Drei Mädchen brauchen eine Mutti - Britta Frey - E-Book

Drei Mädchen brauchen eine Mutti E-Book

Britta Frey

5,0

Beschreibung

Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Die Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Bauführer Fricke war zufrieden. Wieder lag eine arbeitsreiche Woche hinter ihm und seinen Leuten. Ein wohlverdientes Wochenende lag vor ihm, und er freute sich schon darauf, dieses Wochenende mit seinen drei Rangen verbringen zu können. Sie hatten während der Woche sowieso nicht viel von ihm. Wenn er abends von seiner Arbeit in sein Heim zurückkam, war es für seine drei Töchter stets bald an der Zeit, schlafen zu gehen. Kurt Fricke war ein großer, breitschultriger Mann von neununddreißig Jahren. Volles dunkelblondes Haar fiel ihm in die hohe Stirn. Er war ein gut aussehender Mann, seit fünf Jahren Witwer. Seine Frau hatte er bei der Geburt seiner Jüngsten, der jetzt fünfjährigen Jasmin, verloren. Drei Töchter, die zwölfjährige Kerstin, die neunjährige Sabine und das Nesthäkchen Jasmin wurden seit fünf Jahren von seiner Mutter versorgt. In seinem Dreimädelhaus, wie er es immer scherzend nannte, ging es immer recht lebhaft zu, denn Sabine, sein zweitältestes Töchterchen, war ein schwer zu bändigendes, mehr als lebhaftes Kind. Und Jasmin, das Nesthäkchen, hielt da natürlich kräftig mit. »Also, Leute, Montag pünktlich sieben Uhr«, verabschiedete sich Kurt Fricke und stieg in seinen Wagen. Vom Bürogebäude seines Arbeitgebers, des Bauunternehmers Kurt Großmann in der Stadtmitte von Neustadt am Steinhuder Meer, war es für ihn mit dem Wagen eine knappe Viertelstunde bis nach Hause. Sein Heim, in dem er mit seiner Mutter und seinen drei Töchtern lebte, war ein hübsches Einfamilienhaus außerhalb der Stadt. Kurts Gedanken eilten schon voraus, und unwillkürlich fiel ein leichter Schatten über sein Gesicht. Seine Gedanken galten seiner Mutter, die seine kleine Familie versorgte. Schon seit einiger Zeit war sie gesundheitlich nicht so ganz auf der Höhe. Sie stand kurz vor ihrem zweiundsechzigsten Geburtstag, und da war dieser Umstand nur allzu verständlich.

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Kinderärztin Dr. Martens Classic – 4 –

Drei Mädchen brauchen eine Mutti

Ihre Herzen sehnen sich nach Liebe

Britta Frey

Bauführer Fricke war zufrieden. Wieder lag eine arbeitsreiche Woche hinter ihm und seinen Leuten. Ein wohlverdientes Wochenende lag vor ihm, und er freute sich schon darauf, dieses Wochenende mit seinen drei Rangen verbringen zu können. Sie hatten während der Woche sowieso nicht viel von ihm. Wenn er abends von seiner Arbeit in sein Heim zurückkam, war es für seine drei Töchter stets bald an der Zeit, schlafen zu gehen.

Kurt Fricke war ein großer, breitschultriger Mann von neununddreißig Jahren. Volles dunkelblondes Haar fiel ihm in die hohe Stirn. Er war ein gut aussehender Mann, seit fünf Jahren Witwer. Seine Frau hatte er bei der Geburt seiner Jüngsten, der jetzt fünfjährigen Jasmin, verloren. Drei Töchter, die zwölfjährige Kerstin, die neunjährige Sabine und das Nesthäkchen Jasmin wurden seit fünf Jahren von seiner Mutter versorgt.

In seinem Dreimädelhaus, wie er es immer scherzend nannte, ging es immer recht lebhaft zu, denn Sabine, sein zweitältestes Töchterchen, war ein schwer zu bändigendes, mehr als lebhaftes Kind. Und Jasmin, das Nesthäkchen, hielt da natürlich kräftig mit.

