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Sie sind, was Sie denken – das klingt beängstigend? Dann kommt hier eine gute Nachricht: Denn ja, Ihre Gedanken prägen, wie es Ihnen geht, aber Sie können lernen, diese Gedanken in gesunde, konstruktive Bahnen zu lenken, und dieser Ratgeber zeigt Ihnen, wie! Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT) ist eine höchst erfolgreich praxiserprobte Behandlungsmethode, die auf der Annahme basiert, dass Gedanken, Gefühle und Verhalten eng miteinander verknüpft sind. Deshalb ist es das Ziel, dysfunktionale Muster zu erkennen und durch gesunde zu ersetzen – und das ist gar nicht so schwer! Denn so vage die Gedankenwelt auch klingt, es gibt zahlreiche konkrete, sofort umsetzbare und einfach durchzuführende Übungen, Techniken und Methoden, mit denen Sie bewussten Zugriff auf Ihre Gedankenwelt erlangen, und dieses Buch macht Sie mit den wichtigsten Grundlagen vertraut. Erfahren Sie zunächst kompakt und verständlich alles, was Sie über die Theorie hinter der Methode wissen müssen, und werden Sie anschließend aktiv: Anhand von sieben Tools mit jeweils zahlreichen Übungen, Reflexionsanregungen, Fragetechniken und vielem mehr holen Sie sich Schritt für Schritt die Kontrolle über Ihre Gedanken zurück und nehmen Probleme wie Angst-, Stimmungs- oder Zwangsstörungen in Angriff. Ganz alleine? Keine Sorge! Denn bei psychischen Erkrankungen dient dieses Buch zwar als einfühlsamer Alltagsbegleiter, jedoch kommt auch das Thema "professionelle Unterstützung" nicht zu kurz und Sie erfahren, wie die optimale Kombination aus Therapie und Eigeninitiative zu einem unbeschwerten Leben verhilft.
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Seitenzahl: 271
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Für Fragen und Anregungen:
Auflage 2024
Inhalt
Meistern Sie Ihr Denken – die Kraft der kognitiven Verhaltenstherapie
Grundlagen der kognitiven Verhaltenstherapie
Verständnis des kognitiven Modells
Anwendungsgebiete der kognitiven Verhaltenstherapie
Tool 1: Klarheit schaffen – Dysfunktionale Kognitionen identifizieren
Erkennen von dysfunktionalen Gedanken
Werkzeugkoffer zur Identifikation von negativen Denkmustern
Tool 2: Kognitive Umstrukturierung
Gedanken neu bewerten
Strategien zur Veränderung von negativen Kognitionen
Tool 3: Einen wohlwollenden Selbstdialog etablieren
Die Grundlagen der intrapersonellen Kommunikation
Die Konsequenzen negativer Selbstkommunikation
Mit Selbstbekräftigung und Affirmationen die Macht der intrapersonellen Kommunikation nutzen
Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst
Tool 4: Nährende zwischenmenschliche Beziehungen
Bedeutung von sozialen Beziehungen für die mentale Gesundheit
Aufbau und Pflege unterstützender Beziehungen
Kommunikationsstrategien verbessern
Tool 5: Professionelle Hilfe als Ressource
Wann professionelle Hilfe suchen?
Effektive Zusammenarbeit mit professionellen Helfern
Tool 6: Neue Verhaltensstrategien einüben
Verhaltensmuster erkennen und analysieren
Visualisierungsstrategien, die zum Erfolg führen
Schrittweise Verhaltensänderungen durchführen – eine Anleitung
Der Extremfall: Depressionen überwinden
Ängste ablegen
Erfolge festhalten und belohnen
Tool 7: Nachhaltige Alltagsroutinen aufbauen
Bedeutung von Routinen für die psychische Gesundheit
Entwicklung persönlicher Alltagsroutinen
Langfristige Integration der Routinen im Alltag
„Auf Dauer nimmt die Seele
die Farbe deiner Gedanken an.“
(Marc Aurel)
Die kognitive Verhaltenstherapie (kurz: KVT) ist eine besondere Form der psychotherapeutischen Behandlung mentaler Probleme, die sich durch ihre speziellen Methoden von anderen psychotherapeutischen Konzepten abgrenzt, wie etwa der Psychoanalyse. Die Freud'sche Psychoanalyse geht meist von einem Ursache-Wirkung-Prinzip aus:
„In der analen Phase (eine der frühkindlichen Prägungsphasen nach Freud) wurden Bedürfnisse eines Kindes nicht befriedigt, woraus es als Erwachsener einen krankhaften Geiz entwickelt hat“ oder „Ein Kind, das sich einmal an einem offenen Feuer eine Verbrennung zugezogen hat, wird sich sein Leben lang vor Flammen fürchten“ (Freud, Abriss der Psychoanalyse, 1938/2010).
Die KVT geht hier einen Schritt weiter in ihrer Betrachtungsweise. Gehen wir vom zweiten genannten Beispiel aus: Sicherlich kann eine starke Verbrennung ursächlich dafür sein, dass man sich verstärkt vor Feuer (oder generell Hitze) fürchtet. Doch ist es wirklich das Feuer, das uns Angst macht, oder ist es unsere Vorstellung davon, was alles passieren kann – also unsere eigene negative Gedankenwelt? Es gibt also noch einen Schritt zwischen Feuer und Angst, der sich in unserem Kopf abspielt – und exakt diesen Schritt beleuchtet die KVT. Sie zielt daher in erster Linie auf die systematische Selbstbeobachtung (Fachausdruck: Introspektion) ab, das heißt die gezielte und systematische Beobachtung und Reflexion Ihrer Gedanken mit dem Ziel einer positiven Veränderung Ihrer Denkstruktur. Grundsätzlich geht die KVT weiterhin davon aus, dass es weniger große Ereignisse sind, die den Menschen verstören oder ihm negative/schädliche Verhaltensmuster einprägen, sondern vielmehr die eigenen Sichtweisen auf die Geschehnisse.
