Kosten-Nutzen-Abwägungen im Sicherheitsrecht - Christoph Haffner - E-Book

Kosten-Nutzen-Abwägungen im Sicherheitsrecht E-Book

Christoph Haffner

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Beschreibung

Mehr Sicherheit = weniger Freiheit? Sicherheit und Freiheit gelten als die zentralen Antagonisten im Sicherheitsrecht. Ein Mehr an Sicherheit kann teilweise nur auf Kosten grundrechtlicher Freiheit erzielt werden. Beide Rechtsgüter müssen daher abgewogen und in Einklang gebracht werden. Staatliches Handeln im Bereich der Risikovorsorge ist deshalb nicht nur von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Teil kritisch begleitet worden. Kostenfaktor Sicherheit Die Erforschung und Erprobung neuartiger Sicherheitstechnologien kostet aber zunächst einmal vor allem Geld. Ob der erzielbare Sicherheitsgewinn die aufgebrachten Mittel rechtfertigt oder diese an anderer Stelle mit höherem Mehrwert hätten eingesetzt werden können, wird bisher oft nur unter dem Stichwort "Sicherheitsökonomie" diskutiert. Das Buch stellt diese Problematik erstmals vertiefend unter rechtlichen Gesichtspunkten dar. Der Autor zeigt die rechtlichen Rahmenbedingungen eines – auch – nach ökonomischen Kriterien handelnden Staates auf. Er erörtert den Stellenwert und die (verfassungs-)rechtlichen Grenzen des Wirtschaftlichkeitsdenkens im Sicherheitsrecht. Die gefundenen Ergebnisse werden anhand von Beispielen des Straßen- und Wasserrechts veranschaulicht. Kosten-Nutzen-Analyse Abschließend setzt sich der Verfasser eingehend mit der Frage auseinander, inwieweit das Verfahren einer monetarisierenden Analyse, d.h. einer Kosten-Nutzen-Analyse, die aktuelle Zahlenwerten verwendet, im Vergleich zur gegenwärtigen Abwägungspraxis bessere Entscheidungen zu erzielen vermag.

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Kosten-Nutzen-Abwägungen im Sicherheitsrecht

Dr. Christoph Haffner

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print ISBN 978-3-415-05719-7 E-ISBN 978-3-415-05745-6

© 2016 Richard Boorberg Verlag

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Titelfoto: © Xaver Klaussner – Fotolia

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

Meinen Eltern

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2014/2015 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Vor der Drucklegung wurde die Arbeit geringfügig inhaltlich überarbeitet und insbesondere mit Blick auf die zwischenzeitlich erschienene Literatur aktualisiert.

Anlass und Hintergrund der Arbeit bildete das Forschungsprojekt „Schutz von Verkehrsinfrastrukturen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Für dessen Förderung möchte ich mich an dieser Stelle nochmals bedanken.

Meinem Doktorvater, Prof. Dr. Thomas Würtenberger, bin ich zu größerem Dank verpflichtet als gewöhnlich an dieser Stelle ausgedrückt zu werden pflegt. Er hat nicht nur die Bearbeitung des Themas vorgeschlagen, sondern auch die Erstellung der Arbeit mit zahlreichen Anregungen unterstützt. Vieles, was ich in meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl von ihm in fachlicher und persönlicher Hinsicht lernen durfte, wird mir beispielhaft bleiben. Nicht zuletzt habe ich ihm und Herrn Prof. Dr. Dirk Heckmann auch für die Aufnahme der Arbeit in die vorliegende Schriftenreihe zu danken.

Herr Prof. Dr. Murswiek hat das Zweitgutachten angefertigt. Hierfür gilt mein aufrichtiger Dank.

Verbunden bin ich auch allen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Öffentliches Recht der Universität Freiburg, die mit vielfältigen Anregungen anlässlich unserer monatlichen Diskussionsrunden den Grundstein zum Gelingen der Arbeit gelegt haben. Stellvertretend möchte ich dabei Herrn Dr. Sebastian Clemens Schmitz herausheben, der mir in unserer gemeinsamen Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht ein guter Freund war.

Großen Dank schulde ich schließlich auch meinen Freunden Daniel David, Marcel Lohwasser und Sebastian Sachs, die die Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen haben.

Meine Ehefrau, Marie Haffner, hat nicht nur ebenfalls das Manuskript korrekturgelesen, sondern auch durch persönliche Unterstützung und Ermutigung zur Fertigstellung der Arbeit beigetragen.

Die Herren Rechtsanwälte und Notare Falk, Dr. Berghäuser, Dr. Albach, Dr. Landzettel, Dr. Wieland, Dr. Berg und Schiweck haben sich als Partner der Partnerschaftsgesellschaft „RechtsAnwälte und Notare“, Darmstadt, bereit erklärt, sich an den Kosten der Drucklegung zu beteiligen. Für dieses Angebot bin ich ihnen zum Dank verpflichtet.

Nicht zuletzt möchte ich mich an dieser Stelle auch bei meinem Lektor, Herrn Hans-Jörn Bury, für seine Unterstützung im Rahmen der Drucklegung der Arbeit nochmals sehr bedanken.

Darmstadt, im Mai 2016

Christoph Haffner

Inhalt

Einleitung

I. Einführung und Problemstellung

II. Der Gang der Untersuchung

Kapitel 1: Kosten-Nutzen-Abwägungsgebote in der Rechtsordnung

I.Kosten-Nutzen-Abwägungen hinsichtlich privater Ressourcen

1. Die juristische Kosten-Nutzen-Abwägung: der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

2. Die Besonderheiten einer Verhältnismäßigkeitsprüfung

a) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Kontrollmaßstab und Handlungsnorm

b) Der rechtliche „Wert“ und ökonomische „Preis“ der (Rechts-)Güter

3. Zwischenergebnis und Reichweite des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

II. Kosten-Nutzen-Abwägungen hinsichtlich staatlicher Ressourcen

1. „Wirtschaftlichkeitsbegriff“ des Art. 114 Abs. 2 GG, §§ 6 Abs. 1 HGrG, 7 Abs. 1 BHO/LHO

a) Der Standort des Begriffs „Wirtschaftlichkeit“ im (Haushalts-)Recht

b) Die Bedeutung der „Wirtschaftlichkeit“

aa) Minimal- oder Sparsamkeitsprinzip

bb) Maximal- oder Ergiebigkeitsprinzip

cc) Die abstrakte Handlungsanweisung des Minimal- und Maximalprinzips

dd) Weitere Facetten des rechtswissenschaftlichen Begriffs der „Wirtschaftlichkeit“?

c) „Wirtschaftlichkeit“ und (Auslegungs-)Primat der Ökonomie?

2. „Angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ i. S. d. §§ 6 Abs. 2 HGrG, 7 Abs. 2 BHO/LHO

a) Kosten-Wirksamkeits-Analysen

b) Kosten-Nutzen-Analysen

c) Zwischenergebnis: Vollzugsdefizit in der Praxis

3. Weitere Ableitungsversuche: Verpflichtung zur „Wirtschaftlichkeit“ aus allgemeinen grundgesetzlichen Wertungen

a) Deduktive Begründungsansätze

b) Grundrechtliches Wirtschaftlichkeitsgebot

c) Das umweltrechtliche Nachhaltigkeitsprinzip des Art. 20a GG als Argument?

4. Rechtscharakter und Geltungsumfang des Wirtschaftlichkeitsgedankens

a) Die grundsätzliche Relevanz „fiskalischer“ Erwägungen

b) (Wirtschaftlichkeits-)Prinzip oder (Wirtschaftlichkeits-)Gebot

c) „Wirtschaftlichkeit“ und „Verhältnismäßigkeit“ als Grundformen rationalen Abwägens

d) „Wirtschaftlichkeitsgebot“ als Ausdruck eines „Ressourcenschonungsgebots“

e) Personale Reichweite: staatsgewaltübergreifende Wirtschaftlichkeitsverpflichtung

f) „Wirtschaftlichkeitsgebot“ als Gefahr einer Relativierung der Normbindung

Kapitel 2: Kosten-Nutzen-Abwägungen und Schutzpflichtendogmatik

I. Grundlagen der Schutzpflichtendogmatik

1. Die Dogmatik der grundrechtlichen Schutzpflichten als offensive Seite der Grundrechte

2. Die Bedeutung der Schutzpflichtendogmatik für den Schutz kritischer Infrastrukturen

a) Der Schutz kritischer Infrastrukturen als Gebot der Schutzpflichtendogmatik?

b) Der Schutz „kritischer Infrastrukturen“ zwischen Schutzpflichtendogmatik und „Daseinsvorsorge“

II. Schutzpflichtendogmatik und Kosten-Nutzen- Abwägungen

1. Die dogmatisch-normstrukturellen Unterschiede zwischen Grundrechten als Abwehrrechten und Schutzpflichten

2. Verfassungsrechtliche Bindungen und politische Gestaltungsfreiheit

a) Art und Ausmaß der Grundrechtsbeeinträchtigung bzw. -gefährdung

aa) Der abstrakte Rang des betroffenen Rechtsgutes

bb) Die Intensität der Betroffenheit

cc) Eintrittswahrscheinlichkeit und objektives Individualrisiko

dd) Die Bedeutung des „Schadenserwartungswertes“ in Recht und Ökonomie

b) Möglichkeit des Selbstschutzes

c) Die notwendige Berücksichtigung der Grundrechte Dritter

d) Finanzwirksamkeit der Schutzpflicht und der „Vorbehalt des Möglichen“

aa) Die grundsätzliche Relevanz „fiskalischer“ Überlegungen

bb) Sicherheit nach Maßgabe der finanziellen Machbarkeit?

3. Das Untermaßverbot als Abwägungsgrenze

a) Die dogmatische Verortung des Untermaßverbots

aa) Die Begründung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Gestalt des Untermaßverbotes

bb) Das Untermaßverbot als integraler Bestandteil der „Lehre von der praktischen Konkordanz“

b) Die Struktur des Untermaßverbotes

aa) Die Anlehnung des Untermaßverbotes an die Struktur des Übermaßverbotes

bb) Kritik an dem dreistufige Prüfungsschema

cc) Die Schwierigkeiten bei der Abwägung finanzieller Kosten

III. Schutzpflichtenlehre als Grenze einer „Ökonomisierung des Sicherheitsrechts“

1. Kosten-Nutzen-Abwägung und Gefahrenabwehr

2. Kosten-Nutzen-Abwägung und Risikovorsorge

Kapitel 3: Sicherheitsanforderungen im einfachen Recht

I. Sicherheitsrelevante Entscheidungsspielräume im Straßenrecht

1. Einleitung: Schutz von Verkehrsinfrastrukturen – AISIS

2. Die sicherheitsrechtliche Generalklausel des § 4 S. 1 FStrG

a) Eigenverantwortliche Konkretisierung des Sicherheitsstandards

aa) „Allgemeine Rundschreiben Straßenbau“

bb) Rechtsnatur der „Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau“

b) Sog. „allgemein anerkannte Regeln der Technik“

3. Kosten-Nutzen-Überlegungen und veränderte Sicherheitsanforderungen

a) § 4 FStrG als „dynamische Verweisung“

b) „Nachrüstung“ bestehender Anlagen und „Vorbehalt der Leistungsfähigkeit“

4. Kosten-Nutzen-Überlegungen beim Straßenneubau

a) Die Abwägung von Kosten und Nutzen im Rahmen der Planfeststellung

b) Die konkretisierten Sicherheitsstandards als „Planungsleitsätze“

c) Der Sicherheitsstandard als „planungsrechtliches Optimierungsgebot“ im Übrigen

