9,99 €
Eine Auszeit mal anders – 3 Monate auf einem Kreuzfahrtschiff. Vielleicht eine außergewöhnliche Art, um Energiereserven aufzutanken. Doch genau diesen Weg ist die Autorin gegangen. Den Tagesablauf frei gestalten, vieles tun, nichts müssen, waren wesentliche Kriterien für diese Entscheidung. Während der Aufenthalte in über 50 Hafenstädten gab es eine Vielzahl an Superlativen zu bewundern. Rio de Janeiro, Buenos Aires, Patagonien mit Kap Hoorn, Panamakanal und viele karibische Inseln. Der magische Sonnenuntergang in Key West sowie Miami und die Weltmetropole New York und über das berüchtigte Bermudadreieck ging es zurück nach Europa. Wer dieses Buch liest, bekommt das Gefühl, ein Mitreisender zu sein. Aus den Tagebüchern der Autorin entstanden diese authentischen Erzählungen mit historischen Geschichten und wertvollen Informationen über die besuchten Länder.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 250
Veröffentlichungsjahr: 2022
Margarete Wischnowski
Kloster oder Kreuzfahrt
Meerwasser statt Weihwasser
Aussteigen und in 98 Tagen die Welt entdecken
Copyright: © 2021 Margarete Wischnowski
Covergestaltung: OOOGRAFIK Corina Witte-Pflanz
Fotos: Margarete Wischnowski
3. Auflage
Verlag und Druck:
tredition GmbH
An der Strusbek 10
22926 Ahrensburg
Softcover
978-3-347-48869-4
Hardcover
978-3-347-48870-0
E-Book
978-3-347-48871-7
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Nicht von einer Auszeit träumen.
Träume wahr werden lassen.
Träume leben.
Auf dem Weg zur Veränderung gibt’s Widerstände.
Mut haben, sein eigenes Leben zu leben.
Inhalt
Vorwort
Anreise – Busanreise nach Genua
Anreise und Tag 1 auf dem Schiff
Endlich an Bord der „Artania“
Tag 2 – Seetag
Schiffserkundung/Der erste aufregende Tag an Bord
Exkurs zur Windstärke
Tag 3 – Seetag
Tag 4 – Heiligabend
Tag 5 – Seetag
Tag 6 – Agadir/Marokko
Tag 7 – Puerto del Rosario/Fuerteventura, Spanien
Tag 8 – Santa Cruz de Tenerife/Teneriffa, Spanien
Tag 9-14 – 6 Seetage
Tag 10 – Seetag
Tag 11 – Seetag, Silvester
Tag 12 – Seetag, Neujahr
Tag 13 – Seetag
Tag 14 – Seetag
Tag 15 – Recife, Brasilien
Tag 16 – Maceió/Brasilien
Tag 17 – Salvador da Bahia/Brasilien
Tag 18 – Ilhéus/Brasilien
Tag 19 – Seetag
Tag 20 – Búzios/Brasilien (auf Reede)
Tag 20/21 – Rio de Janeiro/Brasilien
Tag 22 – Rio de Janeiro
Tag 23/24 – 2 Seetage
Tag 25 – Montevideo/Uruguay
Tag 26 – Buenos Aires/Argentinien (Tag 1)
Tag 27 – Buenos Aires/Argentinien (Tag 2)
Tag 28 – Buenos Aires/Argentinien (Tag 3)
Tag 29 – Punta del Este/Uruguay (auf Reede)
Tag 30 – Seetag (Kreuzen in der argentinischen See)
Tag 31 – Puerto Madryn/Argentinien (Patagonien)
Tag 32 – Seetag
Tag 33 – Port Stanley/Falklandinseln (auf Reede)
Tag 34 – Seetag und Fahrt um Kap Hoorn
Tag 35 – Kreuzen im Beagle-Kanal und Ushuaia/Argentinien + technischer Stopp in Puerto Williams/Chile
Tag 36 – Auf See und Passage Kap Hoorn
Tag 37 – Kreuzen in der Magellanstraße und Punta Arenas/Chile (auf Reede)
Tag 38/39 – 2 Seetage – chilenische Fjorde
Tag 40/41 – Puerto Montt/Chile (erst auf Reede, danach an der Pier)
Tag 42 – Seetag
Tag 43/44 – Valparaíso und Viña del Mar
Tag 45 – Auf See und Kurs auf Antofagasta/Chile
Tag 46 – Antofagasta/Chile
Tag 47/48 – 2 Seetage Richtung Peru
Tag 49 – Callao (Lima)/Peru
Tag 50 – Callao/Peru
Tag 51 – Seetag
Tag 52 – Guayaquil/Ecuador – Kreuzen im Delta des Río Guayas
Tag 53 – Seetag und Äquatorüberquerung
Tag 54 – Noch ein Seetag
Tag 55 – Passage Panamakanal – die teuerste Abkürzung der Welt?
