Kintsugi - Céline Santini - E-Book

Kintsugi E-Book

Céline Santini

0,0
14,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: Kailash
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2019
Beschreibung

Kintsugi ist eine alte japanische Kunstform, um gesprungene Keramik zu reparieren. Dabei werden die Bruchstellen nicht vertuscht, sondern vergoldet und damit in ihrer ganzen Schönheit inszeniert. Wenn unsere Lebenspläne, unsere Gesundheit und Beziehungen buchstäblich in die Brüche gehen, unterstützt uns Kintsugi dabei, diese Scherben aufzusammeln und sie achtsam zu einer ganz neuen Form zusammenzusetzen. Auf diese Weise können wir an unseren Verletzungen und Niederschlägen wachsen, sie als bereichernd annehmen - als wertvolle Bruchstellen, die uns ganz machen und stärken.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Seitenzahl: 189

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



CÉLINE SANTINI

Wie uns Bruchstellen im Leben stark machen

Der japanische Weg zur

Aus dem Französischen von

Ursula Held

Die französische Originalausgabe erschien 2018 unter dem Titel

»Kintsugi. L’art de la résilience«

bei Éditions First, un département d’Édi8, Paris, 2018.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Deutsche Erstausgabe

© 2018 Kailash Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

© 2018, Éditions First, un département d’Édi8, Paris

Lektorat: Ralf Lay, Mönchengladbach

Umschlaggestaltung: ki 36, Daniela Hofner, Editorial Design, München

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-24223-7 V002

www.kailash-verlag.de

Für meine beiden wunderbaren Ex-Männer, ohne die es dieses Buch nicht gäbe …

INHALT

Einführung: Entdecken

Erkennen

Experimentieren

Anwenden

1. Schritt: Zerbrechen

Erleiden

Akzeptieren

Beschließen

Auswählen

Umdenken

Visualisieren

2. Schritt: Zusammenfügen

Vorbereiten

Puzzeln

Verwandeln

Zusammensetzen

Füllen

Einbinden

3. Schritt: Sich gedulden

Ablösen

Fixieren

Atmen

Ruhen

Reinigen

Warten

4. Schritt: Reparieren

Schmirgeln

Berühren

Auftragen

Konzentrieren

Hinzufügen

Wiederbeleben

5. Schritt: Aufdecken

Leuchten lassen

Einsammeln

Enthüllen

Schützen

Personalisieren

Strahlen

6. Schritt: Sublimieren

Betrachten

Bewundern

Bedenken

Fühlen

Stärken

Zeigen

Zusammenfassung: Öffnen

Glossar

EINFÜHRUNG

蔵焼けて 障るものなき 月見哉

kura yakete / sawaru mono naki / tsukimi kana

»MeineScheuneist abgebrannt bis auf den Grund. Jetzt kann ich den Mond sehen.«

MIZUTA MASAHIDE (1657–1723)

ERKENNEN

»Selig sind die, die einen Sprung in der Schüssel haben, denn sie lassen das Licht durchscheinen.«

MICHEL AUDIARD

Dieses Buch lädt Sie ein, die Kunst des Kintsugi zu entdecken und in seinen verschiedenen Facetten kennenzulernen. Kintsugi ist eine traditionelle Reparaturmethode, die seit dem 15. Jahrhundert in Japan bekannt ist. Dabei wird ein zerbrochener Gegenstand wiederhergestellt, indem der Kintsugi-Meister die Bruchstellen mit Gold nachzeichnet und so hervorhebt, statt sie zu verdecken. Doch die Philosophie des Kintsugi geht weit über das Materielle der reinen Handwerksmethode hinaus, sie steckt voller Symbolik von Heilung und Widerstandskraft. Denn das wiederhergestellte Objekt wird wertgeschätzt, man steht zu seiner Vergangenheit, und es ist am Ende robuster, schöner und wertvoller als vorher. Diese Metaphorik kann jeden Heilungsprozess auf eine neue Art beleuchten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine körperliche oder eine emotionale Verletzung handelt.