5. Zwischenergebnis

II. Sicherheitsrelevante Entscheidungsspielräume im Wasserrecht

1. Einleitung: Schutz der öffentlichen (Trink-)Wasserversorgung – IRLSENS

a) Die Bedeutung der Trinkwasserversorgung als „überlebenswichtiges“ Gut

b) Die Entwicklung von IRSLENS

2. Die Rechtsquellen und der gegenwärtige Sicherheitsstandard im Wasserversorgungsrecht

a) Die bundesrechtlichen Anforderungen an „Wasserversorgungsanlagen“

aa) Die Regelung des § 50 Abs. 4 WHG

bb) Die Regelung des § 4 TrinkwasserV

cc) „Allgemein anerkannte Regeln der Technik“ im Wasserversorgungsrecht

b) Die Qualitätsvorgaben und Selbstüberwachungspflichten der Anlagenbetreiber

aa) Überwachungspflichten der Anlagenbetreiber nach §§ 14, 15 TrinkwasserV

bb) Weitergehende Überwachungspflichten nach § 50 Abs. 5 WHG

3. Zwischenergebnis: freiwilliger höherer Sicherheitsstandard in Ländern und Kommunen?

III. Die Bedeutung der verschiedenen Sicherheitsstandards im technischen Sicherheitsrecht

1. Divergenz und Konvergenz der unterschiedlichen technischen Standards

a) Die „(allgemein) anerkannten Regeln der Technik“

b) Der „Stand der Technik“ als (vermeintliche) Machbarkeitsgrenze

c) Der „Stand von Wissenschaft und Technik“

d) Zwischenergebnis

2. Kosten-Nutzen-Erwägungen bei der Standardbestimmung

a) „Stand der Technik“ und Kosten-Nutzen-Erwägungen

b) „Anerkannte Regeln der Technik“ und Kosten-Nutzen- Erwägungen

3. Die Bedeutung der „privaten Normierungsverbände“ für die Standardsetzung

a) Die Normkonkretisierung durch private Normungsverbände

aa) Private Regelwerke und unmittelbare normative Bindung

bb) Die faktische Bedeutung privater Regelwerke

cc) Das Gefährdungspotential privater Entscheidungsvorbereitung

b) Verfassungsrechtliche Würdigung

c) Auswege aus dem „Legitimationsparadoxon“

aa) Private Normungsautonomie und staatliche Gewährleistungsverantwortung

bb) Prozedurale Sicherung sachgerechter Entscheidungen

Kapitel 4: Kosten-Nutzen-Analysen als Instrumente der staatlichen Entscheidungsfindung

I. Einleitung

II. Die Methodik einer förmlichen Kosten-Nutzen-Analyse bei immateriellen Gütern

1. Die monetäre Bewertung von Schäden an Leib und Leben aus ökonomischer Sicht

a) Objektive / produktionsbasierte Ansätze (Humankapitalansatz)

b) Subjektive / präferenzbasierte Ansätze – Zahlungsbereitschaftsansätze

aa) Methoden der mittelbaren Ermittlungen der Zahlungsbereitschaft

bb) Methoden der unmittelbaren Ermittlung der Zahlungsbereitschaft

2. Bewertung aus rechtlicher Sicht

III. Theoretischer Stellenwert einer idealtypischen Kosten- Nutzen-Analyse

1. Ökonomische Zahlungsbereitschaftsanalysen als Auslegungshilfe der Schutzpflichten und sonstiger Rechtsnormen?

2. Die Bedeutung ökonomischer Bewertungen für die Rechtswissenschaft

3. Monetarisierende Kosten-Nutzen-Analysen als Entscheidungskriterium in offenen Abwägungsrelationen?

a) Forderungen nach einer stärkeren Berücksichtigung von Zahlungsbereitschaftsanalysen

b) „Darf“ der Staat Zahlungsbereitschaftsanalysen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen?

c) „Soll“ der Staat Zahlungsbereitschaftsanalysen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen?

4. Zwischenergebnis

IV. Die Kosten-Nutzen-Analyse einer mathematisch- formalen Kosten-Nutzen-Analyse

1. Funktionen entscheidungsbezogener Verwaltungsverfahren

a) Das Verfahren als „Medium der Richtigkeitsgewähr“

b) Rechtswahrung und (Grund-)Rechtsschutz durch Verfahren

c) Demokratische Funktion des Verfahrens

d) Wirtschaftlichkeitsgebot im Verfahren

2. Systematisierung der – vermeintlichen – Vorteile einer formalen Kosten-Nutzen-Analyse

a) Höhere Rationalität der Entscheidungsherstellung durch Kosten- Nutzen-Analysen?

b) Höhere Ergebnistransparenz durch Kosten-Nutzen-Analysen?

c) Partizipation an Verwaltungsentscheidungen durch Kosten- Nutzen-Analysen?

3. Das Potential einer formalen Kosten-Nutzen-Analyse im Sicherheitsrecht

a) „Rationalitätsgewinn“ durch Kosten-Nutzen-Analysen speziell im Sicherheitsrecht?

aa) Abwägung individueller Freiheitsrechte statt „Sicherheit“ und „öffentlichem Interesse“

bb) Visualisierung vermeintlich kleiner „(Rest-)Risiken“

cc) Herstellung kohärenterer, folgerichtiger Entscheidungen

b) Die zunehmende Bedeutung transparenter Entscheidungen im Sicherheitsrecht

aa) Transparenz als Gebot der Risikogesellschaft

bb) Transparenz als Reaktion auf die faktische Bedeutung privater Regelwerke

4. Die (möglichen) Nachteile der Verwendung numerisch- formaler Methoden

5. Das sog. „Paradoxon der Rationalität“

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Einleitung

I. Einführung und Problemstellung

Dass die moderne Welt einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt ist, ist heute fast schon ein Gemeinplatz1. Zu denken ist dabei insbesondere an die – oftmals vom Menschen mitverursachten – Naturereignisse und Extremwetterlagen im Zuge des Klimawandels2, Gefahren aus technischem und / oder menschlichem Versagen3 sowie an die aus vorsätzlichen Handlungen resultierenden Gefahren. Zu letzteren gehören vornehmlich die sich aus dem internationalen Terrorismus4 und der organisierten Kriminalität ergebenden Bedrohungen. Diese terroristische Bedrohung ist nicht zuletzt bei den Attentaten in New York und Washington am 11. September 2001 am deutlichsten sichtbar geworden, aber auch seitdem immer wieder – zuletzt durch die Terroranschläge in Paris am 13. November 2015 – ins Bewusstsein gerufen worden5. Gerade die terroristischen Anschläge auf Eisenbahn und Schienennetz in Madrid am 11. März 2004, sowie die Anschläge von London im Jahre 2005 und die versuchten Kofferbombenattentate auf Regionalzüge der DB AG im Jahre 2006 haben auch in Europa die Bedrohungslage für Infrastruktureinrichtungen deutlich gemacht.

Es herrscht weitgehende Einigkeit, dass in diesem Zusammenhang dem Schutz derjenigen Infrastrukturen, die eine zentrale Ader des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens bilden, eine entscheidende Bedeutung zukommt und hierin eine „Kernaufgabe staatlicher und unternehmerischer Sicherheitsvorsorge“ und ein „zentrales Thema der Sicherheitspolitik“6 liegen muss. Diese Organisationen und Einrichtungen werden dann zu „kritischen“ und damit besonders schutzbedürftigen Infrastrukturen, wenn ihre Bedeutung nicht nur für den Betreiber und dessen Kunden, sondern für das staatliche Gemeinwesen und die Funktionsfähigkeit moderner Gesellschaften im Ganzen derart wichtig ist, dass „bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“7. Der Begriff der Kritikalität ist damit ein relativer Begriff, ausgehend von der „Bedeutsamkeit einer Infrastruktur in Bezug auf die Konsequenzen, die eine Störung oder ein Funktionsausfall für die Versorgungssicherheit der Gesellschaft mit wichtigen Gütern und Dienstleistungen hat“8. Mittlerweile hat der zunächst von der Exekutive verwandte Begriff der „kritischen Infrastrukturen“ auch Einzug in die Gesetzessprache9 gehalten und dort eine Legaldefinition erfahren. Demnach werden solche Infrastrukturen als „kritisch“ eingestuft, bei deren Ausfall die Versorgung der Bevölkerung erheblich beeinträchtigt würde10. Auch die Judikative dürfte in Gestalt des BVerfG ähnliches mit dem Terminus der „existenzsichernden öffentlichen Versorgungseinrichtungen“ meinen, deren Funktionsfähigkeit ein „überragend wichtiges Rechtsgut“ darstellt und deren Schutz Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen vermag11.

Diese Bedeutsamkeit einer Infrastruktur für die Funktionsfähigkeit einer modernen Gesellschaft kann in manchen Fällen unmittelbar einsichtig sein, wie etwa im Falle der Trinkwasserversorgung12. Daneben kann die Relevanz einer Infrastruktur aber auch erst mittelbar sichtbar werden, etwa durch die Vernetzung mit anderen Strukturen (sog. Interdependenzen) und die im Falle eines Ausfalls hervorgerufenen Domino- und Kaskadeneffekte13.

Ausgehend von der oben genannten Definition lassen sich – ungeachtet unvermeidlicher Abgrenzungsschwierigkeiten in den Randbereichen – jedenfalls die „technische Basisinfrastrukturen“ unter den Begriff „kritische Infrastrukturen“ fassen: Energieversorgung (Elektrizität, Gas und Mineralöl), Informations- und Kommunikationstechnologie, Transport und Verkehr (Luftfahrt, Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt, Schienenverkehr, Straßenverkehr und Logistik), (Trink-) Wasserversorgung und Abwasserentsorgung14.

Angesichts der bezeichneten vielfältigen Gefahrenlagen ist der Staat nicht nur zum Handeln aufgefordert – er handelt. In diesem Zusammenhang soll der fortlaufende Umbau des Systems präventiver Sicherheitsgewährleistung hin zu einer „Neuen Sicherheitsarchitektur“ den durch den internationalen Terrorismus gestellten Herausforderungen begegnen15. Die hierzu ergriffenen Steuerungsinstrumente und erstellten Konzepte sind gleichwohl höchst unterschiedlich16.

Eine „aktive“ Form des Schutzes vor Katastrophen und Großschadensereignissen besteht darin, das tradierte Polizeirecht, das die Gefahrenabwehr in den Mittelpunkt stellt, nunmehr hin zu einem Sicherheitsrecht auszubauen, das vor allem auch den Bereich der Gefahrenprävention erfasst17.

In diesen Zusammenhang sind zahlreiche in der jüngeren Vergangenheit neu eingeführte Befugnisregelungen einzuordnen, wie etwa die Rasterfahndung (§ 98a StPO und nach landesrechtlichen Vorschriften), die längerfristige polizeiliche Beobachtung (Observation, §§ 163e, f StPO), der sog. „Lauschangriff“ (§ 100c StPO), die Ausweitung der Telefonüberwachung (§§ 100a, g, i StPO), die nunmehr im Oktober 2015 wiedereingeführte Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten, die DNA-Analyse zur Straftatenaufklärung (§ 81e StPO), die flächendeckende automatisierte Erfassung von Kfz-Kennzeichen zum Abgleich mit Fahndungsdateien, die Online-Durchsuchung nicht nur des Internet-Verkehrs, sondern auch bestimmter Endgeräte (§ 20 i BKAG), die Anti-Terrordateien der Sicherheitsbehörden und die Terrorlisten nach UN- und EU-Recht, für die eine gerichtliche Nachprüfung vielfach nicht vorgesehen war, die Abschussbefugnis hinsichtlich entführter Flugzeuge nach § 14 Abs. 3 LuftSiG, neue bzw. verschärfte Straftatbestände gegen Terrororganisationen (§ 129a, b StGB)18.