Tag 56 – Puerto Limón/Costa Rica
Tag 57 – Seetag und Kreuzen in der Karibik
Tag 58 – Roatán/Honduras
Tag 59 – Belize City/Belize (auf Reede)
Tag 60 – Seetag und Kreuzen in der Karibik auf dem Weg nach Jamaika
Tag 61 – Montego Bay/Jamaika
Tag 62 – Seetag – ROSENMONTAG!!!
Tag 63 – Cozumel/Mexiko
Tag 64 – Auf See und Kreuzen im Golf von Mexiko
Tag 65 – Tampa/Florida
Tag 66 – Key West/Florida
Tag 67 – Miami/Florida
Tag 68 – Port Canaveral/Florida
Tag 69 – Charleston, South Carolina/USA
Tag 70 – Auf See, Richtung New York
Tag 71 – Hafeneinfahrt und New York ab 12 Uhr
Tag 72 – New York (Tag 2)
Tag 73 – New York (Tag 3)
Tag 74 – Auf See in Richtung Bermudainseln
Tag 75 – Vormittags auf See, dann Heritage Wharf/Bermudas ab 13 Uhr
Tag 76 – Abschied von den Bermudas, danach wieder auf See
Tag 77 – Auf See in Richtung Samaná/Dominikanische Republik
Tag 78 – Samaná (Halbinsel/Dominikanische Republik (auf Reede)
Tag 79 – La Romana/Dominikanische Republik
Tag 80 – San Juan/Puerto Rico
Tag 81 – Spanish Town (Virgin Gorda)/British Virgin Islands
Tag 82 – St. John’s/Antigua
Tag 83 – Roseau/Dominica
Tag 84 – Fort-de-France/Martinique – mein Geburtstag
Tag 85 – St. George’s/Grenada
Tag 86 – Bridgetown/Barbados
Tag 87–92 – 6 Seetage/Atlantiküberfahrt
Tag 93 – Las Palmas/Gran Canaria
Tag 94 – Funchal/Madeira, Portugal
Tag 95 – Seetag
Tag 96 – Cádiz/Spanien
Tag 97 – Straße von Gibraltar – Durchfahrt
Tag 98 – Palma de Mallorca/Spanien, Ausschiffung
Fazit
Vorwort
Mein Akku ist leer und lässt sich nicht wieder aufladen. So kann es nicht mehr weitergehen. Ich schaff das nicht mehr. Diese Gedanken gehen mir immer öfter durch den Kopf. Meine gute Laune, die meine Mitmenschen so an mir schätzten, war mir abhandengekommen. Meine Lebensfreude verwandelte sich mehr und mehr in Traurigkeit. Es wurde höchste Zeit, zu handeln.
Es war der Tag gekommen, an dem ich feststellen musste, dass die Leiter in meinem Hamsterrad nicht die Karriereleiter war. Jetzt hieß es, den Ausgang
aus diesem Hamsterrad zu finden.
Nun bin ich schon über dreißig Jahre in der Immobilienwirtschaft als selbständige Unternehmerin tätig und habe vor mehr als zwanzig Jahren meine Reiseleidenschaft zusätzlich zum Zweitberuf gemacht. Mein Anspruch, immer für meine Kunden erreichbar zu sein, führte dazu, dass mich seit Neuestem schon das Klingeln eines Telefons in Panik versetzte. Zudem war ich seit Längerem Dauerpatient bei meinem Hausarzt und klagte über alle möglichen körperlichen Beschwerden. Nach gründlichen Untersuchungen war die Diagnose
meines Arztes: psychosomatisch. Er riet mir eindringlich zu einer längeren Pause.
Da hatte er sicherlich recht, nur, so einfach wird es nicht gehen. Wer sollte die Vertretung in meinem Büro übernehmen? Ich begann nachzudenken und kam zum Ergebnis, dass es besser war vorzubeugen und zu regenerieren, als irgendwann mit einem Herzinfarkt oder einer schweren Erkrankung komplett aus dem Berufsleben „rausgekegelt“ zu werden.
Während ich mich im Umdenken übte, fiel mir ein chinesisches Sprichwort ein:
„Wer glaubt, keine Zeit
für seine körperliche Ertüchtigung zu haben,
muss sich Zeit für seine Krankheiten nehmen.“
Dann ziehe ich doch lieber rechtzeitig die Reißleine.
Ich war in der glücklichen Lage, auf die volle Unterstützung meines Mannes bauen zu können. Als ich ihm von meinem Plan erzählte, war er sofort bereit, das Immobilienbüro während meiner Abwesenheit weiterzuführen. Nur mit der Bearbeitung von Reiseanfragen wollte er sich nicht gerne befassen. Hier konnte ich dann aber auf die Unterstützung einer Reiseverkehrskauffrau vertrauen. Noch vor Kurzem hatte ich in einem Reiseprospekt einen Spruch über Oscar Wilde gelesen:
„Es ist wichtig, Träume zu haben, die so groß sind,
dass man sie nicht aus den Augen verliert.“
Wann habe ich mir zuletzt einen Traum erfüllt? Wann habe ich meinen Traum gelebt? Mir fiel auf die Schnelle gar nichts dazu ein. Erfüllte ich doch schon seit Jahren die Reiseträume meiner Kunden. Doch jetzt war es mir klar und das sprach ich dann auch laut aus:
„Ich werde mir eine Auszeit nehmen!“
Schon in den nächsten Tagen fing ich damit an, zu überlegen, wie und wo ich meine Auszeit verbringen könnte.
