Kraftvoll beten - Pete Greig - E-Book

Kraftvoll beten E-Book

Pete Greig

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Beschreibung

Jeder betet. Aber niemand findet es einfach. Wir alle brauchen ein wenig Hilfe. Wie kann mein Gebet kraftvoll werden? Seit über zwanzig Jahren sammelt Pete Greig Erfahrungen mit der weltweiten 24-7-Gebetsbewegung. Schwierige Umstände im persönlichen Leben sind der Grund, weshalb er sich intensiv mit der Frage nach nicht erhörtem Gebet beschäftigt. Hier gibt er uns anhand des Vaterunsers einen Überblick über die wesentlichen Aspekte des Betens und hilft, von der Theorie zur Praxis zu finden. Eine angenehm lesbare, tiefgehende und umfassende Hinführung zum Thema.

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Jeder betet.

Aber niemand findet es einfach.

Wir alle brauchen ein wenig Hilfe.

Pete Greig lehrt seit mehr als zwanzig Jahren über das Beten – und leitet eine Bewegung für immerwährendes Gebet. Jetzt fließt sein Lebenswerk zum ersten Mal in seine Antwort auf die Frage ein, die sich letztlich jeder stellt: Wie betet man?

Diese Einführung in das größte Abenteuer des Lebens wird dich tiefer in deine Beziehung zu Gott führen und dir helfen, dich besser zu sammeln und still zu werden, die Stimme Gottes deutlicher zu erkennen, besser in der Lage zu sein, deine Enttäuschungen zu verstehen und auch mehr auf wunderbare Durchbrüche zu hoffen. Sie ist voll ehrlicher, mühsam erworbener Weisheit und durchsetzt von Geschichten aus dem wirklichen Leben – manche humorvoll, andere bewegend –, und will dein Gebetsleben ausstatten und inspirieren. Auf der Reise durch das Vaterunser entfaltet Pete Greig neun wesentliche Aspekte des Gebets: Stille, Anbetung, Bitte, Fürbitte, Ausdauer, Kontemplation, Zuhören, Beichte und geistlicher Kampf.

Von einem der aufmerksamsten und visionärsten Kommunikatoren unserer Zeit geschrieben für die, die seit Jahren beten, ebenso wie für die, die beten wollen, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen, ist Kraftvoll beten der einfache, lebensverändernde Leitfaden, auf den wir alle gewartet haben.

© Copyright 2019 Pete Greig

© Copyright Vorwort Nicky Gumble

© Copyright der deutschen Ausgabe 2020 Asaph-Verlag

1. Auflage 2020

Titel der englischen Originalausgabe: How to Pray

Aus dem Englischen übersetzt von Dorothea Appel

Lektoriert von Cornelia Geister

Bibelzitate wurden im Allgemeinen der Übersetzung Hoffnung für alle entnommen (© 1983, 1996, 2002, 2015 Biblica, Inc.®, hrsg. von Fontis – Brunnen Basel), andernfalls folgendermaßen gekennzeichneten Übersetzungen: L: Luther 21 © La Buona Novella Inc. Bible Publishing House, CH-6343 Rotkreuz, S: Schlachter © 2000 Genfer Bibelgesellschaft

Umschlaggestaltung: Fontis Media, René Graf

Satz: Samuel Ryba

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH

ISBN 978-3-95459-608-9

Bestellnummer 148037

Für kostenlose Informationen über unser umfangreiches Lieferprogramm an christlicher Literatur, Musik und vielem mehr wenden Sie sich bitte an:

Fontis Media GmbH, Baukloh 1, 58515 Lüdenscheid,

[email protected] oder www.fontis-shop.de

Für Danny zum 18. Geburtstag

„Du aber … gehörst Gott … Bemüh dich mit aller Kraft darum, das Richtige zu tun, Gott zu dienen, ihm zu vertrauen und deine Mitmenschen von Herzen zu lieben. Begegne ihnen mit Geduld und Freundlichkeit. Kämpfe den guten Kampf des Glaubens!“ (1. Timotheus 6,11-12)

Ich gebe es Euch, so gut wie ich es habe und wie ich mich selbst beim Beten verhalte. Unser Gott und Herr gebe es Euch – und jedem anderen –, es besser zu machen.

(Martin Luther in einem Brief an seinen Barbier Peter Beskendorf, Frühling 1535)1

VATER UNSER IM HIMMEL, GEHEILIGT WERDE DEIN NAME. DEIN REICH KOMME. DEIN WILLE GESCHEHE, WIE IM HIMMEL, SO AUF ERDEN. UNSER TÄGLICHES BROT GIB UNS HEUTE. UND VERGIB UNS UNSERE SCHULD, WIE AUCH WIR VERGEBEN UNSERN SCHULDIGERN. UND FÜHRE UNS NICHT IN VERSUCHUNG, SONDERN ERLÖSE UNS VON DEM BÖSEN. DENN DEIN IST DAS REICH UND DIE KRAFT UND DIE HERRLICHKEIT IN EWIGKEIT. AMEN.

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Vorwort

Wie man dieses Buch in ein paar Minuten liest

Einführung: Wie man dieses Buch am besten nutzt

Wie man nach dem Muster P.R.A.Y. betet

1.Gebet überall.Warum beten?

2.Einfach bleiben.Anfangen

Schritt 1: Pause – Ruhe

3.Entschleunigung und Fokus.Wie man still wird vor Gott

Schritt 2: Rejoice – Freude

4.Anbetung.Wie man Gott ehrt

Schritt 3: Ask – Bitte

5.Bitten.Wie man Gott bittet

6.Fürbitte. Wie man Gott für die Anliegen anderer bittet

7.Nicht erhörtes Gebet.Wie man mit Enttäuschung umgeht

Schritt 4: Yield – Hingabe

8.Betrachtung.Wie man ohne Worte betet

9.Hören.Wie man Gottes Stimme hört

10.Bekenntnis und Versöhnung.Wie man mit Gott ins Reine kommt

11.Geistlicher Kampf.Wie man geistliche Autorität ausübt

12.Amen

Endnoten

Weiterführende Lektüre

Dank

GEBETS-VORBILDER

Vorbild im einfachen Gebet:Susanna Wesley, England

Vorbilder in der Entschleunigung und im Fokussieren:Die Wüstenväter und -mütter, Ägypten

Vorbild in der Anbetung:Bruder Lorenz, Frankreich

Vorbild im Bittgebet:Corrie ten Boom, Holland

Vorbild in der Fürbitte:Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Deutschland

Vorbild im Umgang mit nicht erhörtem Gebet:Joni Eareckson Tada, Amerika

Vorbild im betrachtenden Gebet:Blaise Pascal, Frankreich

Vorbild im Hören:Amy Carmichael, Indien

Vorbild im Bekennen und in der Versöhnung:Desmond Tutu, Südafrika

Vorbild im geistlichen Kampf:Der heilige Patrick, Irland

Vorwort

Nicky Gumbel

Ich bin sehr froh, dass Pete Greig dieses Buch geschrieben hat. Beten ist das Wichtigste in unserem Leben. Durch Beten entwickeln wir eine Beziehung zu unserem Vater im Himmel. Jesus betete und lehrte uns, dasselbe zu tun. Das Gebet bringt uns Frieden, erfrischt unsere Seele, stillt unseren geistlichen Hunger und versichert uns der Vergebung. Das Gebet verändert nicht nur uns, es verändert auch Situationen. Gott erhört Gebet. Aber wie sollen wir beten?

