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Prof. Dr. Volker Busch

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Beschreibung

Im digitalen Alltag leistungsfähig und gesund bleiben Das aktuelle Sachbuch zum Trendthema Überforderung und Konzentrations-Verlust: Der Neurologe und Psychiater Prof. Volker Busch präsentiert ein erprobtes Konzept zur Steigerung von Konzentration, Kreativität und Aufmerksamkeit - und damit auch zum Abbau von Stress. Unser stressiger Alltag ist heute voller Störungen: Unentwegt prasseln Informationen auf uns ein und verstopfen unseren Kopf, E-Mails und Medienkonsum lenken uns permanent ab, und die Schnelligkeit des Alltags macht unser Denken oberflächlich. Wir fühlen uns überlastet und ausgepowert, werden fahrig und machen Fehler. Die Aufmerksamkeit für das, was wirklich wichtig ist, geht verloren.  Was braucht eigentlich unser Gehirn, um gut zu sein und gesund zu bleiben? In seinem aktuellen Buch erklärt Professor Volker Busch, was die fortschreitende Digitalisierung und Informationslast mit uns macht. Anschaulich und unterhaltsam vermittelt er, warum unser Gehirn mit diesen komplexen Herausforderungen schnell überfordert ist. Der praktizierende Arzt und Wissenschaftler verrät uns ein erprobtes Konzept zur besseren Steuerung der Aufmerksamkeit und gibt wirksame Impulse, wie wir gegen dauernde Reizüberflutung, Multitasking und den digitalen Stress vorgehen können. Die Leser*innen lernen, wie sie in der Fülle von Informationen ihre Wahrnehmung schärfen,  ihr Gedächtnis verbessern und im hektischen Alltag Konzentration und Ruhe finden. Und sie erleben, wie sie in einer immer lauter werdenden Welt stille Momente bewahren, in denen sie kreative Ideen entwickeln ...

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Seitenzahl: 353

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Prof. Dr. Volker Busch

Kopf frei!

Wie Sie Klarheit, Konzentration und Kreativität gewinnen

Knaur eBooks

Über dieses Buch

Das aktuelle Sachbuch zum Trendthema Überforderung und Konzentrationsverlust: Der Neurowissenschaftler und Psychiater Prof. Volker Busch präsentiert ein erprobtes Konzept zur Steigerung von Konzentration, Kreativität und Aufmerksamkeit – und damit auch zum Abbau von Stress.

In unserem stressigen Alltag lauern viele Ablenkungen: Ständig meldet sich der E-Mail-Account, ständig drohen Deadlines, ständig prasseln Informationen auf uns ein, und am besten sollen wir alles gleichzeitig und sofort erledigen. Was macht das mit uns und unserer Fähigkeit, konzentriert und kreativ zu sein? Wir fühlen uns überlastet und ausgepowert, werden fahrig und machen Fehler, weiß der Neurowissenschaftler und Psychiater Volker Busch. Anschaulich erklärt er, warum unser Gehirn mit den Ablenkungen des digitalen Alltags überfordert ist, und weiß, wie wir wirksam gegen die dauernde Reizüberflutung und die Macht der Aufmerksamkeitsdiebe vorgehen können: indem wir uns wann immer möglich eine »tiefe Stunde« gönnen – Zeit, die jeder von uns nutzen kann, um dem Würgegriff der Ablenkungen zu entkommen, Aufmerksamkeit, Konzentration und Kreativität zu tanken und wieder leistungsfähig zu werden.

Inhaltsübersicht

Widmung

Vorwort Pflegen Sie Ihren Kopf?

Einleitung

»Wohin du deine Aufmerksamkeit [...]

Die nervöse Gesellschaft

Der zweifelhafte Wunsch nach Gehirnoptimierung

Probate Methoden gegen die Verstopfung

Sie sind klug

Von der Maus zum Menschen

Erfolg durch kognitive Steuerung

Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit

Eigenleistung statt Eigenschaft

Der Diebstahl einer begehrten Ressource

Der Preis ist der Steuerungsverlust

Die Wellen kommen schneller

Holen wir uns die Aufmerksamkeit zurück!

Eine Sache der Aufmerksamkeit

1 Klarheit

»Ich fühle mich so [...]

Was erwartet Sie auf den folgenden Seiten?

Das Problem: die Informationsüberladung

Der Trichter im Kopf

Zu viel hatten wir immer schon

Information Overload

Die Belohnung zwischen Reiz und Reaktion

Die Folgen: Gedächtnisschwäche und Oberflächlichkeit

Kreisende Informationen im Oberstübchen

Nur eine Handvoll Ziffern

Nur eine kurze Dauer

Die Kapazitätsgrenzen im Alltag

Störungen verwischen die Spuren

Die angebliche Vergesslichkeit im Alter

Die Verfügbarkeit macht gedächtnisfaul

Wir überfliegen, statt einzutauchen

Die Lösung: Auswahl und bewusste Wahrnehmung

Mit Charles Dickens im Straßencafé

Die virtuelle Flu(ch)t

Auf einem Auge blind

Eine kluge Auswahlhilfe

Sherlock Holmes und die Schweißflecken am Hut

Der Storchengang des Gärtners

Tiefe Einsichten in Rosinen

Wählen Sie sorgfältig aus

Meine Empfehlung: Ihre Tiefe Stunde der Selektion

Tauchen Sie ein

Trainieren Sie Ihre Wahrnehmung

Lassen Sie es noch mal kreisen

Wählen Sie klug aus

Besser mittendrin, statt nur dabei

Schenken Sie Ihren Mitmenschen Beleuchtung

Zum Schluss: eine ehrliche Frage an uns selbst

Sokrates und die drei Siebe

2 Konzentration

»Ich fühle mich manchmal [...]

Was erwartet Sie auf den folgenden Seiten?

Das Problem: die Ablenkungen

Ein bisschen ADHS

Bottom-up versus top-down

Erschwerte Zusammenarbeit unter Freunden

Die Folgen: Ungenauigkeit und Fehler

Der falsche Oscar

Im Wechsel sind wir schlechter

Ständig im Rückstand

Unterbrechungen machen unzufrieden

Die unsichtbaren Kosten

Mensch bleiben oder zum Computer werden

Das Kind im Auto

Multitasking – zwischen Wahrheit und Mythos

Das Gehirn im Parallelmodus

Können Frauen das besser?

Umschalten erschöpft

Die (gefährlichen) Folgen der Gleichzeitigkeit

Die Ungeduld in uns

Ungeduld macht impulsiv

Die Lösung: Konzentration, Entstörung und Impulskontrolle

Die (Groß-)Mutter aller Leistungen

Die perfekte Welle

Leonardos Herzklappe

Eine falsch verstandene Kunst

Konzentration ist trainierbar

Das Problem sind die Störungen

Zwei Netzwerke für ein gemeinsames Ziel

Die »Kalbshaxe Florida«

Optimalen Kontrast schaffen

Die schlimmsten Störenfriede

Musik nur, wenn sie laut ist?

Ablenkende Impulse kontrollieren

Meine Empfehlung: Ihre Tiefe Stunde der Konzentration

Schenken Sie sich Konzentration

Reduzieren Sie das Störfeuer

Auch die Besten brauchen Hilfe

Zum Schluss: eine ehrliche Frage an uns selbst

Intermezzo

»Wer im Akkord arbeitet, [...]

Machen Sie mal Pause

Ein paar hilfreiche Regeln

Steigern Sie Ihre Aufmerksamkeit durch bewusstes Atmen

Das grüne Vitamin

Die Wiederherstellung der Konzentration

Erholen Sie sich grün und blau

Digital Detox für Dummies

Fangen Sie an!

