Königsfluch - Julia Zieschang - E-Book

Königsfluch E-Book

Julia Zieschang

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Beschreibung

Eine arrangierte Ehe, zwei ungleiche Brüder und ein folgenschwerer Fluch. Um seinen jüngeren Bruder zu retten, schließt Prinz George einen Pakt mit einem mächtigen, magischen Wesen. Doch dafür zahlt er einen hohen Preis. Für Celia geht ein Traum in Erfüllung, als sie den späteren König heiraten soll. Kaum im Palast angekommen, entpuppt sich dieser als Albtraum. George ist ihr gegenüber kalt, misstrauisch und unnahbar. Celia versucht alles, um sein steinernes Herz zu erweichen – vergeblich. Trost findet sie lediglich bei Edmund, Georges jüngerem Bruder. Seine Wärme ist ihr einziger Lichtblick im düsteren Schloss, auch wenn er seinen schrecklichen Bruder in Schutz nimmt. Doch ihre wachsenden Gefühle füreinander bringen Celia in höchste Gefahr – denn sie ist weiterhin dem König versprochen. Als Celia schließlich hinter das Geheimnis kommt, das wie ein Schatten über dem Palast liegt, fasst sie einen gefährlichen Entschluss. Doch dieser Mut könnte ihr eigenes Schicksal besiegeln ... Die Vorgeschichte zu "Königsblau" enthüllt die dunkle Vergangenheit von König Blaubart – eine düster-romantische Neuinterpretation voller Intrigen, verbotener Gefühle und tödlicher Wahrheiten.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Titel

Impressum

Inhaltswarnung

Widmung

Ein Märchen

1.Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

Epilog

Danksagung

Vita

Julia Zieschang

KÖNIGSFLUCH

Impressum

GedankenReich Verlag

N. Reichow

Neumarkstraße 31

44359 Dortmund

[email protected]

www.gedankenreich-verlag.de

KÖNIGSBLAU

Text © Julia Zieschang, 2025

Cover: Phantasmal Image

Lektorat: Christiane Geldmacher

Korrektorat: Silke Maria Hill

Covergrafik © shutterstock

ISBN 978-3-98792-130-8

© GedankenReich Verlag, 2025

Alle Rechte vorbehalten.

Der Verlag behält sich das Text- and Data-Mining nach § 44b UrhG vor, was hiermit Dritten ohne Zustimmung des Verlages untersagt ist.

Dies ist eine fiktive Geschichte.

Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen

sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Inhaltswarnung

Diese Märchenadaption ist dunkel und düster, manchmal auch blutig.

Wenn du das Originalmärchen von König Blaubart kennst,

ahnst du vielleicht bereits, was dich in Königsblau erwartet.

Solltest du dich entscheiden, in meine dunkle Märchenwelt

voller finsterer Geheimnisse einzutauchen,

sei dir gewiss, dass du darin auch Gewalt begegnen wirst.

Für

Alle,

die der

Zauber von Märchen

nie ganz losgelassen hat.

Ein Märchen

~Verloren gegangener Teil des Gedichts~

Ein Märchen wie viele,

Schon oftmals gelesen.

Und doch wie kein zweites,

So anders im Wesen.

Was bleibt, wenn die Schönheit vergangen ist?

Ein Mädchen ohne Jugend und hübschem Gesicht.

Das Leben in ihrem Innern lässt sie erstrahlen;

Und wird ein Leuchten in ihre Augen malen.

Ein Märchen wie viele,

Schon oftmals gelesen.

Und doch wie kein zweites,

So anders im Wesen.

Ein Held, der seine Schwester zu retten versucht;

Mit edlen Absichten sein Möglichstes tut.

Blaubart ist schlimmer, als manch einer glaubt;

Ein einziger Albtraum, der Leben raubt.

Ein Märchen wie viele,

Schon oftmals gelesen.

Und doch wie kein zweites,

So anders im Wesen.

Eine Rose so hübsch wie sie stachlig ist;

Die Neugier sie treibt, obwohl sie‘s besser wüsst‘.

Den Schlüssel sie nimmt, trotz Verbot;

Was sie findet ist Leid und höchste Not.

Ein Märchen wie viele,

Schon oftmals gelesen.

Und doch wie kein zweites,

So anders im Wesen.

Prolog

»Claire!« Atemlos kam Ric vor ihr zum Stehen. »Ich habe dich überall gesucht. Wieso liegst du nicht in deinem Bett? Hast du vergessen, was der Hofarzt gesagt hat?«

Claire wandte ihren Blick von der Glasfront des Wintergartens ab und betrachtete ihren Ehemann in der Uniform des Anführers der königlichen Bogenschützen. Nur ihretwegen hatte er seine derbe Jägerkleidung gegen eine Uniform getauscht. Er sah darin stattlich aus und weniger wild, aber immer noch wie ihr Ric. Die kantigen Gesichtszüge, die ausgeprägten Wangenknochen und das breite Kinn. All das war Claire inzwischen so vertraut geworden, als wäre es ihr eigenes Gesicht. Schwarze Locken umspielten seine Stirn. Das Zentrum bildeten seine aquamarinblauen Augen, die sie sorgenvoll ansahen.