Viele Jahre lang hoffte ich, dass jemand ein einfaches, aber umfassendes Buch darüber schreiben würde, wie man betet. Ich konnte nur Bücher finden, die vor Jahrzehnten geschrieben worden waren und die Zeit nicht überdauert hatten.

Das ist eine echte Marktlücke. Im Alphakurs haben wir immer einen Vortrag darüber, warum und wie man betet. Wir empfehlen gerne Bücher, hatten aber Schwierigkeiten, eines zu finden, das zu dieser Einheit über das Thema Gebet passt. In den letzten Jahren habe ich Petes früheres Buch God On Mute empfohlen. Aber darin geht es um einen speziellen Aspekt – warum manche Gebete scheinbar nicht erhört werden. Dennoch habe ich es empfohlen, weil Pete eine Legende in der Welt des Gebets ist – als Mitbegründer der Gebetsbewegung 24-7 – und weil sich bei ihm die Leidenschaft fürs Gebet mit einer bemerkenswerten Schreibbegabung verbindet.

Stell dir also meine Freude vor, als Pete mir sagte, dass er ein Buch mit dem Titel How to Pray schreibt (auf Deutsch: Kraftvoll beten). Es hat mich sehr geehrt, dass er mich fragte, ob ich das Vorwort dafür schreiben würde.

Jetzt habe ich das Manuskript gelesen und finde, dass das Buch alles ist, wonach ich mich sehnte, und mehr. Dieser Autor weiß, wovon er spricht. Er schreibt, wie er spricht – mit großer Eloquenz. Er drückt sich deutlich, aber leicht verständlich aus und ist ausgesprochen praktisch und wunderbar anschaulich durch interessante Anekdoten, Geschichten und Beispiele.

Pete leitete früher die Gebete in der Gemeinde Holy Trinity Brompton, sodass ich persönlich die Kraft von Petes Gebeten erlebt habe – sowohl für mich selbst als auch für unsere Kirche, die Nation und die Welt. Wenn du, wie ich, versucht hast, Gebet in einer Gruppe zu leiten, wirst du wissen, wie außerordentlich schwierig es ist, das gut zu machen. Pete macht es immer perfekt – mit Humor, aber nie heftig; mit Kraft und Autorität, aber auch mit Leichtigkeit.

Dies ist in der Tat ein Buch, das erklärt, wie man betet. Mir zum Beispiel hat es schon sehr geholfen, und ich bin sicher, dass jeder Leser ermutigt und unterstützt wird, mehr wie Jesus zu beten – und Gott besser kennenzulernen.

Hier ist endlich ein einfacher Gebets-Leitfaden für normale Leute – das Buch, auf das ich gewartet habe.

Nicky Gumbel Holy Trinity Brompton London 2019

Wie man dieses Buch in ein paar Minuten liest

Wie man nach dem Muster „P.R.A.Y.“ betet (Kapitel 1–2)

„Die Jünger sagten: ‚Herr, lehre uns beten!‘“

Jeder Pilger hat irgendwann einen Stein im Schuh. Du wachst eines Morgens auf und denkst: „Ich kenne den Schöpfer von 100 Milliarden Galaxien – und mehr ist nicht dabei?“ Du liest die Apostelgeschichte und fragst dich: „Warum geschieht das heute nicht mehr so?“ Deine Welt bricht zusammen und du brauchst dringend ein Wunder. Du siehst hoch zu den Sternen am Himmel und fühlst Dinge, die größer sind als fromme Worte. Du sagst dir: „Wenn das wahr ist, muss es mehr Macht, mehr Geheimnisse, mehr persönliche Erfahrungen geben.“ Und so wendest du dich schließlich an Gott, etwas unsicher, ob es dir auch wirklich ernst damit ist, und sagst: „Herr, lehre mich beten.“ Und er antwortet: „Ich dachte schon, du würdest nie fragen!“

Pause – Ruhe (Kapitel 3)

„Jesus sagte: ‚Wenn ihr betet …“

Zum Anfangen müssen wir aufhören. Um voranzukommen, müssen wir innehalten. Dies ist der erste Schritt zu einem tieferen Gebetsleben: Leg deine Wunschliste weg und warte. Sitz still. Schweige. „Seid still und erkennt, dass ich Gott bin“ (Ps. 46,11 L). Sei ganz da in Raum und Zeit, damit sich deine abgelenkten Sinne in Gottes ewiger Gegenwart sammeln können. Schweigen und Stille bereiten Geist und Seele darauf vor, von einem Ort des größeren Friedens, des Glaubens und der Anbetung aus zu beten. Tatsächlich ist das an sich schon eine wichtige Form des Gebets.

Rejoice – Freude (Kapitel 4)

„Sagt: ‚Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name.‘“

Beim Anblick der Nordlichter denkt niemand: „Wow, ich bin unglaublich!“ Staunen und Bewundern entspricht unserem Wesen, und daraus folgt, dass wir Lob äußern. Das Vaterunser beginnt mit einer Einladung zur Anbetung: „Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name.“ Nachdem wir am Anfang einer Gebetszeit zur Ruhe gekommen sind, ist Ehrerbietung die natürlichste und angemessenste Reaktion auf die Gegenwart Gottes. Überspring diesen Schritt nicht. Den Namen des Vaters zu heiligen ist die wichtigste und erfreulichste Dimension des Gebets. Bleib eine Weile dabei und freue dich an Gottes Segnungen, bevor du um mehr bittest. Wie der Flug für den Adler, der Galopp für das Pferd, wie der Sprung für den Lachs, so ist Anbetung das, wozu Gott dich bestimmt hat.