»Also, Leute, Montag pünktlich sieben Uhr«, verabschiedete sich Kurt Fricke und stieg in seinen Wagen. Vom Bürogebäude seines Arbeitgebers, des Bauunternehmers Kurt Großmann in der Stadtmitte von Neustadt am Steinhuder Meer, war es für ihn mit dem Wagen eine knappe Viertelstunde bis nach Hause.

Sein Heim, in dem er mit seiner Mutter und seinen drei Töchtern lebte, war ein hübsches Einfamilienhaus außerhalb der Stadt. Kurts Gedanken eilten schon voraus, und unwillkürlich fiel ein leichter Schatten über sein Gesicht. Seine Gedanken galten seiner Mutter, die seine kleine Familie versorgte. Schon seit einiger Zeit war sie gesundheitlich nicht so ganz auf der Höhe. Sie stand kurz vor ihrem zweiundsechzigsten Geburtstag, und da war dieser Umstand nur allzu verständlich. Eben, weil sie seit einiger Zeit kränkelte, drängte sie immer häufiger darauf, dass er sich nach einer Frau umsehen sollte.

»Du kannst dich nicht darauf verlassen, dass ich es auf die Dauer weiterschaffe. Deine Mädchen sind aber noch zu klein, sie brauchen wieder eine Mutter«, hörte er gewöhnlich von ihr.

Kurt Fricke wusste, dass seine Mutter recht hatte, aber so einfach, wie sie es sich vorstellte, war es leider nicht. Wenn auch der Schmerz um den Verlust seiner Frau Julia mit den Jahren vergangen und die gemeinsamen Jahre mit ihr eine wunderschöne Erinnerung geblieben war, wehrte er sich innerlich doch dagegen, sich eine andere Frau an seine Seite zu holen.

Da waren seine Mädchen, die er zärtlich liebte. Und da war seine Älteste, die zwölfjährige Kerstin, ein stilles, übersensibles Kind, um das er sich auch manchmal Sorgen machen musste. Kerstin war damals, als Julia bei Jasmins Geburt starb, gerade sieben Jahre alt gewesen. Sie, die die Mutter über alles geliebt hatte, hatte sie bis jetzt nicht vergessen können.

Während der relativ kurzen Fahrt hatte er die kleine Siedlung außerhalb der Stadt erreicht, in der auch sein hübsches Einfamilienhaus stand. Er bog in die Einfahrt zur Garage ein, hupte ein paarmal, und schon im nächsten Augenblick wurde die Haustür aufgerissen. Wie ein kleiner Wirbelwind eilte ein neunjähriges Mädchen mit wirren blonden Locken quer durch den gepflegten Vorgarten auf die Garage zu.

Kurt stieg aus dem Wagen und fing seinen kleinen Wirbelwind auf. »Warum denn so eilig, du Racker, du rennst deinen alten Vati ja noch um.«

»Vati, Vati, ich freue mich ja so sehr, dass du jetzt wieder ganz viel Zeit für uns hast. Komm schnell ins Haus. Oma hat schon den Kaffeetisch gedeckt. Wir warten schon alle auf dich.«

»Langsam, langsam, Schatz. Hol zuerst mal hinten aus meinem Wagen die Tasche. Ich habe euch was mitgebracht.«

»Was denn, Vati? So sag doch schon.«

»Da müsst ihr drei schon selbst nachschauen. Wo sind Kerstin und Jasmin eigentlich?«

»Kerstin ist oben im Zimmer und macht noch für Montag ihre Hausaufgaben, und Jasmin ist bei der Oma.«

Während Sabine die Frage ihres Vaters beantwortete, öffnete sie schon die hintere Wagentür und holte seine Aktentasche heraus.

»Darf ich sofort hineingucken, Vati?«

»Lauf ins Haus, hol Jasmin und Kerstin und nehmt euch eure Päckchen aus der Tasche. Jetzt marsch, lauf schon.«

»Juchhu! Juchhu!« Schon war Sabine wie ein Wirbelwind im Haus verschwunden.

Kurt folgte seiner Tochter. Ein zärtliches Lächeln lag dabei um seinen Mund. Seine Kinder, sein Dreimädelhaus. Es war und blieb sein Leben.