Der Begriff »Kintsugi« stammt von den japanischen Wörtern kin (Gold) und tsugi (Verbindung) und bedeutet wörtlich »Goldverbindung«. Die Kunst des Kintsugi nennt man kintsukuroi, was so viel wie »Goldreparatur« heißt. Es handelt sich um einen Wiederherstellungsprozess, der große Sorgfalt und Geduld erfordert. Er umfasst mehrere Etappen, die sich über Wochen oder gar Monate hinziehen. Es heißt, manchmal brauche man ein Jahr, damit ein Kintsugi-Stück wirklich gelingt.

Die Scherben des zerbrochenen Gegenstands werden geordnet, gesäubert und mit einem traditionellen Lack aus dem Saft des Lackbaums zusammengefügt. Anschließend wird das Objekt getrocknet und geschmirgelt. Die Risse hebt man dann mit mehreren Lackschichten hervor, auf die am Ende Goldstaub oder ein anderes Streumetall wie Silber, Bronze, Messing oder Kupfer gestreut wird. Das Metall vermischt sich mit dem noch feuchten Lack, und es entsteht die Illusion einer goldenen Ader. Der Gegenstand wird nochmals geschmirgelt und kann nun neu erstrahlen.

Der Legende nach benutzte der Shogun Ashikaga Yoshimasa (1435–1490) bei der Teezeremonie immer eine bestimmte Schale (chawan), die er allen anderen vorzog. Doch eines Tages ging das Gefäß leider zu Bruch. Man schickte die Schale nach China, woher sie stammte, damit man sie dort repariere. Als sie nach Monaten zurückkam, war sie lieblos mit Metallklammern zusammengehalten, entstellt und zudem nicht wasserdicht. Der Shogun war furchtbar enttäuscht und beauftragte seine japanischen Handwerker, eine funktionellere und vor allem optisch ansprechendere Lösung zu finden. Die Kunst des Kintsugi war geboren …

Welch elegante, kreative und zugleich simple Lösung! Wer sich mit Kintsugi vertraut macht, verliebt sich meist auf der Stelle in diese schöne Kunst, so einleuchtend und offensichtlich kommt sie daher.

Daher verwundert es nicht, dass sich die Reparaturmethode großer Nachfrage erfreut. Man munkelt, manche Kunstliebhaber zerschlügen ihre wertvollen Vasen und Schalen in voller Absicht, nur um sie auf diese Weise zu verwandeln … Aber auch ohne seine kostbare Keramik in Scherben zu werfen, kann man sich in seinem persönlichen Heilungsprozess von der Philosophie des Kintsugi inspirieren lassen, um zu seiner Ganzheit und natürlichen Ausstrahlung zurückzugelangen. Wie ein lebendiges Kintsugi-Kunstwerk können uns unsere Krisen verwandeln und stärken!

Bringen Sie Gold in Ihr Leben.

Entdecken Sie die Kraft des Kintsugi.

Wabi-Sabi, die atypische Schönheit

Kintsugi fügt sich in das japanische Konzept des Wabi-Sabi (wabi bedeutet so viel wie »Demut gegenüber der Natur«, sabi sind die »Auswirkungen von Mensch und Zeit«). Wabi-Sabi ermuntert uns, die schlichte Schönheit des Nichtperfekten und Atypischen zu erkennen.

Wer sich der Idee des Wabi-Sabi öffnet, setzt sich ab von den standardisierten Artefakten moderner Zeiten. Wabi-Sabi bestärkt uns im Gegenteil in der Gelassenheit und dem Gleichmut gegenüber dem Perfektionismus. Es würdigt den unumkehrbaren Einfluss der Zeit und die Vergänglichkeit aller Dinge. Es fordert uns auf, die bescheidene Schönheit des Schlichten und den Charme des Benutzten zu erkennen.

