Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Als Richard Sorge 1918/19 an der Universität Hamburg seine Doktorarbeit über die Tarife des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine schrieb, war die weitere Entwicklung des Tarifsystems völlig unklar: Würde die über gut 15 Jahre entwickelte Tradition der regelmäßigen Verhandlungen zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaften Bestand haben und weiter entwickelt werden können, oder würden an die Stelle Regelungen eines sozialistischen Rätesystems treten? Sorge hat an den Beispielen der Tarife des ZdK mit der Bäckergewerkschaft und dem Verband der Handels- und Transportarbeiter beschrieben, nach welchen Gesetzmäßigkeiten Tarifverhandlungen ablaufen und welche Handlungsspielräume die Tarifvertragsparteien haben. Es war die erste Untersuchung dieser Art, von deren Aussagen viele noch heute Gültigkeit besitzen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 267
Veröffentlichungsjahr: 2013
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Konsumgenossenschaften: Wegbereiter der Flächentarifverträge
Richard Sorge - Die Reichstarife des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine
Books on Demand
Vorwort
I. Teil - Die freien Gewerkschaften und der Zentralverband Deutscher Konsumvereine
II. Teil - Die Entwicklung der Reichstarife mit dem Verbande der Bäcker, Konditoren und Berufsgenossen Deutschlands
III. Teil - Die Entwicklung der Reichstarife mit dem Verbande der Handels- und Transportarbeiter Deutschlands
IV. Teil - Garantien für Sicherung und Durchführung des Tarifwerkes
V. Teil - Das Tarifwerk in der Revolution
Richard Sorge hat im Zweiten Weltkrieg den Sowjets den Zeitpunkt des Angriffs der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion verraten und kann darum wohl als einer der größten Spione seiner Zeit bezeichnet werden, Er hat seinen Kopf im Kampf gegen Hitler riskiert und ihn verloren. Dieses Buch soll an ihn erinnern und ihm Ehre erweisen.
Es handelt sich bei dem vorliegenden Text um die 1919 bei der Universität Hamburg eingereichte Doktorarbeit über die Reichstarife des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine. Es war damals die erste Untersuchung zu diesem Thema. Viele ihrer Forschungsergebnisse haben ihre Gültigkeit bis heute behalten.
Schriften zur konkreten Tarifpolitik in bestimmten Branchen sind selten. Das liegt daran, dass der Erfolg oder Misserfolg bei Tarifverhandlungen von der Berücksichtigung vielfältiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Bezüge abhängt. Einer der wichtigen Faktoren ist dabei der Verlauf der internen Willensbildung der jeweiligen Tarifparteien, insbesondere ihrer Meinungsführer. Diese Willensbildung wird nicht auf dem offenen Markt diskutiert, weshalb schließlich die jeweilige Motivation für einen bestimmten Tarifabschluss oder für die Aufnahme eines Arbeitskampfes wissenschaftlich nur schwer zu erfassen ist. Die Besonderheit des vorliegenden Textes liegt darin, dass er mitten in den revolutionären Umbrüchen der Jahre 1918 und 1919 geschrieben wurde, als völlig unklar war, ob das von Arbeitgebern und Gewerkschaften in den vorhergehenden Jahrzehnten aufgebaute Tarifsystem Bestand haben würde und weiterentwickelt werden könnte, oder ob es von einem sozialistischen Rätesystem nach dem Vorbild der bolschewistischen Sowjetunion beiseite gewischt werden würde.
Die Konsumgenossenschaften haben, anders als viele andere Genossenschaften, von der Gründung ihres eigenständigen Verbandes im Jahre 1903 an auf gute Beziehungen zu ihren Beschäftigten und deren Gewerkschaften Wert gelegt. Dazu gehörte von Anfang an die Bereitschaft des ZdK zum Abschluss von Tarifverträgen, was von vielen anderen Arbeitgeberorganisationen noch grundsätzlich abgelehnt wurde. Die Konsumgenossenschaften waren stolz darauf, Vorreiter bei guten Arbeitsbedingungen zu sein. Belüftung, Belichtung, Lärmschutz, Hygiene, sanitäre Anlagen waren in den Konsum-Betrieben oft vorbildlich. Das Gleiche galt für die Gewährung von Urlaub, für die Begrenzung der Arbeitszeit und der Nachtarbeit. Für die Bäcker, die unter den besonders schlechten Arbeitsbedingungen des Handwerks litten, waren die Arbeitsbedingungen beim Konsum manchmal geradezu eine Offenbarung, und das wurde auch nicht verschwiegen. Gleichwohl waren die Tarifverhandlungen des ZdK mit ihrem Verband nicht immer ein Zuckerschlecken, denn natürlich konnte man sich die Welt noch besser vorstellen.
Die Herausgabe der Arbeit Richard Sorges geschieht gemeinsam durch die Heinrich-Kaufmann-Stiftung des ZdK und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, bei der der Verband der Bäcker, Konditoren und verwandten Berufsgenossen Deutschlands eine der wesentlichen Vorläuferorganisationen darstellt. Man kann geradezu sagen, dass der Verband der Bäckergesellen in den Großbäckereien des Konsum zur Industriegewerkschaft geworden ist.
Wir danken der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg für die Überlassung einer Kopie der sehr brüchigen Dissertation und Nuray Oruc, die es unternommen hat, die oft nur mit Mühe lesbare Kopie abzuschreiben. Der Text wurde redaktionell bearbeitet und insbesondere um einige Entwurfsfassungen der Tarife gekürzt.
Hamburg, Dezember 2010
Franz-Josef Möllenberg
1. Vorsitzender der Gewerkschaft
Nahrung-Genuss-Gaststätten
Dr. Burchard Bösche
Vorstandsmitglied der Heinrich-Kaufmann-Stiftung
des Zentralverbandes Deutscher Konsumgenossenschaften e.V.