Als er die Küche betrat, verschwand das Lächeln. Besorgt sah er auf die abgespannt wirkende ältere Frau, die am Küchentisch saß und sich mit einer müden Bewegung eine Haarsträhne aus der Stirn strich.

»Fühlst du dich heute nicht gut, Mutter? Du siehst abgespannt aus.«

»Das Übliche, Junge. Ich spüre eben doch immer mehr, dass ich nicht mehr die Jüngste bin. Aber reden wir nicht von mir. Es ist schön, dass du da bist, dann können wir ja gleich Kaffee trinken. Ich ruf nur rasch die Mädchen herunter.«

»Lass nur, Mutter, die werden schon von allein kommen. Wie war der Tag heute? Haben dich die drei wieder ziemlich beansprucht?«

»Kerstin und Sabine waren bis um eins in der Schule, und Jasmin ist ein liebes Ding, wenn sie allein mit mir im Haus ist. Sie sind nur so wild, wenn Sabine da ist. Manchmal habe ich das Gefühl, als habe Sabine Hummeln unter ihrem Hemd.«

»Und Kerstin? Du solltest das Mädel etwas mehr einspannen. Mit ihren zwölf Jahren kann sie gut schon kleine Aufgaben übernehmen.«

»Das tut sie ja auch, Kurt. Aber wenn sie fünf oder sechs Stunden in der Schule lernen muss, kann ich nicht viel von ihr verlangen. Kerstin ist auch noch ein Kind. Es geht ja auch nicht um die kleinen Dinge des Alltags. Es sind meine Beine und mein Rücken, die manchmal nicht mehr mithalten.«

»Ich weiß, Mutter, du müsstest mal ein paar Wochen ausspannen. Ich werde mir etwas einfallen lassen müssen.«

Gertrud Fricke war eine leicht füllige Frau von etwas über einundsechzig Jahren. Das dunkle, noch immer volle Haar zeigte an beiden Schläfen schon die ersten grauen Strähnen. Sie wollte ihrem Sohn gerade eine Antwort geben, als sie die nicht gerade leisen Schritte der Mädchen die Treppe von oben herunterlaufen hörten.

Sabine war die Erste, die ihrem Vati um den Hals fiel und strahlend sagte: »Danke, Vati, du bist der liebste Vati auf der Welt. Oma, schau nur, Vati hat Kerstin, Jasmin und mir eine Uhr mitgebracht.«

»Danke, Vati«, sagte nun auch Kerstin, seine Älteste, während Sabine zur Oma lief und ihr mit strahlenden Augen eine hübsche Mädchenuhr vor die Augen hielt.

»Geh weg, Kerstin, ich will auch zum Vati«, drängte nun die kleinste, ein zierliches, fünfjähriges Mädchen mit dunkelblondem Pferdeschwanz, resolut ihre große Schwester zur Seite.

»Na, dann komm, du kleiner Racker.«

Liebevoll hob Kurt das zierliche Persönchen auf seinen Schoß und drückte es zärtlich an sich. Dann sagte er lächelnd: »Jetzt setzt euch mal schön auf euren Platz, damit wir endlich essen können, sonst wird eure Milch noch kalt und euer Vati verhungert.«

Sofort rutschte Jasmin von seinem Schoß und setzte sich brav zwischen Sabine und Kerstin.

Gertrud Fricke erhob sich, um die Kaffeekanne und den Milchtopf zu holen. Kurt, der ihr aufmerksam nachsah, stellte fest, dass sie ein wenig schwerfällig ging. In ihm nagte plötzlich ein leises Schuldgefühl. Das Haus, der Garten, und dazu drei Kinder – mutete er seiner kränkelnden Mutter da nicht reichlich viel zu? Er durfte das so nicht mehr weitergehen lassen. Es müsste eine Hilfe ins Haus, die seiner Mutter wenigstens die groben Hausarbeiten abnehmen könnte.

»Was ist, Kurt, warum bist du auf einmal so nachdenklich? Jetzt lass deinen Kaffee nicht kalt werden und greif zu. Den Kuchen habe ich heute Vormittag frisch gebacken.«

»Und ich habe der Oma dabei geholfen«, meldete sich sofort Jasmin zu Wort.

