mit ihnen eine kleine Schaukel.
»Die ist für dich! Damit du meine nicht vermisst!«, erklärte mir Marces, während er auf die Schaukel deutete.
Ich strahlte ihn an: »Für mich?«, und gab ihm einen Kuss: »Sie ist wundervoll!« Ich nahm kurz auf ihr Platz und schaukelte zwei, dreimal, bis Marces mich unterbrach: »Können wir unseren Rundgang fortsetzen?«
Ich nickte nur, weil ich vollkommen überwältigt war von den Eindrücken.
Wir traten zurück ins Wohnzimmer das von Partu und dem Helfer gerade mit den gelben Sofas aus Marces’ Haus bestückt wurde.
»Dort vorn ist mein Arbeitszimmer, ich dachte mir, dass dir das im ersten Stock lieber wäre!«, fuhr er fort, während er mir einen kurzen Blick in seinen Arbeitsbereich gewährte. Das Zimmer war ziemlich dunkel. Wahrscheinlich, weil es bis oben hin vollgestopft war mit dunklen Holzregalen, die Ordnerweise Papierkram beinhalteten. Das Zimmer lag vom Flur aus betrachtet direkt gegenüber der Küche und war deshalb genauso nach vorn hin ausgerichtet.
Nachdem ich mich im Zimmer umgesehen hatte, zog mich Marces an der Hand ins erste Stockwerk. Die Treppe im Flur war eher schmal, verlief aber in einer L-Form gleichmäßig in die anderen beiden Stockwerke. Die von der Raumaufteilung her dem Erdgeschoss ähnelten. Über der Küche lag ein Gästezimmer. Über Marces’ Arbeitszimmer, das Meinige. Er hatte es mit einem großen, breiten Schreibtisch aus Buche und ein paar Regalen ausstatten lassen.
»Ich hoffe, es gefällt dir. Wenn du noch irgendetwas brauchst, können wir ja noch etwas besorgen!«, sagte er und ich antwortete sofort: »Es ist perfekt so! Hell und warm zugleich. Und bisher weiß ich doch gar nicht, was ich alles brauchen werde. Ich denke, dass wird sich dann zeigen.«
Er nickte mir zustimmend zu und führte mich schließlich weiter. Über dem Ess- und Wohnzimmer erstreckte sich im ersten Stockwerk unser Schlafzimmer, das angrenzende Ankleidezimmer, wie Marces es nannte, ich würde es unseren Kleiderschrank nennen, und ein großes Bad.
»Ich hoffe, dass ist genug Platz!«, sagte er zu mir.
Als wir das Ankleidezimmer durch das Bad betraten.
»Wow!«, antwortete ich: »Das ist überwältigend! So viele Sachen habe ich doch gar nicht!« Ich grinste ihn an. »Noch nicht!«, fügte er hinzu: »Was nicht ist, kann ja noch werden!«
»Das klingt sehr gut!«, erklärte ich. Marces strahlte mich an. Er freute sich sichtlich darüber, dass es mir gefiel. Durch unseren Kleiderschrank traten wir ins Schlafzimmer. Marces hatte uns ein großes Himmelbett besorgt, das fast den gesamten Raum einnahm. Ich schmiss mich in die Kissen hinein, um es zu testen. Sie rochen nach ihm und so vergrub ich mein Gesicht in ihnen. Marces legte sich neben mich: »Was machst du da?«
»Die Kissen riechen nach dir. Da konnte ich nicht anders«, antwortete ich. Marces verzog das Gesicht. Ich schmunzelte und rutschte an ihn ran: »Besser?«
»Viel besser!«, sagte er. Ich schloss die Augen, genoss seine Nähe, fast wäre ich eingeschlafen.
Aber Marces hielt mich wach: »Hey! Nicht schlafen, wir haben noch ein Stockwerk vor uns und die zwei wunderschönen Balkons wollte ich dir auch noch zeigen!«
Ich drehte mich auf den Rücken, schaute die Decke an: »Ich mag nicht! Können wir nicht einfach liegen bleiben?«.
