Kind der Drachen - Vergangenheit oder Zukunft? - Sabine Hentschel - E-Book

Kind der Drachen - Vergangenheit oder Zukunft? E-Book

Sabine Hentschel

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Beschreibung

Cara ist überglücklich, Niel endlich wieder in ihre Arme schließen zu können. Aber seine Befreiung zieht schwerwiegende Konsequenzen für alle nach sich. Ein Krieg scheint unausweichlich... Nachdem Cara und die Anderen die Insel Gough erobert hatten, hoffen sie insgeheim, dass ihre Tat ohne Folgen bleibt. Doch Garushin lässt sich trotz allem nicht so leicht unterkriegen. Er schickt seine schwarzen Schergen aus, um die Drachenkinder ein für alle Mal zu vernichten. Cara und die Anderen schaffen es, die erste Angriffswelle abzuwehren, aber sie bezahlen einen hohen Preis für ihren Sieg. Nicht alle werden die Nacht überleben. Können sie diesen Kampf überhaupt gewinnen? In ihrer dunkelsten Stunde erhellt ein greller Lichtschein am Horizont ihre Gemüter. Der König der Drachen bietet ihnen seine Hilfe an. Aber zu welchem Preis? Cara und Tara machen sich deshalb auf, den König aus seinem Gefängnis zu befreien. Währenddessen versammeln die Drachenkinder und der Werwolfclan alle Verbündeten auf der Insel Gough und bereiten sich auf den finalen Kampf gegen Garushin vor. Werden Cara und Tara rechtzeitig zum Kampf zurück sein? Für wen wird sich das Schicksal letztendlich entscheiden? Für das alte System (Vergangenheit) oder die neue Ordnung (Zukunft)? Lässt sich Caras Vorstellung von einer neuen Welt wirklich mit jener der Unsterblichen verbinden? Begleitet Cara auf ihrem letzten und zugleich schwierigsten Weg sich als Anführerin zu behaupten, um die alte Weltordnung zu verändern. Taucht ein in eine unglaubliche Welt voller Mut, Hoffnung und einem tiefen und langverheimlichten Gedanken – Revolution.

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Seitenzahl: 305

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Sabine Hentschel

Kind der Drachen

Vergangenheit oder Zukunft?

epubli

Die Autorin: 

Sabine Hentschel wurde 1987 in der Universitätsstadt Jena geboren. Sie lebte von 2002 bis 2005 in dem kleinen Örtchen Werdau (Sachsen), wo sie wie ihre Romanfigur Cara, das Abitur an dem „Alexander von Humboldt“ Gymnasium absolvierte. Nach ihrem Abschluss ging Sabine Hentschel zurück nach Jena und studierte dort Kunstgeschichte, Archäologie und Geschichte. Bereits während ihrer Schulzeit entstanden im Rahmen des Deutsch-Leistungskurses einige bisher unveröffentlichte Gedichte Kurzgeschichten und Theaterstücke. Die Idee zu Ihrer Drachenkind-Saga kam ihr jedoch erst im Verlauf ihres Studiums.

Impressum

Originalausgabe 2017

Copyright © des Gesamtwerkes: Sabine Hentschel
Illustrationen: Copyright © Sabine Hentschel
Umschlaggestaltung: Patrizia Kramer, www.p-kramer.de
Lektorat: Christin Müller
Druck und Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN:978-3-7418-9929-4 

Weitere Informationen unter: www.sabinehentschel.de

Wenn wir aufhören, immer 
nur an uns selbst zu denken,
können wir mehr erreichen, 
als wir uns jemals zu träumen gewagt haben.

