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Was ist Kommunikation? Was kann sie leisten? Und wie lässt sich wirkungsvolle Kommunikation erlernen? Vor dem Hintergrund der Denk- und Handlungsweisen eines systemischen NLP-Coachs wird deutlich, wie machtvoll Kommunikation ist und wie mit ihr Wirklichkeit verändert werden kann. Sie ist nicht nur eine weiche Fähigkeit, ein Softskill, im Dienste berufsspezifischer Kompetenzen. In der Menschenführung ist sie das Hardskill schlechthin. Die Methoden des systemischen NLP-Coachs erlauben es jedem, sich der Kunst des entwicklungsorientierten Führens zu nähern. Voraussetzung dazu ist allein die Bereitschaft, Eigenverantwortlichkeit und Selbstregulationsfähigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Weil Kommunikation verkörpert bzw. embodied ist, beginnt wirkungsvolle Kommunikation immer beim Ich, das Verantwortung für seine (körper-)sprachlichen Botschaften übernimmt. Der Coach nutzt die im systemischen NLP-Kommunikations-Modell auf den Punkt gebrachten Hebelkräfte, um mit gezieltem Kräfteeinsatz wirkungsvolle Lösungen anzuregen. Auf der Grundlage geschulter Wahrnehmung, sorgfältiger (körper-)sprachlicher Analysen und multiperspektivischer Betrachtungen entwickelt er kommunikative Feedbackschleifen, die zu kreativen Zielen und Visionen führen. Gute Lösungen lösen nicht nur Probleme. Sie bringen qualitative Lernsprünge hervor. Dr. Sabine Marquardt vermittelt eine ganzheitliche Coaching-Methode jenseits der engen Grenzen des linear-analytischen Denkens, das noch viele NLP-Anwendungen prägt. Die Methode verfeinert das Know-how des professionellen Coachs, schult im Umgang mit Komplexität und erlaubt praktische Transfers in die unterschiedlichsten Kommunikationskontexte.
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Seitenzahl: 502
Veröffentlichungsjahr: 2016
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EINLEITUNG
WAS GENAU IST KOMMUNIKATION?
1) Klassische Sicht: Der Mensch als Nutzer von Kommunikation
2) Systemische Sicht: Der Mensch als Kommunikation erzeugendes Wesen
a) Subjektive Wirklichkeits- und Sinnkonstruktion
b) Soziale Interaktion
Auf einen Blick: Was genau ist Kommunikation?
IN WELCHER WELT LEBEN SYSTEMISCHE DENKER?
1) Die systemische Welt der Kybernetik 2. Ordnung
2) Linear-analytische und systemische Welten im Vergleich
a) Von der Notwendigkeit, Komplexität zu reduzieren
b) Vom Risiko, Komplexität zu reduzieren
c) Vom ganzheitlichen Umgang mit der Komplexität
d) Von der Herausforderung, komplexe Systeme zu steuern
e) Was gute Lösungen ausmacht
f) Weshalb Selbstregulation das wichtigste Steuerungsprinzip ist
Auf einen Blick: In welcher Welt leben systemische Denker?
WAS IST SYSTEMISCHES COACHING MIT NLP?
1) NLP als systemische Methode der Kybernetik 2. Ordnung
Auf einen Blick: NLP als systemische Methode der Kybernetik 2. Ordnung
2) NLP-Coaching als lösungs- und ressourcenorientierte Prozessbegleitung
Auf einen Blick: NLP als lösungs- und ressourcenorientierte Prozessbegleitung
DAS METHODEN-SPEKTRUM DES SYSTEMISCHEN NLP-COACHS
1) Das Methodenverständnis des systemischen NLP-Coachs
2) Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion
a) Mit den Sinnen Wirklichkeit repräsentieren und filtern
b) Filtern durch Metaprogramme
c) Filtern durch Position
d) Filtern durch Zeit
e) Filtern durch Sprache
f) Landkarten als selbsterfüllende Prophezeiungen
Auf einen Blick: Wahrnehmung und Wirklichkeitskonstruktion
3) Kommunikation und (körper-)sprachliche Steuerung
a) Körpersprache bzw. Körperausdruck
b) Gesprochene Sprache
c) Anker, die Sprache der Reiz-Reaktionsmuster
d) Die Kunst, kommunikative Feedbackschleifen zu steuern
Auf einen Blick: Kommunikation und (körper-)sprachliche Steuerung
4) Das System Ich und seine Teile
a) Der Mensch als System
b) Die Team-Dynamik der Teile
c) Die Sprache der Symptome
Auf einen Blick: Das System Ich und seine Teile
DER WEG DER VERÄNDERUNG
1) Das Lernmodell der Logischen Ebenen
2) Die Stufen der Pyramide
a) Der Umwelt ausgeliefert sein
b) Auf die Umwelt re-agieren
c) Wahlen treffen und variieren
d) Mit Sprache die Umwelt verändern
e) Wissen, wer man ist
f) Dem
Ich
einen Platz in der Welt zuordnen
Auf einen Blick: Der Weg der Veränderung
DIE KUNST DES HEBELEINSATZES
1) Das Balancieren der zentralen Hebelkräfte
a) Die Zentralschalter für Veränderung kennen
b) Wahrnehmen und mentales Konstruieren koppeln
2) Der Modeling-Hebel
a) Das Problem-Modell erfassen
b) Probleme als Ressourcen erkennen
c) Das Problem hinter dem Problem finden
3) Der Meta-Mirror
a) In den Lösungsraum steuern
b) Den alten Rahmen sprengen
c) In die Zukunft denken
4) Der Ziel-Hebel
a) Die Vision auf den Punkt bringen
b) Ziele von To Do´s unterscheiden
5) Die Veränderungsformate
a) Beim gewünschten Ergebnis ansetzen
b) Auf der Wahrnehmungsebene verändern
b) 1) Achtsam wahrnehmen
b) 2) Strukturmuster verändern und Reiz-Reaktionskoppelungen auflösen
b) 3) Körpermethoden integrieren
b) 4) Grenzen der Konditionierung erkennen
c) Auf der Wirklichkeitskonstruktionsebene verändern
c) 1) Mit Sprache transformieren
c) 2) Die klassischen Formate einsetzen
c) 3) Formate als Lösungsgeschichten begreifen
c) 4) Verändern mit Aufstellungen
c) 5) Reflecting Teams nutzen
c) 6) Begriffliche mit verkörperter Selbstwahrnehmung integrieren
6) Der Zukunfts-Hebel
a) Ergebnisse in die Zukunft tragen
b) Ressourcen generalisieren
7) Die Hebel in Interaktion
a) Wirkungen potenzieren
b) Wirkungen balancieren
c) Kreativ coachen
Auf einen Blick: Die Kunst des Hebeleinsatzes
DER COACHING-ZYKLUS IM SYSTEMISCHEN NLPCOACHING
1) Das Gespräch vorbereiten
2) Rapport aufbauen
3) Auftrag holen
4) Informationen sammeln und überprüfen
5) Ziel erarbeiten und Ressourcen finden
6) Intervenieren
7) Weitere Schritte festlegen
8) Nach- und Vorbereiten
Auf einen Blick: Der Coaching-Zyklus im systemischen NLP-Coaching
AUSBLICK: KOMMUNIKATION IM ZEITALTER DER KYBERNETIK 2. ORDNUNG
1) Kommunikation als Hardskill
2) Vom Kommunikationsnutzer zum Kommunikator
3) Kommunikatoren in verschiedenen Rollen
4) Denken und Handeln wie ein systemischer NLP-Coach
Auf einen Blick: Kommunikation im Zeitalter der Kybernetik 2. Ordnung
ANHANG MIT ÜBERSICHTEN: METHODEN DES SYSTEMISCHEN NLP-COACHS
Methoden-Übersichten
Themen-Inputs
Praxis-Beispiele
Inspirationen
Transferfragen und Themen-Vernetzungen
LITERATUR
ANMERKUNGEN
STICHWORTVERZEICHNIS
HAFTUNGSAUSSCHLUSS
Das Mögliche eingeschlossen im Unmöglichen: in diesem lebendigen Widerspruch liegt die Pointe der menschlichen Existenz.1
(Hans Egon Holthusen)
Kommunikation ist komplex. Um das zu verstehen, bedarf es keines Fachbuchs und schon gar nicht einer Ausbildung in systemischem Coaching mit NLP. Immer wieder zeigt sich im Alltag, wie eine scheinbar klare Botschaft ganz unerwartete Wirkungen erzeugt – sowohl bei Ihnen selbst als auch bei den Menschen, denen Sie etwas mitteilen wollen. In solchen Momenten zeigt sich, dass unser Bewusstsein den vielschichtigen, systemischen Charakter der Kommunikation nur bedingt kontrollieren kann.
Wenn Sie jedoch lernen möchten, bewusster mit dem komplexen Phänomen Kommunikation umzugehen und Ihre eigenen Kommunikationen wirkungsvoller zu gestalten, so liefern Ihnen die Denkweisen und das Methodenrepertoire eines systemischen NLP-Coachs eine Fülle guter Ideen. Systemisches Coaching mit NLP eröffnet Sichtweisen auf Kommunikation, die ein besseres gegenseitiges Verständnis und gemeinsamen Erfolg ermöglichen.
Diese Perspektiven kommen Ihnen auch dann zugute, wenn Coaching als Beruf nicht im Mittelpunkt Ihres Interesses steht. Denn die Methoden des systemischen Coachings mit NLP sind nicht nur als Know-how für den professionellen Coach nutzbar. Sie eignen sich auch dazu, die eigene private und berufliche Alltagskommunikation auf neue, wirkungsvolle Grundlagen zu stellen, zum Beispiel in der Familie und im Unternehmen. Nicht zuletzt in der Kommunikation mit dem eigenen Selbst profitieren Sie von den ganzheitlichen Methoden, Ideen und Sichtweisen, die im Coaching entwickelt worden sind.
In diesem Buch lernen Sie Coaching als eine kunstvolle Kommunikations-Methodik kennen, mit der Sie leichter Ziele erreichen und gewünschte Veränderungen herbeiführen können. In der Coach-Haltung agieren Sie, wenn Sie mit den Mitteln der (Körper-)Sprache zu Selbstverantwortung und Lösungskompetenz anregen. Diese Haltung können Sie natürlich auch als Elternteil, guter Freund, Lehrer oder Trainer sowie als Führungskraft oder Kollege einnehmen. Je mehr Sie sich in die Philosophie des systemischen Coachings mit NLP vertiefen und die dazugehörigen Methoden üben, umso zielklarer werden Sie und umso häufiger erzielen Sie in der Kommunikation die von Ihnen gewünschte Wirkung. Gleichzeitig werden Sie aber auch umso gelassener und vertrauensvoller damit umgehen, wenn Menschen andere Wege als die von Ihnen bevorzugten gehen.