»Nichts da!«, sagte er und zog mich sanft aus dem Bett. Ich folgte ihm also weiter. Vor den Fenstern des Schlafzimmers und des Bads erstreckten sich zwei kleine Balkons, die in den Garten hinausragten. Ich konnte den Ausblick nur kurz genießen, weil mich Marces weiter ins zweite Stockwerk zog.
Dort lag über dem Gästezimmer im ersten Stockwerk Partus Zimmer. Über meinem Arbeitszimmer befand sich ein weiteres Gästezimmer. Dem gegenüber ein weiteres Bad sowie Marces’ geliebter Lounge Bereich und das Kino. Es passte gerade so alles unters Dach.
Marces setzte sich auf die breite Couch und sah mich an: »Gefällt es dir?« Ich drehte mich einmal im Kreis und schloss dabei die Augen.
Dann blieb ich vor ihm stehen und lächelte ihn an: »Es ist wundervoll! Einfach perfekt!« Marces nahm meine Hand und zog mich zu ihm auf die Couch. Ich nahm neben ihm Platz.
»Es freut mich, dass es dir gefällt!«, sagte er und küsste meine Stirn. Ich genoss seine Nähe und Wärme. Denn auch wenn wir schwiegen, erzählten unsere Herzen von der Sehnsucht, die wir beide die letzten Tage gehabt hatten.
»Ich lasse dich nie wieder solange allein!«, unterbrach Marces die Stille. Ich kuschelte mich noch enger an ihn und legte dabei meinen Kopf in seinen Schoß. Er streichelte mit seiner Hand über mein Gesicht.
»Ich liebe dich«, sagte er leise. Ich drehte mich etwas, um ihn anzusehen: »Ich will für immer bei dir sein!«
Marces küsste mich vor Glück. Seine Liebe gab mir den Mut in mein neues Leben zu starten. Während Marces seine Lippen wieder sanft von meinen löste, trat Partu ins Zimmer. Marces sah ihn an: »Was gibt es, Partu?«
»Mein Herr, da ist ein Anruf für Sie!«, antwortete er.
Marces nickte: »Gut, stellen Sie den Anruf in mein Arbeitszimmer durch!«, und wandte sich dann mir wieder zu: »Tut mir leid! Ich muss wohl wieder an die Arbeit!« »Ist schon ok!«, antwortete ich.
Er gab mir einen Kuss auf die Stirn: »Deine Schuhe stehen noch in ihren Kartons verpackt im Ankleidezimmer. Ich habe mich nicht getraut sie auszupacken. Vielleicht willst du ja damit anfangen!«
Ich grinste ihn an und nickte zustimmend. Dann ging er mit Partu wieder nach unten. Ich folgte seiner Idee und lief ins Ankleidezimmer. Im hinteren Bereich standen übereinander gestapelt meine großen Kartons, in die ich vor ein paar Tagen meine Schuhe eingepackt hatte. Ein Schuhpaar nach dem anderen nahm ich behutsam aus den Kartons und verstaute sie im Schrank.
Marces hatte für sich bereits die linke Seite des Schrankes in Anspruch genommen. Weswegen ich die Schuhe zunächst in die rechte packen wollte. Als ich aber die Kartons etwas zur Seite schob, um zu sehen, ob dahinter auch noch Platz war, fiel mir auf, dass sich im mittleren Teil ein scheinbar eigens für mich eingebautes Schuhregal befand.
Ich schmunzelte bei dem Gedanken, dass Marces dieses nur für mich hatte anfertigen lassen. Nachdem ich alle Schuhe verstaut hatte, machte ich mich daran meine Koffer zu leeren, die Partu bereits ins Schlafzimmer hatte bringen lassen. Während ich noch dabei war den letzten Koffer auszuräumen, trat er in die Ankleide.
»Mademoiselle?«, fragte er.
»Ja, Partu?«, antwortete ich.
»Kann ich die leeren Koffer schon mitnehmen?«, sagte er, während er sie wieder verschloss.
Ich nickte ihm zu: »Der hier ist auch gleich leer. Ich habe mich schon gefragt, wo die leeren Koffer eigentlich hin sollen?«
»Auf den kleinen Dachboden, Mademoiselle. Ich bringe sie gleich alle nach oben!«, antwortete er, während er die letzten Koffer übereinanderstapelte.