Endlich wieder vereint

Als die Sonne am Morgen nach der Eroberung der Insel über deren Klippen aufging, saß ich auf der Außenmauer der Burg und blickte über das Meer. Wie unglaublich still es sein konnte. Zephus zog bereits ihre Bahnen. Die anderen schliefen noch. Die Daniels Brüder hatten sich am Abend ins Haus der Kobolde zurückgezogen, während wir in der Burg blieben. In der ganz oberen Ebene bezogen wir mehrere nebeneinander liegende Zimmer. 
Auch wenn ich froh war, endlich wieder mit Niel zusammen sein zu können, schlief ich schlecht. Der Gedanke an die Hochzeit ließ mich nicht los. Wie hatte Garushin wohl auf meine List reagiert? Hatte er meine Abwesenheit bereits vorher bemerkt? Wie ging es Lilly? 
Als ich es im Bett nicht mehr ausgehalten hatte, war ich hinaus auf die Burgmauer gelaufen. Da saß ich nun und lauschte den Wellenbewegungen. Es wirkte so unglaublich friedlich, trotz der ganzen Geschehnisse in der letzten Zeit. Es lag ein seltsam grauer Schleier über der Insel.
Als Zephus mich bemerkte, landete sie auf einem der Drachenester und rief mich zu sich: »Cara. Komm.«
Ich erhob mich und lief balancierend auf der Mauer entlang zu ihr. Unterhalb des Nestes blieb ich stehen und lächelte sie an: »Guten Morgen. Wie ruhig es sein kann. Wie geht es dir?«
»Ja. Feru ist endlich müde und hat sich schlafen gelegt.«, kicherte Zephus. »Aber sie hat so lange kein Wasser unter sich spüren können. Sie ... Nein wir sind dir wirklich dankbar. Wir hatten die Hoffnung schon aufgegeben.«
Ich schmunzelte: »Es sollte keiner mehr in den Kerkern dieser Insel verrotten müssen.«
»Aber irgendetwas bereitet dir noch Kopfzerbrechen? An was denkst du?«, hakte sie nach.
»An Garushin.«, seufzte ich und erwiderte scherzhaft. »Ich hatte ehrlich gesagt nicht vor mit ihm Schach zu spielen. Wenn du weißt, was ich meine.«
»Verstehe.«, antwortete Zephus ruhig. »Aber du bist dir bewusst, dass du das Spielfeld jetzt nicht einfach wieder verlassen kannst?«
»Ja. Ich befürchte, dass er das nicht zulassen wird.«, flüsterte ich, ohne ihr eigentlich damit antworten zu wollen. Ich war mir bewusst, dass ich ihn mit meinem Verhalten herausgefordert hatte, aber diesen riesigen Schritt, den ich nach vorn gemacht hatte, bereute ich nun ein wenig. 
Zephus stupste mich sanft an: »Keine Sorge, wir werden dir helfen, wo wir können. Aber du wirst dieses Spiel zu Ende spielen müssen. Garushin kennt nur gewinnen. Wenn er ein Schachspiel einmal begonnen hat, endet es nur auf zweierlei Art und Weise. Entweder ergibt sich sein Gegner und wird für ewig in Ketten gelegt oder er spielt solange mit seinen Feinden, bis diese ihren Kopf verlieren. Schlussendlich bleibt dir und uns allen eigentlich keine andere Wahl, als mitzuspielen.«
»Um unser Leben.«, ergänzte ich leise. »Ich bin nicht so gut wie er.«
»Ich befürchte, wir werden ihn auf irgendeine Art und
Weise besiegen und töten müssen, wenn wir überleben wollen.«, fügte Zephus nachdenklich an.
Ich seufzte: »Ich habe Angst vor diesem Spiel. Was ist, wenn wir eine oder einen von uns opfern müssen, um ihn Schachmatt zu setzen. Das können wir doch von keinem verlangen?«
Zephus legte ihren Flügel um mich und hob mich zu sich hinauf, damit sie mir tief in die Augen blicken konnte: »Du hast so viel Mut bewiesen. Deine Mutter wäre mit Sicherheit sehr stolz auf dich, wenn sie dich jetzt sehen könnte. Nun lehre die anderen diesen Mut. Gibt nicht auf, nur, weil es unmöglich erscheint. Lass uns etwas wagen. Lass uns die Welt von den Sklaventreibern und Mördern befreien. Meine Kinder und ich werden dir folgen und dich unterstützen, wo wir nur können. Hab nur Mut und glaub daran, dass wir nicht die Einzigen sind, die sich bisher in der Dunkelheit verstecken mussten. Die Anzahl der Unterdrückten ist größer als all jene, die dem greisen König folgen.«
Ich strich ihr dankbar über den Kopf. Ihre Worte machten mir wieder Mut. Es würde ein schwieriger Weg werden, keine Frage. Aber wenn wir es nicht versuchten, würden wir nie wissen, ob es uns gelingen kann oder nicht. 
Ich holte tief Luft und blickte über das Meer hinaus: »Wir schaffen das. Gemeinsam.«
Zephus nickte zustimmend: »Gemeinsam.«
Daraufhin erhob sie sich von dem Drachennest, streckte die Flügel aus und flog in den Himmel. Ich blickte ihr nachdenklich hinterher. 
Ich wollte nie eine Anführerin sein, das Schicksal hatte mich schlussendlich dazu gemacht. In meiner dunkelsten Stunde, allein gestellt auf mich selbst, vor der Wahl Marces zu heiraten, um mich für ewig diesem korrupten System zu unterwerfen, oder für mich selbst einzustehen und zu kämpfen, kam mir nur der eine Gedanke – Freiheit. Aber in diesem Moment hatte ich nur für mich, nur für mein Leben entschieden. Jetzt sollte ich diese Entscheidung für alle treffen. War ich dazu bereit? 
Hatte ich sie nicht schlussendlich alle für meine Zwecke missbraucht? Hat mich letzten Endes mein sehnlichster Wunsch, endlich wieder mit Niel vereint zu sein, dazu gebracht, mich auf dieses waghalsige Spiel einzulassen? Ich hatte das Gefühl, dass ich innerlich zerrissen war. Der Gedanke, einfach mit Niel wegzulaufen, kam mir an diesem Morgen immer wieder. Wäre es nicht doch einfacher, wenn wir alle von jetzt auf gleich untertauchen würden? An einen Ort, wo uns keiner finden würde? An ein Paradies, das nur uns allein gehörte?
