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Man sieht es an so ziemlich jeder Ladenkasse: Immer öfter zücken die Kunden Karte oder Handy, um ihren Einkauf zu bezahlen. Ist das Zeitgeist, Fortschritt, der Weg in die Zukunft? Die vermeintliche Annehmlichkeit hat jedoch einen Haken: Wer mit Karte bezahlt, bezahlt mit seinen Daten. Nicht nur Zeitpunkt und Ort des Einkaufs sind nachvollziehbar, auch der Warenkorb bekommt ein Gesicht. Die elektronischen Abbuchungen vom Bankkonto werden so zu einem "detaillierten Logbuch unseres Lebens", wie es der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring treffend formulierte. Das Zahlen mit Bargeld schützt nicht nur unsere Privatsphäre. Wir behalten auch viel eher den Überblick über unsere Finanzen. Und selbst bei einem Blackout können wir uns das Nötigste beschaffen. Wer hat ein Interesse an der schleichenden Abschaffung des Bargelds? Geht es tatsächlich um die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismus, oder steckt viel mehr dahinter? Wer sind die Akteure in Politik und Finanzwirtschaft, und welche Methoden benutzen sie? Was würde die weltweit geplante Einführung staatlicher Digitalwährungen bedeuten? Und: Was können wir gegen die Einschränkung unserer Freiheit tun? Auch wenn es uns privatwirtschaftliche, staatliche und kommunale Einrichtungen immer schwerer machen: Wir haben es vielleicht selbst in der Hand, indem wir weiterhin mit Bargeld bezahlen!
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Seitenzahl: 84
Veröffentlichungsjahr: 2025
Warum wir Münzen und Geldscheine für unsere Freiheit benötigen
Hakon von Holst
HINTERGRUND
DAS NACHRICHTENMAGAZIN
WISSEN KOMPAKT
In der Reihe WISSEN KOMPAKT bereits erschienen:
Matthias Rude: Die Grünen
Von der Protestpartei zum Kriegsakteur
Berlin, 2023, ISBN 978-3-910568-04-4 (Ebook)
Georg Auernheimer: Der Ukrainekonflikt
Wie Russlands Nachbarland zum Kriegsschauplatz wurde
Berlin, 2023, ISBN 978-3-910568-03-7 (Ebook)
Wolf Wetzel: Der Anti-Antifaschismus
Antifa, angebliche Nazis, rechtsoffener Staat und geheimdienstliche Neonazi-Verbrechen
Berlin, 2023, ISBN 978-3-910568-06-8 (Ebook)
Michael Meyen: Cancel Culture
Wie Propaganda und Zensur Demokratie und Gesellschaft zerstören
Berlin, 2024, ISBN 978-3-910568-08-2 (Ebook)
Stefan Kreutzberger: Nachhaltigkeitsschwindel
Wie sich mit »Klimaschutz« viel Geld verdienen lässt
Berlin, 2024, ISBN 978-3-910568-10-5 (Ebook)
Patrik Baab: Propaganda-Presse
Wie uns Medien und Lohnschreiber in Kriege treiben
Berlin, 2024, ISBN 978-3-910568-12-9 (Ebook)
Michael Meyen: Der Dressierte Nachwuchs
Was ist mit der Jugend los?
Berlin, 2024, ISBN 978-3-910568-14-3 (Ebook)
Karin Leukefeld: Krieg in Nahost
Geopolitik, Verwüstung, Widerstand und Aufbruch einer Region
Berlin, 2025, ISBN 978-3-910568-16-7 (Ebook)
Werner Rügemer: Blackrock Germany
Die heimliche Weltmacht, ihre Praktiken in Deutschland und Friedrich Merz
Berlin, 2025, ISBN ISBN 978-3-910568-18-1 (Ebook)
Almuth Bruder-Bezzel und Klaus-Jürgen: Macht und Herrschaft
Wie mit politischer Psychologie und Propaganda unser Verhalten manipuliert wird
Berlin, 2025, ISBN 978-3-910568-20-4 (Ebook)
Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form oder mit irgendwelchen Mitteln, einschließlich der Vervielfältigung, der Übersetzung, der Mikroverfilmung oder der Speicherung und Verarbeitung unter Verwendung elektronischer oder mechanischer Verfahren, ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Herausgebers vervielfältigt, verbreitet oder übertragen werden, mit Ausnahme von kurzen Zitaten in Rezensionen und bestimmten, nichtkommerziellen Verwendungen, die nach dem Urheberrecht zulässig sind.
