Krebs - ein Begleitbuch für die Seele (Fachratgeber Klett-Cotta) - Cornelia van Eys - E-Book

Krebs - ein Begleitbuch für die Seele (Fachratgeber Klett-Cotta) E-Book

Cornelia van Eys

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Beschreibung

Der kompetente Wegbegleiter in schweren Zeiten Eine plötzliche Krebsdiagnose ist nicht nur körperlich, sondern auch seelisch eine große Herausforderung – trotz heute stark verbesserter Behandlungsmöglichkeiten. Cornelia van Eys, die seit zwei Jahrzehnten KrebspatientInnen psychoonkologisch betreut und selbst an Krebs erkrankte, gibt in diesem Buch ihre Erfahrungen und Anregungen für Betroffene und deren Angehörige weiter. Sie informiert über die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Einheit von Körper, Seele und Geist sowie deren mögliche Auswirkungen auf eine Krebserkrankung und bietet eine Fülle an erprobten Maßnahmen zur Selbststabilisierung an. Ziel ist es, psychische Belastungen zu reduzieren, einen guten Umgang mit Ängsten und heftigen Emotionen zu finden, Kraftquellen für sich zu erschließen und Übungen, etwa aus der Energetischen Psychologie, der Meditations- und Achtsamkeitspraxis in den Alltag zu integrieren.

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Seitenzahl: 247

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Cornelia van Eys

Krebs – ein Begleitbuch für die Seele

Klett-Cotta

Impressum

Die digitalen Zusatzmaterialien haben wir zum Download auf www.klett-cotta.de bereitgestellt. Geben Sie im Suchfeld auf unserer Homepage den folgenden Such-Code ein: OM86023

Dieses E-Book basiert auf der aktuellen Auflage der Printausgabe.

Klett-Cotta

www.klett-cotta.de

© 2022 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Weiß/Freiburg GmbH

unter Verwendung einer Abbildung von Christoph Dyroff/Adobe Stock

Gesetzt in den Tropen Studios, Leipzig

Gedruckt und gebunden von CPI – Clausen & Bosse, Leck

ISBN 978-3-608-86023-8

E-Book: ISBN 978-3-608-11955-8

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20591-6

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

Inhalt

Einleitung und Gebrauchsanweisung

1. Theoretischer Hintergrund

1.1 Die Neurobiologie

1.2 Das vegetative Nervensystem

1.3 Erkenntnisse aus der Psychoneuroimmunologie

1.3.1 Wie reagiert der Körper auf Stress?

1.3.2 Wie funktioniert das Immunsystem?

1.3.3 Wie wirken positive Gefühle?

2. Prozess- und Embodimentfokussierte Psychologie

PEP

nach Dr. Michael Bohne

2.1 Die Überkreuzübung

2.2 Die Selbststärkungsübung

2.3 Die Klopfübung

2.4 Die Lösungsblockaden

3. Epigenetik, Placebo- und Noceboeffekt und die Macht der inneren Bilder

3.1 Die Epigenetik

3.2 Der Placeboeffekt

4. Selbsthypnose und Imagination

4.1 Die Wirkung von Hypnose und Imagination

4.2 Anregungen zur Selbsthypnose

5.  Der Weg der Achtsamkeit – Meditation, Achtsamkeitstraining nach John Kabat-Zinn und Hatha-Yoga

5.1 Meditation – Wirkung und Anleitung

5.2 Das Achtsamkeitstraining

5.3 Hatha-Yoga

5.4 Die Effekte

6. Die Therapie – Umgang mit Risiken und Nebenwirkungen

7. Die Gefühle

7.1 Umgang mit Ängsten und negativen Gedankenspiralen

7.2 Optimismus und Pessimismus – Schutz vor depressiven Reaktionen

7.3 Umgang mit Ärger, Wut und Ohnmacht und die Kraft des Verzeihens

8. Umgang mit dem Thema »Tod« und der Angst zu sterben

8.1 Wie habe ich das Sterben eines anderen bisher erlebt?

8.2 Welche Vorstellung habe ich davon, wohin man geht, wenn man stirbt?

8.3 Wie können wir das Sterben heute für uns gestalten?

9. Familie, Partnerschaft, Sexualität, Scham

9.1 Die Betroffenheit von Partner, Familie und Freunden

9.2 Der Umgang mit Kindern

9.3 Körperliche Veränderungen und Scham

9.4 Kommunikation in der Partnerschaft

10. Positive Psychologie

10.1 Resilienz, Ressourcen und Stärken

10.2 Die fünf Freiheiten nach Virginia Satir

10.3 Sport

10.4 Sinn und Spiritualität

11. Gedanken am Ende unseres gemeinsamen Weges

Dank

Wichtige Adressen und Links

Psychoonkologische Therapeuten:

Hypnosetherapeuten:

Adressen von Selbsthilfegruppen:

Unterstützung für Kinder krebskranker Eltern:

Allgemeine Informationen:

Palliativmedizinische Angebote:

Literatur

Einleitung und Gebrauchsanweisung

Während ich auf meine Routinemammografie wartete, kam eine Patientin aus dem Untersuchungszimmer. Sie wirkte sehr nervös und unruhig. Ich dachte darüber nach, ob sie wohl einen auffälligen Befund bekommen hatte. Wie fühlt sich das an, wenn man mit dem Verdacht auf eine Krebserkrankung aus dem Untersuchungsraum kommt? Eine halbe Stunde später wusste ich es. Bei der ergänzend durchgeführten Sonografie hatte sich ein 0,8 cm großer kontrollbedürftiger Herdbefund in meiner linken Brust gezeigt. Nach Aussage der Radiologin war der Befund suspekt, sodass eine Biopsie gemacht werden musste.