Die gemeinsame Arbeit, die der ZdK mit den freien Gewerkschaften in der Ausbildung der reichstariflichen Verträgen geleistet hat, lässt auf ein besonderes Verhältnis beider zu einander schließen, dass wie noch gezeigt wird, durchaus kein zufälliges sein kann.
Bei der Beurteilung der Stellung der freien Gewerkschaft zu den Genossenschaften kommen nur solche in Frage, die den Gewerkschaften als Organisationen der Arbeitnehmer ein Interesse abgewinnen können. Also nur solche Genossenschaften, die Arbeiter als Arbeitnehmer beschäftigen können. Hier kommen praktisch hauptsächlich die Konsumgenossenschaften in Betracht und unter diesen als ihre Hauptvertreter die des ZdK.
Die Stellung zu diesem Verbande ist eine von der zu den privaten Erwerbsunternehmungen, die den Gewerkschaften Interesse abgewinnen können, durchaus verschiedene. Kann die Stellung der freien Gewerkschaften diesen letzteren gegenüber gekennzeichnet werden als eine stark gegnerische, wobei beide Parteien den festen Willen zeigen, dem Gegner gegenüber das eigene Interesse möglichst weitgehend durchzusetzen, so zeigt die Stellung der Gewerkschaften zu den Konsumverein manchen anderen wesentlichen Zug.
Stellen auch die privaten Erwerbsunternehmungen die Hauptvertreter des modernen Wirtschaftslebens dar, so ist immerhin Raum geblieben für andere Unternehmensformen mannigfaltiger Art: die Gemeinnützigen, Staatsbetriebe und genossenschaftliche. Die Stellung der freien Gewerkschaften zu diesen ist nun, wenn auch ein Lohnverhältnis zwischen diesen und den beschäftigten Arbeitern besteht, verschieden je nach Art und Wesen oder je nach Momenten, die z.B. bei Staatsbetrieben berücksichtigt werden müssen. Doch unter allen fällt das Verhältnis der freien Gewerkschaften zu den Konsum- und Produktivgenossenschaften, besonders aber zu denen des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine wegen seiner Eigenart auf. Die Genossenschaften schlechthin und hauptsächlich für uns wichtig, die Konsumgenossenschaften, haben sich wie jede andere Form des Wirtschaftslebens entwickelt aus dem notwendigen Bedürfnis nach einer neuen Form, die nicht mehr in alte gezwängt werden konnte. Wohl haben manche Genossenschaften rechtlich ein anderes Aussehen und für manche Zwecke lässt sich eine Genossenschaft unter anderen rechtlichen Bindungen begreifen, doch nicht wenn sie sich ganz spontan eine neue Form zu ihrem neuen Inhalt schaffen. Man könnte hier hinweisen auf das durchaus nicht neue einer Genossenschaft, die vielleicht mit zu den ältesten Gesellschaftsformen gehört, doch sind die modernen Genossenschaften und besonders die Konsumvereine nicht etwa eine neue Aufnahme alter Fäden, sondern Neuschöpfungen des vergangenen Jahrhunderts. Neuschöpfungen, dies besagt schon neue Formen und neuer Inhalt. Und diesen wirtschaftlichen Unternehmungsformen gegenüber scheinen die Gewerkschaften nahezu ihren Kampfcharakter abgestreift zu haben und aus den entschlossen vorgehenden und bei einigermaßen günstiger Lage zu Machtmitteln schnell greifenden Organisationen sehen wir solche geworden, denen auch andere Wesenszüge inne zu wohnen scheinen. Wir sehen sie auf Kongressen und Verbandstagen dem Zentralverband gegenüber nicht bloß stürmische Forderungen aufstellen, sondern Resolutionen fassen, die ihre Interesse am Wachsen und Gedeihen der Genossenschaften erkennen lassen. Und sie bieten den Genossenschaften Gegenleistungen an, die über den Rahmen eines nur einigermaßen friedlichen Verhältnisses hinausgehen. Hier sind Züge zu bemerken, die scheinbar durchaus nicht zu den vorhin gezeichneten Bildern der kampfbereiten Gewerkschaften passen wollen, Rücksichtnahme und Anerkennung der Bedingungen und Grundsätze bei den Verhandlungen, ein Zurückstellen von Forderungen, die auf der Gegenseite als zu weitgehend erklärt werden und das Vermeiden möglichst jeden Bruches, sind hier durchgehend anzutreffende Erscheinungen. Und ein Teil der Wünsche und Hoffnungen betreffs des Verhältnisses der freien Gewerkschaften zu den wirtschaftlichen Unternehmungen überhaupt, von denen gehegt, die in den Gewerkschaften ein bedeutsames Mittel zu sehen glauben, entscheidend mit zuwirken an der Lösung der sozialen Frage, scheinen hier in die Tat umgesetzt zu sein.
Und doch besteht auch hier ein Arbeitsverhältnis mit Arbeitnehmern und -gebern, das zum mindesten äußerlich sich kaum merklich von den privaten Erwerbsunternehmungen unterscheidet. Auch hier sind Direktoren und Leiter und Aufsichtsbeamte, die nicht etwa von Arbeiterausschüssen gewählt oder Arbeiterräten gestellt sind. Auch hier hängen Ordnungszettel und Dienstanweisungen aus, auf die der einzelne Arbeiter bei der Abfassung kaum jemals irgendwelchen Einfluss ausgeübt hat. Weiter haben auch die Genossenschaften möglichst ein Interesse rationell zu wirtschaften, Rückvergütungen zu zahlen und vermehrte Ausgaben durch besondere Zuwendung an die Arbeiter und Angestellten zu vermeiden. Dem unbefangenen Zuschauer scheint kaum ein Unterschied zwischen den privaten Erwerbsunternehmungen und diesen Genossenschaften zu herrschen, und doch ist es gerade dieser Unterschied, der die eigenartige Stellung der freien Gewerkschaften den Genossenschaften des ZdK gegenüber wesentlich erklären kann.