Wie wirken Coaching-Methoden auf das komplexe Phänomen Kommunikation? Oder umgekehrt: Wie trägt die Coaching-Kommunikation zur produktiven Veränderung bei? Bereits in der Fragestellung wird die Wechselwirkung deutlich, die für Kommunikation charakteristisch ist. Kommunikation ist immer ein reflexives Geschehen. Sie beschreibt einen komplexen Feedbackschleifen-Prozess, in dem Wirkungen weitere Wirkungen erzeugen, die wiederum in Wechselwirkung stehen. Systemisches Coaching mit NLP nimmt dieses Wirkgeflecht in den Blick.
Professionelles Coaching versteht sich als eine hochgradig bewusste Kommunikations-Form, in deren Rahmen der Coach diese (Wechsel-)Wirkungen beobachtet, analysiert und erkannte Wirkfaktoren systematisiert. Parallel dazu baut er Vertrauen auf und lenkt durch gezielte (körper-)sprachliche Rückmeldungen das Denken und Fühlen seines Klienten in eine produktive Richtung. Der Maßstab für diese Produktivität liegt in der Hand des Klienten. Der Coach übernimmt lediglich eine dienende Rolle und stellt für den Zeitraum des Coachings seine eigenen Interessen zurück.
In diesem Sinne kann eine coachende Führungskraft oder ein coachender Freund nicht mit einem professionellen, als Dienstleister honorierten Coach gleichgesetzt werden. Im Gegensatz zum Coach haben sie legitime berufliche oder private Interessen, die in der Beziehung Raum finden dürfen. Ein entwicklungsorientierter Kommunikationsstil aber stärkt in jedem Lebenskontext die gegenseitige Wahrnehmungsfähigkeit und Wertschätzung. Die aktive Form des Zuhörens und Feedbackgebens, die Coaching kultiviert, öffnet Menschen für lösungsorientierte Sichtweisen und fördert Kreativität.
Durch bewusste Rückkoppelungen in und mit Kommunikation schaffen Sie mit coachenden Methoden einen Raum, in dem andere ihr Fühlen, Denken und Handeln spiegeln und zielorientiert erweitern können. Diese Aufgabe gelingt dann am besten, wenn auch Sie immer wieder bereit sind, Ihre eigenen kommunikativen Wirklichkeitskonstruktionen aus der Distanz zu reflektieren. Mit den Fähigkeiten eines Coachs verleihen Sie dem komplexen Prozess der Kommunikation die höchstmögliche Qualität: Von einem Medium wird Kommunikation so zu einer das Lösungsspektrum stark erweiternden Aktion.
Kommunikation als Form des Handelns zu verstehen, setzt eine systemische Betrachtung voraus. In nicht-systemischen, am linear-analytischen Denkstil orientierten Deutungen ist Kommunikation das Transportmedium für fach- und berufsspezifische Fähigkeiten und den mit ihnen verknüpften Handlungsabsichten. Sie gilt als Werkzeug bzw. Softskill im Dienste dieser harten Kompetenzen. So benutzt nach diesem Verständnis ein Ingenieur Kommunikation, um sein Ziel, zum Beispiel ein Konstruktionsprojekt, gemeinsam mit anderen in die Tat umzusetzen. Die systemische Perspektive dagegen nimmt die zirkulären Beziehungen zwischen dem Transportmedium und den Inhalten in den Blick. Sie untersucht, wie Kommunikation Ideen generiert und diese in Wechselwirkung mit fach- und berufsspezifischen Fähigkeiten realisiert.
Aus dieser Warte wird Kommunikation zu Ursache und Wirkung, Inhalt und Transportmedium, Henne und Ei zugleich und damit zur Vorbedingung und zum Merkmal von Leben schlechthin. Als systemischer Coach betrachten Sie Kommunikation als einen Rückkoppelungsprozess zwischen Körper und Geist im Kontakt mit der Umwelt. Sie nutzen Kommunikation als Hardskill, mit dessen Hilfe Menschen mentale Wirklichkeit erzeugen und verändern können. Zugleich erschließen Sie sich ein tiefes Verständnis für komplexe Veränderungsdynamiken und lernen, Methoden zur aktiven Gestaltung der erlebten Wirklichkeit mit großer Bewusstheit zu nutzen.
NLP, das Neuro-Linguistische Programmieren, liefert ein schlüssiges Konzept, um dieses Kommunikationsverständnis in die Praxis umzusetzen. Als eine systemische Methode im Verständnis der Kybernetik 2. Ordnung begreift NLP Kommunikation als die zentrale Handlungskompetenz des Menschen zur systemischen Selbst-Organisation und zur Mitgestaltung der Umwelt. Es vertritt ein ganzheitliches Menschenbild, das die Systemebenen Körper und Geist integriert. NLP vermittelt Ihnen leicht erlernbare Herangehensweisen, mit denen Sie insbesondere den verkörperten Charakter der Kommunikation jenseits der Worte verstehen und nutzen können.
Wenn Sie mit NLP-Methoden Veränderungen bewirken, beginnen diese Veränderungen zunächst bei Ihnen selbst. Die intra-systemische Perspektive ist aus NLP-Sicht der Schlüssel zum Wandel. Positive Veränderungen im Außen, so die Kernidee des NLP, setzen einen Wandel der individuellen mentalen Landkarte in Rückkoppelung mit Körperwahrnehmungen voraus. Gelingt Ihnen (oder anderen) die Umgestaltung der mentalen Landkarte nicht allein, bietet Coaching eine wirkungsvolle Unterstützung auf diesem Weg. Aus NLP-Sicht ist Coaching eine professionelle, an bereits vorhandenen Ressourcen orientierte Prozessbegleitung anderer Menschen zur lösungsorientierten Veränderung ihrer Wirklichkeitskonstruktionen.
In diesem Buch können Sie die professionellen Schritte studieren, mit denen Coach und Klient im systemischen NLP-Coaching in den (körper-)sprachlichen Austausch gehen. Als Prozessbegleiter unterstützt ein Coach Menschen dabei, ihre eigene Weltsicht intensiv zu erkunden und Schritt für Schritt zu transformieren. Auch wenn Sie nicht als Coach tätig sind, erhalten Sie zahlreiche methodische Anregungen, auf welchen Ebenen Sie Menschen in Ihrem Lebensumfeld Impulse zur Gestaltung wünschenswerter Wirklichkeiten geben können. Denn der Kanon der NLP-Veränderungsmethoden ist groß und deckt alle bekannten Lernebenen ab.
Doch nicht die Tools machen nach systemischer Auffassung den Unterschied, der in der Kommunikation wirklich den Unterschied macht. Das entscheidende Kriterium ist die Qualität der individuellen Kommunikation. Eine differenzierte Selbst- und Fremdwahrnehmung, emotionale, geistige und kommunikative Flexibilität, Wertschätzung für andere Weltbilder sowie Wertneutralität gehören ganz wesentlich dazu. Wenn Sie mit (Coaching-)Kommunikation erfolgreich sein wollen, hängt dieser Erfolg nicht zuletzt von Ihrer gereiften Persönlichkeit ab. Insofern werden Sie beim Einsatz coachender Kommunikationsmethoden stets selbst Ihr wichtigstes Werkzeug sein.
Dieses Buch ist eine Einführung in die Denk- und Handlungsweisen eines systemischen NLP-Coachs. Die bereits in großer Vielfalt vorliegenden NLP-Handbücher präsentieren das NLP-Methoden-Repertoire systematisch, jedoch wenig systemisch. Dieses Buch zeigt alternativ, wie Sie den Anspruch des NLP als systemische Methode im Denken und praktischen Handeln konsequent einlösen können.
Wenn Sie NLP-Anwender und Kommunikationsprofi sind, unterstützt es Sie dabei, die systemische Basis des zumeist linear präsentierten NLP-Kommunikationsmodells besser zu verstehen und das NLP in den Kontext weiterer systemischer Methoden einzuordnen. Das Buch verweist auf die Aktualität des NLP-Kommunikationsverständnisses und vermittelt einen ganzheitlichen Methodenansatz, der Körper, Geist und Gemeinschaft einschließt. Hilfreich ist es insbesondere dann für Sie, wenn Sie die NLP-Methoden in der Coaching-Dynamik erleben und den zielorientierten sowie zugleich systemisch-flexiblen Umgang mit NLP-Interventionen trainieren möchten. In diesem Sinne dient es Coaching-Profis als Nachschlagewerk.
Das Buch versteht sich auch als Hinführung für Sie, wenn Sie sich für Kommunikation als Hardskill zur Menschenführung interessieren und auf die Selbstregulationsfähigkeit des Menschen vertrauen. Menschen aus psycho-sozialen Berufen, Gesundheitsberater, Pädagogen, Trainer und Wissensvermittler jeder Art, aber auch Führungskräfte und Projektmanager, die mit Coaching-Methoden führen, HR-Verantwortliche und Personalentwickler, die Einzel- und Teamcoaching als Entwicklungs-Maßnahme einsetzen, Change Manager, die Veränderungsprozesse betreuen, und Kommunikationsverantwortliche, die für den internen und öffentlichen Auftritt der Organisation oder des Unternehmens verantwortlich sind, können von den Denkweisen eines systemischen NLP-Coachs profitieren.
Wenn Sie nach einer Form des Lernens und Veränderns suchen, die Eigenverantwortung und Selbstregulation stärkt, hält dieses Buch umfangreiche Anregungen dazu bereit. Es zeigt, wie Sie die systemische Haltung in der Alltags-Kommunikation sowie in allen NLP-Anwendungen verankern können. Sie trainieren das Bewusstsein für die Relativität der eigenen Landkarte sowie die Fähigkeit, diese durch multiperspektivische Betrachtung zu erweitern. Ihr Bewusstsein für die Allgegenwärtigkeit kommunikativer Rückkoppelung mit den entsprechenden Folgen für die intra-psychische und soziale Ökologie wächst.
Ein Text ersetzt keine Ausbildung im systemischen Coaching mit NLP. Kommunikation ist in erster Linie Praxis und lebendiges Feedback. Der coachende Umgang mit Menschen lässt sich nur im Miteinander und im intensiven Austausch erlernen. Ein Buch aber kann Interesse wecken, Bewusstheit schärfen, Perspektiven erweitern und zum Ausprobieren und Verfeinern anregen.
Die ersten beiden Kapitel legen die Grundlagen für ein systemisches Verständnis der Kommunikation. Sie vermitteln die theoretische Basis, auf deren Grundlage Kommunikation als Hardskill zur Wirklichkeitskonstruktion genutzt werden kann.
Im dritten und vierten Kapitel wird das systemische Coaching mit NLP als Methode vorgestellt, mit der Kommunikation als Hardskill gezielt erlernt und im Coaching-Kontext angewandt werden kann.