Mein erster Gedanke war: »Das kann doch nicht wahr sein! Bitte nicht, nicht jetzt, wo mein Leben gerade wieder im Gleichgewicht ist. Was kommt da auf mich zu?« Ich spürte den Schreck im ganzen Körper, meine Muskeln waren angespannt, mein Herz klopfte bis zum Hals, ich versuchte, die Fassung zu bewahren, mich selbst zu beruhigen, und sagte mir: »Warte erst einmal ab, vielleicht irrt sie sich, in der Mammografie war ja nichts zu sehen.« Ich spürte Weglauftendenzen, spielte kurz mit dem Gedanken, den Rat der Radiologin zu ignorieren. Was würde das bringen? Ich wollte mich der Situation stellen und wusste, ich würde das irgendwie schaffen. Zehn Tage später bestätigte die Histologie, dass ich Brustkrebs hatte, vier Wochen danach begann die Chemotherapie.

Ich musste mich damit auseinandersetzen, plötzlich aus heiterem Himmel schwer krank zu sein, obwohl ich mich fit und gesund fühlte. Die Erkenntnis, dass ich meinen Körper nicht kontrollieren konnte, dass ich trotz gesunder Ernährung, regelmäßigem Sport und Yoga an Krebs erkrankt war, verunsicherte mich. Ich war froh und dankbar, dass ich den über die vielen Jahre meiner psychoonkologischen Tätigkeit entstandenen großen Schatz an Techniken, hilfreichen Methoden, Ideen und Gedanken nutzen konnte, um die belastende Zeit in möglichst gutem körperlichen und seelischen Gleichgewicht durchzustehen. Ich hatte insgesamt sehr viel Glück, denn der Tumor war noch klein, als er zufällig bei der Vorsorgeuntersuchung entdeckt wurde. Natürlich fragte ich mich, genau wie die meisten anderen Betroffenen, wieso ich krank geworden war. Ich hatte gesund gelebt, lief täglich 6 km mit meinem Hund, machte regelmäßig Yoga, hatte einen treuen Freundeskreis und einen Beruf, der mir Freude machte.

Hatte mein Brustkrebs etwas mit den außergewöhnlichen Belastungen der vergangenen Jahre zu tun? Ich wusste es nicht. Ich hatte bei vielen meiner Patienten gesehen, dass sie in der Zeit vor ihren Erkrankungen auf den unterschiedlichsten Ebenen erheblich gestresst gewesen waren. Nun bekommt natürlich nicht jeder, der Stress hat, Krebs. Menschen reagieren darauf individuell unterschiedlich. Der eine bekommt ein Magengeschwür, die nächste Rückenschmerzen. Auch Bluthochdruck, Darmbeschwerden, ständige Infekte sowie Burnout usw. können bei Dauerstress auftreten. Wir wissen allerdings heute durch die Erkenntnisse der Psychoneuroimmunologie, dass Stress sich auf das Immunsystem auswirkt. Doch dazu später mehr.

Nachdem ich die Krankheit jetzt gut überstanden habe, reifte in mir der Wunsch, mein Wissen mit all denen zu teilen, die ebenfalls betroffen sind. So entstand, auch angeregt durch meine Patienten und Patientinnen, die Idee, dieses Buch zu schreiben, das alle meine Erfahrungen und die wirksamen Techniken aus 20 Jahren psychoonkologischer Begleitung beinhaltet.

Zunächst möchte ich Ihnen das Wesen der psychoonkologischen Therapie erklären. Auf dem Infoblatt des Deutschen Krebsforschungszentrums zu psychoonkologischen Hilfen steht: »Die sogenannte Psychoonkologie befasst sich mit den Auswirkungen von Krebserkrankungen auf die Seele und den Lebensalltag. Psychoonkologische Angebote sollen Betroffene unterstützend begleiten. Ziel dabei ist es, Belastungen im Rahmen des Möglichen zu reduzieren, persönliche Kraftquellen zu finden und neue Perspektiven zu entwickeln.« Die Psychoonkologie kann dabei unterstützen, sich mit der Erkrankung und ihren Folgen auseinanderzusetzen, sich zu stabilisieren, Hoffnung und Sinn zu finden.