3 Kreativität

»Ich fühle mich irgendwie [...]

Was erwartet Sie auf den folgenden Seiten?

Das Problem und die Folgen: die verlorene Zeit mit uns selbst

Kreativität ist Lebenskunst

Das Wunder der Assoziation

Die Idee und ihre Umsetzung

Die Angst vor dem Innehalten

Genug Zeit wäre da

Die Lösung: Zerstreuung und Wendung nach innen

Der Blick ins Feuer

Unkonzentriert bedeutet nicht unaufmerksam

Das Netzwerk der Ruhe

Lassen Sie locker

Konsum ist keine Zerstreuung

Stecken wir in einer Kreativitätskrise?

»Nixen« macht kreativer

Unerträgliche Langeweile

Senf und Elektroschocks

Die digitale Liebe füllt jeden Raum

Ihre innere Stimme entscheidet

Zu viele Argumente verwirren

Ruhe sedimentiert die Gedanken

Der Weg der Kontemplation

Nicht zu achtsam

Meine Empfehlung: Ihre Tiefe Stunde des Abschweifens

Clear your mind

Sie müssen nicht nixen

Verlassen Sie die gewohnte Umgebung

Lassen Sie Gefühle zu

Räumen Sie auf

Machen Sie Ihren Gedanken Beine

Bleiben Sie (un-)verbunden

Keine Angst vor Langeweile

Zum Schluss: eine ehrliche Frage an uns selbst

Exkurs

Gestatten Sie mir ein [...]

Seien wir gute Vorbilder

Vergessen wir das Spielen nicht

Mehr Scheinwerferlicht im Unterricht

Schaffen Sie genügend Kopffreiräume

Etwas Langeweile aushalten

Wir können Kreativität anschubsen

Lösungskompetenzen fördern

Zusammenfassung

»Aufmerksamkeit ist alles, was [...]

Bleiben Sie aufmerksam

Werden wir erwachsen

Eine Bezeichnung für unser Jahrhundert

Wie wollen wir leben?

Mein Wunsch für Sie – und für uns alle

Literatur

Gewidmet meiner Familie.

Ohne sie ist alles nichts …

Vorwort

Pflegen Sie Ihren Kopf?

»Ein ungeübtes Gehirn ist schädlicher für die Gesundheit als ein ungeübter Körper.«

George Bernhard Shaw (1856–1950)

 

Unserem Körper tun wir heute gerne etwas Gutes. Gesundheit ist »in« und nicht umsonst einer der Megatrends unseres Jahrhunderts: Wir besuchen regelmäßig Fitnessstudios, ernähren uns weitgehend ausgewogen und legen Wert auf einen guten Nachtschlaf. Ausnahmen bestätigen natürlich wie immer die Regel. Mitunter treibt das Wohlstandsbewusstsein für den Körper hierzulande auch etwas seltsame Blüten, angefangen von Chiasamenöl, das sich Menschen in ihre Joghurts rühren, bis hin zu Matratzen, für die sie nahezu so viel Geld ausgeben wie für einen Kleinwagen. Aber allen diesen Übertreibungen zum Trotz wohnt uns heute ein gewisses »Bewusstsein« für einen gesunden Körper inne. Gut so, denn er begleitet uns schließlich rund 80 Jahre auf dem Weg von der Wiege bis zur Bahre.

Aber wie verhält es sich mit unserem Kopf? Behandeln wir ihn auch so gesundheitsbewusst? Die meiste Pflege schenken wir nach wie vor unseren Haaren. Das ist erstaunlich, denn streng genommen handelt es sich um reine Abfallprodukte des Kopfes. Unser nur wenige Zentimeter darunter befindliches Gehirn erhält deutlich weniger wohlwollende Zuwendung. Dabei steht es im Mittelpunkt all dessen, was wir täglich leisten.

Die gute Nachricht lautet: Aus organisch-biologischer Sicht funktioniert unser Gehirn fast immer recht stabil und zuverlässig. Unter der Voraussetzung einer suffizienten Sauerstoffversorgung, ausreichender Nährstoffe und einer (weitgehenden) Keimfreiheit sind die meisten physiologischen Bedingungen für ein intaktes Funktionieren bereits erfüllt. Falls in Ihrer unmittelbaren Umgebung genug Sauerstoff vorhanden ist und Sie ansonsten ein genügsamer Mensch sind, könnten Sie das Buch an dieser Stelle eigentlich weglegen.

Falls Ihnen nach einem anstrengenden Tag im Büro mitunter jedoch der Kopf raucht (hier übrigens sprichwörtlich gemeint), falls Sie keinen klaren Gedanken mehr fassen können, weil Sie sich geistig verstopft fühlen vor lauter Aufgaben, Terminen und Nachrichten, falls Sie das Gefühl haben, Sie können sich nur noch schlecht konzentrieren und sich Dinge kaum länger als wenige Minuten merken, und falls Ihnen immer wieder Sorgen und negative Gedanken durch den Kopf kreisen, die Sie nicht zur Ruhe kommen lassen, empfehle ich Ihnen, noch ein paar Seiten weiterzulesen. Möglicherweise kann ich Ihnen nämlich helfen, Ihren Kopf wieder »frei« zu bekommen. Keine Sorge, rein anatomisch bleibt dabei alles an seinem Platz. Aber Sie werden sehen, dass es in digitalen Zeiten eine gute Kopf- und Gehirnpflege sein kann, wenn Sie sich geistige Auszeiten nehmen und bewahren. Ich habe diese Phasen »Kopffreiräume« genannt – Zeiten, in denen wir den Informationsmüll entsorgen, Zeiten, in denen wir nicht oberflächlich konsumieren, Zeiten, in denen wir in verklarende Tiefe versinken.

Es sind Zeiten, in denen wir uns selbst und unseren Mitmenschen das Schönste schenken können, das wir haben: unsere Aufmerksamkeit!

Einleitung

Aufmerksamkeit macht klug

»Wohin du deine Aufmerksamkeit richtest, bestimmt, wer du wirst. Wenn du nicht selbst bestimmst, mit welchen Gedanken und Bildern du deinen Kopf füllst, werden es andere für dich bestimmen.«

nach Epiktet (50–138 n.Chr.)

Die nervöse Gesellschaft

Zu Beginn möchte ich Ihnen eine Frage stellen (was im Grunde genommen ganz typisch ist für einen Psychiater): Wie erleben Sie Ihren Alltag? Mit welchem Begriff würden Sie einen gewöhnlichen (Arbeits-)Tag beschreiben? Welche Überschrift wäre geeignet? Entscheiden Sie am besten aus dem Bauch heraus, also ohne lange darüber nachzudenken.

Meinen Klienten, die mich wegen beruflicher oder privater Beschwerden aufsuchen, stelle ich diese Frage äußerst gerne. Die Antworten geben mir zu Beginn der Beratung oder Behandlung eine Ahnung davon, was die Essenz ihrer Schwierigkeiten sein könnte. Seit Jahren sammle ich die Antworten. Sie füllen mittlerweile eine Liste mit mehreren Hunderten Items. Die vordersten Rangplätze teilen sich dabei: Stress, Zeitdruck, Hektik, Multitasking, Konzentrationsstörungen, Unterbrechungen, Ablenkung, Überlastung, Überladung, Gedächtnisschwäche, Nervosität, Reizflut, Ungeduld, Schnelligkeit, Erreichbarkeit, Erschöpfung, fehlende Ruhe, Sorgen und Ängste. Können Sie sich mit ein paar der genannten Begriffe identifizieren?