All diese Maßnahmen und Veränderungen wurden und werden sowohl in der Populärliteratur19 als auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur20 überwiegend kritisch begleitet. Wenn nämlich ein Mehr an Sicherheit21 nicht zum „freiheitlichen Nulltarif“22 zu erhalten ist, vielmehr der Gewinn an Sicherheit regelmäßig mit Einbußen an Freiheitsrechten korreliert, stellt sich unweigerlich die Frage, ob im Einzelfall die Balance von Freiheit und Sicherheit gewahrt worden ist. Auch das BVerfG hat sich verschiedentlich bemüßigt gesehen einzuschreiten, um einem vermeintlichen sicherheitspolitischen Aktionismus entgegenzuwirken23.

Eine weitere – zunächst vermeintlich freiheitsschonendere – Form des staatlichen Handelns besteht darin, durch finanzielle Investitionen die Entwicklung neuer Technologien zu fördern, die die Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft, mithin deren „Resilienz“ erhöhen24. Nach eigenem Bekunden hat sich die Bundesregierung mit dem neuen Rahmenprogramm „Forschung für die zivile Sicherheit 2012 – 2017“, das auf die im Jahre 2007 gestartete erste Programmphase aufbaut, das Ziel gesteckt, innovative technische Lösungen zu entwickeln, mit denen die zivile Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger erhöht werden kann25. Zu diesem Zwecke sollen die Ergebnisse der Sicherheitsforschung genutzt werden, um die Ursachen der Gefahren für die zivile Sicherheit frühzeitig zu erkennen und diesen wirksam zu begegnen. Effiziente Organisationsformen und technische Mittel sollen zur Prävention von Gefahren sowie zur Abwehr und Bewältigung von Anschlägen und Katastrophen entwickelt werden26. Die mit diesen Forschungsmitteln entwickelten Technologien sollen den Staat somit in die Lage versetzen, die Sicherheit seiner Bürger zu erhöhen und bestenfalls Menschenleben retten.

Auch diese Form der Sicherheitsgewährleistung ist nicht zum „Nulltarif“ zu haben. Anders aber als im oben beschriebenen Kontext ist der Begriff der „Kosten“ hier allerdings nicht im metaphorischen Sinne, sondern höchst gegenständlich zu verstehen. Finanzielle Ausgaben betreffen nicht nur die Erforschung und Entwicklung technologischer Maßnahmen, für die das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) allein bis zum Jahre 2010 Haushaltsmittel im Umfang von rund 123 Millionen Euro bereitgestellt hat, sondern auch ihre anschließende Umsetzung. Die Gewährleistung und Verbesserung der Inneren Sicherheit ist schlichtweg kostspielig.

Es verwundert deshalb kaum, dass auch die Sinnhaftigkeit mancher Sicherheitsausgaben in Zweifel gezogen wird. Nur gehören in diesem Zusammenhang nicht die Rechtswissenschaftler zu den Bedenkenträgern, vielmehr scheinen maßgeblich die Wirtschaftswissenschaftler die mahnende Rolle eingenommen zu haben. Hier ist es die „Sicherheitsökonomie“, die nach eigenem Bekunden als noch junger Forschungszweig mit ökonomischen Konzepten und Methoden die Ursachen, Funktionsweisen und Folgen von Terrorismus untersucht sowie den wirtschafts- und sicherheitspolitischen Handlungsbedarf und ökonomische Wege zur Bekämpfung des Terrorismus aufzeigt27. In diesem Kontext werden verstärkt die monetären Kosten verschiedener Anti-Terrormaßnahmen diskutiert, die Wirtschaft und Handel behindern, indem sie Herstellungskosten verteuern und Transaktionskosten erhöhen28: so kann beispielsweise auf die Folgen der Erhöhung der Sicherheitsbestimmungen in der Luftfahrtbranche nach dem 11. September 2001 verwiesen werden, die Kosten in Höhe von 43 Milliarden US $ auf Seiten der Fluglinien und jährlich 56 Millionen US $ für die Flughafenbetreiber verursachten29. Oftmals wird von dieser Seite angemerkt, dass die Sicherheitsmaßnahmen in keinem Verhältnis zu ihrem Effekt stünden. Infrage gestellt wird insbesondere, ob die derzeitige Fokussierung auf einzelne Risiken nicht zugunsten einer gleichmäßigeren Risikobekämpfung abgebaut werden sollte.

Auch aus dieser Perspektive droht Gefahr also nicht nur von einem „zu wenig“ an Sicherheit, sondern gerade auch von einem „zu viel“30, sodass auch insoweit die Notwendigkeit, freie Gesellschaften zu schützen, mit dem Bestreben, diese vor zu viel Sicherheit zu bewahren, in Ausgleich gebracht werden muss31. Die entscheidende Frage sei demnach die nach einer wirtschaftlich sinnvollen Bekämpfung von Terrorismus und damit nach dem optimalen Grad der Terrorismusbekämpfung32.

Aus rechtswissenschaftlicher Sicht muss hingegen schon die Fragestellung selbst, zumindest aber der Terminus von dem „optimalen Grad der Terrorismusbekämpfung“ befremdlich wirken.

Sie muss deshalb befremdlich wirken, weil die Gewährleistung von Sicherheit seit jeher zu den zentralen Staatsaufgaben gezählt wird33. Über wenige Fragen dürfte in der Rechtswissenschaft – zumindest auf einer abstrakten Ebene – so weitgehende Einigkeit bestehen wie hinsichtlich der Feststellung, dass die Gewährleistung der Inneren Sicherheit eine essentielle Legitimationsgrundlage des neuzeitlichen Staates darstellt und gerade die Wahrnehmung dieser Staatsaufgabe nicht nur nach Maßgabe wirtschaftlicher Vertretbarkeit erfolgen kann oder von konjunkturellen Zufälligkeiten abhängig sein soll34. Gerade dieses elementare Sicherheitsversprechen scheint ein Staat effektiv, d. h. zielorientiert und kostenignorant nach Maßgabe eines „koste es was es wolle“, aber doch nicht effizient, d. h. am Ressourceneinsatz orientiert, einlösen zu müssen, um seine Legitimation nicht zu gefährden. Der Begriff des „optimalen Grades der Terrorismusbekämpfung“, der offensichtlich etwas anderes als „Null“ meint, scheint damit schwer vereinbar.

Befremdlich mag die Fragestellung auch deshalb erscheinen, weil es dabei anerkanntermaßen um den Schutz und die Sicherheit der Bürger und die Rettung von Menschenleben geht. Dass aber ein Menschenleben unter keinen Umständen – ja nicht einmal zum Schutze von anderen Menschenleben – abgewogen und preisgegeben werden darf, scheint das BVerfG in seiner Judikatur hinreichend deutlich gemacht zu haben35. Im Zuge dessen mag die Frage, welche Mittel aufzuwenden sind, um das Leben von Menschen sicherer zu machen, ja sogar Menschenleben zu retten, unbequem, ja vielleicht sogar unmoralisch erscheinen, weil sie scheinbar die Abwägung von Menschenleben gegen – notwendigerweise geringwertigere – wirtschaftliche Belange erfordert. Vielleicht scheint sie aus diesem Grunde im Recht der öffentlichen Sicherheit verschiedentlich tabuisiert zu werden36.

Und schließlich mag ein Befremden auch dadurch hervorgerufen werden, dass all diese Überlegungen einer weiteren „Ökonomisierung“ der Rechtsordnung Vorschub zu leisten scheinen. Gemeint ist mit diesem schillernden, weil äußerst vagen Begriff das Vordringen und der zunehmende Einfluss von wirtschaftlichem Denken „auch und gerade in Bereichen, die von der ökonomischen Tätigkeit des Staates bislang nicht oder jedenfalls nicht unmittelbar berührt waren“37. Einer „Ökonomisierung“ der Rechtsordnung, die zunächst in Gestalt der „Ökonomischen Analyse des Rechts“ das Zivilrecht erfasste38 und mittlerweile unter dem Stichwort „Ökonomisierung von Verwaltung und Verwaltungsrecht“39 längst auch das Öffentliche Recht zunächst in Gestalt des Umweltrechts40 und unlängst in Gestalt des Gesundheitsrechts erreicht hat. Die Reaktion der deutschen Rechtswissenschaft auf die an sie dabei herangetragenen Fragestellungen war dabei stets äußerst verhalten41.

Mit Befremden alleine ist allerdings noch nicht viel gewonnen. Denn zeitgleich ist der Begriff des „überforderten“, sich an den Grenzen seiner ökonomischen Leistungsfähigkeit bewegenden Staates angesichts einer „permanenten Überlastung der öffentlichen Haushalte42“ und „immer neuer Höhen der Staatsverschuldung“43, die nicht zuletzt zu Lasten künftiger Generationen gehen und die Lenkungs- und Gestaltungsfähigkeit des demokratischen und sozialen Rechtsstaats zukünftig einschränken werden44, zwar keineswegs neu, aber dennoch in Zeiten, in denen der Staat als handelnder Akteur nicht nur im Sicherheitsrecht als klassischer Staatsaufgabe, sondern auch als Kontrolleur der Finanzmärkte und Akteur in Staatsschulden- und Flüchtlingskrisen gefragt ist, allgegenwärtig45. Im Begriff des „überforderten Staates“ spiegelt sich die Erkenntnis wider, dass die dem Staat zur Verfügung stehenden Ressourcen zur bestmöglichen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben schwerlich ausreichen. Die zunächst endlichen, d. h. begrenzten Ressourcen werden deshalb zu „knappen“ Ressourcen46. Da Mittel, die für einen bestimmten Zweck eingesetzt werden, nicht mehr für andere Zwecke zur Verfügung stehen, impliziert die Entscheidung zugunsten eines Vorhabens damit immer auch eine Entscheidung gegen andere Vorhaben47. Jede Ausgabe muss sich deshalb fragen lassen, ob sie nicht an andere Stelle besser verwandt worden wäre48. Hinter den Termini „Rationierung“ und „Priorisierung“ verbirgt sich die nicht nur politisch unbequeme Frage, ob und welche zunächst als notwendig oder zumindest zweckmäßig erachteten (Sicherheits-)Maßnahmen aus Kostengründen verzichtbar und welche Maßnahmen auch angesichts der Knappheit der zur Verfügung stehenden Ressourcen vorrangig zu ergreifen sind49.

Die folgende Untersuchung will einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, ob und in welchem Umfang staatliche Kosten-Nutzen-Überlegungen auch im Sicherheitsrecht zulässig sind und inwieweit ökonomische Entscheidungsinstrumente – insbesondere in Gestalt einer formell-quantitativen Kosten-Nutzen-Analyse – bei der Entscheidungsfindung hilfreich sein können. Zu klären ist, ob von deren Durchführung zumindest eine Hilfestellung bei der Beantwortung der Frage erwartet werden kann, ob wir uns wirklich alles – finanziell – leisten wollen, was wir uns – technisch – leisten können.

II. Der Gang der Untersuchung

Die im Folgenden zu untersuchende Fragestellung lautet mithin, ob und inwieweit der Staat auch im Zusammenhang mit der Gewährleistung der Inneren Sicherheit „wirtschaftlich“ und „effizient“ handeln kann und darf, ja sogar wirtschaftlich handeln muss.

