Sabine Hentschel
Kind der Drachen
Traum oder Wirklichkeit?
epubli
Die Autorin:
Sabine Hentschel wurde 1987 in der Universitätsstadt Jena geboren. Sie lebte von 2002 bis 2005 in dem kleinen Örtchen Werdau (Sachsen), wo sie wie ihre Romanfigur Cara, das Abitur an dem „Alexander von Humboldt“ Gymnasium absolvierte. Nach ihrem Abschluss ging Sabine Hentschel zurück nach Jena und studierte dort Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte. Bereits während ihrer Schulzeit entstanden im Rahmen des Deutsch-Leistungskurses einige bisher unveröffentlichte Gedichte, Kurzgeschichten und Theaterstücke. Die Idee zu ihrer Drachenkind-Saga kam ihr jedoch erst im Verlauf ihres Studiums. Kind der Drachen – Traum oder Wirklichkeit? ist das dritte Buch ihrer All Age Fantasy Saga. Derzeit arbeitet sie eifrig an den letzten Teilen ihrer Drachenkind-Pentalogie um Cara, Marces und den anderen Drachenkindern.
Impressum
Originalausgabe 2015
Copyright © des Gesamtwerkes: Sabine Hentschel
Illustrationen: Copyright © Sabine Hentschel
Umschlaggestaltung: Patrizia Kramer, www.p-kramer.de
Lektorat: Christin Müller
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN: 978-3-7375-6662-9
Weitere Informationen unter: www.sabinehentschel.de
Ich würde dich gegen nichts
auf der Welt eintauschen.
Nicht einmal gegen mein Leben.
Kein Ende in Sicht
Tara stand direkt neben mir: »War es das jetzt?«
»Wir werden sehen! Jetzt können wir nur abwarten. Zieht euch erst einmal etwas Warmes an. Ihr seid doch bestimmt halb durchgefroren.«, sagte Niel zu uns, während er neben uns trat. Tara und ich nickten zustimmend und gingen gemeinsam nach oben. Ich war so angespannt, dass ich eine Weile brauchte, um mich wieder zu sammeln. Ich holte ein paar Mal tief Luft, um mich zu entspannen. Dann erst konnte ich mich zurückverwandeln. Während wir nach oben liefen, nahm Niel Kira zur Seite: »Du musst etwas für mich tun!«
Kira blickte ihn lächelnd an: »Ja. Was denn?«
Daraufhin blickte Niel erneut nach oben, um sicher zu gehen, dass wir im Schlafzimmer verschwunden waren:
»Oben in der Lounge liegt ein blauer Rucksack. Hol ihn dir und pack ein paar Sachen für Emma, Cara und mich ein.« Kiras Gesichtsausdruck änderte sich innerhalb einer Sekunde.
»Wieso?«, fragte sie aufgeregt.
»Niel hat Recht. Wir sollten vorbereitet sein.«, antwortete Osiris und strich ihr sanft über die Schulter.
Kira schüttelte daraufhin den Kopf: »Was meint ihr?«
»Wir haben gegen die Gesetze verstoßen. Sie werden kommen, um uns festzunehmen.«, fügte Niel an.
»Aber Marces?«, Kira wollte Niels Worte nicht hören.
Das konnte doch nicht wahr sein? Sollte nach der Schlacht nicht endlich alles vorbei sein?
»Marces wird nichts für uns tun. Er ist nur damit beschäftigt dafür zu sorgen, dass Cara in seinem Besitz bleibt. Es geht ihm nur um sich selbst!«, erklärte Niel ihr weiter, während er aus dem Augenwinkel Emma beobachtete, die gerade in der Küche saß und ihren Kakao trank: »Ich bringe Emma in Sicherheit. Anschließend ziehe ich mich in unser Versteck zurück.«
Danny, der noch neben Emma stand, weil er ihr den Kakao gemacht hatte, bemerkte Niels Blick und trat an die Drei heran.
Niel wandte sich daraufhin ihm zu: »Sorg dafür, dass sie ein Konzil einberufen. Nur dort können wir unsere Situation schildern. Das Gericht verurteilt uns, ohne das wir zu Wort kommen.«
»Das heißt, du willst immer noch alle Schuld auf dich nehmen, wenn sie hier auftauchen?«, hakte Danny nach. Niel nickte zustimmend.
»Aber wieso soll ich dann auch Sachen für Cara einpacken?«, erwiderte Kira.
»Falls sie Cara auch festnehmen wollen, nehme ich sie mit!«, antwortete Niel.
Kira wollte noch etwas anfügen, aber Danny deutete ihr an es dabei zu belassen. Woraufhin sie nach oben eilte, um die Sachen zusammen zu suchen.
Danny folgte ihr: »Ich brauche erst einmal was bequemeres!«
Elen und Le hatten sich bereits umgezogen und kamen im selben Moment wieder herunter. Die Stimmung war sichtlich angespannt. Deshalb dauerte es nicht lange bis Le die anderen verunsichert fragte: »Was ist los?«
Niel klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter: »Ich werde die Schuld auf mich nehmen und untertauchen.«
Le runzelte verwundert die Stirn und erwiderte: »Du bist also auch der Meinung, dass sie uns verhaften werden.«
Niel schmunzelte verhalten: »Ja. Wir haben in ihren Augen Unrecht getan. Das werden sie nicht auf sich beruhen lassen.«
Le seufzte leise: »Ich denke auch, dass sie uns befragen und bestrafen werden. Aber wir sollten uns ihnen stellen. Wenn du jetzt verschwindest, kommt das einem vollem Geständnis gleich. Wie willst du dann noch auf ihr Urteil Einfluss nehmen?«
»Das Urteil der Richter werden wir nicht ändern können, was wir brauchen ist ein Urteil aller Unsterblichen.«, erwiderte Niel entschlossen.