Während ich noch darüber nachdachte, was nun geschehen sollte, packte mich Zephus mit ihren Klauen und hob mich in die Lüfte. Trease und Isma ließen kleine Wolken vor uns erscheinen, durch die sie hindurchflog. Dann drehte sie ein paar Pirouetten. Alles, um mich abzulenken. Ich schmunzelte. Das war einfach süß von ihr.
Einen Moment später ließ sie mich in der Luft los, ich verwandelte mich und flog ihr hinterher. Immer tiefer und knapper über der Meeresoberfläche. Das Wasser spritzte, als sie es mit den Klauen berührte.
»Zephus!«, rief ich, als mich ein ganzer Wasserschwall erwischte. Sie lachte laut, als sie es bemerkte.
Ich schüttelte erbost den Kopf. Zephus bewegte sich daraufhin spiralförmig durch die Luft nach oben und ließ sich von dort nach unten ins Wasser fallen. Es spritzte tierisch. Trease, Isma und ich konnten uns geradeso in Sicherheit bringen.
Ein paar Minuten später gesellten sich Tara, Niel, Kira und Osiris zu uns. Sie hatten das laute Platschen von Zephus gehört und kamen, um nachzusehen, was los war. Als ihnen klar wurde, was passiert war, stürzten sich die Vier mit Zephus erneut in den Himmel und ließen sich bis kurz über die Wasseroberfläche fallen. Sie hatten sichtlich Spaß dabei. So viel wie seit Langem nicht mehr.
Nur Danny und Elen blieben gemeinsam mit Chris und Varush an Land zurück. Varush war sichtlich enttäuscht, dass er nicht mit uns fliegen konnte. Wie gern hätte er wohl den Blödsinn mitgemacht. Elen versuchte ihn aufzumuntern, während Danny mit Chris über irgendetwas diskutierte. Ich nehme an, es ging um ihren Vater Daamien. Denn so wie sie die Mimik verzog, schien sie nicht sonderlich von Dannys Ideen begeistert. Lediglich von Le war weit und breit nichts zu sehen. 
Kira nutzte die Gunst der Stunde und schlich sich von hinten an Danny heran. Dann packte sie ihn und zog ihn hinunter ins Wasser. Als er aus dem Meer wiederauftauchte, schrie er ihr hinterher: »Na Warte. Ich krieg dich.«, Dann verwandelte er sich und folgte ihr. Während Tara ihr zur Hilfe eilte, kamen Niel und Osiris überein, dass sie Danny beistehen sollten. So kam es, dass Tara plötzlich samt Osiris im Wasser landete und Kira sich in den Wolken versteckte. Ich hatte mich unterdessen zu Zephus zurückgezogen und saß auf ihrem Rücken, von wo aus ich die Szenerie betrachtete. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Niel mich ebenfalls in die Geschichte involvieren wollte. Er schlich sich von hinten an mich heran und riss mich von Zephus’ Rücken herunter. Im Flug gab er mir einen flüchtigen Kuss. In Gedanken war ich bereits davon ausgegangen, dass auch wir gleich im Wasser landen würden, aber Niel fing uns kurz davor ab und flog wieder nach oben. 
Er lächelte mich überglücklich an: »So könnte es jeden Tag sein. Für den Rest unseres Lebens!« Ich küsste ihn sanft auf dem Mund und biss ihm dabei vorsichtig in die Lippe. Als ich mich wieder von seinen Lippen löste, wollte ich noch etwas sagen, aber plötzlich schrie Danny uns von Weitem zu: »Deckung!«
Als ich mich umdrehte, sah ich, wie eine kleine Propellermaschine um Haaresbreite an Zephus vorbeiflog.
»Runter!«, schrie Niel und packte mich am Arm. Wir landeten etwas unsanft auf einem der Türme neben Tara und Osiris. Elen, Varush und Chris standen noch immer auf der Mauer. Sie bemerkten erst in diesem Moment, dass etwas nicht stimmte und eilten zu uns. 
»Wo ist Kira?«, rief Osiris in die Runde.
Ich blickte mich suchend um. Einen Augenblick glaubte ich, dass ihr etwas passiert sei, aber Niel entdeckte sie.
»Da oben!«, sagte er. »Sie ist bei Zephus!« 
Ich flog auf direktem Weg zu ihnen, ohne eine Reaktion
der anderen abzuwarten. Osiris schrie mir hinterher: »Bleib hier!«
Während Niel ihn beruhigte: »Lass sie.«
Zephus stand quasi in der Luft. Ich konnte ihr Herz bereits von Weitem schnell und unregelmäßig schlagen hören. Sie hatte einen riesen Schreck bekommen. Trease und Isma errichteten sofort eine dicke Wolkenmauer um die Insel in der Hoffnung, dass sie das Flugzeug abwehren würde. Woher kam dieses Flugzeug? Hatte Garushin meinen Plan durchschaut? Hatten sie uns gesehen? Wir warteten eine gefühlte Ewigkeit. Doch es geschah nichts. Allmählich machte sich eine tiefe Unruhe in uns allen breit.
»Es scheint nicht wiederzukommen.«, sagte ich zu Zephus, Danny und Kira gewandt.
»Konntest du etwas sehen? Oder jemand erkennen?«, fragte Danny Zephus daraufhin. Aber diese schüttelte den Kopf. 
»Das heißt, wir können nur abwarten, was Trease und Isma sagen.«, antwortete Kira für sie.
»Was ist, wenn sie uns entdeckt haben?«, sagte ich mit zitternder Stimme. Das Adrenalin pumpte durch meine Adern. Ich hatte nur noch einen Gedanken: Was machen wir jetzt?
Kira versuchte, mich zu beruhigen: »Noch wissen wir ja nicht, wer es war.«
Danny grummelte vor sich hin: »Was zum Teufel dauert das solange.« Eine Minute später kamen Trease und Isma zu uns zurück. Der Schreck stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Sie waren genauso überrumpelt wie wir.
»Trease? Hast du etwas erkennen können.«, fragte ich sie rasch.
Aber Trease wusste scheinbar nicht so recht, was sie sagen sollte. Sie zögerte und stupste Isma mit dem Elenbogen an, als wollte sie sagen, mach du das.
»Trease!«, rief Zephus streng.
Die Welt erwacht aus ihrer Starre.
(Daamien)

