Krank vor Enttäuschung - Patricia Vandenberg - E-Book

Krank vor Enttäuschung E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Sein Vater hat eine große Aufgabe übernommen: Dr. Daniel Norden leitet ab sofort die Behnisch-Klinik. Das führt natürlich zu entscheidenden Veränderungen in seiner Praxis. Jetzt wird es ernst für Danny, den Mädchenschwarm und allseits bewunderten jungen Mediziner. Er ist nun für die Praxis allein verantwortlich. Privat ist Dr. Danny Norden dabei, sein großes Glück zu finden. Seine Freundin, die sehbehinderte, zauberhafte Tatjana, ist mehr und mehr zu seiner großen Liebe geworden. Die neue Serie Praxis Dr. Norden ist prädestiniert, neben den Stammlesern der Erfolgsserie Dr. Norden auch viele jüngere Leserinnen und Leser hinzuzugewinnen. »Sag mal, wie viele Freundinnen hattest du eigentlich schon?« Tatjana Bohde lag auf der Couch. Sie löffelte Eis aus einem riesigen Becher. Neben dem Sofa stand eine Flasche Eistee. Obwohl sie wegen ihrer Sehbehinderung nicht viel erkennen konnte, ruhte ihr Blick auf dem großen Fernseher. Es war nur ihrer fast unheimlichen Sensibilität zu verdanken, dass sie das feine Zucken neben sich bemerkte. »Was ist?« »Das hat dich doch bisher nicht interessiert«, erwiderte Danny Norden, der es sich neben seiner Freundin bequem gemacht hatte. »Und wir sind immerhin schon ein paar Jahre zusammen.« Tatjana angelte die Flasche Eistee vom Boden und trank einen Schluck. »Bis jetzt war es auch noch nicht wichtig. Aber die Zeiten haben sich geändert. Und jetzt finde ich es eben wichtig zu wissen, was für ein Mensch der Vater meines Kindes ist.« »Unseres Kindes«, korrigierte Danny sie gereizt. »Lenk nicht ab!« Tatjana stellte den Eisbecher zur Seite und setzte sich auf. Das Gespräch versprach, interessant zu werden. »Also?«

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Praxis Dr. Norden – 4 –

Krank vor Enttäuschung

Kinder haben ein Recht auf Wahrheit

Patricia Vandenberg

»Sag mal, wie viele Freundinnen hattest du eigentlich schon?« Tatjana Bohde lag auf der Couch. Sie löffelte Eis aus einem riesigen Becher. Neben dem Sofa stand eine Flasche Eistee. Obwohl sie wegen ihrer Sehbehinderung nicht viel erkennen konnte, ruhte ihr Blick auf dem großen Fernseher. Es war nur ihrer fast unheimlichen Sensibilität zu verdanken, dass sie das feine Zucken neben sich bemerkte. »Was ist?«

»Das hat dich doch bisher nicht interessiert«, erwiderte Danny Norden, der es sich neben seiner Freundin bequem gemacht hatte. »Und wir sind immerhin schon ein paar Jahre zusammen.«

Tatjana angelte die Flasche Eistee vom Boden und trank einen Schluck.

»Bis jetzt war es auch noch nicht wichtig. Aber die Zeiten haben sich geändert. Und jetzt finde ich es eben wichtig zu wissen, was für ein Mensch der Vater meines Kindes ist.«

»Unseres Kindes«, korrigierte Danny sie gereizt.

»Lenk nicht ab!« Tatjana stellte den Eisbecher zur Seite und setzte sich auf. Das Gespräch versprach, interessant zu werden. »Also?«

»Also was?« Nervös fuhr Danny mit den Handflächen über die Oberschenkel. Im Grunde genommen hatte er keine Geheimnisse vor Tatjana. Doch seit der Hormonumstellung glich jedes Gespräch mit ihr einem Minenfeld. Manchmal hatte er Glück, und es passierte nichts. Öfter traf er aber ungeahnt einen wunden Punkt, machte eine klitzekleine falsche Bemerkung, und schon ging die Bombe hoch. Das Thema Ex-Freundinnen war geradezu prädestiniert für Ärger.