Mein erster Gedanke war: in einem Kloster. Denn dort könnte ich mich zurückziehen und ich stellte mir vor, dass es an einem dieser stillen Orte Erholung und Entspannung für mich geben könnte. Ich wusste, ich benötigte Zeit, meine innere Ruhe wiederzufinden und die Seele baumeln zu lassen. Die Tage im Kloster konnten helfen, Stress abzubauen und Kraft zu tanken.
So begann ich mit den nötigen Recherchen. Ein Kloster zu finden, in der ich meine Auszeit verbringen konnte, war nicht schwer. Ich erkannte jedoch nach kurzer Zeit, dass sich der Tagesablauf in einem Kloster nicht mit meiner Vorstellung von einer gelungenen Auszeit deckte. Erfuhr ich doch, dass das Klosterleben morgens schon in aller Frühe beginnt. Das würde für mich zum Problem werden und mich wieder unter Zeitdruck setzen. Mein innigstes Bedürfnis war, morgens ohne das Klingeln eines Weckers wach werden zu können. Getreu nach den Worten „Meine Uhr, das ist die Sonne“, und das war mit einem Aufenthalt im Kloster nicht vereinbar.
Ich hatte schon den Versuch einer Erholung in einem Kurhotel hinter mir, der kläglich gescheitert war. Kurz nach Ankunft wurde mir dort die Liste mit den Terminen für meine Kuranwendungen überreicht, und dabei spürte ich sofort den Druck in meiner Magengegend. Es waren wieder Termine und das Wort „müssen“ angesagt.
Jetzt hieß es unbedingt darauf zu achten, dass mir dies bei meiner nächsten Entscheidung nicht noch einmal passierte.
Also überlegte ich weiter und auf einmal wusste ich, was ich wollte. Oft übersieht man das Naheliegende. Manchmal muss man einen Schritt zurücktreten, um das ganze Bild zu betrachten. Eine Reise auf einem Schiff, auf einem nicht so großen Kreuzfahrtschiff, das war die Lösung. Frei und ungebunden konnte ich dort meinen Tag gestalten, wie es mir gefiel. Den Wind konnte ich mir um die Nase wehen lassen, dem Rauschen der Wellen zuhören und erfahren, wie es hinter dem Horizont weitergeht. Plötzlich wurde mir klar, ein Schiff ist für mich die ideale Möglichkeit für eine Auszeit, und dies auch noch mit Meerblick. Dabei würde ich zudem gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Ich würde endlich die Reiseziele kennenlernen, die ich anbieten durfte, und konnte gleichzeitig meiner Freude an der Fotografie nachgehen.
Ich hatte auch schon eine genaue Vorstellung, wohin die Reise gehen sollte. Aus der hiesigen kalten und dunklen Jahreszeit wollte ich unbedingt in einen sonnigen Sommer „eintauchen“. Meine Reise konnte also nur über den Äquator auf die Südhalbkugel dieser Welt führen.
Und genau die passenden Reiseziele fand ich im Katalog von Phoenix-Reisen.
„In 99 Tagen rund um Südamerika mit der ‚MS Artania‘.
50 Häfen – 26 Länder – 20 Inseln.“
Losgehen sollte es Mitte Dezember und enden würde diese Reise im März des folgenden Jahres. Also Weihnachten und Silvester auf hoher See.
Trotz allem fiel mir die Entscheidung zur Buchung der Reise nicht leicht. Doch ich wollte mutig sein. Wie sagte schon der griechische Philosoph Demokrit:
„Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“
Als ich einige Tage später die Buchungsbestätigung der Reederei auf meinem Tisch liegen hatte, verspürte ich Hoffnung und Vorfreude zugleich. Jetzt begannen die Vorbereitungen: Welche Reiseversicherungen müssen abgeschlossen werden, welche Impfungen sind vorgeschrieben und welche Währungen sind landesüblich? Um auch sonst nichts zu vergessen, begann ich, alles fein säuberlich zu notieren, was in den Koffer musste. Die Liste wurde von Tag zu Tag länger. Ich informierte mich außerdem intensiv über die Länder und Häfen, die wir mit dem Schiff besuchen würden.
So füllte sich lange vor der Reise, Seite um Seite, mein Notizbuch. Später – während der Reise – wurde das Tagebuchschreiben dann zum Ritual. Es machte mir jeden Tag mehr Freude, meine Gedanken und Erlebnisse aufzuschreiben. So wurde das Tagebuch im Laufe der Zeit zu meinem Reisebegleiter und aus den Aufzeichnungen entstand dieses Buch.
Diese Tagebuchtherapie kann ich nur jedem empfehlen. Wie einfach lassen sich doch Gedanken umlenken, wenn man Erlebnisse niederschreibt. Jede Reise geht einmal zu Ende und durch die Notizen in einem Tagebuch werden die Erinnerungen unvergänglich.
