Kleiner Didaktikus - Hans Joachim Dr. habil. Buggenhagen - E-Book

Kleiner Didaktikus E-Book

Hans Joachim Dr. habil. Buggenhagen

0,0

Beschreibung

In den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen vieler Bundesländer kommt es immer häufiger zu einem Mangel an ausgebildeten Lehrkräften. Daher werden Fachkräfte aus der Wirtschaft, der Wissenschaft oder Verwaltung als "Seiteneinsteiger" für eine pädagogische Tätigkeit gewonnen, auf die sie nicht ausreichend vorbereitet werden konnten. Das gleiche Problem mit dem Fehlen von ausgebildetem pädagogischem Personal gibt es in vielen Unternehmen, kommunalen und staatlichen Einrichtungen für die Ausbildung und Betreuung von Lehrlingen und Auszubildenden. Erfahrene Fachkräfte müssen dann Aufgaben als Ausbilder, Lehrfacharbeiter, Mentoren oder Coaches übernehmen, die für sie neu sind und die eine höhere Verantwortung bedeuten. In dieser Situation ist es nötig, dem betroffenen Personenkreis ein leicht verständliches, logisch strukturiertes und wissenschaftlich begründetes Studien- und Nachlesematerial in der Anfangsphase der pädagogischen Tätigkeit zur Verfügung zu stellen. Selbstverständlich kann das hier vorgelegte Handbuch keine gediegene pädagogische Aus- und Weiterbildung ersetzen. Es soll eine erste Hilfe für das begriffliche Verständnis der neuen Aufgaben sein, ohne bereits sogenannte moderne didaktisch-methodische Vorgehensweisen auch unter dem Einfluss digitaler Medien vorzustellen und zu diskutieren. Mit dem "Kleinen Didaktikus" will der Autor einen kurzen Einblick in die didaktische Struktur des Lehr- und Lernprozesses geben und eigene Erfahrungen aus einer über 50jährigen Lehr- und Forschungsarbeit vermitteln.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 93

Veröffentlichungsjahr: 2018

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



ITF

Innovationstransfer- und Forschungsinstitut

Schwerin e.V.

Gutenbergstr. 1

19061 Schwerin

E-Mail:   [email protected]      

Internet:www.itf-schwerin.de

Vorbemerkungen

Das vorliegende Handbuch soll eine praktische Hilfe und Anleitung insbesondere für frei- und nebenberufliche Lehrkräfte, Dozenten und Trainer für die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung von Lehr- und Lernprozessen sein.

Die Aktualität des Handbuches ergibt sich aus der Tatsache, dass

immer häufiger Fachkräfte aus den verschiedensten Bereichen der Wissenschaft, der Wirtschaft und Technik in allgemeinbildenden Schulen, Beruflichen Schulen oder in der beruflichen Aus- und Weiterbildung als Lehrkräfte, Betreuer, Mentoren, Tutoren oder gegenwärtig als „Seiteneinsteiger“ ohne eine pädagogische Ausbildung tätig werden,

die Verantwortlichen und Vorgesetzten häufig aus Kompetenz- und/oder Zeitgründen selbst nicht in der Lage sind, die nebenberuflichen oder neuen Mitarbeiter in der Anfangsphase ihrer pädagogischen Tätigkeit entsprechend zu unterstützen,

gegenwärtig kaum ein praktikables und didaktisch vereinfachtes Handmaterial für den o.g. Personenkreis zur Verfügung steht.

Auf die Diskussionen von theoretischen Grundpositionen zum Bildungs- und Erziehungsprozess im Allgemeinen wurde bewusst verzichtet.

Einige Grundsätze seien vorangestellt:

Jeder Vermittlungsprozess durch den Lehrenden ist aus der Sicht der Aneignung von Inhalten durch den Lernenden zu gestalten, wenn dieser zielgerichtet und motiviert lernen und arbeiten soll. Dabei steht immer der Lernende im Mittelpunkt und der Lehrende tritt in den Hintergrund. Der Lernende eignet sich Wissen, Können und Kompetenzen durch selbstständiges aktives Handeln an.

Im Mittelpunk der Ausführungen steht die Handlungsorientierung für den Lernenden. Die Handlungsorientierung selbst ist keine Methode, sondern ein übergreifender didaktischer Ansatz, der für viele methodische Gestaltungsmöglichkeiten offen ist.