»Also, warst du ein Spätzünder? Oder eher ein Draufgänger?«, fragte Tatjana. Noch spielte ein Lächeln um ihre Lippen. »Wie viele Frauen hattest du vor mir? Warst du immer in Beziehungen, oder hattest du auch Affären? Auch mal nur für eine Nacht?« Ohne Danny aus den Augen zu lassen, angelte sie nach der Dose Eis. Ein großer Löffel Sahne-Kirsch verschwand in ihren Mund. Es würde Danny immer ein Rätsel bleiben, wie sie es anstellte, dass sie trotz der Mengen an Nahrungsmitteln, die sie verschlang, so gertenschlank bleiben konnte. Eine Woche Urlaub mit Tatjana hinterließ regelmäßig Spuren um seine Hüften.

»Also, was ist jetzt?«, riss sie ihn aus seinen Gedanken.

»Ich finde, das ist nicht mehr wichtig. Seit ich dich kenne, habe ich keine andere Frau mehr angeschaut.«

»Lüge!«

Das hatte auch Danny schon bemerkt.

»Über die Sache mit Charlotte haben wir lang und breit diskutiert. Das müssen wir jetzt nicht mehr aufwärmen.«

»Warum so aggressiv?« Wieder ließ sich Tatjana einen Löffel der sahnigen Köstlichkeit genüsslich auf der Zunge zergehen. Zumindest schien ihr das Gespräch nicht den Appetit zu verderben.

»Ich bin nicht aggressiv. Aber ich habe keine Lust, immer und immer wieder dieselben Geschichten aufzuwärmen. Charlotte war ein Fehler, für den ich mich aufrichtig entschuldigt habe.«

»Schon gut. Kein Grund zur Aufregung.« Tatjana lächelte. Zur Abwechslung schob sie ihrem Freund einen Löffel voll Eis in den Mund. »Hier, Zucker beruhigt die Nerven.«

»Ich bin nicht nervös.«

»Dann können wir ja beruhigt die ganz alten Geschichten aufwärmen«, verlangte sie hartnäckig. »Ich weiß immer noch nicht, was für ein Typ Mann du normalerweise bist.«

Danny beschloss, dieser Diskussion ein Ende zu bereiten, ehe ein Unglück geschah.

»Ich habe schon immer feste Beziehungen bevorzugt und war meinen Freundinnen treu.« Insgeheim gratulierte er sich für diese unverfängliche Formulierung, die alles und nichts preisgab. Um Tatjana abzulenken, nahm er ihr den Eisbecher aus der Hand und beugte sich über sie. »Und was die Geschichte mit Charlotte angeht: Sie hat mir mehr als deutlich vor Augen geführt, dass es keine andere Frau für mich gibt als dich. Du bist der Traum meiner schlaflosen Nächte. Die Beißzange in meinem Werkzeugkoffer. Der erste Nagel für meinen Sarg. Was sollte sich ein Mann noch mehr wünschen?«

Tatjana lachte zufrieden.

»Also gut. Überredet. Ich lasse Gnade vor Recht ergehen, weil du wirklich viel gelernt hast, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe.« Sie stellte das Eis weg und wuschelte ihm mit beiden Händen durch das Haar. »Zumindest was die Komplimente angeht.«

»Und sonst?«, fragte Danny empört.

»Das werde ich als Nächstes herausfinden«, murmelte Tatjana und zog ihn an sich.

*

»Da lang.« Der Vollzugsbeamte deutete auf eine schwere Gittertür am anderen Ende des trostlosen Flurs. Die Schritte der beiden Männer hallten von den schmucklosen Wänden wider.

Trotzdem fühlte sich Peter Klose wie im Himmel. Der Moment, auf den er so lange sehnsüchtig gewartet hatte, kam mit jedem Schritt näher. Er kostete jeden einzelnen aus.

»Los, los, nicht einschlafen. Oder haben Sie es sich anders überlegt?«

Peter spürte, wie sich sein Magen vor Wut verkrampfte. In der linken Hand trug er eine Sporttasche. Die rechte ballte sich zur Faust. Zum Glück war die Stimme in seinem Kopf lauter.

Nur jetzt nichts riskieren!, ermahnte sie ihn eindringlich.

Eine weitere Tür öffnete sich vor ihm. Er betrat einen schmucklosen Raum.

»Eine Entlassung.« Der Vollzugsbeamte übergab die Papiere an einen uniformierten Kollegen.

»Geburtsdatum?«

Peter nannte es. Der Mann in Uniform nickte. Er blätterte durch die Unterlagen und gab sie Peter Klose zurück.

»Arbeitsamt, Sozialamt, Wohnungsagentur«, zählte der Beamte auf. »Sie wissen, was Sie zu tun haben?«

Peter nickte.

