Kind, iss was ... dir schmeckt! - Uwe Knop - E-Book

Kind, iss was ... dir schmeckt! E-Book

Uwe Knop

0,0

Beschreibung

Dies ist der erste Ratgeber, der Klartext redet und Tacheles textet – völlig frei von Ideologien, Lobbyismus oder Machterhaltungsansprüchen nach der "Deutungshoheit gesunder Ernährung". Es geht hier rein um die objektive und unabhängige Analyse der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage und der daraus möglichen Schlussfolgerungen – allein im Sinne des Kindes und der Eltern. Und sonst niemandem. Denn letztlich interessiert die Gretchenfrage: Was muss mein Kind essen, damit es ihm gut geht, es ordentlich wächst, gesund bleibt und vor allem – sich richtig wohlfühlt beim Essen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 158

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



UWE KNOP

Kind, iss was

… dir schmeckt !

Die wissenschaftliche Abrechnungmit den Märchen zu„gesunder“ Kinderernährung

Copyright der deutschen Ausgabe 2017:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Covergestaltung und Herstellung: Johanna Wack

Gestaltung und Satz: Sabrina Slopek

Umschlagfotos: Shutterstock

Lektorat: Monika Gehle, Hildegard Brendel

Druck: GGP Media GmbH, Pösneck

ISBN 978-3-86470-505-2

eISBN 978-3-86470-506-9

Haftungsausschluss:

Autor und Verlag haften nicht für Schäden, Verletzungen oder rechtliche Folgen, die durch die Anwendung der Anleitungen in diesem Buch entstehen.

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: [email protected]

www.plassen.de

www.facebook.com/plassenverlag

„Bei der Vielzahl von Ernährungsratgebern, Diätvorschlägen und dem weitverbreiteten Wissen über die Grundlagen der Ernährung ist es besonders schwer, sich nicht verrückt zu machen.“

Dr. Ulrich Fegeler, Kinderarzt und Pressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, sieht obiges „Luxusproblem“ für Eltern in der heutigen Zeit. (Die Welt, 18.08.2015)

Inhalt

ABER ICH HABE DOCH KÜRZLICH ERST GELESEN, DASS …

GLASKUGEL ERNÄHRUNGSWISSENSCHAFTEN

KINDERERNÄHRUNG – SPAGAT ZWISCHEN WAHN, WUNSCH UND WIRKLICHKEIT

KEINE DÜNNMACHER, KOMISCHE DICKMACHER

FALSCHE VERSPRECHUNGEN UND ECHTE ESSSTÖRUNGEN

ELTERLICHE VERANTWORTUNG MIT DEN „4 V“

HIPSTERHINWEIS: VEGANE KINDERERNÄHRUNG IST „KÖRPERVERLETZUNG“

KINDERPILLEN? BESSER NICHT!

ELF ESSENZEN EHRLICHER ERNÄHRUNG VON KINDERN

DREI KINDER, DREI SICHTWEISEN, DREI MEINUNGEN

EINS NOCH … SCHWANGERE, BABYS UND POSTPARTALE KILOS

ZUM AUTOR

BÜCHER

QUELLEN

1. KAPITEL

Aber ich habe

doch kürzlich erst gelesen, dass …

Wenn Sie dieses Buch in Händen halten, dann liegt die Vermutung nahe, dass Sie (endlich) Klarheit wollen – Klarheit darüber, was denn nun wirklich gesundes Essen für Kinder ist. Denn das Durcheinander im Vielstimmenchor der Ernährungsapostel ist groß, genauso wie die daraus resultierende Unsicherheit. Jeder weiß was, jeder erzählt etwas anderes, überall werden diverse, teils diametrale Tipps von „Ernährungsexperten“ kolportiert, gepostet und verbreitet – bis so mancher Mama das Hirn raucht … Sicher kennen auch Sie die verwirrenden Gespräche im Bekanntenkreis, wenn mal wieder jemand zum Besten gibt: „Aber ich habe doch erst kürzlich gelesen, dass gesunde Kinderernährung unbedingt … blablabla.“ Oder kennen Sie die Briefe aus Kitas und Schulen, in denen die selbst ernannte Ernährungsstasi nach erfolgtem Brotboxencheck unmissverständlich die Eltern des betreffenden „Esstäters“ auffordert: „Das Pausenbrot ist ungesund, das geht so nicht! Geben Sie Ihrem Kind künftig nur noch gesunde Stullen mit in die Schule, sonst müssen wir Konsequenzen ziehen …“. Das ist Ernährungsstalinismus in Reinform!