»Soll ich Ihnen nicht helfen?«, fragte ich weiter.
»Nein, Mademoiselle. Ich mache das schon. Genießen Sie doch das schöne Wetter im Garten solange der Herr noch beschäftigt ist. Ich bringe Ihnen auch eine Decke und etwas zu Essen nach draußen, wenn Sie möchten!«, entgegnete er.
»Das klingt sehr gut, Partu! Danke!«, antwortete ich ihm und lief an ihm vorbei nach unten. Der Wind spielte noch immer mit den Bäumen, als ich in den Garten hinaustrat. Die sanften Bewegungen der Äste und Blätter unterbrachen von Zeit zu Zeit die Sonnenstrahlen, die auf mein Gesicht fielen. Ich setzte mich wieder auf die Schaukel und genoss für eine Weile die Ruhe und Stille.
Partu brachte mir währenddessen eine Decke und ein paar Leckereien nach draußen. Den restlichen Tag verbrachte ich voller Harmonie im Garten. Auf der Decke liegend betrachtete ich die vorbeiziehenden Wolken, die Bewegung der Bäume und die Vögel, die vereinzelt hin- und herflogen. Marces arbeitete den ganzen Tag, bis zum späten Abend. Erst als es allmählich dunkel wurde, kam er zu mir, um mich zum Abendessen zu holen.
Partu hatte sich viel Mühe gegeben.
Der Tisch war reich gedeckt. Das erste gemeinsame Abendessen im neuen Haus sollte etwas besonderes sein. Aber Marces und ich waren so müde, dass wir nicht sonderlich viel aßen. Stattdessen verschwanden wir zeitig ins Bett.
»Träum süß!«, flüsterte er mir ins Ohr, als er sich von hinten an mich kuschelte.
»Ich liebe dich!«, antwortete ich. Woraufhin er mir einen Kuss auf die Wange gab und ich langsam die Augen schloss. Ich war total müde.
Obwohl ich den ganzen Tag im Garten verbracht hatte, fiel erst in diesem Moment, eng umschlungen von Marces’ Armen, die Anspannung von mir ab.
Ich schlief ein und träumte wieder:
Ich stand in einer Kirche, die festlich geschmückt war. Durch die bemalten Fenster fiel ein sanftes Licht herein. Um mich herum mehrere hundert Leute. Die mir alle vollkommen unbekannt waren.
Ich blickte nach vorne zum Altar und da stand er – Marces.
In einem feinen Anzug mit einem strahlenden Lächeln streckte er die Hand nach mir aus. Als wollte er sagen – Komm. Aber ich zögerte. Irgendetwas hielt mich zurück.
Du bist meine Rose,
die nie verblüht.
(Marces)

Ein neuer Anfang

Trotz der Gedanken um den Traum schlief ich noch einmal ein. Am nächsten Morgen weckte mich Partu: »Mademoiselle! Sie müssen langsam aufstehen. Sie kommen sonst zu spät!«
Ich öffnete die Augen und drehte mich im Bett ein paar Mal um, bevor ich ihm antwortete: »Ich stehe gleich auf!« Dann blickte ich auf Marces’ Betthälfte. Er war nicht mehr da. Als hätte Partu meine Verwunderung darüber bemerkt, sagte er: »Der Herr arbeitet bereits. Er wollte Sie nicht wecken! Was möchten sie frühstücken?«
»Ein Brötchen, das reicht. Nur nicht so viel!«, antwortete ich, während Partu aus dem Zimmer verschwand, rappelte ich mich auf und zog mich an. Eigentlich wollte ich direkt zu Marces, um ihm einen Guten Morgen zu wünschen, aber Partu hielt mich zurück: »Der Herr telefoniert gerade! Soll ich ihm etwas ausrichten?«
»Ja!«, antwortete ich etwas überrumpelt: »Sagen Sie ihm einen guten Morgen von mir und dass ich ihn liebe!«.