Die KVT knüpft damit an die antike philosophische Schule des Stoizismus an, nach der alle Emotionen im Menschen angelegt sind, die Denkweise und die Akzeptanz der Dinge aber über Wohlsein oder Unwohlsein entscheiden. Die Stoiker gingen davon aus, dass der glückliche und in sich ruhende Mensch im Wesentlichen den Unterschied zwischen den Dingen, die er beeinflussen kann, und denen, die er nicht beeinflussen kann, erkannt hat. Oder anders gesagt:
„Glücklich ist, wer nicht mit einschneidenden oder traurigen Erlebnissen hadert, sondern sie als geschehen akzeptiert. Der Stoiker hält die Übel in der Welt aus, die er ohnehin nicht selbst verbessern kann.“ (Demandt, 2018)
Ziel dieses Ratgebers ist es, dass Sie die KVT mit all ihren Grundkonzepten, Methoden und Potenzialen kennenlernen. Sie sollen dabei in erster Linie verstehen, wie die kognitive Verhaltenstherapie Ihnen dabei helfen kann, Ihre psychischen Symptome zu behandeln und für eine langfristige Verbesserung Ihrer mentalen Verfassung zu sorgen. Daher werden in diesem Buch neben theoretischen Einlassungen und Erklärungen vor allem praxisnahe Übungen im Vordergrund stehen, sodass Sie nach der Lektüre nicht nur das kognitive Modell in seiner Funktionsweise durchdrungen haben, sondern auch verstanden haben, wie Sie mit negativen und belastenden Kognitionen umgehen können, sodass diese keinen negativen Einfluss mehr auf Ihren Gesundheitszustand ausüben können. Im Mittelpunkt stehen dabei jederzeit Sie – denn Sie haben die Kraft und das Potenzial, sich selbst zu helfen. Dieses Potenzial zu aktivieren und Ihnen somit alltagsnahe und praxistaugliche Tools zu vermitteln, ist das Kernziel dieses Ratgebers. Entwickelt, um Ihnen nicht nur theoretisches Wissen, sondern praktische Fähigkeiten an die Hand zu geben, stellt dieses Buch sieben kraftvolle Werkzeuge vor, mit denen Sie unmittelbar beginnen können, Ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen positiv zu beeinflussen. Von Techniken zur Bewältigung von Angst und Depression bis hin zu Strategien zur Steigerung des Selbstwertgefühls und der Resilienz – diese Toolbox ist so konzipiert, dass sie leicht verständlich und sofort umsetzbar ist. somit öffnet Ihnen dieses Buch die Tür zu einer der wirkungsvollsten Therapieformen der modernen Psychologie – der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT).
Dieser Ratgeber kann zu einem wertvollen Begleiter für Sie werden, er ersetzt jedoch keine Therapie! Wenn Sie an einer psychischen Krankheit leiden, die Sie belastet und beschwert, sollten Sie sich an professionelle Hilfsstellen wenden – versuchen Sie unter keinen Umständen, sich selbst zu therapieren! Das geht in den meisten Fällen schief, denn ausgebildete Therapeuten und Psychiater/Psychologen sind durch ein jahrelanges Studium und ausgeprägte Praxiserfahrungen dazu qualifiziert, Menschen wie Ihnen zu helfen. Doch meistens erhält man nicht innerhalb weniger Minuten einen Therapieplatz, bis dahin kann es dauern und irgendwann ist auch die längste Therapie einmal abgeschlossen. Für die Zeit vor und nach einer Therapie ist es also enorm wichtig, alltagstaugliche praxisnahe Übungen zu kennen, die einem jederzeit im Alltag helfen können. Auch ist es von enormer Bedeutung, die Grundlagen des kognitiven Modells zu verstehen, denn nur so können Sie Ihre eigenen Denkmuster und -strukturen im Alltag identifizieren. Das Buch ist also kein Ersatz für eine Therapie, sondern eine sinnvolle Ergänzung zu ihr.
Hinweis: In diesem Buch finden Sie an verschiedenen Stellen QR-Codes, die Sie zu Audiodateien führen. Falls Sie keine Möglichkeit haben, diese zu scannen, können Sie alle Dateien auch über diesen Link finden: https://bit.ly/4dz49EW.
„Der Mensch ist das einzige Wesen,
das von sich selbst eine schlechte Meinung hat.“
(George Bernhard Shaw)
Die kognitive Verhaltenstherapie (KVT oder CBT: Cognitive Behavioral Therapy) ist eine evidenzbasierte psychotherapeutische Behandlungsmethode, die darauf abzielt, psychische Erkrankungen durch die Identifizierung und Modifikation dysfunktionaler Denk- und Verhaltensmuster zu lindern oder zu beseitigen. Das bedeutet, dass viele Menschen in Ihrem Alltag durch negative Gedanken belastet werden, die wiederum negative Emotionen hervorrufen. Die KVT basiert auf der Annahme, dass unsere Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen eng miteinander verbunden sind und dass eine Veränderung in einem Bereich sich auf die anderen auswirken kann. Stellen Sie sich vor, Sie haben aufgrund eines negativen Erlebnisses in der Vergangenheit Probleme damit, anderen Menschen zu vertrauen, selbst wenn diese Menschen Ihnen positiv gegenübertreten. Sie vermuten also bei jedweder sozialen Begegnung grundsätzlich eine negative Handlung/Einstellung des Gegenübers. Dementsprechend passen Sie auch Ihr Verhalten an und verhalten sich anderen gegenüber tendenziell distanziert und abweisend. Dies kann dazu führen, dass Sie wiederum abweisende Reaktionen Ihres Gegenübers erhalten und sich dadurch in Ihrer eigenen negativen Grundhaltung bestärkt fühlen.
