Kriegspferd - Timothy Zahn - E-Book

Kriegspferd E-Book

Timothy Zahn

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Beschreibung

Jäger und Beute

Die Tampies, eine Alien-Spezies, benutzen sogenannte Pferde, um durch das All zu reisen. Diese Pferde sind kilometerlange Kreaturen, lebende Raumschiffe mit PSI-Kräften, die von den Tampies gezähmt und kontrolliert werden. Man spannt sie vor das eigentliche Schiff und lässt sich von ihnen durch Wurmlöcher ziehen. Sie sind jeder Technologie weit überlegen und werden seit Kurzem auch von den Menschen zur Raumfahrt benutzt, da herkömmliche Schiffe viel zu lange brauchen würden, um die gewaltigen Distanzen zwischen den Sternen zu überwinden. Doch diese Pferde haben einen schrecklichen Feind: haiähnliche Raubtiere, die sie töten und fressen. Die Tampies sind jedoch absolute Pazifisten, die eher tatenlos dem Gemetzel zusehen, als ein Tentakel gegen die Räuber zu erheben – ganz anders als die Menschen, die selbst von einer beutemachenden Spezies abstammen und dieses Erbe mit in den Weltraum genommen haben …

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Seitenzahl: 519

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TIMOTHY ZAHN

KRIEGSPFERD

Roman

Das Buch

Die Tampies, eine Alien-Spezies, benutzen sogenannte Pferde, um durch das All zu reisen. Diese Pferde sind kilometerlange Kreaturen, lebende Raumschiffe mit PSI-Kräften, die von den Tampies gezähmt und kontrolliert werden. Man spannt sie vor das eigentliche Schiff und lässt sich von ihnen durch Wurmlöcher ziehen. Sie sind jeder Technologie weit überlegen und werden seit Kurzem auch von den Menschen zur Raumfahrt benutzt, da herkömmliche Schiffe viel zu lange brauchen würden, um die gewaltigen Distanzen zwischen den Sternen zu überwinden. Doch diese Pferde haben einen schrecklichen Feind: haiähnliche Raubtiere, die sie töten und fressen. Die Tampies sind jedoch absolute Pazifisten, die eher tatenlos dem Gemetzel zusehen, als ein Tentakel gegen die Räuber zu erheben – ganz anders als die Menschen, die selbst von einer beutemachenden Spezies abstammen und dieses Erbe mit in den Weltraum genommen haben …

Der Autor

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Titel der Originalausgabe

WARHORSE

Aus dem Amerikanischen von Hilde Linnert

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1990 by Timothy Zahn

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Das Illustrat, München

1. Kapitel

Zwei Stunden zuvor hatte die Dryden ihre Rotation abgestellt und die Besatzung lebte zum ersten Mal seit fünfzehn Tagen wieder in der Schwerelosigkeit. Eine Stunde zuvor war der letzte Kurswechsel erfolgt und das Schiff so genau wie möglich in einen direkten Vektor mit dem Zielplaneten Arachne gebracht worden. Und nun, in den allerletzten fünf Minuten, war die leuchtend rote Masselinie endlich in der Mitte der Steueranzeige aufgetaucht und begann gemächlich, sich zum Rand hin auszudehnen.

Sie waren beinahe am Ziel. Beinahe in Arachne … und bei den sie erwartenden Tampies.

Captain Haml Roman betrachtete die Masselinie noch einen Augenblick lang und bedauerte zum letzten Mal, dass ausgerechnet sein Schiff für diese Mission eingesetzt worden war. Dem Anschein und allen Versicherungen zum Trotz war der Ausgang genauso ungewiss wie Arachnes Umlaufbahn, und dass er bei der Scharade mitmachen musste, verursachte ihm Sodbrennen. Aber weder der Senat noch die Admiralität hatten jemals daran gedacht, ihn in solchen Fällen nach seiner Meinung zu fragen. Wahrscheinlich hätte es ohnehin nichts gebracht.