Partu nickte und bat mich mit einer Handbewegung ins Esszimmer. Ich aß nur eine Kleinigkeit, bevor ich mich auf den Weg zur Universität machte. Die Sonne fiel mir ins Gesicht, als ich aus dem Haus trat.
»Miss!«, rief Partu mir hinterher.
Ich drehte mich um: »Ja, Partu?«
»Soll ich Sie zur Universität bringen lassen?«, fragte er. »Nein, danke Partu! Ich werde bei dem schönen Wetter zur Uni laufen«, antwortete ich. Partu nickte und ging zurück ins Haus, während ich durch das Tor trat und die Straße entlang Richtung Stadtmitte lief. Die Universität besaß mehrere Gebäude, die in der gesamten Stadt verteilt waren. Für den Anfang hatte ich zunächst einige Seminare und Vorlesungen im Hauptgebäude, das im Stadtzentrum etwa fünfzehn Minuten von unserem Haus entfernt lag.
Das alte Gebäude wurde nach dem Abriss des Jenaer Schlosses genau an jener Stelle erbaut. Ich hatte bereits in den Ferien einige Nachforschungen darüber angestellt in welchen Räumen meine Veranstaltungen stattfanden, war allerdings nie weit gekommen, da der Lageplan und die farbigen Erklärungen mich mehr verwirrten als das sie mir halfen. Deshalb wollte ich es vor Ort versuchen. Was sich im nach hinein als wenig clever herausstellte.
Ich lief also unsere kleine Straße und dann die großen Fernverkehrsstraße hinunter, vorbei an den großen Villen, der Klinik und dem Botanischen Garten, der im sanften Licht erstrahlte bis zum Hauptgebäude.
Bereits von außen konnte man die verwinkelte Anlage der Zimmer und Wege erkennen. Nun gut, dachte ich mir. Versuchen wir es einfach mal. Da am großen Eingang keinerlei Hinweise zu finden waren lief ich einmal gerade aus durch, an der langen Pinnwand vorbei, auf die andere Seite. Dort, im zweiten Eingangsbereich, hing eine große Tafel oder besser gesagt ein riesiger Wege-Plan. Eine Art Wegweiser mit verschiedenen Farbwegen, für die verschiedenen Ebenen und Treppen. Bei vier Etagen und mehreren verschiedenen Treppenaufgängen, die teilweise in Bereiche führten, die man nur über diese eine erreichen konnte, eine sehr hilfreiche Idee.
Während ich den Plan studierte, murmelte ich vor mich hin: »Zimmer 026, das muss doch hier irgendwo sein!« »Junges Fräulein!«, rief mir eine Stimme von hinten zu. Ich drehte mich um und sah einen Mann in Anzug, der aus einem kleinen Raum direkt neben der Eingangstür trat.
»Entschuldigen Sie, suchen Sie etwas?«, fragte er mich. »Ja!«, antwortete ich etwas irritiert: »Zimmer 026.«
Der Mann nickte und lächelte mich an: »Da sind Sie schon dran vorbeigelaufen. Zimmer 026 ist der große Hörsaal, gleich rechts vom anderen großen Eingang.« Dann deutete er mit der Hand auf eine Tür, die uns gegenüber, durch den Hof hindurch zu sehen war.
»Dort drüben ist es. Aber lassen Sie sich ruhig Zeit. Die Veranstaltung vor Ihnen ist noch drin, bis Dreiviertel.« »Danke!«, entgegnete ich und lief den Weg zurück, den ich gekommen war, zu der Tür, die er mir gezeigt hatte. Dort setzte ich mich auf die Fensterbank der Tür gegenüber. Im Raum waren Stimmen zu hören. Gut, warte ich eben noch ein wenig, dachte ich mir. Während ich so in Richtung Tür blickte, wurde mein Puls immer schneller. Äußerlich war ich zwar die Ruhe selbst, innerlich machte mein Herz rasende Sprünge – vor Aufregung.