»Der Sozialarbeiter hat mir schon eine Wohnung über die Mitwohnzentrale besorgt«, erklärte er und erntete ein zustimmendes Nicken.

»Rechts und hundert Meter die Straße hinunter ist eine Bushaltestelle. Den Taxistand finden Sie auf der gegenüberliegenden Straßenseite.« Der Beamte drückte auf einen Knopf. »Alles Gute!«

Wie von Geisterhand öffnete sich die schweren Eisentüren.

»Ich werde abgeholt!«, erwiderte Klose und schloss kurz die Augen.

Es war noch früh an diesem Morgen. Milde Frühlingsluft strömte herein. Vögel zwitscherten auf den Bäumen vor dem Platz. Andächtig machte er die ersten Schritte in Freiheit. Genauso hatte er sich dieses Gefühl in all den Jahren vorgestellt. Doch die Freude währte nicht lange. Als er sich umsah, musste er feststellen, dass der Fahrbahnrand leer war.

»Danke, Leute«, murmelte er. Sicherheitshalber sah er sich noch einmal um. Trotz aller Versprechen war keiner seiner Freunde gekommen, um ihn abzuholen. »Ich komme auch ohne euch klar.« Er zog sein altes Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. Der Anrufbeantworter sprang an.

»Hallo, Leute, hier ist die Mailbox von Lulu. Ich bin gerade beschäftigt, rufe aber gern zurück.«

Peter widerstand dem Impuls, einfach aufzulegen.

»Hey, Lulu, ich bin’s, Pit. Ich bin wieder draußen und will dich sehen. Ruf mich an.« Er legte auf und steckte das Telefon ein.

Die Worte des Beamten kamen ihm wieder in den Sinn. Er wandte sich nach rechts. Ein langer, gerader Gehweg verlief neben der Straße. In der Ferne entdeckte er die Bushaltestelle. Nach einem Blick zurück machte sich Peter Klose auf den Weg.

*

»Dieses Präparat verschreibe ich Ihnen ungern.« Die Augen auf den Zettel geheftet, den seine Patientin Corinna Stahl ihm in die Hand gedrückt hatte, ging Dr. Danny Norden vom Behandlungszimmer hinüber ins Sprechzimmer. Er setzte sich und zog die Computertastatur zu sich heran.

Corinna folgte ihm. Im Gehen schloss sie die letzten Knöpfe der Bluse und nahm vor dem Schreibtisch Platz.

»Ich leide aber unter Asthma, das haben Sie selbst festgestellt. Oder nicht?«

Danny saß vor dem Computer und recherchierte. Sein konzentrierter Blick ruhte auf dem Monitor.

»Das ist richtig«, erwiderte er gedankenverloren und rief die nächste Seite auf. »Nur …«

»Nur bisher ist es Ihnen nicht gelungen, viel gegen meine Beschwerden zu unternehmen«, unterbrach Corinna Stahl ihn. Ihre Stimme machte ihrem Namen alle Ehre.

Überrascht blickte Danny hoch.

»Ehrlich gesagt bin ich sehr zufrieden mit Ihrem Allgemeinzustand.«

»Weil Sie keine hohen Ansprüche haben! Ich habe einen hervorragenden Artikel über dieses Medikament im Internet gelesen und bestehe darauf, es auszuprobieren.« Sie zupfte am Kragen ihrer Bluse. »Sie können es selbst nachlesen. Der Erfolg ist durchschlagend. Kaum zu glauben, dass Sie noch nichts davon gehört haben.«

»In Deutschland gibt es momentan ungefähr 47.000 zugelassene Medikamente«, erinnerte Danny seine Patientin. »Ich denke nicht, dass es eine Schande ist, wenn ich nicht jedes einzelne davon kenne.« Er erhob sich zum Zeichen, dass der Besuch beendet war.

»Was ist denn jetzt mit meinem Rezept?«, fragte Corinna Stahl auf dem Weg zum Tresen.

»Sie können es gleich mitnehmen. Ich unterschreibe es vorn bei Wendy.« Er trat an den Tresen und grüßte die Dame, die dort stand und darauf wartete, dass eine der beiden Assistentinnen Zeit für sie hatte. Danny war sich sicher, sie nie zuvor gesehen zu haben. Er wandte sich an Wendy und unterschrieb die beiden Rezepte, die sie inzwischen ausgedruckt hatte.

»Aber warum denn zwei?«, erkundigte sich Corinna verdutzt.