Ask – Bitte (Kapitel 5–7)

„Dein Reich komme, dein Wille geschehe …

Unser tägliches Brot gib uns heute.“

Beten ist von ganz unterschiedlicher Bedeutung für all die verschiedenen Menschen. In seiner einfachsten und unmittelbarsten Form jedoch heißt Beten, Gott um Hilfe zu bitten – wie der Soldat vor der Schlacht, der Fußballfan im Finale, die verzweifelte Mutter in der Krankenhauskapelle es tun. Das Vaterunser lädt uns ein, Gott um alles zu bitten, vom täglichen Brot bis zum Kommen seines Reichs, für uns selbst (Bitte) und für andere (Fürbitte). In diesem Abschnitt untersuchen wir die außerordentliche, wunderwirkende Kraft des Gebets, aber auch die Fragen, mit denen wir konfrontiert sind, wenn unsere Gebete unbeantwortet bleiben.

Yield – Hingabe (Kapitel 8–12)

„Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben

unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung,

sondern erlöse uns von dem Bösen. Amen!“

Der letzte Schritt im Tanz des Gebets ist die Ergebung oder Hingabe – eine geballte Faust öffnet sich langsam, ein ausgepowerter Sportler lässt sich ins Eisbad sinken, die Mohnblumen auf der Wiese wenden sich der Sonne zu. Der Gegenwart Gottes „wie im Himmel, so auch auf der Erde“ geben wir uns hin durch betrachtendes Gebet und indem wir auf sein Wort, das unser „tägliches Brot“ ist, hören. Wir ergeben uns der Heiligkeit Gottes durch Schuldbekenntnis und Versöhnung und beten: „Vergib uns unsere Sünden, wie auch wir anderen vergeben.“ Wir unterstellen uns seiner Macht im geistlichen Kampf und bitten unseren Vater, uns „vom Bösen zu befreien“. Und in all dem geschieht dies: Indem wir uns Gott ergeben, überwinden wir. Indem wir von uns selbst leer werden, werden wir erfüllt, und indem wir im Gebet unser Leben hingeben, kann es schließlich selbst zu einem Gebet werden – dem Vaterunser.

Einführung

Wie man dieses Buch am besten nutzt

Wo doch ein solcher Gott euch liebt, könnt ihr ganz schlicht beten. So nämlich: …(Matthäus 6,9, The Message)

Als einer unserer Söhne hörte, dass ich ein Buch darüber schreibe, wie man betet, sagte er: „Aber das ist doch ganz leicht. Man fängt einfach mit ‚Lieber Gott‘ an, erzählt ihm etwas und sagt dann ‚Amen‘.“

In gewisser Weise hat er recht. Manchmal machen wir das Gebet viel komplizierter, als es sein muss. Dieses Buch wurde als einfacher Leitfaden für ganz normale Leute geschrieben. Es ist eine Einführung in ein umfangreiches Thema, an junge Christen und solche Nachfolger Jesu gerichtet, die vielleicht nicht Theologie studiert haben und sich nicht als Ninja-Gebetskrieger betrachten, aber dennoch gerne wachsen und ihre Beziehung zu Gott vertiefen möchten. Dies kann eine wunderbare, interessante Entdeckungsreise werden.

* * *

Ich habe das Glück, am Stadtrand zu wohnen, dort, wo die freie Natur anfängt. Oft laufe ich durch den Wald, um den Golfplatz herum oder bis zum höchsten Punkt eines Hügels, von wo aus man dreißig Meilen weit sehen kann. Ich laufe auf einem gepflasterten Weg, wenn ich wenig Zeit habe oder wenn es regnet und ich nicht gerade durch den dicksten Schlamm waten will. Aber um diese „Hauptarterie“ herum verläuft ein Gewirr von Venen und Kapillaren – geheimen Trampelpfaden und zugewachsenen Stegen, die vertrauter sind mit Dachs, Damhirsch und Waldkauz als mit Menschenfüßen.

Welchen Weg ich nehme, ist vom Wetter, von meiner Zeit und meiner Lust abhängig. An sonnigen Tagen gehe ich gerne in die Hügel und genieße die Aussicht. Im Herbst stromere ich über Waldwege, die so weich sind, als wären sie mit einem dicken Teppich belegt, und suche nach Bovisten und Champignons in Hexenringen. Im Sommer machen wir auf versteckten Lichtungen abends ein Lagerfeuer und schlagen dort manchmal auch unser Zelt auf.

Dieses Buch ist ein „einfacher Führer“ durch die komplexe, lebendige Gebetslandschaft. Zieh die Stiefel an – wir gehen nicht auf asphaltierter Straße. Ich weiß, dass es Zeiten gibt, in denen wir alle nur den schnellstmöglichen Weg zu Gott brauchen – wenn man vom Fahrrad auf ein geparktes Auto zuschleudert, ist die ganz direkte Kommunikation angebracht: „Hilfe!“ Aber es gibt im Gebet mehr als nur Bitten, und Gott hat es nicht eilig. Manches Beten ist eher ein Erkunden als ein Flehen: Waldwege, auf denen man sich geborgen fühlt, und Stellen, die so schön sind, dass man anhalten und Gott mit flüsternder Stimme Lob sagen muss. Es gibt geheime, intime Lagerplätze und Pfade, die dich in die Berge führen, wo du einen weiten Blick unter einem größeren Himmel genießt. Klettern ist anstrengend. Ist man aber erst einmal am Ziel, dann weiß man, dass sich die Mühe gelohnt hat. Unterwegs werden wir Heilige entdecken, die an bestimmten Stellen in dieser abwechslungsreichen Landschaft ihr Zuhause gefunden haben. Auch ihre Geschichten wirst du in diesem Buch finden. Die Geschichten anderer werden am Ende der meisten Kapitel unter der Überschrift „Vorbilder“ beschrieben. Einige dieser Heiligen ließen sich in der Kontemplation, im betrachtenden Gebet, nieder. Andere haben sich einen Ausguck in den Baumkronen der prophetischen Einsicht gebaut. Und schließlich wirst du dein eigenes Lieblingsgelände auf deinem Weg mit Gott finden.

Ich muss dich jedoch warnen, dass keiner dieser Wege zu Gott führt. So funktioniert es einfach nicht. Es gibt nicht die eine bessere Art zu beten. Wenn du nach dem Heiligen Gral suchst, gehe dorthin zurück, wo du angefangen hast. Auf all den vielen Gebetswegen wird der Herr dich jedoch begleiten. (Er zieht gerade seine Wanderstiefel an.) Er wird mit dir schweigen und auch mit dir reden. Das Gespräch wird verebben und fließen. Er wird dir Dinge erzählen, die du noch nicht wusstest, und dich Dinge fragen, die du noch niemandem erzählt hast. Gelegentlich wirst du ihn aus den Augen verlieren, aber nie für lange. Manchmal wird er eine Pause oder einen bestimmten Weg vorschlagen, aber meistens wird er deiner Führung folgen und dich bei jedem Schritt auf dem Weg begleiten, bis du schließlich den Kreis schließt, nach Hause kommst und weißt, dass du erkannt bist.