Noch vier Minuten. Roman griff nach den Schaltern seiner Bordsprechanlage und tippte die Kabine seines Passagiers ein, doch noch während er damit beschäftigt war, ging die Tür rechts von ihm auf und Botschafter Pankau schwebte auf die Brücke. »Captain«, – er nickte und stieß sich ab, so dass er über die Brücke zu Roman glitt –, »wissen wir schon, wann wir ungefähr eintreffen werden?«

Roman nickte ebenfalls. »Ich wollte Sie gerade anrufen, Mr. Ambassador.« Er fragte sich kurz, wie Pankau es schaffte, seine steife Würde zu bewahren, während er wie ein Luftballon durch den Raum trieb. »Wir brechen in etwas weniger als vier Minuten durch.«

Pankau griff nach der Rücklehne von Romans Stuhl, um seinen Schwung abzustoppen, und stellte die Füße energisch auf eine der Haftplatten auf dem Boden. »Wie lange brauchen wir von hier aus nach Arachne?«

»Es kann sich nur um einige Stunden handeln. Vielleicht weniger, das hängt davon ab, wie nahe wir vor dem Durchbruch herankommen.«

Pankau war nicht begeistert, aber er besaß sichtlich genügend Erfahrung, um zu wissen, dass sich solche Ungewissheiten Romans Kontrolle entzogen. Der Mitsuushi-Raumantrieb brauchte dreißig Stunden für ein Lichtjahr und verschlang alle 1,7 Sekunden eine astronomische Einheit; trotz der Computerkontrolle hatte ein Schiff Glück, wenn der Durchbruch innerhalb einer Entfernung von fünfhunderttausend Kilometern von dem vorgesehenen Ziel erfolgte. »Tun Sie Ihr Möglichstes«, meinte der Botschafter beinahe widerwillig. »Und dann erwarte ich einen Mindestzeit-Kurs nach Arachne. Es hat keinen Sinn, es länger als unbedingt erforderlich hinauszuzögern.«

Lieutenant Commander Trent, der auf dem Platz des stellvertretenden Kommandeurs saß, warf Pankau einen verärgerten Blick zu, den dieser zum Glück nicht bemerkte. »Selbstverständlich, Mr. Ambassador«, antwortete Roman, unverändert höflich-neutral.

Pankau nickte kurz und verstummte, und dann beobachteten sie gemeinsam, wie sich die Masselinie ausdehnte. Sie hatte beinahe den Rand der Steueranzeige erreicht, als die Lichter auf der Brücke abrupt schwächer wurden und die Hälfte der Haupt-Statusanzeige von Grün über Rot zu Dunkelblau wechselte.

Die Dryden war angekommen.

»Lieutenant Nussmeyer?«, fragte Roman und schaltete den Hauptmonitor ein. Der Bildschirm erwachte zum Leben; auf ihm leuchteten unzählige Sterne und links vom Zentrum die rot-orangefarbene Kugel der Sonne von Arachne.

»Haargenau am Ziel, Sir«, meldete Nussmeyer, der seinen Steuermonitor beobachtete. »Wir befinden uns etwas mehr als siebzigtausend Kilometer hangaufwärts von Arachne.«

Hangaufwärts bedeutete, dass die Schwerkraft der Sonne sie bei der Annäherung nicht behindern, sondern unterstützen würde. »Sehr gut, Lieutenant. Berechnen Sie einen Mindestzeit-Kurs bei …« – er warf Pankau einen Blick zu – »bleiben Sie unter 1,5 Ge.«

»Aye, Sir. Ungefähr neunzig Minuten bis Orbit.«

»Sehr gut. Ausführen.«

Der Beschleunigungsalarm begann zu trillern, und Roman hörte dem Klicken und Knarren zu, als die Brücke in die Position für lineare Beschleunigung vorwärts einschwenkte. Die Zahl und das Dezibelniveau der Geräusche war in letzter Zeit gestiegen, und er schickte rasch ein Stoßgebet zum Himmel; hoffentlich hielt das Material wenigstens so lange, bis sie in den Hafen einliefen. Selbst bei einem relativ kleinen Kriegsschiff wie der Dryden konnte es sehr schnell zu einer sehr unangenehmen Situation kommen, wenn man versuchte, es von einer falsch ausgerichteten Brücke aus zu steuern. »Wollen Sie Nachrichten absenden, bevor wir in den Orbit einschwenken?« Roman blickte wieder zu Pankau hinüber. Dieser betrachtete mit zusammengekniffenen Augen den Hauptbildschirm, in dessen Mitte jetzt der kleine, sichelförmige Planet zu sehen war. »Das hängt wahrscheinlich davon ab, ob die Tampy-Delegation noch oben ist, oder ob sie gelandet sind und ihr Schiff nach Hause geschickt haben«, antwortete er. »Können Sie das Bild noch ein wenig vergrößern?«

Roman wandte sich wieder seinem Steuerpult zu und stellte den Bildschirm erwartungsvoll auf volle Vergrößerung ein. Wenn das Tampy-Schiff tatsächlich noch bereitstand …

Die kleine Sichel füllte sprunghaft den ganzen Bildschirm, stabilisierte sich, wurde größer und zum flachen Streifen eines bunten Planetenrandes. Die Kamera begann das Gebiet langsam abzutasten …

Und da war es, hob sich von dem beleuchteten Teil ab: eine kleine, dunkle, rechteckige zylindrische Form, die einen ähnlichen, aber viel größeren Zylinder hinter sich herzog. Das Tampy-Schiff und das dazugehörende Raumpferd.