ISBN 978-3-910568-22-8
© Hintergrund GmbH, Berlin, 2025
1. Auflage, 2025
www.hintergrund.de
Lektorat: Susanne George
Konzept und Satz: Buchgut, Berlin
Druck und Bindung: Friedrich Pustet GmbH & Co. KG, Regensburg
Auf der Flucht
Kontrollverlust
Die Konsum-Maschine
Kriegserklärung an das Bargeld
Ein Goldtopf für US-Konzerne
Verbündete in der Politik
Unter dem Falltor
Düstere Wolken
Festung auf wackeligem Boden
Im freien Fall
Entmaterialisierung des Bargelds
Wege in eine gute Zukunft
»Ich traf die Vorbereitungen eines Mannes, der damit rechnet, zu sterben. Ich räumte meine Bankkonten ab, steckte Bargeld in eine alte stählerne Munitionskiste, damit Lindsay es finden und die Regierung es nicht beschlagnahmen konnte.«1
Der Fliehende
Er packte seinen Koffer. Ein paar leichte Klamotten, eine Spezialantenne, vier Laptops. Sein Smartphone ließ er auf dem Küchentisch zurück neben einer Notiz für seine Geliebte: »Muss beruflich weg. Ich liebe Dich.« Er wusste nicht, ob er Lindsay je wiedersehen würde. Er fühlte sich schuldig. Nicht weil er eine Dienstreise vortäuschte, sondern weil er seiner Familie Schmerzen bereiten würde.
Doch der 29-jährige CIA-Agent war entschlossen, ein Verbrechen aufzudecken, an dem er selbst beteiligt gewesen war. Er wollte die amerikanische Gesellschaft auf einen besseren Weg bringen und mit gutem Beispiel vorangehen. Er fuhr zum Flughafen, stieg in den nächsten Flieger von Hawaii nach Tokio und landete am 20. Mai 2013 in Hongkong. Seine Tickets bezahlte der Fliehende bar.
Der Rest ist Geschichte. Edward Snowden traf sich mit ausgewählten Journalisten. Am 5. Juni erschien der erste Bericht in der britischen Tageszeitung Guardian. Rund um den Globus gab es nur ein Thema: die NSA und das Ausmaß der Überwachung. Durch glückliche Umstände entkam Snowden den Fängen der Justiz und erhielt schließlich Asyl in Russland.
Hätte der Geheimnisträger den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt, wenn es kein Bargeld mehr gegeben hätte? Wäre er zu früh ins Visier der Behörden geraten? Würde uns je wieder ein Geheimdienstmitarbeiter die Möglichkeit geben, die Wahrheit zu erfahren und den Kurs der Gesellschaft zu korrigieren, wenn die Flucht gescheitert wäre? Klar ist: Hätten die USA Edward Snowden hinter Gitter gebracht, könnte er heute nicht mit Lindsay und zwei kleinen Kindern in Moskau leben.
»Mitten in der Krise ist Bargeld König. Und Ihre Kreditkarte könnte dann einfach nur noch ein Stück Plastik sein.«2
Hadja Lahbib, EU-Kommissarin für Vorsorge und Krisenmanagement
2019 kam es in Hongkong zu großen Protesten gegen ein geplantes Auslieferungsgesetz. In einer Metrostation bildeten sich Schlangen vor den Ticketautomaten. Anstatt ihre Chipkarte zu nutzen, kramten die Leute Bargeld hervor. »Wir haben Angst, dass man unseren Daten nachspürt«, sagte eine Protestteilnehmerin.3 Nach den letzten großen Demonstrationen im Jahr 2014 waren prominente Figuren der Bewegung zu Haftstrafen verurteilt worden.