Natürlich haben wir eine Karte dabei: das berühmteste Gebet der Welt, das Vaterunser, das uns Jesus selbst zu genau diesem Zweck geschenkt hat, nämlich um uns beten zu lehren. In diesen alten, vertrauten Worten werden wir neun verschiedene Wege des Gebets entdecken: Stille, Anbetung, Bitte, Fürbitte, Ausdauer, Kontemplation, Hören, Beichten und geistlichen Kampf. Und unsere Reise wird in einem einfachen, vierstufigen Rhythmus ablaufen: P.R.A.Y. – Pause, Rejoice, Ask, Yield (auf Deutsch: Ruhe – Freude – Bitte – Hingabe). Ich bin kein großer Fan von Akronymen – sie riechen nach wissenschaftlichen Lehrbüchern und übermäßig ernsten Predigten, aber dieses hier funktioniert gut, weil es simpel und sinnvoll ist und unter der Oberfläche auch tiefgründig. Sieh in diesen vier Schritten nicht strenge Regeln – nicht die Sprossen einer Leiter in den siebten Himmel –, sondern eher Tanzschritte: fließend, interaktiv und offen für kreative Interpretationen. Gib P.R.A.Y. eine Chance und es wird deinem Gebetsleben eine einfache Struktur und einen unkomplizierten Ablauf verleihen, egal ob du alleine oder in einer Gruppe betest. (Für Kinder möchtest du das knifflige Wort „yield/Hingabe“ allerdings vielleicht gegen „Yes!“ tauschen.)

* * *

Ich schreibe dieses Buch seit fast zwei Jahrzehnten, seit ein paar wichtige Entdeckungen unbeabsichtigt die 24-7-Gebetsbewegung ins Leben gerufen haben: Erst kam meinen Freunden und mir die überraschende Erkenntnis, dass Beten eigentlich so ziemlich das Wichtigste im Leben ist, und danach, dass wir es furchtbar schlecht konnten. Seit diesem wenig verheißungsvollen Beginn befinden wir uns in einem Abenteuer, nämlich diese einfache, schwierige, unvermeidliche Sache zu erforschen, die das Herzstück von Leben, Glauben und Kultur ist. Was in diesem Buch gelehrt wird, hat seinen Ursprung daher weniger in Bibliotheken, Seminaren und auf Kanzeln als vielmehr in den praktischen Entdeckungen, die wir in Hunderten von Pop-up-Gebetsräumen gemacht haben, in denen in den letzten zwanzig Jahren Tag und Nacht gebetet wurde.

Am Ende jedes Kapitels wird ein „Vorbild im Beten“ vorgestellt, dessen Leben die besondere Art von Gebet veranschaulicht, mit der wir uns gerade beschäftigt haben.

Wie man nach dem Muster P.R.A.Y. betet

„Einmal war er an einem Ort und betete. Und als er aufgehört hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: ‚Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte.‘“(Lukas 11,1 L)

Jeder Pilger hat irgendwann einen Stein im Schuh. Du wachst eines Morgens auf und denkst: „Ich kenne den Schöpfer von 100 Milliarden Galaxien – und mehr ist nicht dabei?“ Du liest die Apostelgeschichte und fragst dich: „Warum geschieht das heute nicht mehr so?“ Deine Welt bricht zusammen und du brauchst dringend ein Wunder. Du siehst hoch zu den Sternen am Himmel und fühlst Dinge, die größer sind als fromme Worte. Du sagst dir: „Wenn das wahr ist, muss es mehr Macht, mehr Geheimnisse, mehr persönliche Erfahrungen geben.“ Und so wendest du dich schließlich an Gott, etwas unsicher, ob es dir auch wirklich ernst damit ist, und sagst: „Herr, lehre mich beten.“ Und er antwortet: „Ich dachte schon, du würdest nie fragen!“

1: Gebet überall

Warum beten?

„Einmal war Jesus an einem Ort und betete...“

Mehr Dinge werden durch das Gebet bewirkt, als diese Welt erträumt. Darum lass deine Stimme Tag und Nacht zu mir aufsteigen wie eine Wasserfontäne.(Alfred Lord Tennyson, Idylls of the King)1

Auf dem Berg Athos, zweitausend Meter über dem Meeresspiegel der Ägäis, beten bärtige orthodoxe Mönche, wie sie es seit 1800 Jahren tun. Dreißig Meilen nördlich von Lagos versammeln sich über eine Million nigerianische Christen monatlich zu einem Gebetstreffen auf dem riesigen Gelände der Redeemed Christian Church of God. An den Ufern des Ganges bei Varanasi baden hinduistische Pilger auf der Suche nach Reinigung und Hoffnung im heiligen Wasser. Irgendwo in Manhattan kommt eine Gruppe von Süchtigen im Rahmen eines Zwölf-Schritte-Programms zusammen und bemüht sich, „durch Gebet und Meditation den bewussten Kontakt mit Gott zu verbessern“.2 Hoch in den Bergen des Himalaja läuten Glocken, und vor saphirblauem Himmel tanzen Reihen von bunten Gebetsfahnen auf der Leine. Tief in den Mammutbaum- und Douglasienwäldern der kalifornischen Lost Coast halten Zisterzienserinnen Gebetswachen am Mattole River, wo Lachse springen und Forellen durch das Wasser gleiten.