Auf dem Schirm blendete sich der Maßstab ein und stabilisierte sich, und jemand auf der Brücke pfiff leise. »Neunhundertzwanzig Meter lang«, las Pankau ab; selbst in seiner professionell kühlen Stimme lag ein Hauch von Ehrfurcht. »Ich glaube nicht, dass ich jemals ein so großes Raumpferd gesehen habe.«

»Die durchschnittliche Größe beträgt achthundert Meter«, bestätigte Roman. Sogar ihm fiel auf, wie jungenhaft aufgeregt seine Stimme klang.

Pankau hörte es offensichtlich ebenfalls, und sein Blick wanderte vom Bildschirm zu Roman. »Ihr erstes Raumpferd, Captain?«

Zum Glück war es in der Schwerelosigkeit schwierig, rot zu werden. »Es ist das erste, dem ich nahekommen werde«, gab er zu. »Natürlich habe ich sie schon aus der Ferne gesehen.«

Pankau brummte. »Für den Kommandanten eines Grenzschiffs wäre es ziemlich schwierig, ihnen gänzlich auszuweichen.« Seine Augen wanderten zum Hauptschirm zurück; er schob die Lippen vor. »Wahrscheinlich sollte ich jetzt zu ihnen sprechen. Wir müssen sie zumindest wissen lassen, dass wir hier sind.«

Roman nickte. Er griff nach dem Schalter für den Kommunikationslaser; erinnerte sich im letzten Augenblick und schaltete stattdessen das Funkgerät ein. Die Tampies hatten nie den Laser entwickelt und waren keineswegs daran interessiert gewesen, von der Kordonale die erforderliche Technologie zu erwerben. »Sie sind dran, Mr. Ambassador«, sagte Roman.

Pankau räusperte sich. »Hier spricht Botschafter Pankau an Bord des Kordonale-Raumschiffs Dryden«, meldete er sich. »Mit wem habe ich das Vergnügen?«

Die Reaktion erfolgte sofort; die Tampies hatten zweifellos bereits bemerkt, dass die Dryden eingetroffen war. »Ich höre«, antwortete die fremde Stimme.

Die greinende, kratzende, durch Mark und Bein gehende fremde Stimme. Roman biss die Zähne zusammen und versuchte, daran zu denken, dass die Tampies es nicht absichtlich machten.

»Ich bin Ccist-paa; ich spreche für die Tamplissta«, fuhr der Alien fort. »Ich begrüße euch.«

»Ich begrüße euch ebenfalls«, antwortete Pankau; in seinem Ton und seinem Verhalten war nichts von Romans Gereiztheit zu spüren. Aber Pankau war auch viel mehr an die Tampiestimmen gewöhnt. »Ich komme mit offenen Händen und gutem Willen und überbringe den Wunsch des Obersten Senats, unsere Differenzen so rasch wie möglich beizulegen.« Er zögerte den Bruchteil einer Sekunde. »Kannst du mir sagen, ob sich die Situation in den letzten vierzehn Tagen verändert hat?«

Pankaus Stimme klang leicht verstimmt, was Roman sehr gut verstehen konnte. Berufsdiplomaten lernten es, mit aufreizenden Stimmen und Verhaltensweisen zu leben; das Nichtvorhandensein von ausreichenden, zeitgerechten Informationen war etwas ganz anderes. Die Dryden war vierzehn Tage lang mit dem Mitsuushi-Antrieb unterwegs gewesen, und alles, was sie über die Schwierigkeiten auf Arachne wussten, war vierzehn Tage alt. Die Tampy-Mission hingegen hatte mit ihrer Kolonie bis zu dem Augenblick in Verbindung gestanden, in dem sie ihren Heimathafen verlassen musste … Was wahrscheinlich vor einigen Stunden geschehen war.