Nun gut, Mütter und Väter wollen nur das Beste für ihren Nachwuchs. Das ist klar. Und dazu gehört natürlich auch, die eigenen Kinder gesund zu ernähren. Früher war das kein Problem. Heute jedoch ist „gesunde“ Ernährung für Kinder zu einem hochsensiblen Thema in der Öffentlichkeit geworden – und so will sich natürlich auch keine Mutter vorwerfen lassen, sie versorge das eigene Fleisch und Blut nicht anständig! Auf dementsprechend fruchtbaren Boden fallen die zahlreichen omnipräsenten Empfehlungen, wie Kinder heutzutage gesund ernährt werden sollen. Doch wie agieren Mütter und Väter, Omas und Opas im Minenfeld zwischen gesamtgesellschaftlich geforderter gesunder Ernährung und (groß-)elterlichem Intuitivbedürfnis, den Sprösslingen genau das vorzusetzen, was ihnen richtig lecker schmeckt, was ihnen Freude am und Lust aufs Essen bereitet?

Nichts leichter als das. Zu kaum einem Thema findet man mehr Ratschläge(r) und Ratgeber als zur Frage: Wie ernähre ich meine Kinder heutzutage gesund? Doch was versteht man überhaupt unter „gesunder Ernährung“ für Kinder? Was weiß die Wissenschaft, was kann Ernährungsforschung eigentlich liefern? Welche Erkenntnisse sind gesichert? Wonach sollten sich Eltern richten? Was wollen die Kinder und warum? Nach Lektüre dieses Buches kennen Sie die wesentlichen Antworten.

Denn „Kind, iss was … dir schmeckt !“ ist der erste Ratgeber, der Klartext redet und Tacheles schreibt – völlig frei von Ideologien, Lobbyismus oder Machterhaltungsansprüchen nach der „Deutungshoheit gesunder Ernährung“. Es geht hier rein um die objektive und unabhängige Analyse der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage und der daraus möglichen Schlussfolgerungen – allein im Sinne des Kindes und der Eltern. Und sonst niemandem. Denn letztlich interessiert nur die Gretchenfrage: Was muss mein Kind essen, damit es ihm gut geht, es ordentlich wächst, gesund bleibt und vor allem sich richtig wohlfühlt beim Essen?

Sie werden es bald wissen.

Im Einführungskapitel zeige ich Ihnen zunächst sowohl die grundsätzliche Systematik und Struktur als auch die begrenzten Möglichkeiten und zahlreichen Limitierungen moderner Ökotrophologie beziehungsweise Ernährungswissenschaft(en) auf. Mit diesem Basiswissen sind Sie bestens für die darauffolgenden Kapitel gerüstet, die Ihnen explizit den Forschungsstand zu gesunder Kinderernährung, zum Erfolg und Misserfolg juveniler Gewichtsreduktions-Kampagnen und zu Essstörungen nahebringen. „Garniert“ wird der gesamte Aufklärungstext mit zahlreichen aktuellen Studienergebnissen, von denen so manche für Sie beim erstmaligen Lesen sicher unglaublich klingen, es aber garantiert nicht sind.

