Köstliche Vergeltung - Anja König - E-Book

Köstliche Vergeltung E-Book

Anja König

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Beschreibung

Zwei Jahre nach dem Ende der Menschheit entbrennt im peruanischen Dschungel ein Überlebenskampf ohnegleichen. Ein Mensch muss im Kampf gegen einen übermächtigen Gegner neue Verbündete finden, um den Hauch einer Chance zu haben. Doch nichts hat ihn darauf vorbereitet, seinem schlimmsten Gegner gegenüber zu stehen - sich selbst.

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Seitenzahl: 285

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Anja König

Köstliche Vergeltung

Rat der Fünf

© 2021 Anja König

Verlag und Druck:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-347-41143-2

Hardcover:

978-3-347-41144-9

e-Book:

978-3-347-41145-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Prolog

Brief aus der Hinterlassenschaft von Kyma S.:

Daniel,

in den letzten zwanzig Jahren habe ich meine ganze Energie aufgebracht, dich großzuziehen. Mit jedem Tag, dem du gewachsen bist, fiel es mir schwerer, dir noch ins Gesicht zu sehen. Du wurdest zu dem Ebenbild deines Vaters.

Ich konnte dich nie so lieben, wie es für eine Mutter erwartet wird. Daher hast du häufig meine Eltern besucht. Doch kamst du jedes Mal mit einem so hoffnungsvollen Blick zurück, dass es schwer war, dir überhaupt gegenüberzutreten. Ich wäre am liebsten von dir weggelaufen und doch musste ich mich weiter um dich kümmern.

Es war nicht deine Schuld, auch wenn du sie dir häufig eingeredet hast. Ich möchte auch nicht, dass du dir in Zukunft die Schuld an meinem Verhalten gibst. Du bist die unschuldigste Person in dieser ganzen Geschichte und hast ein Recht, die Wahrheit zu erfahren. Daher werde ich dir den Hintergrund zu meinem Verhalten erklären und um Vergebung zu bitten, auch wenn ich sie nicht verdient habe.

Du hast dich sicherlich gefragt, warum ich nie einen Mann in meinem Leben hatte und dich nie mit Liebe überhäuft habe, wie meine Familie es getan hat. Es fing bereits vor knapp zweiundzwanzig Jahren an. Ich habe an einer Universität Medizin studiert, ich wollte unbedingt Ärztin werden. Es war mein Lebenstraum, Menschen in Not zu helfen. Damals war ich eine der wenigen Frauen im Studium dort und überaus stolz darauf. Jedoch änderte es sich schlagartig nach einigen Monaten, als ich bei einer Semesterabschlussfeier war.

Ich bin mit ein paar Freundinnen dort hingegangen und habe mit einem jungen Mann geredet. Nach einiger Zeit lockte er mich in ein Hinterzimmer. Dort vergewaltigte er mich auf grausamste Weise, während seine Freunde ihn dabei anfeuerten. Es war beschämend.

Nach dieser Nacht sah ich ihn immer wieder auf dem Campus. Er hatte immer ein so hässliches Lachen im Gesicht, denn er wusste, dass ich ihm nichts anhaben konnte. In der damaligen Zeit und der Gesellschaft war es immer die Schuld der Frau, wenn so etwas passierte. Die Vergewaltiger sagten stets, dass sie sich zu freizügig anzogen. Sie hat es durch ihr Flirten ja gewissermaßen gefordert. Jetzt weiß ich natürlich, dass dem nicht so ist, trotzdem bin ich nie darüber hinweggekommen. Später warst du die ständige Erinnerung an diese Schmach.

Also kehrte ich nach Hause in den Schoß meiner Familie zurück und habe mich in mein Zimmer verkrochen. Auch ihnen konnte ich nichts sagen. Es war beschämend. Nach einigen Monaten bemerkte ich, dass ich mit dir schwanger war. Zu diesem Zeitpunkt war es jedoch zu spät, dich abtreiben zu lassen.

Ich brachte dich also zur Welt, allerdings konnte ich dich nicht in die Arme nehmen. Ich verspürte keinerlei mütterliche Gefühle, gar keine Gefühle für dich – keine Liebe, keinen Hass, einfach nichts. Daher wurdest du meiner Mutter, welche mir in dieser schweren Stunde beistand, in die Armen gedrückt. Sie hatte endlich ihren Enkel und war so glücklich, dass ich es nicht über das Herz brachte, dich zur Adoption freizugeben, wie ich es geplant hatte. Darum ich dich großgezogen – meinen Eltern zuliebe.

In den letzten Jahren habe ich jedoch bemerkt, wie mir die Kraft ausging. Du hast sie nach und nach aus mir herausgezogen wie ein Parasit. Daher möchte ich mich jetzt von dir verabschieden und dich für dein zukünftiges Leben nicht weiter zur Last falle. Bitte sei nicht wütend auf mich. Ich wäre dir gerne eine bessere Mutter gewesen, aber es ging nicht. Doch hoffe ich, dass du wenigstens in Teilen eine schöne Kindheit mit meinen Eltern und Geschwistern hattest, auch wenn ich nie ein Teil davon sein konnte, und dass dein weiteres Leben besser wird als bisher.