Die Auswertung des Stressreports der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, einer Studie, an der 17562 abhängig Beschäftigte als Probanden teilnahmen, ergibt übrigens ein ganz ähnliches Bild. Nicht alle Befragten leiden zwar in gleicher Weise unter den genannten Faktoren. Aber sie beschrieben ihr Arbeits(er)leben mit denselben Begriffen. Die Ergebnisse beruhen nicht auf einer zufälligen Einzelerhebung, sondern entsprechen ziemlich genau einer älteren Untersuchung an einem ähnlichen Kollektiv sechs Jahre zuvor (siehe Literaturverzeichnis). In einer im Februar 2021 veröffentlichten landesweiten Befragung der Techniker Krankenkasse mit dem Titel Schalt mal ab, Deutschland mit 1250 erwachsenen Testpersonen zeigte sich, dass 76 % nahezu ständig online waren, bei den jüngeren Personen sogar 92 %. Die tägliche Dauer der Internetnutzung lag bei mehreren Stunden. Messengerdienste, Nachrichten und E-Mails machten das Gros der Aktivitäten aus. Man mag zunächst vermuten, dass die beiden Corona-Lockdowns im Jahr 2020 einen Großteil der Steigerung der Online-Zeit verursachten. Aber deutlich geringer waren die Bildschirmzeiten im prä-pandemischen Jahr 2019 gar nicht. Außerdem zeigte die aktuelle Studie, dass es weniger die berufliche, sondern vielmehr die private Nutzung war, die zu dem hohen medialen Konsum beitrug. Die Ergebnisse belegten zudem einen statistischen Zusammenhang zwischen hohem Medienkonsum und einer schlechteren Gesundheit (ohne etwas über die Richtung des Zusammenhangs aussagen zu können). Als Folge gaben die Befragten Nervosität, Konzentrationsstörungen und Depressivität an. Je stärker sie ihre Aufmerksamkeit teilen mussten (beispielsweise durch Surfen im Internet während des Fernsehschauens), desto höher waren die Konzentrationsschwierigkeiten und der Grad der subjektiven Erschöpfung (siehe Literaturverzeichnis). Unabhängig von dieser aktuellen Befragung erhöht sich die Anzahl der Krankheitstage wegen psychischem Stress seit Jahren. Dabei erscheint mir die Differenzierung wichtig, dass die Inzidenzen biologisch verursachter Stoffwechselstörungen des Gehirns, die zu Depressionen, Manien oder Psychosen führen können, nicht eindeutig angestiegen sind. Dafür haben aber die Beschwerden zugenommen, die aus einer ungünstigen und wenig selbstfürsorglichen Lebensführung entstehen können, zum Beispiel Konzentrationsschwächen, Schlafstörungen, Erschöpfungszustände und depressive Reaktionen.

Gründe für den subjektiven Stress von heute gibt es natürlich viele, angefangen von realen Belastungen im Alltag bis hin zu übertriebenen Ansprüchen an sich selbst. Ich habe mit meiner Arbeitsgruppe mehrere Studien zu diesem Thema veröffentlicht und verschiedene Artikel darüber verfasst. In diesem Buch möchte ich allerdings ganz bewusst auf die Darstellung einer Burn-out-Therapie oder Maßnahmen einer konventionellen Stressprävention einschließlich Sport, Schlaf, Ernährung und Muskelrelaxation verzichten. Mir geht es hier mehr darum, zu beleuchten, wie sich die moderne Lebens- und Arbeitsweise einschließlich der Informationsüberladung und des medialen Konsums auf unser Denken, unsere Leistung, unser Miteinander und unser Befinden auswirkt. Ich möchte vor allem jene Beschwerden in den Fokus stellen, die meine Klienten im digitalen Alltag erleben, und die Möglichkeiten eines klugen Selbstmanagements betonen, durch das wir unser Gehirn und uns selbst gesund und leistungsfähig erhalten können.

Der zweifelhafte Wunsch nach Gehirnoptimierung

Das Zu-viel und Alles-auf-einmal verursacht nämlich nicht nur Stress, sondern bewirkt mittel- bis langfristig auch teils gravierende Leistungsverluste. Insofern erfreuen sich Maßnahmen, um den Kopf wieder frei zu bekommen und »mental fit« zu werden, zunehmender Beliebtheit. Immer wieder fragen mich Klienten, ob ich ihnen Neuro-Enhancer (also hirnleistungssteigernde Substanzen) verschreiben könnte. Vor wenigen Jahren geschah dies noch hinter vorgehaltener Hand, mittlerweile immer offener. Sie wünschen sich mehr Energie, eine höhere Konzentration, ein besseres Gedächtnis und nach Möglichkeit anhaltend gute Laune.

Die Psychologin Larissa Maier von der University of California untersuchte unlängst das Einnahmeverhalten von Psychostimulanzien bei über 100000 Personen aus 15 Ländern. Regelmäßiges Hirndoping zeigte sich in den Regionen zwar unterschiedlich häufig, war aber überall recht beliebt: Während sie in der Schweiz eine Frequenz von 2 % der Bevölkerung ermittelte, die regelmäßig leistungssteigernde Substanzen schlucken, waren es 4–6 % in Frankreich und England, 12 % in Belgien und Kanada und fast 30 % in den USA. Die stärkste Zunahme während der letzten Jahre war in Europa zu verzeichnen (siehe Literaturverzeichnis). Am häufigsten kamen Substanzen wie Modafinil und Methylphenidat zum Einsatz, die seit vielen Jahren vor allem bei klinischen Formen der Aufmerksamkeitsstörungen (ADHS) Anwendung finden. Nicht mit in die Statistik gingen Soft-Dopings ein wie Koffein-Tabletten, Energydrinks, Nüsse und Fischöl. In Deutschland liegt der Anteil von Menschen, die Neuro-Enhancer einsetzen, um ihre Leistung zu erhöhen, aktuell übrigens bei 3 %. Unter Studenten liegt sie mit etwa 5 % sogar noch etwas höher (siehe Literaturverzeichnis).

Die Investition in chemisches Hirndoping bleibt nicht ohne Risiko – und zahlt sich langfristig nicht aus. Die unkritische Einnahme von Methylphenidat kann bei Gesunden nämlich die Hirnentwicklung empfindlich stören, da es die Neuroplastizität behindert, also die strukturelle Fähigkeit des Gehirns, sich durch Lernvorgänge intern zu verdrahten und Netzwerke zu formen (siehe Literaturverzeichnis). Psychostimulanzien können bei klinischen Aufmerksamkeitsstörungen eine wertvolle medikamentöse Unterstützung sein; bei hirngesunden Menschen, deren Leistungsverlust meist die Folge eines schlechten Selbstmanagements ist, ist ihr Einsatz jedoch nicht sinnvoll. Die Wahrscheinlichkeit von Nebenwirkungen übersteigt ihren Nutzen und hält Betroffene davon ab, Verantwortung für eine gesunde Lebensführung zu übernehmen. Das erstrebenswerte Ziel sollte es nicht sein, das Gehirn durch effizienzsteigernde Maßnahmen zu optimieren, sondern eine präzise Wahrnehmung zu schulen, das Denken zu vertiefen und an anderer Stelle zur geistigen Ruhe zu kommen, damit die gewonnenen Eindrücke ungestört verarbeitet werden können. Das, was unser Gehirn in digitalen Zeiten braucht, ist kein chemisches oder technologisches Upgrade, sondern unsere natürliche Unterstützung.