(Adressen für Psychoonkologen finden Sie auf der Homepage des Krebsinformationsdienstes www.krebsinformationsdienst.de)

Ein wesentlicher Wirkfaktor von Psychotherapie ist die vertrauensvolle Beziehung zwischen Patient und Therapeut. Daher kann das Buch keine Therapie ersetzen. Es bietet Ihnen jedoch Denkanstöße und zeigt Ihnen auf, welche Themen wichtig sind. Es hilft Ihnen dabei, das Zusammenspiel von Körper, Seele und Geist zu erkennen und zu verstehen. Es regt dazu an, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen, sich selbst und die eigenen Gefühle besser zu verstehen, sich selbst bewusster zu werden. Sie lernen Methoden kennen, mit denen Sie sich selbstwirksam beruhigen können und solche, die Ihnen helfen, mit belastenden Gefühlen umzugehen. Sie erhalten Anregungen zur Verbesserung Ihrer Lebensqualität. All das können Sie für sich entdecken, eventuell gemeinsam mit Ihren Angehörigen, und ausprobieren, was davon für Sie persönlich hilfreich ist. So kann das Buch Hilfe zur Selbsthilfe sein.

Ich möchte Ihnen Einblick in einige therapeutische Möglichkeiten geben, auch um die bei vielen immer noch bestehende Scheu vor einer psychoonkologischen Begleitung zu reduzieren. Eine Therapie, egal ob es eine Einzel-, eine Gruppen- oder eine Paartherapie ist, kann den Weg durch die Krankheit deutlich erleichtern. Vor allem für die Klärung alter belastender Themen und die Auflösung von unangenehmen Gefühlen ist eine therapeutische Unterstützung oft sehr wertvoll.

Die Konfrontation mit der Krebserkrankung ist nicht nur körperlich, sondern auch seelisch eine große Herausforderung. Die Diagnose wirkt trotz der vielen Weiterentwicklungen, der erfolgreichen neuen Therapiemöglichkeiten und der inzwischen teilweise guten Heilungschancen oft immer noch wie ein Schock. Die erforderliche Therapie bedeutet zunächst erhebliche Beeinträchtigungen, die nicht nur den Erkrankten persönlich, sondern auch die Familie, das berufliche Umfeld und den Freundeskreis betreffen. Dass in dieser Situation Gefühle wie Angst, Hilflosigkeit und Mutlosigkeit, Verzweiflung, aber auch Trauer, Wut und Scham auftreten können, ist nachvollziehbar. Die Unterstützung durch Familie und Freunde, Selbsterfahrungsgruppen oder Psychoonkologen ist bei der Bewältigung der Krankheit wohltuend. Wie hilfreich es ist, die negativen belastenden Gefühle anzuschauen, zu verstehen und zu bearbeiten, zeigte sich bei meinen Patienten immer wieder. So konnten sie sich stabilisieren und Wege finden, das Leben mit und auch nach der Erkrankung möglichst selbstbestimmt neu zu organisieren. Die Lebensqualität verbesserte sich.

Die Ursache für die Erkrankung an Krebs ist immer multifaktoriell, das heißt, wir können nie sagen, welcher von vielen möglichen Faktoren oder welche Kombination von Faktoren im Einzelfall die Krankheit ausgelöst hat. Umwelteinflüsse, belastende Lebenserfahrungen und Traumatisierungen, die Ernährung, Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen, Alkoholgenuss, Viren und auch einfach ein unglücklicher Zufall können die Erkrankung verursachen. Wir wissen es bis heute nicht genau. Auch wenn unter Rauchern z. B. Lungenkrebs gehäuft vorkommt, gibt es doch auch Menschen, wie z. B. Helmut Schmidt, die ihr Leben lang intensiv rauchen und trotzdem gesund bleiben. Wir können also im Einzelfall nur immer vermuten, was zu der Erkrankung geführt hat, wirklich wissen werden wir es nicht. Trotzdem entwickeln nicht wenige eine eigene Theorie dazu, warum die Krankheit bei ihnen entstanden ist. Häufig ist das hilfreich, weil man damit dem Krebs eine Art individuellen Sinn geben kann. Jede Erkrankung ist unterschiedlich, so unterschiedlich wie die davon betroffenen Menschen.

Damit Sie sich selbst, Ihren Körper und seine Reaktion auf Stress und Gefühle besser verstehen können, werden wir uns im ersten Abschnitt zunächst mit dem Gehirn und seiner Funktion beschäftigen. Dann möchte ich Sie mit den Reaktionen des vegetativen Nervensystems sowie mit der Polyvagal-Theorie nach Stephen Porges bekannt machen. Stephen Porges entdeckte, dass der Vagusnerv in unserem vegetativen Nervensystem aus einem vorderen und einem hinteren Anteil besteht. Der vordere Vagusast ist immer dann aktiv, wenn wir uns sicher fühlen. Umgekehrt fördert das Gefühl der Sicherheit die Aktivität des vorderen Vagus. Das wiederum wirkt sich positiv auf unser Immunsystem aus, wir können uns entspannen und erholen. Ich werde Ihnen Möglichkeiten aufzeigen, den vorderen Vagus anzuregen und damit Ihr Sicherheitsgefühl bewusst zu stärken.