Jeder vierte Mensch betet allein schon an Ostern jedes Jahr das Vaterunser. Jeder sechste Mensch verbeugt sich bis zu fünfmal täglich gen Mekka. Vor der Jerusalemer Klagemauer stehen schwarz gekleidete chassidische Juden und schaukeln vor und zurück wie alternde Gruftis in einer stummen Disco. Schlecht gerollten Zigaretten gleich, klemmen Tausende von handgeschriebenen Gebeten zwischen den riesigen Steinen der Mauer, die einst Teil des Herodes-Tempels waren. Es lohnt sich, am Anfang eines Buches wie diesem innezuhalten und den unendlichen Gesang der menschlichen Sehnsucht wahrzunehmen: einen Chor aus Seufzern und Schreien und Glockengeläut, aus Flüstern auf Entbindungsstationen, himmlischen Oratorien und gesprühten Graffiti. Wie Rabbi Heschel es ausdrückt: „Das Gebet ist unsere bescheidene Antwort auf die unbegreifliche Überraschung des Lebens.“3

Muttersprache

Das englische Wort „prayer“ (Gebet) kommt von dem lateinischen „precarius“. Wir beten, weil das Leben prekär ist. Wir beten, weil das Leben wunderbar ist. Wir beten, weil wir merken, dass wir zwar vieles nicht können, die einfachsten Wörter wie „bitte“, „danke“, „wow!“ und „Hilfe!“ aber beherrschen. Ich betete, als ich unsere Kinder zum ersten Mal im Arm hielt. Ich betete, als mir die Arbeit über den Kopf stieg und ich merkte, dass ich sie nicht schaffe. Ich betete, als meine Frau bewusstlos über den Krankenhausflur geschoben wurde. Ich betete in der Nacht, als ich die Polarlichter sah.

Der kanadische Psychologe David G. Benner beschreibt Gebet als „Muttersprache der Seele“ und stellt fest, dass „unsere natürliche Haltung einer aufmerksamen Offenheit für das Göttliche“ entspricht.4 Wir sehen diese Haltung bei vielen großen Männern und Frauen, die nicht unbedingt für ihre tiefe Religiosität bekannt sind. Abraham Lincoln z. B. gab zu: „Viele Male trieb mich die überwältigende Überzeugung auf die Knie, dass ich nirgendwo sonst hingehen konnte. Meine eigene Weisheit … schien für den Tag nicht auszureichen.“5

Der Unternehmer Conrad Hilton, Gründer der gleichnamigen Hotelkette, widmet den letzten Teil seiner Autobiografie überraschenderweise dem Thema Beten. „In einem erfolgreichen Leben“, erklärt er, „ist Gebet die Nabe, die das Rad zusammenhält.“6

In ihrem teils autobiografischen Roman One True Thing beschreibt Anna Quindlen die Qual, als Neunzehnjährige zusehen zu müssen, wie ihre Mutter Chemotherapie bekam – „Tropfen für Tropfen für Bitte-Gott-lass-es-wirken-Tropfen. Oh ja, ich betete in dieser Kabine“, schreibt sie. „Aber ich betete für mich, ohne Form, nur unausgesprochene Gefühle, nur ein Wort: Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte.“7

Der Rockstar Dave Grohl gibt zu, verzweifelt gebetet zu haben, als sein Schlagzeuger Taylor Hawkins auf dem englischen V-Festival eine Überdosis nahm. „Im Gehen sprach ich laut mit Gott“, erinnert er sich an die nächtlichen Fußwege zurück zum Kensington’s Royal Garden Hotel, nachdem er seinen Freund besucht hatte, der im Krankenhaus im Koma lag. „Ich bin nicht religiös, aber ich wurde fast verrückt, ich hatte solche Angst, ich war verzweifelt und verwirrt.“8

Elizabeth Gilbert beginnt ihre Bestseller-Memoiren Eat, Pray, Love mit diesen Worten: „Hallo, Gott. Wie geht’s? Ich bin Liz. Nett, dich kennenzulernen. … Ich war immer schon ein großer Fan deiner Werke. Ich habe noch nie direkt mit dir geredet.“ Und dann fängt sie an zu weinen: „Kannst du mir bitte helfen? Ich brauche unbedingt Hilfe. Ich weiß nicht, was ich tun soll.“ Ihre Tränen versiegen und sie erlebt einen Frieden, „so ungewöhnlich, dass ich kaum wagte auszuatmen, weil ich Angst hatte, ihn zu verscheuchen. Ich weiß nicht, wann ich je solch eine Ruhe verspürt hätte. Dann hörte ich eine Stimme. Es war nicht die Stimme von Charlton Heston und sie sagte mir auch nicht, ich solle einen Baseballplatz bauen. Es war meine eigene Stimme, aber eine Stimme, wie ich sie noch nie gehört hatte.“9

Meine Freundin Cathy an der Universität von Wichita war eine militante Atheistin. Als sie eines späten Abends ihr schlafendes Baby ansah, überwältigte sie der Wunsch, für dieses allergrößte Geschenk Danke zu sagen – irgendjemandem oder irgendetwas. Da sie ihr Staunen mit keinem Mann oder Freund teilen konnte, flüsterte Cathy verlegen ein paar Worte der Dankbarkeit in die Stille. Dabei schien sich die Atmosphäre zu verändern. Der Raum wurde erfüllt von Liebe – Welle für Welle; es war anders als alles, was sie je erlebt hatte. In dieser Nacht kniete Cathy neben ihrem schlafenden Baby nieder und wandte sich von ihrem leidenschaftlichen Atheismus ab. Noch heute, über dreißig Jahre später, ist sie eine Nachfolgerin Jesu.

Ähnlich fühlte sich der irische Dichter Patrick Kavanagh vom unergründlichen Wunder des Lebens bewegt zu beten. Er beschreibt diesen Impuls in seinem Gedicht Canal Bank Walk als „das heftige Verlangen meiner Sinne“:

O unworn world enrapture me, encapture me in a web

Of fabulous grass and eternal voices by a beech.

Feed the gaping need of my senses, give me ad lib

To pray unselfconsciously with overflowing speech,

For this soul needs to be honoured with a new dress woven

From green and blue things and arguments that cannot be proven.10

(O unverbrauchte Welt verzücke mich,

umhülle mich mit einem Netz

aus wunderbarem Gras und den ewigen

Stimmen bei einer Buche.

Stille das heftige Verlangen meiner Sinne

und lass mich aus dem Stehgreif,

unbefangen und mit überströmenden Worten beten können.

Denn diese Seele muss mit einem neuen Gewand

geehrt werden, gewebt aus Grünem und Blauem

und aus unbeweisbaren Argumenten.)

Mensch sein heißt beten

Von amerikanischen Präsidenten über irische Dichter, einem Rockstar in London bis zur alleinerziehenden Mutter in Wichita: Seit Anbeginn der Zeit ist Gebet „das unbeweisbare Argument“, das „heftige Verlangen“ jeder menschlichen Seele. Man vermutet, dass über 35000 Jahre alte Höhlenmalereien im indonesischen Maros und in Chauvet in Frankreich geistliche Anrufungen sind. Die Hügelruinen am Göbekli Tepe in der modernen Türkei gelten als Überreste eines Tempels, der 6000 Jahre älter ist als das neolithische Stonehenge in England, welches möglicherweise etwa 3000 Jahre vor Christus ein Ort des Gebets war.