Mit der bloßen Erklärung einzelner Gegner, besonders der kleinhändlerischen Kreise, die Konsumvereine und zwar die des Zentralverbandes seien ebenso politisch gefärbte, sozialdemokratische Gebilde, scheint uns der Grund kaum aufgedeckt, vielmehr scheint das Verhältnis beider durch andere Bedingungen notwendig und erklärbar zu sein. Es muss vorher aber noch eine Klarstellung unternommen werden, die gleichzeitig auch von Bedeutung für die Erkenntnis der Gründe dieses Verhältnisses sein wird. Bei allen Äußerungen von gewerkschaftlicher Seite über die Konsumgenossenschaften scheint ganz stillschweigend angenommen zu werden, dass für diese Konsumgenossenschaften eigentlich nur die des ZdK gemeint sind. Nur wenige Gewerkschaftler geben vorher eine diesbezügliche Erklärung, die bei den anderen vorausgesetzt ist. So erklärt Fleissner: „Wir beziehen uns absichtlich nur auf Vereine des ZdK, weil er die modernste und bedeutendste Konsumvereinsorganisation Deutschlands repräsentiert, auf die es ankommt.“ Trifft dies auch zu, so kann dies doch nicht der einzige Grund für das ausschließliche Interesse der freien Gewerkschaften dem Zentralverband gegenüber sein. Die weiteren Erklärungen werden in der Theorie und in dem Wesen der Konsumvereine und der des ZdK zu finden sein, die nicht nur die mordernsten, sondern auch die reinsten Züge einer Konsumvereinsbewegung aufweisen. Hierdurch wird uns nicht nur klar werden, weshalb die Offiziere und Beamten und sonstigen speziellen Konsumvereine den Gewerkschaften kein Interesse abgewinnen können, sondern auch zum größten Teil alle anderen Verbände, die nicht ganz so einseitig auf ähnliche Kreise zugeschnitten sind. Die Bedürfnisse nun, die die Genossenschaften ins Leben gerufen, waren solche, die durch alte Wirtschaftsformen nicht gedeckt werden konnten, es waren Bedürfnisse, die die Volksmassen zu aller erst und am stärksten empfanden im Kampfe um ihre immer schwächer werdende Machtposition. Das ich hier an die Rochdaler Pioniere, an die armen Weber denke, ist wohl ersichtlich, doch schauen wir uns in den genossenschaftlichen Strömungen schon vor diesen um, geraume Zeit vorher sind solche vorhanden, so ist dasselbe Bild zu bemerken, dieselben Gründe und Bedürfnisse notleidender Volksschichten am Werke zu finden, sich Hilfe zu schaffen, zum großen Teil aus eigener Kraft, die auch den Genossenschaften unserer Zeit ihre Festigkeit und Notwendigkeit gibt. Die Basis, die Grundlage der Konsumvereine sind und bleiben diejenigen Schichten, die sie eben nach ihrem ganzen Wesen nötig haben, mag es auch Offiziers-, Beamten- usw. Konsumvereine geben, denen ein Bedürfnis nach Schaffung von Genossenschaften nicht abgesprochen werden soll, so ist doch das Bedürfnis der ärmeren Schichten, der Volksmassen, das Primäre und die Basis, auf der sich Genossenschaften weitgehendst entwickeln können. Die Basis nun, von der eben gesprochen wurde, ist die, die wir als die richtige annehmen dürfen, wenn wir einen Blick auf verschiedene Länder und deren Genossenschaften werfen.
Hiermit ist schon der eine Zug angedeutet, der in England schon bei Beginn der Genossenschaftsbewegung gleich hervortrat, in Deutschland erst durch die Eigenarten des Wirtschaftslebens, der sozialen Schichtungen, in viel spätere Zeiten am Ende des 19. Jahrhunderts klar hervorzutreten begann. Es sind die Schichten, die in Genossenschaften organisiert sind, die den Gewerkschaften Interesse abgewinnen.
Die Genossenschaften, wie das englische Genossenschaftswesen zeigte, sind ebenfalls Organisationen der Arbeiterklasse, ein Teil der Arbeiterbewegung, mit der sozialen Frage genau so zusammenhängend, wie die gewerkschaftlichen Organisationen und die politischen der Arbeiter. Es sind dieselben Gruppen, die schwer unter dem aufstrebenden kapitalisierten Wirtschaftsleben litten, all den Schwankungen und Notlagen ausgesetzt, wie Karl Marx als jener Zeit eigentümlich im Kapital, Engels in der Lage der englischen Arbeiter und Brentano in den Arbeiter-Gilden der Neuzeit angibt und darstellt. So weitgehend ist die Ähnlichkeit und die Identität der in den Gewerkschaften und Genossenschaften Organisierten, dass für die Organisierbarkeit ebenfalls eine Grenze angegeben werden kann, die nach unten für beide die gleiche ist. Eine gewisse materielle und kulturelle Höhe ist Voraussetzung für den dauernden Zusammenschluss, sei es in Gewerkschaften oder Genossenschaften.