Deine Mutter

Artikel:

Frauenleiche angeschwemmt

In den frühen Morgenstunden wurde die Leiche der 41-jährigen Kyma Q. am Flussufer angeschwemmt von Wanderern. Sie starb durch massive Kopfverletzung auf dem Kopf. Dies wurde wahrscheinlich durch einen Sprung von einer Brücke in den flachen Fluss hervorgerufen. Fremdverschulden wird derzeit ausgeschlossen. Die Polizei nimmt an, dass die Frau Suizid begangen hat.

Todesanzeige:

Hiermit nehme ich Abschied von Kyma Quispe. Deine Geschichte und dein Wille werden mich immer begleiten.

Dein Sohn Daniel

1. Kapitel: August, Jahr 1 nach dem Ende der Menschheit

In meiner Schwertkunst geht es darum, dass einer in jedem Kampf sein Schicksal herausfordert, dass er das Prinzip von Leben und Tod begreift – Das Buch des Feuers, Miyamoto Musashi

Die Explosion donnerte durch das Tal. Eine Druckwelle rüttelte an den Bäumen und ein riesiger Feuerball stieg in den wolkenverhangenen Himmel auf. Die Vögel flogen erschrocken kreischend davon und die Tiere am Boden brüllten panisch. Es dauerte eine Weile, bis die Lebewesen des Waldes sich beruhigten. Zu sehr hatte sie die Explosion erschreckt. Erst nach fast zehn Minuten kehrte langsam Ruhe in den Urwald ein – sofern man hier von Ruhe sprechen konnte. Es gab immer Geschnatter, Brüllen oder Rascheln.

Daniel trat hinter einem Baum hervor, nachdem er eine Weile gewartet hatte. Mit seinen gerade ein Meter siebzig reichte er nicht mal an den untersten Ast, was seine Verstecke um einiges verringerte. Sein Körper war durch harte Arbeit zäh und ausdauernd geworden. Seine Haut hatte den typischen Farbton von südamerikanischen Einwohnern. Das schwarze Haar war militärisch kurz rasiert, was er seit Jahrzehnten betrieb. Schließlich wollte er nicht dauernd Haarsträhnen wegwischen wie manch anderer. Daniel beobachte mit seinen Augen, welche grau wie Gewitterwolken waren, unnachgiebig die Umgebung.

Sein Gesicht nahm langsam einen zufriedenen Ausdruck an. Die Explosion war ein Erfolg gewesen. Im Geist klopfte er sich selbst lobend auf die Schulter, trotzdem blieb er aufmerksam. In einem Urwald wusste man nie, was für Gefahren hinter dem nächsten Baum lauerten.

Während er sein Gewehr schulterte und dabei seine Pistole und Machete zog, überschlug er kurz, wie lange er noch bis zum Sonnenuntergang hatte. In der Nacht war der Urwald noch gefährlicher als bei Tag, daher wollte er zu dem Zeitpunkt lieber in seiner Unterkunft sein als hier draußen. Er nickte, um sich selbst zu bestätigen. Genau, er hatte noch genügend Zeit, zu der Stelle im Dschungel zu gehen, an der soeben die Explosion stattgefunden hatte. Hoffentlich hatte niemand überlebt. Langsam und sehr vorsichtig näherte sich der Mann.

Seine Pistole und Machete hielt er währenddessen auf Anschlag. Jeden Moment konnte ihn ein Raubtier anfallen oder er berührte einen dieser hochgiftigen Pfeilgiftfrösche, die hier überall herumsprangen. Die peruanischen Regenwälder waren kein Platz für Angsthasen und Weicheier. Hier überlebten nur die stärksten und tödlichsten Raubtiere. Und Daniel musste beides sein, denn er kämpfte gegen Kreaturen, die stärker und tödlicher waren als er. Die Raubkatzen, Krokodile und Schlangen warteten nur so auf eine Schwäche ihrer Beute. Die wollte aber Daniel nicht ihnen geben.

Er hatte es sich nicht ausgesucht, hier zu leben. Doch sein Auftrag war eindeutig und er musste ihn zu Ende bringen – koste es, was es wolle. Erst danach konnte er sich einen angenehmeren Lebensmittelpunkt suchen. Er freute sich schon darauf. Er wollte endlich wieder in die Stadt, wo das Leben pulsierte. Menschen durch die Gassen rannten. Wäre da nicht dieser nagende Gedanke, dass er seit einiger keine Menschen mehr gesehen hatte. Als er jetzt zurückdachte, stellte er fest, wie seltsam das war.

Nach einer gewissen Zeit hatte er schließlich die Ruinen des Ortes erreicht. Schwarzer Rauch stieg von den zerstörten Baracken auf und an einigen Stellen brannten noch Feuer. Schnell trat er die Flammen aus. Sie durften sich nicht ausbreiten, denn er wollte nicht riskieren, dass der Urwald abbrannte. Das hatten die Menschen schon mehr als genug getan. So gefährlich wie der Urwald auch war, so schön war er auch, weshalb er nicht weiter zerstört werden durfte.

Sobald Daniel alle Feuer gelöscht hatte, durchsuchte er die Ruinen nach den Leichen der Männer, die hier gewesen waren. Jeden einzelnen Raum sah er sehr sorgfältig durch. Die meisten waren glücklicherweise schon tot. Es hatte ihnen einiges an Leid erspart.