EXPERIMENTIEREN

»Kunst hilft zu leben.«

ÉRIC-EMMANUEL SCHMITT

Kintsugi oder die Kunst, Wunden zu sublimieren …: Der Weg des Kintsugi lässt sich als eine Form der Kunsttherapie betrachten, durch die wir lernen, Erlittenes zu transzendieren – quasi unser Blei in Gold zu verwandeln. Kintsugi erinnert uns daran, wie sehr unsere sichtbaren und unsichtbaren Narben der Beweis dafür sind, dass wir Krisen überwunden haben. Denn sie materialisieren das Erlebte und versichern uns: »Du hast es geschafft!« So wirken sie letztendlich wie eine Bereicherung und seelische Stärkung.

Noch schöner,

noch stärker,

noch wertvoller,

immer noch … da!

Wir alle haben Risse und Wunden erlitten. Wir haben Schmerzen und Krisen überstanden. Mein eigener Weg, von dem ich Ihnen im Laufe dieses Buches gern erzählen möchte, ist gesäumt von Freud und Leid, von Unfällen, Traumata und Momenten des Glücks. Es ist ein Weg wie viele andere, einzigartig und austauschbar zugleich. Durch seine starke, auf seelische Widerstandskraft, also auf Resilienz und Optimismus aufbauende Symbolik hat mir Kintsugi geholfen, meine »Risse« zu heilen und mich zu festigen. Ich habe meine Lebenskraft und mein Strahlen zurückgewonnen. Diese Erfahrung möchte ich hier mit Ihnen teilen.

Ob Sie nun eine körperliche Verletzung wie einen Unfall, eine Krankheit, eine Behinderung und Alterserscheinungen oder eine emotionale Verletzung wie eine Scheidung, Trauer, schmerzhafte Kindheitserlebnisse und dergleichen erlitten haben – die Energie des Kintsugi kann Sie bei Ihrem Heilungsprozess leiten und in vielfacher Hinsicht unterstützen. Jede Verletzung lässt sich auch als Beginn eines geistig-seelischen Entwicklungspfads, ja geradezu als Initiation begreifen. Wie bei der alchemistischen Transmutation kann die bleierne Schwere des psychischen oder körperlichen Traumas mit einer gewissen Beharrlichkeit und Ausdauer schließlich sinnbildlich in strahlendes »Gold« verwandelt werden.

Und so beginnt auch für Sie eine neue, reifere Lebensphase, denn aus dem Bruch gehen Sie gestärkt und mit neuer Zuversicht hervor. Lernen Sie sich selbst besser kennen, erfahren Sie mit diesem Buch, das Sie zum Experimentieren und Entdecken einlädt, eine andere, realistischere und optimistischere Vorstellung von Schönheit und Perfektion.

Versorgen Sie Ihre Wunden. Transformieren Sie Ihre Schwachstellen in Stärken. Verwandeln Sie die Brüche und Risse in Ihrem Leben in ein Leuchten und Strahlen!

Die Legende von der zerbrochenen Vase

Der Legende nach war Sen no Rikyu (1522–1591), der berühmte Teemeister des japanischen Kaisers, einmal zum Essen eingeladen, und der Hausherr schenkte dem angesehenen Gast eine sehr alte und sehr wertvolle chinesische Vase. Doch der Teemeister würdigte sie nicht eines Blickes, sondern betrachtete lieber die Landschaft und bewunderte einen Ast, der sacht im Wind schaukelte. Nachdem der Gast sich verabschiedet hatte, zerschlug der beleidigte Hausherr voller Wut das kostbare Gefäß. Seine Freunde aber sammelten die Scherben ein und reparierten die Vase nach der Kunst des Kintsugi. Bei seinem nächsten Besuch sah Sen no Rikyu die von goldenen Narben durchzogene Vase und rief erfreut aus: »Jetzt ist sie schön!«

ANWENDEN

»Es sind die zum Einsatz kommenden Methoden, die den Wert einer Sache ausmachen.«

MICHEL HOUELLEBECQ

Die Kunst des Kintsugi folgt einer bedächtigen und genauen Zeremonie, die Geduld und Konzentration verlangt. Tag für Tag, Woche für Woche, nach und nach wird der Gegenstand gereinigt, geschmirgelt und lackiert, um am Ende neue Vollkommenheit zu erlangen. Im Folgenden möchte ich Ihnen die Schritte des traditionellen Kintsugi im Einzelnen vorstellen. Vielleicht finden ja auch Sie Gefallen an den sorgsamen und präzisen Handgriffen, mit denen wir uns ganz dem gegenwärtigen Moment widmen.