Le grummelte vor sich hin: »Das gefällt mir nicht. Ich finde das nicht gut. Wir sollten zusammenbleiben. Vielleicht kann Marces uns helfen.«
»Marces hat nie auch nur einen Gedanken an uns verschwendet.«, antwortete Niel böse.
Le kratzte sich daraufhin am Kopf: »Ich muss zugeben, seine Abwesenheit lässt darauf schließen, dass es nur um Cara geht.«
Dann seufzte er abermals: »Ich bin nicht zufrieden damit, aber gut. Geh. Bring dich in Sicherheit. Wir kümmern uns um den Rest. Sturkopf.«
Niel klopfte ihm dankend auf die Schulter: »Danke. Emma und Cara werde ich mitnehmen. Zur Sicherheit!«
»Glaubst du wirklich, er würde zulassen, dass man sie festnimmt?«, erwiderte Le Stirn runzelnd.
»Das nicht. Aber soll ich sie einfach bei ihm lassen?«, Niel blickte Le mit einem durchdringenden Blick an: »Er ist nicht gut für sie. Jetzt habe ich die Chance ihr das zu zeigen!«
»Es ist immer noch ihre Entscheidung!«, erwiderte Le. Er war sichtlich hin- und hergerissen.
»Darum geht es nicht. Ich will nur wissen, wie stark sein Einfluss auf sie ist.«, fügte Niel beschwichtigend an.
Le grummelte leise, beließ es aber dabei. Er hätte Niel so oder so nicht vom Gegenteil überzeugen können.
Stattdessen ging er zu Emma, die sich mittlerweile mit Elen ins Esszimmer verzogen hatte.
Osiris bekräftigte Niel: »Du tust das Richtige!«
Während er versuchte Niel Mut zu machen, kamen Danny und Kira zurück. Kira übergab Niel den gepackten Rucksack, ohne ein weiteres Wort zu verlieren und trat dann ins Esszimmer zu den anderen.
Sie drückte Emma fest an sich. In der stillen Hoffnung sie doch nicht wieder hergeben zu müssen. Danny blieb bei Niel und Osiris.
»Was ist mit den anderen?«, fragte er die beiden.
Niel wandte sich abermals Osiris zu: »Sollte es schwieriger werden als gedacht, sie davon zu überzeugen, dass ich die Verantwortung trage, taucht Osiris mit Le und Kira unter. Ich denke, Elen wird dir keine Sekunde mehr von der Seite weichen. Sonst würde ich vorschlagen du schickst sie zu Freunden.«, antwortete Niel Danny.
»Schaffst du das?«, fügte Osiris an.
Danny blickte zu Elen, die ihn keine Sekunde aus den Augen ließ: »Ihr könnt euch auf mich verlassen. Bevor wir kein Konzil einberufen haben, werde ich euch nicht verständigen.«
Daraufhin gab er ihnen einen Handschlag, um es zu besiegeln. Plötzlich wurden sie still.
»Riecht ihr das!«, sagte Osiris.
»Wir bekommen Gesellschaft!«, fügte Danny an.
»Sie sind schneller, als ich dachte!«, antwortete Niel.
Im selben Moment liefen Tara und ich wieder hinunter zu den anderen. Zu meiner Überraschung hatten sich die anderen bereits alle wieder unten versammelt und zurückverwandelt. Elen, Danny und Le hatten sich bereits umgezogen. Kira und Osiris trugen wie immer noch ihre Schuppen-Klamotten. Niel seltsamerweise auch. Er stand sichtlich angespannt im Flur und unterhielt sich mit Danny und Osiris. Kira, Elen, Le und Emma saßen im Esszimmer.
Als Niel uns bemerkte, reagierte er sofort: »Geht bitte ins Esszimmer!«
»Wieso?«, hakte ich nach.
Tara und ich standen noch immer auf der Treppe.
»Tut, was ich sage!«, antwortete Niel energisch.
Er wollte noch etwas anfügen, aber die Türklingel unterbrach ihn. Alle starrten auf die Tür.
Ich hoffte inständig, dass es Marces war oder Partu mit einer Nachricht. Niel gab Osiris ein Zeichen, die Tür zu öffnen. Die Tür quietschte laut und da stand sie.
»Lilly!«, flüsterte ich erschrocken.
»Das wird ein Nachspiel haben!«, sagte sie wütend.
Dann trat sie energisch mit drei Begleitern in den Flur und stieß dabei Osiris unsanft zur Seite.
»Wer bist du? Und was willst du hier?«, fragte Niel energisch, während er sich ihr entschlossen entgegenstellte.
Lilly lachte laut: »Ich bin Lilly. Die zweite Stellvertreterin des Hüters und Mitglied des Gerichts der Unsterblichen. Eure Taten werden nicht ungestraft bleiben.«
»Was wirft man uns vor?«, erwiderte Niel.
»Ihr habt Carl und seine Kinder getötet und da steht der Beweis!«, sagte sie und deutete auf das Schwert.
Woraufhin es einer ihrer Begleiter sofort an sich nahm.
»Ich ganz allein habe das zu verantworten. Sonst keiner!«, rief Niel sofort.
Lilly runzelte die Stirn: »Du übernimmst die volle Verantwortung für diese Morde?«
Niel nickte: »Ja. Ich habe sie getötet. Alle samt. Sonst war keiner beteiligt.«
Daraufhin lachte Lilly laut: »Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Aber gut, ich verschone die anderen. Bis zum Prozess wirst du für sie alle ins Gefängnis wandern.«
Niel antwortete nicht. Er wusste, jedes Widerwort würde die anderen in Gefahr bringen.