Wie entsteht Wirklichkeit und mit welchen Methoden lässt sie sich transformieren? Welche Rolle füllt der Coach aus, und wie können andere Lebensbereiche und Berufsrollen vom Know-how des Coachs profitieren?
Das fünfte Kapitel führt in das Lernmodell des NLP ein und vermittelt die verschiedenen Ebenen, auf denen Menschen lernen und sich entwickeln können. Es zeigt auf, welchen Lernebenen im systemischen Coaching eine besondere Rolle zukommen. Zugleich verortet es Coaching als eine Form des Lernens, die die autopoietische Selbstregulation und Eigenverantwortlichkeit des Individuums in den Mittelpunkt stellt.
Im Kapitel sechs und sieben werden die Methoden des systemischen NLP-Coachs im Einsatz gezeigt.
Wie organisiert der Coach den Coaching-Verlauf, und nach welchen Kriterien setzt er sein umfangreiches Werkzeug ein?
Insbesondere das siebte Kapitel gibt in Form von
Themenvernetzungen
und
Transfer-Fragen
vielerlei Hinweise, wie das Coaching-Know-how aktiv in anderen Lebenskontexten genutzt werden kann.
Das Buch schließt ab mit einer Betrachtung zur Rolle der Kommunikation im Zeitalter der Kybernetik 2. Ordnung, an deren systemischem Verständnis sich NLP orientiert.
Was kann Kommunikation leisten und in welchen Lebensrollen erweist sich Kommunikations-Know-how als besonders relevant? Wie können Menschen privat und beruflich von den Denk- und Handlungsweisen eines systemischen NLP-Coachs profitieren?
Alle Kapitel des Buches enthalten illustrative
Praxis-Beispiele
und informieren in Form von
Themen-Inputs
über Zusammenhänge und wissenschaftliche Hintergründe.
Inspirationen
in Form von Zitatsammlungen zu markanten Begrifflichkeiten der systemischen Denkwelt runden das Buch ab.
Sprache wirkt. An dieser Stelle sei daher darauf hingewiesen, dass mit Coach selbstverständlich sowohl weibliche als auch männliche Coachs gemeint sind. Der Begriff Coaching bezieht sich in diesem Buch, sofern kein weiterer Hinweis erfolgt, auf das systemische Coaching mit NLP. Diese Begriffsverwendung schließt selbstverständlich nicht aus, dass es weitere wirkungsvolle Coaching-Ansätze gibt.
Coaching wendet sich an gesunde Menschen, die zum Zeitpunkt des Coachings in der Lage sind, Eigenverantwortung wahrzunehmen. Coaching ist kein Ersatz für Psychotherapie. Im Zweifelsfall ist es immer sinnvoll, den Rat einer qualifizierten Fachkraft einzuholen.
Dr. Sabine Marquardt, Jahrgang 1961, hat Geschichte, Politik und Anglistik studiert und in Münster i. Westfalen zum Politikbegriff in den gesellschaftlichen Diskursen der Weimarer Republik promoviert.2 Nach einer Laufbahn als PR-Beraterin (DAPR) und Marketing-Leiterin trainiert, coacht und berät sie seit 2005 Unternehmen sowie Organisationen in allen Fragen der Kommunikation (MarquardtKommunikation.de). Zugleich leitet sie als NLP-Lehrtrainerin und Lehrcoach (DVNLP) das Weinheimer Institut NLP Rhein-Neckar (NLP-Rhein-Neckar.de). Ihr Ausbildungsfokus sind Systemische Coaching-Ausbildungen auf der Basis von NLP.
Was genau ist Kommunikation?
Was genau ist Kommunikation? Keine einfache Frage. Wenn die Antwort darauf klar ausfiele, wäre es ein Leichtes, mühelos Verständigung zu erlangen und Kommunikation gezielt zu steuern. Gängige Begriffserläuterungen beschreiben zwar wichtige Aspekte der Kommunikation. Sie zeigen allerdings weder einen Handlungsansatz auf, noch erklären sie, wie Kommunikation in einem umfassenden Sinne verstanden und sinnvoll genutzt werden kann.
Kommunikation ist Verständigung…
Kommunikation wird beispielsweise als Verständigung untereinander, also als ein Akt des gegenseitigen menschlichen Verstehens oder einer Einigung gedeutet. Dem gegenüber stehen die Phänomene von Nicht-, Miss- und Unverständnis. Selbst Gewalt kann ein Aspekt der Kommunikation sein, wie der Name der von Marshall Rosenberg entwickelten Methode der Gewaltfreien Kommunikation signalisiert.3 Verständigung untereinander ist ein Ziel, das nicht jede Kommunikation erreicht. Sie ist Ausdruck eines wichtigen Teilaspekts, aber eben nicht Kommunikation schlechthin.
… sowie zwischenmenschlicher Austausch.
Kommunikation wird aber auch als zwischenmenschlicher Austausch beschrieben. Aus dieser Perspektive treten der wechselseitige Aspekt jeder Kommunikation und das Sich-Aufeinander-Beziehen der Kommunikationspartner in den Vordergrund. Kommunikation erscheint jetzt als Feedbackschleife, als ein Geschehen, in dem Kommunikationen sich gegenseitig bedingen. Es bleibt allerdings offen, was Menschen austauschen, wie das Ausgetauschte entsteht und wie Austausch gelingt.
Kommunikation ist auch Austausch von Information.
In einer weiteren Herangehensweise werden Störungen in der Verständigung zwar berücksichtigt, die Kommunikation aber auf den Austausch von Informationen reduziert. Wohl wegen seiner leichten Handhabung prägte das klassische Informationsaustauschmodell nach Shannon/Weaver, von einigen auch Postmodell genannt, viele Jahrzehnte lang die wissenschaftliche und auch öffentliche Sicht auf Kommunikation.4
Im Informationsaustauschmodell gelten Missverständnisse als Übermittlungsstörungen.
Das Informationsaustauschmodell betrachtet Kommunikation als Auslieferung einer Information analog zur Auslieferung eines Briefs oder zur technischen Übermittlung eines Telefonats. Wenn der Empfänger die gesendete Botschaft nicht richtig versteht oder unerwartet darauf reagiert, spricht das Informationsaustauschmodell von einer Störung oder einem Rauschen. Missverständnisse in der Kommunikation sind demnach Übermittlungsstörungen, die zur Verzerrung von Teilen der Botschaft führen.
Sie entstehen durch Fehler in der Übertragung.
Damit suggeriert das Informationsaustauschmodell, dass es sich bei Kommunikation lediglich um die mehr oder weniger erfolgreiche Übermittlung von Botschaften handelt. Informationen werden vor ihrer Übertragung erzeugt und sind zu diesem Zeitpunkt eindeutig und klar. Was genau zur Übermittlungsstörung der Informationen führt, wird im Modell nicht geklärt. Bessere Kommunikationstechniken aber werden als Hilfe betrachtet, um das Rauschen in der Kommunikation zu minimieren.
So tritt die Reflexivität der Kommunikation aus dem Blick.
Der wechselseitige Charakter der Kommunikation tritt im Informationsaustauschmodell aus dem Blick. Kommunikation wird darin zu einer eindeutigen, in Form von Sprache kodierten Information. Körpersprache bleibt bei dieser Betrachtungsweise außen vor. So kann das Modell zum Beispiel die in der (Körper-)Sprache enthaltene Mehrdeutigkeit der Zeichen, auf der viele Missverständnisse beruhen, nicht erklären. Ich kann Dich nicht verstehen kann eine Aussage über eine technisch mangelhafte Leitung oder über eine andersgeartete Denkweise sein.
Menschen sind dann nur Nutzer, nicht Erzeuger von Kommunikation.
Mensch und Information werden im Informationsaustauschmodell irreführenderweise getrennt voneinander betrachtet. Der Mensch erscheint als Nutzer der Kommunikation, aber nicht als Erzeuger. Kommunikation wird zu einem reinen Medium, mit dessen Hilfe sich der Austausch von Botschaften vollzieht. Demnach müssten Menschen bei korrekter Benutzung und störungsfreier Übermittlung Informationen problemlos austauschen können. Um Verständigung zu verbessern, bauen Anhänger des Informationsaustauschmodells daher auf die Vermittlung von Kommunikationsregeln und Rhetorik-Tools.
Kommunikationen lassen sich nicht vom Sender und Empfänger trennen.
Bereits der Blick auf einfache Alltagskommunikationen zeigt, dass hier eine Verkürzung der Kommunikationssituation vorliegt. Denn in jeder menschlichen Face-to-Face-Kommunikation ist der Sender einer Botschaft zugleich Empfänger. Während er sendet, reagiert er auch auf die Art und Weise, in der der Empfänger körpersprachlich seine Botschaft empfängt. So lädt ein freundliches Lächeln zu intensiverem Kontakt ein. Kommunikation ist stets ein reflexives, sich wechselseitig bedingendes Geschehen. Sie lässt sich nicht wie eine Ware oder ein Werkzeug von den Kommunikatoren trennen.
Themen-Input 1: Das reflexive Kommunikationsverständnis vom linearen Informationsaustauschmodell unterscheiden
Aus systemischer Sicht ist Kommunikation reflexiv. Sie kann als eine Endlosschleife beschrieben werden, in der Kommunikationen auf Kommunikationen wirken und sich wechselseitig bedingen. Der Sender ist immer zugleich Empfänger und umgekehrt. Die liegende Acht, das mathematische Zeichen für Unendlichkeit, soll im Folgenden als Symbol für kommunikative Reflexivität weitere Anwendung finden.
Im Informationsaustauschmodell oder Postmodell wird Kommunikation als Medium zum Übermitteln klarer Botschaften eines Senders verstanden, die durch einen störanfälligen Prozess beim Empfänger verzerrt ankommen können. Sie wird linear gedacht im Gegensatz zum Verständnis von Kommunikation als reflexivem, sich wechselseitig bedingendem Geschehen. Einfache Pfeile symbolisieren im Folgenden das Prinzip nicht-reflexiver Linearität.
Neben zwischenmenschlichem Austausch ist Kommunikation auch ein intrapersonales Phänomen.
Auch aus soziologischer Perspektive verengt sich der Blick auf Kommunikation, weil sie dort vor allem als soziales Phänomen betrachtet wird. Die inter-personelle Kommunikation steht naturgemäß im Mittelpunkt der Soziologie. Setzt man diese Betrachtung jedoch absolut, gerät die intra-personale Seite der Kommunikation aus dem Blick: Jeder kennt innere Prozesse, bei denen Körperempfindungen und Gedanken wechselseitig senden sowie empfangen und aufeinander wirken. Nirgendwo wird täglich so intensiv diskutiert wie im Selbstgespräch.