Die Technik des Kintsugi: Schritt für Schritt heilen

1. Schritt: Zerbrechen

Erleiden: Etwas Unvorhergesehenes, eine falsche Bewegung, ein Zusammenstoß, und schon geht etwas zu Bruch …

Akzeptieren: Fassen Sie sich, sammeln Sie die Scherben auf.

Beschließen: Beschließen Sie, dem zerbrochenen Gegenstand eine zweite Chance und ein zweites Leben zu geben, statt ihn zu entsorgen.

Auswählen: Informieren Sie sich über mögliche Reparaturmethoden, und wählen Sie die aus, die Ihnen am meisten zusagt: illusionistisch ohne Reparaturspuren, etwas brachial mit Metallklammern oder aber eine Wiederherstellung mit den Goldnarben des Kintsugi?

Umdenken: Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf, und schlagen Sie neue Wege ein!

Visualisieren: Stellen Sie sich vor, wie der reparierte Gegenstand am Ende neu erstrahlen wird.

2. Schritt: Zusammenfügen

Vorbereiten: Säubern Sie die Bruchstücke, und legen Sie das Werkzeug bereit: Spatel, Palette, Pinzette, Goldpigmente, Trockenschachtel, Stäbchen, Terpentinersatz, Sandpapier, Seidenwatte … Schützen Sie Ihre Hände mit Handschuhen.

Puzzeln: Betrachten Sie die Bruchstücke, und überlegen Sie, wie die Teile zusammenpassen, um so die Reparatur vorzubereiten.

Verwandeln: Transformieren Sie Gift in ein Heilmittel! Der Harzlack (Urushi) zum Verkleben der Teile ist natürlichen Ursprungs und wird aus dem Harz des Lackbaums gewonnen. Dennoch ist er extrem reizend, daher sollten Sie Handschuhe tragen. Aber sobald der Lack gehärtet ist, hält er das Gefäß wunderbar zusammen und legt seine giftigen Eigenschaften ab.

Zusammensetzen: Der Klebstoff Mugi Urushi wird aus Mehl und Harzlack zusammengerührt und dann mit einem Spatel auf beiden Seiten der Bruchstelle aufgetragen. Fügen Sie alle Teile zusammen, bis der Gegenstand wiederhergestellt ist.

Füllen: Falls eine Scherbe fehlt, lässt sich mit einer Paste aus Lack (Urushi) und Tonerde (Tonoko) ein Ersatzstück (Sabi Urushi) formen. Gehen Sie sorgfältig und geduldig vor.

Einbinden: Wenn Ihnen das Einbinden von Zwischenstücken gefällt, können Sie auch eine Scherbe von einem anderen Gegenstand als Ersatz verwenden. Wie beim Veredeln (Pfropfen) eines Bonsaibaums spricht man hier von Yobi Tsugi.

3. Schritt: Sich gedulden

Ablösen: Entfernen Sie Klebereste mit einem geeigneten Werkzeug (etwa Rasierklinge, Zahnstocher, Cutter oder Spatel). Anschließend reinigen Sie die Oberfläche mit Terpentin.

Fixieren: Sorgen Sie dafür, dass die Teile am Platz bleiben, indem Sie sie mit Malerkrepp oder Gummibändern fixieren.

Atmen: Der Harzlack (Urushi) muss beim Aushärten atmen. Dazu benötigen Sie einen geschlossenen Karton (Muro), in den Sie unten ein Handtuch legen. Den geklebten Gegenstand stellen Sie auf Stäben darüber, sodass er wie auf einem Gitter ruht.