Claire seufzte tief. »Wie könnte ich das? Du erinnerst mich ja nur täglich zehnmal daran.«

Rics Augen verengten sich, aber Claire wusste, es war vor allem die Sorge um sie, die ihn veranlasste, ärgerlich wegen ihres Verhaltens zu sein. »Und weshalb hältst du dich dann nicht an seine Anweisungen? Er hat dir strikte Bettruhe verordnet.«

»Hast du gewusst, dass dies hier der Lieblingsort meiner Eltern im Palast gewesen ist?«, fragte Claire anstelle einer Antwort. Sie sah sich im Wintergarten mit seinen prächtigen Palmen und den vielen Orchideen in den unterschiedlichsten Farben um. Hier hatten sich Ric und Claire verlobt und seitdem war es auch ihr Lieblingsplatz.

»Nein, aber ich kann verstehen, wieso. Trotzdem solltest du dich schonen. Komm, ich begleite dich in deine Gemächer.«

Claire drehte sich zu Ric und strich ihm eine dunkle Locke aus der Stirn. »Ich bin schwanger, nicht krank.«

»Hochschwanger«, korrigierte er sie mit Blick auf ihren kugelrunden Bauch.

Claire legte beide Hände ins Kreuz. »Ich brauchte einen Ortswechsel. Kannst du dir vorstellen, wie langweilig es ist, den ganzen Tag auf die Decke des Himmelbettes zu starren?«

»Es ist ja nur noch von kurzer Dauer.« Besänftigend legte Ric eine Hand auf Claires Bauch und streichelte ihn liebevoll. »Außerdem habe ich da etwas, das dir Zerstreuung bringen wird. Oder vielmehr, der König hat etwas.«

»Vater hat etwas für mich?«

Ric lächelte, als er das neugierige Funkeln in Claires Augen bemerkte. Er bot ihr seinen Arm an und Claire hakte sich unter, um sich von ihm in ihre Gemächer geleiten zu lassen.

»Was ist es?« Claire zuckte zusammen, als das Kind sie fest gegen den Bauch trat.

Ric blieb sofort stehen. »Ist alles in Ordnung? Soll ich den Arzt rufen lassen?«

»Das Kind ist nur ein wenig unruhig. Das hat es sicherlich von seinem Vater.« Entschieden machte Claire einen Schritt nach vorne.

Den restlichen Weg setzten sie schweigend fort. Claire dachte an ihre Hochzeit vor fast einem Jahr und wie glücklich sie gewesen war, dass Ric sich ihr zuliebe entschieden hatte, ein schnöseliger Edelmann zu werden. Seine Wortwahl — nicht ihre.

In ihren Gemächern wartete bereits ihr Vater auf sie und so wie er im Raum umher tigerte, war er, genau wie Ric, höchst besorgt um Claires Gesundheit.

»Wo treibst du dich nur wieder herum?«, fragte König Edmund, noch ehe die Tür hinter ihnen geschlossen war.

»Ich bin nur in den Wintergarten gegangen.« Claire schritt zu ihrem Bett und Ric half ihr dabei, sich hinzusetzen.

Er häufte eine Menge Kissen in Claires Rücken an, sodass sie aufrecht sitzen konnte.

»Im Wintergarten also.« Der Blick des Königs trübte sich. Ohne Zweifel dachte er an seine verstorbene Ehegattin.

»Weshalb wolltest du mich sprechen, Papa?«, fragte Claire betont fröhlich, um die traurigen Gedanken ihres Vaters zu verscheuchen.

»Es gibt etwas, das ich dir geben möchte. Es befindet sich schon seit geraumer Zeit in meinem Besitz, aber ich fand einfach nie den richtigen Zeitpunkt.« Der König begann vor Claires Bett auf- und abzulaufen. »Du erinnerst dich an den Ring?«

Claire verzog das Gesicht bei der Erwähnung des verhassten mattschwarzen Rings mit den drei Amethysten. Ärgerlicher als beabsichtigt, fuhr sie ihren Vater an: »Wie könnte ich das nicht? Ich war über drei Jahre lang gefangen in der Gestalt einer alten Frau.«

Der König kam zu ihr ans Bett und setzte sich an das Fußende. Nachdenklich fuhr er mit der Hand über die kunstvoll bestickte Überdecke. »Ich war nicht ganz ehrlich zu dir. Als der Ring verschwand, da wusste ich, was damit passiert war.« Schuldbewusst senkte er das Haupt.

