Krankenpflege-Personal finden und binden - Andrea Lehwald - E-Book

Krankenpflege-Personal finden und binden E-Book

Andrea Lehwald

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Beschreibung

Pflegenotstand, Pflegekollaps... keine Fachkräfte mehr! Die Hilferufe aus der Branche verstummen nicht. Doch einige Kliniken schweigen – sie haben Personal, führen sogar Wartelisten. Andrea Lehwald arbeitet – gemeinsam mit ihrem Expertenteam – seit vielen Jahren in der strategischen Fachberatung für Kliniken. Mit diesem Buch legt sie ihr gebündeltes Expertenwissen vor: die erfolgreichsten Strategien, um den Personalmangel in Kliniken zu bekämpfen. Im Fokus stehen dabei realistische Konzepte, praxiserprobte Strategien und wertschätzende Führungsarbeit. Nur so kommt das Räderwerk aus Arbeitsklima, Aufgabenverteilung, Kommunikation und Budgetgrenzen wieder in Gang. Dieses Buch bietet Betreibern und Leitungskräften das, was sie dringend benötigen: Praxiserprobte Handlungsleitlinien um Mitarbeiter zu binden, zu motivieren und zugleich den Krankenstand zu senken.

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Andrea Lehwald ist examinierte Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege sowie Fachtrainerin für soziales Coaching.Sie arbeitet als Mentorin und Unternehmensberaterin (andrealehwald.de, www.klinikfachberatung.de).

»Krankenpflege ist nicht nur ein Beruf, sondern eine Lebenseinstellung.«

ANDREA LEHWALD

pflegebrief

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89993-994-1 (Print)ISBN 978-3-8426-8985-5 (PDF)ISBN 978-3-8426-8986-2 (EPUB)

© 2019 Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Alle Angaben erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autoren und des Verlages. Für Änderungen und Fehler, die trotz der sorgfältigen Überprüfung aller Angaben nicht völlig auszuschließen sind, kann keinerlei Verantwortung oder Haftung übernommen werden. Die im Folgenden verwendeten Personen- und Berufsbezeichnungen stehen immer gleichwertig für beide Geschlechter, auch wenn sie nur in einer Form benannt sind. Ein Markenzeichen kann warenrechtlich geschützt sein, ohne dass dieses besonders gekennzeichnet wurde.

Titelbild: tomertu - stock.adobe.comCovergestaltung und Reihenlayout: Lichten, Hamburg

Inhalt

Vorwort

1Thema: Kennen Sie den Pflegenotstand?

1.1Happy Birthday!

1.2Problem 1: steigende Patientenzahlen, sinkende Personalzahlen

1.2.1Initiative »Mehr PflegeKRAFT«

1.3Problem 2: die Finanzierung

1.4Änderungen in Sicht!?

1.4.1Eckpunkte Sofortprogramm Pflege

1.5Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten – werden Sie aktiv!

2Status quo: Wie geht es Ihrem Personal?

2.1Sagen Sie frühzeitig, dass Sie etwas ändern wollen!

2.2Berater-Checkliste

2.2.1Der Kunde mit dem Personalproblem

2.2.2Der Fragebogen

2.2.3Der Bericht für den Kunden

3Personalakquise: Wie finden Sie die richtigen Mitarbeiter?

3.1Internet und Social Media für Krankenhäuser

3.2Als Klinik auf Facebook & Co.

3.2.1Facebook

3.2.2Twitter

3.2.3Instagram

3.3Online-Schritte meines Kunden

3.4Personalakquise – sechs Dinge, die Sie wissen sollten

4Personalmarketing: Beherrschen Sie die Regeln?

4.1Kennen Sie die Generation Y?

4.1.1Erwartungen der Generation Y

4.1.2Hohe Ansprüche an die Führungsebene

4.1.3Achtung: Generationen-Mix

4.2Starten Sie einen strukturierten Bewerbungsprozess!

4.3Bewerben Sie sich als Arbeitgeber!

4.3.1Klassische Stellenanzeige

4.3.2Machen Sie auf Ihr Haus aufmerksam – mit Presseberichten!

4.3.3Werben Sie erfolgreich auf Messen

4.3.4Präsentieren Sie Ihr Unternehmen im Internet!

4.3.5Karrierehomepage

4.3.6Beachten Sie Bewertungssysteme für Arbeitgeber!

