Kleine Teufelskunde - Claus Krämer - E-Book

Kleine Teufelskunde E-Book

Claus Krämer

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Beschreibung

Teufel ist nicht gleich Teufel Das Böse hat schon immer eine besondere Faszination auf die Menschheit ausgeübt, genauso wie seine Verkörperung, der Teufel. Dieses kompakte und reichhaltige Werk ist eine ideale Annäherung an seine komplexe Gestalt – aus sicherer Entfernung. Wissenschaftlich fundiert und gut verständlich wirft Claus Krämer einen Blick auf die verschiedenen Teufelsbilder, auf religiöse Sichtweisen und ihre historischen Vorgänger, auf Satan und Luzifer, auf Dämonen und böse Geister. Und natürlich kann die Geschichte des Teufelsglaubens nicht erzählt werden ohne den Hexenglauben im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Ein Überblick über den Teufel in Musik, Kunst und Literatur rundet dieses spannende und reich illustrierte Werk ab.

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Kleine Teufelskunde

Claus Krämer

Inhalt

Vorwort

Der vielgestaltige Ex-Engel

Satan im Wandel

Der Teufel und die Religion

Der bestrafte Abtrünnige

Engel und Frauen

Der Teufel und seine Namen

Luzifer, der Lichtbringer

Satan, der Ankläger

Beelzebub, Herr der Fliegen und Anführer der Dämonen

666 und Schwefelgeruch – Attribute des Teufels

Der Teufel in heiligen Schriften

Der Teufel in der Bibel

Die Wiege des Bösen

Der Spion Gottes

Der Verführer und Versucher

Der Teufel als Person

Teufelsfiguren im Islam und Buddhismus sowie in anderen Glaubensrichtungen

Die Gestalt des Teufels: der Gehörnte mit dem Pferdefuß

»Vorläufer« des Teufels

Die Strafe Gottes und die Welt als Jammertal

Das Gute und das Böse

Teuflische Geschöpfe: Fabelwesen, Monster und verteufelte Gottheiten

Fabelwesen, Drachen und Monster

Basilisken

Der Baphomet

»Verteufelte« Götter

Pan, Gott der Natur

Cernunnos, der gehörnte Gott der Unterwelt

Prometheus, der Feuerbringer

Schamanen

Dämonen

Schutz vor dem Bösen

Kulte und Druiden

Hexen

Die Walpurgisnacht, das große Teufels- und Hexenfest

Die Merkmale einer Hexe

Schwarze Messen, Teufelsanbeter und Satanisten

Schwarze Messen als Parodie einer christlichen Messe

Kleiner geschichtlicher Rückblick: der Adel und die schwarzen Messen

Echte und falsche Teufelsanbeter

Doktor Faust

Agrippa von Nettesheim

Teufelsanbeter? Ein Fall für Doktor Freud

Kirchlicher Exorzismus

Berühmte Satanisten

Gilles de Rais

Das große Tier 666

Der Verfasser der Satanischen Bibel

Weitere Anklänge an Satanismus

Teuflische Orte und Geschichten

»Gastspiele« des Teufels in Deutschland

Wo der Teufel seinen Daumen verlor

Der Teufel als Brückenbaumeister in Regensburg

Die Kanzel im Wirtshaus

Der vor Wut stampfende Teufel

Das Teufelsloch

Der Teufel auf den Britischen Inseln

Spuren im Schnee

Der Teufel in Musik, Malerei, Literatur und Film

Der Teufel in der Musik

Diabolus in Musica

Musik aus dem Traum

Der Teufelsgeiger

Der Teufel in der klassischen Musik

Der Typ an der Kreuzung – der Teufel im Blues

Der Teufel in der modernen Musik

Der Teufel in der Malerei

Der Teufel in der Literatur

Die göttliche Komödie

Der Teufelspakt in der Literatur

Der Teufel in Film und Fernsehen

Der Teufel und die Politik

Die Achse des Bösen

Die Verteufelung Andersdenkender

Nachwort

Kleines Teufels-ABC

Literaturverzeichnis

Vorwort