Mehrmals blickte ich daher auf die Uhr. 41, 42, 43 … dreiviertel. Ende. Ich schaute wieder zur Tür, aber da tat sich nichts. Müsste die Veranstaltung jetzt nicht zu Ende sein? Ich drehte mich ein paar Mal zu allen Seiten um, wo sich mittlerweile einige andere versammelt hatten, wohl alle samt nun Kommilitonen von mir. Einige schienen vertieft in Aufzeichnungen oder Pläne, andere starrten wie ich in der Gegend umher. Ich traute mich allerdings nicht einen von ihnen anzusprechen und seufzte stattdessen.
Während ich mich wieder der Tür zuwandte, trat ein Mädchen neben mich. Sie war etwa in meinem Alter, maximal ein paar Jahre älter. Ihre langen, blonden Haare fielen ihr über die Schultern nach vorn und betonten ihre blauen Augen.
»Darf ich dich kurz stören?«, fragte sie mich.
Ich schaute sie an: »Ja!«
»Ich bin auf der Suche nach dem richtigen Raum, diese Wegweiser sind ja einfach grässlich. Hier soll irgendwo die Vorlesung zur Einführung in die Archäologie stattfinden, aber ich kann den blöden Raum nicht finden!«, antwortete sie.
Schmunzelnd gab ich ihr eine Antwort: »Die findet hier statt. Ich will auch in die Vorlesung. Du studierst also auch Archäologie?«
Das Mädchen lächelte mich an: »Oh! Danke. Ja, ich hab grad angefangen. Du auch?« Sie unterbrach kurz, als wollte sie mir Zeit lassen um etwas zu sagen, redete dann aber doch gleich weiter: »Ich bin übrigens Lana.«
»Freut mich dich kennen zu lernen. Ich bin Cara!«, sagte ich.
»Cara, hübscher Name und bestimmt sehr selten. Ich hab den Namen vorher noch nie gehört!«, erklärte sie mir.
Ich schmunzelte: »Danke! Woher kommst du?«
Lana blickte mich etwas überrascht an: »Von ziemlich weit her!« Dann grinste sie: »Nun ja, vielleicht nicht ganz so weit. Meine Familie, beziehungsweise meine Oma und meine Mutter, lebt in Hamburg. Ich bin dort zur Schule gegangen und wollte eigentlich auch dort zum Studium gehen, aber irgendwie bin ich jetzt hier gelandet. Witzig nicht?«
Was sollte ich darauf antworten. Ich wollte zu einem Satz ansetzen, aber da redete sie schon weiter: »Ich rede wie ein Wasserfall, sagen meine Freunde immer. Also unterbrich mich bitte, wenn es zu viel wird.«
»Kein Problem! Ich rede manchmal auch ohne Punkt und Komma!«, fügte ich an. Lana lächelte mich an. Noch bevor wir weiter erzählen konnten, öffnete sich die Tür und der Raum leerte sich.
»Also, wollen wir reingehen?«, fragte sie.
»Ja, lass uns reingehen!«, antwortete ich. Wir begaben uns zusammen in den Raum, suchten uns einen Platz weiter vorn und warteten. Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass es mittlerweile schon zehn nach war, denn kaum das wir saßen, trat der Professor in den Raum und begann mit seinen Vorbereitungen.
»Wie hieß er noch gleich?«, fragte mich Lana. Ich zuckte mit den Schultern. Darauf hatte ich bei der Vorbereitung gar nicht geachtet. Ein Mädchen, das direkt hinter uns saß, flüsterte uns zu: »Dr. Schmidt!«
Lana drehte sich kurz zu ihr um: »Danke!«
Dann notierte sie auf ihrem Block: Vorlesung, Einführung in die klassische Archäologie – Dr. Schmidt.