Zwar sind hier die Genossenschaften nicht so spontan, wie die gewerkschaftlichen Verbände aus den Volksmassen erwachsen, doch als erst einmal das Prinzip gefunden und von vielen als anwendbar erkannt, treten sie als Massenerscheinungen auf, die durch die Lage als notwendig entstanden zu sein scheinen. Der Gedanke an sich auf diese Weise den Notleidenden Hilfe zu schaffen, scheint seinen Ursprung von edel Denkenden und die Notlage mit empfindenden Männern genommen zu haben z.B. wie dem Bischof von Durham, dann Robert Owen, demselben Manne, der schon bei der Entwicklung der modernen gesamten Arbeiterbewegung eine bedeutsame Rolle gespielt, dann bei der gewerkschaftlichen Organisation und weiter bei der Grundlegung des Genossenschaftswesens, das er eng mit der gewerkschaftlichen Bewegung verbunden wissen wollte. Nicht nur die Hebung notleidender Volksschichten sondern zur völligen Emanzipation dieser zur Befreiung von der bestehenden Wirtschaftsordnung. Aber erst mit den Rochdaler Pionieren erhält die Bewegung ihre feste bodenständige Form als Bewegung von Arbeiterklassen selbst ausgehend, von ihr selbst fortgeführt und weiter entwickelt im engen Zusammenhang mit allen anderen Aufgaben der Arbeiterbewegung. Ein Zeichen für die Bedeutung für die Schichten und die immer wieder auftretenden Überschätzungen bei einzelnen neuen Zweigen, die eine Rettung, zu mindesten große Hilfe für die Anwendungen sein sollen.
So ist das englische Genossenschaftswesen gleich von vornherein eng mit der Arbeiterbewegung verbunden, für England also hauptsächlich mit der gewerkschaftlichen, sich gegenseitig ergänzend und befruchtend, wenn auch eine Zeitlang durch revolutionäre Strömungen die Genossenschaften etwas weiter in den Hintergrund gedrängt wurden.
So klar und durchgehend, wie in England nun das Verhältnis sein musste und auch in der späteren Zeit einer größeren Gleichgültigkeit Platz machte, konnte in Deutschland das Verhältnis von Gewerkschaften und Genossenschaften nicht sein. Schon allein wegen der verschiedenen wirtschaftlichen Entwicklungsstufen und auch sozialen Schichtungen, wobei dann auch weiterhin der stärkere politische Charakter der gesamten Arbeiterbewegung ins Gewicht fällt, ein Zug, der in England nur zeitweilig vorhanden war, während sonst die Arbeiterbewegung durchaus praktische, wirtschaftliche Züge aufweist.
Hier waren es die bürgerlichen Kreise, die kleinen Bauern und die Handwerker, die sich der neuen Wirtschaftsform bedienten und auch bedienen mussten, da für sie eine Notlage bestand, die in England nicht gekannt wurde. Diese Anwendung aber des Genossenschaftsgedankens durch diese Kreise konnte keine allzu große Ermunterung den Arbeitern sein, wenn diese überhaupt Interesse für die Genossenschaft zeigten. so groß waren die industriellen und Arbeitermassen noch nicht, um eigenen Verbände errichten zu können, und in den bestehenden wurde durch das Vorherrschen der landwirtschaftlichen und Kreditgenossenschaften ihr Interesse an den reinen Konsumvereinen nicht voll befriedigt. Diese anderen Genossenschaften und die Konsumvereine sind nicht unter gleichen Gesichtspunkten zu verwalten, denn in ihnen liegt ein Gegensatz, derselbe der bei Erwerbsorganisationen und Konsumentenorganisation unvermeidlich bleiben muss. Kredit- und landwirtschaftliche Genossenschaften haben nur den Zweck, dem Erwerbe der Beteiligten zu dienen, diese aber bildeten die Hauptzahl der im allgemeinen Verbande zusammengeschlossenen Genossenschaften. Und sie lagen auch seiner Gründung zugrunde. Wo aber Konsumvereine bestanden, machte sich bald die Erscheinung bemerkbar, die fast immer dort auftritt, wo sich bürgerliche Kreise mit proletarischen begegnen. Nicht einmal auf dem Boden der reinen Konsumentenorganisationen scheint auf die Dauer ein Zusammengehen möglich und auch hier scheidet sie bald das nicht direkt in Frage kommende Produzenteninteresse, dass die Klassenschichtungen bewirkt und eine dauernde Vereinigung der Schichten auf dem Konsumenteninteresse unmöglich zu machen scheint.
Zu dieser doch recht starken Ablehnung der damaligen Genossenschaftsbewegung durch die Arbeiter kommt aber noch ein anderer Moment, die völlige Einstellung der Arbeiter auf die Produktionsgenossenschaften, nicht auf die Konsumvereine. In den ersteren glaubten sie nur die Wirtschaftsordnung umgestalten zu können mit gleichzeitiger vollständiger Emanzipation der Arbeiterklasse. War auch in England der Glaube an die Bedeutung der Produktionsgenossenschaften ein sehr großer, so war doch der Gedanke an die Verbindung mit Konsumgenossenschaften, die erst die Produktion in die Hand nehmen sollten, wenn genügend Mittel und Kräfte dazu vorhanden wären, gleich vorhanden, also eine Einstellung auf die Organisation der Arbeiter als Konsumenten und nicht bloß als Produzenten, worauf in Deutschland durch die Parteien und Führer des Hauptgewicht gelegt worden war. An Lassalle sein hier nur kurz erinnert und an Marx, der zwar den Wert der Konsumgenossenschaften nicht verkannte, ihnen aber eine weit geringere Bedeutung als den Produktivgenossenschaften zusprach.