Das Gewitter zieht herauf

Garushin verließ noch am Abend der geplanten Hochzeit Schloss Hluboka. In seiner unbändigen Wut hatte er die gesamte Kirche in Schutt und Asche gelegt. Caras kleines Schachspiel und ihre heimliche Flucht, hatten tatsächlich eine uralte, tiefsitzende Wut in ihm geweckt. Ein Schmerz, der mit dem Tod seines Sohnes Siron vor all den Jahren begann und schon einmal einen Drachen hart zu Boden gezwungen hatte. Er würde sie nicht gewinnen lassen. Um keinen Preis würde dieses Drachenkind ihn bezwingen.
Um die Suche nach den Verrätern Cara, Daamien und Partu besser koordinieren zu können, flog er noch in der Nacht zusammen mit Wara, Tamilia und Marces zurück nach Südafrika in ihr Hauptquartier. Er wusste, dass er die ganze Sache so schnell wie möglich beenden musste, bevor die anderen, untreuen Unsterblichen Wind von der Sache bekamen und begannen sich ihr anzuschließen.
Als sie am nächsten Morgen in den Luftraum von Südafrika eindrangen, dachte er wehmütig zurück an die guten alten Zeiten: Sie besaßen einst ein schönes und  ruhiges Anwesen in der Provence. Alles war perfekt. Die anderen Unsterblichen hatten sich in ihrer Sorge, den Menschen zu Schaden, so weit wie möglich von diesen zurückgezogen, dass Garushin der einzige war, der in ihrer Nähe blieb. Die Menschen hatten ihn bewundert. Für seine Kraft. Für seine Intelligenz. Er war ein Mann von Welt – ein Vorbild. In jenen Tagen hatte er alles, was man sich wünschen konnte: Macht. Geld. Eine Familie. Eine wunderschöne Tochter und zwei vor Kraft strotzende Söhne, die ihm gehorchten und seinem Willen folgten. Aber dann kam das Jahr, indem Siron, sein ältester Sohn, nicht mehr die zweite Geige spielen wollte. Siron suchte nach mehr. Seine Gier nach Macht und Anerkennung verwandelte sich in blinde Zerstörungswut. Aus den einst so friedlichen Tagen entstanden durch Sirons Taten flächendeckende Unruhen. Siron und seine Männer zogen von Dorf zu Dorf, töteten Frauen und Kinder, setzten die Häuser in Brand und schoben es den Drachen in die Schuhe. Es ging Jahre lang drunter und drüber, bis sich die Drachen entschlossen, Siron Einhalt zu gebieten. Der König der Drachen, Dakoon, beendete das Leid der Menschen, indem er Siron tötete. 
Aber mit dem Tod von Siron wurde eine viel düstere Macht in die Welt hineingeboren, ein stetig wachsender Wunsch nach Vergeltung, der Garushins Verstand vernebelte. Mit jedem Tag bis heute an, wurde diese Macht in ihm langsam grausamer und erbarmungsloser.
Garushin blickte aus dem Fenster und erinnerte sich an den Moment, als er von Tamilia erfuhr das Siron von Dakoon getötet wurde. An die Wut und den Zorn, die er noch jetzt bei dem reinen Gedanken daran verspürte. Damals hatte er das gesamte Anwesen in Schutt und Asche gelegt. 
Heute hatte er sich besser unter Kontrolle. Glaubte er. Zumindest bis zu dem Moment, als er begriff, was Cara getan hatte. Da war sie wieder da. Dieses Gefühl der unkontrollierten Wut, war plötzlich so präsent wie an jenem Tag von Sirons Tod. Wie konnte jemand wie dieses kleine Drachenmädchen solche Gefühle in ihm auslösen?
Er trommelte mit den Fingern auf der Armlehne seines Sitzes herum. 
»Geht es dir wieder besser?«, fragte Wara ihn, als sie zu ihm trat.
»Dieses kleine Biest mag mich aus meiner Reserve gelockt haben. Aber das bedeutet nicht, dass sie das Spiel gewinnt.«, antwortete er mürrisch.
Wara blickte ihn besorgt an: »Du solltest dir das nicht so zu Herzen nehmen. Sie ist jung und naiv. Sie wird lernen, das Regeln nicht dazu da sind, um uns einzuschränken, sondern uns schützen.«
Garushin antwortete sarkastisch: »Lass mich raten! Du willst sie erziehen? Das hat bisher ja schon immer super funktioniert. Schau dir doch unsere Kinder an. Zwei sind tot und unsere Tochter benimmt sich, dank dir, immer noch mehr wie ein Mädchen als wie eine Thronfolgerin.«
Wara schluckte, sie bereute es für einen Moment sich immer hinter ihm anzustellen. Aber sie liebte ihn zu sehr, um ihn zu verlassen.
»Ich dachte nur, vielleicht finden wir einen friedlichen Weg. Der ganze Stress und die Wut tun dir nicht gut.«, versuchte sie ihn zu beschwichtigen.
Garushin packte sie am Handgelenk und zog sie an sich heran: »Und wenn diese ganze Wut mich noch mehr altern lässt, als sie es bereits getan hat, sei es drum. Ich werde sie nicht davonkommen lassen. Diese Welt gehört mir!«
Wara zuckte erschrocken zusammen.