»Please allow me to introduce myself: I'm a man of wealth and taste. I've been around for a long, long year, stole many a man's soul to waste« (etwa: »Gestatten Sie mir mich vorzustellen: Ich bin ein Mann von Wohlstand und Geschmack. Ich bin gehe schon viele Jahre um und raubte so manche menschliche Seele, um sie ins Verderben zu stürzen«). So singt der Rolling-Stones-Sänger Mick Jagger im Welthit Sympathy for the Devil. In dem Song lässt er den Teufel in der Ichform sprechen. Er sei dabei gewesen, als Jesus seine Momente des Zweifels und des Schmerzes erlebte, habe die Zarenfamilie wie auch die Kennedys getötet (aber im Verbund mit den Menschen). Auch mit der Textzeile »I watched with glee while your kings and queens fought for ten decades for the gods they made« (»Ich sah genussvoll zu, wie eure Könige und Königinnen zehn Jahrzehnte um die Götter kämpften, die sie selbst erschaffen hatten«), also in Anspielung auf den Hundertjährigen Krieg, deuten die Stones an, dass des Teufels bester Helfer der Mensch selbst ist. Und so endet der Song auch mit dem Satz: »I tell you one time, you're to blame« (»Ich sag’s dir nur einmal, du bist schuldig«).

Ein anderer Musiker, der Kölner Geschichtenerzähler und Songpoet Wolfgang Niedecken, stellt uns den Teufel in Enn Dreidüüvelsname ähnlich vor: »Ich heiße Luzifer, mich jitt et unjefähr sick zweimohl hundertdausend Johre, sickdäm et Minsche jitt, mer dä Hals nit voll kritt, sickdäm jezock weed un bedroore« (»Ich heiße Luzifer, mich gibt es ungefähr seit zweimal hunderttausend Jahren, seitdem es Menschen gibt, man den Hals nicht vollkriegt, seitdem gezockt wird und betrogen«). Niedecken lässt den Höllenfürsten sagen: »Ich benn dä Satan, kenns du mich? Aff un zo speejele ich dich« (»Ich bin der Satan, kennst du mich? Ab und zu spiegele ich dich«) und am Schluss des Liedes wird klar: »Met däm eezte Minsch wood och dä Hass jeboore. Enn Dreidüüvelsname« (»Mit dem ersten Menschen wurde auch der Hass geboren. In Dreiteufelsnamen«). Die Botschaft ist relativ eindeutig: Ohne Mensch kein Teufel.

Bei den Rolling Stones ist der Teufel der »man of wealth and taste« – ein Mann von Wohlstand und Geschmack. Er taucht hier nicht als der Widersacher oder Ankläger auf, der er noch zu Zeiten des Alten Testaments war und auf den wir später noch ausführlich eingehen werden; jedenfalls nicht als der animalische, stinkende Gehörnte mit den Bocksbeinen und ebenfalls nicht als die angsteinflößende Bestie aus den Malereien des Mittelalters. Erst recht ist er nicht der Einfaltspinsel aus den Grimm'schen Märchen oder dem Kasperletheater, der von pfiffigen Menschen leicht ausgetrickst werden kann. Der Jagger’sche Teufel stellt sich höflich vor und streitet mit Zynismus sein alleiniges Verantwortlichsein für schlimme Ereignisse ab. Vielleicht ist er ja nur eine willkommene Ausrede für den Menschen als den wahren Verursacher?

Denn seit es Menschen auf dieser Erde gibt, erleben wir Grausamkeit, Gewalt, Hass, Betrug, Lügerei und Gier. Geschichtsbücher und die täglichen Nachrichten in den Medien sind voll davon. Zahlreiche Philosophen, Psychologen, Soziologen, Mediziner und andere Fachleute haben sich den Kopf darüber zerbrochen, was uns Menschen böse werden lässt, den einen mehr, den anderen weniger. Für den Menschen im Mittelalter stellte sich die Frage eher nicht, denn man hatte ja jemanden, den man für alles Schlechte verantwortlich machen konnte. Schließlich war es der böse Teufel, der die Guten in Versuchung führte, der einflüsterte und manipulierte. Er stellte den Gegenpol zum lieben Gott dar. Oben im Himmel regierte das Gute. Unten in der Hölle (aber hauptsächlich doch auf der Erde) hatte der Teufel das Sagen.