»Was ist mit Emma?«, hakte Danny nach.
Lilly blickte an ihm vorbei ins Esszimmer: »Die Kleine nehme ich auch mit. Die königliche Vampirfamilie wird sich um sie kümmern. Ich hoffe, sie hat einen Nutzen für sie. Ansonsten …«
Sie ließ den Satz unbeendet und grinste stattdessen höhnisch. Keiner von uns mochte sich vorstellen, was sie mit ihr machen würden. Osiris wollte daraufhin etwas erwidern, aber Danny hielt ihn sofort zurück.
Er gab ihm zu verstehen, dass er besser den Mund hielt.
»Und weil wir gerade dabei sind.«, fügte Lilly plötzlich an: »Dich nehme ich auch mit, Cara.«
»Was?«, Tara sah mich entsetzt an.
»Wieso?«, erwiderte ich wütend.
»Weil du gegen das Gesetz verstoßen hast, Drache!«, antwortete Lilly mir mit einem schadenfrohen Unterton.
Wer hätte gedacht, dass sie mich einmal einsperren durfte. Sie schien Gefallen an dem Gedanken gefunden zu haben.
»Aber Marces hat gesagt …«, entgegnete Osiris.
Lilly ließ sich nicht davon abbringen und unterbrach ihn: »Befehl ist Befehl! Das Gericht wird entscheiden!«
»Ich wusste es!«, antwortete Niel und schüttelte den Kopf. Lilly wog sich bereits in Sicherheit.
Keiner von uns schien sich gegen die Festnahme zu wehren. Bis jetzt. Im selben Moment wandte sich Niel mit einer abfälligen Handgeste von ihr ab, um ins Esszimmer zu gehen und Emma zu holen. Doch dann wirbelte er sichtlich entschlossen herum, packte erst Lilly, dann ihre drei Begleiter an den Schultern und ließ sie gemeinsam zu einem großen Eisblock erstarren.
»Das wird nicht lange halten! Tara, du gehst zu den anderen ins Esszimmer. Cara, du kommst mit mir.«, rief er uns zu, während er mit dem Rucksack in der Hand ins Esszimmer lief.
»Was hast du vor?«, hakte ich nach, während ich ihm folgte.
»Ich bringe euch in Sicherheit. Emma, komm zu mir!«, antwortete er, ohne sich zu mir umzudrehen. Er setzte Emma den Rucksack auf.
Kira nahm mich in den Arm: »Vertrau ihm.«
Ich blickte sie verwundert an. Was hatte er vor? Was sollte das werden?
»Wenn Marces die Sache mit dir geregelt hat, sag ich ihm, wo du bist.«, fügte Danny an.
Dann packte mich Niel an der Hand und zog mich nach draußen. Emma hatte er bereits Huckepack genommen.
»Viel Glück!«, riefen uns Kira und Danny hinterher.
Ich hatte keine Zeit mehr darüber nachzudenken, ob ich das Richtige tat. Ich lief einfach nur. Mitten durch den Wald. In einer rasenden Geschwindigkeit vorbei an den Bäumen und Sträuchern.
Einfach neben Niel her, der meine Hand nicht losließ. Er sagte nichts. Aber seine Anspannung war ihm ins Gesicht geschrieben. Nur weg von hier. Weit weg. Wo uns keiner finden konnte. Ich denke, dass waren seine Gedanken.
»Halt!«, sagte ich und blieb einen kurzen Moment stehen: »Ich brauche eine Pause.«
Niel schaute mich an. Er sagte nichts, nickte aber kurz und blickte sich derweil um. Meine Hand ließ er immer noch nicht los.
»Glaubst du, sie folgen uns?«, flüsterte Emma leise.
Niel lauschte in die Ferne: »Ich bin mir nicht sicher.«
Er drehte sich zu mir: »Wir müssen weiter!«
Ich holte tief Luft: »Wo sollen wir denn hin?«
»Vertrau mir, bitte! Ich weiß, wo wir sicher sind!«, antwortete er. Emma klammerte sich fester an ihn, womit sie ihr vollstes Vertrauen zu ihm ausdrückte. Ich zögerte. Eigentlich wollte ich nur noch zu Marces. Aber der war nicht da. Er hatte mich allein gelassen. Was sollte nun werden? Was sollte ich tun? Niel drückte meine Hand an seine Brust: »Bitte! Vertrau mir!«
Ich nickte schließlich. Irgendetwas sagte mir, dass ich ihm vertrauen sollte. Wir liefen also weiter. Durch den Wald hinunter in die Stadt. Niel blickte sich immer wieder unauffällig um. Er wollte kein Risiko eingehen. An jeder Ecke könnten sie lauern und nach uns suchen.
»Wartet kurz!«, Niel blieb am Durchgang zwischen dem Campus-Gelände und der Straße zum großen Eichplatz stehen.
»Was hast du?«, fragte ich ihn, während ich mich nervös zu allen Seiten umblickte.
»Nichts. Es ist keiner zu sehen.«, antwortete er, als er sich zu mir umdrehte: »Wir müssen uns jetzt beeilen. Verstanden. Wir gehen so schnell wir können die Straße hinunter, steigen dort in ein Taxi und fahren zum Flugplatz. Ich bringe uns von hier weg. Habt keine Angst!«
»Ich habe keine Angst!«, erwiderte Emma.
»Natürlich nicht!«, fügte er schmunzelnd an: »Fertig?«
»Fertig!« erwiderten wir gleichzeitig.