Plötzlich hörte er ein Röcheln. Schnell drehte er sich um. In der Ecke dieses Raums lag ein blutüberströmter Mann. Eine Blutspur verriet, dass er nach der Explosion dorthin gekrochen war. Eines seiner Beine war abgerissen und lag ein paar Meter entfernt. Das Blut floss in schwarz-roten Strömen aus dem Stumpf. Seine Arme lagen in unnatürlichen Winkel um seinen Körper. Dass er sich bis in die Ecke geschleppt hatte, grenzte an ein Wunder. Auch an seinem Kopf fanden sich tiefe Schnittwunden. Daniel konnte dadurch sogar den Schädelknochen des Verletzten sehen. Dass der überhaupt noch lebte, war ziemlich verwunderlich – Daniel wusste, dass er diesen Umstand schnell korrigieren musste. Der röchelnde Mann zuckte zusammen, er hatte den Angreifer bemerkt und wollte nur noch weg, kam aber nicht voran.

„Wer bist du? Was willst du von uns?“, brachte er mit gebrochener Stimme vor.

„Ich bin Daniel und ich werde dein Tod sein!“, sagte Daniel hart. Er verspürte nicht das mindeste Stück Mitleid mit diesem Stück Fleisch. Dafür hatte Daniel in den letzten Jahren zu viel erlebt und gesehen.

Ohne ein weiteres Wort schoss Daniel dem verletzten Mann in den Kopf. Das Röcheln hörte schlagartig auf. Für Daniel wurde es jetzt erst richtig interessant. Was würde ihn erwarten, wenn er den Toten genauer untersuchte? Daniel beugte sich runter und schob mit einem Finger vorsichtig die Lippen auseinander. Ein seltsames Gebiss, wie ein Raubtier – mal wieder. Als Daniel die Augenlider hob, konnte er die Pupillen erkennen – sie waren blutrot und die Iris war komplett schwarz. Was gaben sie denen nur für Drogen? Oder hatte er selbst zu viel giftige Dämpfe inhaliert? Wahrscheinlich stand Daniel unter einem Dauerrausch. Na super.

Ruhig und wachsam stellte sich Daniel wieder aufrecht hin. Schnell durchsuchte er die restlichen Ruinenbereiche, die er vorher noch nicht betreten hatte. Er fand noch zwei weitere Überlebenden, welche ebenso schnell starben. Gut, es durfte keine Zeugen geben von dem, was er gemacht hatte.

Als das erledigt war, hatte er Zeit jeden einzelnen Raum in Ruhe auf Hinweise über den Drogenring zu untersuchen. Er musste unbedingt herausfinden, was sein nächstes Ziel sein würde. Sein Auftrag – seine Mission – war die komplette Auslöschung des Kartells. Zusätzlich musste er herausbekommen, wer der Boss dahinter war. Den würde er der örtlichen Agentenstelle übergeben.

Er fand zu seinem Bedauern nur ein paar spärliche Indizien, Pläne von dem Urwald mit mehreren Kreuzen und Listen von Gegenständen und seltsame Gegenstände, die er nicht kannte, welche er sich später anschauen wollte. Verdammt! Vielleicht hätte er einen von den Getöteten ein paar Minuten länger am Leben lassen sollen. Er hätte ihn verhören können und wenn nötig noch ein wenig foltern. Egal, jetzt war es zu spät, kein Grund also, der Möglichkeit hinterherzutrauern. Zudem war es bei seinen bisherigen Aktionen oft zu unangenehmen Gewalttätigkeiten gekommen, wenn er jemanden am Leben gelassen hatte, weswegen Daniel immer zuerst alle Gefahrenquellen beseitigte. Normalerweise waren danach immer noch ein paar Hinweise zu finden. Nur diesmal nicht.

Daniel musste damit leben. Schnell sammelte er die wenigen Indizien ein und packte sie in seinen Rucksack. Später in seiner Unterkunft würde er sie sich genauer anschauen. Als er aus den Ruinen heraustrat, konnte er wieder die Geräusche des Waldes hören. Es war, als wäre nie etwas passiert.

Daniel schaute in den Himmel. Wie viel Zeit war vergangen? Die Sonne näherte sich dem Horizont. Es wurde Zeit, dass er zurück in seine Behausung, ein Baumhaus, zurückkehrte. Vorsicht ist ein besserer Soldat als Übereilung, wie William Shakespeare es so schön einmal gesagt hatte. Er ging noch einmal durch die Ruinen, ob er auch nichts und niemanden übersehen hatte, dann verließ er das Lager, ohne einen weiteren Gedanken an diesen Ort zu verschwenden.

Daniel musste knapp zwei Stunden zurücklaufen, bevor er in die Nähe seines Baumhauses kam. Durch die dichten Bäume und den unebenen Boden verzögerte sich der Weg um einiges. Allmählich hatte die Dämmerung eingesetzt, doch das würde nicht lange andauern. Die Länge der Abend- und auch Morgendämmerung war in Peru sehr kurz, dadurch, dass er sich so nah am Äquator befand. Innerhalb weniger Minuten konnte es von Tag zur Nacht wechseln. Daher musste er sich beeilen, sosehr er konnte, und trotzdem in seiner Achtsamkeit nicht nachlassen.