In diesem kleinen Buch wollen wir der Gestalt des Teufels näherkommen (natürlich nicht persönlich). Wir wollen uns die verschiedenen Formen und Ausprägungen, die er in unseren Vorstellungen annimmt, anschauen. Wir machen uns auf die Suche nach Satan und Luzifer, nach Dämonen und bösen Geistern. Und wir steigen direkt mit der Religion ins Thema ein, denn sie hat die Basis geschaffen für das Teufelsbild, wie wir es heute kennen. Dabei betrachten wir auch die historischen Vorgängerinnen und Vorgänger des Höllenfürsten. Wir werden uns natürlich zudem mit den Hexen des Mittelalters und der frühen Neuzeit beschäftigen, ebenso mit Menschen, die sich auf einen Pakt mit dem Teufel einließen, die ihn beschworen oder feiernd verehrten. Nach einem Überblick über Repräsentationen des Teufels in Musik, Kunst, Literatur und Film beschließt ein kleines Teufels-ABC unsere Kleine Teufelskunde.

Lucifer (William Blake, 1757-1827)

Der vielgestaltige Ex-Engel

Im Mittelalter war der Teufel allgegenwärtig. Die Kirche machte ihn sich gerne als Drohmittel zunutze, um die Gläubigen zu beeinflussen. In den Märchen, Legenden und im Volksbrauchtum nahm man dem Teufel hingegen seine Bedrohlichkeit, indem man ihn oftmals karikierte: Von der Kanzel wurde er als schrecklicher Höllenfürst präsentiert, in den Wohnstuben machte man sich indes heimlich über ihn lustig. So begegnet er uns im Brauchtum oft als Tier: das eine Mal als Schlange, das andere als Drache oder aber als Ziegenbock. Auch in Menschengestalt tritt er in Erscheinung, selbst als Jesus. Er kann sein Aussehen so verändern, wie er es will. Er spielt den gebildeten Gelehrten, der die Menschen für sich einnimmt, ebenso wie die verführerisch schöne Frau. In seiner allgemein bekannten Gestalt hinkt er, weil er sich beim Sturz aus dem Himmel verletzt hat. Sein Atem stinkt nach Schwefel. Er hat einen langen Schwanz und schwarzes Fell, manchmal auch missgebildete Flügel. Seine Farben sind Schwarz und Rot. Er wird als äußerst hässlich dargestellt und in Gestalt eines Mannes. Eigentlich ist er als Ex-Engel aber geschlechtslos. Weiblich ist dagegen seine Großmutter, die in volkstümlichen Vorstellungen sehr mächtig auftreten kann. Auch werden dem Teufel oft eine Frau und sieben Töchter an die Seite gestellt. Die Töchter stehen für die sieben Todsünden.

Wo wohnt der Teufel, außer in der Hölle? Er haust mit Vorliebe in alten, heidnischen Tempeln und Kultstätten, gerne auch in der Natur – in Höhlen etwa oder in dunklen Wäldern. Die Hölle befinde sich genau in der Mitte des Erdballes, wird gesagt. Der Höllenfürst ist ein ausgeprägter Morgenmuffel: Kräht der erste Hahn, flieht er nach Hause. In Legenden und Märchen erleben wir es immer wieder, dass der Teufel von Menschen überlistet wird und sich hereinlegen lässt. Nicht so in den religiösen Schriften, denen zufolge nur ein fester Gottesglaube vor dem Treiben des Satans schützt. Zum Bangemachen hat er sich immer schon gut geeignet. In den mittelalterlichen Gotteshäusern wimmelt es deshalb oft von Teufelsdarstellungen in Bildern, Holz und Stein. Oft finden wir ihn an oder über dem Eingang.