Dann liefen wir so schnell wir konnten die Straße entlang, hinunter zu den Taxis. Dort angekommen setzte Niel Emma wieder ab und während er mit dem Fahrer sprach, nahmen sie und ich hinten im Auto Platz. Niel setzte sich dann nach vorn. Er deutete dem Fahrer an sich zu beeilen. Dafür würde er eine kleine extra Belohnung erhalten. Die er natürlich unbedingt haben wollte. Wir brauchten dementsprechend auch keine fünfzehn Minuten, bis wir am Flughafen waren. Die Maschine stand bereits auf dem Rollfeld zum Start bereit.
Ein Mitarbeiter lief uns entgegen: »Es ist alles vorbereitet.« Niel bezahlte unser Taxi, während Emma und ich bereits ins Flugzeug einstiegen.
Emma war sichtlich erstaunt: »Wow! Ist der ganze Platz nur für uns?«
Eisiger Vampir
»Das Eis schmilzt!«, Elen blickte Danny ängstlich an.
»Ich hoffe, sie haben etwas Vorsprung gewinnen können!«, antwortete er, als er neben sie trat: »Sie wird ziemlich wütend sein.«
»Was machen wir, wenn sie uns auch festnehmen will?«, fragte Osiris in die Runde, während er Kiras Hand hielt, die vor Angst am ganzen Körper zitterte.
»Wir können nur hoffen, dass sie jetzt noch wütender auf Niel ist. Dann haben wir eine Chance!«, erwiderte Danny ruhig und bestimmt. Bevor Le leise anfügte: »Beten wir, dass sie uns vergisst!«
Im gleichen Moment erwachte Lilly aus ihrer eisigen Starre. Ihre Augen waren gerötet, ihr Blick voller Hass und Zorn.
»Wie kannst du es wagen!«, schrie sie in den Raum, während ihr langsam bewusst wurde, dass Niel nicht mehr da war. Daraufhin wandte sie sich ihren Begleitern zu, die von der ganzen Situation ebenso völlig überrumpelt waren wie sie: »Ihr zwei, sucht im ganzen Haus nach ihm. Findet ihn!« Elen wollte daraufhin etwas erwiedern. Aber Danny deutete ihr an sich zurückzuhalten. Jedes Wort könnte ein Hinweis für Lilly sein, dass wir uns nicht mehr im Haus befanden und jede Sekunde, die sie mit der Suche im Haus verbrachten war eine Sekunde mehr für uns. Ein Vorsprung, den wir dringend brauchten. Das wusste Danny.
Die anderen standen nur da – regungslos und stumm. Osiris und Kira in der Türschwelle zur Küche. Le und Tara in der Tür zum Esszimmer. Ihre enge Verbindung und Entschlossenheit war im gesamten Raum zu spüren.
Lilly blickte sie einen nach dem anderen mit ihrem durchbohrenden Blick an. Aber sie hielten stand.
Dann schüttelte sie mürrisch den Kopf: »Ich verstehe! Er ist geflohen. So ein Feigling!«
»Er ist kein … «, setzte Elen an.
Aber Danny unterbrach sie abermals: »Wir sind ebenso überrascht von seiner Reaktion wie du.«
Lilly schmunzelte: »Verstehe.«
Währenddessen traten ihre Begleiter wieder zu ihr.
»Ich nehme an, ihr habt ihn nicht gefunden!«, stellte sie erzürnt fest.
Einer der Beiden erwiderte: »Das Fräulein Cara und das Kind sind ebenso verschwunden!«
Lilly verzog daraufhin vor Ärger das Gesicht: »Ihr ruft sofort eure Leute zusammen und sucht die gesamte Stadt nach ihnen ab. Habt ihr mich verstanden?!«
Ihre Begleiter nickten und machten sich auf den Weg. Lilly wandte sich noch einmal den anderen zu: »Und was euch angeht! Ich komme wieder und dann landet ihr alle im Gefängnis.«
Dann drehte sie sich zur Tür und polterte davon: »Nur so ein Tipp. Marces wird nicht sonderlich begeistert über die Ereignisse sein.«
»Danke für den Tipp!«, erwiderte Danny kurz. Als nächstes hörte man nur noch eine laut knallende Tür.
»Die spinnt doch. Marces würde uns niemals rauswerfen!«, sagte Tara, während sie die Arme vor der Brust verschränkte.
»Bist du dir da sicher?«, antwortete Danny ihr ohne sich ihr zu zuwenden. Er blickte besorgt aus dem Fenster neben der Tür.
Daraufhin wandte sich Tara an die Anderen: »Sagt doch auch mal was!« Aber keiner von ihnen reagierte. Osiris und Elen traten anstatt dessen schweigend zu Danny, um zu kontrollieren, ob Lilly wirklich verschwunden war. Nachdem alle drei sicher waren, dass sie fort war, legte Elen ihren Kopf auf Dannys Schulter.
»Es wird alles wieder gut. Das verspreche ich dir!«, sagte er, während er ihr sanft über den Kopf streichelte.
»Wir dürfen jetzt nichts dem Zufall überlassen. Niel baut auf uns.«, fügte Osiris an.
»Sagt mal, redet hier keiner mehr mit mir?«, erwiderte Tara, während sie wütend mit dem Fuß auf den Boden stampfte. Der Umstand, dass abermals keiner reagierte, verschlimmerte die Situation zusehends. Le schüttelte den Kopf und lief nach oben. Kira nahm Tara schließlich in den Arm: »Lass es gut sein!«
Osiris drehte sich im gleichem Moment zu den beiden um: »Wo ist Le hin?«
»Nach oben!«, antwortete Kira.