Ruhen: Am besten härtet der Lack bei einer Luftfeuchtigkeit von 75 bis 90 Prozent und einer Temperatur von knapp über 20 Grad Celsius. Sorgen Sie also für ausreichend Wärme und Feuchtigkeit in Ihrem Muro.

Reinigen: Reinigen Sie nach jedem Schritt Ihr Werkzeug (Spatel, Schälchen, Pinzette und so weiter) mit Terpentinersatz oder pflanzlichem Öl, und räumen Sie das Material bis zum nächsten Gebrauch ordentlich weg.

Warten: Nun heißt es Geduld haben, bis das Gefäß innerhalb von ein bis zwei Wochen in der Schachtel gehärtet ist.

4. Schritt: Reparieren

Schmirgeln: Sobald der Gegenstand getrocknet ist, werden Harzreste mit einem Cutter und Terpentinersatz entfernt, anschließend schmirgelt man die Bruchstellen, bis die Oberfläche absolut glatt erscheint. Die Risse sind nun nur noch als schmale dunkelbraune Linien zu sehen.

Berühren: Manche Unregelmäßigkeiten erkennt man nicht mit bloßem Auge. Fühlen Sie, ob die Oberfläche wirklich vollkommen glatt ist, indem Sie mit dem Finger über die Bruchlinien fahren.

Auftragen: Mit einem sehr feinen Pinsel tragen Sie nun eine erste Schicht schwarzen Lack (Roiro Urushi) auf die Risse auf.

Konzentrieren: Jetzt sind Konzentration und ein ruhiger Atem erforderlich. Führen Sie bedächtige und präzise Handbewegungen aus, um die Linien möglichst fein nachzuziehen. Lassen Sie Ihr Gefäß ein bis zwei Wochen im Muro trocknen.

Hinzufügen: Die Oberfläche wird geschmirgelt, anschließend wird eine zweite dünne Schicht aus rotem Lack (E-Urushi oder Neri Bengara Urushi) aufgetragen.

Wiederbeleben: Die Narben des Gegenstands sind nun mit einer schönen roten Lackschicht übermalt. Wie leuchtende, gut durchblutete Adern haben sie das Gefäß geheilt und ihm neues Leben eingehaucht. Lassen Sie es noch eine halbe Stunde in der Schachtel ruhen.

5. Schritt: Aufdecken

Leuchten lassen: Geben Sie Goldstaub auf einen Pinsel oder in ein Röhrchen, und streuen Sie ihn vorsichtig über den noch frischen Lack, ohne diesen zu berühren.

Einsammeln: Sammeln Sie überschüssigen Goldstaub mit dem Pinsel ein, um ihn später wiederzuverwerten. Das Gefäß kommt nun nochmals in die Pappschachtel, um zwei bis drei Tage auszuhärten.

Enthüllen: Sobald der Lack getrocknet ist, wird weiterer überschüssiger Goldstaub mit Seidenwatte aufgenommen. Nun liegen die Goldnarben frei.

Schützen: Tragen Sie eine dünne Lackschicht auf, um das Gold zu fixieren. Nach fünf Minuten tupfen Sie diese vorsichtig ab. Das Gefäß muss noch einmal 24 Stunden trocknen.

Personalisieren: Suchen Sie sich ein Werkzeug, das gut in der Hand liegt und Sie unmittelbar anspricht. Manche Kintsugi-Meister verwenden einen Achatstein, andere Elfenbein, Fischzähne oder einen Hämatit …

Strahlen: Nun wird das Gefäß mit einer Mischung aus Öl und feinem Sand und dem Schmirgelwerkzeug Ihrer Wahl zum Glänzen gebracht.

6. Schritt: Sublimieren

Betrachten: Nehmen Sie etwas Abstand, und betrachten Sie den reparierten Gegenstand in seiner Ganzheit: Trägt er seine Goldnarben nicht mit Stolz?