Ich hatte mir noch etwas Wichtiges für diese Reise vorgenommen: Ich würde nichts unternehmen, zu dem ich mich zwingen musste. Das Wort „muss“ musste weg aus meinem Tagesablauf, raus aus meinen Gedanken!
Auf meiner geplanten Reise gab es eine Vielzahl an Angeboten und Landausflügen. Ich wollte mich damit nicht unter Druck setzen lassen – und habe es tatsächlich auch geschafft und durchgezogen, nur das zu machen, was mich wirklich reizte und mir besonders wichtig war.
Es war mein Wunsch, so wenig wie möglich mit der „Herde“ zu laufen, denn in einer Gruppe zusammen mit anderen Ausflugsteilnehmern fühle ich mich fremdbestimmt. Meine Kamera war mein Freund und Begleiter. So konnte ich sehr gut in jedem Hafen losziehen und die Gegend auf eigene Faust erkunden. Da ist es nicht verwunderlich, dass ich mit einigen Tausend Fotos im Gepäck nach Hause kam.
Bis heute lasse ich mich nicht mehr von Termindruck stressen und gestalte – wenn irgendwie möglich – meinen Tagesablauf entspannter.
Ich schalte ab und zu in den Slow Modus und wenn es sein muss, drücke ich auch mal hin und wieder den Resetknopf.
Im Nachhinein kann ich so eine Auszeit nur jedem empfehlen: Dieses Gefühl der Freiheit ist unbezahlbar. Ich habe es durchgezogen, und zu meinem Leitspruch wurde das Zitat von Jean-Jacques Rousseau:
„Die Freiheit des Menschen liegt nicht darin,
dass er tun kann, was er will,
sondern dass er nicht tun muss, was er nicht will.“
Ich war mir sicher und genauso kam es dann auch. Meine Reise führte mich zu den schönsten Meeresstränden, ich habe exotische Tiere gesehen, bin durch prächtige Städte geschlendert und konnte Natur und Kultur genießen. Ich war auf den Spuren von Superlativen wie: das Größte, das Älteste, das Kleinste, das Teuerste, das Schwerste, das Längste, das Kürzeste, das Schmalste, das Breiteste. Dies alles durfte ich erleben.
Denn wie sagte schon der Seefahrer Ferdinand Magellan:
„Wer an der Küste bleibt,
kann keine Ozeane entdecken. “
Ohne die historischen Entdecker, denen einst kein Ozean zu groß, keine Strecke zu weit und keine Expedition zu gefährlich war, wäre unsere Welt viel ärmer. Diese Pioniere haben mit ihrem Mut, ihrer Abenteuerlust und ihrem Entdeckergeist den Lauf der Geschichte mitbestimmt. Als einen der bedeutenden möchte ich hier Amerigo Vespucci benennen.
Er war ein italienischer Seefahrer und wurde zum Namenspatron eines ganzen Kontinents. In den Jahren 1499 bis 1504 nahm er an mehreren Entdeckungsfahrten teil und erforschte die Ostküste Südamerikas. Im Gegensatz zu Kolumbus erkannte er, dass es sich bei diesem entdeckten „Neuland“ um einen neuen Kontinent handelte. Der deutsche Kartograf Martin Waldseemüller veröffentlichte 1507 eine Weltkarte, auf der erstmals Amerika als eigener und neuer Kontinent verzeichnet war, er nannte dieses Land auf seiner Karte nach Vespuccis Vornamen: America.
Auch Alexander von Humboldt sammelte alles, was er bei seinen Reisen in Mittel- und Südamerika beobachtete und für wichtig hielt: botanische und geologische Proben, Messdaten, Beobachtungen zu Meteorologie und Meereskunde. Nach dem Naturforscher und Weltenbummler ist auch heute noch eine Meeresströmung benannt. Der Humboldtstrom hat seinen Ursprung in der Antarktis und fließt entlang der südamerikanischen Westküste von Chile und Peru nach Norden.
Unvergessen ist auch der norwegische Nationalheld Roald Amundsen. Auf das Konto des Polarforschers geht nicht nur die erste Durchfahrt der Nordwestpassage, er gewann auch den Wettlauf gegen seinen britischen Rivalen Robert Scott und erreichte als erster Mensch den Südpol.
Auf diesen Spuren habe ich mich bewegt.
Nun bin ich wieder zurück, doch meine Reise ist unvergesslich. Immer wenn ich meinen Reisekunden von meinen Erlebnissen erzähle, bestätigen sie mir, alles richtig gemacht zu haben. Sie waren es auch, die mich animierten, meine ungewöhnliche Art einer Auszeit in einem Buch zu veröffentlichen. Auf geht’s. Kommen Sie an Bord. Den Anker lichten und Fahrt aufnehmen. Lesen Sie, welche Abenteuer ich unterwegs erlebt habe. Von Genua bis Feuerland, durch den Panamakanal bis nach New York über das Bermudadreieck und die Karibik zurück nach Europa.