4.3.7Bieten Sie Schnuppertage an!

5Selbst-Check: Wie gut sind Sie als Arbeitgeber?

5.1Employer Branding – eine Möglichkeit

5.1.1Maßnahmen zum Employer Branding

5.2Was macht Kliniken als Arbeitgeber attraktiv?

5.2.1Binden Sie Ihr Personal langfristig an sich!

5.2.2Berücksichtigen Sie die drei Hauptfaktoren Einrichtung, Team & Arbeitsqualität!

5.2.3Lernen Sie von den Besten – den Magnetkrankenhäusern!

5.3Menschen mit Migrationshintergrund in den Pflegeberuf!?

5.4Maßnahmen zur Fachkräftesicherung

6Arbeitsorganisation: Wie gut sind Ihre Rahmenbedingungen?

6.1Beginnen Sie mit der Wertschätzung

6.2Familie und Beruf: (k)ein Gegensatz!?

6.2.1Flexible Arbeitszeitstrukturen

6.3Im Fokus: das Miteinander zwischen Ärzten und Pflegepersonal

6.4Ausfallmanagement

6.5Personaluntergrenzen

6.6Pflegekräfte als Zeitarbeiter

6.6.1»Es gibt einfach zu viele Vorteile« – Interview mit einer Zeitarbeiterin

6.6.2»Die sind doch nur am Geld interessiert«

6.7Mehr Personal erfordert grundlegend neue Rahmenbedingungen

7Praxistipps: Interviews zum Thema Personalnot

7.1»Krankenhäuser müssen viel aktiver sein!«

7.2»Eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit ist der Schlüssel.«

7.3»Gute Teambildung und flache Hierarchien über verschiedene Berufsgruppen …«

8Ausblick: wertschätzend, nachhaltig und ökonomisch!

Literatur

Register

Vorwort

Die meisten Krankenhäuser in Deutschland leiden darunter, kaum noch Pflegepersonal zu finden und so eine gute Patientenversorgung gewährleisten zu können.

Jedoch gibt es Ausnahmen: Krankenhäuser, die ein ausgefeiltes Konzept anwenden, um Pflegekräfte zu rekrutieren, ihr Personal an sich zu binden und sogar einen Pool mit Interessenten zu haben, die gerne für sie arbeiten möchten. Doch was machen diese Krankenhäuser anders als andere?

In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass es Kliniken gibt, die als attraktive Arbeitgeber gelten und genau deshalb deutlich mehr geeignete Bewerbungen erhalten. Die Gründe liegen in den Rahmenbedingungen, die zu einer niedrigen Fluktuationsrate und hoher Mitarbeiterbindung führen. Das wirkt sich auch immer auf die Qualität der Arbeit aus. Erfahrene Mitarbeiter beherrschen ihre Arbeit sicherer und sind in der Regel deutlich motivierter. Sie fühlen sich als Teil des Unternehmens und übernehmen gern mehr Verantwortung. Krankenhäuser, die für ihr Personal sorgen, ihm Wertschätzung entgegen bringen und für sein Wohlergehen sorgen, haben es leichter, qualifiziertes Personal zu finden.

Für ein Krankenhaus ist es sehr wichtig, einen Pool mit qualifizierten Bewerbern aufzubauen. Damit auch Ihnen dieses Vorhaben gelingt, muss Ihr Ruf als Arbeitgeber von bestechender Brillanz sein! Denn je attraktiver ein Arbeitgeber ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich geeignete Bewerber finden. Das wichtigste Stichwort für den »guten Ruf« sind die Mitarbeiter selbst: Zufriedene Mitarbeiter, die begeistert von ihrem Arbeitsplatz erzählen, sind beste Werbung. Sie sind das Aushängeschild für Ihre Klinik!

Doch die Mitarbeiterbindung hat ihren Preis, und Ihre Investitionen für den Rekrutierungsprozess lohnen sich nur, wenn Sie im Anschluss ständig konsequent an der Mitarbeiterbindung arbeiten. Fangen Sie daher noch heute an umzudenken. Bedenken Sie: Das Pflegepersonal ist die größte und gefragteste Berufsgruppe in den Krankenhäusern. Ohne sie ist kein Krankenhaus überlebensfähig. Pflegekräfte brauchen Gehör und Wertschätzung, damit sie ihr volles Potenzial entfalten können und die Patientenversorgung auch in Zukunft gesichert ist. Finden Sie über verschiedene Kanäle kompetente Fachkräfte und zeigen Sie ihnen, dass es sich lohnt, bei Ihnen zu arbeiten und gemeinsam erfolgreich zu sein –zum Wohle der Patienten und zur Zufriedenheit der Mitarbeiter.