Gerade in diesem Moment fragte sie sich wieder, wo ihr liebender Ehemann geblieben war. Die Wut und die Verbitterung hatten über die Jahre tiefe Spuren in Garushins Gesicht und Körper hinterlassen. Sein Gang war schwerfällig geworden. Seine Haare grau und dünn. Die Narben auf seiner Brust heilten nur noch schwer. Es schien als würde seine grausame Macht sein Äußeres immer mehr zerfallen lassen. 
»Es tut mir leid!«, antwortete sie ihm devot. »Ich wollte dich nicht in Frage stellen.«
Zufrieden über Waras Rückzieher ließ Garushin sie gerade wieder los, als Tamilia zu ihnen trat. 
Ihr Blick deutete bereits an, dass sie keine guten Nachrichten hatte: »Vater.«
»Was gibt es?«, antwortete er und bat Tamilia den Sitzplatz ihm gegenüber an, während er zu Wara sagte: »Wir reden später weiter.«
Wara verschwand ohne ein weiteres Wort. Tamilia blickte ihr verwundert nach, bevor sie Platz nahm: »Wir sind fast zu Hause. Aber ich dachte, es würde dich freuen zu hören, dass wir ihren Fluchtwagen gefunden haben. Leider fehlt noch immer jede Spur von ihnen. Aber ich bin mir sicher, ihr Auto verrät uns einiges.«
Garushin hatte natürlich bereits damit gerechnet, dass sie das Fluchtfahrzeug wechseln würden. Es gefiel ihm überhaupt, nicht das Cara, Daamien und Partu ihm scheinbar immer einen Schritt voraus waren. Was hatten sie vor? Was würden sie als nächstes tun?
»Hast du die Wachen an den Höhlen verstärken lassen?«, hakte Garushin nach. 
Tamilia nickte: »Ja. Auch wenn ich nicht verstehe, wieso. Die Tore sollten alle Eindringlinge abhalten.«
»Reine Vorsichtsmaßnahme!«, erwiderte Garushin. »Solange wir nicht wissen, was Daamien und Cara vorhaben, sollten wir auf der Hut sein. So wie ich Daamien kenne, wird er das Werk seines Vaters fortsetzen wollen und genau das müssen wir um jeden Preis verhindern.«
»Meine und Marces’ Männer suchen weiter fiberhaft nach ihnen. Wir werden sie finden! So war ich deine Tochter bin.«, fügte Tamilia energisch an. 
Auch wenn ihr nicht klar war, wieso ihr Vater Marces noch immer vertraute. Er war es schließlich, dem sie diese ganze Geschichte verdankten. Garushin blickte unterdessen an ihr vorbei. Ein paar Sitzreihen hinter ihr saß Marces grübelnd in seinem Sitz. Er war sichtlich nervös. Seine Stellung war in großer Gefahr.
»Was machen wir mit ihm?«, fragte Tamilia Garushin, als sie seinen Blick bemerkte.
»Wie ich schon sagte.«, antwortete Garushin. »Er ist eine Ratte. Er würde sich niemals gegen uns stellen, aber ich denke, dass ich ihn vorerst deiner Obhut überlasse. Nur um sicher zu gehen, dass er keine weiteren Dummheiten anstellt und vielleicht kann er dir noch von Nutzen seien. In gewisser Weise.«
»An was genau denkst du?«, hakte sie nach.
Garushin grinste höhnisch: »Eine kleine Säuberung. Wir können uns nicht zwei Kampfplätze auf einmal leisten. Es wird Zeit, dass wir die Kerker der Insel Gough etwas leeren und aufräumen.«
Tamilia schien der Gedanke zu gefallen. Sie lächelte ebenso höhnisch, fast schon erfreut, auf das, was sie bald tun dürfte: »Du meinst, ich darf alle töten? Inklusive Niel?« 
Garushin gab ihr mit einer kurzen Handgeste zu verstehen, dass er genau das gemeint hatte: »Ich lasse dir freie Hand.«
»Oh. Das wird wunderbar.«, antwortete Tamilia erregt vor Freude. Ihre Augen glühten vor Eifer.
»Aber lass Marces Niel töten.«, fügte Garushin an.
Tamilia verzog daraufhin verärgert das Gesicht: »Wieso? Gerade den Spaß wollte ich mir nicht entgehen lassen.«
»Wenn Marces ihn tötet, wird das Caras Urteilsvermögen hoffentlich etwas trügen und sie aus der Bahn werfen.«, entgegnete Garushin ermahnend. »Ich werde keinen weiteren Schachzug von ihr dulden.«
»Aber Schach war immer dein liebstes Spiel.«, erwiderte Tamilia verwundert.
Garushin grummelte: »Für den Moment habe ich keine Lust auf Spiele.«
»Schon seltsam, dass ein einzelnes Drachenkind so viel Ärger machen kann. Als wäre sie ... «, dachte Tamilia laut.
»Ja? Spinn den Gedanken zu Ende.«, fordert Garushin sie auf. Tamilia dachte an ihre erste Begegnung mit Cara in ihrem Anwesen in Südafrika. Das trotzige kleine Mädchen, welches ihr geantwortet hatte: Ich bin ein Drache und keiner wird daran etwas ändern. Auch nicht deine Worte! Cara hatte wirklich Mut bewiesen, sich in solch einer Situation und bei ihrer Stellung gegen sie zu stellen. Das musste sie sich bereits damals eingestehen. Sie hatte sich geschworen Cara nicht zu unterschätzen. Nein. Sie wollte diesen Drachen in die Knie zwingen, wie sie es mit allen anderen vorher auch getan hatte. Aber jegliche Worte zu Cara, um sie einzuschüchtern, schienen diese noch stärker zu machen. 