Als 1868 die beiden sozialistischen Parteien Gewerkschaften ins Leben riefen, war deren Tätigkeitsfeld auch auf die Schaffung von solchen Produktivassoziationen ausgedehnt worden, die durch die gewerkschaftlich Organisierten begründet werden sollten, um außerhalb der kapitalistischen Unternehmungsformen einen Keim zu einer neuen Wirtschaftsordnung zu legen für und durch die Arbeitermassen. Wohl waren schon vorher größere Kreise der Arbeiter auf die Bedeutung der Konsumvereine aufmerksam geworden, was sich in der immer stärkeren Vertretung der Arbeiterschichten im allgemeinen Verbande mit der Zeit bemerkbar machte. Doch geschah dies durchaus nicht mit voller Zustimmung der Parteien, soweit Organisierte in Frage kamen, ja als sogar später die Gewerkschaften nun auch ihrerseits starkes Interesse an den Konsumvereinen zeigten und aus deren Mitte heraus die Gründung der Hamburger Produktion vorgenommen wurde, konnte dies nur im Gegensatz zu weiten Kreisen politisch organisierter Arbeiter geschehen. Hier traten zum ersten Male die Gewerkschaften aktiv in die Genossenschaftsbewegung ein und zwar nicht in der reinen Produktivgenossenschaftsbewegung.
Grundlegender Wandel in der Abneigung weiter Arbeiterschichten gegen die Konsumgenossenschaften trat aber erst ein nach endgültigem Scheitern der Versuche mit Produktivgenossenschaften und als sich die nur langsam entwickelnden Arbeiterkonsumvereine immerhin recht kräftig durchsetzten und an Bedeutung zunahmen, um sich dann schließlich im ZdK scharf von den anderen bürgerlichen Konsumvereinsverbänden loszusagen, um reine proletarische Vereine zu werden. Wenn sich auch diese weit mehr als die Gewerkschaften als unabhängig von den Parteien und diesen selbst erklärten, so ist doch auch bei ihnen die Klassenzugehörigkeit nicht zu verwischen, und ihre Bestrebungen auf Stärkung der Machtposition der Arbeiter erhalten einen ähnlichen Charakter und ähnliche Ziele wie die der übrigen Arbeiterbewegung, nämlich die Emanzipation anstrebend und befördernd als Begleiterscheinung ihrer wirtschaftlichen Ziele und Aufgaben.
Die überwiegende Zahl der Arbeiter als Mitglieder ist es schon zum großen Teil, die das enge Verhältnis der freien Gewerkschaften zu dem ZdK erklären kann. Die Basis also, die nicht nur für die Gewerkschaften bedeutsam und für die gesamte Arbeiterbewegung, sondern auf die eine Genossenschaftsbewegung ebenfalls notwendig angewiesen ist durch die Verbindung mit der sozialen Frage, die größere Dringlichkeit eines Zusammenschlusses. Hiermit soll nicht das Bestehen einer solchen Dringlichkeit auch für andere Kreise verneint werden, doch kann diese besondern in den Zeiten der schnellen Industrialisierung unseres Wirtschaftslebens für die Arbeiterklasse als stärkeres Bedürfnis angesprochen werden. Ist erst einmal diese gemeinsame Basis der Arbeiter vorhanden, und damit eine notwendige Interessengemeinschaft durch das letzte Ziel, auf das all die Anstrengung der selben Klasse auf verschiedenen Wegen hinauslaufen, gegeben, dann müssen die anderen Wesenszüge der Konsumvereine den Gewerkschaften noch erhöhtes Interesse abgewinnen, könnte doch hierdurch vielleicht durch die Angehörigkeit zu beiden Organisationen die Wirkung auf die Arbeiter verstärkt werden, umso mehr wenn sich die Tätigkeit beider Organisationen vielleicht sogar ergänzt.
Es kann hier nun nicht die Aufgabe sein, eine Theorie der Genossenschaften zu entwickeln, zumal diese in ihrer Gesamtheit durchaus noch umstritten ist. Wird von einigen der Genossenschaftssozialismus oder Föderalismus als in der Entwicklung der Genossenschaften liegend angesehen, so ist auf der anderen Seite die Möglichkeit der Entwicklung als eine durchaus begrenzte angesprochen, doch kommt für uns die Entscheidung, ob die Genossenschaften eine friedliche Umwälzung der Wirtschaftsordnung oder nur eine Gegentendenz in beschränktem Maße gegen die herrschende bedeutet, nicht so sehr in Frage. Die freien Gewerkschaften und auch die sozialdemokratische Partei haben nicht zu weitgehenden Erwartungen, was für unsere Betrachtung ausschlaggebend ist. Für sie sind die Genossenschaften Mittel zur Hebung der Arbeiterklasse in wirtschaftlicher Beziehung, zur Erziehung für kommende Aufgaben, zur Anteilnahme an der Verwaltung und eine Ergänzung der gewerkschaftlichen Tätigkeit. Immerhin stellen die Konsumvereine auch Organisationen dar, die wesentlich antikapitalistische Tendenzen aufweisen, durch die sie den Arbeitern starkes Interesse abgewinnen müssen. Liegt doch schon in der Organisierung des Marktes ein starker Zug gegen die bestehende individualistische anarchische Wirtschaftsordnung.
Wie auch durch die Größe der Organisation des Marktes ein Ausschalten von Gewinnen, die sonst nur kleinen Kreisen zur Verfügung standen. Das soziale Moment tritt hier stark hervor und sucht sich gegen das individuelle durchzusetzen, nicht der Gewinn ist hier Zweck der wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern die möglichst gute und billigere Bedarfsdeckung. Wie stark aber auch die kapitalistischen Züge in den Konsumvereinen wirksam sein können, geht oft aus dem starken Dividendeninteresse der Mitglieder hervor, von denen überhaupt der endgültige Charakter der Konsumvereine stark abhängig ist.