So hatte er einige Fallen um sein Baumhaus aufgestellt, da er vermeiden wollte, dass fremde Menschen seine Unterkunft fanden. Einerseits wollte er nicht, dass jemand ihn unverhofft angriff oder andererseits seine Erkenntnisse stahl, die er mühevoll über die letzten Jahre hinweg gesammelt hatte.

Langsam und behutsam umging er den tödlichen Hindernislauf. Zusätzlich aktivierte er weitere Fallen in dem Kreis, um sein Baumhaus hinter sich komplett zu verschließen. Letztlich stand er vor seinem Eingang. Mit einem kleinen dünnen Strick, der gut versteckt war, öffnete er die Verankerung seiner Leiter. Sie fiel augenblicklich herunter und er kletterte hoch. Endlich war Daniel zu Hause.

Oben angekommen rollte er schnell die Leiter wieder auf. Nicht, dass doch noch Besuch herein fand. Jetzt hatte er Zeit, sich seine gesammelten Ergebnisse und Indizien von heute genauer anzuschauen. Er legte sie auf einen Tisch nieder. Mit einem Feuerzeug zündete er mehrere Lampen darauf an, um genügend Licht zu haben, bevor er sich wieder zu den Seiten und Gegenständen runterbeugte.

Es war nicht viel. Eigentlich nur Bilder von Landschaften mit ein paar wenigen Menschen darauf, die nicht menschlich aussahen. Einige hatten Hörner auf dem Kopf und andere Wülste an ihrem Rücken. Bei manchen schienen es regelrecht Flügel zu sein. Was war das nur für ein seltsamer Drogenring? Was hatten die nur für Mittel genommen, dass es zu solchen Missbildungen gekommen war? Oder waren es Bilder von Kostümfesten? Daniel konnte nur verständnislos den Kopf schütteln. Wer konnte so verrückt sein?

Diese Frage konnte er nicht beantworten, daher waren die Menschen jetzt erst mal nebensächlich. Daniel musste sich auf die Landschaft im Hintergrund konzentrieren. Er konnte die Gegend nicht exakt zuordnen, also konnte es nicht in der Nähe seiner Behausung sein. Jedoch waren die Berge zu sehen, die er auch von seinem Baumhaus aus sehen konnte. Seinen Computer konnte er allerdings nicht befragen, wo sich dieses Stück Erde befand. Leider hatte er im Moment nicht genügend Strom gespeichert. Zusätzlich hatte sich das Internet seltsamerweise vor über zehn Monaten verabschiedet. Das hatte ihn weiter zurückgeworfen, aber nicht aufgehalten. Er wusste nicht, was gerade in der Welt abging, was ihm sehr nah ging, aber er würde seine Mission trotzdem fortsetzen.

Zur gleichen Zeit, als die Verbindung zur Außenwelt abgebrochen war, hatte er auch die ersten Ausrottungen von Ureinwohner in ihren Siedlungen bemerkt. Überall hatten die Leichen gelegen. Vor niemandem war haltgemacht worden. Sein Hass auf diesen Drogenring war dadurch ins Unermessliche gestiegen. Wie konnte man nur diese unschuldigen Menschen – Männer, Frauen und Kinder – einfach so töten? Sie hatten doch niemandem etwas getan. Er hatte keine äußeren Wunden gefunden, das ließ nur einen Schluss zu: Man hatte das Wasser vergiftet, wie es schon seit Jahrhunderten. Es war eines der grausamsten Verbrechen. Selbst jetzt konnte sich Daniel nicht vorstellen, wie man so etwas tun konnte.

Diese Geschehnisse hatte er bis auf das letzte Detail dokumentiert, um – nach der erfolgreich beendeten Mission – seinem Chef die notwendigen Beweise zu geben und den Drogenboss hinter Gittern zu bringen. Mittlerweile hatte er einige Kisten mit Dokumenten gefüllt.

Daniel konzentrierte sich voll und ganz auf die gesammelten Bilder. Die Berge auf den Fotos hatten einen anderen Blickwinkel, als von seiner Behausung aus zu sehen. Zusätzlich konnte er in dem Winkel eines Bildes ein paar wenige Häuser erkennen. Das hieß, es musste in der Nähe einer menschlichen Siedlung sein. Hastig, um den Faden seiner Gedankengänge nicht zu verlieren, holte er eine seiner Karten von dem umliegenden Dschungel und Bergen raus und schaute sich seinen markierten Standort und das Gebiet, das er kannte. Jetzt konnte er zumindest einige Bereiche wegstreichen.

Zusätzlich konnte er Teile des Urwaldes ausschließen, die sich nicht nahe bei einer menschlichen Siedlung befanden. Es blieben immer noch über ein Dutzend Möglichkeiten übrig. Er konnte schlecht alle Siedlungen abklappern. Das hätte Monate gedauert.