Es war, als gab es in Caras Herzen einen uralten Willen zu kämpfen. Diesen Willen hatte Tamilia das letzte Mal vor vielen hundert Jahren gesehen – bei ihm, dem König der Drachen.
»Tamilia!«, schrie Garushin plötzlich. »Dein Gedanke?«
Alle im Flugzeug zuckten erschrocken zusammen.
Marces erhob sich von seinem Platz und lief zu Tamilia und Garushin: »Mein König. Was habt ihr?«
Garushin blickte Tamilia auffordernd an.
»Ich dachte nur.«, begann sie verunsichert. »Was ist, wenn sie Dakoons Tochter ist. Wer war noch gleich ihre Mutter?«
»Sylra.«, antwortete Marces kurz. »Aber es gab viele männliche Drachen in jener Zeit.«
»Aber hatte sie mit so vielen anderen Drachen Kontakt?«, wollte Tamilia wissen.
»Unwahrscheinlich.«, konterte Garushin. 
»Aber, mein König. Ich glaube es ist unmöglich, dass herauszufinden, ohne Sylra direkt zu befragen. Dafür müsstet wir wissen, wie man sie ohne die Hilfe eines Drachenkindes weckt.«, fügte Marces leise an. 
Garushin grinste höhnisch, als ihn ein scheinbarer Gedankenblitz überkam: »Caras innere Flamme könnte ebenso Aufschluss darüber geben.«
»Dafür müssten wir sie töten.«, erwiderte Marces entsetzt.
»Das ist genau das, was ich mir gerade vorgestellt habe.«, antwortete Garushin und sah in auffordernd an.
»Eurer Hoheit ... Ich«, stotterte Marces daraufhin.
»Wenn wir sie finden, werden wir sie ein für alle Mal aus dem Weg räumen«, fügte Garushin zornig an. »Und ich verlange von dir, dass du sie eigenhändig tötest. Als Beweis für deine Loyalität. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Marces schluckte. Er vermochte Garushin nicht zu antworten. Was er von ihm verlangte war Wahnsinn.
Glücklicherweise kam im selben Moment eine Nachricht herein, die dafür sorgte, dass Garushins Aufmerksamkeit von Marces abgelenkt wurde. Wara trat erneut zu ihnen und übergab die Nachricht an Garushin: »Vielleicht haben sie die Drei schon gefunden.«
Garushin nahm die Nachricht an sich und überflog sie. Mit jeder Minute, die verging, wurde sein Gesichtsausdruck finsterer. 
»Vater?«, fragte Tamilia vorsichtig.
Im selben Moment schlug Garushin mit der Faust auf die Seitenlehne des Sitzes. Das ganze Flugzeug begann zu wackeln. Tamilia hatte Mühe sich in ihrem Sitz zu halten. Während Marces sich mit der einen Hand an dessen Lehne krallte und mit der anderen Wara Halt bot. Die schließlich in den Sitz neben Garushin fiel und ihn verunsichert ansah. Alle Drei ahnten, dass seine Reaktion nichts Gutes bedeuten konnte. Die Nachricht schien nicht den gewünschten Inhalt zu haben.
»Dieses kleine Biest! Ich zerquetsche dich höchstpersönlich!«, rief Garushin brodelnd, während er das Papier zerknüllte und einmal quer durch das Flugzeug warf. Die anderen sahen ihn fragend an. Keiner vermochte etwas zu sagen. Was war passiert? Was stand in der Nachricht?
Wara berührte Garushin vorsichtig am Arm: »Mein König? Was ist passiert?«
»Dieses kleine ...«, Garushin brüllte sie an: » Ich habe dir gesagt, sie ist nicht einfach nur naiv.«
Dann wandte er sich an Marces und Tamilia: »Ruft alle eure Männer zurück. Sofort. Wir sammeln uns in unserem Anwesen.« Marces folgte Garushins Anweisung ohne zu zögern. Er wollte auf keinen Fall mehr negativ auffallen. 
Wara und Tamilia blickten sich verdutzt an.
»Vater?«, hakte Tamilia nach. »Was stand auf dem Zettel? Was hat sie getan?«
»Sie sind auf der Insel!«, antwortete Garushin zornig. »Sie wagt es mich herauszufordern. Ich zermalme dich, du kleines ...«
»Sie?«, wollte Wara wissen. »Wen meinst du? Ich dachte, Daamien führt sie an.«
»Scheinbar nicht ...«, grummelte Garushin. »Sie steckt tatsächlich allein hinter der ganzen Sache. Ich hätte doch dafür sorgen sollen, dass sie unser Haustier wird.«
»Cara?«, fragte Tamilia ihn daraufhin. »Allein?«
»Der Versorgungsflieger, der gerade zur Insel Gough unterwegs war, hat sie entdeckt. Er ist sofort wieder umgedreht. So wie es aussieht, haben sie unsere Wachen überwältig und alle aus den Kerkern befreit. Er konnte ganz klar Zephus, Cara und die anderen Drachenkinder erkennen.«, erwiderte Garushin. »Aber kein Wort von Daamien.«
»Und der ist eigentlich nicht zu übersehen.«, murmelte Wara.
»Das denke ich auch.«, fügte Garushin an. »Summa Summarum müssen wir davon ausgehen, dass dieses kleine Drachenbiest die ganze Sache allein eingefädelt hat. Die Hochzeit und die Suche nach Daamien war ein Ablenkungsmanöver, damit sie ihren Geliebten aus dem Kerker holen konnte.«
»Und jetzt?«, hakte Tamilia nach. »Wir sollten ihnen sofort eine Lektion erteilen. Wieso erst alle zusammenrufen? Ich töte sie mit links.«