Ihre Margarete Wischnowski
Anreise – Busanreise nach Genua
Nun ist es endlich so weit. Heute beginnt meine große Reise. Mit dem Bus geht es ab Bonn bis zum Hafen in Genua, wo ich übermorgen auf der „MS Artania“ einschiffen werde. Für meine dreimonatige Reise habe ich drei große Koffer gepackt. Um nichts zu vergessen, deponierte ich in unserem Gästezimmer seit Wochen eine Vielzahl von Utensilien. Was zur Folge hatte, dass der Stapel von Tag zu Tag höher und höher wurde. Meine praktische Veranlagung führte dazu, dass ich nicht nur meine elektrische Zahnbürste, sondern auch den halben Hausstand eingepackt habe. So mussten Saftpresse, Wasserkocher, Thermoskanne, Dreifachstecker, Leselampe, Kleiderhaken, Radio, Lautsprecherboxen, Fernglas, Lupe, Abtrockentücher, Spülbürste und Spülmittel einfach mit. Auch eine Fliegenklatsche und mein spanischer Luftfächer durften nicht fehlen. Für die sportlichen Aktivitäten musste auf jeden Fall das Theraband mit. Es benötigt nur geringen Platz im Koffer und ermöglicht eine Vielzahl von sportlichen Übungen. Bewegung ist wichtig und bei dem kulinarischen Speisenangebot auf dem Schiff möchte ich nicht riskieren, mich nach drei Monaten in der „Jogginghose“ die Gangway runterzwängen zu müssen.
Es geht an einem nebligen Wintermorgen mit „Sack und Pack“ los. Heinzfried, mein Mann, verlädt zwei der Koffer in den Kofferraum unseres Autos und ein weiterer Koffer darf auf den Rücksitz. Nach einer knappen Stunde Fahrzeit kommen wir überpünktlich an der angegebenen Abfahrtstelle in Bonn an.
Der Reisebus der Firma Hebbel ist zwar noch nicht zu sehen, doch einige Mitreisende stehen schon bereit. Der Bus, der dann wenig später vorfährt, ist vorausschauenderweise mit einem Anhänger ausgestattet. Heinzfried lädt meine Koffer aus und verstaut diese mithilfe des Busfahrers. Ich verabschiede mich von meinem Mann und steige in den oberen Teil des doppelstöckigen Busses. Dort suche ich mir einen der hinteren Plätze aus, in der Hoffnung, dass der Sitzplatz neben mir frei bleibt. Dann halte ich Ausschau nach meinem Mann und sehe, dass er mir zuwinkt. Nun kommt doch etwas Wehmut auf. Auf der Fahrt werde ich jedoch schnell abgelenkt und bald überwiegt die Vorfreude auf das Neue und Unbekannte.
Sehr viel später erfahre ich, dass Heinzfried erst beim Ausparken bemerkte, dass der dritte Koffer noch auf der Rückbank lag. Er schaffte es dann gerade noch, meinen dritten Koffer in den Anhänger zu bugsieren, bevor der Bus abfuhr.
Der Sitzplatz neben mir bleibt tatsächlich frei und so richte ich mich häuslich für die achtstündige Etappe ein. Mit regelmäßigen Pausen erreichen wir gegen 18 Uhr die Stadt Weil am Rhein, wo im Hotel Carat eine Zwischenübernachtung vorgesehen ist. Das Hotel liegt verkehrsgünstig in der Nähe der Autobahn A5 und nur wenige Meter von der Schweizer Grenze entfernt. Ich bekomme ein Doppelzimmer zur Einzelnutzung. Nach einem gemeinsamen Abendessen ziehe ich mich auf mein Zimmer zurück, denn die Abfahrt ist für den nächsten Tag am frühen Morgen geplant. Von meinem Zimmer in der achten Etage habe ich freie Sicht auf ein Lichtermeer, das sich vor mir ausbreitet. Morgens sehe ich dann, dass mein Ausblick weit über die Landschaft des Dreiländerecks bis hinüber nach Basel reicht.
Anreise und Tag 1 auf dem Schiff
Überpünktlich treffe ich zum Frühstück ein, denn ich möchte nicht dafür verantwortlich sein, dass es zu einer verspäteten Abfahrt des Busses kommt. Gestärkt für die Weiterfahrt geht’s über die Schweizer Grenze in Richtung Italien, sprich Genua. Die Fahrt verläuft erfreulich kurzweilig und ohne nennenswerte Staus. Auch die Versorgung mit Würstchen und Getränken klappt wie am Vortag wieder hervorragend. Eine nette junge Dame umsorgt uns seit unserer Abfahrt sehr freundlich und unaufdringlich.
In Gedanken versunken, schweifen meine Blicke aus dem Fenster des Busses und ich sehe rundherum eine schneebedeckte Berglandschaft, die auf mich eine beruhigende Wirkung ausstrahlt. Langsam stellt sich bei mir ein Gefühl von Leichtigkeit und Vorfreude auf die kommenden Reiseziele ein. Am frühen Abend erreichen wir den Hafen in Genua. Die Abendsonne lässt die am Hang errichteten Häuser in ockerfarbenem Licht glänzen. Voller Freude und mit etwas Ungeduld steige ich aus dem Bus. Am Kai wartet bereits mein zukünftiges Zuhause auf mich. Um meine Koffer muss ich mich nicht kümmern. Diese werden vom Servicepersonal direkt aufs Schiff bis vor die Kabine gebracht und so gehe ich ins Hafenterminal.