Probate Methoden gegen die Verstopfung

Der Dauerkonsum von digital vermittelten Informationen verstopft uns geistig zunehmend. Im angloamerikanischen Sprachgebrauch wird dieser Umstand gerne als »cognitive constipation« bezeichnet. Ich werde Ihnen auf den folgenden Seiten zeigen, wozu das führen kann und wie wir uns davor schützen können, ohne uns dabei der digitalen Welt zu verwehren. Viele der Menschen, die meine Beratung aufsuchen, haben bereits im Vorfeld versucht, ihrer Verstopfung entgegenzuwirken, und verschiedene »Abflussmöglichkeiten« ausprobiert. Den eigenen Kopf im Alltag von Zeit zu Zeit frei zu bekommen ist längst ein kollektives Bedürfnis geworden. Und wo Bedürfnisse entstehen, da wachsen auch schnell Märkte. Das Angebot an Anwendungen, die genau das versprechen, ist kaum noch überschaubar: BrainSpa, Neurowave-Training, Audio-Lights, Mind-Cinema, Gehirn-Yoga, Digital Detox, und alles natürlich immer so achtsam wie irgend möglich.

Viele der genannten Maßnahmen können Betroffenen natürlich durchaus wohltuende Auszeiten schenken. Aber Gehirnwellness allein reicht in den meisten Fällen nicht aus, wenn geistige Leistung und psychische Gesundheit im beruflichen und privaten Leben zunehmend nachlassen. Die meisten meiner Klienten brauchen mehr als eine kurzfristige Ablenkung vom Alltagsstress, nach der sie alles wieder so machen wie zuvor. Langfristig helfen kann ich ihnen am besten, wenn ich ihnen Zusammenhänge zwischen ihrer Lebens- und Arbeitsweise einerseits und eigene Steuerungsmöglichkeiten andererseits aufzeige und sie motiviere, ihr Verhalten schrittweise und behutsam zu verändern. Das geht nicht über Fast-Food-Angebote in Form einer »3-Minuten-Achtsamkeits-Übung« per Handy-App zwischen (Büro-)Tür und Angel. Dazu brauchen wir Kopffreiräume, Zeit, Geduld und den Mut, etwas Neues auszuprobieren. Erkenntnis und Handlungsbereitschaft ergeben sich in den stillen Momenten unseres Lebens, in denen wir auf uns selbst schauen statt auf einen Bildschirm.

Die meisten neuartigen Instant-Techniken für einen freien Kopf werden irgendwo gekauft, heruntergeladen und instrumentell eingesetzt. Betroffene lernen dabei jedoch nicht, mündig zu werden im Umgang mit dem digitalen Alltag. Sie handeln nicht mental autonom, sondern bleiben abhängig von Apps, Software und Apparaturen, die ihnen vorgefertigte Therapiekonserven mundgerecht präsentieren. In einer Zeit, in der medizinische oder psychologische Dienstleistungen ähnlich konsumiert werden wie Unterhaltung, bleibt da ein eigenverantwortliches Selbstmanagement auf der Strecke. Es geht das Bewusstsein verloren, dass wir Menschen viele unserer Beschwerden und Symptome dadurch am effektivsten reduzieren können, dass wir lernen, uns kognitiv und emotional selbst besser zu führen und zu kontrollieren. Anleitungen, Techniken und inspirierende Menschen, die einen auf diesem Weg begleiten, bieten hier ohne jeden Zweifel eine hilfreiche Unterstützungsmöglichkeit. Aber das erspart einem in den meisten Fällen nicht die Wendung nach innen und den Blick auf das Selbst.

Ich möchte Ihnen bereits an dieser Stelle ganz viel Mut machen: Sie tragen nämlich alle Voraussetzungen für eine gutes Selbstmanagement in sich. Menschen können ihr Denken und ihr Handeln erfolgreich überwachen, steuern und anpassen. Ich möchte Ihnen im Folgenden ein paar ganz besondere Errungenschaften vorstellen, mit denen sich unsere Spezies gegenüber einfachen Säugetieren auszeichnet und die uns genau das ermöglichen. Das bedeutet nicht, dass diese Selbstführung immer leichtfällt oder gelingt. Wie wir sehen werden, unterliegt die Prozesskontrolle im Alltag verschiedenen Störfaktoren, wahrscheinlich heute mehr denn je. Dennoch können wir lernen, uns angesichts der fortschreitenden Digitalisierung unserer Welt besser zu steuern und uns »natürlicher« und »gehirngerechter« zu verhalten in einer Welt, die immer digitaler wird. Maschinen und Prozessoren mögen schnell, analytisch und präzise sein. Aber Sie sind mehr: Sie sind klug.

Sie sind klug

Obwohl ich Sie leider nicht persönlich kenne, traue ich mir diese Einschätzung an dieser Stelle zu. Denn Sie sind ein moderner Homo sapiens mit einem großen und gefalteten Gehirn. Falls Sie sich rückversichern möchten, sollten Sie jedoch nicht Ihren Klassenlehrer von damals anrufen oder einen Intelligenztest aus der Schublade kramen, den Sie mal absolviert haben. Denn Klugheit ist nicht gleichbedeutend mit Intelligenz oder mit Verstand, auch wenn wir diese Begriffe im Alltag oft ungerechtfertigt miteinander vermischen. Klugheit beschreibt vielmehr die Fähigkeit, in einer bestimmten Situation angemessen zu handeln, um ein Ziel zu erreichen oder Schaden abzuwenden. Klugheit geht über akademische Intelligenz hinaus, sie beinhaltet viele verschiedene Aspekte, wie Verstehen und Verständnis. Kluge Menschen sind meist erfolgreich, weil sie durch die Art und Weise, wie sie denken und handeln, ihre Ziele besser erreichen. Ein hoher IQ reicht hierfür meist nicht aus. Hochintelligente Menschen können durchaus sehr unklug handeln.

Bereits im Hochmittelalter beschrieb der italienische Dominikanermönch und Philosoph Thomas von Aquin wichtige Bestandteile der Klugheit: das Nachdenken über einen Sachverhalt und das Abwägen, das Urteilen über mögliche Optionen und Alternativen sowie die endgültige Entscheidung für oder gegen eine Handlung. Er bezeichnete die Klugheit sogar einmal als »Mutter aller Tugenden« (siehe Literaturverzeichnis). Klug zu sein hängt davon ab, wie aufmerksam wir unsere Sinne einsetzen, wie bereitwillig wir unsere Gedanken und Gefühle in einen Dialog einbringen, und wie wir unser Verhalten steuern und kontrollieren. Klugheit ist das Ergebnis von dem, was wir eine erfolgreiche »kognitive und emotionale Steuerung« nennen.

Die Fähigkeit dieser Selbststeuerung, die unsere Spezies im besten Fall klug entscheiden und handeln lässt, haben wir Schritt für Schritt im Laufe von Millionen von Jahren erworben. Die Gehirnentwicklung des Menschen spielte hierbei eine große Rolle.