Der Erfolg in der pädagogischen Arbeit wird im Wesentlichen vom methodischen Vorgehen der Lehrenden und Lernende bestimmt. Daher steht dieser Aspekt im Zentrum vieler Ausführungen und Beispiele.

Die Didaktik befasst sich begrifflich ganz allgemein mit der Gestaltung von Vermittlungs- und Aneignungsprozessen, also Lehr- und Lernprozessen.

Die Bezeichnung des Handbuches als „Kleiner Didaktikus“, soll darauf hinweisen, dass es sich nur um eine kurze Einführung in wesentlich komplexer zu betrachtende Prozesse handelt.

1  Einführung

Im  Rahmen dieser Handreichung werden einige Begriffe verwendet, die den Ausführungen vorangestellt werden.

Die Didaktik ist neben der Allgemeinen Pädagogik, der Historischen Pädagogik und der Vergleichenden Pädagogik eine Fachdisziplin der Pädagogik, die sich mit der Theorie und Praxis der Lehr- und Lernprozesse beschäftigt.

Sie wird auch als Lehre vom Lehren und Lernen oder als Lehrkunst bezeichnet.

Als Grundlage der Analyse und Planung der Lehr- und Lernprozesse beschäftigt sie sich mit den didaktischen Konzepten. Der Gegenstand der Didaktik reicht über den „Unterricht“  hinaus und berücksichtigt u. a. die Selbstlernprozesse, das tätigkeitsintegrierte Lernen und das selbstgesteuerte Lernen.

Neben der allgemeinen Didaktik gibt es für die einzelnen Lehrfachgebiete spezielle Methodiken, die auch oftmals als Fachdidaktik bezeichnet werden.

Während sich die Didaktik mit der Theorie und Praxis der Lehr- und Lernprozesse beschäftigt,

ist die Methodik die Lehre von den Methoden, die zum Erreichen vorgegebener Ziele in den Lern- und Lehrprozessen eingesetzt werden. Die Methodik ist ein Teil der Didaktik.

Verkürzt und vereinfacht formuliert ist die

Didaktik die Lehre vom WAS und die

Methodik die Lehre vom WIE der Vermittlung und Aneignung unter Beachtung der Besonderheiten der einzelnen Fachgebiete (wie Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, Musik oder Sport)

Grundsätzlich gilt für die Didaktik und Methodik gleichermaßen:

Die Lehrenden müssen den Lernenden nicht nur das Wissen, sondern auch die Methoden und Techniken zur Erreichung des Zieles im Lernprozess vermitteln. Die Lehrenden müssen daher das Lehren lernen und das Lernen lehren.

Der Didaktik liegen Prinzipien zu Grunde, die für alle Methodiken gelten und daher einen gewissen verbindlichen Charakter für alle Lehr- und Lernprozesse haben. Zu der Anzahl der didaktischen Prinzipien gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Die Wesentlichsten sind

• das Prinzip der Wissenschaftlichkeit,

• das Prinzip der Aktivität und Bewusstheit,

• das Prinzip der schöpferischen Tätigkeit,

• das Prinzip der Verbindung von Theorie und Praxis,

• das Prinzip der Anschaulichkeit,

• das Prinzip der Systematik,

• das Prinzip der Fasslichkeit und

• das Prinzip der bleibenden Aneignung.

Eine andere Systematik geht von folgenden Prinzipien aus, auf die hier kurz eingegangen werden soll

Prinzip der ethischen Verantwortung

Bei der Bereitstellung und Aufbereitung von Inhalten ist zu berücksichtigen, dass allen Lernenden zu jedem Zeitpunkt die Konsequenzen ihres Handelns bewusst gemacht werden. Das betrifft besonders die positiven und negativen Wirkungen ihres Handelns auf Mensch, Gesellschaft und Umwelt einschließlich der Neben- und Folgewirkungen. Dabei gewinnen die Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung zunehmend an Bedeutung.

Prinzip der Wissenschaftlichkeit

Das Wissen, das von den Lernenden erworben werden soll, muss nicht im vollen Umfang den neuesten und umfassenden Stand der Wissenschaft und Technik entsprechen. Aber es muss didaktisch aufbereitet werden und darf dem Stand der Wissenschaft und Technik nicht widersprechen. Eine wissenschaftliche Idealisierung ist erlaubt.