Der Teufel und seine Großmutter (Johann Jakob Ulrich, 1798–1877)

Im ausgehenden Mittelalter und in der frühen Neuzeit wurden Menschen verfolgt, weil sie angeblich mit dem Teufel im Bunde standen. Während man glaubte, dass Besessene zufällig von einem Dämon heimgesucht wurden, lastete man den der Hexerei Bezichtigten an, absichtlich den Kontakt zum Teufel gesucht zu haben. Aus Machtgelüsten hätten sie ihren Leib und ihre Seele ganz in den Dienst des Satans gestellt. Innerhalb der Kirche war man sich sicher, dass Frauen gemeinhin leichter vom Bösen beeinflusst werden konnten als Männer und dass sie den Angeboten des Teufels viel eher erlägen. Aus diesem Grund wurden während der Zeit der Hexenprozesse in der Mehrheit Vertreterinnen des weiblichen Teils der Bevölkerung angeklagt und auf die Scheiterhaufen gezerrt. Wer nicht der christlichen Glaubensgemeinschaft angehörte oder sich gar weigerte, ihren Geboten zu folgen, galt schnell als Verbündeter des Teufels, den es zu bekehren galt. Wenn Worte nicht ausreichten, blieb immer noch die Folter. Sehr eindrucksvolle Warnungen vor dem Tun des Teufels waren öffentliche Hinrichtungen seiner vermeintlichen Anhänger, die meist den Flammentod sterben mussten.

Satan im Wandel

Nach dem Ende der lodernden Scheiterhaufen verringerte sich die Bedeutung des Teufels im Bewusstsein der Menschen. Zur Zeit der Aufklärung setzte man sich kritisch mit dem Thema Religion auseinander. Für manche Autoren der damaligen Zeit war die Vorstellung von einem Teufel reiner Kinderglaube. Vernunft stellte nun das Leitbild dar und da hatte der Teufel keinen Platz mehr. Vor allem die zeitgenössischen Philosophen erklärten ihn als abgeschafft. Auch in der Theologie spielte er eine immer geringere Rolle. Er wurde mehr und mehr zur weltlichen Romanfigur. Fast zur gleichen Zeit entstanden aber auch die ersten Satanssekten, die den Teufel als Gott verehrten.

Das Teufelsbild hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Werbung. Hier tritt der Satan schon mal als Maskottchen auf oder als Fleckenteufel, der dem wirklich Bösen, dem Schrecken aller auf Reinlichkeit bedachten Frauen, nämlich dem Fleck auf der sonst sauberen Bluse, den Garaus macht und damit zum willkommenen Helfer wird. »Teuflisch gut» ist heute ein Kompliment. Wir sehen: Der Teufel ist wandelbar wie sonst kaum jemand. Durch die Jahrtausende trat er immer in verschiedenen Gestalten auf, er wechselte Image und Optik, Betätigungsfeld und Zielgruppe. Im kollektiven Bewusstsein blieb er jedoch stets präsent. Es ist das Ziel dieses Buches darzustellen, dass die Beschäftigung mit dem Teufelsthema keiner vergangenen Zeit angehört, sondern einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung persönlicher wie globaler Schwierigkeiten leisten kann.

Der Teufel in der Werbung (19. Jahrhundert)

Der Teufel und die Religion

Wer glaubt was? Glauben Christen an den Teufel als Person? Und wie ist es mit den Agnostikern und den Atheisten? Schließlich ist der Teufel weder katholisch noch evangelisch. Während vor 50 Jahren noch fast 100 Prozent der Westdeutschen einer Religionsgemeinschaft angehörten, sind es heute 44 Prozent weniger. Laut einer Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2016 sind 54 Prozent der Westdeutschen und 84 Prozent der Ostdeutschen der Ansicht, dass in der Bundesrepublik christliche Werte keine oder kaum eine Rolle spielen. 31 Prozent halten die katholische Kirche noch für zeitgemäß, der Rest tut dies nicht. Trotzdem nahmen die Kirchen in Deutschland laut Bild am Sonntag vom 30. Oktober 2016 den Rekordbetrag von 11,46 Milliarden an Kirchensteuer ein. Da kann es dann schon mal passieren, dass sich ein Bischof für 31 Millionen Euro eine neue Residenz bauen lässt. Wir leben in einem Zeitalter des Umbruchs.