Woraufhin er die Stirn runzelte und sagte: »Ich geh ihm hinterher. Wir dürfen jetzt nichts überstürzen!«
Dann lief er ebenfalls nach oben.
Danny blickte weiter nach draußen: »Hoffen wir, dass es den anderen gut geht.«
Unterdessen stampfte Lilly wütend ihren Gefolgsleuten hinterher: »Wie könnt ihr nur so dumm sein! Ihr lasst sie einfach entwischen!«
Sie wusste genau, dass es nicht nur an ihnen lag. Sie hatte Niel unterschätzt. Er hatte mit ihrer Reaktion gerechnet und dieser Fehler durfte ihr nicht noch einmal passieren. Ihre Begleiter erwiderten nichts. Jeder Satz, jedes Wort wäre in diesem Moment das Falsche gewesen. Lilly war einfach viel zu wütend auf sich selbst, auf Marces, eigentlich auf alle.
»Habt ihr die anderen gerufen?«, schrie sie einen ihrer Begleiter an.
»Ja, Fräulein Lilly. Sie warten am Busbahnhof. Dort fallen sie nicht so auf.«, erwiderte dieser: »Heute ist wieder einmal Fußball im Stadion. Unsere Leute werden sich in der Umgebung des Bahnhofes unter die Leute mischen. Wir finden sie, versprochen!«
»Das will ich hoffen!« gab Lilly ihm mürrisch zu verstehen: »Wehe, ihr hört auf zu suchen, bevor ihr sie nicht gefunden habt. Ich muss zurück zu Marces.« Ihre Begleiter schauten sie verwundert an.
Haus am Meer
Als Emma endlich eingeschlafen war, schlich ich mich zu Niel ins Cockpit.
»Wir machen einen kurzen Zwischenstopp!«, sagte er, während er mich für einen Moment ansah. Dann wandte er sich wieder dem Steuerruder zu. Ich setzte mich neben ihn auf den Kopilotenplatz.
»Wieso?«, erwiderte ich verwundert.
Was hatte er vor? Wieso einen Zwischenstopp machen? Und wo waren wir überhaupt?
»Müssen wir tanken?«, fragte ich ihn daraufhin.
»Nein.«, antwortete Niel kurz.
»Wieso dann?«, hakte ich nach.
Niel zögerte: »Wir werden kein Wort darüber verlieren. Zu niemanden. Versprochen?«
»Ok.«, antwortete ich und runzelte dabei die Stirn.
Was sollte das Ganze? Wo zur Hölle waren wir?
»Dieser Zwischenstopp wird nirgendwo aufgeführt werden. Sollte jemand nach uns suchen, und das werden sie mit aller Wahrscheinlichkeit, waren wir nie dort.«, fuhr Niel fort: »Wir werden Emma dort lassen.«
»Das ist nicht dein Ernst! Du kannst Emma doch nicht einfach abgeben!«, hielt ich verärgert dagegen.
Emma brauchte uns jetzt mehr denn je. In dieser unbeständigen Zeit waren wir, ihre Familie, alles was ihr noch blieb.
Ich dachte darüber nach, was ich wohl getan hätte, wenn ich keine Familie gehabt hätte, die hinter mir stand. Emma war in so vielen Dingen wie ich.
»Wir müssen. Sie ist dort sicherer als bei uns.«, Niel sah mich entschlossen an: »Ich kenne ein Pärchen, das dort lebt. Sie werden sich gut um Emma kümmern. Dort wird sie keiner finden. Keiner weiß, dass die beiden noch am Leben sind und sie werden alles dafür tun, damit das auch weiterhin so bleibt.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. Das gefiel mit überhaupt nicht. Emma gehörte zu uns!
»Und wer sind die Beiden?«, hakte ich grummelnd nach.
Niel schmunzelte: »Nalun und Xervas. Sie wurden vom Gericht der Unsterblichen zum Tode verurteilt.«
Ich zuckte im selben Moment erschrocken zusammen: »Zum Tode? Wieso? Was haben sie getan?«
Mit so etwas hatte ich im Leben nicht gerechnet. Bei solchen Personen sollte Emma bleiben?
Niel wandte sich für einen kurzen Moment via Funk dem Bodenpersonal des Flugplatzes zu. Er sagte irgendetwas, was ich nicht verstand, dann antwortete jemand und Niel begann das Flugzeug zu wenden.
»Sie haben sich ineinander verliebt. Das war ihr Verbrechen.«, antwortete Niel mir schließlich.
Was sollte man darauf erwidern? Ich schüttelte fassungslos den Kopf. Wie konnte man so etwas tun? Wie konnte man jemanden für seine Liebe zum Tode verurteilen? Diese Gesetze ergaben immer weniger Sinn.
»Du musst wissen, dass Nalun eine Vampirin ist und Xervas ein Werwolf.«, fügte Niel an.
»Sie haben also gegen die Gesetze verstoßen.«, murmelte ich leise vor mich hin.
»Ja.«, sagte Niel: »Aber das ist reine Schikane. Diese Gesetze bringen mehr von uns um, als das sie uns helfen Ordnung zu bewahren.«, fügte er energisch an. Ich blickte hinaus. Mein Kopf brummte vor lauter Gedanken und Gefühle. Wieso gab es diese Gesetze überhaupt? Waren die anderen Unsterblichen so grausam? Was hatte das alles für einen Zweck? Das ganze war eine reine Schikane. Wut und Ärger stiegen in mir auf. Eine Träne lief langsam über mein Gesicht.