»So, jetzt kann es losgehen!«, sagte sie, während sie sich wieder zu mir drehte. Ich schmunzelte sie nur an, weil mir keine Zeit mehr blieb. Der Professor schloss gerade die Tür und es wurde still im Raum. Die Vorlesung war sehr interessant. Dr. Schmidt gab uns zunächst einen Einblick in die Archäologie und ihre Aufgabenfelder, erklärte uns dann den weiteren Ablauf der folgenden Vorlesungen und was er sich für den Abschluss so vorstellte. Die Vorlesung sollten alle am Ende des Semesters mit einer zweistündigen Klausur abschließen. Nachdem er sich ausführlich zu den Prüfungsmodularitäten geäußert hatte, gab er uns eine Liste mit wichtiger Literatur, die man nebenbei lesen sollte, und eine mit Handbüchern, die jeder zu Hause haben sollte. Außerdem legte er fest, dass sich unverzüglich alle das Lehrbuch zuzulegen hätten. Ein Grundwerkzeug für das Archäologiestudium, wie er dreimal betonte. Lana fing leise an zu kichern, als er beim dritten Mal auch noch den Zeigefinger erhob: »Sie müssen dieses Buch kaufen! Daran führt kein Weg vorbei!«, flüsterte sie mir leise mit verstellter Stimme zu. Ich musste mich total zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
Als er plötzlich sagte: »Ja, was gibt es denn?«, blieb mir fast das Herz stehen, weil ich dachte, er meinte mich. Aber das Mädchen hinter uns hatte sich gemeldet, um eine Frage zu stellen. Ich versank fast unter der Bankreihe vor Erleichterung.
»Welche Ausgabe hätten Sie denn gern?«, fragte sie.
Der Professor, sichtlich erstaunt, dass sich schon jemand vorbereitet hatte, antwortete: »Bitte nehmen Sie die diesjährige Ausgabe. Sollten Sie bereits eins besitzen, das vom vorigen Jahr stammt, ist das auch nicht weiter tragisch.« Das Mädchen hinter uns sagte nichts mehr, stattdessen schrieb sie irgendetwas auf ihr Blatt. Lana runzelte die Stirn, als wollte sie mir sagen, was macht das für einen Unterschied. Die restliche Vorlesung über berichtete Dr. Schmidt uns von den Anfängen der Archäologie und den ersten Ausgrabungen, wobei er stets jene herausragend lobte, für die er sich selbst interessierte. Nachdem er seine Vorlesung beendet hatte, wünschte er uns allen noch einen wunderschönen Tag und verschwand.
Während Lana und ich zusammenpackten, diskutierte das Mädchen hinter uns noch mit ihrer Freundin oder Banknachbarin.
»Das war ja wieder so was von klar, dass er nur die nennt. Seine Lieblinge immer schön in Vordergrund rücken«, sagte sie, während ihr ihre Nachbarin ins Wort fiel: »Das sind aber auch die größten und schönsten. Ich weiß überhaupt nicht, was du hast. Ich teile seine Meinung!« Lana stupste mich sanft am Arm und deutete mir an, dass wir lieber gehen sollten. Ich folgte ihrer Aufforderung. »Oh, Mann. Die streiten sich tatsächlich darüber, welche Ausgrabung schöner ist?«, sie fing fast an zu lachen, als sie das sagte.
»Vielleicht sind wir in drei Jahren auch so!«, erwiderte ich. Lana blieb erschrocken stehen: »Bloß nicht! Wenn das passiert, erschlag mich mit dem Lehrbuch!«
Ich musste lachen: »Dann steht am nächsten Tag in der Thüringer Zeitung: Studentin erschlägt Freundin mit Lehrbuch!«
»Das wäre die Schlagzeile!«, fügte Lana an.
Ich schüttelte den Kopf: »Unglaublich!«
Während wir uns langsam vom Hörsaal wegbewegten, fragte sie mich: »Was hast du als Nächstes?«
Ich kramte in meiner Tasche und holte den Stundenplan raus.
»Mittagspause. Wollen wir was essen gehen?«, antwortete ich.
Lana schüttelte den Kopf: »Tut mir leid. Ich hab jetzt Kunstseminar. Die sind immer von 12 bis 14 Uhr.«
»Ach so!«, antwortete ich: »Das wusste ich nicht. Mein Geschichtsseminar ist erst um zwei.«
Lana schmunzelte wieder: »Na ja, du hast ne Mittagspause und musst dafür bis um vier hierbleiben. Ich hab jetzt Seminar und geh dann heim.«
Ich nickte zustimmend: »Bis um vier. Zum Glück werde ich abgeholt, sonst wäre ich erst um halb fünf zu Hause.« Ich wusste, dass Partu es sich nicht nehmen lassen würde, mir den Fahrer zu schicken. Wenn er mich schon nicht hatte, hinbringen lassen dürfen, würde er zumindest darauf bestehen, dass man mich abholte. Und da er meinen Stundenplan, um den er mich vor ein paar Wochen gebeten hatte, bereits fein säuberlich in der Küche aufgehängt hatte, wusste er genau, wie lange ich heute hatte.