Dazu soll einerseits die Frage aufgeworfen werden, inwieweit es nicht nur ein Gebot der politischen Klugheit, sondern auch der rechtlichen Verbindlichkeit darstellt, eine Sicherheitsmaßnahme umzusetzen, die ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist, andererseits, inwieweit der Staat von einer sicherheitsrelevanten Maßnahme absehen kann, wenn dieser eine negative Kosten-Nutzen-Bilanz bescheinigt wird.

Terminologische Unterschiede zwischen den Begriffen „Wirtschaftlichkeit“ und „Effizienz“ sollen dabei nur am Rande interessieren. Für die Zwecke dieser Arbeit wird der Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ im Folgenden – jedenfalls soweit es um die monetären Kosten der Verwaltung geht – synonym zu dem Begriff der „Effizienz“ benutzt50.

Dazu wird die Untersuchung im Folgenden in vier Kapitel eingeteilt:

In einem ersten Kapitel ist die staatliche Ausgabenseite im Zusammenhang mit Sicherheitsmaßnahmen in den Blick zu nehmen

51

. Dabei soll zunächst untersucht werden, ob eine staatliche Verpflichtung zu wirtschaftlichem Handeln im Allgemeinen besteht, bevor der Kontext des Sicherheitsrechts im Speziellen angesprochen wird. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Existenz, inhaltliche Konturierung und Reichweite eines (verfassungs-)rechtlichen „Wirtschaftlichkeitsgebots“ zu klären.

Das zweite Kapitel widmet sich sodann den (verfassungs-)rechtlichen Beschränkungen und Grenzen eines nach ökonomischen Rationalitäten handelnden Staates. Denn wenn es auch dem Staat grundsätzlich unbenommen sein sollte, wirtschaftlich zu handeln, so dürfte gerade in dem den Schutz seiner Bürgerinnen und Bürger umfassenden Sicherheitsrecht eine pauschale „exceptio pecuniam non habendi“schwerlich zu begründen sein.

Das dritte Kapitel fragt sodann mit Blick auf das einfache Recht, welche Zielvorgaben unter einer Vorgabe der „Finanzierbarkeit“ stehen. Als einfachrechtliche Referenzgebiete werden dabei das (Fern-)Straßenrecht einerseits und das Wasserversorgungsrecht andererseits gewählt. Hintergrund dessen ist die nunmehr anstehende Umsetzung weitgehend abgeschlossener technischer Forschungsvorhaben im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms der Bundesregierung, die im Wesentlichen auch den Anlass und den Rahmen dieser Untersuchung bildeten.

Das vierte Kapitel nimmt schließlich die methodische Seite einer Kosten-Nutzen-Abwägung in den Blick. An dieser Stelle ist der Frage nachzugehen, ob und inwieweit ein verstärkter Einsatz ökonomischer Kosten-Nutzen-Analysen Abwägungsprozesse rationalisieren und somit bei der Entscheidungsfindung helfen kann. Gerade für das Sicherheitsrecht ist zu untersuchen, inwieweit sich mit der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden „Monetarisierung“ sämtlicher betroffenen Belange, einschließlich der betroffenen Menschenleben, d. h. der scheinbaren „Umrechnung“ menschlichen Lebens in Geldeinheiten, normative und/oder faktische Probleme stellen. Zugleich ist der Frage nachzugehen, inwieweit solche ökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen Leitlinien bei der Beantwortung der Frage sein können, welche der unterschiedlichen, konkurrierenden Staatsaufgaben prioritär zu erfüllen sind.

Kapitel 1: Kosten-Nutzen-Abwägungsgebote in der Rechtsordnung

Die (rechts-)verbindliche Beantwortung der Frage, in welchem Umfang, nach welchen Vorgaben und nach welcher Methodik die Abwägung von Kosten und Nutzen einer zusätzlichen (Sicherheits-)Maßnahme erfolgen kann, soll und muss, kann nicht alleine mit Hilfe wirtschaftswissenschaftlicher Theoreme erfolgen, vielmehr können sich entsprechende Anhaltspunkte und Leitlinien nur aus der Rechtsordnung selbst ergeben.

Im folgenden Abschnitt sollen deshalb Bezugspunkte für Kosten-Nutzen-Überlegungen in der Rechtsordnung herausgearbeitet werden. Hierzu soll in der Absicht, zwischen Ökonomie und Rechtswissenschaft Trennendes und Verbindendes herauszuarbeiten, zunächst die Frage aufgeworfen werden, an welchen Stellen und in welchem Kontext die Rechtsordnung die zunächst scheinbar ökonomisch geprägten Begriffe der „Kosten“ und des „Nutzens“ einer Maßnahme thematisiert und welches Begriffsverständnis dabei jeweils zugrunde gelegt wird.

Eine erste grundlegende Differenzierung muss dabei hinsichtlich des Bezugspunkts des Kostenbegriffs erfolgen. Demnach wendet sich der Blick zunächst auf Kosten-Nutzen-Relationen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme privater, d. h. nicht-staatlicher, im Eigentum der Bürger stehender Ressourcen52, um sodann Kosten-Nutzen-Fragen im Hinblick auf die Disposition über knappe staatliche Ressourcen zu erfassen.

I. Kosten-Nutzen-Abwägungen hinsichtlich privater Ressourcen

1. Die juristische Kosten-Nutzen-Abwägung: der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz

Soweit man die Rechtsprechung und die rechtswissenschaftliche Literatur nach dem vermeintlich ökonomischer Provenienz entstammenden Begriff des Kosten-Nutzen-Verhältnisses durchforstet, wird man in einem – zunächst – überraschenden Kontext fündig: Regelmäßig wird bei der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Rahmen der „Angemessenheit“ oder „Zumutbarkeit“53 zur Rechtfertigung staatlichen Handelns gefordert, dass der angestrebte „Nutzen“ (sic!) des staatlichen Eingriffs gegenüber seinen Nachteilen überwiegen solle54. Ein gerechtes Abwägungsergebnis müsste demnach voraussetzen, dass die Maßnahme mit einem positiven „Nettonutzen“verbunden ist55.

Dies mag zunächst erstaunen, gilt doch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das in ihm enthaltene Übermaßverbot als „zentraler Baustein der Freiheitsrechtsdogmatik“56, als eine „zentrale Errungenschaft der deutschen Grundrechtstheorie“57, sogar als „eine, wenn nicht die herausragende Leistung des öffentlichen Rechts nach 1945“58 und geradezu als „Exportschlager“ der deutschen Rechtswissenschaft59.

Tatsächlich hindert dies nicht daran, den vermeintlich genuin juristischen Grundsatz der Proportionalität auch im Sinne eines ökonomischen „Gebots der Verschwendungsfreiheit“60 zu lesen: demnach ist eine die Freiheitsrechte beschränkende Maßnahme nicht nur „rechtswidrig“, sondern auch als „unwirtschaftlich“ zu verwerfen, wenn sie ein negatives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist, also im Ergebnis deren Vorteile für die Allgemeinheit, d. h. deren „Nutzen“, hinter den damit verbunden Freiheitseinbußen und Belastungen für den Einzelnen, mithin deren „Kosten“, zurückbleibt.

Entsprechend lassen sich auch die im konsentierten dreistufigen Schema61 vorgelagerten Prüfungsstufen unschwer als Kriterien zur Vermeidung von Verschwendung knapper Freiheitsrechte charakterisieren:

So setzt das Gebot der Geeignetheit voraus, dass die getroffene Maßnahme oder das eingesetzte Mittel grundsätzlich in der Lage ist, einen bestimmten legitimen Zweck oder ein bestimmtes legitimes Ziel zu erreichen62. Diese Eignung soll allerdings schon dann vorliegen, „wenn die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass der angestrebte Erfolg eintritt, wenn der Erfolg also gefördert werden kann“63. Einen relativ groben Filter stellt dies insoweit dar, als dass eine vollständige Zweckerreichung nicht notwendig ist und es ausreichen soll, dass der Zweckeintritt zumindest wahrscheinlicher erscheint64. Ausgeschieden – und als rechtswidrig gebrandmarkt – werden damit Maßnahmen, die schon nicht in der Lage sind, das anvisierte (Gemeinwohl-)Ziel zu erreichen und damit Nutzen zu stiften. Die mit dieser nicht effektiven Maßnahme verbundenen „Kosten“ sind demgegenüber verschwendet, weil sie besser auf anderes, Nutzen Versprechendes verwendet worden wären65. Von der rechtswissenschaftlichen Warte aus erweist sich die unwirksame Maßnahme mithin als rechtswidrig, eine ökonomische Position würde sie ohne Umschweife als „unwirtschaftlich“, weil ineffektiv kennzeichnen66. Denn das Kosten-Nutzen-Verhältnis einer Maßnahme, die schon grundsätzlich keinerlei Nutzen zu stiften vermag, erweist sich als denkbar schlecht67.

Nicht „erforderlich“ ist ein Mittel wiederum, wenn zu ihm mildere Alternativen gleicher Wirksamkeit vorhanden sind und sich die Maßnahme somit als unnötig eingriffsintensiv erweist68. Positiv gewendet soll daher diejenige Handlungsalternative gewählt werden, die entgegenstehende Interessen – sofern überhaupt nötig – am wenigsten beeinträchtigt und so die Intensität der Beeinträchtigung auf das unbedingt Erforderliche reduziert69. Deutlich machen dies auch Formulierungen, wonach das schonendste Mittel zu wählen ist bzw. soviel Freiheit wie möglich zu erhalten sei70.

Ebensolche Maßnahmen sind nicht nur rechtswidrig, weil ein Teil der Kosten, nämlich der zur Erzielung des gewünschten Nutzens nicht erforderliche, überflüssig ist und zu vermeiden gewesen wäre71. Sie sind zugleich relativ unwirtschaftlich, da eine Alternative bestanden hätte, die den gleichen Nutzen mit geringeren Kosten erzielt hätte und somit eine vergleichsweise bessere Kosten-Nutzen-Bilanz aufgewiesen hätte72. Auf den zweiten Blick liegen also auch der Erforderlichkeitsprüfung letztlich Überlegungen zugrunde, die bei der Wahl zwischen verschiedenen Handlungsalternativen auf ein optimales Kosten-Nutzen-Verhältnis zielen.

2. Die Besonderheiten einer Verhältnismäßigkeitsprüfung

Unter diesen Umständen überrascht es nicht, dass die Affinität von ökonomischer Kosten-Nutzen-Abwägung und juristischer Verhältnismäßigkeitskontrolle angesichts der dieser zugrundeliegenden relationalen Konzeption weithin anerkannt wird73. Der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz lässt sich leicht sowohl ökonomisch als auch außerökonomisch deuten74.

Wenngleich sich also die Frage nach Kosten und Nutzen staatlichen Handelns auf allen Stufen der Verhältnismäßigkeitsprüfung nachweisen lässt, wäre es doch vorschnell, juristisches Verhältnismäßigkeitsdenken und ökonomisches Kosten-Nutzen-Denken pauschal gleichzusetzen.

a) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als Kontrollmaßstab und Handlungsnorm

Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kommt – bei aller Uneinigkeit hinsichtlich seiner Rechtsgrundlage(n) und seines Anwendungsbereiches – in erster Linie „eine die individuelle Rechts- und Freiheitssphäre verteidigende Funktion zu“75, er erweist sich als ein „letztes Sicherheitsventil für die Freiheit des Einzelnen“76.