Prinzip der Aktivität und Bewusstheit

Beim Erwerben von Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz ist zu beachten, dass ohne eigene Aktivität der Lernenden nur schwer eine Bewusstheit über das Wesen der gegebenen Informationen zu erreichen ist. Andererseits ist keine Aktivität ohne Bewusstheit über Ziel und Sinn der Aktivitäten zu erreichen. Geschickte Fragetechniken (Sokratische Methode, Mäeutik) können die eigene Aktivität der Lernenden fördern.

Prinzip der schöpferischen Tätigkeit

Dem Lernenden ist, ausgehend von dem Lernziel und der gegebenen Lernsituation, der Lernweg bewusst zu machen. Der Lernende ist zu befähigen, den Lern- und Arbeitsprozess selbst schöpferisch zu gestalten. Der Lernende benötigt die dazu erforderliche Methodenkompetenz.

Prinzip der Verbindung von Theorie und Praxis

Die zu erwerbende Fach- und Methodenkompetenz ist durch Kenntnisse über die jeweils zugrunde liegende Theorie zu „untermauern“. Die zu vermittelnden Kenntnisse und Fertigkeiten sollen möglichst praxisbezogen sein und einen engen Bezug zu praktischen Tätigkeiten haben. 

Prinzip der Anschaulichkeit

Die anschauliche Darstellung ist die Basis aller Erkenntnis. Die gewählten Bespiele und Inhalte sollen die Möglichkeit bieten, die Lernenden von einer lebendigen Vorstellung ausgehend zum abstrakten Denken zu führen.

Prinzip der Systematik

Das Erwerben neuer Kenntnisse wird wesentlich erleichtert, wenn die neuen Wissensbausteine (Informationen) in das System des bereits vorhandenen Wissens eingeordnet werden, beziehungsweise wenn ein solches geordnetes System – gemeinsam mit dem Lernenden – aufgebaut wird. Aus didaktischen Gründen kann das Wissenssystem durch Weglassen des Unwesentlichen vereinfacht werden. Die Systematik muss der Wissenschaft nicht in allen Phasen entsprechen; sie darf ihr jedoch nicht widersprechen.

Prinzip der Fasslichkeit

Die gewählten Inhalte müssen an die Lernenden und deren obere Grenze der momentanen Leistungsfähigkeit angepasst sein – mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit kontinuierlich zu erweitern. Dabei sind auch die Lebenserfahrungen der Lernenden zu berücksichtigen.

Prinzip der dauerhaften Aneignung

Das nachhaltige Aneignen des Wissens bedarf der Wiederholung, der Übung und des Trainings dieses Wissens unter unterschiedlichen Begleitbedingungen. Daher sind ständig Wiederholungsphase und Festigungszeiten im  methodischen Konzept einzuplanen und durchzuführen.

Prinzip der aneignungsgerechten Gestaltung

Die Inhalte müssen die Besonderheiten des Lernens im jeweiligen Alter berücksichtigen. Lernpsychologische Besonderheiten und die Lebenserfahrungen der Lernenden haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Durchsetzung dieses Prinzips.

Prinzip der Individualisierung und Differenzierung

Die Inhalte sollten dem Lernenden die Gelegenheit geben, sich entsprechend der individuellen Voraussetzung, Stärken und Erfordernisse seinen persönlichen Lernweg zusammenzustellen. Dadurch wird bei dem Lernenden das Interesse an neuem Wissen und Können besonders gefördert.

Auf eine ausführliche Betrachtung der (im Grunde aber sehr wichtigen) didaktischen Prinzipien muss an dieser Stelle verzichtet werden.

2      Allgemeine Betrachtungen zum Lehr- und Lernprozess

2.1  ModellvorstellungDie nachfolgenden Ausführungen stellen eine modellhafte Vereinfachung des Lehr- und Lernprozesses als Teil des pädagogischen Prozesses aus didaktischer Sicht dar.   Das gewählte Modell enthält die wesentlichen Momente bzw. Strukturelemente für den Vermittlungs- und Aneignungsprozess in Lehr- und Lernsituationen. Es geht auf Arbeiten von SCHALLER (Leipzig), KNÖCHEL (Rostock) und andere zurück.

Es soll ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass ein Modell nur vereinfacht die Realität abdecken kann und seine wichtigste Funktion darin besteht, bestimmende Elemente eines Phänomens mit ihm erklären zu können.