»Das sind die Medikamente gegen die Nebenwirkungen Ihres Wundermittels.«

»Wieso Nebenwirkungen? Davon stand aber nichts in dem Artikel.«

Danny Norden lächelte freundlich.

»Bei dem Artikel, den Sie gelesen haben, handelt es sich um eine sogenannte Werbekampagne. Da die Pharmafirma ein großes Interesse daran hat, das neue Produkt an den Mann – in Ihrem Fall an die Frau – zu bringen, verschweigt sie mögliche Nebenwirkungen natürlich.«

»Typisch Mann. Sie sind doch nur beleidigt, weil ich mehr wusste als Sie«, unterstellte Corinna Stahl ihm.

Innerlich verdrehte Danny die Augen. Seine Assistentinnen hinter dem Tresen dagegen konnten sich nur mit Mühe ein Lachen verkneifen.

»Sie können es im Beipackzettel selbst nachlesen. Lassen Sie sich von Wendy einen Termin für nächste Woche geben. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.« Danny Norden reichte seiner Patientin die Hand. Gleichzeitig griff er nach der nächsten Patientenkarte, die auf dem Stapel am linken Ende des Tresens lag. Auf dem Weg ins Wartezimmer warf er einen Blick auf den Namen. Und stutzte. Irgendwoher kam er ihm bekannt vor. Unangenehm bekannt. Endlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

»Lulu, du?«, fragte er an der Tür.

Er hatte noch nicht ausgesprochen, als die junge Frau aufsprang. Trotz frühlingshafter Temperaturen trug sie eine schwarze Lederjacke zu hautengen Leopardenleggins. Die schlanken Beine stecken in atemberaubend hohen Stiefeln. So hatte sie doch früher nicht ausgesehen.

Ich muss damals sehr, sehr einsam gewesen sein!, schoss es Danny durch den Kopf.

»Du erinnerst dich an mich?« Lulu stöckelte hinüber zur Spielecke, wo ein kleines Mädchen einen Bagger hin und her schob. »Komm, Carlotta. Der Onkel Doktor hat jetzt Zeit für uns.«

Dannys Blick fiel auf das Kind. Vor Schreck trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Bevor er seine große Liebe Tatjana kennengelernt hatte, war er kein Kind von Traurigkeit gewesen. Unwillkürlich musste er an seinen Onkel Mario Cornelius denken, dessen leibliche Tochter im zarten Alter von sechzehn Jahren plötzlich vor seiner Tür gestanden hatte. Auf so ein Erlebnis konnte er gut und gern verzichten. Und Tatjana mit Sicherheit auch.

»Ist alles in Ordnung, Danny?«

Lulus Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Sie stand vor ihm, das etwa dreijährige Mädchen auf dem Arm. Er kehrte in die Gegenwart zurück und atmete erleichtert auf.

»Ich habe gerade darüber nachgedacht, wie lange es her ist, dass wir uns zum letzten Mal gesehen haben«, schwindelte er auf dem Weg ins Sprechzimmer.

Lulus Lachen tanzte über den Flur. Sie warf das blondierte Haar in den Nacken, die langen Ohrringe klimperten leise.

»Keine Sorge. Du bist nicht ihr Vater.«

Danny schnitt eine Grimasse. Er bat Mutter und Tochter ins Sprechzimmer und bot ihnen einen Platz an.

»Das ist mir inzwischen auch eingefallen. Unsere Affäre ist bestimmt sechs, sieben Jahre her.«

»Affäre?« Lulu zog einen Flunsch wie ein Kind. Während sie ihn sinnend betrachtete, schob sie den Kaugummi von der einen Wange in die andere. »Für mich war das schon mehr.«

»Tut mir leid.«

»Schon gut.« Sie winkte ab. »Ich muss ziemlich verzweifelt gewesen sein damals. Sonst wäre mir ein Spießer wie du nicht ins Bett gekommen.« Sie zwinkerte ihm zu, und Danny lachte.

»Ich denke, wir haben uns beide ziemlich verändert. Damals hattest du einen Pagenkopf und sahst irgendwie …«, er suchte nach dem richtigen Adjektiv, »… braver aus.«

Lulu musterte ihn kaugummikauend.

»Damals war ich ein dummes Kind. Wenn ich dich so anschaue, wäre es klüger gewesen, bei dir zu bleiben. Dir scheint es gut ergangen zu sein.«

»Ich kann mich nicht beklagen«, erwiderte Danny bescheiden. »Und was ist mit dir?«

Sie zuckte mit den Schultern.