Inspiration 1: Zur Kommunikation
Paradoxon der modernen Zeit: Die Kommunikationsmittel werden immer besser, doch die Kommunikation wird immer schlechter. (Bertram Jacobi)
Kommunikation besteht im Wesentlichen aus Energieraub und Energiespende. (Andreas Tenzer)
Kommunikation ist die Antwort auf Komplexität. (Markus Miller)
Die einzige Möglichkeit, Menschen zu motivieren, ist Kommunikation. (Lee Iacocca)
Zwei Monologe, die sich gegenseitig immer und immer wieder störend unterbrechen, nennt man eine Diskussion. (Charles Tschopp)
Das Zwiegespräch ist das vollkommene Gespräch, weil alles, was der eine sagt, seine bestimmte Farbe, seinen Klang, seine begleitende Gebärde in strenger Rücksicht auf den anderen, mit dem gesprochen wird, erhält. (Friedrich Nietzsche)
Wenn die Sprache nicht stimmt, so ist das, was gesagt wird, nicht das, was gemeint ist. (Konfuzius)
Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort und dem beinahe richtigen ist derselbe wie zwischen dem Blitz und dem Glühwürmchen. (Mark Twain)
Die wichtigste Technologie ist Zuhören. (Niels Boeing)
Als Kommunikation erzeugendes Wesen kann der Mensch nicht nicht kommunizieren.
Aus kommunikationswissenschaftlicher und neurobiologischer Warte wissen wir heute, dass Menschen Kommunikation nicht nur nutzen, sondern Kommunikation erzeugende Wesen sind. Die berühmte Formulierung des Kommunikationspsychologen Paul Watzlawick bringt dieses Phänomen auf den Punkt: Ständig produzieren wir intra- und inter-personale Kommunikationen. Denn, so Watzlawick, ... jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten, und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.5 Leben heißt Kommunikation.
Dabei lassen sich zwei Aspekte der Kommunikation unterscheiden, die in enger Wechselwirkung miteinander stehen.
Zum einen ist Kommunikation subjektive Wirklichkeits- und Sinnkonstruktion, eingebunden in die ganzheitliche Körper-Geist-Regulation. Zum anderen ist sie soziale Interaktion und damit zugleich handelndes Verändern der Wirklichkeit.
Kommunikation ist Sinnkonstruktion: Die Landkarte ist nicht das Gebiet.
Kommunikation sei hier zunächst als ein komplexer Prozess der Sinnkonstruktion betrachtet, der sich innerhalb des Individuums abspielt. Über unsere Sinnesorgane empfangen wir Daten, aus denen – vereinfacht gesprochen – unser Gehirn eine Art mentale Landkarte der Welt erstellt. Der Prozess der Landkartenherstellung ist ein komplexer Vorgang innerer, Sinn konstruierender Kommunikation. Diese wird so aufwändig erzeugt, dass der Mensch als Kommunikations-Erzeuger diesen Prozess selbst nicht komplett bewusstseinsfähig machen kann.
Es erscheint, als würden wir Welt direkt wahrnehmen.
Im Alltag erscheint es uns so, als würden wir die Welt unmittelbar wahrnehmen, sie hören, sehen oder schmecken. So schnell gelingt es unserem Gehirn, aufgenommene Sinnesreize zu deuten und Sinn aus ihnen zu konstruieren. Was genau im Gehirn ankommt, entzieht sich unserem menschlichen Erkennen. Aus der Neurobiologie wissen wir aber, dass Sinnesreize an eine elektrische Intensität im Gehirn gekoppelt sind.
Stattdessen setzt das Gehirn Sinnesreize in Impulse um.
Die Sinnesorgane verwandeln diese Reize in eine Art internationale bioelektrische Einheitssprache.6 Für Neuronen gibt es nur, wie der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer die bioelektrische Kommunikation des Gehirns beschreibt, Aktivierung und Hemmung durch Impulse.7 Diese Impulse sind inhaltsfrei und verfügen über keine sinnlichen Qualitäten wie Farbe oder Geschmack. Sie stellen lediglich ein Aktionspotenzial dar, das vom Gehirn verarbeitet wird.
Sinneserleben ist immer persönlich gefärbt.
Das Interessante: Ein und derselbe Sinnesreiz wird von jedem Menschen anders verarbeitet oder, um in der Sprache der Neurobiologie zu sprechen, re-repräsentiert. Ein Reiz wirkt also nie objektiv gleich. Nimmt beispielsweise ein Mensch Naturgeräusche in hoher Intensität wahr, kann ein anderer mehr oder weniger taub für sie sein. Die bereits vorhandenen, individuellen neuronalen Strukturen, angelegt in unserer Kindheit, entscheiden über die Intensität eines Reizes. Von diesen Entscheidungen hängt wiederum die Prägekraft weiterer Erfahrungen ab.
Das Gehirn ist plastisch – mentale Landkarten sind wandelbar.
Jede unserer Erfahrungen ist an unsere individuelle neuronale Struktur gekoppelt. Gleichzeitig gilt aber auch, dass sehr starke Erfahrungen ein Leben lang neue neuronale Strukturen prägen können. Unsere individuelle Art der Sinnkonstruktion ist wandelbar. Deshalb bezeichnen Neurobiologen unser Gehirn als plastisch. Es kann jederzeit und in jedem Alter in seinen Strukturen verändert werden.
Es entstehen keine Abbilder der Realität, …
Die bioelektrische Kommunikation unseres Gehirns mittels Impulsaktivierung sowie -Hemmung spiegelt sich in unserem Bewusstsein in Form von Gefühlen, Bildern, Klängen, Sprache sowie Gerüchen oder Geschmäckern, ohne dass wir genau verstehen, wie dieser Übersetzungsprozess funktioniert. Deutlich wird allerdings, dass unsere individuellen Wirklichkeitskonstruktionen keine Abbilder der Realität sind.
… sondern subjektive Repräsentationen.
Unsere Wirklichkeitskonstruktionen sind Sinneskonstrukte, sogenannte Repräsentationen, entstanden in einer komplexen kommunikativen Auseinandersetzung unseres Gehirns mit Impulsen, die auf Sinnesreizen aus der Welt beruhen. Diese Sinnesreize werden wiederum nur wahrgenommen, wenn unsere individuellen neuronalen Strukturen auf sie reagieren.
Kommunikation ist selbstbezogen …
Dieser Kreislauf zeigt, dass unser Gehirn beim Erzeugen mentaler Landkarten selbst-organisierend und, trotz Koppelung an die Umwelt, selbst-bezogen ist. In der Sprache der Systemiker: Wir beziehen uns beim Erleben und Deuten der Welt immer wieder auf uns. Die kommunikative Sinnkonstruktion eines Menschen ist selbst-referentiell.
…und nur zum Teil bewusst.
Um das Bild der Feedbackschleife wieder aufzugreifen: Kommunikation ist ein internaler Feedbackprozess, bei dem zahlreiche Übersetzungsvorgänge stattfinden und eine Vielzahl an Subsystemen des Gehirns und Körpers in Rückkoppelung stehen. Dieses fortlaufende Geschehen ist so komplex, das es mit Hilfe unseres bewussten Denkens nur zum Teil erfasst werden kann. Die Kommunikation mit uns selbst ist uns nur ausschnittsweise bewusst.
Themen-Input 2: Kommunikation als selbst-referentiellen. an die Umwelt gekoppelten, intrapersonalen Prozess erkennen
Kommunikation ist ein selbstbezüglicher bzw. selbst-referentieller, nach subjektiven Kriterien an die Umwelt angekoppelter Prozess. Menschen filtern Sinnesreize nach ihren eigenen Kriterien. Sie setzten sie in eine eigene mentale Landkarte um, um auf Basis dieser Landkarte auf die Umwelt zu (re-)agieren.
Kommunikation ist zuallererst Körpersprache.
Die neurobiologische Embodiment-Forschung bestätigt: An jedem geistigen Prozess des Menschen ist sein Körper beteiligt. Und jeder geistige Prozess setzt den Körper voraus.8 In Abgrenzung zum Kommunikationsverständnis des Informationsaustauschmodells und anderer verkürzender Modelle gilt es, das Verhältnis von verbalisierter Sprache und Körpersprache umzudrehen. Kommunikation äußert sich nämlich zuallererst als eine Sprache des Körpers. Die gesprochene Sprache ist nur eine der menschlichen kommunikativen Äußerungsformen.
Worte machen nur einen Aspekt kommunikativer Wirkung aus.
Der Körperausdruck spricht, ohne dass uns dieser Umstand immer bewusst ist, um vieles lauter als das gesprochene Wort. Eine Studie legt nahe, dass die kommunikative Wirkung nur zu 7 Prozent auf dem gesprochenen Wort beruht, während Körpersprache zu 55 Prozent und Stimmqualität zu 38 Prozent Einfluss nehmen.9 Innere Kommunikationen offenbaren sich im Außen in jedem Moment unseres Daseins in Form körpersprachlicher Hinweise wie Haltung, Muskeltonus, Gestik, Mimik oder Augenkontakt. Die Wirkung des gesprochenen Wortes lebt darüber hinaus von Stimmlage, Lautstärke und Intonation.
Themen-Input 3: Kommunikation als Wechselwirkung zwischen Körper und Geist begreifen
Der Geist ist verkörpert. Kommunikation entwickelt sich immer in einer Feedbackschleife zwischen Körper und Geist. Motorik und Körperausdruck sind zentrale Schlüssel sowohl zur Entstehung als auch zum Verständnis und zur Deutung der gesprochenen Sprache. Daher können Menschen, auch wenn sie keine Worte benutzen, nicht nicht kommunizieren. Immer findet Rückkoppelung statt.
Und auch Worte sind verkörpert.
Aber auch die Sprache selbst ist embodied bzw. verkörpert. Ging man ursprünglich davon aus, dass Bedeutungen kognitiv in einer Art Bedeutungszentrum im Gehirn gespeichert werden, lässt sich inzwischen nachweisen, dass Sprache immer auch motorische Gehirnaktivitäten stimuliert. Sensorische Wahrnehmung und motorische Körperbewegung sind im Gehirn stets durch Schleifen verbunden, was sich sehr gut in die Vorstellung von Embodiment und verkörperter Kognition einfügt.10
Sprachbilder vermitteln Sensorik und Motorik.
Metaphern und Sprachbilder illustrieren diesen Zusammenhang: Beispielsweise gehen wir gerne online, surfen dann durch das Netz und springen bei unseren Erkundungen immer wieder auf interessante Themen an. Die bildhafte Konkretheit unserer Sprache ist zwar auch Ausdruck unserer künstlerischen Kreativität. In erster Linie ist sie jedoch eine Notwendigkeit, die sich aus der verkörperten Kognition ergibt.
Intra-personale Kommunikation ist Körper-Geist-Regulation.