Und wie wird das in Zukunft sein? Ist Beten nur der abnehmende Schatten einer primitiven Morgendämmerung? Eine Umfrage nach der nächsten macht klar: nein.11 Dreihundert Jahre nach der Aufklärung ist die Welt eher mehr als weniger religiös.12 Ich wohne in England, das als eine der säkulareren Nationen in Westeuropa gilt, aber auch hier sagt ein Viertel derer, die sich als „nicht religiös“ bezeichnen, sie wären dennoch „einmal pro Monat spirituell aktiv, normalerweise, indem sie beten“.13 Der bedeutende Londoner Chirurg David Nott ist ein gutes Beispiel für diesen scheinbaren Widerspruch. Er arbeitet in drei britischen Kliniken, doch seinen Urlaub verbringt er bewusst in den gefährlichsten Kriegsgebieten der Welt. „Ich bin nicht religiös“, versicherte er Eddie Mair in einem Interview auf BBC Radio 4:

Aber hin und wieder muss ich beten und ich bete zu Gott und bitte ihn, mir zu helfen, denn manchmal leide ich schrecklich. Nur ab und zu finde ich die richtige Frequenz, um mit ihm zu sprechen, und ich bezweifele absolut nicht, dass es einen Gott gibt. Ich brauche ihn nicht jeden Tag. Ich brauche ihn ab und zu, aber wenn ich ihn brauche, ist er wirklich da.14

Dieses Interview übte auf die Zuhörer eine tiefgreifende Wirkung aus. Tatsächlich war der experimentelle Künstler Patrick Brill (besser bekannt unter seinem merkwürdigen Pseudonym „Bob and Roberta Smith“) so bewegt von David Rotts Zeugnis, dass er die folgenden vier Monate damit zubrachte, jedes einzelne Wort davon Buchstabe für Buchstabe auf eine riesige Leinwand zu übertragen, die dann als Herzstück der Sommerausstellung der Londoner Royal Academy in der zentralen Halle aufgehängt wurde – jener Jahresausstellung zeitgenössischer Kunst, die die populärste des Landes und die älteste der Welt ist.

Von primitiven Höhlenmalereien bis zu weiß getünchten Wänden der Royal Academy – der universelle Impuls zu beten durchdringt die menschliche Ethnologie und Archäologie, Soziologie und Psychologie. Es ist nicht übertrieben zu sagen: Mensch sein heißt beten. Man sollte also weniger fragen, warum wir beten, als vielmehr, wie wir beten und zu wem. Für Milliarden Menschen findet sich die Antwort auf solche Fragen in dem revolutionären Leben und den Lehren Jesu Christi.

Die Bibel und das Gebet

Am nächsten Morgen stand Jesus vor Tagesanbruch auf und zog sich an eine einsam gelegene Stelle zurück, um dort allein zu beten. (Markus 1,35)

Der Größte, der je gelebt hat, war vor allem ein Mann des Gebets. Vor seinem öffentlichen Wirken fastete er über einen Monat lang in der Wüste. Bevor er seine zwölf Jünger auswählte, betete er eine ganze Nacht lang. Als er die furchtbare Nachricht von der Hinrichtung seines Cousins Johannes hörte, „fuhr er mit einem Boot in eine entlegene Gegend. Er wollte allein sein.“15 Nach der Speisung der Fünftausend war er verständlicherweise müde, reagierte aber auf das Wunder, indem er auf einen Berg stieg und betete.

Als die Belastungen des Ruhms ihn zu erdrücken drohten, betete Jesus.16 Als er im Garten Gethsemane, den eigenen Tod vor Augen, vor Angst Blut schwitzte und von seinen Freunden enttäuscht war, betete er.17 Sogar in den Stunden unvorstellbarer körperlicher und geistlicher Qualen am Kreuz schrie Jesus zu dem, der ihn scheinbar verlassen hatte.18

Jesus betete und betete und betete.

Aber dabei blieb es nicht. Nach seiner Auferstehung gebot Jesus den Jüngern, seinem Beispiel zu folgen, sodass schließlich die Kirche geboren wurde: „Sie alle trafen sich regelmäßig …, um gemeinsam zu beten.“19 Mit deren exponentiellem Wachstum folgten die Apostel dem Beispiel ihres Herrn weiter und räumten dem Gebet eine entschieden höhere Priorität ein als drängenden Aufgaben aus ihrer Leitungsverantwortung.20

In der Stadt Joppe „stieg Petrus auf das flache Dach des Hauses, um dort ungestört zu beten“ und empfing eine schockierende Vision von nicht koscheren Tieren, die zum Essen dargereicht wurden; eine epochale Offenbarung, die das Evangelium aus seiner jüdischen Wiege in die riesigen Erntefelder der heidnischen Welt katapultieren sollte.21

Die gleiche Gebetsbereitschaft sehen wir bei Paulus, von dem es unmittelbar nach seiner Bekehrung auf dem Weg nach Damaskus heißt: „Er betet gerade.“22 Seine Briefe sprudeln über von Bitten, spontanen Lobgesängen und leidenschaftlichen Ermahnungen zu beten. Wir stehen im aktiven Kampf gegen dunkle geistliche Mächte, erinnert er die Epheser (Eph. 6). Wir sind Teil einer gewaltigen himmlischen Gebetsversammlung, sagt er den Römern (Röm. 8). Wir werden von Wahrheiten erbaut, die sich nur im Gebet offenbaren, schreibt er den Korinthern (1. Kor. 14).

Die Priorität des Gebets sehen wir auf beinahe jeder Seite der Bibel und in allen Kapiteln der Kirchengeschichte. Es ist weder ein Randthema noch ein optionales Extra für Verzweifelte oder Fromme. Es gehört weder zu einer anderen Zeit in der Geschichte noch zu einer anderen Art von Leuten, die spiritueller, disziplinierter oder erfahrener sind als du und ich. Gebet ist von großer und allumfassender Bedeutung für jeden von uns. „Gebet ist mehr als eine brennende Kerze“, erklärt der Theologe George A. Buttrick. „Es ist die Ansteckung mit Gesundheit. Es ist der Puls des Lebens.“23 Eine echte Beziehung mit Gott bedeutet täglichen Umgang mit ihm, wie ihn Adam und Eva im Garten Eden pflegten. Es bedeutet, so vertraut mit ihm zu sprechen wie Mose, mit dem der Herr „von Angesicht zu Angesicht“ sprach, „so, wie Freunde miteinander reden“.24 Und es bedeutet, aufmerksam auf seine Stimme zu hören, wie Jesus sagte: „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir.“25