»Bist auch mein liebes und fleißiges Schätzchen«, entgegnete Kurt lächelnd.

Er sah auf seine Älteste, die lustlos in ihrem Schokoladenkuchen herumstocherte.

»Schmeckt es dir nicht, Kerstin?«, fragte er und sah prüfend in ihr schmales Gesicht.

»Doch, Vati, aber ich habe keinen Hunger. Darf ich mir den Kuchen für später aufheben?«

»Meinetwegen, Kerstin. Aber es gefällt mir überhaupt nicht, dass du in letzter Zeit so schlecht isst. Wenn es nicht bald besser wird, werde ich dich einmal mit zum Arzt nehmen.«

Kerstin nickte mit gesenktem Kopf.

Kurt sah, dass Sabine und Jasmin fertig waren und schickte die Kinder in den Garten hinaus zum Spielen.

*

Als die drei Mädchen am Sonntagabend schon schliefen, saß Kurt noch mit seiner Mutter zusammen und unterhielt sich mit ihr über das hinter ihnen liegende Wochenende.

»Weißt du, Mutter, dass ich mir Gedanken mache, wie das hier in Zukunft mit uns weitergehen soll? Dieses Wochenende hat mir deutlich gezeigt, wie die drei einen in Atem halten können, obwohl Kerstin eher zu still ist. Ich habe mir da etwas überlegt. Bekommen die beiden Großen nicht Schulferien?«

»Ja, in der nächsten Woche. Warum fragst du?«

»Du musst unbedingt ein paar Wochen ausspannen. Du brauchst Abstand von den drei Rangen. Ich habe mir nun folgendes ausgedacht. Ich habe noch meinen ganzen Jahresurlaub offen. Wie lange haben die Mädchen Ferien?«

»Die jetzt anstehenden Herbstferien dauern acht Tage.«

»Gut, mit dem Samstag und Sonntag sind das zehn Tage. Ich nehme mir für diese Zeit Urlaub und fahre mit den Mädchen weg. Du hast dann Zeit für dich, kannst etwas ausspannen. Wenn ich mit den Mädchen zurückkomme, werde ich mich darum kümmern, dass jeden Tag für ein paar Stunden eine Hilfe ins Haus kommt, die die groben und schweren Arbeiten übernimmt. Wir wollen dich ja schließlich noch für uns haben.«

»Hilfe, wenn ich das schon höre, Junge. Du solltest dich lieber nach einer netten, jungen Frau umsehen. Ich werde immer älter, aber deine Mädchen brauchen junges Leben um sich, brauchen endlich wieder eine Mutter Du darfst nicht nur an dich denken. Es ist jetzt fünf Jahre her, seit Julia uns verlassen hat. Soll es für unser Nesthäkchen nie eine Mutti geben? Ich versorge die Mädchen gern, aber ich werde nun mal nicht jünger.«

»Lass nur, Mutter. Wir haben schon so oft darüber geredet. Du glaubst wohl, dass ich nur pfeifen muss, und schon kommt eine Frau angelaufen. Wer will in der heutigen Zeit schon einen Witwer mit drei Kindern? Wenn ich wirklich Julias Platz noch einmal besetzen sollte, so muss es eine Frau mit viel Gefühl sein, die auch meine Mädchen von ganzem Herzen liebt. Aber lassen wir dieses Thema lieber ruhen. Man sollte nicht so viel über ungelegte Eier reden. Sag mir lieber, was du von meinem Vorschlag hältst, mit den Mädchen fortzufahren?«

»Warum nicht, Kurt? Es gibt mir Gelegenheit, mich einmal gründlich untersuchen zu lassen.«

»Das solltest du auf jeden Fall tun, Mutter. Du weißt, wie wichtig deine Gesundheit für dich und für uns ist. Dass ich mir auch um Kerstin so meine Gedanken mache, brauche ich dir ja nicht erst zu sagen. Ich wünschte mir, dass sie auch so unkompliziert wäre wie Sabine. Ich glaube, wir müssen auf sie ganz besonders achten.«