Als Unternehmensberaterin, Coach, Trainerin, Autorin und Fachkrankenschwester für Anästhesie und Intensivpflege habe ich über viele Jahre mit verschiedenen Kliniken aller Größenordnungen deutschlandweit und in der Schweiz zusammen gearbeitet. Gemeinsam mit den Mitarbeitern habe ich Stationsabläufe optimiert, Strategien für Mitarbeiterzufriedenheit und Marketingkonzepte entwickelt. Immer ging und geht es dabei um Möglichkeiten, den Personalmangel zu verringern. Es gibt sie tatsächlich, die erfolgreichen Strategien gegen den Personalmangel!

Jedoch gibt es kein Konzept, das Sie fertig aus der Schublade nehmen können. Um langfristig erfolgreich aus eigener Initiative den Pflegenotstand zu reduzieren, brauchen Sie individuelle Konzepte, die Sie immer wieder analytisch betrachten und anpassen sollten. Deshalb habe ich in diesem Buch mein Expertenwissen für Sie zusammengefasst – als die erfolgreichsten Strategien gegen den Personalmangel in Krankenhäusern, die ich kenne und deren positiven Effekte ich beweisen kann.

Wichtig Ständige Veränderungen

Es reicht nicht aus, nur einige wenige Maßnahmen einzuleiten, um ein attraktiver Arbeitgeber zu werden. Ein dauerhafter Veränderungsprozess ist notwendig, der ständig analytisch betrachtet werden muss.

Schaffen Sie eine individuelle Positionierung Ihres Hauses und bleiben Sie konsequent am Ball, damit der Veränderungsprozess gelingt. Wenn etwas nicht funktioniert, probieren Sie etwas anderes. So erarbeiten Sie nachhaltig Ihr Image als attraktiver Arbeitgeber. Gehen Sie konsequent in die Öffentlichkeit und schaffen Sie Ihren eigenen guten Ruf.

1 Thema: Kennen Sie den Pflegenotstand?

1.1Happy Birthday!

Vor über 50 Jahren wurde er geboren: der Pflegenotstand. Bereits 1966 kam es in Deutschland das erste Mal zu massiven Personalproblemen im Pflegesektor, und so wurden die ersten Krankenschwestern aus dem Ausland (insbesondere den Philippinen) für deutsche Kliniken angeworben. Weitere Fachkräfte aus anderen fernen Ländern folgten.

Heute ist das Thema Pflegenotstand populärer denn je und wird politisch heiß diskutiert. Zuletzt einigte sich die große Koalition in Berlin darauf, 13.000 neue Fachkräfte für die Behandlungspflege in stationären Einrichtungen einzustellen. Das ergibt bei rund 13.600 vollstationären Pflegeeinrichtungen in Deutschland1 rein rechnerisch gerade einmal eine zusätzliche Pflegefachkraft pro Einrichtung – ohne dabei die ca. 2000 Krankenhäuser mit zu berücksichtigen … Zu Recht nannte der Deutsche Pflegerat diesen Plan deshalb ein »bescheidenes Sonderprogramm«2.

Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass bis zum Jahr 2030 zwischen 150.000 und 320.000 Vollzeitstellen in der Pflege gebraucht werden. Als die Grünen die Regierungsfraktion im Bundestag fragten, wie viele Stellen in der Alten- und Krankenpflege nicht besetzt seien, antwortete diese: mindestens 36.000. Allein in der Krankenpflege wurden Ende April 2018 11.000 offene Stellen gemeldet.3

1.2Problem 1: steigende Patientenzahlen, sinkende Personalzahlen

Wenn auch alle Zahlen nur grobe Schätzungen sind, bleiben die Prognosen finster: Die Anzahl der Patienten und Menschen mit Pflegebedarf steigt stetig, während die Zahl der Pflegekräfte sinkt.