Seinen eigenen Gebetsort finden

Bevor Jesus seinen Jüngern das Vaterunser gab, „war er an einem [bestimmten] Ort“.26 Das ist von Bedeutung. Es scheint bestimmte Orte gegeben zu haben, an denen er am liebsten betete. An anderer Stelle riet er seinen Jüngern: „Wenn du beten willst, zieh dich zurück in dein Zimmer, schließ die Tür hinter dir zu …“27 Die Örtlichkeit war eindeutig von Belang. Und dann, ein wenig später, am Pfingsttag, heißt es: „Plötzlich kam vom Himmel her ein Brausen wie von einem gewaltigen Sturm und erfüllte das ganze Haus, in dem sie sich versammelt hatten“, sodass die Jünger „etwas wie züngelndes Feuer“ sahen, „das sich auf jedem Einzelnen von ihnen niederließ“. Nur Augenblicke später „wurden sie alle mit dem Heiligen Geist erfüllt“ (Apg. 2,2-4).28 Ist das nicht ein interessanter Verlauf? Der Heilige Geist erfüllte den Ort, bevor er die Menschen erfüllte.

Die alten keltischen Christen verstanden sehr gut, dass der Heilige Geist sowohl Orte als auch Menschen durchdringen kann, und beschrieben solche heiligen Stätten anschaulich als „thin places“, „dünne“ oder „lichte Orte“. Dein lichter Ort kann einfach ein bestimmter Stuhl in deinem Haus sein, eine Bank im Park, eine gesegnete halbe Stunde lang der Weg zur Arbeit, ein 24-7-Gebetsraum29, in dem du regelmäßig eine Schicht übernimmst, vielleicht sogar die heilige Stätte namens Badezimmer.

„Ich rate dir auch dringend“, schreibt der geistliche Lehrer Richard Foster, „einen Ort zu suchen, an dem du dich konzentrieren kannst – einen Garten, einen Abstellraum, einen Dachboden, vielleicht sogar einen bestimmten Stuhl – irgendeine Stelle, die nicht zum alltäglichen Ablauf gehört und wo du nicht abgelenkt wirst. Nutze diesen Platz als dein heiliges ‚Zelt der Begegnung‘.“30

Selbst wenn du eigentlich gar nicht wirklich beten willst, kann ein Ort des Gebets es oft leichter machen. Schon allein deine Anwesenheit ist eine Absichtserklärung, du sagst damit: „Herr, ich möchte nicht hier sein. Trotzdem – hier bin ich!“ Diese Erfahrung habe ich bei meinen täglichen Zeiten mit Gott und bei Terminen in 24-7-Gebetsräumen oft gemacht. Ich mag anfangs nicht immer da sein wollen – oft fahre ich ohne Lust zum Gebetsraum, überzeugt, dass ich eigentlich keine Zeit dafür habe und dass 24-7-Gebet die schlechteste Idee der Weltgeschichte ist –, aber ich stelle mich zur Verfügung, einfach, indem ich da bin. Bei solchen Gelegenheiten begegnete mir Gott oft am stärksten. Nach Jahrzehnten von Nacht-und-Tag-Gebet bin ich heute überzeugt, dass 99 Prozent einfach in der Anwesenheit besteht; in der Leistung, bewusst da zu sein für den Gott, der jederzeit und immer für uns da ist.

Wo ist dein Stuhl?

Ein Werbemanager bekehrte sich, meinte aber, für eine tägliche Gebetszeit keine Zeit zu haben. „Für Sie ist das einfach“, sagte er zu seinem neuen Pastor. „Sie haben jede Menge Zeit, aber ich bekomme einfach nicht noch etwas in meinem Leben unter.“ Am Anfang dieses Buchs magst du ähnliche Gedanken haben: „Für Pete ist das ja kein Problem“, denkst du vielleicht, „er ist schließlich der 24-7-Typ. Er schreibt den ganzen Tag Bücher und spricht mit den Eichhörnchen. Mein Leben sieht völlig anders aus – hektisch und stressig.“

Aber der Pastor konterte mit einer kleinen Herausforderung. „Wissen Sie“, sagte er, „für die Dinge, die mir viel bedeuten, habe ich noch immer Zeit gefunden.“ Der frischbekehrte Werbemanager ging los und kaufte sich einen besonders schönen Schaukelstuhl, den er zu Hause vors Fenster stellte. Ab sofort stand er jeden Tag zwanzig Minuten früher auf und setzte sich zum Bibellesen und Beten in den Stuhl. Das gehörte nun einfach zu seinem Tagesablauf, und nach und nach bemerkten seine Frau und seine Kollegen, dass er gesammelter, friedevoller und freundlicher wurde. Dieser Schaukelstuhl wurde zu seinem „lichten Ort“.

Aus Monaten wurden Jahre, aus einer täglichen Disziplin eine heilige Gewohnheit, und eines Morgens, als er dasaß und schaukelte, machte ihm der Herr den Vorschlag, seinen Beruf aufzugeben, das Haus zu verkaufen und von Chicago nach Colorado zu ziehen, wo eine Gemeinde seine Hilfe brauchte. Es war ein lebensverändernder Moment, der für seine ganze Familie einen neuen und außerordentlich fruchtbaren Lebensabschnitt eröffnete.

Einige Jahre später wurde bei ihm eine aggressive Form von unheilbarem Krebs diagnostiziert, aber er hielt seinen allmorgendlichen Termin mit Gott in diesem Stuhl ein. In seinen letzten Tagen fand er dort im Gebet Kraft für die allerschwerste Veränderung.

Am Tag der Beerdigung bemerkte ein Freund, wie die trauernde Witwe den Schaukelstuhl anschaute. „Was machst du jetzt damit?“, fragte er. „Oh, wir werden ihn unseren Kindern und Enkelkindern vererben“, meinte sie. „Es ist mir ein sehr lieber Gedanke, dass sie so in diesem Stuhl sitzen, wie mein Mann es getan hat, ihr Herz erleichtern, auf den Herrn hören und ihr Leben von ihm leiten und gestalten lassen.“31

Wo steht dein „Stuhl“? Für meine Frau ist er ein täglicher Spaziergang mit dem Hund und ein wöchentlicher Termin mit Gott in einem bestimmten Café. Für eine Lehrerin, die zu unserer Gemeinde gehört, ist er ihr Klassenzimmer, in dem sie jeden Tag eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn leise über jedem einzelnen Tisch betet. Für eine Studentin aus einer sehr strengen Sikh-Familie ist er ihr Auto. „Fahren ist meine Zuflucht“, erzählte sie mir. „Ich stelle Anbetungsmusik an, ganz laut, und meine Familie kann mich nicht davon abhalten!“ Wo auch immer du deinen Stuhl findest, versuche ihn täglich zu besuchen. Mach ihn zu deinem lichten Ort, einem heiligen Raum, der dir hilft, in allem Hin und Her des Lebens mit Gott zu leben und zu sprechen.