„MS Artania Das Schiff, im Jahre 1984 erstmals in Dienst gestellt und von Lady Diana auf den Namen „Royal Princess“ getauft, fuhr bis 2011 als „Artemis“ rund um die Welt, bevor sie in die Flottenfamilie der Phoenix-Reederei aufgenommen wurde.
Endlich an Bord der „Artania“
Die Einschiffung mit dem üblichen Prozedere erfolgt dann allerdings etwas zäh. Wir warten über eine Stunde, bis es losgeht. Mit Glühwein wird versucht, uns die Wartezeit zu verkürzen. Aber wer interessiert sich, trotz weihnachtlichem Flair, schon für Glühwein, wenn er nach stundenlanger Busfahrt endlich an Bord und in seine Schiffskabine möchte?
Es ist 20 Uhr, als ich schließlich meine Kabinentürkarte in den Händen halte und vor meiner Kabine stehe. Kaum habe ich die Kabinentür geöffnet, entfährt mir ein Jubelschrei. Es handelt sich um eine Balkonkabine mit freiem Blick, kein Rettungsboot trübt die Aussicht. Es ist ein unbeschreibliches Gefühl von Glück und Dankbarkeit, das mich in jenem Moment erfüllt.
Erst jetzt bin ich mir sicher: Vor mir liegt die pure Freiheit, neue Länder und Städte zu entdecken. Die Seetage zwischen den Etappen bedeuten Ruhe und Entspannung. Das ist es, was ich brauche und mir mit dieser Reise auch gönnen möchte.
Nun freue ich mich riesig darauf, 98 Tage verwöhnt zu werden und mich um nichts kümmern zu müssen. Denn auf einem Schiff wird man erfahrungsgemäß umsorgt und versorgt – es ist Luxus pur. Nachdem ich meine Koffer ausgepackt und mich häuslich eingerichtet habe, steigt mein Wohlgefühl. Mein Schiff ist jetzt für die nächsten Wochen mein Zuhause – mein Schneckenhaus.
Es fährt mit mir von Hafen zu Hafen und wird mein Basislager für meine Entdeckungstouren.
Als ich den Fernseher in meiner Kabine einschalte, werde ich von unserem norwegischen Kapitän Jarle Flatebø begrüßt, der die erste Etappe der Reise vorstellt. Ich lege mich entspannt auf mein Bett und höre, welche Reiseziele auf unserer ersten Etappe angesteuert werden und welche Abenteuer mich erwarten.
Mein Blick fällt auf das Einschiffungsprogramm, das in meiner Kabine auf dem Tisch liegt. Dort steht als Überschrift: „Auf den Spuren großer Entdecker von Genua nach Südamerika.“
Nun werde ich diesen Spuren folgen, getreu dem Motto:
„Nur, wer sich auf den Weg macht,
wird neues Land entdecken. “
Hugo von Hofmannsthal
Zu den Klängen von „Audemus“, einer von den Eheleuten Charlotte und Jürgen Wendling eigens für Phoenix-Reisen komponierten Auslaufmelodie, verlassen wir in der Nacht den Hafen von Genua und steuern Málaga, unseren ersten Anlegehafen in Spanien an.
Tag 2 – Seetag
Schiffserkundung/Der erste aufregende Tag an Bord
Heute Morgen erwache ich mit der Morgendämmerung und meine Kabine erstrahlt in den Farben des Morgenrotes. Ein herrlicher Anblick, der Emotionen in mir auslöst. Ich beeile mich, aus dem Bett zu kommen, sofort öffne ich die Balkontür und trete hinaus auf meinen Balkon. Tief atme ich die frische Meeresluft ein. Oh, wie gut mir das tut. In der Nacht bin ich ein paarmal durch die schwankenden Schiffsbewegungen und ungewohnten Geräusche aufgewacht und wurde daran erinnert, dass ich auf einem Schiff bin. Diese Eingewöhnungsphase benötige ich immer, wenn ich in einer neuen, fremden Umgebung die erste Nacht verbringe.
Nun aber liegt die See ruhig vor mir.
Die Sonne hat bereits den Horizont überschritten und ich schaue ihr zu, wie sie weiter nach oben wandert. Auch in der Nacht war die Aussicht auf die See zauberhaft gewesen. Die Mondsichel war nur selten von Wolken bedeckt und spiegelte sich auf den Wellen.
Irgendwann reiße ich mich vom Anblick auf das weite Meer los und schaue auf die Uhr. Es ist kurz vor 8 Uhr und ich habe noch genügend Zeit für eine Dusche und ein ausgiebiges Frühstück.