»Kerstin hat Julia noch nicht vergessen, Kurt. Ich habe sie vor ein paar Tagen einmal genau beobachten können. Sie starrte in eins ihrer Bücher und plötzlich weinte sie. Als ich mich ihr leise näherte, verbarg sie rasch etwas. Ich konnte es jedoch noch sehen. Es war ein Bild von Julia.«

»Das kann doch nicht sein, Mutter. Kerstin war doch damals auch erst sieben Jahre alt.«

»Erst, Kurt? Du meinst wohl, schon. Du weißt außerdem, wie abgöttisch Kerstin ihre Mutti geliebt hat. Ein Kind vergisst schneller, das andere nicht. Kerstin gehört zu den Letzteren. Darum kapselt sie sich auch immer so ab. Ich muss sie schon fast hinausjagen, wenn ich will, dass sie am Nachmittag an die Luft geht.«

»Dann wird es ja erst recht Zeit, dass ich mit den Mädchen für ein paar Tage fortfahre.«

»Und wohin willst du fahren, Kurt?«

»Nicht allzu weit weg, Mutter. Ich habe da an den kleinen Heideort Ögela gedacht. Ich erinnere mich noch genau, dass wir früher dort jedes Jahr Urlaub gemacht haben. Stimmt’s?«

»Daran erinnerst du dich noch?«

»Natürlich, Mutter. Weißt du nicht mehr, wie oft ich mit Vater von Ögela aus zum Heidesee gewandert bin?«

»Natürlich, das weiß ich noch ganz genau. Du warst noch wilder, als es jetzt schon Sabine ist. Wie oft hat Vater dich von einem Baum geholt. Es waren damals schöne Zeiten.«

»Dann kann ich ja hoffen, dass es unseren drei Rangen dort in Ögela auch gefällt. Ich werde mich gleich morgen früh um ein paar Urlaubstage kümmern. Sag noch nichts, Mutter, denn sollte es nicht klappen, sind die Mädchen dann auch nicht zu sehr enttäuscht.«

»Ich werde meinen Mund schon halten, Kurt. Wann musst du morgen früh aus den Federn?«

»Wie immer, um sechs Uhr, Mutter. Ich möchte um sieben schon auf der Baustelle sein und meine Leute einweisen. Ich werde jetzt in die Falle gehen. Für dich war es ja auch wieder ein langer Tag.«

»Alte Leute brauchen nicht mehr so viel Schlaf, Kurt. Aber ich ziehe mich auch gleich zurück.«

*

Als Kurt Fricke am Dienstag gegen neunzehn Uhr nach Hause kam, empfing ihn seine Mutter mit vorwurfsvollem Gesicht: »Du kommst auch jeden Tag später nach Hause, Kurt. Die Mädchen haben bald überhaupt nichts mehr von dir. Wo soll das hinführen?«

»Sieh mich nicht so vorwurfsvoll an, Mutter. Es tut mir leid, dass es wieder einmal später geworden ist. Ich musste noch zu einer Baustelle. Dafür habe ich jedoch eine gute Nachricht für dich. Mit meinem Urlaub geht es klar.«

»Das ist ja prima, Junge. Da werden sich die Mädels aber freuen.«

Gertrud Fricke nickte, und Kurt ging hinauf, um nach Kerstin, Sabine und Jasmin zu sehen.

Kerstin saß auf ihrem Bett und las in einem Buch. Sabine und Jasmin spielten friedlich mit ihren Puppen. Es war ein hübsches Bild.

Aber kaum hatte Jasmin ihn entdeckt, ließ sie die Puppe liegen, stürmte auf ihn zu und warf sich in seine Arme.

»Vati, Vati, da bist du ja endlich. Wir dachten schon, dass du heute überhaupt nicht mehr kommst.«

»Aber, aber, Schätzchen, Vati lässt euch doch nicht allein. Ich hatte heute nur mehr zu tun.«

»Ich will Vati auch guten Tag sagen. Geh du wieder zu deiner Puppe spielen.« Sabine war näher gekommen und schob ihre kleine Schwester einfach an die Seite.