Der bestrafte Abtrünnige

Aber wie steht es in Sachen Satansglaube? Als Ende der 60er Jahre der Tübinger Theologieprofessor Herbert Haag in seinem Buch Abschied vom Teufel ebenjenen als »reine Erfindung« bezeichnete, wurde ihm aus Rom der rechte Glaube abgesprochen. Der Autor war Vorsitzender des Katholischen Bibelwerks und hatte sich dank seines Bibellexikons international einen Namen gemacht. Als er auch in Vorlesungen vor Studenten dem Höllenfürsten die Existenz absprach, schritt die »Heilige Kongregation für die Glaubenslehre« ein und eröffnete gleich zwei Glaubensverfahren gegen ihn. Denn in einem anderen Buch hatte der Gelehrte bereits die Lehre von der Erbsünde abgestritten. Und Papst Paul VI. verkündete offiziell: »Der Teufel existiert wirklich!« Dabei blieb es bis heute. So heißt es beispielsweise auf der Seite des kirchlichen Online-Magazins Kirche + Leben: »Herbert Haag steht mit seiner Ansicht über das Böse im Gegensatz zur traditionellen christlichen Theologie, in der die Welt der Gott untergeordneten Geister eine personale Wirklichkeit ist. Das Neue Testament betont, dass wir nicht nur gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen haben (vgl. Eph 2, 2; 3, 10), sondern auch gegen die bösen 'Mächte und Gewalten' (vgl. Eph 1, 21). Damit wird der Teufel für den Menschen zum Versucher, der aber nur dann Macht über ihn gewinnen kann, wenn der Mensch ihm zustimmt. Nach kirchlicher Lehre gibt es 'nicht nur das Böse, sondern auch den Bösen, bzw. die Bösen' (Katholischer Erwachsenen-Katechismus, Band eins).«

In der westlichen Welt ist die Vorstellung eines abtrünnigen Engels, der zum Teufel wurde, weit verbreitet. Sie hat ihre Wurzeln unter anderem, aber nicht nur, in der Bibel. Gott bestraft den Engel, weil er sich gegen ihn aufgelehnt hat. Jesaja (Jes 14,12) lässt ihn in seinem Buch in die Hölle fahren, weil er nach Gottgleichheit strebte. Bei Hesekiel (Hes 28,14) ist es der Stolz, der einen »glänzenden, schimmernden Cherub« zu Fall brachte. In nichtbiblischen apokryphen Texten und auch im Koran ist die Rede von einem oder mehreren Engeln, die sich geweigert haben, dem Menschen ihren Respekt zu bezeugen. Sie empfanden dies als unter ihrer Würde. Im Koran ist es der aus Feuer geschaffene Iblis, der dem Menschen, der aus Lehm entstand, seine Reverenz verweigert.

Die Verbannung Luzifers aus dem Himmel (Mihály Zichy, 1827–1906)

Engel und Frauen

Der Kirchenvater Origenes (185 bis 254) ging davon aus, dass einige Engel, die Willensfreiheit besaßen, sich von Gott entfernten. Manche entschieden sich dafür, als Menschen zu leben, andere wurden Dämonen, die aus dem Himmel vertrieben wurden. Ihnen blieb aber die Möglichkeit, durch ein entsprechend gottgefälliges Leben dorthin zurückzukehren. Dies war die Meinung von Origenes, die nicht von allen anderen Kirchenvätern geteilt wurde. Als Kirchenväter bezeichnet man heute jene Autoren, die im ersten Jahrtausend durch ihre Kommentare und Interpretationen der urchristlichen und neutestamentarischen Schriften die christliche Lehre maßgeblich geprägt haben.