Bewundern: Freuen Sie sich darüber, wie der zerbrochene Gegenstand sich in ein unschätzbar wertvolles und einzigartiges Kunstwerk verwandelt hat.

Bedenken: Erinnern Sie sich, welche Geschichte der Gegenstand mit seinen Narben erzählt …

Fühlen: Der Lack ist durch das Trocknen gehärtet. Spüren Sie, wie der Gegenstand durch die Reparatur an Stabilität gewonnen hat.

Stärken: Betrachten Sie die Unvollkommenheit mit Stolz. Der Gegenstand ist durch den Bruch und die Reparatur noch schöner und wertvoller geworden!

Zeigen: Lassen Sie Ihr Umfeld an dem schönen Ergebnis teilhaben. Erzählen Sie die Geschichte Ihres Gegenstands, und streuen Sie die (glänzende!) Idee, dass sich eine Reparatur wirklich lohnen kann.

Sämtliches benötigtes Material finden Sie mühelos im Internet, und zwar einzeln oder als gebrauchsfertiges Set. Je nach gewünschtem Perfektionsgrad und Budget können Sie entweder der traditionellen Methode folgen, indem Sie echten Japanlack (Urushi) und 22-karätigen Goldstaub für den Lebensmittelgebrauch verwenden, oder aber Sie lassen sich nur von der Vorgehensweise inspirieren und greifen auf Epoxidkleber und Goldlack oder Perlmuttpulver zurück.

1. SCHRITT

行き行きてたふれ伏とも萩の原

yuki yuki te / tafure fusu tomo / hagi no hara

»Was bedeutet schon der Ort, wenn ich doch überall in ein Buschkleebett falle?«

KAWAI SORA (1649–1710)

ERLEIDEN

»In großen Krisen zerbricht das Herz, oder es wird zu Stahl.«

HONORÉ DE BALZAC

Etwas Unvorhergesehenes, eine falsche Bewegung, ein Zusammenstoß, und schon geht etwas zu Bruch …

Wie ein zerbrochener Gegenstand, der in Stücke gesprungen ist, liegen Sie zerstört am Boden. Was auch immer Sie gerade erleiden und unabhängig davon, ob es sich um eine körperliche oder seelische Verletzung handelt: Sie haben den Eindruck, dass diese Krise unüberwindbar ist, dass Sie da nicht heil herauskommen, dass Sie nie wieder derselbe sein werden.

Und es stimmt: Sie werden nicht mehr derselbe sein. Sie werden ein besserer Mensch sein! Diese Krise ist eine Chance. Betrachten Sie die aktuelle Lage als den Beginn eines beständigen Wiederherstellungsprozesses. Dieser wird zuweilen schmerzhaft sein, zweifellos. Es kann ein langer, schwerer Weg werden – aber das Leiden wird ein Ende haben.

Auch ich habe mehrfach Krisen durchlebt. Zeiten, in denen alles aus den Fugen geriet. In dem Moment, als mir klar wurde, dass meine Ehe in die Brüche ging, ist meine Welt innerhalb von Sekunden über mir eingestürzt. Wie ein Kartenhaus. Es war ein absoluter Schock, da ich die Anzeichen der bevorstehenden Krise nicht wahrgenommen hatte. Dabei waren es eindeutige Hinweise, die ich aber erst im Nachhinein als solche zu erkennen vermochte. Für mich war die Ehe stets ein hoher Wert gewesen, eine Zuflucht, ein unverrückbares Versprechen, an das ich felsenfest geglaubt hatte. Wie ein Wink des Schicksals kommt es mir inzwischen vor, dass sich meine Eltern haben scheiden lassen, als ich gerade mal vier Jahre alt war. Und es ist bestimmt auch kein Zufall, dass ich zehn Jahre als Hochzeitsplanerin arbeitete – genau so lange, wie meine Ehe hielt. Der Bruch war dennoch von ungeahnter Brutalität. Umso mehr, da er schmerzhafte Erinnerungen an meine Kindheit aufleben ließ, denn ich stand auf einmal allein mit einem neun Monate alten Baby da. Ich glaubte, mich niemals aus dieser Misere befreien zu können.