Laut statistischem Bundesamt stieg die Zahl der jährlich behandelten Fälle in den Krankenhäusern zwischen 1995 und 2016 von 15,84 auf 19,55 Millionen. Die Patienten haben dabei häufig – abgesehen von der ursächlichen Beschwerde, die zur Einweisung in die Klinik führte – noch weitere behandlungsbedürftige Erkrankungen. Viele Patienten sind überdies an einer Demenz erkrankt. Das alles stellt gerade das Pflegepersonal vor große Herausforderungen. Denn bestimmte pflegerische Standards sind aufgrund der dünnen Personaldecke nicht mehr gesichert. So ergab zum Beispiel der Nachtdienst-Report 2015 der Gewerkschaft ver.di, dem Daten aus mehr als 200 Krankenhäusern unterschiedlicher Träger zugrunde liegen, dass ein hoher Anteil fachlich erforderlicher Leistungen wegen des Fachkräftemangels nicht mehr ausgeführt werden kann: »Aufgrund der gegebenen Personalausstattung sagten 55,4 Prozent der Pflegekräfte, dass sie erforderliche Leistungen bei der Versorgung der Patient/innen ‚manchmal‘ oder ›oft‹ weggelassen haben.«6

Wen wundert es, wo doch die Anzahl der Pflegekräfte von mehr als 350.000 (1995) auf aktuell 325.1007 gesunken ist – Leiharbeitskräfte bereits mit eingerechnet.

In Bayern leuchteten im Mai 2018 alle Warnlampen: Das »Pflegesystem in Bayern« stehe vor dem Zusammenbruch, warnte der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK). Der Arbeitsmarkt biete keinerlei Reserven mehr. Pflegedienste müssten fast 30 Prozent der Anfragen ablehnen. Es gäbe bis auf wenige Ausnahmen so gut wie keine arbeitslos gemeldete Fachkraft. Marliese Biederbeck, Geschäftsführerin des DBfK, sagte auf dem Verbandskongress in Nürnberg: »Die von der Politik angestrebten Maßnahmen und Kampagnen zur Fachkräftesicherung blieben leider wirkungslos … Auch das Landespflegegeld [ist] … ein reines Wahlgeschenk. Den Pflegemangel in Kliniken könne es nicht lösen.«8

Ähnlich wie in Bayern sieht es auch im restlichen Deutschland aus: In einem der bestzertifizierten Pflegesysteme aller Zeiten werden Patienten zunehmend medizinisch und pflegerisch schlecht versorgt.

Einen kleinen Lichtblick gibt es: Am 1. August 2018 beschloss das Bundeskabinett den Entwurf des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes (PpSG), in dem sich auch das »Sofortprogramm Pflege« (Kap. 1.4.1) befindet. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dazu: »Ab Januar 2019 können in stationären Pflegeeinrichtungen 13.000 Pflegekräfte neu eingestellt werden. Und: Jede zusätzliche oder aufgestockte Stelle für Pflegekräfte in Krankenhäusern wird voll von der Krankenversicherung finanziert. Auch die Tarifsteigerungen in der Krankenhauspflege werden vollständig von den Kostenträgern übernommen, und zwar rückwirkend ab dem Jahr 2018. Das Sofortprogramm Pflege ist eine erste wichtige Etappe zur Verbesserung der Pflege. Wir greifen damit der Pflege unmittelbar und spürbar unter die Arme. Es tut sich was in der Pflege – mit diesem Signal wollen wir Pflegekräfte in ihrem Berufsalltag unterstützen, neue Pflegekräfte hinzugewinnen und die pflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter verbessern. Und weitere Schritte folgen bald.«9

1.2.1Initiative »Mehr PflegeKRAFT«

Was sagt der im April 2018 zum neuen Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung ernannte Andreas Westerfellhaus zur aktuellen Situation auf dem Pflegemarkt? Der 61-jährige Westerfellhaus, examinierter Krankenpfleger mit Fachweiterbildung für Anästhesie und Intensivpflege sowie studierter Betriebswirt, »gilt als ausgewiesener Pflegeexperte und wird insbesondere durch seinen Einsatz bei der Reform der Pflegeausbildung, für Pflegekammern sowie für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen und Entlohnung weithin geschätzt.«10

Andreas Westerfellhaus möchte sich in seinem neuen Amt für alle Pflegebedürftigen, ihre Angehörigen und natürlich für alle Pflegekräfte stark machen. In seiner ersten Veröffentlichung »Mehr PflegeKRAFT« machte er im Mai 2018 fünf Vorschläge für eine gute und verlässliche Pflege:

1.Prämie für Rückkehrer und Aufstocker

Berufsrückkehrer sollen eine Prämie von 5000 Euro erhalten. 3000 Euro erhalten Teilzeitkräfte, die ihre Arbeitszeit um mindestens 20 Prozent der Vollzeitarbeitskraft aufstocken. 3000 Euro sollen Ausbildungsabsolventen bei der Ersteinstellung bekommen. Außerdem sollen Einrichtungen 3000 Euro erhalten, von denen 1500 Euro als Gewinnungsprämie bei Aufstockung/Einstellung und 1500 Euro als Bindungsprämie nach einem Jahr gelten, wenn die Pflegefachkraft weiter im Betrieb tätig ist.

2.80 Prozent Arbeit bei 100 Prozent Lohn (80:20-Modell)

Ein auf drei Jahre befristetes Flächenmodell soll Pflegefachkräften die Möglichkeit geben, 80 Prozent Arbeitszeit zu leisten, aber 100 Prozent Lohn zu erhalten.

3.Bonus für gute Arbeitgeber

Wer innovative Konzepte für attraktive Arbeitsbedingungen bietet, kann sich diesen – bislang noch unbekannten – Bonus sichern.

4.Mehr Freude am Pflegeberuf – mehr Verantwortung durch Heilkundeübertragung

Pflegefachkräfte sollen gezielt heilkundliche Aufgaben übertragen bekommen, z. B. im Bereich der Versorgung chronischer Wunden, bei spezifischer Infusionstherapien usw.

5.Ausbilden! Ausbilden! Ausbilden!

Einrichtungsbetreiber sollen Ausbildungskonzepte »von der Assistenz bis zum Master« entwickeln. Dafür soll der Kostenanteil der Pflegeeinrichtungen an der neuen Pflegeausbildung entsprechend gesenkt werden.11

Der DBfK begrüßt diese Initiative grundsätzlich, doch DBfK-Präsidentin Professorin Christel Bienstein sagte auch: »Um … die Vertrauenskrise in der Pflege zu beenden, braucht es allerdings erheblich mehr. So lange Pflegekräfte nicht in ihrem Alltag eine spürbare Veränderung und Entlastung in ihrem Arbeitsalltag erleben, werden sie politischen Ankündigungen nicht vertrauen. Nur für Geld kommen sie nicht zurück an die Arbeitsplätze, aus denen sie wegen chronischer Überlastung und dem geringen Stellenwert von Pflege im Gesundheitssystem geflüchtet sind.«12

Ein Prämiensystem allein wird wohl tatsächlich keine Veränderung bewirken. Die meisten Pflegekräfte haben ihren Beruf nämlich nicht des Geldes wegen, sondern aus anderen Gründen verlassen. In erster Linie werden die folgenden Ursachen genannt:

•der permanente Personalmangel

•die hohe Arbeitsbelastung

Fakt ist: Tatsächlich würden nur 32 Prozent der Befragten ihren Beruf weiterempfehlen.13

1.3Problem 2: die Finanzierung

Eine gefühlte Ewigkeit verfolgen wir schon die Diskussionen um die Personaluntergrenzen in den Krankenhäusern. Die Geduld der betroffenen Pflegekräfte neigt sich langsam dem Ende zu. Denn die Situation hat sich bisher nicht sichtbar verbessert. Zwar ist der Fachkräftemangel seit Jahren ein großes politisches Thema und wird öffentlich diskutiert, allerdings gestaltet sich die Aufstockung des Pflegefachpersonals schwierig, solange die Finanzierung über das DRG-System (diagnosis related groups, deutsch: diagnosebezogene Fallgruppen) läuft. Seit dieses Gesundheitssystem im Jahr 2004 eingeführt wurde, hat sich vieles verändert.

Hintergrund der Umstellung auf die DRG war ursprünglich, dass Krankenhäuser effizienter und transparenter arbeiten sollten. Erfolgte die Abrechnung doch bis dato nach der Anzahl der Liegetage der Patienten, ist das DRG-System auf Effizienz ausgelegt. Unwirtschaftlichkeit und eine zu lange Liegedauer der Patienten in den Krankenhäusern sollten mit der Einführung dieses neuen Systems vermieden werden. Nicht selten wurden vor der Einführung der DRG Patienten unnötig lange im Krankenhaus belassen, um so entsprechend mehr Liegetage abrechnen zu können. Im DRG-System werden Patienten hingegen in eine diagnosebezogene Fallgruppierung zusammengefasst. Alle Leistungen des Krankenhauses sollten damit einheitlich definiert und pauschalisiert vergütet werden.