Der kommunikative Prozess der Sinn- und Wirklichkeitskonstruktion ist ein zentraler Aspekt der ganzheitlichen Körper-Geist-Regulation. Denn im Sinn- und Wirklichkeitskonstruktionen erzeugenden Wechselspiel zwischen Körper und Geist geht es in erster Linie um einen Selbstregulationsprozess, der Menschen physisch und psychisch am Leben erhält. Ohne dieses selbstbezogene Kreisen, bei dem bestimmt wird, was im Hier und Jetzt am wichtigsten ist, gäbe es kein Lernen und keine Entwicklung.11
Sie ist komplex und störanfällig.
Der Prozess der Körper-Geist-Regulation bzw. Homöostase ist nicht auf ein statisches, sondern ein dynamisches, für Lernprozesse offenes Gleichgewicht ausgerichtet. Nicht zuletzt deshalb ist die Kommunikation zwischen Körper und Geist ein äußerst komplexes, störanfälliges Geschehen. Sind Menschen zu starken Reizen ausgesetzt, kann kurz- und auch manchmal langfristig eine Überforderung eintreten. Stress hat zur Folge, dass die komplexen Prozesse der kommunikativen Regulation aus dem Gleichgewicht kommen.
Gute Kommunikation stellt Balance wieder her.
In der Folge kann nicht nur das Gleichgewicht des Körpers verloren gehen. Es können auch dysfunktionale mentale Landkarten entstehen, die eine Orientierung in der Umwelt erschweren. Ein einschneidendes Lebensereignis wie beispielsweise der Tod eines Angehörigen verursacht ein hohes Maß an Stress. Ein kommunikatives Wiederherstellen des Gleichgewichts setzt einen ganzheitlichen, Körper sowie Geist integrierenden Prozess voraus. Das Ereignis ist erst verarbeitet, wenn sich durch das Annehmen des Schicksalsschlags der Blick auf Zukunft wieder öffnen kann.
Inspiration 2: Zum bewegten Geist
Was Du Dir abläufst auf dem Schuh, das fließt Dir geistig doppelt zu. (Johann Wolfgang v. Goethe)
Es ist der Geist, der sich den Körper baut. (Friedrich Schiller)
So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung. (Friedrich Nietzsche)
Jede Beredsamkeit muss aus innerer Bewegung stammen, und jede Bewegung verleiht von selber Beredsamkeit. (Joseph Joubert)
Jede Bewegung verläuft in der Zeit und hat ein Ziel. (Aristoteles)
Wer die Welt bewegen möchte, sollte zuerst einmal sich selbst bewegen. (Sokrates)
Es gibt bei uns kaum eine mechanische Bewegung, deren Ursache wir nicht in unserem Herzen finden könnten, verstünden wir es nur recht, sie darin zu suchen. (Jean-Jacques Rousseau)
Kommunikation ist soziale Interaktion.
Kommunikation ist immer zugleich auch soziale Interaktion. Denn während Menschen subjektive Wirklichkeiten konstruieren, treten sie in Beziehung zur Umwelt und den sie in dieser Umwelt umgebenden Individuen. Sie handeln und verhalten sich und erzeugen damit Wirkungen, die wiederum auf ihre Wirklichkeitskonstruktionen zurückwirken. Kommunikation ist eine komplexe intra-personale und zugleich inter-personale Rückkoppelung.
Sie spiegelt einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.
Da Menschen nicht nicht kommunizieren können, findet auch immer soziale Interaktion statt, selbst dann, wenn sie sich scheinbar nicht verhalten wollen oder auf Sprache verzichten. Ein Ausstieg aus der Kommunikation ist nicht möglich. Dafür sorgt der Körper, der seine eigene Sprache spricht, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht. Jede Kommunikation spiegelt über den Inhaltsaspekt hinaus daher auch einen Beziehungsaspekt und lässt erkennen, wie Menschen sich gegenseitig wahrnehmen.
Ihre Bedeutung ist die Reaktion, die wir erhalten.
Von dieser Beziehung hängen die Wirkung und letztlich die Sinnhaftigkeit einer Kommunikation ab. Denn ihre Bedeutung erschließt sich ein Empfänger in Abhängigkeit zur wahrgenommenen Beziehung zum Sender. Ein klassisches Axiom des systemischen Kommunikationsverständnisses lautet: Die Bedeutung unserer Kommunikation ist die Reaktion, die wir darauf erhalten.12Für einen missverstandenen Sender ergibt sich daraus die Notwendigkeit, neben den Inhalten auch seine Beziehung zum Empfänger einer Überprüfung zu unterziehen.
Kommunikation ist reflexive Rückkoppelung, Ursache und Wirkung zugleich.
Kommunikation ist immer Ursache und Wirkung, ein reflexives Geschehen ohne logischen Anfangspunkt.13 Die Frage nach dem Beginn ist daher so müßig wie bei der Frage nach der Henne und dem Ei. Kommunikation ist Rückkoppelung bzw. Feedback. Ohne Rückkoppelung könnte sich weder das System Ich mit seinen Teilsystemen sinnvoll organisieren. Noch wäre es möglich, dass sich selbstbezogene, subjektive Wirklichkeitskonstruktionen in menschlichem Miteinander sowie in der Umwelt bewähren. Ohne Kommunikation ist Leben nicht vorstellbar.
Sie ist Handeln.
Ein weiterer zentraler Aspekt der Kommunikation: Als soziale Interaktion ist Kommunikation eben nicht nur Reden oder eine Art soziales Rauschen, das unser Handeln begleitet. Kommunikation ist Handeln im ursprünglichen Sinne. Ein Handeln, mit dem die Welt verändert werden kann. Ein Ja oder Nein kann das Leben ebenso verändern wie ein Achselzucken, einen entsprechenden Kontext wie einen Heiratsantrag vorausgesetzt.
Themen-Input 4: Kommunikation als subjektive Wirklichkeitskonstruktion und handelndes Verändern der Wirklichkeit betrachten
Kommunikation hat immer zwei Seiten: Subjektive Wirklichkeitskonstruktionen beeinflussen intersubjektive Interaktionen und umgekehrt. Als reflexives Geschehen ist Kommunikation immer Ursache und Wirkung ohne logischen Anfangspunkt.
Kommunikation verändert die Wirklichkeit.
Die Sprechakttheorie beispielsweise untersucht, wie mit Anordnungen, Gefahrenhinweisen, (Ehe-)Versprechen oder zum Beispiel Aufforderungen ebenso aktiv gehandelt werden kann wie mit einem handgreiflichen Akt.14 Mit der Aufforderung, die Geschwindigkeit zu reduzieren, übt die Polizei ein Hoheitsrecht aus. Ein Arzt handelt mit der Empfehlung, an einer abklärenden Untersuchung teilzunehmen.
Kommunikation erschafft subjektive Realität.
Wird Kommunikation als handelndes Verändern der Wirklichkeit bewusst genutzt, ergibt sich eine Vielzahl an neuen Möglichkeiten zur Gestaltung der Welt. Der Mensch erschafft durch Kommunikation nicht nur seine subjektive Realität, sondern er verfügt auch über das Vermögen, diese Realität in Interaktion gezielt zu verwandeln. Durch das Anregen alternativer Wahrnehmungen und produktiver Handlungsformen tragen Menschen zur Neugestaltung der Wirklichkeit bei.
In der Führung ist sie deshalb das Hardskill schlechthin.
Ein erster Schritt zur Nutzung dieses Potenzials liegt im Umgewichten des Stellenwerts von Kommunikation. Aus der Sicht eines Kommunikationsnutzers gilt sie als Softskill (als eine weiche soziale Kompetenz) und wird damit sprachlich gegenüber Hardskills (den spezifischen Berufsqualifikationen) abgewertet. Dabei ist sie in der Menschenführung das Hardskill schlechthin. Menschenführung als Führungskraft, als Pädagoge, als Elternteil oder eben als Coach besteht in wirkungsvoller Kommunikation.
Systemisches Coaching mit NLP erlaubt, wirkungsvolle Kommunikation zu erlernen.
So gut wie jeder kann reden und jeder kann sich verhalten – doch wie lässt sich wirkungsvolle Kommunikation erlernen? Der systemische Coaching-Ansatz mit NLP gibt eine Antwort darauf. Er bietet eine Methode, mit der zentrale Aspekte der handlungsorientierten Kommunikation trainiert werden können:
Wie gute Beziehungen als Voraussetzung für wirkungsvolle Kommunikation entstehen, und wie Sprache und Körpersprache wirken
Wie Kommunikatoren die Verantwortung für ihr Weltbild sowie für die Reaktionen auf ihre Kommunikationen übernehmen, und wie Lernen und Veränderung angeregt werden
Wie die Auswirkungen von Veränderungen systemisch balanciert, und wie Kommunikation als bewusste Rückkoppelung genutzt werden kann.
Kommunikation ist Wirklichkeits- und Sinnkonstruktion, eine subjektive Repräsentation der Welt in Form einer individuellen mentalen Landkarte. Objektive Abbildungen von der Welt kann das Gehirn nicht erstellen. In einem selbst-referentiellen, an Umweltreize gekoppelten Prozess entsteht die jeweils subjektive Wirklichkeit. Kommunikation als subjektive Wirklichkeits- und Sinnkonstruktion ist ein internaler Prozess, an dem der gesamte Körper beteiligt ist. Kommunikation ist verkörpert. Dieser Prozess ist dem Entwickler jedoch selbst nur zum Teil bewusst.
Kommunikation ist außerdem soziale Interaktion und handelndes Verändern der Wirklichkeit. Es ist ein Handeln in Form von (Körper-)Sprache bzw. von Körperausdruck, dessen Bedeutung erst im Miteinander entsteht. Neben dem Inhaltsaspekt steht daher der Beziehungsaspekt der Kommunikation im Vordergrund. Das gilt auch, wenn scheinbar keine Kommunikation besteht.
Menschen können nicht nicht kommunizieren, so wenig wie sie sich nicht nicht verhalten können. Intra- und interpersonale Systeme sind gekennzeichnet durch permanente Rückkoppelung. Kommunikation ist daher nicht nur ein Tool, mit dem wir Wirklichkeit kommentieren. Vielmehr erzeugt sie eine eigene Wirklichkeit, die wiederum durch Kommunikation verändert werden kann.
Kommunikation ist mehr als ein Softskill. In der Menschenführung ist sie das Hardskill zur Erzeugung von Wirklichkeit schlechthin.
Wofür steht der Begriff systemisch?
Kein Leben ohne Kommunikation. So viel wissen wir nun bereits. Was für Kommunikation gilt, gilt folglich für jedes lebende System. Umso wichtiger ist es, einige weitere Implikationen dieses systemischen Weltbildes kennenzulernen. Vorab erweist es sich allerdings als nötig, eine begriffliche Eingrenzung vorzunehmen. Denn der Begriff systemisch, so Arist von Schlippe und Jochen Schweitzer im Lehrbuch der systemischen Therapie und Beratung, weist eine schon beinahe babylonische Bedeutungsvielfalt auf. Alle führen es im Munde und meist tun zwei, die darüber reden, als meinten sie damit das gleiche.15
Die Kybernetik 2. Ordnung betrachtet Realität als Konstrukt.