In diesem Fall stellte sich heraus, dass die Zeitdifferenz tatsächlich wesentlich war. »Es hat eine Veränderung gegeben«, erwiderte Ccist-paa und seufzte keuchend. »Einige der Menschen in der Arachne-Siedlung haben die Tamplissta von den Tyari angegriffen.«

Pankau schnalzte leise mit der Zunge. »Hat es Tote gegeben?«

»Menschen wurden nicht verletzt. Zwei Tamplissta sind gestorben.«

Roman verzog das Gesicht. Es war ein Schema, das sich in letzter Zeit immer öfter auf dem halben Dutzend Welten wiederholte, die die Kordonale mit den Tampies teilte: Gärende Konfrontationen entwickelten sich zu heftigen Ausbrüchen von Gewalttätigkeit … und immer waren die Tampies die Verlierer.

»Das bedaure ich«, erklärte Pankau. »Wir werden dein Schiff in ungefähr neunzig Minuten erreichen. Es wäre mir eine Ehre, dich auf die Oberfläche hinunterzubringen.«

»Die Ehre ist meinerseits«, erwiderte Ccist-paa. »Doch es besteht keine Notwendigkeit. Meine Landefähre ist in der Lage, mich hinunterzubringen.«

»Ach so«, murmelte Pankau. »In diesem Fall – könntest du so freundlich sein, mich hinunterzubefördern.«

Auf der Seite der Tampies trat kurz Stille ein. »Wir haben keine Filtermasken an Bord«, erklärte Ccist-paa.

»Ich besitze selbst eine.« Pankau zögerte und blickte zu Roman hinunter. »Angesichts der letzten Ereignisse halte ich es für besser, wenn wir diese Angelegenheit unter vier Augen besprechen, bevor wir uns den Siedlern stellen.«

Wieder eine Pause. »Du bist auf meiner Landefähre willkommen«, erwiderte Ccist-paa ohne eine Spur von Gefühlsregung. »Wenn du längsseits kommen willst, wird meine Landefähre an deinem Schiff anlegen.«

»Danke«, sagte Pankau. »Ich freue mich darauf, dich kennenzulernen.«

»Lebe wohl«, antwortete Ccist-paa, und augenblicklich wurde die Funkträgerwelle der Aliens abgeschaltet.

Roman tat mit der Funkanlage der Dryden das gleiche. Hinter ihm verwandelte sich das stärker werdende Summen des Haupt-Fusionsantriebs in ein dumpfes Dröhnen, und die Schwerkraft kehrte allmählich zurück. »Antrieb aktiviert, Captain«, bestätigte Nussmeyer unnötigerweise.

»Sehr gut«, nickte Roman. »Sobald wir ihnen nahe genug sind, beginnen Sie, den Treffpunkt-Vektor zum Tampy-Schiff zu berechnen.« Er blickte zu Pankau auf. Das Gesicht des Botschafters wirkte plötzlich älter, aber das konnte auch die Auswirkung der wiederkehrenden Schwerkraft sein. »Hoffentlich sind Sie darauf gefasst, mit einem Ausbruch von Gewalt konfrontiert zu werden«, bemerkte er leise.

Pankau verzog das Gesicht, ohne den Hauptmonitor aus den Augen zu lassen. »Was sonst war zu erwarten, wenn Menschen und Tampies zusammentreffen?«, fragte er mürrisch. Als er jetzt zu Roman hinuntersah, war sein Blick sehr nachdenklich. »Macht es Ihnen nichts aus, Ihr Schiff nahe an ein Raumpferd heranzubringen?«, fragte er merkwürdig herausfordernd.

Roman zog eine Augenbraue hoch. »Eigentlich nicht. Sollte es mir etwas ausmachen?«

Der prüfende Blick hielt noch einen Augenblick an und wandte sich dann ab. »Über Raumpferde sind eine Menge falscher Informationen im Umlauf«, antwortete Pankau. »Unrichtige, ausgeschmückte Geschichten, allgemeine Paranoia – und so weiter.« Er richtete sich auf und stieg von der Haftplatte hinunter. »Ich gehe in meine Kabine und mache mein Gepäck fertig. Lassen Sie es mich wissen, wenn wir das Tampy-Schiff erreichen.« Er zögerte. »Oder wenn etwas … Unerwartetes … eintritt.«

Roman warf Trent einen Blick zu, den der stellvertretende Kommandeur erwiderte. »Selbstverständlich, Mr. Ambassador.«

»Die Tampy-Landefähre hat abgelegt«, meldete Trent. »Flugbahn … millimetergenau.«

»Bestätigt«, nickte Roman. »Verfolgen Sie die Landefähre weiter, Commander – vergewissern Sie sich, dass sich nichts verändert.«

Trent sah Roman an, bevor er sich wieder seinen Anzeigen zuwandte. »Sie nehmen an, dass Pankau etwas weiß, das wir nicht wissen?«, fragte er.