Dieses Abrechnungssystem sollte also der Ausweitung der Liegezeiten entgegenwirken. Der Plan schien zu funktionieren. Während Patienten Anfang der 1990er-Jahre noch knapp 14 Tage im Krankenhaus verbrachten, waren es 20 Jahre später durchschnittlich nur noch 7,3 Tage.14

Die Fallpauschalen geben allerdings auch Anlass zur Kritik. Höhere Fallzahlen, fehlerhafte Abrechnungen, zu früh (»blutig«) entlassene Patienten, die kurze Zeit später wieder neu stationär aufgenommen werden müssen (»Drehtür-Effekt«) sind keine Seltenheit. Experten stellten auch eine leichte Erhöhung der Anzahl an Operationen fest. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete etwa, dass seit der Einführung des DRG-Systems mehr operiert würde als notwendig.15

Für die Mitarbeiter in den Krankenhäusern hat all das Konsequenzen. Die kürzeren Liegezeiten und die höheren Fallzahlen lassen ihre Arbeitsbelastung deutlich ansteigen. Der bürokratische Aufwand für die Pflegekräfte steigt. Administrative Tätigkeiten nehmen zu – zu Lasten der eigentlichen Pflegezeit am Patienten. Parallel dazu verlassen viele Pflegekräfte ihren Beruf, wollen die zunehmende Arbeitsbelastung und die immer schlechter werdenden Bedingungen in der Krankenpflege nicht mehr hinnehmen. Die verbleibenden Kräfte müssen nun auch dies »auffangen« und die aktuelle Situation auf dem Pflegemarkt spitzt sich weiter zu.

Aber nicht nur das: Um Kosten zu sparen, drehen viele Klinikbetreiber an der Personalschraube. Die Personalkosten für das Pflegepersonal in den Krankenhäusern betragen immerhin 30–40 Prozent der Gesamtpersonalkosten. Was liegt also näher, als am Pflegepersonal zu sparen?

1.4Änderungen in Sicht!?

Die Politik reagiert zögerlich. Zwar legte der Gesetzgeber 2017 fest, dass bis zum 30. Juni 2018 eine Arbeitsgruppe einen Plan für verbindliche Mindestuntergrenzen für Pflegepersonal festgelegt haben sollte. Sollte der Plan nicht vorliegen, wollte das Bundesgesundheitsministerium regeln. Die Arbeitsgruppe aus DKG (Deutscher Krankenhausgesellschaft), GKV-Spitzenverband (Spitzenverband Bund der Krankenkassen) und dem Spitzenverband der Deutschen Krankenversicherung sollte Personaluntergrenzen für alle pflegesensitiven Bereiche festschreiben, damit diese Regelungen am 1. Januar 2019 in Kraft treten können. Während diverse Fachleute noch darüber streiten, was mit pflegesensitiven Bereichen eigentlich gemeint sei – die normale Bettenstation …, bestimmte Abteilungen …, Bereiche wie Intermediate Care … – steht aktuell (Oktober 2018) fest: Die Arbeitsgruppe hat nicht geliefert! Dafür hat Jens Spahn, der derzeitige Bundesgesundheitsminister, reagiert (Kap. 1.2, Kap. 1.4.1).

1.4.1Eckpunkte Sofortprogramm Pflege

Am 23. Mai 2018 legte Bundesgesundheitsminister Spahn die Eckpunkte eines Sofortprogramms für die Kranken- und Altenpflege vor. Um Schritt für Schritt eine Verbesserung für die Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeheimen zu erzielen, soll ab dem 1. Januar 2019 ein Sofortprogramm in Kraft treten.

Zunächst soll mit einfachen, klaren und finanziell unterlegten Sofortmaßnahmen ein Signal gesetzt werden, das lautet: »Wir haben verstanden.« – Die Situation in der Pflege muss schnell verbessert werden. So trat am 1. Oktober 2018 die Verordnung zur Festlegung von Personaluntergrenzen in pflegesensitiven Krankenhausbereichen für das Jahr 2019 (Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung – PpUGV) in Kraft. In den vier folgenden, sogenannten pflegesensitiven Krankenhausbereichen gelten dann ab Januar 2019 Pflegepersonaluntergrenzen: Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie, Unfallchirurgie. In weiteren Schritten soll in den Krankenhäusern für alle bettenführenden Abteilungen eine Personaluntergrenze eingeführt werden.