Plötzlich sah er auf einem Bild, dass einer der Männer eine Uhr am Handgelenk trug. Das ergab einen Hinweis zum Lager. Schnell holte er eine Lupe und schaute sich die Zeit genauer an. 13:35 Uhr. Jetzt hatte er eine Uhrzeit. Weiterhin konnte er erkennen, dass ein Mann eine Zeitung vom Oktober letzten Jahres in der Hand hielt. Er schien freudestrahlend auf etwas zu zeigen. Zumindest zeigte er mit einem Finger auf das Datum und hatte die andere freie Hand in einer kraftvollen Siegerpose ausgestreckt. Was das wohl bedeuten sollte? War es eine neue Lieferung von Drogen oder Menschen? Oder die Hochzeit oder Geburt eines anderen Menschen? Was es genau war, musste sich Daniel später Gedanken machen.

Endlich hatte er einen Hinweis auf die Lage des nächsten Standortes gefunden. Mit einem Blick auf seine Uhr erkannte er jedoch, dass er fast vier Stunden mit der Suche zugebracht hatte. Es war inzwischen spät in der Nacht und seine Augen brannten. Er riss seinen Mund zum lauten Gähnen auf.

Für die Berechnung der Standortlage musste er im ausgeschlafenen Zustand sein. Aus dem Grund verschwand er jetzt lieber in sein Bett und machte morgen weiter. Zusätzlich musste er morgen auf die Jagd gehen. Seine Nahrungsvorräte neigten sich dem Ende zu. Weiterhin musste er bei seinen Generatoren vorbeischauen, ob es über die letzten Tage zu Beschädigungen gekommen war.

Er konnte ohnehin erst mal keine weiteren Angriffe durchführen, da die anderen Lager- und Produktionsstätten des Drogenrings ab sofort in Alarmbereitschaft waren. Es musste sich alles beruhigen und die Wogen sich glätten. Sonst würde er schnell gefangen genommen oder getötet werden. Also ging er lieber erst mal schlafen. Morgen kann er mit neuem Tatendrang auf.

„WAS? Wie bitte?“, schrie der Riese wütend auf.

„Es gab eine riesige Explosion und dann brannte alles nieder. Ich konnte nichts mehr tun“, jammerte sein Diener auf.

„Warum warst du nicht bei den anderen, dann wärst du jetzt wenigstens genauso tot wie sie. Stattdessen stehst du hier wie ein absoluter Feigling und jammerst mir die Hucke voll, du Schwächling.“

„Sie hatten mich nach draußen geschickt, damit ich jagen gehe. Als ich wiederkam, ging gerade das Lager in die Luft. Ich konnte doch nichts dafür, dass ich woanders war. Ich bin nur einem Befehl gefolgt.“

Im nächsten Moment drehte sich der Riese um und kümmerte sich nicht um seinen Diener. Ihm ging es auf die Nerven, dass da draußen eine Gruppe von Übernatürlichen war, die seine Macht nicht respektierte. Verflucht sollten sie sein!

„Verdammt, warum muss mir das ausgerechnet jetzt passieren? Gerade, wo es endlich alles bergauf geht. Keine verdammten Menschen mehr, die mir in die Suppe spucken.“ Er griff geistesabwesend mit einer Hand an die Kehle seines Dieners. Er konnte ihn nicht mehr sehen.

„Meister, bitte tut mir nicht weh“, brachte der Diener gerade noch so raus, doch es war schon zu spät. Der Meister drückte zu und erwürgte ihn. Danach riss er ihm in Stücke, um wenigstens etwas von seiner Wut abzubauen. Dieser Schwächling sollte wenigstens zu etwas gut sein. Allerdings verrauchte durch diese Grausamkeit seine Wut nicht. Irgendwer stellte sich ihm hier in den Weg und das durfte nicht sein. Schließlich war er einer der stärksten Dämonen, die es auf der Erde gab. Er war ein Herrscher – ein Gott. Absolut niemand käme ungeschoren damit davon.

Daniel schlug die Augen auf. Sofort war er hundertprozentig einsatzbereit, wie es ihm vor Jahren beigebracht worden war: Lass dich niemals im Schlaf überraschen und sei immer auf alle gefasst, sonst holt dich der Feind. Auf der Stelle richtete er sich auf und schaute aus einer seiner Baumhausfenster. Es regnete mal wieder, wie es im Regenwald nicht gerade unüblich war. Zum Glück hatte er in den letzten Tagen eine Plane über eine der großen Regentonne gespannt, die nun langsam volllief. So konnte er immer über genügend Wasser verfügen. In ein paar Stunden musste er allerdings das Wasser abkochen. Dadurch würde er alle unliebsamen Begleiterscheinungen, wie eine massive Magenverstimmung oder noch schlimmer Amöben, welche sich in das Gehirn eingraben und töten können, beseitigen. Er wollte schließlich nicht krank werden. Hier in der Wildnis Medikamente zu finden, war ein Ding der Unmöglichkeit und er hatte auch nicht genügend Ahnung über hiesige Heilkräuter, dass er sie anwenden konnte.

Aus Gewohnheit richtete er sein Bett schnell her und begann sich sogleich an seine wichtigste Aufgabe zu setzen: die Berechnung des nächsten Lagerstandortes. Seine ersten Gedanken hatte er schon gestern aufgeschrieben. Mit der Karte neben sich hatte er schließlich nach ein paar Stunden die Sonnenstandberechnung erledigt – für eine schnellere Berechnung hätte er einen funktionierenden Taschenrechner gebraucht, was jedoch in diesem feuchten Klima ein sehr kurzes Vergnügen gewesen wäre. Jetzt konnte Daniel das Lager auf einen Umkreis von einem Quadratkilometer eingrenzen. Das war, um einiges besser als die ganze Region abzusuchen. Es war immer noch weitläufig, doch jetzt überschaubarer. In wenigen Tagen würde er das Lager bestimmt finden.