Auch sexuelles Interesse wurde als Grund für die Abwendung dieser Engel von Gott ins Spiel gebracht. Das apokryphe Buch Henoch berichtet von den Grigori. Dies sei eine Gruppe von Engeln gewesen, deren eigentliche Aufgabe darin bestanden habe, den Erzengeln beim Aufbau des Paradieses zu helfen. Bei einer Reise auf die Erde fanden sie großen Gefallen an den Menschenfrauen. Die mit diesen gezeugten Kinder wurden Riesen. Dies machte Gott wütend, er verstieß die Grigori, nahm ihnen die Unsterblichkeit und verwandelte sie in Dämonen. Um die Riesen, Nephilim genannt, auszulöschen, sandte er die Sintflut. Die Vorstellung von einem himmlischen Wesen, das in die Tiefe fällt, ist ein altes Motiv. So wirft beispielsweise Zeus in Homers Ilias seinen Sohn Hephaistos aus dem Olymp und lässt ihn heftig auf der Insel Lemnos aufprallen. Derartige Geschichten finden sich zuhauf in der griechischen Mythologie.

Der Sturz des Satan (Gustave Doré, 1832–1883)

Teufel ist nicht gleich Teufel, da kann man schon mal durcheinanderkommen. Außerdem scheinen wir es hier auch nicht mit einer einzigen Figur zu tun zu haben, sondern mit einer Hierarchie aus Teufeln, Dämonen und anderen boshaften Wesenheiten. An der Spitze dieser Hierarchie steht Satan/Luzifer, dann folgen zahlreiche Unterteufel, die wie er einst Engel gewesen sein und dem Himmel den Rücken gekehrt haben sollen. In Analogie dazu kennt man überall auf der Welt Dämonen und böse Geister. Es ist nicht ganz klar, ob diese in Verbindung mit dem Teufelsreich stehen oder autonom agieren – die Vorstellungen darüber variieren in den einzelnen Reli-gionen und Weltanschauungssystemen.

Der Teufel und seine Namen

Das griechische Wort diábolos heißt wörtlich übersetzt so viel wie »Durcheinanderwerfer». Verschiedene Religionen halten den Diabolo für ein eigenständiges Wesen. Im Christentum gilt der Teufel als das personifizierte Böse, quasi als direkter Gegenspieler Gottes. Die bekanntesten Namen für ihn sind neben dieser Bezeichnung noch Luzifer, Satan und Beelzebub, weitere tauchen in diesem Buch an verschiedenen Stellen auf.

Luzifer, der Lichtbringer

Luzifer, der Morgenstern (Giovanni Girolamo Frezza, 1659–1741)

Alles begann folglich mit einer Auflehnung, die zum Sturz führte. Luzifer, der Lichtträger, der leuchtende Morgenstern, hatte eine ganz besondere Position unter den Engeln inne. Doch dies reichte ihm nicht, er wollte mehr. Er wollte auf den Himmelsthron. Anschaulich können wir dies in der Bibel nachlesen, bei Jesaja (14,12–15): »Wie bist du vom Himmel gefallen, du schöner Morgenstern! Wie wurdest du zu Boden geschlagen, der du alle Völker niederschlugst! Du aber gedachtest in deinem Herzen: ›Ich will in den Himmel steigen und meinen Thron über die Sterne Gottes erhöhen, ich will mich setzen auf den Berg der Versammlung im fernsten Norden. Ich will auffahren über die hohen Wolken und gleich sein dem Allerhöchsten‹. Ja, hinunter zu den Toten fuhrst du, zur tiefsten Grube!«

Ein Teil der Engel folgte Luzifer, als er aus dem Himmel verbannt und in die Unterwelt hinabgestürzt wurde. Andere Engel blieben bei Gott. Und es gab, so berichtet der schon erwähnte christliche Theologe und Kirchenvater Origenes im dritten Jahrhundert, auch noch weitere Engel, die sich nicht entscheiden konnten, auf welcher Seite sie nun stehen wollten. Von diesen Unentschlossenen – wir können es uns schon denken – sollen wir Menschen abstammen. Zumindest hat Origenes dies so gesehen.