Weitere geplante Verbesserungen für die Pflege sind:

•Jede zusätzliche Pflegekraft wird finanziert.

Um eine Entlastung in der Personalausstattung zu erreichen, soll künftig jede aufgestockte Pflegestelle von den Kostenträgern refinanziert werden. Das Pflegestellenförderprogramm wird über das Jahr 2018 hinaus weiter ausgebaut. Für zusätzliche Mittel der Krankenhäuser entfallen die Obergrenze und der Eigenanteil von zehn Prozent.

•Tarifsteigerungen werden voll refinanziert.

Tarifsteigerungen sollen voll refinanziert werden, anstatt dass zu Lasten der Pflege gespart wird. Zusätzliche Finanzmittel sind für das Pflegepersonal einzusetzen, was durch Nachweise zu belegen ist.

So wurde am 1. August 2018 der Gesetzentwurf zur Stärkung des Pflegepersonals im Kabinett beschlossen. Damit sollen spürbare Verbesserungen im Alltag der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege erreicht werden. Ab Januar 2019 können 13.000 Pflegekräfte neu eingestellt werden. Jede zusätzliche und aufgestockte Stelle für Pflegekräfte in Krankenhäusern wird voll von den Krankenversicherern finanziert. Auch die Tarifsteigerungen in der Krankenhauspflege werden vollständig von den Kostenträgern übernommen und zwar rückwirkend ab dem Jahr 2018. Mit der »Aktion Pflege« soll dafür gesorgt werden, dass die geplanten 13.000 neuen Stellen auch besetzt werden können. Deswegen setzen sich drei Bundesminister gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen und einen besseren Arbeitsalltag für Pflegekräfte ein: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Franziska Giffey und der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil. Zusammen mit den führenden Köpfen des Sozialsystems sollen innerhalb eines Jahres konkrete Pläne vorgelegt werden, um mehr Menschen für den Pflegeberuf zu begeistern.

Auch sollen die Pflegepersonalkosten künftig unabhängig von den Fallpauschalen vergütet werden. Ziel ist es, dass Pflegepersonalkosten ab dem Jahr 2020 aus einer Kombination von Fallpauschale und Pflegepersonalkostenvergütung finanziert werden.

So gilt ab 2020 der sogenannte Ganzhausansatz Mit dem Ganzhausansatz entsteht ein handhabbares, transparentes und schnell wirksames Instrument, um im gesamten Krankenhaus eine gute Pflege und die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Dazu wird in Zukunft das Verhältnis von eingesetztem Pflegepersonal zu individuellem Pflegeaufwand eines Krankenhauses ermittelt. Dieser »Pflegepersonalquotient« gibt Aufschluss darüber, ob eine Klinik, gemessen am Pflegeaufwand, viel oder wenig Personal einsetzt. Ein noch festzulegender Wert darf dabei dann von den Krankenhäusern nicht unterschritten werden. Andernfalls drohen sonst Sanktionen.16

•Vergütungen von Auszubildenden in der (Kinder-)Krankenpflege im ersten Ausbildungsjahr werden vollständig refinanziert.

Außerdem soll es künftig mehr Ausbildungsplätze in der Pflege geben. Bislang wurden die Ausbildungsvergütungen in der Krankenpflege nur anteilig refinanziert, weil Auszubildende im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung die voll ausgebildeten Pflegekräfte entlasten. Allerdings kann ein Auszubildender im ersten Jahr nicht mit einer Vollzeit-Pflegekraft verglichen werden, daher werden die Vergütungen im ersten Ausbildungsjahr 2019 vollständig von den Kostenträgern refinanziert.

•Außerdem sind die Krankenkassen künftig verpflichtet, den Krankenhäusern Auskunft über die Pflegebedürftigkeit der bei Ihnen versicherten Patienten zu geben, damit die Krankenhäuser auf einer gesicherten Basis abrechnen können. Damit soll die Datenübermittlung erleichtert werden.