»Du wirst abgeholt?«, hackte Lana nach. Sie war sichtlich neugierig geworden.
»Ja!«, antwortete ich zunächst kurz. Ich musste erst darüber nachdenken, was ich sagen sollte: »Ich wohne zusammen mit meinem Freund in einem kleinen Häuschen, Richtung Weimar raus zu. Sein Fahrer hat heute nichts zu tun, deshalb kommt er mich abholen.«
Lana fiel fast die Kinnlade runter: »Ihr habt einen eigenen Fahrer? Wie cool ist das denn.«
Ich wurde etwas rot: »Es ist Marces’ Fahrer nicht meiner!«
»Marces ist dein Freund, nehme ich an!«, hakte sie nach. Ich nickte nur.
»So einen Freund hätte ich auch gerne. Schickes Haus, Fahrer … Habt ihr noch was?«, sagte sie schmunzelnd, während sie sich unser Haus vorzustellen schien.
»Nein!«, sagte ich und verschwieg absichtlich Partu.
»Darf ich mal vorbeikommen?«, fragte sie schließlich.
»Natürlich! Du bist jederzeit willkommen!«, antwortete ich.
»Klasse!«, sagte sie daraufhin und zückte einen Stift sowie ein Stück Papier: »Ich schreib dir meine Handynummer auf, dann können wir uns auch mal außerhalb der Uni treffen!«
Sie zerriss das Papier in der Mitte und schrieb auf die eine Hälfte ihre Nummer.

Prof. Gunitz

Ich setzte mich während der Mittagspause in die Cafeteria. Dort war es im Gegensatz zu draußen angenehm kühl. Das Thermometer stieg an jenem Tag bis auf 35 Grad Celsius. Eine unerträgliche Hitze. Es war nicht gerade verwunderlich, dass der Großteil der Plätze besetzt war. Nachdem ich etwas gegessen hatte, überflog ich die Liste der Handbücher. Ich vermutete, wohl nicht zu Unrecht, dass sie insgesamt ein Vermögen kosteten.
Während ich so darüber nachdachte, welche ich mir kaufen sollte und welche nicht, sprach mich ein Mädchen an: »Hallo, darf ich mich zu dir setzen?«
Ich nickte zustimmend. Sie war zierlich und klein, maximal 1,55 m. Ihre langen, dunkelblonden Haare waren leicht zusammengebunden.
»Ich wollte dich auch gar nicht stören, aber hier ist soviel los und es sind sonst keine Plätze mehr frei!«, sagte sie mit leiser Stimme.
»Ist schon in Ordnung. Lass es dir schmecken!«, antwortete ich, während ich sie weiter betrachtete. Sie hatte etwas Kindliches und irgendwie auch Süßes an sich.
»Danke! Das ist das erste Mal, dass ich hier esse!«, erklärte sie mir.
»Meins auch. Ich habe heute erst angefangen und du? Welches Semester bist du?«, fragte ich sie.
Das Mädchen zog ihre Jacke aus und hing sie über den Stuhl: »Erstes. Ist auch mein erster Tag. Und gar nicht so einfach. Alles so neu für mich.« Ich dachte an meine Ankunft heute Morgen.
An den Plan, den Pförtner und fragte sie schließlich: »Hast du den Wege-Plan verstanden?«
Sie blickte mich an und schmunzelte: »Du auch nicht? Ich bin fast verzweifelt!«
Ich musste lachen: »Puh. Noch jemand, dem es so geht. Zum Glück war der Pförtner so freundlich mir den Weg zum Hörsaal zu erklären. Aber wie ich gleich meinen Seminarraum finden soll, weiß ich auch noch nicht.«
»Du warst unten im großen Hörsaal oder?«, hakte sie nach. Ich nickte nur.