Unter dem Begriff systemisch wird hier das Weltbild der Kybernetik 2. Ordnung verstanden, das sich in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts ausprägte. Die Kybernetik 2. Ordnung geht vom konstruierten Charakter der Realität aus. Wie im vorangehenden Kapitel dargelegt, begreift sie Wirklichkeit als subjektive Wirklichkeits- und Sinnkonstruktion, entstanden in einem kommunikativen Prozess.
Die Kybernetik 1. Ordnung ist eine Steuerungslehre für technische und soziale Systeme.
Vorläufer dieser Weltsicht und zentraler Schritt zur systemischen Betrachtungsweise ist die Kybernetik 1. Ordnung. Kybernetik (abgeleitet aus dem Griechischen für steuermännisch) bezeichnet die Kunst, Systeme zu lenken. Die Kybernetik 1. Ordnung verstand sich zunächst als Steuerungslehre für technische Systeme. Durch ihren Übertrag auf soziale Systeme bewirkte sie einen bahnbrechenden Wechsel der Beobachtungsperspektive vom handelnden Individuum hin zu sozialen Bezügen.
Sie untersucht Menschen in sozialen Bezügen.
In der Kybernetik 1. Ordnung tritt die Wechselwirkung zwischen Menschen und ihrer sozialen Umwelt in den Fokus. Dieser Denkansatz zeigt, dass jeder Mensch zu jeder Zeit in ein Beziehungsnetz eingebunden ist, das auf ihn wirkt. Nie denkt und handelt er losgelöst von seinem Umfeld, sondern ist über (un-)bewusste Rückkoppelungen immer mit ihm verbunden. Der menschliche Geist ist zutiefst sozial bzw. relational, wie es der Hirnforscher Daniel J. Siegel ausdrückt.16
Der Blick wird vom Individuum auf sein Umfeld gelenkt.
Nach wie vor beziehen sich viele, die den Begriff systemisch verwenden, auf das Verständnis der Kybernetik 1. Ordnung. Sie stellen soziale Systeme unter dem Gesichtspunkt ihrer Einflüsse auf das Individuum in den Mittelpunkt. Aufgrund ihrer Nähe zum analytisch-linearen Weltbild und ihrer größeren Anschaulichkeit besitzt die Betrachtungsweise der Kybernetik 1. Ordnung im Vergleich zur Kybernetik 2. Ordnung eine hohe Alltagsplausibilität. Im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet systemisch daher oft, Probleme oder Ursachen nicht beim Einzelnen, sondern beim sozialen System zu lokalisieren.
Die Kehrseite dieser Sicht: Sie kann Eigenverantwortung schwächen.
Mit dieser Sichtweise kann aber eine neue Einseitigkeit einhergehen. Betont die lineare Denktradition die Rolle des Individuums unter Ausblendung sozialer Bezüge, so schwächt eine systemische Betrachtung im Sinne der Kybernetik 1. Ordnung die Rolle der Eigenverantwortung zugunsten der Umwelt. Frei nach dem Motto: Nicht ich, sondern meine Eltern und die Gesellschaft sind schuld, birgt dieses Verständnis die Gefahr, durch systemische Perspektiven persönliche Verantwortung abzuwerten oder aus dem Blick zu verlieren.
Weil die Kybernetiker 1. Ordnung noch an neutrale Beobachtung glauben, ...
In einem weiteren Sinne weicht das systemische Verständnis der Kybernetiker 1. Ordnung vom systemischen Verständnis der Kybernetiker 2. Ordnung ab. Sie treffen noch keine Unterscheidung zwischen einfachen technischen und komplexen menschlichen Systemen.17 Noch angelehnt an das Verständnis des Informationsaustauschmodells, begreifen sie Kommunikation als Instrument zur Steuerung, mit dem sie Ist-Zustände in bekannte Sollzustände überführen können. So wie Techniker mit Hilfe von Thermostaten die Raumtemperatur regulieren, setzen sie es sich zur Aufgabe, auch in sozialen Systemen Balance wiederherzustellen.
… gehen sie davon aus, dass Steuerung möglich ist.
Ihre Rolle definieren die Kybernetiker 1. Ordnung als die von Beobachtern oder Beratern, die fähig sind, das beobachtete System aus unbeteiligter Warte zu regulieren. Diese Weltsicht entstammt noch der linear-analytischen Denktradition und setzt die Möglichkeit voraus, Realität losgelöst von individueller Sinnkonstruktion erkennen zu können. Der Zugriff auf eine unhintergehbare, objektive Wahrheit über die Welt bleibt uns aber verwehrt, wie wir aus bereits dargelegter neurobiologischer Perspektive heute verstehen.
Themen-Input 5: Den Unterschied zwischen der Beobachtung 2. Ordnung und der Beobachtung 1. Ordnung verstehen
Nach Auffassung der Kybernetik 1. Ordnung kann ein Beobachter das beobachtete System, sei dieses technisch oder sozial, neutral und überperspektivisch beobachten. Beobachtungen im Rahmen der Kybernetik 1. Ordnung werden Beobachtungen 1. Ordnung genannt.
Die Kybernetiker 2. Ordnung gehen dagegen davon aus, dass ihre Beobachtungen auf eigenen Wirklichkeitskonstruktionen beruhen. Nur durch die Beobachtung der Beobachtung (sprich: die Beobachtung 2. Ordnung) entsteht ein dichtes, multiperspektivisches Bild vom beobachteten System.
Systemische Reflexivität schließt Eigenverantwortlichkeit nicht aus.
Es ist daher wichtig, an dieser Stelle begriffliche Klarheit zu erlangen. Systemisch Denken heißt in der Tat, wechselseitige Verbundenheit zu erkennen: Phänomene entstehen durch komplexe intra- und intersystemische Rückkoppelungen. Kommunikative Reflexivität schließt jedoch Verantwortung nicht aus. Verantwortung übernehmen und verantwortungsvoll handeln kann aber im Sinne der Kybernetik 2. Ordnung nur das Individuum.
In der Kybernetik 2. Ordnung ist Kommunikation das zentrale System.
Die Kybernetik 2. Ordnung stellt deshalb wieder das Individuum als zentralen Akteur in den Mittelpunkt. Menschen erschaffen sich aus dieser Sicht ihre individuelle Welt nicht nur durch Kommunikation. Kommunikation ist auch das zentrale System und Medium, mit dem sie die Welt beurteilen und verändern können. Wer wirkungsvoll kommuniziert, verändert immer auch die Realität. In diesem Prozess der Wirklichkeitserzeugung agieren alle Menschen in der bereits erwähnten Feedbackschleife, ohne aus ihr aussteigen zu können.
Kybernetik 2. Ordnung ist Beobachtung 2. Ordnung.
Aus diesem Selbstverständnis heraus beobachten die Kybernetiker 2. Ordnung, wie Systeme ihre Wirklichkeiten konstruieren. In diesem Sinne sind sie Kybernetiker der Kybernetik. Als Beobachter sind sie sich dessen bewusst, dass ihre Beobachtung auf ihren eigenen Wirklichkeitskonstruktionen beruht. Beim Prozess des Beobachtens beobachten sie sich also auch selbst. Aus ihrer Perspektive gibt es nur subjektive Wahrheit, flüssig und flüchtig zugleich. Bewusst und methodisch kontrolliert, nutzen sie kommunikative soziale Interaktion zur Anregung von Veränderung. Die Steuerung sozialer Systeme aus neutraler Perspektive halten sie für unmöglich.
Themen-Input 6: Den paradoxen Charakter der Kommunikation erforschen
Kommunikation ist ein paradoxes Phänomen, denn kommunikative Reflexivität hebt die Regeln der linearen Logik auf. So ist es möglich, dass sowohl das eine als auch das andere zugleich wahr sein kann. In kommunikativen Feedbackschleifen gibt es kein Entweder – Oder, sondern ein komplexes Wechselspiel zwischen scheinbaren Widersprüchen: Menschen leben in der subjektiven Welt ihrer individuellen Wirklichkeitskonstruktionen und sind zugleich zutiefst soziale Wesen. Sie stehen in intensiver Rückkoppelung zu ihren Mitmenschen und können doch gleichzeitig eigenverantwortlich agieren.
Der Familientherapeut und systemische Organisationsberater Fritz Simon, der sich mit Kommunikation in Familien, Wirtschaft und Politik befasst hat, bringt das selbstbezügliche, zirkuläre Prinzip systemischer Prozesse mit dem Begriff der Paradoxie auf den Punkt: Diese Prozesse realisieren allesamt Paradoxien. Man kann ihnen nicht entgehen. Nicht die Zirkelschlüsse sind Trugschlüsse, sondern die Schlüsse, die nicht die Zirkularität solcher Prozesse in Rechnung stellen. Wer lebt, muss mit Paradoxien umgehen. Er erlebt sie in der Regel individuell als Ambivalenzen und Ambiguitäten, als Notwendigkeit zu entscheiden. Wer sich im Alltag auf die zweiwertige aristotelische Logik verlässt, ist von allen guten Geistern verlassen, weil er fast zwangsläufig Landkarte und Landschaft verwechselt.18
Das systemische Kommunikationsverständnis im Sinne der Kybernetik 2. Ordnung behält die Paradoxie im Blick. Es erkennt die soziale Prägung mentaler Landkarten und betont zugleich die Verantwortung des Individuums für seine subjektiven Wirklichkeitskonstruktionen.
Komplexe Systeme erzeugen sich autopoietisch in Auseinandersetzung mit der Umwelt.
Aus einem weiteren Grund ist der Steuerung im Verständnis der Kybernetik 2. Ordnung eine enge Grenzen gesetzt. Im Gegensatz zum Verhalten technischer Systeme ist menschliches Verhalten nicht berechenbar. Denn Menschen haben keine unveränderbaren, fixen Qualitäten, sondern bringen diese in einem ständigen Prozess des Werdens selbst hervor. Sie erzeugen ihre eigenen Eigenschaften und Wahrheiten. Die Selbsterzeugung ist das wichtigste Merkmal der Kybernetik 2. Ordnung und wird nach den Biologen Maturana und Varela Autopoiesis genannt.19
Sie verarbeiten Input nach eigenen Regeln.
Autopoiesis ist der selbst-referentielle Prozess eines geschlossenen Systems mit dem Ziel der Homöostase, der dynamischen Selbstregulation. Ein geschlossenes System entscheidet nach eigenen Regeln, wie der Input aus anderen, mit ihm interagierenden Systemen, verarbeitet wird. In einem offenen System dagegen ist die Homöostase nicht-dynamisch. Ein Motor zum Beispiel nimmt den Input der Umwelt auf und setzt ihn dann in berechenbare Aktionen um.