Fliehen oder Kämpfen

Das plötzliche Auftauchen des Flugzeuges hatte uns allen einen riesigen Schrecken eingejagt. Wir waren verunsichert. Was sollten wir jetzt tun? Fliehen und uns verstecken? Oder bleiben und uns Garushins Macht entgegenstellen? 
Ich lief gedankenversunken in den großen Saal. Hier hatten wir uns einst für unsere Taten vor dem großen Konzil zu erklären versucht. Nun waren wir wieder hier. Aber dieses Mal waren wir allein. Der Raum wirkte kalt und düster. Ohne die Unsterblichen waren die Ränge nur stumme Zuschauer. Die Stühle der Richter prangten wie Statuen auf ihrer Tribüne über mir. Bei dem Gedanken an Garushin auf seinem Thron lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Dieser Mann würde alles, was er liebte, und dass wahr vor allem seine Macht, mit Gewalt verteidigen. Koste es, was es wolle. Ich trat in die Ränge der Vampire und setzte mich auf die oberste Bank.
Tara kam mir schnellen Schrittes nachgeeilt und gesellte sich zu mir: »Cara, was machen wir jetzt?«
Ich blickte sie an und seufzte leise: »Ich habe keine Ahnung.«
»Wir müssen hier weg! Sofort! Die werden wiederkommen!«, rief Varush, der Tara gefolgt war, mir aufgeregt zu, während er versuchte mich mit einer Handbewegung dazu zu bringen, wieder herunterzukommen.
»Sollen sie doch. Wir machen sie fertig, einen nach dem anderen.«, erwiderte Thylion siegessicher.
Er trat geradewegs durch die Tür in den Saal. Ihm folgten mit einigem Abstand Danny, Niel, Osiris und Chris. 
»Du weißt doch überhaupt nicht, wie viele sie schicken! Du bringst uns alle um!«, konterte Varush.
Thylion wollte etwas erwidern, aber Danny unterbrach ihn: »Es bringt nichts euch gegenseitig an zu pöbeln. Was wir brauchen ist einen Plan.«
»Ich bin dafür zu kämpfen«, unterstützte Chris Thylion.
Niel und Osiris schüttelten fast gleichzeitig mit dem Kopf. 
»So einfach ist das nicht!«, erklärte Niel ihr und sah sie mit einem strafenden Blick an: »Thylion und du gehen zu hitzköpfig an die Sache heran.«
Chris schüttelte trotzig den Kopf und kam zu mir: »Sag doch auch mal etwas.« Ich bat ihr an, sich neben mich zu setzen, aber Chris lief lieber neben mir auf und ab.
»Wo sind die anderen?«, fragte ich daraufhin in die Runde.
»Die Daniels Brüder hocken noch immer im Haus der Kobolde. Sie versuchen über eine alte Telefonleitung eine sichere Verbindung zu ihrer Familie zu bekommen.«, antwortete Thylion genervt. »Meine Schwestern versuchen gerade meine Mutter und die Luftrolle zu beruhigen. Ich habe ihnen gesagt, dass wir uns verteidigen werden und nicht einfach fliehen!«
»Le ist mit Feru zum Flugzeug gelaufen. Er will es bereitmachen, falls wir schnell verschwinden müssen.«, ergänzte Danny ihn. »Kira und Elen?«, hakte ich nach.
»Das letzte Mal habe ich sie auf der Mauer gesehen!«, antwortete Osiris. »Ich gehe sie suchen.«
»Wieso?«, fragte Thylion erbost nach. »Was soll das?«
»Sie haben ein Recht mitzureden, wenn es um unsere Zukunft geht. Schließlich ist es auch ihr Leben!«, entgegnete Danny.
»Ich versteh überhaupt nicht, wo das Problem ist. Wir werden doch kämpfen und nicht die Mädchen. Wir haben die Entscheidung zu treffen.«, konterte Thylion.
»Hallo? Was ist mit mir?«, protestierte Chris. »Ich werde hier nicht rumsitzen.«
»Was willst du denn anrichten?«, wollte Thylion daraufhin von ihr wissen.
Chris grinste: »Deinen dicken Po beschützen.«
Thylion lachte laut: »Wohl eher meine breiten Schultern. Gut, du hast mich überzeugt, Kleines. Du darfst meine verletzliche Seite decken.« 
Dabei zwinkert er ihr vielsagend zu. Tara und ich hatten in dem Moment scheinbar denselben Gedanken und blickten uns irritiert an. 
»Hab ich irgendwas nicht mitbekommen?«, flüsterte Tara mir zu.
»Ich weiß auch nicht so recht.«, antwortete ich. »Aber irgendwas ist da zwischen den Beiden.«
»Ist sie nicht ein bisschen zu jung für ihn?«, kicherte sie.
Ich zuckte mit den Schultern: »Wir wissen ja noch nicht mal, ob unsere Vermutung stimmt.«
»Hey, ihr da oben!«, rief Thylion uns zu, um unsere Aufmerksamkeit wiederzubekommen.
Tara und ich wandten uns grinsend zu ihm um: »Ja.«
»Schön, dass ihr endlich wieder an unserem Gespräch teilnehmt«, polterte Thylion drauf los. »Können wir jetzt
verdammt nochmal eine Entscheidung treffen?«
»Jetzt reiß dich zusammen und hör auf hier rumzumotzen.«, ermahnte Danny ihn.
»Jetzt versteht mich bloß nicht falsch, aber er hat recht. Wir sollten uns so schnell wie möglich dafür entscheiden hier zu verschwinden«, konterte Varush.
»Nein, dass habe ich bestimmt nicht gemeint.«, entgegnete Thylion.
»Jungs!«, schrie ich sie an. »Das bringt doch nichts.«
Sie stritten sich wie kleine Schuljungen darum, ob Äpfel oder Birnen besser waren, während ich versuchte die Jungs irgendwie zu beruhigen. Es war eine seltsam komische Szene. Tara und ich auf dem Rang der Vampire. Chris die über die Ränge auf- und ablief. Thylion mitten im Raum mit verschränkten Armen und einer verkraften Mimik. Niel und Danny zwischen uns, nachdenklich und konzentriert. Und Schließlich Varush besorgt, fast ängstlich immer einen Fuß bereits in der Tür. Sie hatten recht. Es war unser aller Leben, dass auf dem Spiel stand. Wenn wir einen Weg einschlugen, dann sollten wir es zusammentun.
»Und was schlägst du vor?«, wollte Thylion wissen. Seine Ungeduld war ihm merklich anzusehen.
Ich erhob mich und lief nach unten zu ihm: »Ich schlage nichts vor. Wir werden abstimmen.« Dabei versuchte ich ihn mit meiner ruhigen Energie ein wenig zu beruhigen.
Fast als hätten sie meine Worte gehört, traten Osiris, Kira, Elen, Udara und Aruna in den Saal. 
»Le konnte ich leider nicht finden. Er muss irgendwo auf der Suche nach neuem Treibstoff sein. Vielleicht ist er irgendwo im Kellergewölbe unterwegs?«, erklärte Osiris mir. »Sollen wir auf ihn warten?«
»Ja!«, antwortete ich: »Er wird sicherlich gleich wieder zu uns stoßen, um uns zu berichten, wie es mit der Maschine aussieht.«