»Ich war schräg gegenüber in der Aula. Große Einführungsveranstaltung für Soziologen.«
»Hier gibt’s eine Aula!«, stellte ich verwundert fest. Sie nickte.
»Und was studierst du noch?«, fragte ich weiter.
»Soziologie und Geschichte!«, antwortete sie: »Ich hab gleich noch das Einführungsseminar für Geschichte!«
Ich grinste sie an: »Ich auch!«
Sie ließ fast die Gabel fallen: »Das gibt’s nicht.«
»Doch!«, bestätigte ich: »Ich bin übrigens Cara!«
»Freut mich!«, antwortete sie: »Ich heiße Kathrin!«
»Wollen wir zusammen zum Seminar gehen?«, fragte ich Kathrin.
»Gerne!«, antwortete sie, während sie schmunzelnd zugab: »Vier Augen finden den Raum schneller als zwei!«
Nachdem Kathrin gegessen hatte, gingen wir gemeinsam zum Seminar. Den Raum fanden wir schneller als gedacht. Er lag im zweiten Obergeschoss und war direkt über die Haupttreppe zu erreichen. Der Nachteil an dieser super Lage machte sich allerdings direkt im Anschluss bemerkbar. Der Raum war schon bis oben hin voll. Wir kämpften uns durch die Leute in eine der Fensterreihen, wo Kathrin noch zwei Plätze entdeckt hatte.
»Die wollen alle zum Seminar?«, stellte sie nebenbei ungläubig fest, und ohne, dass sie eine Antwort erwartet hatte, kam es von einem der anderen zurück: »Und die wollen alle ein Referat! Das werden wieder Kurzreferate bei der Anzahl.«
Kathrin sah mich etwas verwundert an, als er antwortete. Ich zuckte nur mit den Schultern. Hauptsache wir waren da, dachte ich mir. Aber es stellte sich heraus, dass das Ganze nicht so einfach war, wie ich gedacht hatte. Der Professor, ein Herr Dr. Gunitz, betrat mit einer eisigen Stimmung den Raum und schien bereits sichtlich genervt über die Tatsache, dass viel zu viele in sein Seminar wollten.
»Es freut mich, dass sie so großes Interesse an meinem Seminar haben. Aber das sind zu viele. Das werden wir jetzt direkt reduzieren. Maximal dreißig Leute will ich haben. Geht jemand freiwillig?« Im Raum herrschte eine Totenstille. Nur einer wandte sich nach einer kurzen Bedenkzeit zu Wort: »Aber wir müssen das Seminar doch besuchen. So steht es in der Studienordnung.«
Sichtlich erbost über diese Äußerung antwortete der Professor: »Schön, dass Sie die Studienordnung lesen können. Dann haben Sie doch sicherlich auch das Vorlesungsverzeichnis gelesen. Welches Ihnen, dass es neben meiner Veranstaltung noch zwei weitere gibt, die als Einführungsmodul konzipiert sind. Was denken Sie, wieso wir uns die Mühe machen, drei Seminare anzubieten.«
Er machte eine kurze Pause: »Damit wir ihnen ein ordentliches Arbeitsklima gewährleisten können! Also, wer will mein Seminar besuchen?« Alle im Raum hoben den Arm.
»Leute, so geht das nicht. Ich muss mir sonst dreißig Mann herauspicken und dann ist das Geheul groß! Arme wieder runter!« Wir folgten seiner Aufforderung. Bis auf Kathrin.
»Haben Sie mich nicht verstanden? Oder haben Sie eine Frage?«, sagte er, während er sich ihr zuwandte.
»Ich habe eine Frage!«, antwortete sie.
Er runzelte kurz die Stirn: »Dann fragen Sie mal!«
Kathrin holte tief Luft, ihr war etwas mulmig zu Mute: »Ich studiere im Kernfach Soziologie und habe aufgrund der Überscheidungen der Seminare keine andere Möglichkeit als Ihr Seminar zu besuchen.«
»Das ist doch mal ein ordentlicher Grund!«, antwortete er: »Wie heißen Sie?«