Und doch habe ich es geschafft. Ich bin sogar gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Ich habe diese schwierige Zeit überstanden. Ich habe viel an mir gearbeitet und sehe vieles inzwischen klarer. Ich erkenne meine eigene Verantwortung. Ich erkenne die familiären Muster, die im Unbewussten wirken. Schritt für Schritt habe ich mich wieder aufgerichtet, ich habe die Freude am Leben und meine Zuversicht in die Zukunft zurückgewonnen. Obwohl meine erste Ehe gescheitert ist, habe ich nie die Hoffnung verloren, ich habe weiter an die Schönheit dieses lebenslangen Versprechens geglaubt. Und zwar so sehr, dass ich schließlich noch einmal auf eine Ehe einging! Inzwischen liegt die zweite Scheidung hinter mir – aber das ist eine andere Geschichte. Aller guten Dinge sind drei? Ja, ich glaube immer noch und trotz allem an die Ehe! Wie heißt es noch in der Zeichentrickserie »Die Shadoks«? Ungefähr so: Wenn man etwas immer wieder probiert, wird es einem irgendwann gelingen. Also: Je öfter man scheitert, desto größer werden die Chancen, dass es auch einmal funktioniert.

Und auch für Sie ist aktuell etwas zerbrochen. Sie sind verletzt worden. Sie haben erschütternde Erfahrungen gemacht oder stecken in einer Situation, an der Sie zugrunde zu gehen glauben. Wie offene Wunden treten all Ihre Schwächen und Missgeschicke hervor, ganz ungeahnte Winkel Ihrer Seele liegen bloß.

Aber auch Sie werden eine ungeahnte Kraft entdecken, um sich wieder aufzubauen, ja zu verwandeln. Denn eins steht fest: Sie haben schon hundert Prozent Ihrer schlimmsten Krisen hinter sich.

Fassen Sie sich ein Herz, und tun Sie den ersten Schritt in Richtung Ihrer »Wiedergeburt«. Es mag ein vorsichtiger, zögernder Schritt sein, weil Sie Angst haben, zu stolpern und erneut zu fallen. Aber Sie wissen auch: Der erste Schritt ist der schwerste.

Die Legende vom königlichen Ring

Eine persische Legende unbekannten Ursprungs erzählt von einem König, der dem Weisen seines Hofs den Auftrag gab, ihm einen Goldring mit einem Sinnspruch zu gravieren. Einem Spruch, der eine absolute Wahrheit ausdrücken und immer und überall gültig sein sollte. Ein universeller Satz, der das menschliche Dasein auf den Punkt bringen könnte.

Der Weise überreichte seinem König schließlich einen Ring, worin die Worte »Alles hat ein Ende« eingraviert waren.

Und Sie?

Haben Sie den Eindruck, dass gerade die durchlebten Krisen Sie dorthin gebracht haben, wo Sie heute stehen? Ist es Zeit für einen Neuanfang? Wie gelangt man eigentlich zu einem besseren Leben?

Handeln!

Ihr Lebensweg

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um ruhig und ungestört nachzudenken. Dieser Moment gehört Ihnen, schaffen Sie eine angenehme Situation. Vielleicht mit sanfter Musik, einer Kerze, einer Tasse Tee und einem bequemen Sessel … ganz wie es Ihnen behagt.

Nehmen Sie sich etwas zu schreiben, schließen Sie die Augen, und entspannen Sie sich.

Lassen Sie Ihr Leben Jahr für Jahr Revue passieren, und rufen Sie sich alle schwierigen Situationen der Vergangenheit ins Gedächtnis, an die Sie sich erinnern können.

Listen Sie diese Ereignisse auf, und führen Sie sich vor Augen, wie resilient Sie eigentlich sind: Sie haben alle diese Krisen überstanden! Deshalb können Sie auch darauf vertrauen, dass Sie die aktuelle problematische Situation überwinden werden!