Nach Lektüre dieses „schonungslosen Aufklärungsbuchs ohne Scheuklappen“ sind Sie in der Lage, sich auf Basis Ihres neuen Wissens Ihr ganz persönliches, kritisches Urteil zu bilden: Glauben Sie weiterhin an Stories, Regeln und Empfehlungen zu gesunder Kinderernährung? Oder vertrauen Sie sowohl auf die intuitiven Signale und Wünsche Ihres Kindes als auch auf Ihren gesunden Menschenverstand als Mensch und Mutter oder Vater? Denn genau das ist es, was ich mit diesem Buch erreichen will: Ich möchte einen Appell an eben diesen Ihren gesunden Menschenverstand richten, einen Appell an Sie, ihn immer einzuschalten, immer kritisch, dabei aber konstruktiv zu bleiben, wenn es um eine der wichtigsten und verantwortungsvollsten Aufgaben von Eltern geht: sich um das leibliche Wohl ihres eigenen Nachwuchses zu kümmern.

In diesem Sinne wünscht Ihnen eine schöne und erkenntnisreiche Zeit beim Lesen

Dipl.oec.troph. Uwe Knop

2. KAPITEL

Glaskugel

Ernährungswissenschaften

Sie kennen sicher die gängigsten Regeln zur gesunden Ernährung, oder? Obst und Gemüse sind gesund – davon soll man viel, am besten 5x am Tag essen. Zucker macht dick, krank und süchtig. Fast Food auch. Ballaststoffe schützen vor Krebs, und Vollkorn ist besser als Weißmehl (denn da sind nur diese bösen leeren Kalorien drin). Limo und Cola sollten auch streng limitiert konsumiert werden, denn die machen nur dick, sonst nichts. Und natürlich: Vegetarisch zu leben ist gesünder, als Fleisch zu essen. Sicher haben Sie einige der genannten Ernährungs(nase)weisheiten erkannt. Wissen Sie auch, was all diese und jede weitere Regel und Erkenntnis zur sogenannten gesunden Ernährung gemeinsam haben? Sie sind allesamt frei erfunden. Klingt hart, ist aber so.

BEOBACHTUNGSSTUDIEN – GESUNDE ERNÄHRUNG

Warum das so ist, erfahren Sie jetzt: Die Ernährungswissenschaften unterliegen aufgrund ihrer schwachen Studiengrundlage enormen Erkenntnislimitierungen; so kann dieser Forschungszweig keine Beweise liefern, sondern ausschließlich Vermutungen, Hypothesen und Spekulationen generieren. Denn das wissenschaftliche Wissensfundament „moderner“ Essforschung gründet sich auf Beobachtungsstudien. Diese epidemiologischen Untersuchungen liefern jedoch nur Korrelationen (statistische Zusammenhänge), niemals aber Kausalitäten (Ursache-Wirkungs-Belege). Sowohl alle Regeln zur gesunden Ernährung als auch die vielfältige Phalanx diverser „So essen Sie gesund-Ratschläge“, die tagtäglich durch die Medien geistern, basieren auf Beobachtungsstudien und den daraus extrahierten, wachsweichen Korrelationen. Mehr über derartige Studien zu wissen ist essenziell, um die sich anschließenden Kapitel zur Kinderernährung leichter verstehen zu können.

RCT – ARZNEIKOST

Neben Beobachtungsstudien werden in der Ernährungsforschung in Einzelfällen auch RCTs durchgeführt, das sind sogenannte „Randomised Clinical Trials“. Diese Studien sind Goldstandard und können – wenn sie gut gemacht sind und richtig ausgewertet werden – kausale Zusammenhänge zu Ursache und Wirkung liefern. RCTs findet man im Ernährungsbereich dann, wenn bei kranken Menschen zwei unterschiedliche Ernährungsformen auf ihre Wirksamkeit untersucht werden sollen; beispielsweise werden Antworten gesucht auf Fragen wie: Leben die Menschen länger, haben sie weniger Schlaganfälle und Herzinfarkte oder treten weniger Krebsfälle auf. „Harte Endpunkte“ nennt man das. Diese Studien sind Mangelware und – selbst wenn vorliegend – nur schwach in ihrer Aussagekraft, denn ihre Durchführung ist stets limitiert nur in wenigen Ernährungsfällen realisierbar. Im Bereich Kinderernährung spielen RCTs nur eine Statistenrolle – oder anders formuliert: Es existieren kaum welche.