Roman zuckte die Achseln. »Wahrscheinlich ist er nur vorsichtig. Andererseits ist es dort unten zumindest in einem Fall zu Gewalttätigkeiten gekommen.«

»Und da Pankau wahrscheinlich Anweisung hat, den Tampies alles zu geben, was sie wollen …«, meinte Trent höhnisch.

Roman zuckte die Achseln. Es ist nicht unsere Sache, nach dem Grund zu fragen, dachte er. Das bedeutete natürlich nicht, dass es ihnen gefallen musste.

Das Tampy-Schiff war in einen zehn Kilometer unterhalb der Dryden liegenden Orbit eingeschwenkt und entfernte sich langsam von ihr. »Folgen Sie ihnen, Lieutenant«, wies Roman Nussmeyer an, während er die Geschwindigkeitsangaben auf seinen Geräten beobachtete. Einen Kilometer vor dem Schiff der Aliens schwebte die dunkle Masse ihres Raumpferds … »Nein, wir werden ihnen nicht einfach nur folgen«, stellte er plötzlich richtig. »Ich möchte mir das Raumpferd näher ansehen. Langsame Annäherung, paralleler Kurs und halten Sie uns in einer Entfernung von ungefähr zwei Kilometern.«

Die leisen Gespräche im Hintergrund brachen plötzlich ab. Nussmeyer sah Trent an und Trent sah Roman an. »Ist etwas, Commander?«, fragte Roman sanft.

Trents Lippen zuckten.

»Die Tampies werden sich nicht freuen, wenn wir ihr Raumpferd erschrecken.«

»Deshalb bleiben wir ja in einer Entfernung von zwei Kilometern.«

»Und was ist, wenn das nicht weit genug ist?«

Roman zog die Augenbrauen hoch und sah sich auf der Brücke um. »Wir werden uns nicht an das Tier anschleichen, Gentlemen. Die Tampy-Betreuer werden sicherlich imstande sein, das Pferd unter Kontrolle zu halten, oder zumindest rechtzeitig merken, dass sie es nicht können und uns auf Distanz gehen lassen. Außerdem sind Raumpferde gar nicht so scheu.«

Trents Gesichtsausdruck war eisig, aber er machte sich ohne weiteren Einwand an seine Arbeit. Roman beobachtete einen Augenblick lang seinen Rücken, dann wandte er sich der Steuerung zu. »Lieutenant?«

»Manöver berechnet und eingegeben«, berichtete Nussmeyer mit leicht gepresster Stimme. Er war genauso wenig darüber glücklich wie Trent, aber im Gegensatz zu dem stellvertretenden Kommandeur war er nicht in der Lage, darüber zu debattieren.

»Sehr gut«, sagte Roman. »Ausführen.« Der Antrieb wurde auf Mindeststärke eingeschaltet, die Rumpfplatten zitterten leicht, und die Schwerkraft kehrte andeutungsweise wieder. Die Dryden bewegte sich langsam vorwärts und auf den Planeten zu, und kam am Tampy-Schiff und der einen Kilometer langen und beinahe unsichtbaren Zugleine vorbei. Einige Minuten später befanden sie sich parallel zum Raumpferd.

Es war beinahe ein Klischee – noch dazu ein zwanzig Jahre altes Klischee –, dass weder eine Kamera noch ein Holograph die beeindruckende Majestät eines Raumpferdes einfangen konnten.

Roman hatte das Klischee seit seinem Dienstantritt bei der Raumflotte hundert Mal gehört, verstand aber jetzt erst, warum jeder, der so ein Tier aus der Nähe gesehen hatte, die gleichen Worte gebrauchte, um es zu beschreiben.

Zunächst: Das Geschöpf war riesig. Es war neunhundertzwanzig Meter lang und hatte ungefähr die Form eines Zylinders mit abgerundeten Enden, der sich von vorn nach hinten leicht verjüngte. Neben ihm wirkte das kleine Tampy-Schiff, das es hinter sich herzog, zwergenhaft. Die zarten Leinen, die beide verbanden, waren sogar auf dem Teleskopmonitor praktisch unsichtbar, aber wenn das Sonnenlicht auf die Fasern fiel, glitzerten sie manchmal, wodurch das Bild einen märchenhaften Anstrich bekam.