Im Gegensatz zu vielen anderen Therapieansätzen setzt die KVT Ihren Fokus klar auf die Gegenwart, d. h. auf das Hier und Jetzt. Die Psychoanalyse oder die klassische Psychotherapie sind stark auf die Vergangenheit fokussiert und wollen Traumata / belastende Erlebnisse von ihrem Ursprung her aufarbeiten. Auch diese Ansätze haben eine Daseinsberechtigung und können helfen, die eigene mentale Verfassung zu verbessern, der Nachteil dabei könnte jedoch sein, dass Sie sich immer wieder mit der Vergangenheit befassen und ggf. alte Wunden aufreißen, die bereits weitestgehend verheilt waren. Anstatt in die Vergangenheit zu schauen, richtet die KVT ihren Blick nach vorne auf eine bessere Zukunft hin. Alte Wunden können so verheilen und anstatt an diesen zu arbeiten, unterstützen Sie vielmehr das neu gebildete Gewebe beim Wachsen.
Kognitionen:
In der KVT stehen die kognitiven Prozesse im Mittelpunkt. Kognitionen umfassen Gedanken, Überzeugungen, Interpretationen und innere Dialoge, oder kurz gesagt: das, was in unserem Geist stattfindet. Die KVT geht davon aus, dass unsere Gedanken unsere Emotionen und damit auch unsere Verhaltensweisen (insbesondere in sozialen Interaktionen) beeinflussen. Negative oder irrationale Gedanken können dabei auf lange Sicht zu emotionalen Problemen wie Angst und Depression führen und sind daher schädlich für unsere mentale sowie körperliche Gesundheit.
Beispiel: Person A geht davon aus, dass sie nicht geliebt wird. Sie hat in der Vergangenheit einmal schlechte Erfahrungen gemacht, weil sie von ihrem ehemaligen Partner betrogen wurde. Deshalb denkt A: „Niemand liebt mich. Ich bin es nicht wert, geliebt zu werden.“ Diese Sichtweise ist überaus pessimistisch und negativ, auf Dauer entwickelt die Person daher eine stärkere Anfälligkeit für z. B. depressive Erkrankungen.
Verhalten:
Neben den kognitiven Prozessen liegt der Analyseschwerpunkt der KVT auch auf dem menschlichen Verhalten. Unsere Handlungen und Reaktionen auf verschiedene Situationen tragen zur Aufrechterhaltung oder Verstärkung der eben genannten psychischen Probleme bei. Durch die Modifikation von Verhaltensweisen wiederum lassen sich positive Veränderungen erzielen, die Sie im Alltag leichter und unbeschwerter machen; Ihre Gefühle und Gedanken werden insgesamt positiver.
Beispiel: Nehmen wir an, Person A verhält sich entsprechend ihrer Kognition. Sie denkt, dass niemand sie liebt, und geht mit dieser negativen Grundhaltung auf andere zu. Eine attraktive Person sitzt A in der S-Bahn gegenüber oder steht vor Person A an der Supermarktkasse. A wird diese Person jedoch nicht ansprechen („Niemand liebt mich, warum sollte ich es also versuchen?“). Person B, die selbstbewusst ist und ein positives Selbstbild hat, spricht die attraktiv empfundene Person an („Was habe ich zu verlieren – ich fühle mich gut, so wie ich bin, ich gehe offen auf sie zu“).
Interaktion zwischen Kognitionen und Verhalten:
Die KVT analysiert, ihren Grundüberzeugungen folgend, die Wechselwirkung zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen des Menschen. Negative Gedanken führen zu dysfunktionalen Verhaltensweisen, die wiederum die negativen Gedanken verstärken und potenzieren. Dieser Teufelskreis kann durchbrochen werden, indem man einerseits an den kognitiven, andererseits auch an den Verhaltensaspekten arbeitet.
Beispiel: Person B hat die von A und B als attraktiv empfundene Person also angesprochen – mit Erfolg. A bekommt dies mit und fühlt sich in der negativen Grundhaltung sich selbst gegenüber bestätigt („Natürlich – sie interessiert sich mehr für B als für mich, ich habe es doch gleich gewusst“). Durch seine Gedanken hat A ein bestimmtes Verhalten an den Tag gelegt, das seine eigene Haltung bestätigt und somit eine bekräftigende Wirkung auf die Gedanken ausübt.
Die Verhaltenstherapie basiert einerseits auf den Prinzipien des Lernens, einschließlich des klassischen Konditionierens, des operanten Konditionierens und des sozialen Lernens (diese Begriffe werden noch erläutert) und andererseits auf der Theorie des Behaviorismus, also der Beobachtung von Verhalten. Diese Theorien erklären, wie Verhaltensweisen durch Erfahrungen geformt und aufrechterhalten werden.