Kybernetiker 2. Ordnung sind ihrem Selbstverständnis nach immer Coachs, nicht Berater.
Denn in offenen Systemen sind sowohl die Regeln zur Verarbeitung von Input als auch die Sollgrößen zum Ausgleich von Systemen bekannt. Der Experte für das jeweilige System ist in der Lage, durch gezielte Steuerung gewünschte Veränderungen vorzunehmen. Autopoietische Systeme aber lassen sich nicht auf die gleiche Art beeinflussen. In der Kybernetik 2. Ordnung spricht man daher nicht von Beratung, sondern vom Coaching sozialer Systeme. Der Coach setzt durch sein Handeln lediglich Impulse, um die Entwicklung gewünschter Zustände anzuregen.
Menschliches Gleichgewichtsstreben führt zu zu Innovation.
Der evolutionäre Vorteil autopoietischer Systeme ist ihre Wandlungsfähigkeit. Sie sind besonders erfolgreich darin, sich in einer schnell verändernden Welt auszurichten und ihr Überleben auch unter veränderten Umweltbedingungen sicherzustellen. Homöostase geht weit über das Wiedererlangen alter Sollzustände hinaus, wie sie die Kybernetik 1. Ordnung anstrebt. Sie ist offen, innovativ und bringt Neues hervor. Kreative, bislang unbekannte Gleichgewichtszustände entstehen. Menschliches Gleichgewichtsstreben führt aus der Warte der Kybernetik 2. Ordnung zu Innovation.
Menschen sind ausgestattet für Selbstwirksamkeit.
Auf das autopoietische Prinzip gründet sich auch der Optimismus von Therapeuten wie Fritz Perls, Virginia Satir und Milton Erickson. Im Vertrauen auf das Potenzial des Menschen lautete ihr Credo: Menschen verfügen bereits über alle Ressourcen, die sie brauchen, um Probleme zu lösen und Ziele zu erreichen.20 Menschen, aber auch soziale Systeme wie Familien, Organisationen oder Unternehmen, sind ausgestattet für Selbstwirksamkeit.
Methoden-Übersicht 1: Kommunikatives Steuern im Sinne der Kybernetik 2. von der Kybernetik 1. Ordnung abgrenzen
Systemisches Coaching mit NLP versteht sich als Methode im Rahmen der Kybernetik 2. Ordnung. Steuern im Sinne des Konstruktivismus heißt, Anregung zur Selbstregulation zu bieten.
Der Beobachter beobachtet sich selbst und erkennt seine Beobachtung als subjektive Wirklichkeit.
Beobachtung 1. Ordnung:Der Beobachter eines Systems ist in der Lage, objektive Wirklichkeit zu erkennen.
Problemlösung 2. Ordnung:Entwickeln neuartiger Lösungen
Problemlösung 1. Ordnung:Beseitigen von Ursachen, die zur Abweichung von Sollzuständen führen
Ziele: Selbstregulation zur ChancenmaximierungGleichgewichtsstreben bzw. Homöostase als dynamischer, offener ProzessSelbstwirksamkeitStreben nach Ökologie zur Schaffung von Win-WinZiele: Erhaltung von Gleichgewicht (Homöostase)Wiederangleichung von Ist- an SollzuständeMenschliche Systeme sind als geschlossene Systeme nicht berechenbar, und der klassischen Steuerungsidee sind daher Grenzen gesetzt.Hoher Optimismus in Bezug auf die Steuerbarkeit von menschlichen SystemenKommunikation ist verkörpert. Sie ist das zentrale System, das Wirklichkeit erzeugt und verändert.Der entwicklungsorientierte, coachende Führungsstil ist die zentrale Steuerungskompetenz. Er fördert Entwicklungs- und Lösungsorientierung sowie die Eigenverantwortung des Klienten.
Kommunikation ist ein Instrument der Steuerung.Beratung ist die zentrale Steuerungskompetenz. Sie liefert bewährte Lösungen zur Auflösung allgemein bekannter Probleme.
Unsere Weltsicht ist selbst erzeugt.
Wir sind komplexe, uns selbst erzeugende Wesen in Rückkoppelung an unsere Umwelt. Die Erzeugung unserer Wirklichkeit und unser Prozess der Orientierung in der Welt ist ein vielschichtiges Geschehen. Was sich als einfache Wahrnehmung darstellt – der wohlgefällige Blick auf eine schöne Landschaft oder das Erkennen eines Gesichts – gelingt nur durch aufwändige Auswahl- und Übersetzungsprozesse in unserem Gehirn und durch vielfältige Interaktionen mit den Weltsichten anderer Gehirne. Unsere Weltsicht ist selbst erzeugt.
Wie können wir überhaupt etwas wissen?
Wie können wir überhaupt etwas wissen? Wie gewinnen wir die nötige Klarheit, um im Alltag handlungsfähig zu sein? Und wie können wir angesichts einer Fülle an Wahrnehmungen sicher sein, was davon wichtig ist?
Unser Gehirn hat für diesen Zweck drei elegante Lösungen gefunden. Es besitzt die Fähigkeit:
sowohl bewusst als auch unbewusst wahrzunehmen und diese Wahrnehmungen zu verarbeiten, ermöglicht durch den komplex-systemischen Aufbau des Gehirns
(un-)bewusst Wahlen zu treffen zwischen dem, was beobachtet (also wahrgenommen wird) und dem, was unbeobachtet bleiben soll
ganzheitlich-kreative und linear-analytische Prozesse durchzuführen, gegeben durch die Spezialisierung der beiden Gehirnhemisphären in die rechte, eher bildhaftemotional begabte, und die linke, eher sprachlich-logisch begabte Seite.
21
Unbewusste Verarbeitung reduziert Komplexität.
Unser Gehirn ist immer im Einsatz, auch wenn wir bewusst keine Aktivität wahrnehmen. Denn es unterscheidet zwischen unbewusstem und bewusstem Wahrnehmen, Verarbeiten und Wissen. Während unser Bewusstsein sich ganz auf neue, herausfordernde Aufgaben konzentriert, laufen im Hintergrund umfangreiche unbewusste Gehirnaktivitäten ab. Zum einen dient das Gehirn als Autopilot für Routinen. Es führt Standardprozeduren durch, die keiner Aufmerksamkeit bedürfen. Zum anderen ist es ständig unbewusst mit komplexen Verarbeitungsprozessen beschäftigt und erzeugt implizites, das heißt unbewusstes Wissen.
Ebenso die Trennung von In- und Exformation.
Zu den Daueraufgaben des Gehirns gehört es außerdem, (un-)bewusst Wahlen zu treffen zwischen dem, was beobachtet, und dem, was unbeobachtet bleiben soll. Dieser Entscheidungsprozess wird Informations- und zugleich Exformationsprozess genannt. Denn kümmern muss sich unser Gehirn nach einer gefällten Entscheidung nur noch um die Information. Exformation, der Ausschluss oder die Vernachlässigung von Information, bewirkt Komplexitätsreduktion.22
Sprache isoliert Ausschnitte der Wirklichkeit.
Mit Hilfe der Fähigkeiten der linken Gehirnhemisphäre sind wir in der Lage, Komplexität in unserem Bewusstsein noch weiter zu reduzieren. Eine wichtige Möglichkeit dazu und zugleich eine Metapher für die linear-analytische Weltsicht ist die Sprache. Sie bietet durch Wortwahl die Möglichkeit, Ausschnitte der Wirklichkeit zu isolieren, und schafft damit – wie die Autoren Wilhelm Backhausen und Jean-Paul Thommen es nennen – die Illusion der Separierbarkeit.23
Sie stellt einfache Kausalbeziehungen her.
Sprachen verfügen über eine Syntax, also ein je nach Kultur mehr oder weniger strenges, lineares Regelwerk zur Konstruktion von Sätzen mit einer überschaubaren Anzahl von Systemelementen. Zu ihren Spielregeln gehört, dass jeder Satz ein Subjekt, ein Prädikat und ein nicht immer benanntes Objekt umfasst. Sätze suggerieren damit die Fähigkeit, in jedem Fall einen handelnden Akteur und das Objekt seines Handelns zu identifizieren. So entsteht die Illusion, die Wirklichkeit und ihre Wirkfaktoren durch Analysen vollständig erfassen zu können.
Themen-Input 7: Analytisches, logisch-lineares Denken mit Hilfe der Sprache verstehen
Sprache ist die Basis des logisch-linearen Denkens. In einem Satz werden ein Akteur, eine Handlung und zumeist das Objekt des Handelns benannt und in Beziehung zueinander gesetzt.
Die Syntax, die Lehre vom Satzbau, suggeriert uns daher, dass wir aus der Zirkularität der Feedbackschleife aussteigen können. So entsteht die Überzeugung, dass es möglich ist, die Wirklichkeit und ihre Wirkfaktoren durch Analysen zu erfassen und widerspruchsfrei Kausalitäten zu ermitteln.
Durch Sprache wird der Mensch zum denkenden Wesen:Cogito ergo sum.
Kulturellen Ausdruck und klassische Zuspitzung hat diese Idee der Erfassung von Wirklichkeit im 17. Jahrhundert durch die Formulierung des französischen Philosophen René Descartes erfahren. Mit seinem Ausspruch cogito ergo sum – Ich denke, also bin ich – hat er analytisches Denken in Form von Sprache zum Ausgangspunkt des Menschseins gemacht.24 Der Faktor Körper und ganzheitlich-emotionale Aspekte traten nun bei allen geistig-philosophischen Fragestellungen in den Hintergrund.
In Nachfolge Descartes´ wird Analyse überbetont.
Komplexitätsreduktion mittels Sprache, analytischem Denken und der Fokussierung auf das Bewusste erweist sich als ein notwendiger und äußerst erfolgreicher Prozess. Dieser Prozess ist so wirkmächtig, dass wir – vor allem in der westlichen Denktradition – stark aus dem Blick verloren haben, was sich in der Welt nicht durch bewusste, linkshemisphärische Denkoperationen erfassen lässt. Ein Stück weit sind wir daher Opfer unserer eigenen erfolgreichen Schachzüge zur Komplexitätsreduktion.
Die neurobiologische Gegenbewegung heißt: Ich fühle, also bin ich.
Der Neurobiologe Antonio R. Damasio markiert mit dem Motto Ich fühle, also bin ich eine Trendwende.25 Diese leitet keinen irrationalen Rückschritt ein, sondern schafft eine neue, integrative Sicht auf die Möglichkeiten unseres Gehirns. Damasio zeigt, dass wir aus neurobiologischer Sicht zuallererst Körper und eben nicht Denker sind. Den Körper nennt er die Bühne der Gefühle, auf die wir angewiesen sind, um tragfähige Entscheidungen zu fällen.26
Somatische Marker verkörpern implizites Erfahrungswissen.