»Ihr habt es gewusst?«, fragte Ric und raufte sich die Haare. »Wir haben tagelang den Palast nach ihm durchsuchen lassen. Alle waren in wildem Aufruhr und Claire hatte furchtbare Angst, er könne in die falschen Hände gelangt sein!«

Claire warf Ric einen warnenden Blick zu, um ihn zum Schweigen zu bringen. Sie griff nach der Hand ihres Vaters, weil sie spürte, dass er ihren Zuspruch brauchte. »Warum erzählst du mir das ausgerechnet jetzt?«

»Weil ich finde, du solltest es erfahren, bevor euer Kind zur Welt kommt. Dann verstehst du vielleicht, was Mutterliebe anrichten kann und weshalb deine Mutter nicht mehr unter uns weilt. Einige Dinge waren selbst mir nicht bekannt. Ich wusste nicht, was sie getan hatte, um dich zu beschützen.« Der König entzog ihr seine Hand und schlug sie sich vors Gesicht.

Seine Schultern bebten und Claire wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. Ihr Vater hatte nicht mehr geweint seit dem Tag, an dem ihre Mutter verstorben war.

»Ich verstehe nicht.« Hilflos legte sie eine Hand auf seine Schulter und drückte diese. »Was ist denn los?«

»Entschuldige bitte.« Der König wandte sich ab, zog ein Stofftaschentuch hervor und tupfte sich die Augen damit. »Damals, als sie kam, um den Ring ihrer Schwester zurückzufordern, da kannte ich nicht die Zusammenhänge. Weder wusste ich, dass der Ring von ihr stammte, noch, was deine Mutter getan hatte.« Der König machte eine Pause, um sich zu sammeln.

»Von wem sprecht Ihr?«, fragte Ric und trat neugierig näher.

»Von der Seherin. Sie kam in den Palast und machte mir ein Angebot. Sie sagte, ihre Schwester wolle eine alte Schuld begleichen. Ich verstand nicht, wovon sie sprach. Welche alte Schuld? Die Seherin gab mir ein magisches Buch. Sie nannte es Märchenbuch. Im Gegenzug dafür wollte sie den Ring zurückhaben. Ich gab ihn ihr, weil ich froh war, das verfluchte Ding loszuwerden, das meiner Tochter so viel Kummer beschert hatte. Die Seherin erklärte mir, dass sich in dem Buch alle bereits erfüllten Schicksale in geschriebener Form befänden. Es wäre das Gegenstück zu dem Teppich, denn es würde aufzeigen, wohin die einzelnen Schicksalsfäden tatsächlich geführt hätten und wie einzelne Knoten sich aufgelöst hätten. Du kannst mir glauben, ich habe kein Wort von dem verstanden, was sie zu mir sagte.« Der König klopfte mit der Hand auf die Überdecke, dann erhob er sich mit einem Stöhnen und schlurfte zur Fensterbank.

Claire folgte ihm mit ihrem Blick, wie er ein dickes, in dunkles Leder gebundenes, Buch in die Hände nahm und damit zu Claire zurückkehrte. Vor ihrem Bett blieb er stehen, zögerte einen kurzen Augenblick, ehe er ihr das Buch reichte. Es wog schwer in Claires Armen, weshalb sie es auf ihrem Bauch abstützte. Wozu hatte sie schließlich diese riesige Kugel?

Andächtig strich sie über die goldenen Lettern auf dem Ledereinband, die das Wort Märchen bildeten. Das Leder hatte ein paar Risse, die Ecken waren abgenutzt. Auch der Einband wies einige Kratzer auf und an manchen Buchstaben war die goldene Farbe abgeblättert.

»Was sind Märchen?«, fragte Claire.

»Besondere Geschichten, die, sobald sie zu ihrem Ende kommen, in dem Buch auf magische Weise erscheinen. Das zumindest hat die Seherin zu mir gesagt.« Der König kratzte sich am Ohr.

Claire starrte ratlos auf das Buch. »Mir erklärt sich immer noch nicht, weshalb die Seherin, wie du sie nanntest, dir ein solches Buch gegeben hat und weshalb ich es lesen soll?«

»Du wirst es verstehen, wenn du erfahren hast, was damals wirklich passiert ist. Vor deiner Geburt meine ich.« Der König holte tief Luft. »Es ist von größter Wichtigkeit, dass du die Wahrheit kennst. Die Wahrheit über mich, deine Mutter und George.«

George … So hatte Bluebeard schon lange niemand mehr genannt, überlegte Claire.

»Was ist das für eine Wahrheit?«, fragte Ric mit deutlicher Anspannung in der Stimme. »Wird es sie aufregen?«

»Ich hoffe nicht. Zumindest nicht allzu sehr.« Der König verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere.

»Mach dir keine Gedanken, Ric.« Claire schlug das Buch auf und strich über die erste vergilbte Seite.

Ric stellte sich so zu ihr, dass er ebenfalls einen Blick hineinwerfen konnte.

»Rotkäppchen«, las Claire die Überschrift, die aus verschnörkelten Buchstaben bestand. »Ist es das?«

»Nein, es ist die vorletzte Geschichte. Die Märchen erscheinen in der Reihenfolge, wie sie beendet wurden.« Der König räusperte sich und rieb sich das Ohrläppchen.

Daraufhin blätterte Claire das Märchenbuch von hinten durch und erstarrte, als ihr auf den Seiten ihr eigener Name ins Auge stach. Sie hielt inne, las ein paar Zeilen und sämtliche Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie blätterte zum Beginn des Märchens.