Anders als eine ökonomische Kosten-Nutzen-Abwägung die eine Vielzahl von Handlungsalternativen miteinbezieht und letztlich diejenige präferiert, deren Nutzenüberschuss (=Nettonutzen) am höchsten ist, kann und will er ein „optimales“ Kosten-Nutzen-Verhältnis aus zwei Gründen nicht garantieren:

Entsprechend seiner Funktion als Instrument der Freiheitssicherung steht er zum einen zu „milden“ Maßnahmen nicht entgegen, also solchen, die wegen eines zu geringen Einsatzes bzw. Eingriffs (= Kosten) einen leicht möglichen, höheren Ertrag (= Gemeinwohlnutzen) und damit ein besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis verfehlen77. Nicht geprüft wird also, ob eine Handlungsalternative bestanden hätte, die den Grundrechtsträger noch stärker belastet hätte, aber dadurch einen überproportional hohen Beitrag zur Erreichung des legitimen Zwecks hätte leisten können.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zuvörderst einen gerichtlichen Kontrollmaßstab darstellt. Da er als solcher von einem konstanten Zweck ausgeht, berücksichtigt er auch nicht, ob mit einem unerheblichen Weniger an Zweckerreichung ein überproportionales Mehr an Freiheit zu gewinnen wäre78. Eine „optimale“ Zuordnung von Kosten und Nutzen dergestalt, dass keine Alternative denkbar wäre, die Freiheitskosten und Gemeinwohlnutzen noch besser austarieren würde, erfordert er gerade nicht79. Ein solches einzig richtiges, weil optimales Ergebnis kann der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht voraussetzen80. Denn zum einen kann schon grundsätzlich in Frage gestellt werden, ob ein solches „Optimum“ dem menschlichen Erkenntnisvermögen überhaupt zugänglich ist81. Jedenfalls aber enthält die Verfassung kaum Anhaltspunkte dafür, wie eine verhältnismäßige oder gar optimale Zuordnung von Rechtsgütern zu bestimmen sei82. Dass der Verfassung zwar einzelne Wertungen entnommen werden können, ihr aber keine geschlossene systematisch-ordinale und erst recht keine kardinale (Grundrechts-)Ordnung einzelner anerkannter und geschützter Rechtsgüter zugrunde liegt, ist intuitiv unmittelbar einsichtig und spätestens seit Schlinks83 grundlegender Arbeit hinreichend begründet84. Hieran ändert auch die in älteren Judikaten benutzte – zwischenzeitlich zurückhaltend85 und nunmehr wieder verstärkt verwendete86 – Wortwahl, wonach „das Grundgesetz keine wertneutrale Ordnung sein“ wolle und in seinem Grundrechtsabschnitt „auch eine objektive Werteordnung aufgerichtet“ habe, nichts87, da dieses rationale Unterscheidungskriterien nicht erkennen lässt. In begrenztem Maße wird man zwar schon aus logischen Gründen abstrakt-generelle Rangunterschiede und einen Vorrang des Art. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG gegenüber allen anderen Freiheitsrechten begründen und somit zumindest rudimentäre Ansätze einer hierarchischen Ordnung auffinden können. Denn deren Existenz ist die Voraussetzung der Wahrnehmung der Freiheitsgrundrechte. Darüber hinaus enthält das Grundgesetz eine vollständige und geschlossene Rangordnung allerdings weder mit Blick auf die Grundrechte noch mit Blick auf die Staatsaufgaben und Staatszwecke88.

Folglich kann die Wertigkeit von Belangen und die Richtigkeit von Kosten-Nutzen-Relationen nicht mit Blick auf die Verfassung „erkannt“ werden, da es an einem hinreichend rational überprüfbaren Maßstab mangelt. Über die – vermeintlich – richtige Zuordnung und das – vermeintlich – richtige Verhältnis von Kosten und Nutzen staatlichen Handels muss vielmehr zunächst entschieden werden89. Wenn aber der exakte optimale Punkt des Interessenausgleichs nicht ohne weiteres feststellbar ist, so muss nach dem Gewaltenteilungsschema die Letztzuständigkeit hierzu beim demokratisch legitimierten Gesetzgeber liegen90. Folglich begnügt sich das Verhältnismäßigkeitsgebot anerkanntermaßen mit dem „nur“ angemessenen Verhältnis von Zweck und Mittel / Kosten und Nutzen und setzt lediglich Proportionalität und das „rechte Maß“ voraus91. Ergänzt man dies um funktionell-rechtliche Überlegungen kann sogar angenommen werden, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. e. S. nicht verletzt ist, wenn der durch die staatliche Maßnahme verursachte Nachteil gleich groß oder sogar geringfügig größer (sic!) ist als der zu erwartende Vorteil ist92. Hierin schlägt sich eine lange praktische Erfahrung nieder, die „der wissenschaftlichen Bestimmbarkeit des Optimums misstraut und das Irrtumsrisiko in spezifischer Weise zwischen Legislative, Exekutive und Judikative aufteilt“93.

All dies hindert freilich nicht daran, eine Idee des optimalen Ausgleichs widerstreitender Interessen – zumindest – als Argumentationsmuster und „Prinzip der Verfassungsinterpretation“ anzuerkennen94. So findet etwa die Vorstellung einer „praktischen Konkordanz“95 ihren Platz als Leitmotiv und Ziel derAbwägung verfassungsrechtlich geschützter Güter96. Selbiges gilt auch für die Vorstellung der Grundrechte als Rechtsprinzipien die mit Blick auf die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten in möglichst hohem Maße zu verwirklichen seien97.

All diese Überlegungen mögen zwar ihre Berechtigung als eine regulative Idee haben, die anzustreben rechtlich aufgegeben wird, zur Deduktion von Ergebnissen sind sie freilich untauglich98.

b) Der rechtliche „Wert“ und ökonomische „Preis“ der (Rechts-)Güter

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stellt zunächst ein formales Prinzip dar, das keinen Aufschluss darüber gibt, welche Auswirkungen und Bedingungen eines staatlichen Eingriffs in die Abwägung einzubeziehen sind99. Die inhaltlichen Maßstäbe, nach denen eine Entscheidung zu erfolgen hat, sind in ihm nicht enthalten. Die Verhältnismäßigkeitsbetrachtung ist insoweit darauf angewiesen, die „Wertigkeit“ der verfolgten Gemeinwohlinteressen einerseits und den „Wert“ der tangierten Schutzgüter und Interessen im juristischen Sinne andererseits zu ermitteln100. Dabei wird das konkrete verfassungsrechtliche Gewicht des jeweiligen Gutes im Wesentlichen durch den Rang des betroffenen Rechtsguts in der Rechtsordnung einerseits sowie das Ausmaß der Betroffenheit der Rechtsgüter bestimmt101. Dass dieser „Wert“ der Rechtsgüter im juristischen Sinne zwar mit dem wirtschaftlichen „Wert“ eines Gutes, der durch Markt- und Schattenpreise ausgedrückt wird, identisch sein kann, allerdingskeineswegs sein muss, soll an dieser Stelle zunächst als These aufgestellt werden102. Der Unterschied zwischen dem durch monetäre Bewertung ermittelbaren „Preis“ und verfassungsrechtlichen „Wert“, der maßgeblich das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Abwägung bestimmt, soll an dieser Stelle nur andeutet werden. Er wird im weiteren Verlauf der Arbeit näher zu untersuchen und zu begründen sein103.

3. Zwischenergebnis und Reichweite des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes

Wenngleich das BVerfG den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „als übergreifende Leitregel allen staatlichen Handelns“104 dem Rechtsstaatsprinzip105 und dem Wesen der Grundrechte selbst106 entnommen und damit zum ungeschriebenen Verfassungsgrundsatz erklärt hat, bleibt seine dogmatische Fundierung und Reichweite im Einzelnen nach wie vor unklar107.

Nach klassischer Ansicht findet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als zentraler Baustein der Freiheitsdogmatik nur Anwendung in dem durch Über- und Unterordnung gekennzeichneten Verhältnis zwischen Staat und Bürger und auch dort nur, soweit der Staat in einen rechtlich geschützten Bezirk des Einzelnen eindringt108. Das BVerfG spricht ihm „eine die individuelle Rechts- und Freiheitssphäre des Bürgers verteidigende Funktion“ zu und lehnt seine Anwendung etwa im kompetenzrechtlichen Bund-Länder-Verhältnis ab109.

Aber auch wenn man den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aus seinem grundrechtlichen Kontext lösen und ihn nicht nur auf Grundrechte beschränken, sondern auf jede geschützte Rechtsposition, die sich durch ein Regel-Ausnahme-Verhältnis kennzeichnet, ausweiten möchte110, ist für den vorliegenden Kontext nichts gewonnen. Denn der Bereich des leistenden Staatshandelns, zu dem auch die Gewährleistung der Inneren Sicherheit im weiteren, untechnischen Sinne zählt111, ist dadurch gekennzeichnet, dass es eine geschützte Rechtsposition auf Verschwendungsfreiheit wegen des sog. „Non-Affektionsgrundsatzes“ nicht geben kann. Dieser in § 8 BHO/LHO niedergelegte, einfachgesetzliche Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung besagt, dass alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben dienen und folglich kein Anspruch bestehen kann, dass Steuerabgaben für bestimmte Zwecke genutzt werden112. Da es mithin ein „leistungsrechtliches Übermaßverbot“ nicht geben kann, meint der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach klassischem Verständnis nicht den wirtschaftlichen Umgang mit staatlichen Geldern113.

Sein Anwendungsbereich ist insoweit beschränkt, als dass er zwar verbietet, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“114, es dem Staat aber weder untersagt, „Spatzen mit Kaviar zu füttern“115, noch – auf das Sicherheitsrecht übertragen – „Spatzen mit Kanonen zu schützen“116. Ob aber – um im Bilde zu bleiben – die Spatzen dieses Schutzes wirklich bedürfen und ob die schützenden Kanonen nicht an anderer Stelle besser eingesetzt wären, ist die bereits oben angedeutete Frage nach dem richtigen Verhältnis von finanziellen Kosten und Sicherheitsmehrwert, auf die der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz keine Antwort zu geben vermag. Inwieweit der Staat mithin auch bei der Bereitstellung von Sicherheit, also im Leistungsbereich im weiteren Sinne, das Verhältnis von Kosten und Nutzen beachten muss oder zumindest beachten soll, muss sich aus anderen Normen ergeben.

II. Kosten-Nutzen-Abwägungen hinsichtlich staatlicher Ressourcen

Wenn nunmehr das Gebot eines verhältnismäßigen Einsatzes bzw. das Verbot eines verschwenderischen Umgangs mit begrenzten staatlichen Ressourcen untersucht werden soll, so ist jedenfalls nach einem anderen Anknüpfungspunkt als dem individualrechtlich ausgerichteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu suchen. Insoweit erscheint es naheliegend, hinsichtlich der öffentlichen Haushaltsmittel den Geltungsumfang und konkreten Inhalt des haushaltsrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots117 in den Blick zu nehmen. Dieses findet seine verfassungsrechtliche Verankerung in Art. 114 Abs. 2 GG und seine einfachrechtliche Entsprechung in dem Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) sowie den das HGrG umsetzenden Haushaltsordnungen von Bund und Ländern.

1. „Wirtschaftlichkeitsbegriff“ des Art. 114 Abs. 2 GG, §§ 6 Abs. 1 HGrG, 7 Abs. 1 BHO/LHO

a) Der Standort des Begriffs „Wirtschaftlichkeit“ im (Haushalts-)Recht

Soweit das Verfassungsrecht des Bundes als Ausgangspunkt in den Blick genommen und die konstitutionelle Verankerung untersucht wird, fällt zunächst der Wirtschaftlichkeitsgedanke im Zusammenhang mit dem Haushaltsrecht auf. Daneben wird der Begriff „Wirtschaftlichkeit auch in einer Reihe anderer verfassungsrechtlicher, bereichsspezifischer Regelungen erwähnt, wie z. B. den Bestimmungen über das Eisenbahn-, Post- und Telekommunikationsverfassungsrecht in Art. 87e Abs. 3 und Art. 87 f Abs. 2 GG, die aber für die Zwecke dieser Arbeit zu vernachlässigen sind118.

Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG regelt – seit der Haushaltsreform im Jahre 1969 – die Finanzkontrolle durch den Bundesrechnungshof und normiert insoweit – neben den hier außer Acht zu lassenden Maßstäben der „Ordnungsmäßigkeit“119 und der „Rechnungsprüfung“120– die „Wirtschaftlichkeit“ als materiellen Prüfungs-/Kontrollmaßstab hinsichtlich der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes als Prüfungsgegenstand.

Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG bildet dabei zunächst einmal ausweislich seines Wortlautes einen Kontrollmaßstab für den Bundesrechnungshof121. Darüber hinaus ist heute allerdings allgemein anerkannt122, dass der Vorschrift nicht nur ein spezifischer Kontrollauftrag und Prüfungsmaßstab zu entnehmen ist, sondern sie zusätzlich als verfassungsrechtliche Verpflichtung und Handlungsanweisung – jedenfalls – für die (Bundes-) Exekutive von Bedeutung ist. Sie enthält damit nicht nur eine Kontrollnorm, sondern auch eine zeitlich vorgelagerte Handlungsnorm für die Exekutive. Dies erschließt sich allerdings weniger aus dem insofern unergiebigen Wortlaut als vielmehr aus einer teleologischen Begründung: Als Argument wird – im Sinne eines argumentum ad absurdum – vorgebracht, dass eine Finanzkontrolle wertlos wäre, wenn nicht schon im Vorfeld eine entsprechende Handlungsnorm existierte123. Denn dann „fände die Finanzkontrolle insoweit weder Anknüpfungsgegenstand noch Ansprechpartner, liefe deshalb zum Teil leer und wäre selbst ineffizient, weil überflüssig“124. Auf diese Weise wirkt „der Prüfungsmaßstab auf den Prüfungsgegenstand zurück und begründet somit von Verfassungs wegen die Verpflichtung, das staatliche Finanzgebaren am Wirtschaftlichkeitsprinzip auszurichten“125. Dementsprechend ist das Gebot der Wirtschaftlichkeit als verbindlicher Handlungs- und Prüfungsmaßstabe bei allen Maßnahmen zu beachten, die die Einnahmen und Ausgaben des Bundeshaushaltes unmittelbar oder mittelbar beeinflussen126.

In personeller Hinsicht ist damit zunächst die Bindung der Bundesexekutive gemeint. Die Entscheidungsträger in den Ländern und Gemeinden sind hierdurch grundsätzlich nicht gebunden127. Für diese gilt allerdings das jeweilige Landesverfassungsrecht. Ähnliche und gleichlautende Bestimmungen lassen sich in der Mehrheit der Landesverfassungen auffinden128.

Der Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ ist darüber hinaus an zahlreichen Stellen des einfach gesetzlichen Haushaltsrechts normiert und als zentraler Grundsatz des Haushaltsrechts zunächst in § 6 Abs. 1 HGrG enthalten129. Entsprechend der aus § 1 Satz 2 HGrG folgenden Verpflichtung der Bundes- und Landesgesetzgeber finden sich nunmehr in § 7 Abs. 1 Satz 1 der Bundes- und Landeshaushaltsordnungen jeweils wortgleiche Formulierungen dahingehend, dass bei der „Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans (…) die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten sind“130.

Schließlich wird der Begriff in zahlreichen Gemeindeordnungen131 und die Durchführung von Kosten-Nutzen-Untersuchungen in den Gemeindehaushaltsverordnungen132 erwähnt, sodass sich der Wirtschaftlichkeitsgedanke auf allen Ebenen der Normenpyramide und auch auf allen Ebenen des föderalistischen Staates wiederfindet133.

b) Die Bedeutung der „Wirtschaftlichkeit“

Wenngleich der Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ somit an zahlreichen Stellen der Rechtsordnung seinen Niederschlag findet, so bleibt doch mangels einer gesetzgeberischen Legaldefinition die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes „Wirtschaftlichkeit“ mit Schwierigkeiten behaftet. Diese mit jedem unbestimmten Rechtsbegriff verbundenen Interpretationsschwierigkeiten werden in diesem Kontext zusätzlich dadurch erhöht, dass es sich hierbei um einen fächerübergreifenden Begriff zu handeln scheint, zu dessen Interpretation in gleichem Maße die Rechts- und Verwaltungswissenschaften wie auch die Wirtschaftswissenschaften berufen scheinen134.

Geht man allerdings – ohne damit einen prinzipiell unzulässigen Rückschluss von unterverfassungsrechtlichem Recht auf das Grundgesetz zu unternehmen135 – davon aus, dass der Gesetzgeber den gleichlautenden Begriffen der „Wirtschaftlichkeit“ in Art. 114 Abs. 2 GG und § 7 Abs. 1 BHO auch dasselbe Begriffsverständnis zugrunde legte und sich somit der Begriff in § 7 Abs. 1 BHO mit demjenigen in Art. 114 Abs. 2 GG deckt, so erweisen sich die nunmehr zu § 7 BHO ergangenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zumindest im Ansatz als für die Begriffsbestimmung hilfreich. Entsprechend der dort gebräuchlichen Definition136 ist heute nahezu einhellig anerkannt137, dass der Begriff „Wirtschaftlichkeit“ inhaltlich dem „ökonomischen Prinzip“ entspricht. Dieses wiederum enthält – mindestens – zwei grundsätzlich gleichwertige138 Elemente, nämlich den Grundsatz der Nutzenmaximierung (Maximalprinzip oder Ergiebigkeitsprinzip und den Grundsatz der Kostenminimierung (Minimalprinzip oder Sparsamkeitsprinzip)139. Auf diese ist im Folgenden näher einzugehen.

aa) Minimal- oder Sparsamkeitsprinzip

Das Minimal- oder Sparsamkeitsprinzip geht von Entscheidungssituationen aus, in denen das zu erreichende Ziel feststeht, und verlangt, dieses bestimmte Ergebnis mit möglichst geringem Mitteleinsatz zu erreichen140. Soweit Ziele also abschließend festgelegt sind, ist gemäß dem Minimalprinzip der kostengünstigste Weg der Zielerreichung zu suchen.

Seine grundrechtliche Entsprechung findet das „Minimalprinzips“ damit im bereits erwähnten „Erforderlichkeitsgrundsatz“. Auch dieser gibt als Entscheidungsregel auf, unter verschiedenen gleich effektiven Mitteln diejenige Alternative auszuwählen, die mit den geringstmöglichen Einbußen für den Grundrechtsträger verbunden ist und somit ihr Ziel auf dem „sparsamsten“ Wege erreicht.

bb) Maximal- oder Ergiebigkeitsprinzip

Das Maximal- oder Ergiebigkeitsprinzip geht hingegen von der entgegengesetzten Entscheidungssituation aus: sind die aufzuwendenden Mittel abschließend fixiert, die zu erreichenden Ziele aber offen, so ist mit dem vorgegebenen Mitteleinsatz das bestmögliche Ergebnis, der größte Nutzen zu erzielen141.

Eine Entsprechung im Verhältnismäßigkeitsgebot findet dieser Grundsatz der Nutzenmaximierung zunächst nicht142. Dies kann er auch nicht, da die Aufgabe des Übermaßverbotes darin besteht, staatliche Aktivität zu begrenzen, nicht aber diese auszudehnen. Dem steht es allerdings nicht entgegen, in dem – dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zumindest verwandten – sich gegen staatliche Passivität wendenden Untermaßverbot eine Entsprechung nachzuweisen143.

cc) Die abstrakte Handlungsanweisung des Minimal- und Maximalprinzips

Minimal- und Maximalprinzip beziehen sich mithin auf verschiedene Entscheidungssituationen144. Die abstrakte Handlungsanweisung jedoch, die für die unterschiedlichen Entscheidungssituationen gegeben wird, ist stets dieselbe: nämlich unter mehreren zur Verfügung stehenden Haltungsalternativen diejenige auszuwählen, die die größtmögliche Differenz zwischen eingesetzten Mitteln (staatlichen Geldern, Kosten) und erzieltem Nutzen (= verfolgtem Zweck) aufweist und somit den größtmöglichen, maximalen Nettonutzen verspricht145. Keinesfalls ist damit gemeint, dass Mittel ohne Rücksicht auf das Ergebnis zu minimieren oder einzusparen seien, noch dass ein bestimmtes Ziel ohne Rücksicht auf die einzusetzenden Mittel zu maximieren sei.

Gemeint ist damit zunächst in reduziertem Umfang die Optimierung einer Zweck-Mittel-Relation, nämlich zwischen dem verfolgten Ziel und den einzusetzenden Ressourcen. In reduziertem Umfang deshalb, weil jeweils von einer Konstanten und einer Variablen ausgegangen wird und Alternativen, die sich durch ein Mehr oder Weniger an Mitteleinsatz und Zielerreichung auszeichnen – also zwei Variablen aufweisen – zunächst außer Betracht bleiben.

Hier zeigt sich überdies bzgl. des Minimal- und Maximalprinzips ebenso wie bzgl. des Gebots der Erforderlichkeit in der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Entsprechung im wohlfahrtsökonomischen Entscheidungskriterium der Pareto-Effizienz146. Das Pareto-Kriterium besagt, dass eine Lage – erst – dann effizient ist, wenn keine Änderung möglich ist, die jemanden besserstellt, ohne zugleich die Position anderer zu verschlechtern147. Eine Situation ist im Umkehrschluss dann ineffizient, wenn es möglich wäre, Vorteile für Jemanden zu erzeugen, ohne dass diese auf Kosten eines anderen gingen.

dd) Weitere Facetten des rechtswissenschaftlichen Begriffs der „Wirtschaftlichkeit“?

Mit der Darstellung des Minimal- und Maximalprinzips als Bestandteile des Wirtschaftlichkeitsauftrages ist der wissenschaftliche Konsens hinsichtlich des Bedeutungsgehalts des Wirtschaftlichkeitsbegriffs allerdings schon erreicht. Unklar bleibt, ob der normierte Wirtschaftlichkeitsbegriff weitere Spielarten in sich vereint und sich so der juristische Wirtschaftlichkeitsbegriff einem erweiterten wirtschaftswissenschaftlichen Wirtschaftlichkeitsverständnis annähert.

(1) „Angemessenheit des Mitteleinsatzes

Eine entscheidende Erweiterung des oben dargestellten „Wirtschaftlichkeitsbegriffs“ erfolgt dann, wenn mit ihm die Frage verbunden wird, ob der finanzielle Mitteleinsatz angesichts der zu erwartenden Resultate überhaupt gerechtfertigt werden kann148 und die anvisierte Maßnahme nicht vielmehr zu unterlassen wäre. Die Frage lässt sich dahingehend formulieren, ob zwischen Mitteleinsatz und erwartetem Nutzen ein angemessenes, vertretbaresVerhältnis besteht149. Eine vielzitierte Definition dieses Wirtschaftlichkeitsverständnisses lautet dementsprechend:

„Wirtschaftlich ist eine staatliche Maßnahme dann, wenn die Bedeutung der durch die erreichbaren Ziele für das Gemeinwohl den eingesetzten Aufwand an Zeit, Arbeitskraft, Finanzmitteln usw. – unter Einschluss etwaiger abträglicher Nebenfolgen – als gerechtfertigt erscheinen lässt und wenn die gleichen Ziele nicht auch mit geringerem Aufwand (…) erreicht werden könnten“150.