Als ich es bemerkte, wischte ich sie so schnell wie ich konnte von meiner Wange und versuchte mich abzulenken. Ich wollte nicht, dass Niel es bemerkte. Ich wollte stark sein. Um mich abzulenken, blickte ich aus dem Fenster.
Der kleine Flugplatz kam langsam näher: »Wie haben sie überlebt?«
»Das weiß ich nicht genau.«, antwortete Niel: »Sie sollten beide verbrannt werden, aber irgendwie haben sie es geschafft ihrer Hinrichtung zu entgehen. Xervas spricht nicht oft davon. Ich weiß nur, dass er es bedauert, dass an seiner Stelle jemand anderes verbrannt ist. Er wird überrascht sein. Ich habe ihm noch nichts von unserem Besuch erzählt.«
Ich schmunzelte ein wenig: »Ich hoffe, sie verstehen unsere Situation.«
Niel nickte: »Nalun wird Emma eine wundervolle Mutter sein. Glaub mir. Aber wir werden beim Konzil auf ihre Stimmen verzichten müssen. Wenn jemand erfährt, dass sie noch am Leben sind, wird man ihre Strafe erneut vollziehen. Du verstehst sicherlich, dass ich dir deshalb auch nicht sagen kann, wo wir sind oder wie ich die beiden kennen gelernt habe. Umso weniger du weißt, umso besser ist es für dich.«
»Ich verstehe.«, antwortete ich leise.
Niel wandte sich daraufhin zufrieden dem Landeanflug zu. Nachdem wir unsere Parkposition erreicht hatten, lief ich nach hinten zu Emma. Ich strich ihr sanft über die Wange und flüsterte: »Emma. Wach auf. Wir sind da!«
Emma öffnete langsam die Augen und blinzelte mich an: »Wo sind wir?«
Ich überlegte eine Weile. Was sollte ich ihr sagen? Sie war noch so klein. Würde sie es verstehen?
»Das wird nicht verraten. Es ist eine Überraschung!«, antwortete ich schließlich.
»Ich liebe Überraschungen!«, erwiderte sie und streckte sich, um ihre Müdigkeit zu überspielen. Sie war noch nicht ganz wach, dass konnte ich an ihren verträumten Augen sehen. Niel stieg als Erster aus und organisierte uns ein Auto vom Flughafenpersonal. Als ich ihm mit Emma folgte, bemerkte ich aus dem Augenwinkel, dass er dem Lotsen einige Geldscheine in die Hand drückte, während er zu ihm sagte: »Wenn jemand fragt, wir waren nie hier. Der Flughafen darf auf keinen Fall in unseren Flugaufzeichnungen auftauchen!«
Der Lotse nahm das Geld, nickte, gab Niel seinen Autoschlüssel und verschwand stillschweigend. Emma schaute mich verwundert an. Ich lächelte sie daraufhin an: »Der Mann hat deine Überraschung organisiert.«
Es fiel mir nicht leicht, sie anzulügen. Aber was hätte ich sonst tun sollen? Und schließlich half es. Emma strahlte plötzlich wie ein Honigkuchenpferd. Niel führte uns anschließend zu dem Auto des Lotsen. Emma sprang dabei fröhlich pfeifend neben mir her. Als wir am Auto ankamen, stieg sie sofort ein.
Niel blickte mich verwundert an: »Was hast du ihr erzählt?«
»Das wir eine Überraschung für sie haben! Ich hoffe, sie wird es verstehen!«, antwortete ich nachdenklich.
»Es ist das Beste für sie!«, erwiderte Niel.
Ich seufzte leise. War es das wirklich? Ich konnte mich mit dem Gedanken sie herzugeben immer noch nicht anfreunden. Ich kannte diese Nalun und ihren Mann ja überhaupt nicht. Wie konnte Niel sich so sicher sein, dass sie sich so gut um Emma kümmern würden wie wir?
Als hätte er meine Gedanken gehört, fügte er hinzu:
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich hoffe es!«
Dann deutete er mir an einzusteigen. Ich folgte seiner Aufforderung, widerwillig. Emma hatte glücklicherweise nichts von alledem mitbekommen. Nachdem wir alle im Auto saßen, fuhr Niel vom Platz. Unsere Fahrt führte uns eine gute halbe Stunde lang quer durch die Landschaft. Einige Bäume huschten an uns vorbei. Ansonsten sah man nur Wiesen und Felder. Emma hatte es bereits nach der dritten Wiese aufgegeben alle Schafe der Umgebung zu zählen. Es waren einfach zu viele. Dafür waren nur wenige Häuser zu sehen. Meist standen sie einsam inmitten der Landschaft. Schließlich erreichten wir unser Ziel. Auf einer kleinen Anhöhe, unweit des Meeres, stand ein kleines Häuschen. Es war umringt von fünf großen Eichenbäumen. Deren Eichenblätter durch den Wind tanzten. Direkt vor dem Haus stand eine kleine, füllige Frau. Sie strich sich eine Strähne ihres langen, braunen Haares aus dem Gesicht, während sie mit der anderen Hand ein paar Blumen pflückte. Niel fuhr langsam mit dem Auto an das Haus heran.
»Nalun ist schon wieder voll in ihrem Element.«, sagte er zu mir. Als er das Auto neben dem Haus parkte und den Motor abstellte, blickte die Frau auf.
»Hallo, Niel. Dich riecht man wirklich schon von Weitem!«, sagte sie mit einem breiten Lächeln im Gesicht, als er die Autotür öffnete.
»Soll ich das jetzt als Kompliment auffassen oder wie ist das gemeint?«, fragte er lachend nach.
Nalun schüttelte den Kopf: »Ganz der Alte!«, dann legte sie ihren Korb zur Seite und trat neben das Auto.