Der Mensch schwanke immer zwischen Gut und Böse, befinde sich in einem ständigen Schwebezustand, immer Gefahr laufend, sich mehr dem Bösen zuzuwenden, als es für ihn und andere gut ist, sagte Origenes, dessen religiöser Wahn so weit ging, dass er sich eines Tages eigenhändig kastrierte. Er verkündete auch die umstrittene »Allerlösungslehre«, der zufolge nicht nur alle Menschen nach ihrer Läuterung in den Himmel gelangen, sondern auch der böse Satan. Aus Origenes’ Sicht existiert die Hölle nicht ewig, alle kommen früher oder später zu Gott. (So, wie es momentan auf der Welt aussieht, dürfte dies allerdings noch einige Zeit dauern …)

Luzifer (Louis Le Breton, 1818–1866)

Werfen wir einen Blick auf Luzifer. Der lateinische Name der Venus, des Morgensterns, ist Luzifer/Lucifer. Das lateinische Wort lux heißt übersetzt »Licht«. Ferre bedeutet »tragen« oder »bringen«. Also ist Luzifer der »Lichtbringer«. Der Stern trug seinen Namen schon in antiker römischer Zeit. Die Römer hatten die Bezeichnung von den Griechen übernommen, die ihn phosphóros nannten (auch das heißt »Lichtbringer«). Im Alten Testament findet sich einige Male die Bezeichnung »Luzifer« für den Morgenstern ohne Teufelsbezug. Auch Jesus soll sich selbst als »strahlenden Morgenstern» bezeichnet haben (in der Offenbarung des Johannes, 22,16). Der Morgenstern heißt auf Hebräisch helel, in der griechischen Bibelübersetzung eben phosphóros und später bei den Kirchenvätern Lucifer.

Im Judentum kennt man keinen Teufel namens Luzifer. Und auch der Satan ist dort etwas anderes als der Leibhaftige im Christentum. Dass aus Luzifer und Satan der Teufel wurde, geht auf die Kirchenväter zurück, die eine Äußerung Jesu im Lukasevangelium (10,18) zum Anlass nahmen, die Figur zu erfinden: »Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz.« In der Offenbarung des Johannes ist der Teufel ein Drache, der den jungen Jesus verschlingen will, vom Erzengel Michael und seinen Engeln aber daran gehindert wird. Im Kampf stürzen der Drache und seine Mitkämpfer vom Himmel auf die Erde. Der schon zitierte Origenes war der Meinung, dass Luzifer versucht habe, sich mit Gott gleichzustellen, und dafür in den Abgrund stürzen musste. Spätere Kirchenväter wie etwa Cyprian, Ambrosius und Hieronymus übernahmen diese Auffassung. Allerdings dauerte es noch bis zum Mittelalter, bis Luzifer auch im offiziellen Sprachgebrauch der Kirche mit Satan und dem Teufel gleichgesetzt wurde.

Im Laufe der Geschichte gab es immer wieder Abweichler, die die Sache anders betrachteten, beispielsweise die Gnostiker. Das waren Menschen, die es wagten, andere Dinge zu glauben und zu denken, als es die offizielle Kirche vorgab.

Dass der Name Luzifer in der Spätantike nicht negativ konnotiert war, zeigt uns die Tatsache, dass es sogar einen heiligen Lucifer gegeben hat. Er war im 4. Jahrhundert Bischof von Cagliari auf Sardinien und starb im Jahr 371. Der heilige Lucifer scharte eine große Anzahl von Anhängern um sich, die sich als sogenannte Luciferianer für einen kurzen Zeitraum einen gewissen Einfluss verschaffen konnten. Sie vertraten ein Christentum, das sich an das nizänische Glaubensbekenntnis hielt und den damals mit diesem konkurrierenden arianischen Glauben strikt ablehnte. Dies scheint für eine Heiligsprechung Lucifers ausgereicht zu haben.

Satan, der Ankläger

Das Wort »Satan« stammt aus der hebräischen Sprache. Ha-Satan,