VERGLEICHSSTUDIEN – DIÄTWIRKSAMKEIT

Mit Mischformen aus Beobachtungsstudien und RCTs werden oftmals Erkenntnisse zur unterschiedlichen Effizienz verschiedener Diäten zur Gewichtsreduktion gewonnen. Mal werden die Diätler einfach nur beobachtet (also die erhobenen Daten), mal werden sie nach den Kriterien der RCTs in unterschiedliche Gruppen eingeteilt. Die Ergebnisse solcher Studien sind oft Grundlage für die (Un-)Wirksamkeit von Diäten“.

FUNDAMENTALE LÜCKEN IM FUNDAMENT DES WISSENS

Da Beobachtungsstudien das Fundament aller Ernährungserkenntnisse bilden und Funktionäre und Gesundheitsapostel diese Studien massiv überbewerten (müssen), damit sie vermeintlich valides Wissen unters Volk bringen können, statt mit leeren Händen dazustehen, folgt nun ein sehr stark vereinfachtes Beispiel dieser Studienform. Dieses Beispiel schlägt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie erfahren zum einen, wie Beobachtungsstudien funktionieren und wie Ernährungs(halb) wissen kreiert wird. Zum anderen wird Ihnen auch klar, wie diese schwachen Daten als Pseudowahrheiten in den Köpfen der Menschen verankert werden. Erinnern Sie sich noch an „Die Sendung mit der Maus“ beziehungsweise an das Schwein Frederick, das auf jede Frage seines Bruders Piggeldy „nichts leichter als das …“ antwortete? In diesem Sinne ran an den Speck: Wie funktioniert eine Beobachtungsstudie?

SO WIRD ESSWAHRHEIT „GENERIERT“ …

Der Forscher Franz-Ferdinand und seine ebenso forschen Kollegen verteilen einen Fragebogen an 100.000 Menschen: „Was haben Sie in den letzten zwei Wochen alles gegessen und getrunken? Bitte notieren Sie es so genau wie möglich.“ Die Studienteilnehmer müssen jetzt erst einmal überlegen: „Was hab’ ich denn eigentlich alles so konsumiert?“ Dann schreiben sie auf, woran sie sich noch erinnern können. Alles wissen sie natürlich nicht mehr – macht nix, da denken sie sich einfach was aus und notieren, was sie halt normalerweise so essen. Aber Achtung: Manche der Befragten schummeln dabei auch ein klein bisschen, denn sie denken „das Jägerschnitzel mit Kroketten war aber bestimmt ungesund, das lass’ ich mal lieber weg“ oder „ich schreibe besser noch eine Birne und eine Kiwi dazu, weil Obst ja so gesund ist“. So was machen Leute eben, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben, wenn sie glauben, sich nicht so gesund zu ernähren, wie die Experten das eigentlich von ihnen wollen. Aber das müssen die ja nicht so genau wissen.

HER MIT DEN (FALSCHEN?) DATEN!

Forscher Franz-Ferdinand und seine Kollegen sammeln die ausgefüllten Fragebögen dann wieder ein und haben direkt ein dickes, fettes Problem: Sie wissen nicht, ob das, was die Leute geschrieben oder angekreuzt haben, auch der Wahrheit entspricht. Franz-Ferdinand ist sich zwar bewusst, dass seine Datengrundlage falsch sein kann – das weiß er aus Erfahrung, er „stochert“ ja schon ein paar Jährchen in den Tellern der Leute herum. Aber „das ignorieren wir einfach“, denken er und seine Forscherfreunde, „es geht halt bei uns in der Ernährungsforschung nicht anders.“ Anschließend legt er die ausgefüllten Fragebögen in den Tresor der Forschungsklinik. Zehn Jahre gehen ins Land … Eine Dekade später befragt er dieselben 100.000 Studienteilnehmer zum zweiten Mal, aber dieses Mal will er wissen: „Welche Krankheiten wurden bei Ihnen in den letzten zehn Jahren diagnostiziert?“ Bedauerlicherweise können nicht mehr alle antworten, denn 1.500 der Kandidaten, im Fachjargon „Probanden“, sind inzwischen leider verstorben. Aber die, die noch leben, haben den Forschern ihre Krankheiten mitgeteilt. Nun verfügen letztere über zwei Fragebögen, einen zu Ernährungsgewohnheiten und einen zur Krankheitssymptomatik. „Jetzt wird’s spannend“, freut sich Franz-Ferdinand.