»Königsblau.« Das Wort war kaum mehr als ein Hauch. Es war erschreckend und schön zugleich, dort in Worte gefasst zu lesen, was ihnen widerfahren war. Der Anfang des Märchens lautete: »Was die Dunkelheit zuvor verborgen hatte, kam ans Licht. Bluebeards schauriges Geheimnis offenbarte sich vor ihnen und der Anblick war so entsetzlich, dass es Rosalie den Magen umdrehte. Es übertraf alles, was sie sich jemals in ihren schlimmsten Fantasien ausgemalt hatte.«

»Das ist unsere Geschichte«, stellte Ric fest und riss ihr beinahe das Buch aus der Hand. »Dort«, er deutete auf die ersten Zeilen. »Das ist Rosalie. Aber wie ist das möglich?« Ric sah fragend zum König.

Auch Claire hielt den Atem an. Den Namen von Rics Schwester auf dem alten Blatt Papier zu lesen, war weit mehr als merkwürdig. Ein ungutes Gefühl machte sich in Claire breit. Obwohl sie selbst Teil dieser Geschichte war, wollte sie die Ereignisse lieber nicht noch einmal vor ihrem inneren Auge aufleben lassen. Zu schaurig und auch traurig war das, was ihnen allen widerfahren war. Unwillkürlich dachte Claire an Poppy und eine Träne rann aus ihrem Augenwinkel, die sie sich verstohlen wegwischte. Die kleine Blumenelfe fehlte ihr so sehr!

Der König blickte beunruhigt zwischen den beiden hin und her. »Wie ich schon sagte, es ist ein magisches Buch. Grämt euch nicht darüber, dass eure Geschichte dort geschrieben steht. Freut euch, denn es bedeutet, dass ihr euer glückliches Ende bekommen habt.«

Claire und Ric tauschten einen Blick. Sie dachten beide dasselbe: Zwar hatten sie ihr ›Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage‹ bekommen, doch der Preis dafür war hoch gewesen.

Claire blätterte zurück bis zum Anfang der nächsten Geschichte. Sie fuhr die Buchstaben mit dem Zeigefinger nach, ehe sie wisperte: »Königsfluch.« Sie blickte zu ihrem Vater auf. »Das ist sie, nicht wahr? Eure Geschichte. Die von Mama und dir.«

»Ja, und es ist wichtig, dass du sie liest. Danach verstehst du, weshalb alles gekommen ist, wie es gekommen ist.«

Erneut traten Claire Tränen in die Augen, was sie auf ihre Schwangerschaft schob. Ständig brach sie ohne Vorwarnung in Tränen aus und mehr über ihre Mutter zu erfahren, die Claire jeden Tag schmerzlich vermisste, machte sie sentimental. »Danke, Papa. Ich werde es jetzt gleich lesen.«

»Ich hatte gehofft, du würdest das sagen. Und so wird dir die Zeit im Bett wenigstens nicht lang.« Der König machte Anstalten zu gehen.

»Soll ich bei dir bleiben oder möchtest du alleine sein?«, fragte Ric.

»Ehrlich gesagt, wäre ich lieber alleine.« Claire wollte ungestört in die Geschichte eintauchen können und sich ihrer Mutter nahe fühlen.

»Gut.« Ric beugte sich zu ihr hinunter, strich ihr eine goldene Haarsträhne hinters Ohr und hauchte ihr einen Kuss auf die Stelle zwischen Ohr und Wange, ehe er gemeinsam mit dem König ihre Gemächer verließ.

Sobald Claire alleine war, holte sie tief Luft und versuchte sich zu sammeln für das, was sie gleich erfahren würde. Ein aufgeregtes Kribbeln durchflutete sie, denn sie ahnte, dass die Geschichte ihrer Mutter nicht weniger spannend sein würde als ihre eigene.

Claire betrachtete die erste Seite von Königsfluch, deren Ecken mit wunderschönen Ornamenten verziert waren, genau wie die Überschrift, um die sich Ranken wanden. Mit dem Zeigefinger fuhr sie die feinen Linien eines der verschnörkelten Ornamente nach. Das Papier fühlte sich an den Rändern abgegriffen und speckig an, doch die Tinte war gestochen scharf, als wären die Worte eben erst geschrieben worden.

Claire senkte den Blick und begann zu lesen.

1. Kapitel

Das Grün und Blau hatte etwas Farbe auf ihre blasse Haut gezaubert. Am liebsten hätte er auch den Rest ihres Körpers gesehen, aber der Arm hatte reichen müssen. Er konnte es sich auch so vorstellen. Das herrliche Muster, das die Erbse auf ihren Körper gemalt hatte.