Die klassische Konditionierung beschreibt das Muster eines Lernverhaltens, wonach ein Schlüsselreiz eine bestimmte Reaktion hervorruft. Das bekannteste Beispiel ist der Pawlowsche Hund – benannt nach dem russischen Verhaltensforscher und Physiologen Iwan Pawlow, der jedes Mal, wenn er seinen Hund fütterte, zuvor mit einer Glocke klingelte. Nach einer gewissen Zeit reichte das bloße Klingeln der Glocke aus, um beim Hund Speichelfluss zu verursachen, auch wenn kein Futter zu sehen oder zu riechen war. Der Hund hatte gelernt, die beiden unabhängig voneinander auftretenden Ereignisse (Klingeln der Glocke, Fütterung) miteinander in Verbindung zu setzen, da sie stets unmittelbar nacheinander erfolgten. Auch bei Menschen können wir derartige Konditionierungen beobachten, z. B. bei einem Kind, das Angst vor dem lauten Donner hat. Sobald das Kind einen Blitz sieht (der an sich geräuschlos ist), wird es Angst bekommen, denn es weiß, dass nach dem Blitz sogleich der Donner ertönt.
Bei der operanten Konditionierung geht es um das Erlernen von Verhaltensweisen durch Belohnen und Bestrafen. Im Unterschied zur klassischen Konditionierung erfolgt die Reaktion in diesem Fall bewusst. Nehmen wir erneut das Beispiel des Hundes. Im Falle Pawlows floss der Speichel beim Hund automatisch, es war keine bewusste Entscheidung von ihm, zu speicheln. Eine operante Konditionierung läge vor, wenn Pawlow seinem Hund beibringen wollte, auf das Kommando „Sitz“ zu hören. Hierzu hätte er sich eines Tricks bedient, den viele Hundehalter anwenden. Er gibt dem Hund das Kommando „Sitz“ und jedes Mal, wenn der Hund darauf hört und sich setzt, erhält er ein kleines Leckerli. Der Hund versteht, dass seine Handlung eine Belohnung zur Folge hat – weil er diese Belohnung will, lernt er, auf das Kommando „Sitz“ zu hören. Die andere, etwas weniger freundliche Variante wäre, den Hund jedes Mal zu schlagen, wenn er nicht auf das Kommando hört. Auch in diesem Fall würde er wahrscheinlich schnell lernen, „Sitz“ zu befolgen, da er nicht jedes Mal geschlagen werden möchte. Die operante Konditionierung kann also sowohl über Belohnung als auch über Bestrafung erfolgen. Grundsätzlich gilt: Eine positive Reaktion (Belohnung) wird das Verhalten beim Gegenüber in der Regel positiv beeinflussen. Wenn Sie jemanden um einen Gefallen bitten und ihn dafür zum Essen einladen, wird er Ihnen in Zukunft eher helfen, als wenn Sie keine Belohnung aussprechen.
Zuletzt lernen wir nicht nur durch Belohnung und/oder Bestrafung und Beeinflussung, sondern auch durch unser soziales Umfeld. Einerseits spielt hier die Erziehung durch die Eltern eine große Rolle, denn im Rahmen der Erziehung werden grundlegende Werte und Weltanschauungen vermittelt, andererseits erfolgt die Erlernung von sozialen Kompetenzen auch durch den Austausch mit anderen Menschen, erstmals häufig im Kindergarten, später in der Schule, im Sportverein, im Studium, auf der Arbeit usw. Durch den Austausch und die Kommunikation mit anderen Menschen lernen wir, wie unser Verhalten sich auf andere auswirkt und wie wir auf andere wirken, wenn wir bestimmte Dinge tun. Simple soziale Verhaltensformen werden durch soziale Interaktion erlernt, z. B., dass Menschen sich freuen, wenn man ihnen ein Kompliment macht, und traurig sind, wenn man sie beleidigt. Soziales Lernen führt zur Anpassung unseres Verhaltens an soziale Normen sowie zu einer erhöhten Empathie-, Kommunikations- und Konfliktfähigkeit. All diese Eigenschaften sind auch im Rahmen der KVT von Bedeutung.
Die KVT hat in ihren Grundannahmen und Methoden also eine enge Verbindung zum Behaviorismus und der Lerntheorie. Der Behaviorismus, insbesondere durch die Theorien der klassischen und operanten Konditionierung, legt den Grundstein für das Verständnis, wie Verhalten erlernt wird:
In der klassischen Konditionierung wird ein neutraler Reiz mit einem unbedingten Reiz gekoppelt, was zu einer konditionierten Reaktion führt.
In der operanten Konditionierung wird Verhalten durch Belohnung oder Bestrafung verstärkt oder abgeschwächt.
Die KVT integriert diese Konzepte, indem sie postuliert, dass Verhaltensmuster und emotionale Reaktionen durch das Zusammenspiel von Gedanken, Gefühlen und Verhalten geformt werden. Wir erlernen also bestimmte Verhaltensmuster, indem wir (A) einem bestimmten Reiz ausgesetzt sind, (B) dieser Reiz Gedanken und Gefühle in uns auslöst und (C) aus diesen wiederum ein gewisses Verhalten entsteht. Auf Grundlage der Lerntheorien zielt die KVT also auf das Erlernen und Aneignen von Verhaltensmustern durch wiederholte Einübung ab.