Von der Maus zum Menschen

Seit mehr als drei Millionen Jahren gilt der Mensch als Spezies mit dem bestentwickelten Gehirn, zumindest auf unserem Planeten (außerhalb des Sonnensystems kann ich es Ihnen nicht mit Sicherheit versprechen). Das war jedoch nicht immer so. Je weiter wir in der Evolution der Säugetiere zurückgehen, desto einfacher waren die Gehirne noch strukturiert. Vergleichen wir beispielsweise das Gehirn eines Menschen mit dem einer Maus, fällt uns auf den ersten Blick etwas ganz Wesentliches auf: Das Gehirn des Menschen ist stark gefaltet, das Gehirn einer Maus ist hingegen glatt. Der Grund für die Faltung beim Menschen ist der Hirnmantel, der ein Großteil der Nervenzellen enthält, auch »graue Substanz« genannt. Während der Entwicklung unserer Spezies hat das Gehirnwachstum nämlich so stark zugenommen, dass das Hirngewebe überhaupt nur wegen seiner Faltung in den Schädel passte. Der hätte nämlich ansonsten übergroß werden müssen, was sich negativ auf die Fortbewegung und das Gleichgewicht beziehungsweise die Statik der Wirbelsäule ausgewirkt hätte. Etwas zu falten bedeutet, Platz zu sparen. Aus dem gleichen Grund legen Sie auch die Handtücher zusammen, bevor Sie sie im Schrank stapeln. Es passen einfach mehr hinein. Die Maus kann es sich hingegen leisten, auf diese Platzökonomie zu verzichten. Das Gehirn darf vergleichsweise klein bleiben, denn die geistigen Anforderungen des Lebens an eine Maus sind überschaubar. Das Mäusegehirn muss Sinneseindrücke verarbeiten können, motorische Abläufe steuern und schlussendlich wichtige Körpervorgänge wie Verdauung, Wachstum und ein einfaches Immunsystem überwachen. Im Wesentlichen war es das dann aber auch schon. Ich will den Mäusen unter meinen Lesern kein Unrecht tun. Aber dass eine Maus diesen Text liest, ist eher unwahrscheinlich, denn genau das kann sie eben nicht. Denken, Lesen, Sprechen, Rechnen, aber auch besonnenes Abwägen, weitreichendes Planen, die Kontrolle von Impulsen und eine komplexe Steuerung der Aufmerksamkeit bleiben ihnen ebenso verwehrt wie ein Bewusstsein für sich selbst.

Viele geistige Abläufe einer Maus gehorchen einfachen Reiz-Reaktions-Mustern. Das bedeutet, dass Nervenbahnen die Sinnesorgane direkt oder allenfalls über kurze Umwege mit Muskeln oder Funktionsorganen verbinden und eine Reaktion auslösen. Einen höheren kognitiven Einfluss darauf hat die Maus nicht. Hunger bedeutet sofortige Suche nach Futter, ohne längeres Überlegen oder Zögern. Die Darbietung von Futter führt wiederum zu sofortigem Fressen, ohne Hinterfragen oder Abwägen. Deswegen laufen Mäuse auch in Mäusefallen. Sie können dem Geruch von Käse nicht widerstehen. Eine Fallenmechanik misstrauisch zu prüfen oder Essensimpulse im Rahmen einer selbst auferlegten Diät zu bremsen ist für eine Maus ebenfalls unmöglich (auch wenn Mäuse durchaus übergewichtig sein können). Zwischen Reiz und Reaktion liegt keine Zäsur. Das macht die Maus als Spezies nicht weniger überlebenserfolgreich, aber eben auch wenig flexibel.

Auch wir Menschen verfügen noch über Abläufe, die einfachen Reiz-Reaktions-Mustern folgen. Hierbei handelt es sich überwiegend um einfache Reflexe. Das automatische rasche Wegziehen des Fingers von einer heißen Herdplatte ist ein Beispiel für einen solchen Reflex, der auf Rückenmarksebene verschaltet ist. Einer kognitiven Steuerung bedarf es nicht, um einen Finger von einer Herdplatte wegzuziehen. Welche andere Perspektive soll es da schon geben? Die Wahrnehmung der hohen Temperatur (Reiz) und das schnelle Wegziehen des Fingers (Reflex) reichen, um in der Situation angemessen zu handeln. Höhere Zentren bekommen am Schluss zwar eine Kopie geschickt, was eigentlich gerade passiert ist, aber wirklich beteiligt werden sie an dem Prozess nicht. Das spart Zeit und dient dem Zweck der Sache, in diesem Fall Ihrem Schutz vor einer Verbrennung.

Abgesehen von diesen einfachen Schutzreflexen bildete sich bei uns Menschen mit fortschreitender Gehirnentwicklung ein immer komplexer werdender Denkapparat aus, der sich zwischen den Reiz und die darauffolgende Reaktion schaltete. Dadurch gelang es unserer Spezies, Umweltreize vielschichtig zu interpretieren, statt sie einfach nur zu registrieren. Wir begannen zu bewerten, was wir sahen und hörten. Wahrnehmung wurde zu einem komplexen und individuellen Erleben. Wir verbesserten außerdem unsere Fähigkeit des Denkens, des Abwägens, des Perspektivenwechsels und der kreativen Lösungsfindung. Wir lernten, unser Verhalten zu überwachen und zu steuern, statt nur instinktiv zu handeln. Mit jedem Wachstumsschritt des Gehirns nahm unsere Impulskontrolle zu. Mit ihrer Hilfe konnten wir uns zielgerichtet und auch sozial erwünscht verhalten, indem wir konkurrierende Störreize unterdrückten und Kurzschlussreaktionen vermieden.

Auch wenn amerikanische Ex-Präsidenten zunächst daran zweifeln lassen, beruht menschlicher Erfolg sowohl beruflich wie auch privat darauf, eben nicht blindlings, kopflos und impulsiv zu handeln, sondern innezuhalten, kurz nachzudenken, perspektivisch zu entscheiden und dann erst konsequent zu handeln. Die Entwicklung der kognitiven Steuerung ermöglichte es der menschlichen Spezies, friedlich und harmonisch in Sippen und Familien miteinander zu leben.

Erfolg durch kognitive Steuerung

»Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.«

Viktor Frankl (1905–1997)

 

Nehmen wir an, jemand pöbelt Sie an einer Bushaltestelle von der Seite an. Ihr (verständlicher) Impuls ist, ihm einen Kraftausdruck entgegenzuschleudern. Im Augenwinkel bemerken Sie jedoch zwei Kinder, also bleiben Sie besonnen und schlucken Ihren Ärger hinunter. Der Klügere gibt schließlich nach. In einem anderen Fall gleiten Ihre Augen auf einer Party am Abend über ein verführerisches Büfett. Aber Sie mäßigen sich, weil Sie sich an Ihr Ziel erinnern, bis Ende der Woche die selbst vereinbarten zwei Kilo abzunehmen. Und wiederum in einer ganz anderen Situation des Lebens verspüren Sie Lust, online zu shoppen, während Sie am Schreibtisch sitzen und für eine Abschlussprüfung lernen. Die Frühjahrskollektion ist nur wenige Mausklicks entfernt, aber Sie disziplinieren sich und bringen die erforderliche Konzentration auf, das Kapitel fertig zu lesen und die schriftlichen Fragen zu beantworten, bevor Sie sich neu einkleiden.

Diese drei ganz einfachen Beispiele zeigen, dass Ihr »Erfolg« von der Fähigkeit abhängt, Ihre Gedanken, Gefühle und Impulse aufmerksam zu überwachen und zu kontrollieren. Sie können einfache Reflexe in wohlüberlegte Handlungen umwandeln. Die Steuerung unseres Denkens und Verhaltens ermöglichte uns Menschen eine beispiellose Entwicklung in kognitiver und sozialer Hinsicht und war entscheidend für den evolutionären Erfolg unserer Spezies.

Wie schon erwähnt, entsteht eine kluge kognitive Steuerung aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Gehirnleistungen. Wir werden die einzelnen Komponenten im Laufe des Buches an der jeweils passenden Stelle kennen- (und schätzen) lernen. Daher fasse ich mich an dieser Stelle kurz: Der hauptsächliche Sitz der kognitiven Steuerung ist der präfrontale Kortex, also der Vorderlappen unseres Gehirns. Es ist dank seiner hierarchisch hoch rangierenden Kontroll- und Steuerprozesse den meisten Hirnzentren gegenüber weisungsbefugt. Man spricht auch von einem »Top-down-System«. Es wird in verschiedene Teilbereiche unterteilt, sogenannte Subsysteme. Sie unterstützen sich gegenseitig und arbeiten in der Regel zusammen.