Der Einfluss von Stress auf die Entstehung von Krebs ist bisher nicht wissenschaftlich erwiesen. Sicher und wissenschaftlich bewiesen im Rahmen der Psychoneuroimmunologie ist jedoch der Einfluss von Stress auf das Immunsystem, das eng mit unserem vegetativen Nervensystem verbunden ist. So beeinflussen Körper, Seele und Geist sich gegenseitig. In jeder emotional belastenden Situation wird das vegetative Nervensystem aktiv. Es steuert unwillkürlich, ohne dass wir darüber nachdenken müssen, unsere inneren Organfunktionen so, wie wir das gerade situativ brauchen. Aus dem noch jungen Forschungsgebiet der Psychoneuroimmunologie, der Wissenschaft darüber, wie die Seele über das Nervensystem das Immunsystem beeinflusst, wissen wir, dass Stress sich negativ auf unser Immunsystem auswirkt. Wenn dagegen der Stresspegel gesenkt wird und wir uns wohlfühlen, schüttet das Gehirn positiv wirkende Botenstoffe aus. Körper, Seele und Geist kommen auf heilsame Art ins Gleichgewicht, der Körper kann sich erholen. Die wesentlichen Grundlagen der Psychoneuroimmunologie werde ich Ihnen in einem eigenen Kapitel kurz erläutern.

Wegen der Wechselwirkung zwischen Psyche und Immunsystem ist es förderlich, bei allen seelischen und körperlichen Belastungen möglichst viel dafür zu tun, dass man zur Ruhe und zu sich selbst kommt, denn das stabilisiert und macht handlungsfähiger. Hierzu bieten sich verschiedene Entspannungstechniken an. So führen z. B. die Überkreuzübung und die Klopftechniken aus dem PEP nach Dr. med. Michael Bohne, die Entwicklung von passenden unterstützenden Bildern mit Selbsthypnose bzw. Hypnose, Achtsamkeitstraining nach Jon Kabat-Zinn, Meditation, Yoga und ähnliche Techniken dazu, dass der Körper und die Seele sich entspannen. Hierdurch kommt auch das Immunsystem ins Gleichgewicht, was sich wiederum förderlich auf die Gesundheit und das Wohlgefühl auswirkt. Auf diese Methoden werde ich im Buch näher eingehen.

Die Phase der Therapie, ganz gleich, ob es sich um die akute Therapie nach der Diagnose oder um eine Dauertherapie nach einem Rezidiv handelt, ist belastend und kräftezehrend. Wie Sie hier verschiedene Techniken einsetzen können, um die Zeit möglichst gut zu überstehen, finden Sie in dem betreffenden Kapitel, in das auch meine eigenen Erfahrungen einfließen.

Wann immer wir in verunsichernden Situationen sind, und die Konfrontation mit der Krebserkrankung ist das in einem hohen Maße, entwickeln wir oft die Tendenz zum Grübeln bzw. zu sorgenvollen Gedankenschleifen. Aus dem Wunsch heraus, uns abzusichern, geraten wir dann schnell in eine Kaskade von negativ erdachten Szenarien, die erneut verunsichernd wirken. Fatalerweise entstehen aus dieser Verunsicherung neue Ängste. Ich werde Ihnen neben PEP auch Grübel-Stopp, eine weitere hilfreiche Technik zur Unterbrechung dieser Denkmuster, beschreiben. Menschen mit pessimistischer Sicht auf die Welt leiden in Krankheits- und Krisensituationen oft mehr als andere. Eine Änderung der Perspektive und der Abschied von alten Denkweisen und Vorstellungen über sich selbst und die Welt ist hier entlastend. Wut und Groll sind unangenehme Gefühle, die wir oft schon lange mit uns herumtragen. Sie nehmen uns die Freude. Häufig haben sie nicht nur mit der aktuellen Situation, sondern auch mit alten Verletzungen oder kränkenden Erlebnissen zu tun. Wir können sie auflösen und loslassen, indem wir anderen bzw. – bei Selbstvorwürfen – uns selbst verzeihen. Das ist sehr befreiend. Auch diesem Thema möchte ich einen Abschnitt widmen.

Krebs ist auch heute noch mit der Angst zu sterben, einer unserer Grundängste, eng verbunden. Das Thema Tod und Sterben sowie der Umgang damit wird in einem eigenen Kapitel bearbeitet.

Eine weitere Passage widmet sich den Angehörigen. Nicht nur die Erkrankten selbst, sondern auch ihre Familien und Freunde sind von der Krankheit betroffen, häufig sehr belastet. Auch sie müssen sich mit allen dazugehörigen Gefühlen auseinandersetzen. Für manche ist es leicht, über die damit verbundenen Gefühle zu sprechen, anderen fällt es schwer. Ich gehe auch auf den Umgang mit Kindern ein, denn es besteht oft eine große Unsicherheit, ob und wie man dieses schwierige Thema mit Kindern kommunizieren kann bzw. soll.