George – zwei Jahre zuvor

»Pst, nicht so laut!« Milla kicherte. »Was, wenn uns jemand hört?«

Ihr Lachen war für George das schönste Geräusch auf Erden. Niemand konnte so bezaubernd lachen wie sie. »Du machst dir zu viele Gedanken«, sagte George und fing wieder an, sie zu küssen. Seine Lippen streiften ihre Wange, wanderten zu ihrem Ohr, in das er hinein raunte: »Hier draußen gibt es nur uns beide. Das ist unser geheimer Ort.«

»Ich weiß, trotzdem habe ich immer Angst, seit dein Vater …«

»Sch, sch.« George legte ihr seinen Zeigefinger auf die vollen Lippen. Er wollte jetzt nicht darüber reden, wie sein Vater vor einem halben Jahr herausgefunden hatte, dass George nur deshalb keine Prinzessin heiraten wollte, weil er Milla liebte. Beinahe hätte der König es geschafft, die beiden Liebenden zu trennen. Obwohl George ihn auf Knien angefleht hatte, es nicht zu tun und geschworen hatte, die Beziehung zu beenden, hatte dem König das nicht gereicht. Er hatte zur Strafe Georges Bruder Edmund auspeitschen lassen, während er selbst dabei zusehen musste. Das war die Art ihres Vaters, sicherzugehen, dass George sich an die Abmachung hielt.

Seitdem waren die beiden vorsichtiger und kamen sich nur noch hier, an ihrem geheimen Ort, näher.

Milla schlang ihre Arme um seinen Hals und George zog sie näher an sich heran, weil er es nicht ertragen konnte, wenn auch nur ein Hauch von Luft noch Platz zwischen ihnen fand. Ihr Kuss vertiefte sich und wieder einmal erstaunte es George, wie perfekt ihr Mund auf seinen zu passen schien, wie exakt sich ihr Körper in die Mulden und Kurven seines Körpers schmiegte. Als wären sie zwei zusammengehörige Teile eines Ganzen.

Ohne ersichtlichen Grund unterbrach Milla den Kuss und lehnte sich mit einem frustrierten Seufzen zurück.

»Was bedrückt dich?« George betrachtete Milla mit einem Stirnrunzeln. Ihre Lippen waren prall und die Augen strahlend. Das braune Haar fiel ihr in glänzenden Wellen über die Schultern. Millas Körper war kurvig und kräftig, was an ihrer Arbeit als Küchenmagd liegen mochte. Sie musste jeden Tag schwere Töpfe schleppen und kiloweise Kartoffeln kleinschneiden.

»Ich habe gehört, dein Vater unternimmt Anstrengungen, eine passende Partie für dich zu finden.«

Augenblicklich verdüsterte sich Georges Miene. Das war ein Thema, über das er lieber nicht sprechen wollte. »Vater kann machen, was er will. Ich werde niemand anderen heiraten als dich.«

»Du weißt, das würde er nicht zulassen.«

Milla klang dabei so niedergeschlagen, dass George sofort die Arme um sie schlang und sie an sich zog. Milla lehnte ihren Kopf an seine Schulter, während er über ihr Haar strich. »Ich werde verzichten, das habe ich dir doch gesagt.«

»Das wird nicht funktionieren. Der König wird niemals zulassen, dass du auf den Thron verzichtest, um eine Küchenmagd zu heiraten. Eher lässt er mich beseitigen, wenn du nicht anders zur Vernunft zu bringen bist.«

Zu Georges Bestürzung sammelten sich Tränen in Millas Augen. »Das wird er nicht. Ich habe dir mein Wort gegeben, dich zu beschützen und dieses Versprechen werde ich halten. Du weißt, wie ernst es mir damit ist.«

Milla schüttelte den Kopf. »Lass uns nicht länger darüber reden, wir sollten die Zeit genießen, die uns noch bleibt, bis …«

»Bis was?«, hakte er nach, als Milla nicht weitersprach.

»Du weißt schon.«

»Nein, tue ich nicht.«

Milla legte den Kopf in den Nacken und sah zu ihm auf. Ihre Unterlippe bebte. »Bis Edmund stirbt. Er wird es nicht schaffen. Das ist dir bewusst, nicht wahr?«

George presste die Lippen fest aufeinander. Sein Bruder lag im Sterben, aber er wollte es nicht wahrhaben. Edmund durfte nicht sterben. Sein kleiner Bruder hatte sich auf einem Jagdausflug eine schwere Verletzung unterhalb der Rippen zugezogen. Die Wunde hatte sich entzündet und Wundbrand ausgelöst.

»Nach allem, was ich gehört habe, steht es wirklich schlecht um ihn.« Milla blickte ihn eindringlich an, ihre vollen Lippen waren einen Spalt breit geöffnet und George musste sich zusammenreißen, um sie nicht erneut zu küssen.

»Ich werde das verhindern«, presste er hervor. »Edmund wird nicht sterben.«

»Und wie willst du das anstellen? Selbst der Hofarzt ist ratlos, was seinen derzeitigen Zustand betrifft. Nur ein Wunder kann ihn jetzt noch retten.«

»Ganz genau.« Georges Blick verfinsterte sich, während er an Milla vorbei auf die Lichtung starrte.