Ein zentrales Subsystem ist das Arbeitsgedächtnis. Wie es der Begriff andeutet, wird hier mit Informationen »gearbeitet«. Das Arbeitsgedächtnis speichert aktuelle Informationen eine Zeit lang und setzt sie mit anderen in Bezug. So entstehen Verknüpfungen, die zu Erinnerungen oder neuen Ideen führen können, aber auch dazu, dass man Perspektiven wechselt oder Prioritäten setzt. Das geht eben nur an Orten, wo alles auf einen gemeinsamen Tisch kommt. Wenn Sie beispielsweise am Morgen Ihren Tagesablauf durchgehen und überlegen, wie Sie die verschiedenen Aufgaben unter einen Hut bekommen und was Sie dabei auf keinen Fall vergessen dürfen und was Sie vielleicht zur Not erst morgen machen, dann ist Ihr Arbeitsgedächtnis sehr aktiv.

Eine weitere Hauptkomponente ist das Subsystem für die Prozesskontrolle und Ausführung: Hier können wir uns Ziele vornehmen, Handlungen planen, deren Ausführung überwachen und nötigenfalls regulierend in die Abläufe eingreifen. Auch die Kontrolle von Impulsen findet hier statt. Daher können wir eine Diät einhalten und langweilige Steuererklärungen ausfüllen, obwohl wir gerade auf etwas ganz anderes Lust hätten.

Das dritte Subsystem ist unsere Aufmerksamkeit. Dieser möchte ich an dieser Stelle die Möglichkeit geben, sich uns etwas näher vorzustellen. Sie ist nämlich der rote Faden, der uns durch dieses Buch führen wird – auf dem Weg zu mehr Klarheit, Konzentration und Kreativität.

Der Scheinwerfer der Aufmerksamkeit

Sind Sie gerade aufmerksam? Nun, solange Sie diesen Text lesen und meinen Ausführungen geistig folgen, sind Sie es. Sie wären es aber auch, wenn Sie beim Lesen an etwas anderes denken würden. Man könnte Sie dann zwar als unkonzentriert bezeichnen, nicht aber als unaufmerksam. Beides wird oft miteinander verwechselt. Im Wachzustand sind Sie praktisch immer auf irgendetwas aufmerksam. Das heißt aber noch nicht, dass Sie Ihre Aufmerksamkeit auch gut steuern.

Beginnen wir mit der Frage: Was ist eigentlich Aufmerksamkeit? Der amerikanische Philosoph und Psychologe William James (1842–1910), der als Begründer der wissenschaftlich ausgerichteten Psychologie im späten 19. Jahrhundert gilt, würde diese Frage vermutlich mit einer Handbewegung abwinken: »Jeder weiß doch, was Aufmerksamkeit ist«, lautete einmal sein berühmt gewordenes Statement (siehe Literaturverzeichnis). Ist das wirklich so? Gerade über die Dinge, die man für selbstverständlich hält, macht man sich im Alltag nämlich oft die wenigsten Gedanken. Sie sind zudem häufig am schwersten zu beschreiben. Wir können uns an dieser Stelle auf folgende Definition verständigen (die übrigens an William James’ Theorie angelehnt ist): Die Aufmerksamkeit auf etwas zu richten bedeutet, geistig Besitz von einer Sache zu ergreifen, beispielsweise von den eigenen Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühlen oder Handlungen. Aufmerksamkeit ist also eine Form der geistigen Zuwendung.

Das Subsystem der Aufmerksamkeit besetzt für unsere kognitive Steuerung eine Schlüsselposition, denn durch Aufmerksamkeit können wir unsere Wahrnehmung lenken. Wir können aus der Flut von Informationen das Interessante herausgreifen, wir können besonders Wichtiges festhalten und sorgfältig analysieren, und wir können nicht zuletzt durch die Wendung nach innen auch unsere Gedanken und Gefühle ordnen.

Wir wollen einmal versuchen, uns die Aufmerksamkeit konkret und bildhaft vorzustellen. Kennen Sie den Disneyfilm Alles steht Kopf? In dem Film machen wir die Bekanntschaft mit einer Reihe verschiedener Emotionen, die in Form unterschiedlicher Figuren dargestellt werden (wenn auch nicht ganz gendergerecht) (siehe Literaturverzeichnis): »Wut« wird beispielsweise als aufbrausender, leicht untersetzter Kerl mit rotem Kopf und flammenden Haaren dargestellt, »Kummer« erscheint uns als schüchternes blaues Mädchen mit gekrümmtem Gangbild usw. Die Aufmerksamkeit konnte in der Bewerbung für den Film leider keine Rolle ergattern. Wenn sie mitspielen würde, könnten wir sie uns vorstellen wie einen Scheinwerfer in unserem Gehirn-Theater: Der Scheinwerfer kann Personen oder Objekte anvisieren, in dem er aus dem wilden und dynamischen Treiben auf der Bühne das auswählt, was gerade interessant oder relevant zu sein scheint (Selektion). Außerdem hat er einen Spot, mit dem er Lichtstrahlen bündeln und auf etwas richten kann, was ganz besonders hell erstrahlen soll (Konzentration). Und er verfügt über eine Art 180-Grad-Gelenk, mit dem er auch einmal von der äußeren Bühne wegschwenken kann, beispielsweise wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf innere Prozesse richten, indem wir über etwas nachdenken (Wendung nach innen).

Wir nutzen in der Psychologie häufig und gerne solche Bilder, um abstrakte Zusammenhänge zu verdeutlichen und unseren Klienten eine Vorstellung davon zu geben, was sich im Oberstübchen abspielt. Haben Sie in Anlehnung an den eben erwähnten Film bereits ein Bild vor Augen, wie Ihre Aufmerksamkeit aussehen könnte? Falls Sie sie mit einem Gesicht versehen möchten, zeichnen Sie vor Ihrem geistigen Auge bitte ein freundliches. Denn sie meint es gut mit uns. Sie dient unserem Wohl und unserem Schutz.

Eigenleistung statt Eigenschaft

Emotionen wie Wut oder Angst führen ein ausgeprägtes Eigenleben. So ist es auch in dem genannten Film. Sie unterliegen kaum unserer Kontrolle und machen meist, was sie wollen. Unsere Aufmerksamkeit ist zwar durch äußerliche Einflüsse leicht beeinflussbar, unterliegt aber als Teil des Top-down-Systems prinzipiell unserer Einflussnahme deutlich besser als viele klassische Emotionen.

Der Psychologe William James, von dem eben die Rede war, betonte als einer der ersten Wissenschaftler die Eigenverantwortung bei der Steuerung der Aufmerksamkeit. Er war davon überzeugt, dass einem selbst die anspruchsvollsten geistigen Tätigkeiten gelängen, wenn man richtig mit seiner Aufmerksamkeit umgehe. Er belegte seine Annahmen gerne mit Julius Cäsar, der seine Aufmerksamkeit angeblich so gut zu steuern verstand, dass er einen Brief diktieren konnte, während er einen anderen schrieb (siehe Literaturverzeichnis). Feldherren traute man immer schon viel zu. Aber Augenzeuge war James nicht, wir dürfen hier also etwas skeptisch bleiben.