In Kapitel 10 über die positive Psychologie geht es darum, die eigenen Fähigkeiten und Stärken zu finden, denn das fördert die Resilienz, unsere Widerstandskraft. Optimismus, realistisches Denken sowie ein aktiver Umgang mit dem, was ist, helfen uns, besser durch herausfordernde Lebensphasen zu kommen. Wenn wir hoffen, statt uns zu ängstigen, wenn wir den Fokus zuversichtlich auf etwas Gutes lenken und uns unsere Stärken bewusst machen, dann fühlen wir uns wohler. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass wir die Dinge so erleben, wie wir sie bewerten. Manche in der Kindheit und Jugend erlernten Handlungs- und Bewertungsmuster wirken noch im Erwachsenenalter nach und hindern uns daran, selbstbestimmt und selbstfürsorglich zu leben. Es ist oft sehr befreiend, diese alten Muster zu überprüfen, sie anzupassen und eventuell zu verändern. Sollten Sie in ihrem Leben etwas gravierend Belastendes erlebt haben oder einen anhaltenden Konflikt aus der Kindheit oder aus der Vergangenheit haben, kann es nützlich sein, das Thema mit therapeutischer Unterstützung anzuschauen und zu bearbeiten. Solche anhaltenden Konfliktthemen rauben oft viel Energie und hindern uns daran, in Ruhe zu uns selbst zu kommen.

Wenn man die Diagnose Krebs bekommt, scheint das Leben auf dem Kopf zu stehen. Manchmal kann eine Krise eine Chance im Leben werden, dazu führen, vielleicht endlich einmal das zu ändern, was man schon lange ändern wollte.

Gute Lebensqualität und Stressreduktion sind wichtig für unser körperliches und seelisches Gleichgewicht. Jeder kann auf dem Boden seiner Erfahrungen seinen eigenen Weg durch die Krankheit finden, mit dem Ziel, eine gute, zumindest eine bessere, Lebensqualität zu erreichen. Wir können herausfinden, was uns stärkt, was uns Freude macht, welche Fähigkeiten uns bisher geholfen haben, belastende Lebensphasen zu bewältigen, und welche Stärken daraus erwachsen sind.

Ich möchte Ihnen mit diesem Buch einerseits durch Erklärung des theoretischen Hintergrundes ermöglichen, sich selbst, Ihre Gefühle und deren Wirkung auf den Körper besser zu verstehen, und Ihnen andererseits Denkanstöße geben, die neue Perspektiven eröffnen. Ich gebe Ihnen sozusagen einen Korb voller Möglichkeiten an die Hand, aus dem Sie für sich das auswählen können, was Sie persönlich auf angenehme Weise bei der Bewältigung der anstehenden Herausforderungen unterstützt.

Diagnosen und Krankheitsverläufe sind unterschiedlich. Manche sind schwerer, andere leichter. Jeder Mensch geht auf dem Boden seiner bisherigen Lebenserfahrungen mit der Erkrankung auf seine eigene Weise um, es gibt kein Patentrezept. Jeder kann herausfinden, was im Einzelfall guttut.

Das Buch ist so geschrieben, dass Sie es auch kapitelweise lesen können. Falls Sie sich gerade in einer Phase mit starker Verunsicherung und Angst befinden und deswegen Schwierigkeiten haben, sich zu konzentrieren, ist es sinnvoll, das erste, eher theoretische Kapitel über die Neurobiologie später zu lesen. Mit den am Ende von Abschnitt 1.2 beschriebenen Techniken, PEP nach Dr. Michael Bohne oder auch den in Kapitel 7 beschriebenen Methoden zum Umgang mit belastenden Gefühlen könnten Sie zunächst versuchen, den Stress zu reduzieren und etwas zur Ruhe zu kommen. Die Kapitel über den theoretischen Hintergrund, die wichtig sind, um sich selbst und das Zusammenspiel von Körper und Seele zu verstehen, können Sie dann später lesen.

Im Durchgang durch das Buch habe ich für Sie verschiedene »Einkehrmöglichkeiten« geschaffen. An diesen Stellen lade ich Sie ein, innezuhalten, sich Zeit zu nehmen, um zu sich selbst zu kommen. Während schöne Bilder aus der Erinnerung auftauchen, können Sie zur Ruhe kommen und Energie tanken.

Noch ein Hinweis: Ich benutze im Text der Einfachheit halber immer nur eine Geschlechtsform. Gemeint sind jedoch immer beide.

Jetzt wünsche ich Ihnen viel Freude und Erfolg dabei, ein ganzheitliches Verständnis für Ihren Körper, Ihre Gefühle sowie Ihre Gedanken zu bekommen und herauszufinden, was Sie und Ihre Seele brauchen, um möglichst hoffnungsvoll und gestärkt Ihren eigenen Weg mit der Erkrankung zu gehen.

Der Weg

Mal breit und bequem,

mal schmal und steinig.

Gerade, gewunden, bergauf und bergab.

Verschlungene Pfade durch Wälder und Wiesen.

Überraschende Ausblicke,

duftende Blumen am Wegesrand.

Sonne, Regen, Hitze, Kälte, wohlige Wärme,

stürmische Winde und sanfte Brisen.

Manche Wegstücke scheinen unüberwindbar,

sind kraftzehrend.

Andere gehen sich frei und leicht, fröhlich, beschwingt.