Millas Augen huschten wachsam über sein Gesicht, registrierten jede seiner Gefühlsregungen. »Was hast du vor?«

Georges Kiefer verhärtete sich. Es war kein guter Plan, aber es war der einzige, den er hatte. »Du kennst die Geschichten von der Unke?«

Schlagartig wich sämtliche Farbe aus Millas Gesicht. Ihre Augen weiteten sich besorgt. »Nein, George, tu das nicht. Das ist es nicht wert.«

»Dann weißt du also, was man sich über die Unke erzählt«, erwiderte er düster.

»Mich dünkt, das wäre keine gute Idee. Eine ganz und gar schreckliche, um genau zu sein.«

George spürte, wie er ärgerlich wurde. Verstand sie nicht, dass er es um ihrer beider Willen tun musste? »Ich tue es doch für uns, damit wir zusammen sein können! Wenn ich dabei noch das Leben meines kleinen Bruders rette, wie könnte es das dann nicht wert sein?«

»Ich kenne die Geschichten, die sich um die Unke ranken«, murmelte Milla unheilvoll. »Sie ist das mächtigste magische Wesen und sie erfüllt jedem, der sie findet, einen Wunsch. Aber George«, ihre Stimme nahm an Dringlichkeit zu, »die Unke ist ebenso ein Symbol für Wiedergeburt und Tod. Im Gegenzug für jeden gewährten Wunsch, muss etwas sterben. Und für dich als Thronerben wird sie einen besonders hohen Preis haben.«

Millas Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen winzig klein. George legte ihr besänftigend eine Hand an die Wange und streichelte die zarte Haut mit seinem Daumen. »Wenn du mir versprichst, mich immer zu lieben, egal, was ich dafür tun muss, dann wird kein Preis jemals zu hoch für mich sein.«

In diesem Moment schien es ihm, als blicke Milla direkt in sein Innerstes. George musste ein Schaudern unterdrücken. Wie sehr er dieses Mädchen liebte, es schon immer getan hatte, seit sie mit vierzehn als Küchenmagd an den Palast gekommen war. Inzwischen waren zwei Jahre ins Land gezogen und er selbst war vor wenigen Monaten neunzehn geworden. Es war nur natürlich, dass sein Vater darauf drängte, den Thronerben zu vermählen, aber George verzichtete lieber auf seinen Titel als auf das Mädchen, das er liebte.

»Natürlich werde ich dich immer lieben. Es wird nie einen anderen für mich geben. Selbst wenn du eines Tages eine Prinzessin heiratest und ich nie mehr als deine Mätresse wäre, so wäre ich dennoch glücklich. Bitte, George, überlege es dir noch einmal, ob du dich nicht doch besser dem Willen deines Vaters beugst.«

George schüttelte den Kopf. Wenn er sich etwas vorgenommen hatte, war er stur wie ein Ochse und niemand konnte ihn davon abhalten. »Du weißt, ich muss es tun. Für Eddy und für uns.«

Etwas schimmerte in Millas Augenwinkel und sie wandte hastig den Kopf ab.

»Weinst du etwa?«, fragte George und Bestürzung lag in seiner Stimme.

»Nein.« Milla wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Es ist nur so ein Gefühl. Etwas Schreckliches wird passieren, wenn du zur Unke gehst. Ich will das nicht.«

»Meine süße kleine Milla. Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen. Es wird alles gut werden. Ich verspreche es dir.« George meinte jedes seiner Worte ernst. Ihm waren Versprechen heilig und er war sich sicher, dass alles, was er sagte, der Wahrheit entsprach.

Er umfasste ihr Kinn und drehte sanft ihren Kopf zu ihm, damit er sie noch einmal küssen konnte.

Milla ließ es zu und George war einmal mehr wie berauscht davon, wie süß sie doch schmeckte, seine Milla.

George hatte kaum einen Schritt an den Palastwachen vorbei ins Innere gemacht, da fing James ihn ab.

»Wo habt Ihr gesteckt?«, fragte er und fügte dann in Hinblick auf die Wachen hinzu: »Prinz George.«

James kam einem Freund hier am Palast am nächsten. Obwohl James sein Diener war, störte dies weder George noch ihn. Die beiden waren von Kindesbeinen an zusammen aufgewachsen und es war immer klar gewesen, wer welche Rolle innehatte.

»Was gibt es?«, antwortete George mit einer Gegenfrage, da er nicht das Bedürfnis verspürte, James darüber zu informieren, dass seine Lippen noch ganz wund von den vielen Küssen waren, die er mit Milla getauscht hatte.

»Es geht um Prinz Edmund. Sein Zustand hat sich erneut verschlechtert. Der Fieberwahn hält ihn fest in seinem Griff. Er kommt gar nicht mehr zu sich.«

»Bei allen Flüchen dieses Landes!«, stieß George hervor. »Ich muss zu ihm.«

Um keine Zeit zu verlieren, rannte er los. Sein Plan stand ohnehin fest. Er würde nur eben nach Eddy sehen und sich dann unverzüglich auf den Weg machen, um die Unke zu finden. Die Vorkehrungen dafür hatte er schon vor einiger Zeit getroffen, trotzdem hatte er es so lange wie möglich hinausgezögert. Er hatte gehofft, Eddy würde von allein wieder genesen, aber nun war klar, das würde nicht geschehen. Gottes Plan war es, seinen kleinen Bruder zu sich zu holen, aber George hatte seine eigenen Pläne und Gott würde diese nicht durchkreuzen!