»Du hast Besuch mitgebracht, wie ich sehe?«, fuhr sie fort. Niel nickte, dann öffnete er die Autotüren: »Kommt schon. Sie beißt nicht!« Emma und ich zögerten.
Nalun lachte: »Wirklich nicht. Versprochen!«
Ich fasste mir ein Herz und stieg aus.
»Hallo, ich bin Cara.«, sagte ich zu ihr und gab ihr die Hand. Nalun erwiderte die Geste: »Freut mich und die kleine Maus?«
Niel wandte sich daraufhin Emma zu: »Willst du nicht aussteigen? Ich bin mir sicher, Nalun hat ein paar ihrer leckeren Spezialkekse im Haus.«
»Das ist Emma.«, sagte ich zu Nalun: »Sie ist ein Vampir.«
Nalun erschrak. Sie blickte Emma verunsichert an.
Die Situation gefiel ihr überhaupt nicht.
»Ich kann dir das alles erklären!«, fügte Niel an.
»Das will ich hoffen.«, antwortete sie verschreckt: »Ich denke, wir sollten reingehen!«
Emma saß noch immer im Wagen. Sie war vollkommen verunsichert und blickte mich fragend an: Was wollen wir hier? Wer ist das?
Ich trat zu ihr, um sie zu ermutigen: »Kommst du, bitte?«
Dann nahm ich entschlossen ihre Hand um ihr zu zeigen, dass sie nichts zu befürchten hatte. Sie stieg schließlich aus. Nalun lächelte Emma an: »Hallo, Emma. Ich bin Nalun. Magst du ein paar leckere Kekse und eine schöne heiße Schokolade haben?«
Emma antwortete nicht, aber sie grinste wieder bis über beide Backen. Schokolade war das Zauberwort.
»Na dann, alle Mann ins Haus.«, fügte Nalun an und ging voran. Wir anderen folgten ihr. Durch die Eingangstür gelangte man direkt in die Wohnstube des Hauses. Sie war klein, aber gemütlich eingerichtet. In einem rustikalen Stil mit großem Kamin. An der Schmalseite schloss sich eine kleine Küche an. Nalun deutete uns mit der Hand an auf dem Sofa neben dem Kamin Platz zu nehmen. Während sie in der Küche ein paar Kleinigkeiten vorbereitete. Niel folgte ihrer Aufforderung sofort. Emma und ich sahen uns derweil noch ein wenig um. Auf dem Kaminsims erblickte ich einige Fotos von Nalun und: »Ist das Xervas?«, fragte ich Niel.
»Ja.«, sagte er zu mir, dann wandte er sich Nalun zu: »Wo ist er eigentlich?«
»Wo wohl!?«, antwortete Nalun lachend: »Auf dem Meer fischen. Er liebt es. Dein Besuch wird ihn sehr freuen.«
»Wir können leider nicht lange bleiben!«, erwiderte Niel. Nalun trat schließlich mit etwas Gebäck und mehreren Tassen Kakao sowie Tee zu uns.
»Nehmt euch, was ihr möchtet.«, sagte sie, während sie sich setzte. Emma schnappte sich sofort ein paar Kekse und die größte Tasse Schokolade. Ihre anfängliche Scheu gegenüber Nalun war bei dem Anblick der Leckereien wie verflogen. Ich setzte mich neben Niel.
Nalun nahm einen Schluck Tee: »Ihr könnt nicht lange bleiben? Das klingt, als seid ihr auf der Flucht vor etwas.«
»Vor dem Gericht, um genau zu sein.«, antwortete Niel.
»So, so. Noch jemand. Dann sind wir ja schon fünf.«, Nalun blickte zu Emma: »Ihretwegen?«
Niel schüttelte den Kopf: »Nein. Das waren wir nicht.«
Er holte tief Luft: »Das war Carl. Er wollte sie benutzen, um unsere Drachenmütter zu bändigen. Wir mussten ihn töten, um Schlimmeres zu verhindern.«
»Du bist wegen Mordes angeklagt?«, Nalun zuckte erschrocken zusammen, sie hätte beinahe ihre Tasse fallen lassen: »Das ist nicht dein Ernst?!«
Niel verzog das Gesicht: »Was hätten wir denn tun sollen? Einfach zu sehen?«
»Mag sein, dass du es für das Richtige hältst. Aber dann kannst du nicht einfach hier herkommen. Man wird dich überall suchen.« Nalun machte ein sehr ernstes und nachdenkliches Gesicht.
Niel nickte: »Ich weiß. Aber es ist alles geregelt. Keiner wird jemals erfahren, dass wir hier waren. Cara und ich fliegen weiter nach Irland. Ich möchte dich nur bitten, Emma bei dir zu behalten.«
Emma kam sofort zu mir und sah mich fragend an. Ich versuchte stark zu sein, drückte sie fest an mich und gab ihr einen Kuss auf den Kopf.
»Du musst jetzt stark sein. Wir wollen nur das Beste für dich. Bitte, glaub mir!«, flüsterte ich ihr ins Ohr. Emma drückte sich daraufhin fester in meine Arme und nickte, als wollte sie mir zu verstehen geben, dass sie stark sein werde. Ich seufzte leise. Nalun schwieg zunächst. Sie überlegte sichtlich verunsichert, bevor sie schließlich leise antwortete: »Gut. Sie kann hier bleiben.«
»Wir wollen keine Umstände...«, setzte ich an.