Würden Sie Ihr Demonstrationsrecht nutzen wollen, wenn Sie sicher sein könnten, dass der Staat Ihre Teilnahme automatisiert erfasste? Auch dann, wenn Sie fortan von den unsichtbaren Augen einer behördlich gesteuerten Computerfarm beobachtet würden?
Ob Hongkong oder Berlin: Wer mit Karte bezahlt, bezahlt mit seinen Daten. Das Protokoll wächst mit jedem Tag in die Länge: Wo waren Sie wann und bei wem? Was war Ihnen der Einkauf wert? Der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring warnt: »Wenn es kein Bargeld mehr gibt, wird unser Bankkonto zu einem detaillierten Logbuch unseres Lebens.«4
Edward Snowden zahlte schon in seinen amerikanischen Jahren bar.5 Und er tut es in Russland nicht anders. Dem französischen Fernsehsender France 24 sagte er 2019: »Wenn man bedenkt, dass all diese Institutionen Datenbanken durchforsten nach Details aus unserem Privatleben, dann wirkt das auf mich nicht wie ein guter Deal. Stattdessen zahle ich meine Sachen bar.«6
Kommunale Verkehrsbetriebe hegen den Bürger bereits in die digitale Welt ein: Automaten ohne Münzschlitz, aber mit warmer Empfehlung, per Google Pay und Apple Pay zu zahlen. In Hamburg erhalten Smartphonenutzer exklusiv sieben Prozent Rabatt, während Senioren im rollenden Bus daran scheitern, den Fahrschein einhändig mit Guthabenkarte zu lösen.7 Bar zahlen vorn beim Busfahrer ist Geschichte. Geld für die Innovation kam vom Bundesverkehrsministerium.8 Auch beim Einbau bargeldloser Ticketdrucker in Rostocker9 und Leipziger10 Verkehrsmittel beteiligt sich der Staat gerne.
Eine wachsende Zahl von Menschen läuft ohne Münzen und Scheine durch die Welt. Und sobald jemand den Stecker zieht, stehen sie da ohne einen Cent in der Tasche. Stellen Sie sich vor, Sie stehen an der Kasse. Die EC-Karte will nicht, die Kreditkarte streikt. Hinter Ihnen ungeduldige Stimmen. Sie brechen den Kauf ab, probieren es beim Bäcker gegenüber. Die Geldkarten lassen Sie im Stich, auch hier. Ob Sie kaufen oder verkaufen können, entscheiden nicht mehr Sie, sondern die Technik, die Bank und der Staat.
Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung streikte am 12. September 2024 jedes vierte Kartenterminal in Deutschland.11 Die Störung zog sich über den ganzen Tag. Ursache war nach übereinstimmenden Berichten ein Problem bei einem US-amerikanischen Zahlungsdienstleister.12 Einige Monate zuvor ließ die Sparkassen-Karte viele Besitzer kurzzeitig im Stich.13
Die Spanier und Portugiesen erlebten am 28. April 2025 einen großflächigen Stromausfall. U-Bahnen und Aufzüge blieben plötzlich stehen. Die New York Times erwähnte lange Schlangen vor funktionierenden Geldautomaten.14
Am 8. November 2023 blieben zehn Millionen Menschen in Australien ohne Internet. Beim Telekommunikationskonzern Optus hatte sich mit einer planmäßigen Software-Aktualisierung der Wurm eingeschlichen. Krankenhäuser, Regierungsstellen und Unternehmen gingen vom Netz. Kartenbezahlgeräte fielen aus. Es war eine neuerliche Lektion für eine Gesellschaft, die sich vom Bargeld abwendete und ihr Schicksal der anonymen Macht digitaler Systeme anvertraute.15 Schon im Frühjahr 2022 waren an der australischen Ostküste die Lichter ausgegangen: Die Kommunikationsinfrastruktur fiel den Fluten zum Opfer. Der Himmel hatte in kurzer Zeit drei Badewannen ausgeleert, auf jedem Quadratmeter Land. Geldautomaten wurden mit dem Hubschrauber eingeflogen.