Es gibt dunkle Strecken, feuchte, glatte,

solche im Nebel, steinige

und helle, sonnenbeschienene.

Gehen befreit,

ganz im Augenblick, ganz auf die eigene Weise,

Schritt für Schritt,

vergehen auch anstrengende,

herausfordernde Wegstrecken.

Mal braucht man Kraft und Hilfe,

mal ist es gut, langsam zu gehen oder

innezuhalten, auszuruhen, sich zu orientieren,

Hindernisse aus dem Weg zu räumen.

Je beschwerlicher es ist, umso besser ist es,

aufmerksam einen Fuß vor den anderen zu setzen, besonders bergab.

Auch langsam geht es voran, manchmal schneller als man dachte.

Weggefährten begleiten uns,

wir treffen sie, verlieren sie aus den Augen,

treffen sie wieder, gehen Strecken gemeinsam.

Manche grüßen im Vorübergehen, bleiben fremd.

Andere unterstützen uns, zeigen uns den Weg,

freundlich, hilfsbereit.

Einige treue Begleiter sind immer da, ganz selbstverständlich.

Wir teilen Freud und Leid,

tauschen Erfahrungen aus,

freuen uns über die gemeinsam bewältigte Herausforderung.

Der Weg ist wie das Leben –

gehen wir ihn,

jeder den eigenen,

auf seine ganz eigene Weise,

im eigenen Tempo,

selbstfürsorglich, mit Zuversicht,

guter Achtsamkeit und frischem Mut.

C. van Eys, 2006 – Erfahrungen vom Jakobsweg

1. Theoretischer Hintergrund

Zu Beginn möchte ich Ihnen einiges über die Funktionsweise unseres Gehirns, die Wirkungsweise unseres vegetativen Nervensystems sowie über die Auswirkungen dieses Nervensystems auf unseren Körper und unser Immunsystem erklären. Das ist mir wichtig. So können Sie zum einen die Reaktionen Ihres Körpers auf Ihre Gefühle, zum anderen die Wirkungsweise einiger im Folgenden erklärten Techniken besser verstehen. Damit wird auch noch einmal deutlich, warum es so wichtig ist, die Seele mit einzubeziehen.

Je nachdem, wie es Ihnen gerade geht und wie gut Sie sich in Ihrer momentanen Situation konzentrieren können, kann es sinnvoll sein, dieses überwiegend theoretische Kapitel erst einmal zu überschlagen und es zu einem späteren Zeitpunkt zu lesen, wenn Sie ruhiger sind.

1.1 Die Neurobiologie

Unser Gehirn ist der Sitz unseres Denkens, Fühlens und Handelns. Es ist eng mit dem Körper verbunden, steuert seine Funktionen. Ganz grob gesagt besteht es im Wesentlichen aus drei Anteilen, die entwicklungsgeschichtlich unterschiedlich alt sind. Die älteste Schicht ist der Hirnstamm, das sogenannte Reptiliengehirn. Dort sitzen die Reflexe und die Instinkte. Viele Abläufe im Körper, wie z. B. Atmung, Blutdruck, Herzfrequenz und Muskelspannung werden von hier aus geregelt. Das limbische System im Mittelhirn, der zweitälteste Teil, kommt auch bei Vögeln und Säugetieren vor. Es ist Sitz der Gefühle, der Stimmungen, von Ausdruck und Anpassungsreaktionen. Hier sitzt auch unsere Stresszentrale. Die Großhirnrinde ist der entwicklungsgeschichtlich jüngste Teil, der auch Primatengehirn genannt wird. Sie steuert u. a. unser bewusstes Erleben, das Denken und Erinnern, die Sprache, die Handlungsplanung, die Art und Weise unserer Bewertung und die willkürliche Bewegung.

Alle drei Systeme sind miteinander verbunden und beeinflussen sich gegenseitig. Ist z. B. bei Angst und Stress, aber auch bei Schmerzen, das limbische System stark aktiviert, dann funktioniert die Verbindung zur Großhirnrinde nicht mehr so gut. Wir können weniger gut planen, die Konzentration lässt nach, wir sind vergesslicher. Das kennen die meisten aus eigener Erfahrung. Wer hatte nicht schon einmal stressige Phasen, in denen man sich alles aufschreiben muss, manchmal drei Dinge gleichzeitig beginnt, zwischendurch überlegt, was man gerade tun wollte usw.

Es gibt jedoch nicht nur die Verknüpfungen der einzelnen Gehirnteile untereinander. Das Gehirn als Ganzes steht in engem Kontakt mit dem Körper. Neben Nervenbahnen, die vom Gehirn zum Körper führen, gibt es solche, die in der Gegenrichtung verlaufen. Die Zellen des Körpers und die des Gehirns sind über diese Bahnen miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. Auch das vegetative Nervensystem, bestehend aus dem Sympathikus- und dem Vagusnerv, verbindet das Gehirn mit dem Körper. So können wir uns z. B. bei stärkeren körperlichen Schmerzen oder bei Übelkeit nicht mehr so gut konzentrieren. Das klare Denken fällt uns schwerer. Umgekehrt wirkt sich Angst durch Aktivierung des Stresszentrums im limbischen System und die dadurch ausgelöste Ausschüttung von Stresshormonen nicht nur auf unsere Konzentration, sondern auch körperlich aus. Die Stresshormone beeinflussen den Körper. Das Herz schlägt schneller, der Atem stockt und die Muskeln sind angespannt.