Endlich konnte sich Daniel einem anderen, noch dringlicheren Thema zuwenden. Er hatte Hunger, und zwar richtig großen Hunger. Er hatte seit gestern Vormittag, bevor die Teilmission begonnen hatte, nichts gegessen. Das Adrenalin in ihm hatte ihn so sehr aufgeputscht, dass er die Leere in seinem Magen nicht gespürt hatte. Jetzt musste er etwas erlegen, bevor er seine Generatoren kontrollierte.

Er nahm sich ein Messer und eine Armbrust und stieg auf der Leiter nach unten. Am Boden angekommen zog Daniel an dem Seil der Leiter, sodass sie nach oben verschwand. Das Seil versteckte er in der Baumrinde. Endlich konnte er sich auf den Weg zu seinem Lieblingsjagdplatz. Er lag direkt am Wasser und dort hatte Daniel die perfekte Sicht auf alles, was sich bewegte. Hier konnte er immer etwas fangen.

Nach wenigen Metern kam Daniel an. Ein Fluss, welcher träge dahinzog, zerteilte den Wald wie ein Messerschnitt ein Stück Kuchen. Die Bäume ragten mit ihren Ästen weit über den Fluss hinweg, dass sie fast die andere Seite berühren konnten. Trotz dieser Äste drang genügend Sonnenschein am Boden an, sodass die Tiere hier gerne hinkamen. Mit einem befeuchteten Finger in der Luft prüfte er den Wind und legte sich schließlich gegen den Wind auf den Boden. Jetzt hieß es Warten. Nach etwa zwanzig Minuten konnte er erkennen, wie sich ein paar Blätter entgegen dem Wind bewegten. Jetzt konnte er aus einer bestimmten Richtung an den Fluss gehen. Wenn er sich gegen den Wind bewegte, würden die Tiere hin nicht riechen können. Auf einmal raschelte es neben ihn. Sofort setzte Daniel seine Armbrust an und legte einen Pfeil ein. Er musste jetzt schnell sein. Wenn er jetzt danebenschoss, müsste er sich stundenlang auf die Lauer legen. Er durfte sich daher keinen Fehlschuss leisten, wenn er das herannahende Tier erlegen wollte.

Doch was nun auf die kleine Lichtung kam, erstaunte ihn: Es war ein großer gelb-schwarzer Jaguar, ein Weibchen, das konnte er an den Zitzen am Bauch erkennen. Die Raubkatze hatte eine wunderschöne Fellmaserung. Was seinen Atem jedoch stocken ließ, waren die kleinen tapsigen Lebewesen neben dem Weibchen – zwei komplett schwarze Jungtiere. Diese Familie konnte er nicht erlegen. Auch in der Tierwelt waren Familien ihm heilig.

Es wäre ein wunderschöner und einzigartiger Anblick gewesen, der ihn in Verzückung versetzt hätte, wenn sich nicht das Muttertier so schwerfällig fortbewegt hätte. Sie hinkte mit einem ihrer Hinterläufe. Daniel schaute genauer hin und konnte erkennen, dass der regelrecht zerhackt worden war. Sie schien in eine Art Falle getreten zu sein, die von einem Menschen aufgestellt worden war. Vielleicht einen dieser Bärenfallen. Seine Fallen hatten nicht das Ziel Tiere zu verletzen, sondern Menschen fernzuhalten. Auch wenn manchmal welche sich in die Fallen verirrten, so würden sie nie verletzt oder getötet.

Es war so traurig anzusehen, dass Daniel aufstand und sich vorsichtig der kleinen Familie annäherte. Er durfte die Großkatze nicht erschrecken, ansonsten würde er und wahrscheinlich auch die Jaguarfamilie den Tag nicht überleben. Muttertiere waren die gefährlichsten Tiere auf der Welt – egal, von welcher Art.

Das Weibchen sah ihn sofort und beobachtete ihn argwöhnisch, während ihre Babys sich ängstlich hinter ihr versteckten. Sie bewegte nicht einen Muskel und doch wusste er, dass sie auf das Äußerste angespannt war. Jederzeit bereit, ihn anzugreifen und ihre Nachkommen zu verteidigen. Vielleicht war es keine so gute Idee gewesen, sich zu erkennen zu geben, aber jetzt konnte Daniel nicht mehr zurück. Indem er all seinen Mut zusammennahm, ging er weiter vorwärts.

Auf einmal sah er aus dem Augenwinkel, wie sich das Wasser an einer Stelle kräuselte. War das ein Krokodil? Als sich Daniel es genauer ansah, konnte er einen länglichen Schatten sehen. Langsam näherte sich das Krokodil der Familie. Es wollte anscheinend die Mutter reißen. Mit dem Blick zielte Daniel so genau wie möglich, spannte an und schoss dem Krokodil genau in den winzigen Augapfel – eine der wenigen Schwachstellen an dessen Körper. Das Tier zuckte stark und blieb schließlich tot liegen.