»Nein«, erwiderte Nalun daraufhin: »So war das nicht gemeint. Ich freue mich wenn sie hier bleibt. Wir machen das schon.«, dann wandte sie sich Emma zu: »Wir machen lauter verrückte Sachen und ich bringe dir ein paar Dinge über uns Vampire bei. Was hältst du davon wenn du dir schon mal dein Zimmer ankuckst?«
Emma zögerte. Sie war hin- und hergerissen zwischen Unsicherheit und Neugier.
»Die Treppe rauf und dann rechts. Du hast das Zimmer mit der besten Aussicht. Direkt aufs Meer. Wenn du genau hinsiehst, kannst du vielleicht auch Xervas auf seinem Boot sehen.«, fügte Nalun an.
Woraufhin Emma schließlich doch nach oben rannte. Das wollte sie natürlich sehen.
»Ich wusste, dass ihr euch gut verstehen werdet.«, sagte Niel zufrieden.
Nalun schmunzelte kurz: »Aber dir ist klar, dass du nicht ewig vor dem Gericht weglaufen kannst.«
»Das habe ich auch nicht vor!«, antwortete Niel.
»Was willst du tun?«, hakte Nalun nach.
Woraufhin Niel anfügte: »Ich will es nur ein wenig hinauszögern. Bis Danny es geschafft hat ein Konzil einzuberufen.«
»Verstehe.«, erwiderte Nalun: »Dann kannst du es erklären und erhältst vielleicht ein milderes Urteil. Und was ist mit dir, Cara?«
»Ich bin illegal!«, polterte es aus mir heraus. Was hätte, ich auch anderes erwidern sollen? Nalun runzelte die Stirn.
»Sie ist ein Drachenkind, wie ich«, erklärte Niel: »Was laut Gesetz ja verboten ist.«
»Oh«, antwortete Nalun: »Ist ja scheinbar einiges passiert, seitdem wir uns von der unsterblichen Welt abgekapselt haben.« Niel seufzte leise. Als wollte er sagen – Oh ja.
»Ich werde Xervas alles erklären. Er wird nicht begeistert sein, aber wir kriegen das schon hin. Ihr solltet weiter. Ich hoffe, dass dein Plan funktioniert.«, fügte sie an.
Niel erhob sich daraufhin und ging zur Tür: »Ich hole nur noch Emmas Sachen aus dem Auto. Es ist nicht viel. Vielleicht kannst du noch ein paar Dinge besorgen.« Nalun nickte zustimmend.
»Ich möchte Emma noch Tschüss sagen.«, erklärte ich den beiden und lief nach oben. Emma saß am Fenster in ihrem neuen Zimmer und blickte auf das Meer hinaus. »Hey, kleine Maus. Wir müssen jetzt gehen. Ich habe dich lieb.«, sagte ich zu ihr und nahm sie in den Arm. Ich wollte sie nicht verlieren. Aber es war besser so. Für sie. Für uns. Für alle. Das musste ich mir immer wieder sagen. Dann liefen wir zusammen nach unten, wo sie Niel um den Hals fiel. Er verabschiedete sich von ihr, während mir Nalun noch ein paar Kleinigkeiten mitgab. Es fiel mir nicht leicht Emma dort zu lassen, aber sie war bei Nalun sicherer als bei uns. Vielleicht konnte sie dort endlich wieder ein Kind sein. Carl hatte ihr viel zu viel von ihrer Kindheit geraubt.
Wer seinen Weg nicht mehr findet,
muss Freunde danach fragen.
(Nalun)
Marces’ Rückkehr
Die Tür knarrte laut, als sie aufging. Die Drachen saßen versammelt um den Tisch im Esszimmer. Sie ahnten, was auf sie zukam. Sie wussten, was geschehen würde. Es war nur eine Frage des »Wie«.
Partu trat als Erster ins Haus. Er sagte nichts. Marces folgte ihm mit finsterer Miene. Danny lief ihm sofort entgegen und versuchte Marces die Hand zu geben, um ihn zu begrüßen, aber Marces reagierte nicht. Er trat an ihm vorbei ins Esszimmer.
»Wo ist Cara?«, fragte er mit energischer Stimme.
Alle zuckten zusammen. Jeder von ihnen konnte spüren, dass Marces keine lange Erklärung wollte. Ein Wort. Ein Ort. Sonst nichts. Danny trat nach Marces zurück in den Raum. Er deutete allen an Ruhe zu bewahren.
Aber Osiris war anderer Meinung: »Wir wissen es nicht! Ehrlich!«
Marces verzog das Gesicht: »Wo ist sie?«
»Ehrlich. Ich habe keine Ahnung, wo er sie hingebracht hat. Wir haben nichts mit der ganzen Sache zu tun!«, antwortete Osiris erneut.
Marces schlug daraufhin mit der Faust auf den Tisch: »Wo ist sie?«
Tara und Kira schraken zusammen. So aufgebracht und wütend hatten sie Marces noch nie erlebt. Tara lief ein kalter Schauer über den Rücken. Osiris wollte abermals etwas erwidern, aber Danny fuhr ihm ins Wort: »Sie ist bei ihm! Das ist alles, was wir dir sagen können.«
Marces schüttelte den Kopf: »Ihr vertraut mir nicht.«
Er machte eine kurze Pause: »Ich euch auch nicht. Habe ich nie und werde ich nie. Ich glaube euch kein Wort. Natürlich ist sie bei ihm. Was denkt ihr eigentlich habe ich die ganze Zeit gemacht? Däumchen gedreht? Ich weiß, was hier passiert ist. Ich weiß, was ihr getan habt und ich weiß verdammt noch Mal, was heute zwischen Lilly und euch vorgefallen ist. Also fängt jetzt verdammt noch einmal jemand an zu reden!«