GLASKUGEL, GLASKUGEL IN DER HAND, WER ISST AM GESÜNDESTEN IM GANZEN LAND?

„Eff-Eff“, wie ihn seine Kollegen nennen, holt nun die alten Fragebögen zum Essverhalten aus dem Kliniktresor und vergleicht sie mit den neu gewonnenen Daten: Wer hat was gegessen und was getrunken, und wer hat welche Krankheit entwickelt? Diese Angaben verknüpfen die Forscher; dabei beobachten sie, dass die Leute, die die meisten Frikadellen und Wurstbrote gegessen haben, am häufigsten unter der Zuckerkrankheit leiden. „Das ist ja interessant“, denkt sich Eff-Eff und sagt seiner Presseabteilung: „Schreiben Sie dazu mal eine Meldung, damit wir mit dieser Nachricht in die Medien kommen!“ Gesagt, getan: „Wurstbrot erhöht Diabetesrisiko!“ prangt es da in großen Lettern auf dem Brief an die Journalisten. Gleichzeitig ruft Eff-Eff den Wissenschaftsredakteur einer großen Zeitung an: „Wir haben da was sehr Wichtiges herausgefunden – Wurstbrot macht zuckerkrank!“ Die Forscher wissen natürlich, dass es mit Sicherheit andere Gründe hat, warum die Frikadellen- und Wurstbrotfreunde häufiger Diabetes haben – nur sind sie sich über die genauen Ursachen selber nicht im Klaren. Aber wer kennt die schon … „Das ist auch egal, wir haben jetzt mit viel Aufwand und für teuer Steuergeld genau diesen Zusammenhang erforscht, und nun stehen wir damit in der Zeitung, das ist doch toll – dann bekommen wir vielleicht mehr Geld vom Staat, um noch mehr daran zu forschen, was denn eigentlich der Auslöser für unsere Entdeckung ist!“

MÜSLI MORTALE!

Einige Wochen später schaut sich Eff-Eff seine Fragebögen nochmal genauer durch, ruft dann wieder den Redakteur an und sagt ihm: „Weißt Du was, Müsli erhöht das Sterberisiko!“ Der fragt verdattert: „Warum denn das? Müsli ist doch laut anderweitiger Studien so gesund?“ Eff-Eff: „Viele unserer Studienteilnehmer sind ja bereits tot. Unsere Untersuchungen haben nun gezeigt, dass gerade sie am häufigsten Müsli gefrühstückt haben – wer also oft Müsli isst, der stirbt früher! Da müssen wir jetzt weiter am Ball bleiben, um diesen Zusammenhang genauer zu analysieren!“ Der Redakteur riecht den Braten; weil aber Eff-Eff und seine Forscherkollegen ja angesehene Wissenschaftler sind, schreibt er das dann trotzdem so in der Zeitung, wenn auch mit der Einschränkung: „Wissenschaftlich untermauern lässt sich der beobachtete Zusammenhang von Müsli und Sterberisiko jedoch noch nicht, daher fordern Professor Franz-Ferdinand und sein Team weitere Studien, um die von Müsli ausgehende Gefahr noch besser zu erforschen.“