•Was in der Vergangenheit häufig an Investitionsmitteln fehlte, musste von den Krankenhäusern aus Eigenmitteln finanziert werden. Hier wurde oft zu Lasten des Pflegepersonals gespart. Das soll nun ein Ende haben.

•Der Krankenhausstrukturfond soll wohl unverändert jährlich mit einer Milliarde Euro fortgesetzt werden. Die Finanzierung erfolgt wie bisher zur Hälfte aus der Liquiditätsreserve und zur Hälfte aus den Mitteln der Länder.

•Die DRG-Vergütung in der Patientenversorgung ist künftig ohne die Pflegepauschale auszuweisen. Die zweckentsprechende Mittelverwendung ist nachzuweisen. Nicht verwendete Mittel müssen von den Krankenhäusern zurückgezahlt werden.

Personaluntergrenzen …

Der vorab genannte, wichtige Aspekt der DRG-Vergütung hat weitreichende Folgen für die Personalbemessung. Kliniken belegen ihre Stationen häufig als sogenannte Clusterbelegung, um Stationen effektiv auszulasten. Das heißt, dass Betten auch fachübergreifend vergeben werden, um eine maximale Auslastung zu gewährleisten. Man kann so aber nicht mehr genau definieren, welcher Bereich als besonders pflegesensitiv einzustufen ist.

Sollte also die Mindestvorgabe für Pflegepersonal auf bestimmte pflegeintensive Bereiche begrenzt werden, besteht die große Gefahr, dass das Pflegepersonal wie auf einem Bahnhof, je nach Arbeitsaufkommen, hin- und hergeschoben wird. Laut eines Zwischenberichts einer Arbeitsgruppe vom 30. Januar 2018 hatte man sich bislang auf sechs Bereiche geeinigt: Geriatrie, Neurologie, Herzchirurgie, Kardiologie, Unfallchirurgie und Intensivmedizin. Festgeschrieben sind ja seit 1. Januar 2018 die vier Bereiche Intensivmedizin, Geriatrie, Kardiologie und Unfallchirurgie ( s.o. Pflegepersonaluntergrenzen- Verordnung) (Kap. 1.4.1).

Nun wird über eine Ausweitung der Mindestvorgaben auf alle Bereiche in Krankenhäusern nachgedacht. Dieses Vorhaben dürfte sich aber aufgrund der derzeitigen Uneinigkeiten und Komplikationen etwas schwierig gestalten und weitere Zeit in Anspruch nehmen. Ein neuer Gesetzesentwurf wird vermutlich frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2018 vorliegen.

Bis dahin soll es eine Zwischenlösung geben. Danach sollen alle Pflegevollkräfte ins Verhältnis gesetzt werden zu den erzielten Pflegeerlösen im Jahresdurchschnitt, um daraus eine definierte Untergrenze für das Pflegepersonal abzuleiten. Komplizierte Rechenmodelle sollen also Personaluntergrenzen berechnen, ohne dass je reale Alltagssituationen zugrunde liegen. Kann das in der Realität funktionieren?

Die Definition einer Untergrenze gestaltet sich damit sehr schwierig, da insgesamt viel zu wenig Datenmaterial vorliegt. Laut Berichten des Pflegepersonals selbst ist die Situation im Pflegealltag deutlich schlimmer, als sie auf der Grundlage verschiedener Zahlen erkennbar ist. Das tatsächliche Verhältnis von Pflegepersonal zum Patienten kann aufgrund fehlender Informationen kaum ermittelt werden. Zwar stehen die Jahresdurchschnittsdaten der Qualitätsberichte zur Verfügung – sie sagen aber rein gar nichts über den tatsächlichen Arbeitsaufwand auf den Stationen aus.

Vermutlich muss der erste und wichtigste Schritt zur Aufstockung des Personalschlüssels die Ausgliederung der Pflege aus dem DRG-System sein und damit einhergehend die finanzielle Lockerung für die Klinikbetreiber sein. Weitere Maßnahmen müssen aber folgen.

All diese geplanten, neuen Gesetzesvorgaben sollen ein weiteres Abwandern des Pflegepersonals verhindern. Der Aspekt der Mindestbesetzung muss dazu auch auf Bereiche übertragen werden, die zurzeit noch nicht als extrem arbeitsintensiv gelten.

Doch wie realistisch ist die geplante Ausweitung der Mindestpersonalgrenze?