Herr, lehre uns beten

Vor zweitausend Jahren richteten die Jünger eine der größten Bitten aller Zeiten an Jesus, der gerade von seiner regelmäßigen Zeit mit Gott und seinem Gebetsort zurückkam: „Herr“, sagte einer von ihnen, „lehre uns beten“. Jesu Antwort auf diese einfache, bescheidene Bitte war erstaunlich großzügig. Er putzte seine Jünger nicht herunter, sagte nicht: „Das solltet ihr aber inzwischen wirklich können!“ Stattdessen gab er ihnen das größte Gebet der Weltgeschichte. Diese Männer führten später ein außergewöhnliches Gebetsleben. Sie beteten, bis Häuser ins Wanken gerieten. Durch die Kraft des Gebets holten sie Petrus aus einem Hochsicherheitsgefängnis heraus. Manchmal wurden Kranke schon geheilt, wenn nur ihr Schatten auf sie fiel. Sie empfingen die Art von Offenbarung, die einen kulturellen Paradigmenwechsel bewirkte. Und was das Bemerkenswerteste ist: Eines Tages fanden sie in sich die Gnade, im Angesicht des Todes für ihre Folterer zu beten.

Die Jünger wurden zu mächtigen Gebetskämpfern, aber das geschah nicht automatisch. Gebet wurde nicht vom Himmel auf sie heruntergebeamt. Die Apostel wurden nicht automatisch damit ausgestattet. Sie lernten auf die harte Tour beten, und ihr Unterricht fing damit an, dass sie an einem bestimmten Tag diese simple, berührend verletzliche Bitte aussprachen: „Herr, lehre uns beten.“

Und natürlich tat er das.

* * *

In diesem einleitenden Kapitel habe ich den historischen und biblischen Hintergrund des Gebets und die universelle Bedeutung von heiligen Orten dargestellt, von der Klagemauer in Jerusalem bis zu einem Schaukelstuhl in Colorado. Ich habe deutlich gemacht, dass beten zu lernen wirklich alles andere als merkwürdig, sondern vielmehr die natürlichste, wichtigste und wunderbarste Sache der Welt ist. Ich wollte dich ermutigen, dem Beispiel Christi zu folgen und zum Beten regelmäßig „einen bestimmten Ort“ (oder auch mehrere) aufzusuchen. In späteren Kapiteln (3 bis 12) werden wir uns auf einzelne Dimensionen des Gebets konzentrieren, z. B. auf Anbetung, Bitte, Fürbitte und Kontemplation. Aber zunächst einmal behandeln wir die grundlegende Frage, die in diesem Buch im Mittelpunkt steht: Wie betet man auf der simpelsten Ebene, im eigentlichen Sinn des Wortes?

Weiterführende Literatur:Richard Foster, Gottes Herz steht allen offen.

2: Einfach bleiben

Anfangen

„Herr, lehre uns beten.“

Der beste Rat zum Thema Gebet, den ich je bekam, war: Einfach bleiben, echt bleiben, dranbleiben.

Du musst einfach bleiben, damit die natürlichste Sache der Welt nicht kompliziert, verschroben und unnatürlich wird.

Du musst echt bleiben, denn wenn das Leben höllisch wehtut, wirst du versucht sein, so zu tun, als ob es dir gut ginge. Und wenn du etwas vermasselst, wirst du versucht sein, dich vor Gott zu verstecken (was nie wirklich funktioniert) und am Ende vor dir selbst (was ganz gut funktioniert).

Und du musst dranbleiben, denn das Leben ist schwer, die Schlacht ist heiß und Gott ist kein Algorithmus. Der Glaubensweg verlangt von uns allen eine gewisse Hartnäckigkeit, nicht zuletzt auf dem Gebiet des Betens.

* * *

Es war der heiligste Moment meines Tages: Gutenachtgebet mit meinem Sohn. Hudson war warm und sauber, roch nach Seife und steckte schon in seinem Superhelden-Schlafanzug. Sehr bald würde er eingeschlafen sein. Es würde wieder Ruhe herrschen im Haus. Alles würde gut sein.

„Keine bösen Träume, Herr“, betete ich im Flüsterton. „Lass Huddy wissen, wie sehr du ihn liebst, und lass ihn Christ werden, wenn er groß ist.“

„Nein!“, posaunte mir eine Kleine-Jungen-Stimme ins Ohr.

„Nein, Daddy!“, wiederholte er ungehalten, ja empört. „Ich will nicht Christ werden, wenn ich groß bin!“

„Ach so“, meinte ich etwas ernüchtert und bemühte mich, mir keine Enttäuschung anmerken zu lassen.

„Ähm – und willst du mir auch sagen, warum nicht?“

„Wenn ich groß bin, Daddy“, verkündete er und schob seine Hühnerbrust vor, „wenn ich groß bin, will ich Batman werden.“

„Ach so“, sagte ich noch einmal und zog ihn ein bisschen näher zu mir. Ein Weilchen saßen wir still da.

„Ich glaube“, wagte ich mich schließlich vor, „es ist möglich, beides zu sein.“

Sicher gibt es Tage, wo ich lieber eine Reihe persönlicher Superkräfte hätte statt mich mit langwierigem und verwirrendem Beten abzuplagen. Gott weiß, dass es uns nicht immer leichtfällt, in seiner Gegenwart einen Satz zu formulieren. Wie der Psalmist sagt: „Er vergisst nicht, dass wir nur Staub sind.“1 Er versteht, dass wir manchmal keine Worte haben, abgelenkt, überfordert oder verwirrt sind. Es verunsichert ihn nicht, wenn wir gelegentlich an seiner Existenz zweifeln. Er sieht unser verletztes und gebrochenes Herz und weiß, dass es ja manchmal so aussieht, als würden Gebete nichts nützen. Er ärgert sich nicht im Geringsten darüber, dass wir das Gespräch mit ihm gelegentlich etwas langweilig finden. Oder dass wir manchmal lieber das Empire State Building vermessen würden als nur ganz schlicht die Anleitung zu befolgen: „Geh in dein Zimmer und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater im Verborgenen.“2

Die Sache ist aber die: Er hat uns gern. Sehr gern.