Ich habe die Wahl zwischen Frühstück im Restaurant „Vier Jahreszeiten“ auf dem Neptundeck, im Artania-Restaurant auf Deck 3 oder im Lido-BuffetRestaurant auf Deck 8. Ich entscheide mich für das Buffet-Restaurant. Im Laufe der Reise habe ich noch oft die Möglichkeit, die Restaurants zu wechseln. Das Early-Bird-Angebot für Frühaufsteher in der Pazifik-Lounge wird mich wahrscheinlich selten zu sehen bekommen. Vielleicht wird aber eine Eule auch hier und da zu einem frühen Vogel, denn die meisten Hafeneinfahrten finden morgens in aller Frühe statt. Sehr gerne würde ich dann von meinem Balkon die Hafeneinfahrten fotografisch festhalten, denn es ist immer interessant, wenn das Lotsenboot heranfährt und den Lotsen an Bord bringt.
Kurz nach 10 Uhr findet die Seenotrettungsübung statt, die ausnahmslos für alle Reisegäste verpflichtend ist. Diese war eigentlich auf den gestrigen Abend terminiert und wurde aufgrund der Verzögerung bei der Einschiffung verschoben. Die obligatorische Seenotrettungsübung dient bei allen Kreuzfahrtschiffen als Sicherheit, um die Passagiere im Krisenfall mit den Notfallmaßnahmen an Bord vertraut zu machen. Diese Übung wird zu Beginn eines jeden neuen Teilabschnitts wegen Passagierwechsel wiederholt werden. Bei dieser Pflichtübung ist erkennbar und beruhigend festzustellen, wie kompetent und eingespielt die Bordbesatzung agiert. Ein Gedanke an einen Ernstfall kommt bei mir nicht auf. Ich fühle mich auf einem Schiff immer gut und sicher aufgehoben.
Nach dieser Pflichtübung wandere ich mit einem Buch und einer Decke unter dem Arm auf das Sonnendeck und entspanne mich gut eingepackt in einem Liegestuhl.
Am frühen Nachmittag frischt der Wind allerdings auf und die Wellen zeigen sich von ihrer lebhafteren Seite. Da packe ich meine Sachen und mache mich auf den Weg in meine Kabine.
Laut Informationen im Bordfernsehen beträgt der Wind 26 Knoten, eine steife Brise mit Windstärke 7. Wie ich im Nachhinein erfahre, geht es hiernach einigen Passagieren gar nicht gut, ich dagegen bemerke keine „Nebenwirkungen“.
Exkurs zur Windstärke
Die Daten liefert ein Windmesser, das Anemometer. Je schneller sich die Schalen des Windrades drehen, desto stärker bläst der Wind. An Land wird die Windgeschwindigkeit in Stundenkilometer gemessen, bei der See- und Luftfahrt allerdings in Knoten. Ein Knoten entspricht 1,852 Kilometern pro Stunde. Im Jahre 1805 erfand der britische Admiral Beaufort ein System, mit dem man die Windgeschwindigkeiten einteilen und beschreiben konnte. So gilt für Windstärke 9: kleinere Schäden an Häusern. Windstärke 12 bedeutet: schwerste Verwüstungen. Die Windskala des Engländers hat bis heute Gültigkeit.
Windstärke
0
0,0-1,8 Km/h
Windstille
Windstärke
1
2,1 -6,1 Km/h
leichtes Lüftchen
Windstärke
2
6,5-11,8 Km/h
leichte Brise
Windstärke
3
12,2-18,7 Km/h
sanfte Brise
Windstärke
4
19,0-25,9 Km/h
mäßige Brise
Windstärke
5
26,2-35,2 Km/h
frische Brise
Windstärke
6
35,6-44,6 Km/h
starker Wind
Windstärke
7
45,0-55,0 Km/h
steife Brise
Windstärke
8
55,4-65,5 Km/h
stürmischer Wind
Windstärke
9
65,8-77,4 Km/h
Sturm
Windstärke
10
77,7-90,3 Km/h
voller Sturm
Windstärke
11
90,7-104,4 Km/h
schwerer Sturm
Windstärke
12
104,4-133,0 Km/h
Orkan, Hurrikan
Um 17: 30 Uhr findet in der Atlantic-Show-Lounge ein Begrüßungscocktail mit Kapitän Flatebø und Kreuzfahrtdirektor Gruschka statt. Ich wähle den Eingang auf der Steuerbordseite – in Fahrtrichtung rechts – und verzichte auf eine persönliche Begrüßung durch beide Herren. Als ich die lange Schlange elegant gekleideter Passagiere sehe, beglückwünsche ich mich für meine Entscheidung und suche mir stattdessen gut gelaunt einen Sitzplatz, der einen freien Blick auf die Bühne zulässt.
Die Moderation der Begrüßung übernimmt Kreuzfahrtdirektor Klaus Gruschka, der souverän durch die Veranstaltung führt. Kapitän Flatebø stellt uns seine Offiziere vor und vom Kreuzfahrtdirektor werden wir mit dem Phoenix-Team bekannt gemacht. Einige Gesichter erkenne ich von früheren Fahrten mit der Phoenix-Flotte wieder.