»Ich will aber nicht, dass du immer so lange arbeiten musst, Vati.« Sabine sah schräg zu ihm hoch und stampfte unwillig mit einem Fuß auf.

»Was soll denn das werden, Sabine? Ich muss doch arbeiten gehen. Das müssen alle Erwachsenen.«

»Aber wir sind immer allein, Vati. Und Kerstin will nicht immer mit Jasmin und mir spielen. Immer sitzt sie nur herum.«

»Na, meine Kleine, so schlimm wird es schon nicht sein. Ihr seid auch nicht allein. Oma ist doch den ganzen Tag bei euch«, entgegnete Kurt mit einem nachsichtigen Lächeln. Er sah zu Kerstin und sagte: »Und du willst mir nicht guten Abend sagen, Kerstin?«

»Wenn sich Sabine und Jasmin immer vordrängen, Vati. Ich freue mich doch auch, dass du gekommen bist.«

»Was liest du denn da Schönes, Kerstin?«, wollte Kurt nun wissen, ohne auf ihre Worte einzugehen.

»Mein Puckibuch, Vati. Oma hat gesagt, dass ich die Nummer zwei auch bekomme, wenn ich dieses hier ausgelesen habe. Und Oma hat auch gesagt, dass es davon zwölf Folgen gibt.«

»Wenn Oma es gesagt hat, dann wird es schon stimmen, Kerstin. Hast du denn deine Schularbeiten für morgen schon gemacht?«

»Ja, Vati, ich habe alles fertig.«

»Ich auch, Vati, und morgen schreiben wir ein Diktat.«

»Fein, Sabine. Ich freue mich, wenn ihr beide in der Schule fleißig seid.«

Kurt wollte seinen Worten noch etwas hinzufügen, aber in diesem Augenblick rief seine Mutter von unten aus der Diele: »Alle herunterkommen, das Abendbrot ist fertig.«

»Also, marsch, alle hinunter, Oma hat gerufen.« Lachend hob Kurt seine Jüngste hoch, und gefolgt von Sabine und Kerstin gingen sie in die Küche hinunter und setzten sich an den gedeckten Abendbrottisch.

Als Kurt an diesem Abend noch einmal ins Kinderzimmer hinaufging, um seinen drei Mädchen eine gute Nacht zu sagen, fragte Sabine auf einmal ganz ernsthaft: »Vati, bin ich wirklich ein armes Kind?«

»Aber, Liebling, wie kommst du denn auf diese dumme Frage?«

»Ich habe heute gehört, wie Susis Mutti gesagt hat, Sabine ist ein armes Kind, so ganz ohne Mutti aufzuwachsen.«

»Du bist kein armes Kind, Sabine. Wenn du auch keine Mutti hast, so hast du doch mich und die Oma. Erwachsene reden manchmal dummes Zeug. Du musst überhaupt nicht hinhören.«

»Können wir denn nicht eine Mutti kaufen, Vati?«, wisperte Jasmin mit dünnem Stimmchen.

»Das geht nicht, Schätzchen. Wenn du etwas größer bist, werde ich es dir erklären. Jetzt bist du noch ein bisschen zu klein und kannst das noch nicht verstehen. Jetzt schlaf schön.«

Auch Sabine und Kerstin bekamen ihren Gutenachtkuss. Danach machte Kurt das Licht aus und ging wieder zu seiner Mutter hinunter.

*

Während Gertrud Fricke das Essen zubereitete und schon den Tisch deckte, hörte sie immer wieder das fröhliche Lachen von Sabine und der kleinen Jasmin. Von Kerstin war, wie immer, nichts zu hören.

Erst als das Auto des Vaters in die Einfahrt zur Garage einbog, kamen alle drei ins Haus.

Gertrud Fricke schickte sie zum Waschen ins Badezimmer.

Als Kurt wenig später die Küche betrat, saßen alle drei auf ihren Plätzen und sahen ihm mit erwartungsvollen Augen entgegen.

Kerstin hatte ihren beiden Schwestern schon gesagt, dass es für sie alle noch eine Überraschung vom Vati geben würde.