Dessen ungeachtet ist eine gute Aufmerksamkeitssteuerung tatsächlich die wichtigste Voraussetzung klugen Handelns. William James selbst blieb übrigens zeitlebens Opfer einer eher schlechten Aufmerksamkeitssteuerung. In einer Vorlesung in Cambridge im Jahr 1892 behauptete er zwar, man müsse sich nur »das Nervensystem zum Verbündeten machen«, um im Leben erfolgreich zu sein. Aber an einer Umsetzung haperte es. Trotz seiner brillanten Erkenntnisse und Theorien führte James ein recht ungeordnetes und wenig strukturiertes Leben. Er schob lästige Pflichten auf, verzettelte sich in Kleinigkeiten und ließ sich leicht ablenken. Sein Fall zeigt, dass die Steuerung der Aufmerksamkeit nicht immer einfach ist (selbst wenn man viel über sie weiß). Sie ist sehr störanfällig. Das war im 19. Jahrhundert schon so und gelingt in der heutigen digitalen Welt nicht eben leichter. Hinzu kommt, dass Ihre Aufmerksamkeit als kostbare Ressource »geldwert« ist. Wenn Sie nicht aufpassen, schnappt man sie Ihnen heute sehr schnell weg. Oder um noch einmal zu dem Bild der Scheinwerfer zurückzukommen: Die Diebe lenken das Licht auf sich um, sodass es nicht mehr auf die Dinge fällt, die möglicherweise viel mehr Beleuchtung verdient hätten.

Der Diebstahl einer begehrten Ressource

Ihre Aufmerksamkeit ist von unschätzbarem Wert. Sie ist so wertvoll, dass man sie Ihnen ständig klauen will. Wäre sie nutzlos, wollte sie keiner haben. Früher haben Ihnen nur Zauberer und Taschendiebe Aufmerksamkeit gestohlen. Bei ihnen gehörte Diebstahl quasi zum Berufsbild. Je abgelenkter man war, desto leichter wurde man hinters Licht geführt. Heute klaut uns jeder Aufmerksamkeit, und das mit sehr cleveren Strategien. In der (medialen) Welt ist der ganze Tag ein einziger Raubzug nach dem kostbaren Gut.

Aufmerksamkeit zählt man zu den kostbarsten Rohstoffen der modernen kapitalistischen Gesellschaft. Der Kampf um sie erreicht längst sämtliche Prozesse und Bereiche des gesellschaftlichen und politischen Lebens (siehe Literaturverzeichnis), und er wird hart geführt. Mit der Steuerung von Aufmerksamkeit ist nämlich kulturelle und wirtschaftliche Macht verbunden. Der deutsche Philosoph und Architekt Georg Franck schrieb Anfang der 1990er-Jahre einen aufsehenerregenden Artikel mit dem Titel Ökonomie der Aufmerksamkeit. Darin bezeichnete er die Aufmerksamkeit als Parallelwährung für ein Tauschgeschäft (siehe Literaturverzeichnis).

Vereinfacht gesagt, funktioniert das Geschäft so: Jemand bietet Ihnen eine Ware, eine Dienstleistung oder eine Information an. Sie bezahlen mit Ihrer Aufmerksamkeit in Form von Beachtung und Zuwendung (nicht umsonst heißt es im Englischen »to pay attention«). Am Ende des Deals steht Ihre Reaktion beziehungsweise Handlung, die man sich von Ihnen erhofft: der Kauf eines Produkts, der Abschluss eines Vertrages oder die Buchung einer Reise, möglicherweise auch eine politische Meinungsbildung, die Mitverbreitung einer Information, eine solidarische Anteilnahme oder eine andere Form der (emotionalen) Verbindung.

Aufmerksamkeit, die uns gestohlen wird oder die wir bereitwillig verschenken, steht uns an anderen Stellen nicht zur Verfügung. Sie ist als Ressource begrenzt. Schon Aristoteles beschrieb ihre beschränkte Kapazität (»limitatio attentionis«) (siehe Literaturverzeichnis). Sie kann sich nicht beliebig vervielfältigen. Sie können sie zwar aufteilen, verteilen und rasch wechseln, aber in der Summe können Sie sich an einem Tag nur einer bestimmten Anzahl an Dingen zuwenden und sich intensiv auf sie einlassen. Die Begrenztheit macht die Aufmerksamkeit wertvoll. Es verhält sich ähnlich wie bei einem Rohstoff, den es nur in einer begrenzten Menge gibt. Sein Wert steigt durch den Verbrauch, weil die Ressource immer knapper wird. Die Vielfalt an Informationen und Angeboten hat in den letzten Jahren so stark zugenommen, dass auch unsere Aufmerksamkeit immer rascher aufgezehrt wird und sich ihr Wert dadurch relativ erhöht.

Die Auswertung von Längsschnittuntersuchungen der TU Berlin über mehrere Jahrzehnte (anhand von Twitter-Daten, Verkäufen von Kinokarten, Statistiken von Google Books, Zitationen in wissenschaftlichen Publikationen, Daten aus Google Trends, Reddit und Wikipedia) zeigt eine Beschleunigung der Informationsverbreitung und Konsumzeit. Die »Halbwertszeit« einer Information wird immer geringer, denn die nächste steht schon in den Startlöchern, und weitere drängen immer schneller nach. Unsere Zuwendungszeit verkürzt sich daher ebenfalls. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass sich die öffentlichen Aufmerksamkeitsressourcen immer rascher erschöpfen (siehe Literaturverzeichnis). Daher reißen sich Medien und Meinungsmacher umso stärker um die noch verbleibenden Wahrnehmungssekunden ihrer Rezipienten. Ihre Strategien müssen immer lauter, krasser und empörender werden, um überhaupt noch Aufmerksamkeit zu bekommen und ein paar kurze Momente fesseln zu können.

Wir wollen uns an dieser Stelle jedoch weniger mit den wirtschaftlichen und soziologischen Auswirkungen des Kampfes um die Aufmerksamkeit beschäftigen; hierüber ist bereits viel geschrieben worden. Ich möchte Ihnen vielmehr zeigen, durch welche Faktoren der digitalen Welt uns die kognitive Steuerung abhandenkommt, welche Folgen der Verlust der Aufmerksamkeit für Sie ganz persönlich haben kann und wie Sie Ihre Kontrolle wieder zurückerlangen können.

Der Preis ist der Steuerungsverlust

Einfache Gehirne funktionieren bekanntermaßen in aller Regel störungsfrei. Mäuse leiden weder unter Konzentrationsstörungen, Motivationsmangel oder Sinnkrisen. Sie kennen keine Zielkonflikte und lassen ihren Impulsen freien Lauf. Sie »machen sich keinen Kopf«. Das komplexe Gehirn des Menschen kann da deutlich mehr, ist aber auch störanfälliger. Etwas ganz Ähnliches beobachten wir in der Technik: Je komplizierter die Elektronik oder Mechanik, desto häufiger sind die Ausfälle. Die kompliziertesten Motoren verursachen oft die größten Probleme, und die aufgeblähteste Software hängt sich am häufigsten auf. Sich kognitiv und emotional klug zu steuern bleibt trotz der Millionen Jahre menschlicher Entwicklung bis heute eine anspruchsvolle Leistung unseres Gehirns, die gerne auch einmal aussetzt. Müdigkeit beispielsweise reduziert die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und irrelevante Reize auszublenden (siehe Literaturverzeichnis). Und ein Glas Rotwein (zu viel) kann zu impulsiven Entscheidungen führen, die wir am Folgetag bereuen oder zumindest nicht als besonders »klug« bezeichnen würden. Auf detaillierte Schicksalsberichte wollen wir an dieser Stelle verzichten.