Den Abschluss des ersten Seetages bildet schließlich im Lido-BuffetRestaurant das Gala-Abendessen. Nachdem ich mir ganz gezielt einen Einzeltisch am Fenster herausgesucht habe, lasse ich mir das wirklich gute Abendessen in Ruhe schmecken. Wegen meiner bewussten Separierung schauen mich manche Mitreisenden zwar komisch an, doch ich bleibe bei meinem Entschluss: Das ist meine Reise und die werde ich so gestalten, wie ich es möchte.
Tag 3 – Seetag
Den zweiten Tag auf See beginne ich mit Frühsport an der frischen Luft auf Deck 9 direkt an der Reling mit Fitnesstrainer Franky. Mit Ausblick auf das Meer machen mir die sportlichen Übungen besonderen Spaß. Franky ist ein sympathischer junger Mann, der es versteht, uns humorvoll in sein Fitnessprogramm einzubinden. Obwohl ich bei jeder Gelegenheit gern und ausgiebig ausschlafe, beschließe ich, in den kommenden Wochen möglichst oft am Frühsport teilzunehmen.
Im gestrigen Tagesprogramm wurde für heute ein Qi Gong-Kurs angeboten. Von dieser körperlichen und geistigen Entspannungsübung habe ich bisher nur gehört, aber noch keine Erfahrungen damit sammeln können. Jetzt habe ich Zeit und möchte die Gelegenheit nutzen. Der Kursleiter heißt Helmut und ist ein Mann im fortgeschrittenen Alter. Er erzählt mir, dass er vor Jahren große gesundheitliche Probleme hatte und Qi Gong sein Leben positiv verändert hat. Man merkt sofort, dass er die Qi Gong-Übungen aus innerer Überzeugung lehrt. Ich fühle, das ist etwas, was mir guttut und freue mich schon auf das nächste Mal.
Nach einer erfrischenden Dusche schlendere ich zum Lido-Deck, dort findet laut Tagesprogramm der maritime Frühschoppen statt. Mit Tellern, gefüllt mit frischen Austern, einem Glas Sekt, Bier oder anderen Getränken sitzen bereits viele der Mitreisenden an Biertischen und auf Bänken. Zudem schwingen bei flotter Rock-and Roll-Musik einer Liveband schon mehrere Gäste und einzelne Crewmitglieder das Tanzbein. Man kann erkennen, wie diese Aktivität gerade bei der älteren Generation als Jungbrunnen dient. Ich halte mich auch hier wieder bewusst zurück und bin zufrieden, das Treiben aus der Ferne beobachten zu können.
In Comedy-Sendungen wird zwar immer mal wieder über den Altersdurchschnitt auf Kreuzfahrtschiffen gelästert und die Schiffe werden scherzhaft als „Mumienschlepper“ bezeichnet. Doch ich fühle mich mit meinen 55 Jahren ausgesprochen wohl an Bord und habe bereits bemerkt, dass ich mich seit der Einschiffung um einige Jahre verjüngt habe.
Genau jetzt ist es richtig und wichtig für mich, diese Reise zu unternehmen. Ich bin gesundheitlich etwas angeschlagen, doch im Großen und Ganzen körperlich fit. Die Urlaubsziele rund um meine Heimat hebe ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf.
Das heutige Tagesprogramm bietet noch eine Vielzahl von Aktivitäten, die mich interessieren. So gehe ich gegen 15 Uhr zu „Entspannung nach orientalischer Art“. Gemäß dem Motto: „Wenn schon Sport, dann ordentlich“ schließe ich mich gegen 18 Uhr bei der Reling-Gymnastik weiteren Sportbegeisterten an.
Nach so viel sportlicher Betätigung habe ich Verlangen nach meiner Balkonkabine. Mittlerweile habe ich meine drei Koffer vollständig ausgepackt und mich wohnlich eingerichtet. Am Rande sei erwähnt, dass meine fürsorgliche Kabinenstewardess Blenda gleich am ersten Tag etwas irritiert bemerkte, dass für meine drei Koffer unmöglich Platz in meiner Kabine sei und sie diese – wenn ich ausgepackt hätte – außerhalb meiner Kabine deponieren würde. Dieses Angebot nehme ich gerne an, denn bei einer Kabinengröße von etwa 20 Quadratmetern lohnt es sich, jeden noch so kleinen Stauraum nutzen zu können. In einem der drei Koffer hatte ich etliche Weihnachtsartikel mitgebracht und habe gleich heute meine Kabine weihnachtlich geschmückt. Als Blenda am nächsten Tag in meine Kabine kommt, ist sie von meiner Dekoration hellauf begeistert. LED-Kerzen sind erlaubt und eine Weihnachtskette mit vielen kleinen Kerzen taucht die Kabine in stimmungsvolles Licht. Ich merke, es wird von Stunde zu Stunde gemütlicher in meinem „Kabinen-Schneckenhaus“. Auch mein USB-Stick mit Weihnachtsliedern trägt zu meiner weihnachtlichen Stimmung bei. Etwas melancholisch wird mir abends, als die „Artania“ geradeaus in den orangeglühenden Sonnenuntergang hineinfährt. Wie werde ich mich wohl morgen fühlen, wenn ich – ohne die Familie – Heiligabend an Bord verbringe?
Tag 4 – Heiligabend