Während wir heranwachsen (Hüther 2011), entwickeln sich Körper und Gehirn in enger Wechselwirkung. Im Laufe der Zeit entstehen so in Abhängigkeit von unserer Umgebung, unseren Bezugspersonen und unseren Erlebnissen ganz persönliche Netzwerke, Verknüpfungen von Nervenzellen miteinander. In einem freundlichen Umfeld bilden sich andere Muster aus als in einer feindlichen Umgebung. Man kann sagen, dass sich für alle möglichen Beziehungen, Situationen und Erlebnisse im Gehirn Nervennetzwerke bilden. Alle Gefühle, die schönen und die unangenehmen, die, die wir genießen, die, unter denen wir leiden, und die, die wir aufgrund der Lebensumstände, der Bezugspersonen und des Umfeldes abwehren müssen, werden im Gehirn gespeichert. Auch im Körper bleiben sie in Form von Muskelspannung, Atemmustern und Körperhaltung bewahrt. Vor allem Gefühle wie Angst, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Ablehnung und Entwertung werden im Körper gespeichert und bleiben oft ein Leben lang in Gestalt einer verkrampften Körperhaltung oder muskulären Anspannung sichtbar bzw. spürbar. Auch Erlebnisse aus den ersten drei Lebensjahren, an die wir uns in der Regel nicht bewusst erinnern können, machen sich über Körpersignale bemerkbar. Immer dann, wenn wir im Leben in ähnlich empfundene Situationen kommen, aktivieren diese Muster sich. So erklärt sich auch, warum manche Menschen bei Stress immer wieder mit Muskelschmerzen, oft im Bereich des Rückens, reagieren. Andere bekommen Bauchschmerzen, im Extremfall ein Magengeschwür oder einen Reizdarm, wieder andere werden zittrig oder bekommen Herzrhythmusstörungen. Das ist manchmal irritierend, weil wir diese Reaktionen mangels bewusster Erinnerung nicht einordnen können.

In Bezug auf die Krebserkrankung kann das bedeuten, dass die hiermit verbundenen Gefühle von Angst und Ohnmacht bereits bestehende alte Netzwerke dieser Empfindungen mit aktivieren. Dadurch fühlt man sich dann eventuell noch schlechter. So wird z. B. die aktuelle Angst durch eine reaktivierte alte Angsterfahrung und die damit verbundene Körperreaktion verstärkt. Hinzu kommt, dass unsere Gefühle von unseren Gedanken und Bewertungsmustern beeinflusst werden. Die Art und Weise, wie wir denken, führt zur Ausbildung von Netzwerken im Gehirn. Diese werden umso fester und intensiver, je häufiger wir bestimmten Gedanken oder Bewertungen nachgehen. Je negativer wir uns selbst, unsere Mitmenschen oder auch die Gegebenheiten bewerten, umso negativer fühlen wir uns. Sind unsere Denkmuster dagegen positiv, dann fühlen wir uns wohl.

Die gute Nachricht ist, dass das Gehirn ein Leben lang veränderbar bleibt. Verbindungen, die wir nicht nutzen, können sich auflösen und andere, die wir vermehrt nutzen, verstärken sich. Das heißt aber auch, dass wir uns unser Leben lang neu strukturieren können. Wir können unsere Denkmuster überprüfen und sie verändern. Dazu finden Sie mehr in Kapitel 7, wo es um die Gefühle geht. Aber nicht nur durch eine neue Art zu denken, auch durch Änderung der Körperhaltung können wir die darin abgespeicherten Gefühlsmuster beeinflussen. Wir alle haben schon einmal Angst gehabt und kennen die dazugehörige typische Körperhaltung mit eingezogenem Brustbein und nach vorne gezogenen Schultern. Manche haben als Kind Angst gehabt, in den Keller zu gehen. Oft gab es dann den Rat, dabei zu singen. Wenn wir singen, öffnet sich der Brustkorb, die Schultern gehen zurück, wir richten uns auf. Diese aufrechte Haltung ist im Gehirn mit dem Gefühl von Sicherheit verknüpft. Dabei reduziert sich automatisch die Angst. So können wir mit Hilfe von Körpertechniken, wie z. B. Yoga an unseren Körpermustern arbeiten und auf diesem Wege auch unsere neuronalen Netzwerke für Gefühle beeinflussen.

Unser vegetatives Nervensystem besteht aus dem Sympathikus- und aus dem Vagusnerv. Es ist bekannt, dass 80 % der Vagusfasern vom Körper zum Gehirn führen, was erklärt, dass wir durch Veränderungen im Körper unser vegetatives Nervensystem beruhigen können. Bessel van der Kolk (2015) beschreibt das in seinem Buch Verkörperter Schrecken. Die positiven Wirkungen von Yogaübungen sind inzwischen auch bei traumatisierten Patienten nachgewiesen worden. Dabei werden, gekoppelt an die Atmung, verschiedene Körperhaltungen bzw. ruhige Bewegungen durchgeführt.