Der therapeutische Ansatz erweitert dabei die Grundannahmen der Theorien, indem er eine praktische, lösungsorientierte Ebene hinzufügt: Es werden dysfunktionale Gedanken und Verhaltensweisen identifiziert und durch kognitive Umstrukturierung und Verhaltensänderungen modifiziert. Auf diese Weise greift die KVT erneut auf die Mechanismen des Lernens zurück, um Verhaltensänderungen zu implementieren, denn wenn wir negative Denk- und Verhaltensweisen durch Konditionierung erlernen können, können wir uns ebenso gut auf das Gegenteil konditionieren lassen. Nehmen wir an, Pawlow hätte den Hund jedes Mal geschlagen, nachdem er die Glocke geläutet hätte – der Hund hätte vermutlich nach kurzer Zeit Angst vor dem Läuten der Glocke gehabt, da er es mit Bestrafung verbunden hätte. Doch hätte Pawlow sein Verhalten geändert und dem Hund jedes Mal ein Leckerli gegeben, nachdem er bimmelte, hätte der Hund seine Konditionierung früher oder später angepasst – plötzlich wäre das Klingeln der Glocke wieder positiv konnotiert. Verhaltensänderungen sind also sowohl in die eine als auch in die andere Richtung erlernbar – daher können Sie immer davon ausgehen, dass es einen Weg der Besserung gibt! Gehen wir gemeinsam auf diese Reise.
Basierend auf den Lerntheorien wendet die KVT also spezifische Methoden und Techniken an, um negative und dysfunktionale Kognitionen zu erkennen und diese durch angemessene Kognitionen zu ersetzen. Denn gehen wir davon aus, dass Verhalten erlernt und somit erlernbar ist, kann dieser Lernprozess auch im fortgeschrittenen Alter, nach dem Ende der primären und sekundären Sozialisation, noch fortgesetzt werden. Oder anders gesagt: Man lernt nie aus. In der KVT wird Lernen als ein kontinuierlicher, nicht abgeschlossener Prozess betrachtet. Schließlich haben wir gelernt, dass Lernen auf Erfahrungen basiert, und im Alltag machen wir ständig neue Erfahrungen, völlig unabhängig von dem Lebensabschnitt, in dem wir uns befinden. Aus dieser simplen Erkenntnis ergeben sich zahlreiche Tools und Techniken zur Arbeit an den eigenen Kognitionen. Einige dieser Techniken seien an der Stelle kurz vorgestellt, denn durch gezieltes Eingreifen (Intervention) können Sie neue Fähigkeiten erlernen und Ihre alten Denkmuster überwinden.
Bei dieser spezifischen Form der Therapie geht es explizit darum, sich seinen Ängsten und Befürchtungen auszusetzen, sich zu exponieren. Bisweilen kann diese konfrontative Methode helfen, den Ängsten ihre abstrakte Bedrohung zu nehmen, denn häufig sind abstrakte Ängste schlimmer als konkrete Ängste. Ein einfaches Beispiel hierzu wird in der Politik gerne zitiert: In Regionen, in denen es einen relativ hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund gibt, ist die Angst vor Überfremdung messbar niedriger als in Regionen, in denen relativ wenige Menschen mit Migrationshintergrund leben. Dies zeigt: Die abstrakte Angst belastet die Menschen, wenn sie hingegen reale Erfahrungen machen, stellen sie fest, dass Migranten keinerlei Gefahr darstellen, und die Ängste bauen sich ab. Daher arbeitet die Expositionstherapie mit der gezielten Auseinandersetzung mit der Angst. Der Patient weiß dabei, dass er nun mit der Angst konfrontiert wird, und willigt bewusst ein. Der Teufelskreis der abstrakten Ängste und der negativen Gedanken, die darum kreisen, wird somit durchbrochen.
Kommen wir an dieser Stelle noch einmal auf die Lerntheorie zurück, auf der die Expositionstherapie basiert. Das Konzept des habituellen Lernens wird hier noch einmal deutlich: Durch das Lernen in bestimmten Situationen passen sich unsere Verhaltensweisen stets an; wir machen eine bestimmte Erfahrung, die unser Denken beeinflusst, und verhalten uns daraufhin anders. In dem angeführten Beispiel kann man sich die Veränderung in etwa so vorstellen: Eine Person, die mit abstrakten Ängsten vor Überfremdung lebt, fährt im Rahmen einer Geschäftsreise in eine Stadt, in der es einen hohen Anteil ausländischer Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund gibt. Ihr Hotel liegt in einem Viertel, in dem besonders viele dieser Menschen leben. In dieser Woche macht die Person zahlreiche positive Begegnungen, die ihre Angst mindern und ihre Grundhaltung positiver werden lässt. Verhaltensweisen, die auf Gefühlen basieren („Ich meide solche Viertel, da ich Angst habe, glaube, mich unwohl zu fühlen“), lassen sich durch Erfahrung stets verändern. Man sollte diese Erfahrung hierfür allerdings aus erster Hand machen, nur so kann tatsächlich ein Umdenken stattfinden.
Schritt 1 –Identifikation sozialer Ängste: Zu Beginn der Übung ist es entscheidend, Ihre spezifischen sozialen Ängste zu identifizieren. Was ist es, wovor Sie Angst haben? Sind es größere Menschenansammlungen oder ist es die konkrete Begegnung und Interaktion mit anderen (z. B. ein unerwartetes Gespräch beim Warten auf den Bus oder an der Supermarktkasse)? Benennen Sie die Ängste und Sorgen, die Sie umtreiben, spezifisch, am besten inklusive des genauen Gefühls.
Beispiel: Ich gehe morgens aus dem Haus und empfinde dabei Nervosität. Danach gehe ich zur Bushaltestelle. Ich empfinde Unbehagen, die anderen Menschen stehen dicht gedrängt. Ich will nicht in ein Gespräch verwickelt werden, habe Angst, etwas Falsches zu sagen oder einen schlechten Eindruck beim anderen zu hinterlassen.