IMMER WEITER, IMMER WEITERE STUDIEN …

Und Eff-Eff reibt sich die Hände! Er freut sich schon wieder, denn vielleicht gibt es bald frische Forschungsgelder vom Staat, weil der sich ja um seine Bürger sorgt. Das Problem ist aber nun: Viele Leser der Zeitungsmeldung haben bereits jetzt Angst vor ihrem geliebten Müsli am Morgen – und das völlig zu Unrecht. Warum? Weil diese Studie außer einer Korrelation nichts ergeben hat. Weder liegt ein wissenschaftlicher Beweis vor, dass Wurstbrot Diabetes verursacht, noch dass Müsli das „Mortalitätsrisiko“ erhöht. Die Ursachen dieser statistischen Zusammenhänge sind völlig unbekannt. Und das ist immer so bei Ernährungsbeobachtungsstudien. Denn ob jemand gesund bleibt oder erkrankt, früh stirbt oder alt wird, das hängt nicht entscheidend vom Müsli-Löffeln oder von anderen Ernährungsfaktoren ab – sondern vielmehr von einem komplexen und dynamischen Lebensstilgeflecht aus Genen, Umwelt, Arbeit und sozialem Status, gesellschaftlicher Einbindung und Akzeptanz, sexueller und psychischer Zufriedenheit, Stressanfälligkeit und Entspannungsfähigkeit; viele weitere, individuelle Faktoren kommen noch dazu.

Wie stets in der Ernährungsforschung lautet daher auch bei Forscher Eff-Eff und seinem Team das „ökotrophologische Universalcredo“ : Nichts Genaues weiß man nicht! Einen der Hauptgründe für dieses nebulöse Wissen um den Gesundheits- oder Schadwert von Nahrung wiederholte Professor Hans-Georg Joost, Ex-Direktor des Deutschen Instituts für Ernährungswissenschaft (DIfE), bei der Vorstellung des „Aktionsplans Ernährungsforschung“ im Juni 2013: Im Bereich der Ernährung gebe es zwar viele Korrelationen, sehr häufig fehle aber der Beweis für einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang (Kausalitätsnachweis) 1. Genauso sieht es aus. Und das sieht nicht nur Joost so. Lassen wir daher zum Abschluss des Kapitels namhafte deutsche und österreichische Wissenschaftler zu Wort kommen.

„BEMITLEIDENSWERTE ERNÄHRUNGSFORSCHUNG“

Der desolate Zustand ökotrophologischer Forschung ist in der Fachwelt schon lange bekannt. So erklärte Prof. Dr. Gerd Antes, Direktor des Deutschen Cochrane Zentrums am Universitätsklinikum Freiburg, das die Qualität wissenschaftlicher Studien bewertet, bereits 2011: „Die Ernährungswissenschaften sind in einer bemitleidenswerten Lage. Studien in diesem Bereich sind von vielen unbekannten oder kaum messbaren Einflüssen abhängig. Deswegen gibt es immer wieder völlig widersprüchliche Ergebnisse.“ 2. Nur ein Jahr später ergänzte sein „Studienbewertungskollege“ vom staatlichen IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen), Dr. Klaus Koch, zur Kernschwäche von Ernährungs-Beobachtungsstudien: „Epidemiologische Studien können normalerweise keine Beweise liefern. Punkt.“ 3

Daher ist für Prof. Dr. Gabriele Meyer, ehemalige Vorsitzende des DNEbM e.V. (Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin) und seit 2015 Mitglied im Sachverständigenrat von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, klar: „Beobachtungsstudien sind nicht geeignet, präventive oder therapeutische Empfehlungen abzuleiten.“ 4 Einer der Gründe: Beobachtungsstudien liefern ausschließlich Korrelationen (statistische Zusammenhänge), jedoch niemals Kausalitäten (Ursache-Wirkungs-Beziehungen/Beweise). Meyers Nachfolgerin als Vorsitzende des DNEbM e.V., Prof. Dr. Ingrid Mühlhauser, Gesundheitswissenschaftlerin an der Uni Hamburg, erklärte Mitte 2016: „Beobachtungen, auch groß angelegte, sind keine ausreichende Grundlage für eine moderne Medizin.“ Einer der Gründe: Beobachtungsstudien liefern ausschließlich Korrelationen, jedoch niemals Kausalitäten. „Zusammenhänge zu beobachten heißt noch nicht, Ursachen zu erkennen“, so Mühlhauser 5.

Auch in zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen wurde jüngst immer wieder auf die systemimmanente Kernschwäche der Ernährungsforschung hingewiesen: Viele ihrer Ergebnisse seien „völlig unglaubwürdig“ – und auch eine „weitere Million Beobachtungsstudien“ würden keine endgültigen Lösungen liefern 6. Aufgrund zahlreicher Schwächen dieser Untersuchungen werden Politiker zu „größerer Vorsicht bei Ernährungsempfehlungen“ angemahnt, da diese primär auf Beobachtungsstudien basieren, die nicht durch klinische Studien bestätigt wurden 7.