In der Zwischenzeit hatte das Weibchen sein Maul aufgerissen und brüllte wütend. Alle Vögel verstummten auf der Stelle. Das Brüllen war ein Ausdruck der Kraft gewesen. Niemand stellte sich einer Jaguarmutter in den Weg. Einen Moment lang glitt das Bild einer in die Ecke getriebenen Katze durch Daniels Kopf.

Er legte die Armbrust und auch das Messer sichtbar vor den Augen der Katze nieder und schaute ihr dabei immer noch nicht in die Augen. Das hätte sie definitiv als Angriff verstanden und ihrerseits attackiert. Dann ging er vorsichtig und langsam zu ihr. Diesmal ließ sie ihn gewähren, aber nicht ohne Warnung. Ein Knurren drang aus ihrer Kehle. Anscheinend hatte sie auf eine Art und Weise begriffen, dass er ihr nichts Böses wollte, so ganz traute sie dem allerdings noch nicht. Langsam senkte sie ihren Kopf, um ihn zu zeigen, dass er akzeptiert wurde. Vorerst.

Vorsichtig bewegte er sich zu ihrem Hinterlauf, immer in der Sicht von dem Weibchen und weg von den Jungen, die sich mucksmäuschenstill verhielten. Nicht einen Augenblick lang durfte sie ihn als Angreifer auf ihre Babys sehen. Dann wäre er schneller tot, als er schießen konnte.

Endlich konnte Daniel sich die Beine genauer anschauen. Der Hinterlauf war nicht mehr zu retten. Er konnte teilweise sogar auf die blanken Knochen schauen. Was war ihr nur zugestoßen, dass sie so eine schwere Verletzung davongetragen hatte? War das mutwillig passiert? Doch das spielte jetzt keine Rolle. Ihm war klar, dass das Weibchen keine Überlebenschance hatte, wenn die Wunde nicht genäht würde. Das konnte er allerdings nicht hier an diesem ungeschützten Ort machen. Er musste sie in die Nähe von seinem Haus locken.

Suchend schaute er sich um und sein Blick blieb schließlich an dem toten Krokodil hängen. Ihm kam eine Idee. Vielleicht funktionierte es damit. Wieder ging er langsam um sie herum und zu dem Krokodil. Es war ein kleines Exemplar, weswegen er es geradeso auf die Schulter nehmen konnte. Aber auch kleine Krokodile waren verdammt schwer, wie er jetzt feststellen musste. Daher legte er den Kadaver noch einmal auf den Boden. Dann schnitt er ein paar Stücken Fleisch heraus und warf sie den Katzen hin. Diese stürzten sich sofort darauf und fraßen laut. Jetzt war das Krokodil um einiges leichter und er konnte es auch tragen. Nachdem er auch seine Waffen in die Hand genommen hatte, ging er in der Hoffnung, dass das Weibchen ihm und dem toten Krokodil folgen würde, langsam in Richtung seines Baumhauses. Er musste die kleine Familie mit sich locken.

Nach ein paar Metern bemerkte er, dass das Weibchen ihm mit den Jungen hinterherlief. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Anscheinend vertraute ihm das Weibchen ein wenig oder sie hatten Hunger und das Krokodil war eine willkommene Mahlzeit – oder vielleicht sah sie in Daniel eine leichte Beute. Ihn überlief ein kalter Schauer. Hoffentlich war es das nicht.

Nachdem er an seinem Baumhaus angekommen war, schnitt er für sich ein kleines Stück vom Krokodil ab und ließ den Rest für die drei Tiere auf dem Boden liegen. Sie mussten sich stärken, bevor er schließlich die Mutter verarzten konnte. Sie würden die Kraft benötigen. Schnell kletterte er hoch und räumte das Stück Fleisch in seiner Vorratsecke auf. Später würde er es dann für sich zubereiten, aber jetzt war das Weibchen wichtiger. Er benötigte Nähzeug und ein bisschen Betäubungsmittel. Das musste er doch hier irgendwo haben. Wenn er der Mutter ein Stück Fleisch mit Betäubungsmittel gab, könnte er so leichter sie verarzten.

Als er aus seiner Luke schaute, konnte er erkennen, dass die Jungtiere sich schon über den Kadaver hermachten. Jedoch lag die Mutter mittlerweile apathisch neben ihnen, ohne dass er das Betäubungsmittel schon benutzen konnte. Jetzt war Eile geboten. Das war kein gutes Zeichen. Anscheinend war die Mutter schon zu schwach, um sich an dem Fressen zu beteiligen.

Daniel kletterte zügig herunter und rannte vorsichtig zu dem Muttertier. Sie hatte ihn sofort bemerkt, doch regte sie keinen Muskel. Mit einem sachkundigen Blick beugte er sich über ihren Hinterlauf und begann, die Wunde zu säubern. Zuerst fauchte sie noch, doch es war nur noch schwach. Ihr ging die Kraft aus.

Plötzlich begann ihr Körper sich zu verkrampfen. Sachte tippte Daniel mit einem Stück Stoff in das Blut der Wunde und fuhr mit seiner Zunge knapp über den Blutstropfen. Er musste es nicht einmal berühren, um zu wissen, was sich in ihrem Blutkreislauf befand. Seltsamerweise konnte seine Zunge schon jetzt die aufsteigenden verdunstenden Moleküle des Blutes schmecken, wie bei einigen Reptilienarten.