Weiterhin gehört auch zum Wesen der Genossenschaften ganz allgemein, nicht nur bei denen des ZdK, die Ausschaltung des Zwischenhandels und der Zwischengewinne, soweit dies irgend möglich ist, entweder durch direkten Bezug oder auch durch die Eigenproduktion, die gerade bei dem ZdK recht bedeutend ist, und noch weitere offene Gebiete für die Entwicklung aufweist. In dieser Ausschaltung des Zwischengewinnes liegt eine Stärke der Genossenschaften in finanzieller Hinsicht und bezüglich des Interesses der Arbeiterkreise an ihnen. Denn hier ist eine Quelle, die der Ausdehnung und der Kräftigung der Genossenschaften neben den Anteilen ihrer Mitglieder zugute kommt, um erfolgreich den scharfen Konkurrenzkampf gegen die privaten Unternehmungen ähnlicher Art aufnehmen zu können.
Diese Ersparungen fließen aber nicht vollständig den Genossenschaften als Fonds für Stärkung und Ausdehnung zu, sondern auch den Mitgliedern in Form von Rückvergütungen, die besonders für die Kreise, die sie beziehen, den weniger Bemittelten und den Arbeitern, bedeutsam werden können. Manchmal es sogar so sehr sind, dass die Unbeteiligten, den Genossenschaften aber freundlich gegenüberstehenden, es bedauern, dass dies in diesem Maße der Fall ist. Weil nämlich eine geringere Rückvergütung auf der anderen Seite mehr Vorteile bringen kann, als auf diese Weise angewandt, die Eigenproduktion oder anderen Einrichtungen benutzt. Diese Rückvergütungen, leider durch den Namen Dividende unklar gemacht, erfreuen sich gerade in Gewerkschaftskreisen wenig großer Beliebtheit. Bei den Lohnerhöhungen spielt der Hinweis auf diese eine bedeutende Rolle, da man der Ansicht ist, dass diese ein reiner Gewinn sind, während sie doch gerade eine Zurückerstattung von ersparten Geldern darstellen, durch die Ausschaltung des Zwischengewinnes gegeben, der die Waren scharf verteuert und auch teilweise verschlechtert. Damit sind wir wieder bei einem wichtigen Punkt der Wirksamkeit der Genossenschaften angelangt.
Die Konsumvereine haben neben der Verbilligung der indirekten die Lieferung von vollwertigen Waren zur Aufgabe, denn durch die Lieferung solcher Waren können sie ebenfalls die wirtschaftliche Hebung der Mitglieder erfolgreich durchsetzen. Ein Ziel, dass das nächstliegende und bedeutendste ist, wenn wir von den weiter gestreckten, aber umstrittenen anderen Aufgaben absehen wollen, die ganz abzulehnen hier durchaus nicht die Absicht ist.
Wenden wir nun diese Ziele Verbilligung und Verbesserung der Waren und damit Erhöhung der Bedarfsdeckungsmöglichkeit auch auf den Zentralverband an mit seinen Arbeitern als Mitgliedern, so gewinnt plötzlich diese Aussicht ein ganz anderes Ansehen und es scheint klar zu sein, dass Gewerkschaften und ZdK nicht nur gut zusammen stehen sollten, sondern es nahezu müssen. Dieses Zusammengehen beider Organisationen bewirkt eine gegenseitige Ergänzung jeder einzelnen Tätigkeit und scheint den Kreis bei der Arbeit an der wirtschaftlichen Hebung der Arbeitermassen erst vollständig zu schließen. Auf der einen Seite Erhöhung des Lohnes in Geld ausgerückt und auf der andern Seite eine gleichzeitig erreichte verstärkte Kaufkraft dieser Summen durch Rückvergütung und Vollwertigkeit der Waren bedingt. Nahezu etwas Faszinierendes hat dieses Zusammengreifen der Räder in dem ersten Augenblick und es wird verständlich, wie ein solcher Ausblick seine Wirkung nicht verfehlen kann. Uns fallen die Ausführungen von Lasalles ehernem Lohngesetz ein. Die nüchterne Tatsache, dass jede Lohnerhöhung über ein bestimmtes Maß nicht nur jede Lohnerhöhung, sondern schlechthin jede Verteuerung der Ware Arbeitskraft auch durch Arbeitszeitverkürzung unweigerlich eine Abwälzung auf den Konsumenten nach sich zieht, eine Verteuerung der Lebensbedürfnisse vielleicht noch über das notwendige Maß hinaus. Und hier ist eine Arbeitsteilung, die darauf hinauslaufen will, den Arbeiter von einer Seite aus die Arbeitsbedingungen und den Arbeitslohn zu erleichtern und zu erhöhen, während auf der anderen Seite das Bestreben vorhanden ist, auch in gewissen Grenzen erreicht wird, neben Erhöhung der Kaufkraft dem Heraufschwellen der Preise Einhalt zu gebieten. Jedenfalls nicht so die Preise steigen zu lassen, wie es sonst ohne den stillen und anhaltend stärker werdenden Einfluss der Konsumvereine der Fall sein würde. So sehr auch die hohen Erwartungen, die bei diesen Gedankengängen im ersten Augenblick sich einstellen können, heruntergesetzt werden müssen, so ist diese Wirkung schon allein durch die Höhe der gezahlten Rückvergütung und die weitere Ausdehnung der genossenschaftlichen Eigenproduktion und des Großeinkaufs eine Tatsache, die einfach nicht außer Acht gelassen werden kann. Diese Wirkung wird nicht nur durch die Rückvergütung und bessere Warenlieferung gezeitigt, sondern auch teilweise durch billigere Preise, die hin und wieder Anwendung finden.
Reihn führt einen interessanten Versuch hierüber an, der zur Erhärtung herangezogen werden mag. Es wurden zwei Mitglieder eines Konsumvereins veranlasst, ihren Wochenbedarf bei Privatgeschäften zu decken und es stellte sich hierbei heraus, dass der Wochenbedarf des ersten in den Privatbetrieben nur mit einem Mehr von M. 1,21 als sonst bei den Konsumvereinen notwendig gedeckt erden konnte. Bei dem zweiten machte der Unterschied in einer Woche M. 1,27 aus.