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Schritt 2 – Eine skalierte Liste erstellen: Basierend auf den identifizierten Ängsten erstellen Sie nun eine skalierte Liste von sozialen Situationen, beginnend mit den am wenigsten beängstigenden und endend mit den am meisten beängstigenden. Stellen Sie sich dazu am besten tatsächlich eine bildliche Skala vor, diese geht von 1 bis 10, wobei 1 eine absolut nicht bedrohliche, 10 eine sehr bedrohliche Situation darstellt.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Es geht in diesem Fall einzig und allein um Ihre persönliche Empfindung, nicht darum, ob die Situation tatsächlich bedrohlich ist. In Ihrem persönlichen Empfinden kann z. B. das Halten eines Vortrags vor Kollegen bedrohlicher sein, als in den Bergen zu wandern, auch wenn objektiv das Wandern sicherlich mehr potenzielle Gefahren birgt als der Vortrag. Eine solche Liste könnte wie folgt aussehen:
Allein in einem Café sitzen und einen Kaffee trinken.
3
Einem Bekannten auf der Straße „Hallo“ sagen.
4
Mit einem Kollegen Smalltalk machen.
5
Einen Fremden nach dem Weg fragen.
8
An einem Meeting teilnehmen und eine Frage stellen.
9
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Schritt 3 – Die Exposition durchführen: Sie beginnen mit der Expositionstherapie, indem Sie die am wenigsten beängstigende Situation aus der Liste angehen. Setzen Sie sich dazu bewusst dieser Situation aus, ohne sich selbst zu sehr zu stressen. Wenn Sie merken, dass eine Situation Sie in diesem Moment zu sehr belastet, können Sie die Exposition unter- oder abbrechen. Entscheidend ist es, während der Exposition die Angstsymptome zu beobachten und genau zu verfolgen, wie sie mit der Zeit abnehmen. Der spürbare Fortschritt bestätigt Sie dabei in Ihrem Vorgehen.
Beispiel: Angenommen, die erste Situation auf der Liste ist „Alleine in einem Café sitzen und einen Kaffee trinken“. Eine Möglichkeit ist es, dies zunächst für eine kurze Zeit zu tun, zum Beispiel für 10 Minuten. Während dieser 10 Minuten sitzen Sie aber nicht bloß passiv im Café, sondern Sie beobachten Ihre Gedanken und Gefühle, ohne ihnen zu erlauben, die Kontrolle zu übernehmen. Betrachten Sie Ihre Gedanken und Gefühle mit einer gewissen Distanz, ganz so, als wären Sie eigentlich unbeteiligt an ihnen. Es ist ganz normal, dass anfänglich Nervosität auftritt, schließlich haben Sie die Situation auf der Angst-Skala mit einer „3“ bewertet, was zwar nur leichte Angst, keineswegs aber völlige Angstfreiheit bedeutet. Trotzdem ist es wichtig, die Übung sauber durchzuführen, um zu erkennen, dass Ihre Angst mit der Zeit nachlässt.
Schritt 4 – Fortschritte überwachen und anpassen: Nach jeder Expositionssitzung reflektieren Sie über den eigenen Fortschritt und passen gegebenenfalls die Liste der Situationen an. Wenn die Situation im Café nach einigen Wiederholungen der Exposition keine Angst mehr in Ihnen auslöst, können Sie zur nächsten, etwas beängstigenderen Situation auf Ihrer Liste übergehen – in diesem Fall einen Bekannten auf der Straße zu grüßen (oder einen Nachbarn im Treppenhaus, einen Kollegen im Fahrstuhl, je nach individueller Situation). Es ist wichtig, geduldig zu bleiben und sich nicht zu überfordern. Selbst, wenn Sie das Gefühl haben, bereits besser mit einer Situation zurechtzukommen, sollten Sie dennoch kurz innehalten: Sind Sie wirklich bereits zu 100 Prozent durch mit dieser Stufe oder sollten Sie doch lieber noch einmal im Café sitzen, bevor Sie den nächsten Schritt gehen?
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Schritt 5 – Kontinuierliche Übung und Wiederholung: Die Expositionstherapie erfordert kontinuierliche Übung und Wiederholung. Auch wenn die Situation in dem Moment, in dem Sie sie erleben, extrem unangenehm ist, sollten Sie dennoch nicht aufhören und stets einen Schritt weitergehen, um am Ende erfolgreich Ihre Ängste zu besiegen. Hören Sie auf sich und legen Sie das Tempo an den Tag, das Ihnen persönlich guttut.
Auch die systematische Desensibilisierung arbeitet mit der Konfrontation, jedoch findet diese hier in Stufen statt. Bei der Expositionstherapie wird der Reiz häufig direkt „in voller Härte“ präsentiert (Sie stehen nicht erst vor dem Café, warten dann vor der Tür und setzen sich dann hinein, sondern Sie gehen direkt ins Café und setzen sich), bei der systematischen Desensibilisierung erfolgt dies Schritt für Schritt. Nehmen wir an, der Patient leidet unter Flugangst. Es wäre sicherlich nicht sinnvoll, ihn in einem ersten Schritt direkt in ein Flugzeug zu setzen, das dann auch startet und abhebt, es gibt hier nämlich keine Möglichkeit eines Abbruchs. Die Schritte könnten daher wie folgt aussehen: Zunächst beobachtet der Patient ein Flugzeug am Himmel in weiter Ferne, dann beobachtet er in der Nähe des Flughafens mehrere Flugzeuge, die starten und landen, schließlich schaut er sich ein Flugzeug von außen, dann von innen an und zuletzt nimmt er auf einem Sitz Platz. Dann fliegt er tatsächlich los. So lässt sich die Angst Schritt für Schritt abbauen und der Patient hat genügend Zeit, sich an das Flugzeug zu gewöhnen, bevor er ins kalte Wasser geworfen wird.