Aus diesem modellhaften Verständnis des Lehr- und Lernprozesses lassen sich dann methodische Lösungen für eine effektive und lernförderliche Aneignung und Vermittlung von Lerninhalten konkreter ableiten. Somit ist das Modell nur der äußere und theoretisch begründete Rahmen für die Umsetzung in die praktische methodische Arbeit.

Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Tätigkeit von Lehrenden und Lernenden. Das Lehren und Lernen vollzieht sich im wechselseitigen Kontakt und unter optimierten Bedingungen.

Das Modell des Lehr- und Lernprozesses geht von personellen und sachlichen Momenten aus.

als personelle Momente  werden die Lernende und die Lehrenden bezeichnet

als sachliche Momente (hier zunächst verkürzt) werden die Ziele, Inhalte, die  Methoden, die Organisation und das Resultat  des Lehr- und Lernprozesses bezeichnet  

Der wesentliche Zusammenhang besteht in der logischen Schrittfolge:

das Ziel bestimmt den Inhalt,

der Inhalt bestimmt das methodische Vorgehen,

das methodische Vorgehen bestimmt die zu wählenden Organisationsformen,

die Organisation wiederum bildet die Grundlage für

die Resultatsermittlung mit der darauf folgenden Resultatsbewertung.

Kurzfassung: Ziel-Inhalt-Methode-Organisation-Resultat ZIMOR

2.2.  Die Grundfunktionen der personellen Momente im Lehr- und Lernprozess

2.2.1  Die Aufgaben der Lehrenden im Lehrprozess

In der Vorbereitung bestehen die Aufgaben in 

der Abteilung des Zieles

der Aufgliederung des Zieles (Differenzierung, Strukturierung)

der Analyse der Voraussetzungen der Lernenden

der Auswahl, der Strukturierung und Anordnung des Inhalts einschließlich der   Zuordnung von Methoden, Organisationsformen sowie der Lehr- und Lernmittel  

In der Phase der Realisierung  und Durchführung geht es um

die Vermittlung des Inhaltes

die Kontrolle der Ergebnisse des Prozesses   (Resultatsermittlung und -bewertung)

In der Phase der Auswertung der durchgeführten Vermittlung und Aneignung ist

ein Resultat-Ziel-Vergleich bezogen auf den Lernenden und

ein Resultat-Ziel-Vergleich bezogen auf den Prozessverlauf (Diagnose) zu treffen.

Die Funktionen lassen sich im Realprozess nicht so deutlich voneinander abgrenzen, sie bedingen sich wechselseitig und überlagern sich teilweise.

2.2.2  Die Aufgaben  der Lernenden im Lernprozess

Neben den Lehrenden haben auch die Lernenden bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehören

die Herstellung der Lernbereitschaft und eine eigene Zielorientierung insbesondere der Motivation zum Lernen die selbstständige Tätigkeit bei der Gewinnung weiterer inhaltlicher Informationen

die Inhaltsaufnahme durch die Kommunikation zwischen Lehrenden und    Lernenden

die Verarbeitung des Inhalts als wichtigste Funktion und eine

Selbstkontrolle im Aneignungsprozess

2.3  Die sachlichen Momenten des Lehr- und Lernprozesses

2.3.1  Das Ziel des Lehr- und Lernprozesses

Das Ziel hat stets einen übergreifenden und bestimmenden Charakter. Es bestimmt  grundsätzlich und richtungsweisend alle weiteren Momente wie den Inhalt, das methodische Vorgehen, die Organisation und die Resultatsbewertung.

Das Ziel als gedanklich vorweggenommenes Resultat ist Planungsgrundlage, Orientierung und Leitlinie. Es gibt auch dem Lernenden die Perspektive und damit Vergleichs- und Bewertungsmaßstab. Das Ziel selbst hat Prozesscharakter und kann sich im Laufe des Prozesses verändern, spezifizieren und oder auch erübrigen.

2.3.2  Der Inhalt des Lehr- und Lernprozesses  

Der zu vermittelnde Inhalt sollte grundsätzlich die Bereiche Wissen, Können und Werte enthalten. Es genügt nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch entsprechende Methoden und die auszuprägenden Sozialkompetenzen als Inhalte zu betrachten.

Daher besteht der Inhalt aus drei wesentlichen Bestandteilen

den rein stofflichen Fragen hinsichtlich des Wissens und Könnens (Fachkompetenz)

den dazugehörenden Methoden und Verfahren (Methodenkompetenz) und