In der Sache wird damit der rechtliche Wirtschaftlichkeitsbegriff des Art. 114 Abs. 2 GG zunächst auf das Übermaßverbot erweitert151. Mit der Einbeziehung von Angemessenheitsüberlegungen in den Wirtschaftlichkeitsbegriff ändert sich allerdings auch der Gegenstand der Prüfung. So wird nicht mehr nur ermittelt, ob der Weg, der beschritten wird, um die vereinbarten Ziele umzusetzen, richtig oder falsch ist, sondern schon grundsätzlich in Frage gestellt, ob die richtigen oder falschen Ziele in den Blick genommen werden152.

(2) „Optimierungdes Mitteleinsatzes

Einen erheblichen Schritt weiter geht schließlich v. Arnim, der zunächst auch davon ausgeht, dass der normierte Wirtschaftlichkeitsbegriff mehr als nur ein Maximal- und Minimalprinzip erfasse, dieses „Mehr“ aber nicht nur auf die „Angemessenheit“ von Aufwand und Ertrag beschränkt wissen möchte153.

Nach seiner Konzeption erschöpft sich das Wirtschaftlichkeitsprinzip nicht im Maximal- und Minimalprinzip, sondern verlangt wie ein weiter ökonomischer Begriff der Wirtschaftlichkeit in Form des „Produktivitätsprinzip“ darüber hinaus die Prüfung, inwieweit sich bei variablen Mitteln und Zielen eine Kosten-Nutzen-Differenz noch verbessern ließe154. Vom diesem Wirtschaftlichkeitsbegriff werde auch die Frage umfasst, ob und inwieweit staatliche Aktivitäten auszudehnen seien und so durch einen höheren Aufwand auch die Zielerreichung erhöht werde, oder eher einzuschränken seien, sodass ein geringerer Zielerreichungsgrad mit einem geringeren Aufwand einherginge. Eine solche Verbesserung sei denkbar, wenn etwa durch Abstriche bei der Zielerreichung eine überproportionale Ressourceneinsparung erzielen werden könne. Insbesondere könne das Wirtschaftlichkeitsprinzip zur Maximierung des Saldos von Nutzen und Kosten auch verlangen, dass mehr Ausgaben für einen bestimmten Zweck verwendet werden, wenn damit ein umso größerer Nutzen zu erreichen sei155. Entscheidend sei jeweils, bei welcher Alternative die Differenz von Nutzen und Kosten am größten ist.

Nach diesem Verständnis stellt die Einhaltung des Minimal- und Maximalprinzips zwar eine notwendige und auch die wichtigste, aber nicht zwangsläufig eine hinreichende, erschöpfende Voraussetzung für die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips dar156.

(3) Stellungnahme

Die soeben aufgezeigten Differenzen bezüglich der Einbeziehung von Angemessenheitsüberlegungen in den Wirtschaftlichkeitsbegriff sind für die Zwecke dieser Arbeit allerdings nur von sekundärer Bedeutung und damit zu vernachlässigen.

Die Frage nach der zutreffenden Auslegung des „Wirtschaftlichkeitsbegriffs“ gewinnt maßgeblich an Brisanz im Rahmen der dem Art. 114 Abs. 2 GG ursprünglich zugedachten Rolle als Kontrollmaßstab des Bundesrechnungshofes, weniger allerdings für den hier interessierenden, mittels teleologischer Auslegung gewonnenen exekutivischen Handlungsmaßstab. In ersterem Zusammenhang bestehen beachtliche Gründe dafür, den Prüfungsumfang des Bundesrechnungshofes als Kontrollinstanz auf die Einhaltung des Minimalprinzips zu reduzieren157. Auf den Maßstab mithin, an dem sich die Prüfung des Bundesrechnungshofes rein tatsächlich ohnehin orientiert158. Der Vorzug des Minimalprinzips, das – ebenso wie der Erforderlichkeitsgrundsatz – von einem vorgegebenen Ziel ausgeht und nur danach fragt, ob dieses mit einem geringeren Mittelaufwand hätte erreicht werde können, liegt darin, dass auf diese Weise eine vermeintlich wertungsfreie oder zumindest mit schwachen, d. h. allgemein konzedierten Werturteilen versehene Kontrolle ermöglicht wird159. Dass nämlich bei der Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Alternativen diejenige vorzuziehen ist, durch die die Betroffenen bessergestellt werden, ohne dass Abstriche bei der Zielerreichung hingenommen werden müssten, dürfte zumindest auf allgemeine Zustimmung stoßen.

Ganz anders verhält es sich hingegen, wenn zur Bestimmung der „Angemessenheit“ einer anvisierten Maßnahme oder gar deren „Optimalität“ die Frage nach dem „Nutzen“ und dem Kosten-Nutzen-Vergleich derselben gestellt werden muss. In diesem Fall ist es unvermeidbar, dass die politisch-gestalterischen Zielsetzungen des Gesetzgebers wie auch das zielverwirklichende Handeln der Exekutive – mittelbar oder unmittelbar – Gegenstand der Kontrolle werden und bewertet werden müssen160. Die Infragestellung der Zielsetzungen, die unbestritten in den Kompetenzbereich der verantwortungstragenden Parlamente sowie der hierzu ermächtigten Verwaltung gehören, mag zunächst noch kein Problem darstellen. Zum rechtlichen Problem wird sie erst, wenn man sich vergegenwärtigt, dass kein (Prüfungs-)Maßstab zur Verfügung steht, mit dem der Erfolg staatlicher Tätigkeit anhand vorgegebener objektiver Kriterien gemessen und so die Angemessenheit der Ziele bewertet werden könnte. Dass sich der Nutzen von staatlichen Leistungen oftmals nicht in Preisen ausdrücken lässt und somit kaum messbar ist und auch die Wirtschaftswissenschaften einen solchen Maßstab nicht entwickeln können – all dies darf an dieser Stelle vorweggenommen werden und wird später noch auszuführen sein161. Wenn es diesen intersubjektiven Maßstab aber nicht gibt, so erfordert die Setzung der Ziele ein gehöriges Maß an Dezision und subjektiver Wertung. Nur die Begrifflichkeit verändert sich, wenn man in diesem Zusammenhang von „politischer Wertung“ spricht162. Hinter jeder Angemessenheitswertung scheint somit auch die Frage nach der Kompetenz zur Setzung dieser Wertungen durch163.

Ob und inwieweit der Bundesrechnungshof und sein Pendant in den Ländern grundsätzlich kontrollierend tätig werden darf, soll und muss, welche Spielräume er dabei zu beachten hat, um seine Kompetenzen nicht zu überschreiten und den „Marsch in das Gebiet der Politik“164 anzutreten, ist seit jeher eine der umstrittensten Fragen165 des Staatsrechts, die die Themenkreise der demokratischen Legitimation und der Gewaltenteilung berührt. Entsprechende Forderungen, sich bei der Kontrolltätigkeit auf die Einhaltung des Minimalprinzips zu beschränken, die Zielsetzungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers so unangetastet zu lassen und „politische“ Entscheidungen zu respektieren, sind dabei allerdings keineswegs exklusiv auf den Prüfauftrag und die Kontrolltätigkeit des Bundesrechnungshofs beschränkt, sondern vielmehr in regelmäßigen Abständen an jede Kontrolltätigkeit gerichtet, insbesondere auch jede verfassungsgerichtliche Kontrolltätigkeit166.

Wenn auch eine Beschränkung des Bundesrechnungshofs bei seiner Kontrolltätigkeit auf das Minimal- und Maximalprinzip – letztlich also auf den Erforderlichkeitsgrundsatz – angezeigt sein sollte, so gilt dies jedenfalls nicht für den Aussagegehalt des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes als Handlungsdirektive für staatliche Organe167. Der Aussagegehalt des Wirtschaftlichkeitsprinzips als Handlungsdirektive kann sich – sofern man es konsequenterweise auch als Leitlinie staatlichen Handelns begreift – nicht in dem Maße beschränken, wie wenn der Bundesrechnungshof das Wirtschaftlichkeitsprinzip als Kontrollmaßstab heranzieht. Richtig ist, dass sich der Auftrag zu wirtschaftlichem Handeln mindestens so weit erstrecken muss wie die von Art. 114 Abs. 2 GG verliehene Prüfungskompetenz des Bundesrechnungshofs reicht168. Als Handlungsdirektive kann der Wirtschaftlichkeitsauftrag der Exekutive freilich weiter gehen als die Kontrollverpflichtung des Bundesrechnungshofs. Er muss es auch, da es sich bei dem Maximal- und Minimalprinzip tatsächlich um sehr theoretische Entscheidungsmodelle handelt. Deren Annahme, dass nämlich Ziele derart präzise normiert sind, dass nur noch der billigste Weg zur Erreichung dieser Ziele beschritten werden müsste, liegt aber praktisch in den seltensten Fällen vor169. Ebenso wenig sind Steuergelder feststehende Größen170. Dies zeigt nicht zuletzt auch § 3 Abs. 1 BHO, wonach der Haushaltsplan die Verwaltung nur ermächtigt, Ausgaben zu leisten und Verpflichtungen einzugehen, dieser allerdings keineswegs vorschreibt, hiervon Gebrauch zu machen171.

Vielmehr wird die Exekutive immer vor der Frage stehen, wie sie unbestimmte Zielvorgaben konkretisiert und dabei vor der Auswahl von Alternativen stehen, die sich sowohl im Hinblick auf den Ressourcenverzehr (= Kosten) als auch den Zielerfüllungsgrad (= Nutzen) unterscheiden. Für diese Entscheidungsprobleme gibt das Minimal- und Maximalprinzip allerdings wenig her172. Zumindest als regulative Idee muss die Verwaltung auf ein möglichst günstiges, d. h. die Differenz von Kosten und Nutzen maximierendes Kosten-Nutzen-Verhältnis hinarbeiten, wenngleich das Erreichen dieses Optimums nicht erwiesen werden kann173.

c) „Wirtschaftlichkeit“ und (Auslegungs-)Primat der Ökonomie?

Der Wirtschaftlichkeitsbegriff, der in Art. 114 Abs. 2 GG sowie in §§ 6 Abs. 1 HGrG und 7 Abs. 1 BHO Verwendung findet, erweist sich zunächst als formal-abstrakter Begriff174. Ohne eine negative Konnotation kann man auch von einer „Leerformel“175 sprechen: er sagt zwar aus, dass Kosten und Nutzen in ein möglichst günstiges Verhältnis zu setzen sind, er sagt allerdings nichts darüber aus, welche „Kosten“ und „Nutzen“ einzubeziehen sind, welche Maßstäbe der Bewertung zugrunde zu legen sind und wie diese methodisch auszudrücken sind176. Wirtschaftlichkeit „an sich“ ist vor diesem Hintergrund ausgeschlossen177.

Unzweifelhaft dürfte entsprechend seiner systematischen Stellung in der Finanzverfassung bzw. im Haushaltsrecht sein, dass mit „Kosten“ der öffentliche Mitteleinsatz und die Verwendung finanzieller Mittel (finanzielle Belastungen der Staatskasse, Zeit, Arbeitskraft) gemeint ist, die sich unschwer ökonomisch ausdrücken lassen. Keine Anhaltspunkte ergeben sich allerdings dafür, dass etwa nur ein – wie auch immer gearteter – „wirtschaftlicher“ Nutzen gemeint sei. Ohnehin ist der Ökonomie eine Verengung auf spezifische, dem Wirtschaftssektor zuzurechnende Kosten- und Nutzen-Kategorien fremd. Die Ökonomie definiert sich heute nicht über den Gegenstand, sondern vielmehr über das methodische Vorgehen178. Ebensowenig finden sich Hinweise, dass nur ein zumindest ökonomisch ausdrückbarer Nutzen i. S. d. subjektiver Nutzeneinschätzung der Marktteilnehmer oder marktfähiger Güter zu berücksichtigen sei179.