Weitergedacht

Ist es nicht oft so, dass bestimmte Krisen sich im Nachhinein als Chance erwiesen haben? Wie ein Geschenk des Himmels, das Sie zu dem Zeitpunkt nicht als solches wahrnehmen konnten? Haben diese schweren Prüfungen Ihnen vielleicht ermöglicht, eine neue Eigenschaft oder Fähigkeit zu entwickeln? Sind Sie auf diese Weise gar einer Katastrophe entkommen? Wurden Ihnen neue Türen geöffnet? Erinnern Sie sich an Situationen, in denen Sie Brüche in Stärken verwandelt haben. Auch angesichts aktueller Krisen kann Ihnen diese Verwandlung gelingen.

Hier und jetzt!

Wieso beginnen Sie nicht gleich damit, Ihre Stärken aufzulisten? Machen Sie den ersten Schritt, schnappen Sie sich einen Stift, und schreiben Sie auf, wie Sie es auch dieses Mal Schritt für Schritt aus der Krise schaffen.

AKZEPTIEREN

»Was getanist, istgetanund bleibt’s.«

WILLIAM SHAKESPEARE

Fassen Sie sich, sammeln Sie die Scherben auf.

Wie ein Gefäß, das zu Boden fällt und zerbricht, schlägt das Schicksal plötzlich zu. Sie stehen noch unter Schock. Zitternd rappeln Sie sich auf. Noch etwas benommen und verwirrt. Überall liegen Scherben. Wie hatte das passieren können?

Und doch muss man mit dieser Situation irgendwie zurande kommen, es gibt kein Zurück. Was geschehen ist, ist geschehen. Wir müssen das Unvermeidliche akzeptieren, mit dem Unabänderlichen umgehen lernen. Wir müssen analysieren, welche Umstände uns bedrohen. Nur dann können wir uns wieder sammeln und weiterentwickeln.

Manchmal ist die Verletzung so schlimm, dass die kleinste Berührung den Schmerz wiederaufflammen lässt. Also versucht man, die Wunde nicht zu beachten, sie zu verstecken – als würde sie verschwinden, wenn man sie einfach ignoriert. Schnell räumt man die Scherben zusammen, man stopft sie irgendwo hinein, vergräbt sie tief in seinem Innern und legt noch eine dicke Schutzschicht darüber. Man überschminkt die Narben, glättet sie, so gut es geht, setzt eine Maske auf, lächelt und tut so, als wäre alles in Ordnung. Und wenn die Wunde doch einmal zu stark brennt, dann versucht man alles, um sie zum Schweigen zu bringen, man erstickt sie mit diversen Mittelchen und Süchten.

Ich habe das selbst beobachtet: Meine Mutter ertrug das Scheitern ihrer Ehe nicht. Statt dass sie versuchte, aus dem Scherbenhaufen etwas Neues zu schaffen und sich der eigenen Verantwortung bewusst zu werden oder sich helfen zu lassen, damit sie nicht vom Schmerz überschwemmt würde, dämmerte sie in ständiger Depression dahin und betäubte ihr Leid mit Alkohol. Das Thema war tabu, man durfte es keinesfalls zur Sprache bringen, sie steckte lieber den Kopf in den Sand. Als ob ihre Probleme auf wundersame Weise verschwänden, wenn sie einfach nicht hinschaute.

Solch ein Fehler darf uns keinesfalls unterlaufen. Denn der Schmerz bleibt, wenn er auch unter den Schichten unseres Bewusstseins begraben liegt. Es hat keinen Zweck, so zu tun, als wäre nichts passiert, wenn die Schockwelle doch deutlich zu spüren ist. Es ist etwas sehr Tiefgreifendes geschehen, und dem sollte man erst einmal in die Augen blicken, um es schließlich überwinden zu können. Einfach wegzuschauen und sich abzuwenden bringt uns hier nicht weiter.