Während er durch die endlos langen Gänge lief, bis er den Westflügel erreichte, dachte er darüber nach, weshalb er nicht schon viel eher losgeritten war. Vielleicht glaubte ein Teil von ihm ebenfalls, was Milla sagte und befürchtete, es würde ein schlimmes Unheil geschehen, wenn er die Unke aufsuchte. George schüttelte diesen Gedanken von sich ab. Zweifel konnte er sich im Moment nicht leisten.

Als er leise das Zimmer seines Bruders betrat, ertrug er kaum dessen geschwächten Anblick. Blass wie der Tod lag Eddy in seinem Bett. Die Bettdecke verdeckte nur unzureichend, wie dünn und abgemagert sein Körper inzwischen war. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. George tunkte das Tuch in die Schüssel mit kaltem Wasser und tupfte ihm vorsichtig den Schweiß vom Gesicht. Ein gequältes Stöhnen entwich Eddy. Er rollte den Kopf hin und her und seine Augen flatterten, gepeinigt von einer seiner fiebrigen Wahnvorstellungen.

»Du sollst nicht länger leiden müssen, Eddy«, sagte George mit gedämpfter Stimme. Er hoffte, die Worte würden zu seinem Bruder durchdringen. »Aber nicht Gott wird dein Leiden beenden, sondern ich. Ich werde dir ein Heilmittel besorgen und alles, was du tun musst, ist bis dahin am Leben zu bleiben. Hörst du? Atme, Eddy, atme und kämpfe weiter. Nicht mehr lange und du hast es überstanden. Das verspreche ich dir.«

George legte seine Hand auf die abgemagerte Schulter seines Bruders und drückte diese leicht. Das Flattern seiner Augenlider ebbte ab, als hätte Georges Berührung Eddys Geist entspannt und die Wahnvorstellung verscheucht. Mit diesem tröstlichen Gedanken wandte George sich ab und verließ die Gemächer seines Bruders, um seine eigenen aufzusuchen.

Schon bald hatte er alles Nötige zusammengepackt, was er für den mehrtägigen Ritt benötigte. Jetzt musste er nur noch aus dem Palast kommen, ohne dass jemand von seinen wahren Absichten erfuhr. Am allerwenigsten sein Vater, der König.

Draußen im Innenhof lief James auf ihn zu. »Wo wollt Ihr hin?«

Natürlich hatte dieser sofort durchschaut, dass sich George auf direktem Weg zu den Ställen befand. Seine Reitkleidung hatte vermutlich ihr Übriges dazu beigetragen.

»Das geht dich nichts an. Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten«, brummte George.

»Ihr seid meine Angelegenheit«, insistierte James. »Ich bin Euer Diener, schon vergessen?«

»Wie könnte ich das?« George lachte.

»Ausgezeichnet. Ich wiederhole: Wo wollt Ihr hin?« James musterte ihn mit einer Mischung aus Besorgnis und Entschlossenheit.

»Schwöre, dass du es niemandem verrätst«, forderte George.

»Ich schwöre.«

»Ich mache mich auf den Weg, die Unke zu finden und ein Heilmittel für Eddy einzufordern.«

James sah aus, als würden ihm gleich die Augäpfel rausspringen. »Ihr macht Witze!«

»Sehe ich aus, als würde ich spaßen?« George schritt unbeirrt auf die Stallungen zu.

»Das könnt Ihr nicht tun. George, ich bitte Euch, seid doch vernünftig. Ihr kennt doch die Geschichten über die Wünsche, die die Unke erfüllt. Sie alle enden mit Tod und Verzweiflung. Es kommt nichts Gutes dabei heraus, die Unke aufzusuchen.«

»Du klingst wie Milla. Ihr beide solltet euch zusammentun und die Gemeinschaft der Feiglinge gründen«, entgegnete George.

»Sehr witzig!« James schnaubte. »Mir scheint, Milla besitzt einen Funken mehr Verstand als Ihr.«

George funkelte ihn wütend an.

»Warum sucht Ihr keine Blumenelfe? Das ist weit weniger gefährlich.«

George warf ihm einen Blick aus zusammengekniffenen Augen zu. »Du weißt wieso. Die Elfen gelten schon seit Jahrzehnten als ausgestorben und selbst wenn sich noch irgendwo eine herumtreiben würde; sie zu finden könnte Monate dauern. So viel Zeit hat Eddy nicht mehr.«

Inzwischen hatten sie den Stall erreicht. George stieß die Tür auf und stapfte zu seinem Pferd Reaper — einem Rappen, dessen Fell so schwarz war wie Georges Haar. Am Halfter führte er das Pferd hinaus ins Freie, wo er es anband, um Sattel und Zaumzeug zu holen. Unterdessen ließ er James’ Schimpftirade an sich abprallen.