Im Gegenteil: der Begriff des Nutzens ist der Gesetzessprache keineswegs fremd. So findet er sich etwa auch in Art. 56 S. 1 GG und Art. 64 Abs. 2 GG wieder, wenn dort von dem „Nutzen für die Allgemeinheit“ gesprochen wird. Hier wie dort ist er eine Chiffre für das Gemeinwohl, das sich mit der Summe der individuellen Interessen nicht notwendigerweise deckt180. Das rechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot ist also so zu lesen, dass „finanzielle“ Kosten bei der Verfolgung des – weder notwendigerweise finanziellen, noch finanziell ausdrückbaren – Gemeinwohlnutzens zu berücksichtigen sind181.

Vor diesem Hintergrund zerstreuen sich auch Bedenken dergestalt, dass mit der Anerkennung eines Wirtschaftlichkeitsgebotes eine „Ökonomisierung“ der Rechtsordnung einhergehen müsse182. Beklagt wird in diesem Zusammenhang ein vermeintlich imperialistischer ökonomischer Ansatz183. Zunehmend überlagere nämlich der durch den Dualismus von Kosten versus Nutzen geprägte Code der Ökonomie den traditionellen Rechtscode, der im Dualismus Recht versus Unrecht seinen Ausdruck finde184. Eine „Ökonomisierung“ drohe insbesondere dann, wenn die Effizienzregel als Metanorm interpretiert würde, die anderen Werte vorangehe185.

Gegenüber dem hier zugrunde gelegten Verständnis des Wirtschaftlichkeitsbegriffs als formalem Gebot, die mit einer Maßnahme verbundenen monetären Kosten und deren (Gemeinwohl-)Nutzen abzuwägen und kritisch zu prüfen, verlieren diese Befürchtungen allerdings ihre Berechtigung.

Sie wenden sich vornehmlich gegen einen spezifisch wohlfahrtsökonomischen Effizienz- bzw. Wirtschaftlichkeitsbegriff186, der die ökonomische Analyse des Zivilrechts187 prägte188. Dieser definiert die ökonomische Wohlfahrt der Gesellschaftsmitglieder als wesentliches Ziel und Zweck staatlichen Handelns. Der zu maximierende Nutzen und damit das zu ergreifende Ziel staatlicher Tätigkeit soll dabei anhand der Präferenzen der Gesellschaftsmitglieder bestimmt werden189.

Dass aber der (historische) Gesetzgeber mit der Normierung des Wirtschaftlichkeitsbegriffs in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG und § 7 Abs. 2 BHO ein höchst anspruchsvolles, umstrittenes wirtschaftswissenschaftliches Theorem gleichsam mitnormieren und inkorporieren wollte oder mittels einer normkonkretisierenden dynamischen Verweisung auf wechselnde ökonomische Metatheorien Bezug nehmen wollte, ist nicht ersichtlich. Das Schweigen der entsprechenden Gesetzesmaterialien deutet eher darauf hin, dass nicht über das Begriffsverständnis des § 26 RHO, der Vorgängerschrift von § 7 BHO, die bereits ein wirtschaftliches und sparsames Verhalten beim Vollzug des Haushaltsplans vorgeschrieben hatte, hinausgegangen werden sollte190.

Ein Auslegungsprimat der Ökonomie für den Rechtsbegriff der Wirtschaftlichkeit besteht damit nicht191. Auch wenn somit der „Wirtschaftlichkeitsbegriff“ weder als „Einfallstor“ noch als „Schleusenbegriff“ für metajuristische Orientierungen und Standards192 taugt, schließt dies freilich nicht aus, dass sich auch die Rechtswissenschaften Einsichten ihrer Nachbarwissenschaften zunutze machen können193.

2. „Angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ i. S. d. §§ 6 Abs. 2 HGrG, 7 Abs. 2 BHO/LHO

Im obigen Abschnitt wurde der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz des Art. 114 Abs. 2 GG und § 7 Abs. 1 BHO/LHO untersucht, der sich allerdings erst mit Hilfe einer erweiternden Argumentation über die ihm eigentlich zugedachte Funktion als Prüfmaßstab des Rechnungshofs für die ex post erfolgende Kontrolle des Staates auch als (Handlungs-)Maßstab ex ante auslegen lässt.

Weitere und deutlichere Hinweise auf eine ex ante Verpflichtung zu „wirtschaftlichem“ Verhalten lassen sich dem einfachen Haushaltsrecht entnehmen. Dieses enthält mit den in § 7 Abs. 2 BHO und den entsprechenden Landeshaushaltsordnungen194 obligatorisch vorgeschriebenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei der Aufstellung und Ausführung des Haushalts von Bund und Ländern verfahrensrechtliche Vorkehrungen und Instrumente, durch die ein wirtschaftliches Verhalten sichergestellt und der (Haushalts-)Grundsatz der Wirtschaftlichkeit durchgesetzt werden soll195.

Entgegen der ursprünglichen Gesetzeskonzeption, die den Anwendungsbereich für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen auf Maßnahmen mit „erheblicher finanzieller Bedeutung“ beschränkte, sind nunmehr „alle finanzwirksame Maßnahmen“ erfasst, so dass bei allen haushaltswirksamen, d. h. sowohl die Einnahmen oder als auch die Ausgaben des Bundeshaushalts unmittelbar oder mittelbar beeinflussenden Maßnahmen entsprechende Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen von der zuständigen Organisationseinheit durchzuführen sind. In zeitlicher Hinsicht sind diese sowohl bei der Planung, als auch bei der Durchführung (sog. begleitende Erfolgskontrolle) und nach Abschluss einer Maßnahme (sog. abschließende Erfolgskontrolle) durchzuführen196. Hiervon bleiben keine staatlichen Aufgabenfelder ausgenommen: Erfasst werden demnach in gleichem Maße neue Investitionsvorhaben, Ersatzbeschaffungen und Subventionen, wie auch Gesetzesvorhaben mit finanziellen Auswirkungen197.

Welche „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ dabei zur Auswahl stehen bzw. wie diese „Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ im Einzelnen auszusehen haben, ergibt sich aus den hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften sowie der Arbeitsanleitung „Einführung in Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen“ des Bundesministerium für Finanzen198. In diesen werden in knapper Form die in Betracht kommenden Verfahren für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen aufgezeigt und Fachbegriffe erläutert.

Sog. einzelwirtschaftliche Verfahren für Maßnahmen, die sich auf den betrachteten Verwaltungsbereich beziehen (z. B. Bedarfsdeckung für die eigene Verwaltung) und sich auf einen bloßen Vergleich der Personal-, Sach-, sowie Kapitalkosten alternativer Lösungsalternativen beschränken, sind für den hier interessierenden Kontext zu vernachlässigen199.

Entscheidender sind die Verfahren, die die gesamtwirtschaftlichen bzw. gesellschaftlichen Vor- und Nachteile der Maßnahmen zu erfassen versuchen200. Hierzu zählen die Kosten-Wirksamkeitsanalyse (hierzu a.) einerseits und Kosten-Nutzen-Analyse (hierzu b.) andererseits201. Auf beide ist im Folgenden in der gebotenen Kürze einzugehen.

a) Kosten-Wirksamkeits-Analysen

Die „Kosten-Wirksamkeits-Analyse“ („cost-effectiveness-analysis“) gilt als das erste bedeutende Verfahren, das zum Zweck der Wirtschaftlichkeitsanalyse im öffentlichen Sektor entwickelt worden ist202. Sie ist deutlich einfacher zu handhaben als eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse, da sie – angesichts der erheblichen Schwierigkeiten den Nutzen einer Maßnahme monetär zu erfassen – nicht den Anspruch erhebt, alle Auswirkungen einer Maßnahme anhand eines einheitlichen monetären Nenners zu bewerten203. Nur die Ermittlung, Messung und Bewertung der Kosten erfolgt in monetärer Form, während hinsichtlich der Zielerreichung nicht-monetäre Indikatoren Anwendung finden204. So lassen sich etwa die Auswirkungen alternativer Gesundheitsprogramme durch die Anzahl geretteter Menschenleben ausdrücken und die Auswirkungen alternativer Umweltschutzprogramme durch bestimmte Schadstoffbelastungsgrenzen.

Relativ einfach kann auf diese Weise ermittelt werden, mit welcher Handlungsalternative bei gleichen Kosten das angestrebte Ziel am effektivsten, d. h. am umfassendsten erreicht wird und so eine Rangfolge verschiedener Handlungsalternativen aufgestellt werden. Bei Alternativen, die sich in Kosten und Zielerfüllungsgrad unterscheiden, kann zudem ein Quotient berechnet werden (Kosten pro Einheit Wirkung), der es erlaubt, auch diese Alternativen zu vergleichen.

Eine gewisse Verfeinerung dieses Ansatzes stellt schließlich die „Nutzwertanalyse“ dar, die versucht, auch unterschiedliche Zielsetzungen (z. B. Umweltschutz und Gesundheitsschutz), die mit einer Maßnahme verbunden sind zu berücksichtigen205. Die Durchführung einer Nutzwertanalyse umfasst dabei folgende drei Schritte206: Zunächst sind die Kriterien, die zur Beurteilung einer Maßnahme dienen, fachbereichsspezifisch festzulegen und entsprechend ihrer Bedeutung zu gewichten und zu dokumentieren. So bietet es sich etwa an, eine Gesamtzahl von 100 Punkten auf die verschiedenen mit einer Maßnahme verfolgten Ziele zu verteilen207. Sodann wird für jede Handlungsalternative beurteilt, ob ein Kriterium zutrifft, teilweise zutrifft oder nicht zutrifft. Entsprechend sind Punkteskalen, die von 1–5 Punkten, 1–10 Punkten oder 1–100 Punkten reichen können, zu vergeben208. In einem letzten Schritt schließlich kann der Teilnutzen einer Handlungsalternative hinsichtlich eines Kriteriums durch Multiplikation der Punkte und deren Gewichtung berechnet werden. Addiert man sodann alle zugehörigen Teilnutzen, so errechnet sich der (Gesamt-)Nutzwert einer Handlungsalternative, der mit dem Nutzwert anderer Alternativen verglichen werden kann209.

In jedem Fall kann eine Kosten-Wirksamkeitsanalyse dabei helfen, den besten Weg zur Zielerreichung zu finden. Sie kann aber keine Aussagen über die Sinnhaftigkeit einer Maßnahme selbst treffen, da sie keinen Vergleich von Kosten und Nutzen ermöglicht210.

b) Kosten-Nutzen-Analysen

Unter den gesamtwirtschaftlichen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen stellt die Kosten-Nutzen-Analyse das bei weitem ambitionierteste und umfassendsteVerfahren dar211. Sie versucht rechnerisch zu ermitteln, ob der Nutzen einer Maßnahme deren Kosten übersteigt und somit ein Nettonutzen, d. h. ein positiver Beitrag zur volkswirtschaftlichen Güter- und Leistungsmenge erbracht wird.

Hierzu werden in einem ersten Schritt idealtypisch sämtliche positiven wie negativen Wirkungen der (Verwaltungs-)Maßnahmen in Ansatz gebracht. Erfasst werden also sowohl direkte, d. h. unmittelbar mit der Maßnahme verbundene verwaltungsinterne (geldliche) Kosten als auch indirekte, d. h. mittelbare, gesellschaftliche Nachteile, wie etwa die nachteiligen Auswirkungen einer Maßnahme auf Gesundheit und Umwelt212