Schritt 1 – Identifikation der Angstauslöser: Identifizieren Sie zunächst die spezifischen Auslöser für Ihr Lampenfieber. Das könnten Dinge wie das Betreten einer Bühne, das Sprechen vor einer Gruppe von Menschen und die Vorstellung einer Präsentation sein. Gehen Sie in sich und überlegen Sie, warum Sie ein Problem damit haben, vor anderen zu sprechen. Haben Sie Angst, sich zu verhaspeln oder aus Versehen etwas Peinliches zu sagen? Oder können Sie die Blicke anderer Menschen nicht ertragen, weil Sie in diesen automatisch Zweifel oder Feindseligkeit sehen? Der erste Schritt ist also auch hier die Identifikation von Auslösern und Gründen.
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Schritt 2 – Entspannungstechniken erlernen: Bevor Sie mit der systematischen Desensibilisierung beginnen, sollten Sie versuchen, einige Entspannungstechniken zu erlernen, die Ihnen helfen können, Angst zu kontrollieren. Das können zum Beispiel Atemübungen, progressive Muskelentspannung oder Visualisierungstechniken sein. Zu einem späteren Zeitpunkt werden diese Übungen noch ausführlicher erklärt, an dieser Stelle ist es erst einmal wichtig, zu verstehen, dass solche Übungen enorm hilfreich sein können, um mit einer grundsätzlich entspannteren Haltung in eine angespannte Situation, etwa einen Vortrag vor Arbeitskollegen, zu gehen. Anders als bei der Expositionstherapie geben Sie sich nicht direkt der Exposition hin, sondern bereiten sich etwas behutsamer auf sie vor.
Schritt 3 – Hierarchien der Angstsituationen erstellen: Dieser Schritt kann im Rahmen der systematischen Sensibilisierung durchgeführt werden, muss aber nicht zwangsweise erfolgen. Da die Desensibilisierung schrittweise erfolgt, ist es aber durchaus logisch und sinnvoll, verschiedene skalierte Situationen abzuarbeiten. Anders als bei der Exposition hat hier aber auch jeder Schritt wiederum einzelne kleine Zwischenschritte. Sie begeben sich nicht direkt in die Situation, nicht direkt in medias res, sondern tasten sich heran. Eine grundsätzliche Skalierung könnte wie folgt aussehen:
Vor dem Spiegel eine kurze Rede halten.2
Vor ein paar Freunden sprechen.3
Vor einer kleinen Gruppe von Bekannten sprechen.6
Eine kurze Rede vor einer Gruppe von Fremden halten.7
Eine Präsentation vor einer großen Gruppe halten.10
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Schritt 4: Im vierten Schritt führen Sie die systematische Desensibilisierung durch. Sie greifen dabei die erste Situation von der aufgestellten Skala auf und zerlegen diese wiederum in kleine Schritte.
Beispiel: Angenommen, die erste Situation auf Ihrer Liste ist „Vor dem Spiegel eine kurze Rede halten“. Setzen Sie sich zunächst an einen ruhigen Ort, entspannen Sie sich und visualisieren Sie die Situation vor Ihrem inneren Auge. Stellen Sie sich vor, wie Sie vor dem Spiegel stehen und eine Rede halten. Versuchen Sie dabei, dieses Gedankenexperiment mit einer positiven Grundhaltung anzugehen, d. h., Sie stellen sich nicht einfach bloß vor, wie Sie eine Rede halten, sondern wie Sie eine geniale, mitreißende Rede oder einen spannenden Vortrag halten. Während Sie dies tun, wenden Sie Ihre erlernten Entspannungstechniken an, um Ruhe zu bewahren. Wiederholen Sie diese Visualisierung mehrmals, bis Sie sich dabei entspannter fühlen. Erst nachdem Sie all diese Schritte gedanklich gegangen sind, wagen Sie sich an die tatsächliche Situation heran und beginnen mit dem eigentlichen Sprechen vor dem Spiegel. Wenn Sie schließlich die erste Situation von Ihrer Liste erfolgreich gemeistert haben, können Sie sich in ebenso kleinen Schritten an den nächsten Punkt auf der Liste herantasten.
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Schritt 5 – Fortschritt überwachen und anpassen: Nach jeder Visualisierungssitzung reflektieren Sie über Ihren Fortschritt. Dies können Sie im Übrigen auch gerne zu zweit tun, wenn Sie etwa abends mit Ihrem Partner zusammensitzen, bietet sich eine gemeinsame Reflexion der Situation durchaus an. Mit einer Person zu sprechen, der Sie vertrauen, ist ohnehin erleichternd und unterstützend auf dem Weg zum vollständigen Abbau der Ängste und zur Überwindung der negativen Kognitionen. Üben Sie z. B. das Vortragen vor anderen auch im Kollegium regelmäßig ein und bitten Sie aktiv um Feedback Ihrer Kollegen, um sich in der jeweiligen Situation weiter zu verbessern.
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Schritt 6 – Kontinuierliche Übung und Wiederholung: Auch hier ist die Wiederholung überaus wichtig, um die Desensibilisierung zu verstärken und langfristige Ergebnisse zu ermöglichen. Sie werden sehen, dass Ihnen die Übungen mit jedem Schritt leichter fallen, dass Sie sich mit jeder Wiederholung, mit jeder Ausweitung der Situation mehr zutrauen. Dadurch fühlen Sie sich langfristig unbeschwerter und gehen mit weniger Angst und Unsicherheit durchs Leben.