Nachdem George Reaper gesattelt hatte, befestigte er links und rechts zwei prall gefüllte Taschen. Sein Schwert trug er an einem Gürtel bei sich, so wie eine Armbrust auf seinem Rücken.

George stieg mit einem Fuß in den Steigbügel und schwang sich auf sein Pferd.

»Gibt es nichts, was ich noch sagen kann, um Euch von diesem törichten Unterfangen abzuhalten?«, jammerte James.

»Rein gar nichts.« George lächelte schmal. »Sei mir ein guter Freund und kümmere dich während meiner Abwesenheit um Eddy. Und erfinde irgendeine Geschichte für meinen Vater.«

James stöhnte und rieb sich die Stirn. Er hatte sich in seinem jungen Leben schon zu häufig eine Geschichte für den König ausdenken müssen. Immer dann, wenn George beschlossen hatte, eine Auszeit vom Palastleben wäre angebracht.

»Dir fällt schon etwas ein«, sagte George gutgelaunt und drückte seinem Rappen die Fersen in die Flanke.

Reaper setzte sich in Bewegung und im Schritttempo näherten sie sich dem Tor.

»Viel Glück!«, rief James ihm hinterher.

Sobald die Palastmauern hinter ihnen lagen, galoppierten sie los. In einem rasenden Tempo flogen Wiesen und Felder an ihnen vorbei und erst, als sie den Wald erreichten, zügelte George sein Pferd und in einem gemächlichen Trab verschwanden sie zwischen den dichten Bäumen.

Den Weg zur Unke zu finden, war nicht das Problem. Jeder wusste von der Höhle, in der sie angeblich hauste. Glaubte man den Geschichten, dann begann die wahre Prüfung beim Eintritt in ebendiese. Dort galt es, gefährliche Rätsel zu lösen, und es wurde gemunkelt, dass diese tödlich enden konnten. Wer es jedoch bis zur Unke schaffte, der wurde belohnt, indem sie ihm einen Wunsch gewährte. Das vermochte nur die Unke als mächtigstes magisches Wesen. Gleichzeitig war sie auch ein Symbol für Reinkarnation und Tod, aber darüber würde George sich Gedanken machen, wenn er ihr gegenüberstand. Er war neugierig darauf, wie die Unke tatsächlich aussehen mochte. Ob ihre Haut wie in den Geschichten, die man sich erzählte, von einem leuchtenden, gefährlich aussehenden Muster bedeckt war? Oder waren es doch Warzen, wie aus anderen Quellen berichtet wurde? Manche sagten, die Pupillen der Unke seien dreieckig, andere behaupteten, sie seien herzförmig.

Es dämmerte, als George den Wald verließ und in der Talsenke eine Siedlung entdeckte. Er war nun schon seit einigen Tagen unterwegs und hatte die meiste Zeit im Wald gejagt und geschlafen, um keine Zeit zu verlieren. Er trieb Reaper den schmalen Weg hinab und fand im Dorf ein kleines Wirtshaus, in dem er die Nacht verbringen konnte. Ein Bursche kümmerte sich um sein Pferd und führte es zur Tränke, während George es sich im Inneren des Wirtshauses gemütlich machte und sich eine warme Mahlzeit bestellte. Der Wirt servierte sie ihm und George machte sich hungrig darüber her. Er versenkte seinen Löffel im Kartoffelbrei, als sich eine verhüllte Gestalt zu ihm setzte. Ihr Gesicht wurde von einem purpurnen Kopftuch verdeckt, das nur die Augen freiließ. Merkwürdig violette Augen, die wirkten, als wären sie nicht von dieser Welt.

»Ihr seid auf einem gefährlichen Weg.« Auch ihre Stimme war rätselhaft, verriet sie doch nichts über das Alter der Frau, der sie gehörte. Sie klang jung und alt zugleich.

George zuckte mit den Achseln und wandte sich seinem Essen zu.

»Prinz George, Ihr beschreitet einen Weg ohne Wiederkehr. Er wird Euch verändern und es wird nicht zu Eurem Besten sein.«

Langsam ließ er den Löffel sinken. »Woher wisst Ihr, wer ich bin?«, fragte er mit wachsendem Misstrauen. Wer war diese Frau?

»Ich bin eine Seherin. Und ich sehe für Eure Zukunft blau. Königsblau.«

»Na, so lange es nicht schwarz ist«, sagte George und trank aus seinem Humpen Bier.

»Hört auf mich und kehrt um. Vielleicht könnt Ihr Euer Schicksal noch abwenden.«

Mit einem dumpfen Geräusch stellte er den Krug auf dem Tisch ab. »Niemand kann seinem Schicksal entkommen. Das solltet Ihr als Seherin am besten wissen.« George war sich nicht sicher, ob er amüsiert oder vielmehr beunruhigt über das Gerede der Frau sein sollte.