»Verdammt!«, Thylion wurde immer ungeduldiger: »Könnt ihr nicht einfach auf ihn verzichten.«
»Nein!«, entgegnete ich ihm schroff. »Wir sind eine Familie. Wenn wir nicht zusammenhalten, haben wir keine Chance.«
»Ja, ist ja schon gut.«, grummelte Thylion zurück. 
Dann murmelte er etwas in seinen Bart, was nur schwer zu verstehen war: »Und ich dachte, sie führt sie an und entscheidet. Weiber.«
Niel schüttelte verärgert den Kopf, als er es hörte: »Jetzt reiß dich zusammen. Du benimmst dich wie ein trotziges Kind.« 
»Entschuldige der Herr, dass ich nicht ganz eure Sprache spreche, aber ich habe die letzten Jahre eingesperrt auf dieser gottverdammten Insel verbracht.«, antwortete Thylion patzig: »Ich hatte nur die Gespräche mit Trease und Isma, um die Gepflogenheiten eurer Zeit zu lernen und eure komischen, neuen Verhaltensregeln.«
Niel erhob mahnend die Faust: »Ich zeig dir gleich die neuen ...«, aber ich unterbrach sie beide, bevor noch etwas passierte: »Jungs! Das bringt doch nichts. Jetzt kommt wieder runter.«
Ich trat zwischen die beiden Streithähne und versuchte Thylion zu besänftigen. Währenddessen unterrichtete Danny Elen, Osiris, Kira, Udara und Aruna von unserem Vorhaben. Udara schien sichtlich nervös und unwohl zu sein. Aruna, Kira und Elen hingegen waren von der Idee sehr angetan. Varush versuchte unterdessen herauszufinden, was da zwischen seiner Schwester und Thylion lief. Aber seine plumpen Fragen, die ich von Weitem hören konnte: Sag mal magst du den? Ist da was zwischen euch?, waren wohl etwas zu direkt. Chris verschränkte die Arme und ignorierte ihn vollkommen.
Tatsächlich mussten wir nicht lange auf Le warten. Als er in den Saal trat, rief er uns zu: »Das Flugzeug ist aufgetankt. Wir könnten direkt los. Aber wir müssten wahrscheinlich zweimal fliegen, um alle von hier wegzubringen.«
»Was ist mit unserer Mutter? Wir können sie doch nicht alleine lassen«, fragte Aruna in die Runde. »Sie ist noch nicht wieder stark genug, um so eine weite Strecke bis zum Festland zu fliegen.«
»Stimmen wir jetzt endlich ab?«, antwortete Thylion genervt.
Le trat zu uns in die Mitte: »Abstimmen? Über was? Ich denke, wir verschwinden? War das nicht der Plan?«
»Thylion will gegen Garushin kämpfen.«, erklärte ich ihm daraufhin.
»Weil er uns sonst immer wieder angreifen wird!«, ergänzte Chris mich und hielt damit zu Thylion.
Le runzelte die Stirn und sah mich an: »Und du?«
»Ich denke, wir sollten abstimmen.«, gab ich ihm zu verstehen und zog eine Linie in der Mitte. »Jeder, der dazu etwas sagen will, hat jetzt die Chance. Ansonsten lege ich hiermit fest, dass jeder, der links von dieser Linie steht, von der Insel fliehen möchte, jeder, der rechts von dieser Linie steht, will kämpfen.«
Sofort entstand ein wildes Gemurmel und Gewusel. 
Thylion war der Erste, der sich rechts von der Linie positionierte. Natürlich nicht ohne Kommentar: »Treten wir ihnen in den Allerwertesten.«
Udara und Aruna gesellten sich zu ihrem Bruder. Mit einer liebevollen Geste gaben sie ihm zu verstehen, dass sie, komme was wolle, zu ihm stehen würden. Chris trat als nächste zu ihnen. Ihr Blick zu Thylion hatte etwas seltsam Romantisches. Ich glaubte, dass sich in diesem Moment etwas zwischen ihnen anbahnte.
Varush trat seinerseits demonstrativ mit Tara auf die linke Seite. 
»Ich habe genug vom Kämpfen. Die anderen Unsterblichen helfen uns auch nicht«, erklärte er nachdenklich. 
Tara stimmte ihm nickend zu: »Es ist genug.« 
Ich seufzte leise. Mir ging es ja genauso. Ich hatte genug. Aber ich würde erst alle anderen entscheiden lassen. Dann würde ich meine Wahl treffen. Danny sah Elen lange an. Es war fast so, als sprachen sie miteinander, ohne das Worte fielen. Ich glaubte, ihre Entscheidung war diejenige, die mich an diesem Tag am meisten überraschte. Sie traten beide auf die rechte Seite. Ohne ein Wort. Ohne eine Erklärung. Nur mit einem Lächeln. Ein Lächeln, das mir sagte, dass sie sich eine andere Zukunft wünschten. Und zwar eine ohne ständiges Davonlaufen. Die restlichen Entscheidungen waren eigentlich vorhersehbar. Le, Kira und Osiris stellten sich nach links. Sie hatten genug. Es lag schlussendlich tatsächlich an Niel und mir. 
Er trat zu mir und sah mir tief in die Augen: »Ich will für immer mit dir zusammen sein. Das weißt du. Koste es, was es wolle. Aber ich kann und werde nicht zusehen, wie weitere gute Menschen und Unsterbliche sterben, damit dieses Monster sein Ego befriedigt.« 
Ich stimmte ihm nickend zu und küsste ihn sanft auf seine Lippen. Als ich ihn wieder losließ, trat er neben Thylion, der ihm respektvoll auf die Schulter klopfte: » Respekt, Niel. Das hätte ich nicht von dir gedacht.« 
Niel wandte sich etwas irritiert zu ihm um und runzelte fragend die Stirn. Aber Thylion blieb ihm grinsend eine Antwort schuldig. 
»Damit steht es fünf zu sieben«, stellte ich seufzend fest. »Varush, Tara, Le, Kira und Osiris, ich kann verstehen, wenn ihr die Insel trotzdem verlassen möchtet, aber ich bitte euch im Namen von uns allen, helft uns Garushin zu besiegen.« 
»Das heißt, du entscheidest dich ebenfalls dafür zu kämpfen?«, hakte Osiris nach. Ich blickte nach links zu ihm, dann nach rechts zu Thylion und Niel. Sie schienen sich zwar bewusst zu sein, wie schwer es werden würde, aber ihr Siegeswille war stark und ungebrochen. 
»Ich werde sie nicht allein ziehen lassen«, antwortete ich ihm schließlich: »Ihr seid meine Familie. Aber seitdem wir hier sind, ist unsere Familie um drei wichtige Drachenkinder gewachsen und die können wir ebenso nicht im Stich lassen. Es wird gewiss nicht einfach werden. Der Tatsache werden wir uns stellen müssen.« »Soll das heißen, dein ursprünglicher Plan war tatsächlich einfach wieder von der Insel zu verschwinden?«, hakte Thylion grummelnd nach.