In Schweden mussten 2021 mehrere Hundert Coop-Supermärkte schließen. Nach einem Hackerangriff quittierten die Kassensysteme den Dienst. Die Reparatur dauerte Tage. In der Stadt Norrköping durften sich unterdessen die Leute kostenlos mit Milch, Früchten und Brot eindecken.16 Andernfalls wäre alles im Müll gelandet.
Im Juli 2024 musste die deutsche Supermarktkette Tegut ihre Filialen stundenlang geschlossen lassen.17 Auch hier wollten die Kassen nicht mehr – eine Software-Aktualisierung des US-amerikanischen IT-Sicherheitsunternehmens Crowdstrike verursachte weltweit Probleme mit Programmen von Microsoft. Am Flughafen Berlin-Brandenburg fielen Flüge aus.18
Lernen kann man aus solchen Geschichten noch etwas anderes: Wenn ein US-Unternehmen Zugriff auf die Ladenkasse besitzt, dann wissen sich ebenso intelligente Hacker und Geheimdienste darüber zu informieren, was über das Band gezogen oder mit dem Barcode-Scanner erfasst wird – zum Beispiel das Buch in Ihren Händen. Ein Warenkorb verrät viel über einen Menschen.19 Und wenn dieser Mensch mit Karte bezahlt, bekommt der Warenkorb ein Gesicht.
Bei einer weltweiten Störung im Jahr 2023 berichtete die österreichische Presse von kuriosen Szenen vor den WC-Anlagen von McDonald’s.20 Kartenzahler versuchten das Drehkreuz zu überwinden. Auf die Schweizer Schlagzeile darf man schon gespannt sein: Nach Plan der Eisenbahngesellschaft SBB sollen Bahnhofstoiletten künftig nur Kartenzahlern offenstehen.21 Zutrittskarten für Bargeldfreunde gibt es dann am Snackautomaten.
Pannen, Katastrophen und unsichtbare Kriege sind Alltag in der elektronischen Welt. Wir können uns dem ein Stück weit entziehen, solange es das Bargeld gibt. Ein 50-Euro-Schein schenkt uns die Möglichkeit, die Kraft und die Lebenszeit anderer Menschen in Anspruch zu nehmen. Das Geld auf dem Bankkonto aber ist nicht Ihr Geld. Die schwarze Zahl auf dem Kontoauszug sagt lediglich, wie viel die Bank Ihnen schuldet. Sie bezahlen mit elektronischem Guthaben. Wenn der Geldstrom versiegt, ist Ihre Lebenszeit weg.
Der Journalist Julian Assange erlebte das. Mit der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen in Afghanistan und im Irak wurde seine Enthüllungsplattform WikiLeaks bekannt: Der Beschuss von Mitarbeitern der Nachrichtenagentur Reuters in Bagdad unter Gelächter der Piloten – die Bilder gingen um die Welt. Die Veröffentlichung weiterer 250.000 Dokumente Ende 2010, diesmal aus dem US-Außenministerium, machte die Regierung in Washington nervös. Auf ihren Druck hin stoppten Visa, Mastercard und PayPal alle Zahlungen an WikiLeaks.22 Nach eigenen Angaben gingen der spendenfinanzierten Plattform 95 Prozent ihrer Einnahmen verloren.23
In Deutschland finanzieren sich Medien und Journalisten zunehmend durch freiwillige Zuwendungen. In den letzten Jahren verloren etliche ihr Girokonto. Die Banken kündigen zum Schutz ihrer Reputation.24 Medien, die bei polarisierenden Themen auf der oppositionellen Seite stehen, haben es schwer, ein anderes Geldinstitut zu finden. Wir sind also gewarnt: In einem Unrechtsstaat kann jeder von uns jederzeit vom Netz genommen werden.
Der Profitgeier aber ist begeistert, die Welt in ein elektronisches System einzuhegen. Vollautomatisch Geld verdienen an jedem Menschen, selbst am abgelegensten Flecken der Erde, das ist sein Ziel. Wenn wir uns der digitalen Welt anvertrauen, wird sie die Macht über uns ergreifen.