Die Partei, die im allgemeinen sehr vorsichtig bei der Beurteilung der Konsumvereisbewegung ist und lange Zeit ihr ablehnend gegenüberstand, da sie glaubte, durch Propaganda für diese den Arbeitern leichter den Klassenkampf vergessen zu lassen, erklärte auf dem Magdeburger Parteitag die Genossenschaftsbewegung als eine wirksame Ergänzung des Klassenkampfes durch Erhöhung der Lebenslange der Arbeiter. Immerhin soll nicht vergessen werden, dass die Zahl der Arbeiter in Genossenschaften durchaus nicht so vertreten und beteiligt ist, wie es eigentlich bei der eingehenden Beschäftigung beider Organisationen auf den Verbandstagen und auch in der Praxis erwartet werden könnte. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Beteiligung an der Konsumvereinsbewegung doch in erster Linie den verheirateten Arbeitern am Herzen liegen wird, für die Gewerkschaftler, die gleichzeitig in den Genossenschaften organisiert sind, ist ein Vorteil durch beide Organisationen unbedingt vorhanden, und zwar bei den verheirateten in bedeutenden Maßen und wenn der ZdK von Jahr zu Jahr in demselben Maße weiter so wächst, wie er es bisher tat, dürfte diese Bedeutung sich noch vergrößern, denn weite große Gebiete liegen noch vor dem ZdK, durch die eine Hebung der wirtschaftlichen Lage der Mitglieder erreicht werden kann. Durch weiteren Übergang zur Eigenproduktion, durch die notwendige Erkenntnis, mehr und mehr mit landwirtschaftlichen Genossenschaften in Verbindung zu treten, wie überhaupt direkt mit der Landwirtschaft in Berührung zu kommen, Das englische Genossenschaftswesen gibt auch hier weitere Hinweise, die auch in Deutschland z.T. berücksichtigt worden sind, wenn auch im geringeren Maße. Erhöhte Eigenproduktion und direkte Verbindung mit Übersee schienen wenigstens vor dem Kriege zu den nächsten Schritten der deutschen Genossenschaftsbewegung zu gehören, wodurch weitere Ausschaltung nicht nur des Kleinhandels sondern auch anderer Quellen großer Zwischengewinne. – All dies sind Momente, die diese Verbindung zwischen freien Gewerkschaften und dem ZdK enger und fester gestalten können. Prophezeien ist hier zwar nicht angebracht, doch ist nicht abzusehen, in welchem Maße nicht die Hoffnungen Einzelner auf die Ausdehnung des Genossenschaftswesens in Erfüllung gehen, bedingt durch die Kriegsnöte, die hinter uns liegen, die Not im Lande und die Umwälzung auf politischem und wirtschaftlichem Gebiete, die kaum nachteilig auf die Konsumgenossenschaftsbewegung einwirken wird.
Zu diesen materiellen Berührungspunkten kommen noch andere, nicht bloß durch materielle Interesse hervorgerufene. Es ist die praktische Aufklärungsarbeit, die die Genossenschaften leisten durch den Kampf, den sie bei der bestehenden Gegnerschaft weiter Kreise zu führen gezwungen waren durch Wort und Schrift. Diese Aufklärungsarbeit konnte oft von großer Bedeutung für die gesamte Arbeiterklasse werden. Viel haben sie zur Erkenntnis der bestehenden Wirtschaftsordnung beigetragen und manche Probleme aufgeworfen, die sonst durch die Aufklärungsarbeit in den Parteien unberücksichtig geblieben waren.
Auch durch die erzieherische Tätigkeit sind die Genossenschaften für die Arbeiterklasse von Bedeutung geworden. Wurde durch sie doch ein weiteres großes Gebiet dem Arbeiter eröffnet, in dem er selbst als Leiter und Organisator oder wenigstens in der Verwaltung tätig sein musste, Funktionen übernahm, die ihm sonst unbekannt geblieben wären und die seiner geistigen Ausbildung recht stark dienen konnten. Von welcher Wichtigkeit dieses Gebiet ist, zeigt gerade in den jetzigen Tagen das Problem der weitgehenden Mitbestimmung des Arbeiters im wirtschaftlichen Leben, sei es als Betriebsrat, wodurch nach manchen Ansichten erst allein die wahre Emanzipation der Arbeiterklasse erreicht werden könnte, durch eigene verwaltende und leitende Tätigkeit. Auf die Stärkung des Solidaritätsgefühls, das auch hier bei der Genossenschaftsbewegung eine Notwendigkeit ist, sei nur kurz hingewiesen. Dieses an und für sich so klare Verhältnis in dem gemeinschaftlichen Interesse zur wirtschaftlichen Hebung der Arbeiterklasse verliert seine Einfachheit durch ein anderes Moment und wird bedeutend differenzierter. Ein gewisser Zwiespalt und eine nicht ganz einfache Situation wird gerade durch dieses neu hinzutretende Moment, die Genossenschaft als Arbeitgeber, hervorgerufen. Der hohe Prozentsatz der in dem ZdK befindlichen Arbeitgeber nicht das allein entscheidende, sondern auch die Zahl der als Arbeiter im ZdK beschäftigten Angestellten in der Verwaltung, in den Konsumgeschäften und in der Eigenproduktion. Letzteres ist gerade für den Zentralverband von großer Bedeutung, da seine Eigenproduktion in stetigem Wachsen begriffen ist und nicht nur schon mehrere Fabrikationszweige umfasst, sondern auch noch mehr umfassen wird.