Verdammt, sie war tödlich vergiftet. Er kannte das Gift, Batrachotoxin, eines der tödlichsten der Welt, förmlich schmecken. Mit wenigen Mikrogramm konnte man bis zu zehn Männer töten. Das war vorsätzlich geschehen, das wusste er nun. Wer hatte sie nur vergiftet? In dieser Gegend des Urwaldes lebte der schreckliche Pfeilgiftfrosch nicht und er hatte schon vor Monaten keine Menschen mehr in dieser Gegend gesehen, die mit Rohrpfeilen auf die Jagd gegangen waren.

In seinem Kopf drehten sich die Gedanken wild im Kreis. Wie konnte er ihr helfen? Sie war ein unschuldiges Tier, das es nicht verdient hatte, so zu sterben. Das Schlimme war, er hatte nicht das geeignete Gegengift in seiner Behausung und kam auch nicht so schnell heran, um das Weibchen zu retten. Somit konnte er der Mutter nur beim Sterben zusehen. Ihm brach das Herz und Tränen liefen seine Wangen herunter. Wie konnte man so ein schönes majestätisches Tier so grausam töten? Er ging zu ihrem Kopf und schaute ihr in die Augen. Dabei strich er ihr mit einer Hand über den Kopf. Sie sollte wissen, dass sie nicht allein war. Er stand ihr bei bis zu ihrem Ende.

Sie schien zu wissen, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte. Auf eine seltsame Art erkannte Daniel, dass sie es wusste. Sie schob ihren Kopf an die kleinen Kätzchen heran und wusch die Kleinen mit ihrer Zunge. Er war erstaunt, wie sie noch im letzten Moment liebevoll an ihren Nachwuchs dachte. Das hatte er nur sehr selten bisher an Lebewesen sehen können. Als die beiden Kätzchen sich plötzlich um ihn herum und auf seinen Körper kletterten, war er verunsichert. Vorsichtig schaute Daniel zur Mutter hin. Diese beobachtete ihn argwöhnisch und hatte die Lefzen hochgezogen. Allerdings griff sie ihn nicht an. Was würde sie jetzt tun? Dann schloss sie die Augen langsam und öffnete sie wieder. Sie schien sich bewusst zu sein, dass er die einzige Chance für ihre Babys war. Vorsichtig nahm er die Jungtiere in die Arme. Nach einem letzten Schnauben schloss sie ihre Augen für immer und Daniel hatte plötzlich zwei Jungtiere in den Armen, die kläglich zu maunzen begannen. Sie hatten begriffen, dass ihre Mutter tot war.

Daniel stand mit beiden auf und drückte sie fest an sich. Was war gerade geschehen? War er Vater geworden? Daniel schwirrte er Kopf. Doch sich auszuruhen, das ging jetzt nicht. Er hatte zwei Babys zu versorgen. Also nahm er sie mit in sein Baumhaus – das Klettern stellte sich als recht schwierig heraus – und setzte sie dort ab. Dann kletterte er wieder runter. Er musste ein Loch graben und das Weibchen beerdigen. Nicht das andere Raubtiere angelockt wurden. Daher begann er zügig mit seinen bloßen Händen den Boden auszuhöhlen. Sobald das Loch groß genug war, legte er den Kadaver der Mutter rein. Hastig schaufelte er das Loch wieder zu. Daniel konnte den Anblick des gefolterten Tieres nicht ertragen. So viele schlechte Dinge, die es über ihn zu sagen gäbe, das Foltern von Tieren gehörte nicht dazu.

Sobald er fertig war, schaute er sich um. Die beiden Jungtiere benötigten unbedingt etwas zu fressen. Daniel packte die Reste des Krokodils zusammen. Er musste die Überreste des Krokodils in sein Baumhaus schaffen. Also zerteilte er den Kadaver und stieg dann wieder hoch.

Die beiden Jaguarbabys hatten sich in der Zwischenzeit nicht ein Stück bewegt. Nur ihre Blicke wanderten ängstlich hin und her. Weiterhin maunzten sie nach ihrer Mutter, die jedoch nie wiederkommen würde. Im ersten Moment wusste Daniel nicht, was er tun sollte. Irgendwie musste er sie trösten. Schließlich hatte er eine Ahnung, was er tun konnte. Er legte die Reste des Krokodils zur Seite und ging zu den beiden Jungen. Er nahm sie auf seinen Schoß und begann, die beiden zu streicheln. Die Mutter hatte mit ihrem letzten Atemzug ihm die Verantwortung für die Jungen übergeben. Diese Verantwortung wollte er nicht von sich weisen, stattdessen würde er sich ihr stellen.

Während Daniel die beiden Jaguarbabys streichelte, dachte er nach. Wie konnte er es schaffen, die beiden Kleinen großzuziehen und später auszuwildern? Das würde keine leichte Aufgabe werden. Denn er wollte nicht, dass diese schönen Tiere durch irgendwelche grausamen Menschen bedroht würden und sie benötigten ihr eigenes Revier. Oh Mann! Was er alles beachten musste! Bei solchen Situationen wünschte er sich das Internet zurück, doch es musste ohne gehen.