Im Folgenden möchte ich mir mit Ihnen mehr die nicht-alkoholischen Gründe ansehen, die heutzutage unsere kognitive Steuerung gefährden und einen Teil unseres Leistungsverlustes beziehungsweise Stresses erklären, den wir im digitalen Alltag erleben. Die Störungen, die im Speziellen durch die Technologien und die Reiz- und Informationsflut wirksam werden, bezeichnet man auch als »Technoferenz« (siehe Literaturverzeichnis). Folgende Aspekte sind mir dabei besonders wichtig und werden Grundlage meiner Ausführungen in diesem Buch sein:

Reiz- und Informationsflut: Angesichts der Fülle von Reizen und Daten fällt es zunehmend schwerer, Relevantes auszuwählen. Wir lesen schneller und nehmen unsere Umwelt weniger sorgfältig wahr. Außerdem denken wir oberflächlicher. Aufgrund der hohen Informationsdichte fällt eine tiefgeistige Verarbeitung der Inhalte schwerer. Die Flut an Zuwendungsmöglichkeiten reduziert darüber hinaus die Speicherfähigkeit. Unser Gedächtnis verschlechtert sich, nur weniges bleibt noch hängen.

Ablenkungsdichte und Multitasking: Die Ablenkungsmöglichkeiten erschweren das konzentrierte Arbeiten. Wir schalten ständig zwischen verschiedenen Dingen um oder versuchen, in Form von Multitasking Aufgaben und Unterhaltung zu parallelisieren. Das macht unser Leben in vielen Situationen nicht nur hektischer, sondern wir werden auch immer ungeduldiger. Die Störungen durch Unterbrechungen führen zu Ungenauigkeit und zu mehr Fehlern. Zu viele geistige Umschaltprozesse können zudem erschöpfen.

Medialer Dauerkonsum:Durch den digitalen Präsentismus und ständige digitale Kommunikation gehen heute geistige »Auszeiten« verloren, in denen wir von der Welt entkoppelt sind. Es fehlt an Kopffreiräumen, um über bestimmte Dinge in Ruhe nachzudenken, in uns zu spüren und uns im Klaren über etwas zu werden, oder einfach nur, um das Erlebte zu verdauen. In der Fülle an medialen Unterhaltungsmöglichkeiten fällt es schwer, »nichts« zu tun. Langweile ist für viele kaum noch aushaltbar. Der Kontakt zu sich selbst geht verloren.

Die Wellen kommen schneller

Werden wir lernen, uns in einer Welt der Informationsflut, der ständigen Ablenkungen und des steigenden Medienkonsums anzupassen? Sind meine Gedanken in diesem Buch in 25 Jahren vielleicht obsolet, weil wir uns geistig weiterentwickelt haben? Werden wir unsere Aufmerksamkeitssteuerung optimieren?

Eines steht fest: Je schneller sich unsere Welt dreht, desto weniger Zeit für eine solche Anpassung bleibt uns. Der vor wenigen Jahren verstorbene amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler beschrieb in seinem Buch Future Shock die verschiedenen Entwicklungen, die die Menschheit in sogenannten Wellen überkamen (siehe Literaturverzeichnis): die Agrarwelle vor etwa 8000 Jahren, die Industriewelle vor 250 Jahren, die Computerwelle vor 50 Jahren und schließlich die Informationswelle seit 20 Jahren. Toffler ging davon aus, dass eine technische Neuerung die Gesellschaft dann durchdrungen hat, sobald sie von 50000 Menschen genutzt wird. Das war beim Radio nach knapp 40 Jahren der Fall. Das Fernsehen brauchte schon nur noch 20 Jahre. In Ergänzung zu Tofflers Theorie kann man mittlerweile noch schnellere Wellen nachreichen: Das Internet brauchte für die gleiche Durchdringung nur vier Jahre, Facebook gerade einmal zwei Jahre. Durch die Globalisierung und Vernetzung der Welt durchdringen uns Neuerungen also immer schneller. Folglich müssen wir uns in immer kürzeren Abständen mit den Wellen auseinandersetzen und lernen, sie zu lenken, um nicht von ihnen umgerissen oder hinweggeschwemmt zu werden.

Wie Sie an vielen Stellen dieses Buches merken werden, sind meine Hoffnungen in dieser Hinsicht groß. Aber auf die Biologie dürfen wir dabei nicht zählen. Unser Gehirn wird strukturell-organisch vermutlich nämlich nicht so schnell an die Herausforderungen der Neuzeit adaptieren. Genetische Anpassungen brauchen Zeit. Im Fall des Menschen vermutlich sogar länger, als wir es selbst zunächst glaubten. In der Fachzeitschrift Nature Review Genetics erschien vor wenigen Jahren ein aufsehenerregender Artikel, der belegen konnte, dass sich die meisten natürlichen Mutationsänderungen im genetischen Erbgut des Menschen lediglich alle 7000 bis 12000 Jahre ereignen (siehe Literaturverzeichnis). Unsere eigene Evolution und sämtliche biologischen Anpassungen verliefen damit vermutlich wesentlich langsamer als ursprünglich angenommen. Dieses Schneckentempo hält bis heute an. Die Art und Weise, wie das Gehirn des Neuzeitmenschen funktioniert, entspricht vermutlich jener unserer steinzeitlichen Vorfahren des Neolithikums (ca. 11500–2200 v.Chr.). Ein einzelnes Gehirn mag schnell arbeiten, genetisch verändern tut es sich hingegen nur langsam.

Das macht aber nichts. Denn auch wenn unser Gehirn als komplexes System durchaus störanfällig und langfristig gesehen anpassungsbehäbig ist, bringt es alles mit, damit wir – auch in dieser Welt – Bestleistungen vollbringen können, ohne erschöpfen zu müssen. Es ist alles angelegt, was wir brauchen, um klar, konzentriert und kreativ zu sein. Aber es kommt auf uns selbst an, wie sehr wir uns steuern und unsere Aufmerksamkeit in diesem Sinne einsetzen.

Holen wir uns die Aufmerksamkeit zurück!

Die rasant fortschreitende Digitalisierung unserer Welt wird uns aller Voraussicht nach immer mehr Muskelarbeit abnehmen. Das meiste davon werden in Zukunft Maschinen für uns erledigen. Die Arbeit des Menschen wird Gehirnarbeit sein. Es ergibt daher Sinn, die groben Zusammenhänge zwischen der Lebens- und Arbeitsweise und der eigenen Gehirnleistung beziehungsweise Gehirngesundheit zu kennen.

Die Steuerung Ihrer Aufmerksamkeit ist dabei eine der wertvollsten geistigen Fähigkeiten, die Sie entwickeln, pflegen und trainieren können. Denn das Erreichen Ihrer Ziele, das Entwickeln einer inneren Entscheidungssicherheit und nicht zuletzt ein wohltuendes Gefühl der Ausgeglichenheit und Zufriedenheit können ganz erheblich davon abhängen, wie stark Sie sie zu bündeln verstehen, wie sorgsam Sie sie verteilen und auf was Sie sie in Ihrem Leben lenken.

Aufmerksamkeit gehört zu den wertvollsten Geschenken, die Sie sich selbst und Ihren Mitmenschen machen können. Es lohnt sich also, diese wunderbare Eigenschaft kennen und vielleicht sogar lieben zu lernen.

Mein Buch soll aufmerksam machen für die Aufmerksamkeit und ein Plädoyer für ihren Schutz und ihren Erhalt sein – in einer Welt, in der sie uns immer mehr abhandenkommt. Nicht nur weil jeder Einzelne von ihr profitiert, sondern weil es auch unserer Gesellschaft guttäte, den Fokus auf das zu lenken, was uns wirklich wichtig ist.