Die zunehmende Bedeutung des ZdK als Arbeitgeber wird aus folgenden Zahlen ersichtlich:
Zu beobachten ist, dass in der Warenverteilung ebenfalls gewerkschaftlich organisierte Gruppen sind, wie die Lagerhalter und Transportarbeiter, und nicht etwa bloß an Verkäufer und Verkäuferinnen gedacht werden darf.
Diese zu der Gesamtgröße der als Mitglieder eingetragenen Arbeiter immerhin kleinen Zahl macht ein Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wie dies in den Produktivgenossenschaften reiner Art oft der Fall ist, unmöglich, ein Prunkt an den die Produktivgenossenschaften zum großen Teil gescheitert sind. Während hierdurch die Bedeutung der Einigenproduktionsbetriebe, die dem ZdK angeschlossen sind, für manchen geringer geworden zu sein scheint, gewinnt diese wiederum für die, die die Genossenschaften nicht als alleinige Lösung der sozialen Frage ansehen, erhöhte Bedeutung. Durch die Zahl der Arbeitermitglieder in dem ZdK ist deren Einwirkungsmöglichkeit auf alle an die Konsumvereine herantretenden Fragen eine bedeutende. Besonders wenn wir an die rechtliche Stellung der Mitglieder in den Genossenschaften denken und an das Wort von den demokratischen Unternehmungsformen. Hierdurch fallen zwar die Gegensätze zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der Arbeiter ist ja hier im ZdK ebenfalls der Arbeitgeber, zwar nicht vollständig fort, doch zeigen sie sich in verschiedenen Formen, anders wie in den privaten Erwerbsunternehmen und reinen Produktivgenossenschaften.
Der Unterschied in dem Arbeitsverhältnis des ZdK und den beiden eben genannten Gruppen ist gegeben durch die Basis dieser Unternehmungsformen. Auch bei den Produktivgenossenschaften handelt es sich nur um eine beschränkte, durch die Praxis beschränkte, wenn nicht durch das Interesse der Beteiligten, Zahl von Arbeitern oder Handwerkern. Diese haben sich von der Gesamtheit ihrer Genossen oder wirtschaftlich Gleichgestellten losgelöst, um mehr oder weniger gleichgültig gegen diese ihr besonderes Interesse an möglichst hohem Erwerb durchzusetzen. Und das Interesse in dieser praktisch beschränkten Zahl wird entscheiden, wie weit sie als Arbeitgeber den Arbeitnehmern entgegenkommen. Vereinigen sie beide Kategorien in einer Person, dann spielt sich der Zwiespalt in ihrem Kopf ab, wie weit sie durch günstige Arbeitsbedingungen ihren Gewinn aus ihrer Tätigkeit einschränken wollen. Bei diesen Arbeitsbedingungen wird es sich wohl mehr um die verschiedenen Fragen, die z.B. im Tarifvertrag auftauchen, handeln, als um die Lohnhöhe. Ist dieser Zwiespalt auch in dieser Eigenart gelöst, bei einigen Produktivgenossenschaften, so hat die Lösung im Wirtschaftsleben keinen besonderen Wert gehabt, wie die Entwicklung der Produktivgenossenschaften gezeigt.
Bei dem ZdK handelt es sich dagegen um Massen, bedeutende, zum großen Teil aus Arbeitern bestehende Massen, die hier als Arbeitgeber auftreten. Diese großen Zahlen geben einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Arbeitern, von denen wieder ein Teil gleichzeitig Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, Arbeit. Und nur der andere Teil, die Nichtmitglieder der Konsumvereine sind reine Arbeitnehmer oder Angestellte.
Hier zeigt sich gerade der zwiespältige Charakter der Konsumgenossenschaftsbewegung, die in ihrer scharfen Hervorhebung des Konsumenteninteresses der Mitglieder bedeutende antikapitalistische und sozialistische Tendenzen bei einer konsequenten Durchführung aufweist. Also ein Ansatz, ein Versuch, der allerdings ein Teilversuch bleiben muss, umgestaltend auf die Wirtschaftsordnung einzuwirken, ihr die reinen kapitalistischen Züge zu nehmen. Doch nicht allein deshalb nur ein Teilversuch, weil die Grenzen für eine Konsumvereinsbewegung gezogen sind in ihrer Ausdehnung, sondern auch deshalb, weil innerhalb des erfassten Gebietes dieses nur teilweise „entkapitalisiert“ wird. Die Konsumvereine weisen die Züge einer zweifachen Wirtschaftsordnung auf, was sich in der Bewegung selbst und in der Stellung der Arbeiter zu ihnen ausdrückt. Sie stehen in unserer Wirtschaftsordnung, sind eng mit ihr verbunden und weisen trotzdem dieser Wirtschaftsordnung entgegen gesetzte Züge auf. Dies trat nicht nur bei Beginn der Konsumvereinsbewegung in Deutschland in der Skepsis der Arbeiterschaft diesen Formen gegenüber hervor, sondern zeigt sich auch jetzt in der Stellung des Arbeiters als Arbeitnehmer in den Konsumvereinsbetrieben. Dies ist für die Stellung der freien Gewerkschaften zu den Genossenschafter von entscheidender Wichtigkeit. Die gewerkschaftliche Tätigkeit ist auf ein Lohnverhältnis zugeschnitten und sie wird dort immer mit ihrer Tätigkeit einsetzten und zwar fordernd auftreten, wo ein solches Lohnverhältnis besteht, d.h. eine Trennung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorhanden ist. Und diese Trennung ist bei dem Konsumverein zu finden, besonders in der Eigenproduktion durchgeführt, sogar in dem Maße, dass sich die Stellung der Arbeiter nicht von der in einem Privatbetriebe unterscheidet und nur dadurch ein neues Moment hinzukommt, dass eine Zahl der Arbeiter gleichzeitig Mitglied einer Genossenschaftsbewegung sind, die einen großen Kreis von Betrieben umfasst.