„NICHT GENÜGEND WISSENSCHAFTLICHE EVIDENZ“…

Dementsprechend war es nur eine Frage der Zeit, bis im Februar 2016 Prof. Dr. Peter Stehle, Präsidiumsmitglied der DGE e.V. (Deutsche Gesellschaft für Ernährung), öffentlich offenbarte, dass die Ernährungsforscher ein Problem haben: „Wir können nicht genügend wissenschaftliche Evidenz liefern.“ Denn das sei „tatsächlich schwierig, das Liefern von Belegen.“ Die beobachteten Ergebnisse der Ernährungsforschung seien daher „argumentativ natürlich sehr, sehr schwach. Aber das war immer so und wird so bleiben.“ Denn zu Studien, die harte Evidenz, also Beweise für beispielsweise gesunde Ernährung liefern könnten, erklärt Stehle: „Solche Interventionsstudien wird es nie geben.“ Auch auf die Frage, wie hoch der Einfluss der Ernährung auf die Gesundheit (Verfassung) sei, spricht Stehle Klartext: „Das lässt sich nicht quantifizieren. Niemand weiß das.“ 8

„GESUNDE ERNÄHRUNG? KANN MAN NICHT SO GENAU DEFINIEREN“…

Ach wie gut, dass jemand weiß, warum das eigentlich niemand weiß … So erklärte der wissenschaftliche Vorstand des DIfE (Deutsches Institut für Ernährungsforschung), Prof. Dr. Tilman Grune, im August 2016: „Gesunde Ernährung kann man gar nicht so genau definieren.“ 9 Sein Kollege Medizinprofessor Dr. Achim Bub vom Max Rubner-Institut (MRI), dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel in Karlsruhe, stellte nur einen Monat später klar: „Wir wissen herzlich wenig über Ernährung.“ 10 Dr. Walter Burghardt, Ernährungsmediziner am Universitätsklinikum Würzburg und Vorstandsmitglied im Bundesverband deutscher Ernährungsmediziner, konkretisierte kurz danach: „Wissen wir denn tatsächlich so genau, was wir brauchen? So weit ist die Medizin noch nicht.“ 11 Dieses Kernproblem des „fehlenden Wissens“ ist grenzübergreifend bekannt und benannt. „Einerseits wird ständig propagiert, wie wichtig eine gesunde Ernährung ist. Auf der anderen Seite hat die Ernährungswissenschaft bis heute keine schlüssigen Studien für die optimale Ernährung vorgelegt“, mahnt Prof. Dr. Jürgen König, Leiter des Departments für Ernährungswissenschaften an der Universität Wien im Oktober 2016 12. Sein österreichischer Kollege Prof. Dr. Gerald Gartlehner, Leiter des Departments für Evidenzbasierte Medizin (EbM) der Donau-Universität Krems, erklärt die zwei wesentlichen Gründe für diesen Mangel an schlüssigen Studien: „Gute Ernährungsstudien sind sehr schwierig durchzuführen, da viele unterschiedliche Faktoren einen Einfluss haben und das Ergebnis verzerren können. Wir wissen etwa, dass Menschen, die sich ausgewogen ernähren, auch eher Sport treiben und mehr auf ihre Gesundheit achten. Zudem fehlt es in diesem Bereich an finanzieller Power.“ 13

„FOLGEN SIE DEM GESPÜR FÜR DEN EIGENEN KÖRPER“…

Dementsprechend schwach fällt auch das Fazit aus, das Experten der Hochschule Fulda zu gesunder Ernährung ziehen. So erklärte Prof. Dr. Christoph Klotter: „Meiner Meinung nach kann heutzutage ohnehin keine allgemeine Ernährungsempfehlung mehr ausgesprochen werden. Jeder Organismus verstoffwechselt Nahrung unterschiedlich.“ 14