Ohne einen fühlenden und Gefühle verarbeitenden Körper ist weder Sprache noch sinnvolles Denken möglich. Unser Gedächtnis arbeitet mit einem emotionalen Bewertungssystem, das Körperempfindungen und Emotionen als sogenannte somatische Marker einsetzt. Jede Erfahrung kann über somatische Marker in Sekundenbruchteilen ausgewertet und genutzt werden. Sinnvolle rationale Entscheidungen beruhen grundsätzlich (un-)bewusst auf diesem Erfahrungswissen.
Inspiration 3: Zur Komplexität
Alles ist einfacher, als man denken kann, zugleich verschränkter, als zu begreifen ist. (Johann Wolfgang von Goethe)
Ein Jahr in der Künstlichen Intelligenzforschung reicht, um mich an einen Gott glauben zu lassen. (Alan Perlis)
Wenn Du nicht verwirrt bist, bist Du nicht aufmerksam genug. (Tom Peters)
Einfache Dinge sind enorm komplex. Man betrachte den Satz Ich liebe Dich. (Richard O. Moore)
Die Kunst, weise zu sein, besteht in der Kunst zu wissen, was man besser übersehen sollte. (William James)
Wenn man es einem Sechsjährigen nicht erklären kann, versteht man es selbst nicht. (Albert Einstein)
Reine Analyse dagegen verzerrt Erfahrung und Komplexität.
Ein typisches Beispiel für den Versuch, ein komplexes Phänomen radikal auf einen linearen Prozess zu reduzieren, ist das bereits beschriebene Informationsaustauschmodell der Kommunikation. Aus systemischer und neurobiologischer Perspektive wird Kommunikation durch die in diesem Modell vorgenommene Komplexitätsreduktion verzerrt. So wenig, wie sich der Sinn einer Botschaft allein aus den gewählten Worten des Redners ableiten lässt, so wenig lässt sich Komplexität durch eine überschaubare Anzahl an bewussten Wirkfaktoren und einfachen Kausalbeziehungen sachgerecht reduzieren.
Systemisches Denken nimmt Wechselwirkungen in den Blick.
Systemisches Denken integriert die pragmatischen Vorteile analytisch-linearer Herangehensweisen, lenkt den Blick aber wieder auf eine ganzheitliche Sicht. Im Mittelpunkt steht die Beobachtung von Feedbackschleifen und ihren komplexen Wechselwirkungen. Untersucht werden intra-systemische Feedbackschleifen – die Rückkoppelungen zwischen den Teilen eines Systems –, deren Komplexität sich durch inter-systemische Wechselwirkungen – den Rückkoppelungen zwischen Systemen – enorm erhöht.
Es untersucht Kommunikationsfluss in Systemen.
Zugegebenermaßen: Leichter überschaubarer wird die Welt durch die systemische Perspektive auf den ersten Blick nicht. Denn die einfachen logisch-linearen Regeln der Sprache werden durch diese Betrachtung gesprengt. Doch die Mühe lohnt sich schon allein deshalb, weil alles, was analytisch unbeachtet bleibt, uns in einem anderen Lebensbereich oder einer andersgearteten Kommunikation als Störung (die systemisch Symptom genannt wird) erneut begegnen kann. Denn handelnde Lebewesen können ja nicht nicht kommunizieren.
Dabei achtet es auf Wirkungen von Wirkungen.
Vergleichbar mit dem Aufbau eines Satzes, in dem das Subjekt und seine Objekte in unmittelbarer Nähe stehen, gehen Analytiker davon aus, dass Ursachen und deren Wirkungen im gewählten System-Ausschnitt zu beobachten sind. In ganzheitlicher Perspektive aber zeigt sich, dass diese sich zwar wechselseitig bedingen. Jedoch treten viele Wirkungen in großer Entfernung zum beobachteten System-Ausschnitt auf und sind auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen.
Symptome sind Wirkungen, die auf Ursachen verweisen.
Dieses Phänomen erschwert es beispielsweise einem Mediziner, von einem Körper-Symptom ohne weiteres auf den Körperbereich zu schließen, der die vom Patienten bemerkte Störung verursacht hat. So können Rückenfehlhaltungen, also Symptome, bei dem üblicherweise Orthopäden konsultiert werden, auf eine nachlassende Sehschärfe zurückzuführen sein. Keine orthopädische Maßnahme, sondern unter Umständen eine Brille, ist dann die Lösung der Wahl.
Alles Handeln hat (un-)bewusste und (un-)beabsichtigte Wirkungen, ...
Systemische Betrachter fokussieren daher auf die Wechsel- und Langfristwirkungen in Systemen und Subsystemen. Sie interessieren sich, bildhaft und zugleich praktisch gesprochen, nicht nur für die offizielle Version einer Geschichte. Sie achten auch auf Neben-, Hintergrund- sowie Folgegeschichten. Die unterschwelligen und unbewussten Aspekte eines Handelns spielen dabei genauso eine Rolle wie die Erfahrung, dass die Auswirkungen dieses Handelns durchaus im Widerspruch zu seinem ursprünglichen Sinn stehen können. Das Scheitern bei einer Prüfung beispielsweise kann äußerst ärgerlich sein und doch zugleich neue Türen öffnen.
Themen-Input 8: Die Komplexität und Zirkularität von Wechselwirkungen in Systemen beachten
Systeme sind komplex. Sie bestehen aus zahlreichen Systemebenen, die miteinander in Beziehung stehen bzw. rückgekoppelt sind. Wirkungen in Systemen erzeugen Wirkungen, die wiederum Wirkungen erzeugen. Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge in Systemen sind daher reflexiv bzw. zirkulär. Sie können nicht durch einfache Kausalitäten und proportionale Wirkrelationen erfasst und beschrieben werden.
So wissen wir beispielsweise oft nicht, ob wir uns psychisch schlecht fühlen, weil wir krank sind, oder ob wir krank sind, weil wir uns psychisch schlecht fühlen.
…die nicht im proportionalen Verhältnis zur Ursachestehen.
Ein weiteres systemisches Phänomen, das die Berechenbarkeit von Handeln erschwert, ist die Nichtproportionalität einer Wirkung. Geschult in der Linearität von Mathematik und Sprache und geprägt durch überschaubare Alltagssituationen, gehen wir häufig auch bei komplexen Phänomenen von proportionalen Wirkungen aus. So wie sich ein Apfel und noch ein Apfel zu zwei addieren lassen, erwarten wir von einem zweifachen menschlichen Einsatz eine verdoppelte Wirkung.
Kleine Ursachen können große Wirkungen haben.
Dabei handelt es sich um ein trügerisches Vor-Urteil, wie auch der Volksmund weiß: Kleine Ursache, große Wirkung – oder eben umgekehrt. Ein Vertriebsmitarbeiter zum Beispiel, der vor allem bei kleinen Kunden akquiriert, braucht täglich zahlreiche Besuche, um auf sein Umsatzsoll zu kommen. Geht er stattdessen strategisch auch auf große Kunden zu, kann er seinen Besuchs-Aufwand beträchtlich minimieren.
Wirkungen wirken aufeinander und erzeugen neue Phänomene.
In diesem Zusammenhang sei noch einmal an das Bild der Feedbackschleife erinnert. In einem zirkulären Prozess wirken vielfältige Faktoren aufeinander und verursachen wiederum Wirkungen, die, auch mit größtem Aufwand, nur bedingt vorauszuberechnen sind. Die Wetterforschung ist ein Beispiel dafür. Neben den bereits beschriebenen Aspekten der Rückkoppelung gilt es, hier auch das Phänomen der Emergenz zu erwähnen, das die Vorhersagbarkeit von Wirkungen weiter reduziert.
Koppelungen von Wirkungen bringen neue, emergente Eigenschaften hervor.
Emergenz nennt sich die spontane Bildung neuer Eigenschaften beim Zusammentreffen von Systemen oder Systemteilen, ohne dass sich diese auf Eigenschaften zurückführen ließen, die zuvor zu beobachten waren. Besonders anschaulich ist Emergenz zum Beispiel beim Zusammentreffen chemischer Elemente zu beobachten, die als Molekül über gänzlich neue Eigenschaften verfügen können. Das ist der Moment, in dem es im Chemieunterricht schon mal knallt. Und im Coaching ist dies der Punkt, an dem ein überraschend schneller Wandel beobachtet werden kann.
Feedbackschleifen erlauben es nicht, Kausalfragen abschließend zu klären.
Rückkoppelungen lassen auch die Bedeutung des Kausal-, Schuld- oder Verursacherprinzips in einem neuen Licht erscheinen. Alle in Systemen aufeinander wirkenden Faktoren sind reflexiv und damit immer Ursache und Wirkung zugleich. Die Suche nach dem Schuldigen ist daher ein müßiges Unterfangen. Aus systemischer Perspektive enthebt dieser Umstand allerdings kein Individuum seiner persönlichen Verantwortlichkeit – ein Aspekt, der später noch der Erläuterung bedarf.
Unterscheidungen sind kontingent – es könnte auch ganz anders sein.
Aus einer weiteren Überlegung heraus ist es wenig sinnvoll, Ursachen oder Schuld zu diagnostizieren. Alle kausalen Zuweisungen sind Wirklichkeitskonstruktionen des Beobachters und hängen von seiner individuellen Perspektive ab. Systemisch gesprochen, sind sie kontingent und dürfen nur als Möglichkeiten und zugleich Nichtnotwendigkeiten betrachtet werden.27 Ein anderer Beobachter nähme vielleicht eine andere Wirklichkeit wahr.
Themen-Input 9: Den Spielraum für Veränderungen abschätzen: Die State vs. Trait-Diskussion
Haben wir einen Charakter oder erzeugen wir innere Zustände? In der Psychologie wird diskutiert, in welchem Maße Menschen über stabile Persönlichkeitseigenschaften – sogenannte Traits – verfügen. Traits, so die Auffassung, sind nicht wirklich veränderbar. Menschen lernen zwar dazu und bilden ihren Charakter aus, bleiben aber ihrem Wesen ein Leben lang treu. Im systemischen NLP geht man stattdessen davon aus, dass Menschen autopoietisch innere Zustände erzeugen, States genannt. Auch States mögen durch konditioniertes Verhalten und das Wiederholen von Handlungsstrategien sehr stabil erscheinen. Sie sind jedoch willentlich beeinflussbar: Menschen können nicht nur die Verantwortung für ihre eigenen Zustände übernehmen, sondern sie auch handelnd und lernend verändern. Die Aufgabe des Coachs besteht nicht zuletzt darin, starre innere Zustände zu flexibilisieren und zu vermitteln, wie produktive Zustände bewusst selbst erzeugt werden können.
Hypothesen treten an die Stelle fixer Diagnosen.
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