Das neu erlernte Verhalten wird bei der Verstärkung belohnt, sodass es noch mehr in Fleisch und Blut übergeht. Hier macht man sich das Wissen über die operante Konditionierung zu Nutze. Der Patient hat seine Angst einmal überwunden, ist trotz seiner Flugangst einmal geflogen oder hat trotz seiner Arachnophobie eine Spinne auf seiner Hand gehabt etc. Um zu erreichen, dass er sein Verhalten wiederholt, kann eine Belohnung hilfreich sein, so wird das Gehirn automatisch angeregt und der Patient wird sein Verhalten gerne wiederholen, da er im Gegenzug etwas zu erwarten hat.
Angenommen, Sie legen ein selbstschädliches Verhalten an den Tag. Immer, wenn Sie sich gestresst fühlen oder in eine emotional angespannte Situation kommen, beginnen Sie, unkontrolliert zu essen, oder Sie fangen wieder an, zu rauchen, obwohl Sie sich schon so oft vorgenommen haben, damit aufzuhören. Dieses Verhalten schadet Ihnen selbst und verstärkt Ihre negativen Kognitionen, da Sie sich selbst dafür kritisieren, nicht standhaft zu sein. Wenn Sie dauerhaft von diesem Verhalten wegkommen möchten, sollten Sie Verstärkungsanregungen nutzen.
1. Belohnung substituieren: Ihnen kommt das Hineinschlingen von Essen oder das Rauchen mehrerer Zigaretten hintereinander vermutlich wie eine Belohnung vor. Unser Gehirn reagiert auf derartige Reize häufig, indem das Belohnungssystem aktiviert wird, auch wenn es sich natürlich in Wahrheit nicht um eine Belohnung, sondern eine Bestrafung Ihrer Gesundheit und damit Ihrer selbst handelt. Das Belohnungszentrum des Hirns will aber dennoch angesprochen werden, daher ist es wichtig, Belohnungen zu substituieren. Auch Sport (Jogging, Fitness), die Einnahme einer leckeren, gesunden Mahlzeit oder das Lesen eines Buches / Schauen eines guten Films stellen Belohnungen dar. Wenn Sie merken, dass Ihr Körper und Ihr Geist nach einer kleinen Belohnung verlangen, versuchen Sie, diese zu ermöglichen, allerdings in einer gesunden Form.
2. Selbstlob und positive Verstärkung: Wann immer Sie es schaffen, der Versuchung nicht nachzugeben, sondern stattdessen etwas Gesundes zu essen oder Sport zu machen, sollten Sie sich hierfür laut loben: „Das hast du gut gemacht!“, „Sehr gut, du hast dich für die richtige Vorgehensweise entschieden.“ Durch diese positive Verstärkung festigt sich das Verhalten.
3. Visuelle Belohnungssysteme: Richten Sie sich ein visuelles Belohnungssystem ein, z. B. in Form eines Diagramms oder einer Liste, auf dem Sie jedes Mal, wenn Sie den Stress nicht durch Essen oder Rauchen kanalisiert haben, sondern etwa durch Sport oder mit Meditation, einen Haken setzen. Damit visualisieren Sie Ihre Erfolge und es wird deutlich, wie oft Sie bereits in der Lage waren, Ihrer Versuchung zu widerstehen, und wie oft Sie das schädliche Verhalten bewusst unterdrückt haben. Man könnte auch sagen: Sie haben gelernt, wie Sie mit Stress anders umgehen können. Wenn Sie eine bestimmte Anzahl von Häkchen erreicht haben, könnten Sie sich eine im Vorhinein festgelegte Belohnung gönnen, wie z. B. einen Wellness-Tag oder ein neues Buch, das Sie interessiert. Ebenso denkbar ist ein Stufensystem (5 Häkchen – Belohnung 1; 10 Häkchen – Belohnung 2 etc.).
Durch diese Verstärkungsstrategien können Sie sich selbst dazu motivieren, Ihr neu erlerntes, positives Verhalten beizubehalten, da Sie dieses fortan mit angenehmen Erfahrungen und Belohnungen assoziieren und eine positive Handlung mit Ihrem positiven Handeln verknüpfen, ähnlich wie Pawlows Hund das Klingeln mit der Fütterung verknüpft hatte.
Weitere Anregungen
Wellness: Massage, Spa-Tag, Saunabesuch, Gesichtsbehandlung, Aromatherapie-Sitzung
Sport und Fitness: neue Sportausrüstung (z. B. Laufschuhe), Mitgliedschaft im Fitnessstudio, Personal-Training-Session, Yoga-Kurs, Teilnahme an einem Sportevent
Unterhaltung: Kinokarten, Konzerttickets, Theaterbesuch, Streaming-Dienst-Abo, Buch oder Hörbuch
Essen und Trinken: Restaurantbesuch, hochwertiger Kaffee oder Tee, Schokolade oder andere Süßigkeiten, Kochkurs, Weinprobe
Reisen und Ausflüge: Wochenendtrip, Tagesausflug, Museumsticket, Stadtrundfahrt, Campingausflug
Bildung und Lernen: Online-Kurs, Workshop oder Seminar, Fachbuch, Sprachkurs, Kunstbedarf für kreatives Hobby
Technologie und Gadgets: neue Kopfhörer, Smartwatch, E-Reader, Smartphone-Zubehör, Software oder App
Kleidung und Accessoires: neue Kleidung, Schmuck, Handtasche oder Rucksack, Schuhe, Hut oder Sonnenbrille
Persönliche Pflege: Maniküre oder Pediküre, Haarschnitt oder Styling, Bartpflege-Set, luxuriöses Badeprodukt, Hautpflegeprodukte
Zeit für sich selbst: Lesestunde, Meditationszeit, Malen oder Zeichnen, Musik hören, Gartenarbeit
Und vieles mehr! 😊