Yoga bringt unser vegetatives Nervensystem ins Gleichgewicht, es hilft uns, den Körper und die körperlichen Haltungsmuster besser wahrzunehmen und zu verändern, es aktiviert über die Verlangsamung der Atmung das Sicherheitsgefühl. Daneben hilft Yoga uns dabei, besser mit uns selbst in Kontakt zu sein, es aktiviert das Selbstsystem im Gehirn. Wenn wir positive Gefühle oder Haltungen immer wieder hervorrufen, dann verändert sich schließlich die alt eingefahrene Körperhaltung und mit ihr das Selbstgefühl.

In unserem Körper laufen ständig auf allen möglichen Ebenen ganz von alleine Prozesse zur Selbstregulation ab (Esch 2015). Diese haben das Ziel, Körper und Seele immer wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Durch Techniken wie Yoga können wir diese Vorgänge bewusst unterstützen und so Gesundheit und Zufriedenheit fördern.

Nicht nur der Körper, auch Sinneseindrücke wie Gerüche, Geräusche, Geschmack usw. sind mit den unterschiedlichsten Gefühlen eng verbunden. Alle unsere Empfindungen, sowohl positive als auch negative, haben eine Wirkung auf das limbische System im Mittelhirn. Von da aus beeinflussen sie über das vegetative Nervensystem unsere Organfunktionen.

Die Reaktionen im vegetativen Nervensystem laufen unwillkürlich passend zu der jeweiligen Situation ab. Wir können und brauchen sie nicht zu steuern. Sie werden ausgelöst durch Wahrnehmungen unserer Sinnesorgane. Abhängig davon, mit welchen Erinnerungen diese Sinneswahrnehmungen verknüpft sind, rufen sie ganz von selbst bestimmte Gefühle hervor. Gerüche, wie z. B. der nach frisch gebackenem Kuchen, sind für viele eng verbunden mit Erinnerungen an bestimmte Erlebnisse. Das kann so weit gehen, dass wir uns in etwa so fühlen wie damals, als wir diesen Kuchen gerochen und gegessen haben. Auch kann uns beim Hören einer speziellen Musik das Herz vor Freude hüpfen, andere Melodien lösen Traurigkeit aus. Manche Geräusche lassen uns den Schreck in die Glieder fahren. Oft genügt auch schon der Gedanke daran. So läuft den meisten von uns, alleine bei der Vorstellung vom Quietschen der Kreide auf der Tafel, ein Schauer den Rücken hinunter. Stellen wir uns vor, in eine Zitrone zu beißen, läuft uns das Wasser im Mund zusammen. Bei all diesen Reaktionen spielt das limbische System im Mittelhirn eine große Rolle.

Alle Denkmuster, die negativen und die positiven, setzen sich mit der Zeit in unserem Gehirn fest. Die dazugehörigen Nervenbahnen verstärken sich. Wenn wir ständig auf unangenehme Erlebnisse und Erfahrungen fokussiert sind, dann stehen wir unter Dauerstress und erleben unser Leben eher negativ und sorgenvoll, der Körper ist angespannt. Wir haben jedoch die Möglichkeit, unser Denken zu steuern. So können wir hier versuchen, bewusst regulierend einzugreifen. Indem wir unsere Aufmerksamkeit weg von den negativen Erlebnissen auf etwas Positives, das auch immer da ist, lenken, fördern wir unser körperlich-seelisches Gleichgewicht. Oft reicht es aus, sich auf schöne Ausblicke in die Natur, ein nettes Foto, eine freundliche Begegnung, eine glückliche Erinnerung oder eine angenehme Musik zu konzentrieren. Auch hoffnungsvolle Gedanken und Vorstellungen in Bezug auf eine Situation in der Zukunft helfen aus den negativen Gefühlen heraus. Dabei müssen diese Gedanken noch nicht einmal ausgeprägt positiv sein, es reicht, wenn sie realistisch sind. Manchmal, vor allem nach traumatischen Erlebnissen, kann das schwierig sein. Bei anhaltenden negativen Gefühlen, wie Ärger, Groll, Verletzungen, Selbstvorwürfen usw., ist es daher empfehlenswert, diese mit Hilfe eines Therapeuten anzuschauen, zu bearbeiten und wenn möglich aufzulösen. Hierzu jedoch später mehr.

Oft glauben wir, wir könnten uns von den Fesseln der Vergangenheit, von alten Denkmustern und Erinnerungen nicht befreien, weil wir uns immer noch genauso daran gebunden fühlen wie damals und nicht bemerkt haben, dass wir inzwischen viele neue Fähigkeiten erlangt haben, die uns helfen könnten, ein freies selbstbestimmteres Leben zu leben.

Dazu möchte ich Ihnen eine Geschichte erzählen. Ich habe sie in Anlehnung an eine Idee von Jorge Bucay (2008) entwickelt. Das Original steht in dem Buch Komm, ich erzähl dir eine Geschichte:​

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