Roman faszinierten jedoch vor allem die Einzelheiten, die man beim Abtasten aus großer Entfernung nicht erkennen konnte. Zum Beispiel die Haut der Raumpferde: Auf den Holos war sie einheitlich grau, während sie in Wirklichkeit merkwürdig schillerte und ihn an Seide erinnerte. Die in Axialringen an beiden Enden des Zylinders angeordneten Sensorengruppen waren ebenfalls weitaus zarter gefärbt, als die Hologramme wiedergeben konnten; die Farbskala reichte von Blassblau über dunkles Burgunderrot und überraschend helles Gelb zu Tiefschwarz.

»Wir erhalten jetzt Absorptionswerte«, berichtete Trent und riss damit Roman aus seinen Gedanken. Obwohl in seiner Stimme noch immer Missbilligung lag, schwang jetzt widerwilliges Interesse mit. »Die Haut scheint etwa sechsundneunzig Prozent des auf sie auftreffenden Sonnenlichts zu absorbieren, und dieser Prozentsatz gilt für das ganze elektromagnetische Spektrum.«

Roman nickte. Angeblich konnten die Raumpferde Strahlungen jeder Wellenlänge absorbieren – eine der Energiequellen, die die riesigen Tiere am Leben erhielten. »Haben Sie eine Ahnung, wie es zu dem Schimmern kommt?«, fragte er.

»Wahrscheinlich ein durch den Staubschweiß verursachter Beugungseffekt«, erklärte Trent. »So jedenfalls die Theorie. Ich werde versuchen, die Werte direkt zu erhalten.«

Er streckte die Hand aus, als die Alarmanlage der Dryden plötzlich zu trillern begann.

»Anormale Bewegung, Captain«, berichtete Nussmeyer. Der Hauptmonitor wechselte selbsttätig zu einem taktischen Display, und die Laserfadenkreuze wanderten über das Raumpferd und an ihm vorbei.

»Immer mit der Ruhe, Gentlemen«, sagte Roman und schaltete auf den entsprechenden Monitor um, während seine Muskeln sich unwillkürlich verkrampften. Das Programm für anormale Bewegungen war ursprünglich dazu entworfen worden, um langsam fliegende, im Hinterhalt liegende Raketen zu entdecken; aber so nahe bei einem Raumpferd … »Ich bezweifle, dass es hier etwas Gefährliches gibt.«

»Es handelt sich um einen Meteor, Sir«, meldete Trent sobald sich der Teleskopbildschirm auf das Objekt einstellte.

»Wie ich gesagt habe«, nickte Roman. »Hat nichts mit uns zu tun.«

»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, widersprach Trent vielsagend. »Ich könnte mir vorstellen, dass die Tampies diesen Felsen nicht nur als Futter für das Raumpferd betrachten. Das Raumpferd könnte ihn zum Beispiel telekinetisch durch unseren Rumpf schleudern.«

Roman sah Trent stirnrunzelnd an und sein Magen verkrampfte sich schmerzhaft. In den letzten Jahren hatten die gedankenlosen Vorurteile gegen die Tampies in der gesamten Kordonale überhand genommen, und er hatte sich längst mit ihnen abgefunden. Aber dass er auf seiner eigenen Brücke darauf stieß …

»Haben Sie schon einen Vektor für den Meteor, Lieutenant Nussmeyer?«, erkundigte er sich ruhig.

»Er hält auf das Raumpferd zu, Sir«, antwortete der Steuermann etwas unsicher. »Wird irgendwo im vorderen Sensoren-Ring auftreffen.«

Trent verzog die Lippen. »Hat nichts zu besagen«, widersprach er eigensinnig. »Sir. Die Tampies könnten vorhaben, ihn im letzten Augenblick auf uns zu schleudern, wenn unsere Wachsamkeit nachlässt.«

Roman legte den Kopf schief. »Sie sollten dafür sorgen, Lieutenant, dass unsere Wachsamkeit nicht nachlässt.«

Trent hielt seinem Blick noch einen Augenblick lang stand, dann wandte er sich ohne ein weiteres Wort wieder seinen Displays zu. Roman schaltete eine der Teleskopkameras auf das Raumpferd und zwar so, dass sie auf den errechneten Kollisionspunkt mit dem Meteor fixiert war. Trents Verfolgungswahn war lächerlich; für Roman stand zweifelsfrei fest, wozu das Raumpferd den Meteor brauchte … und er freute sich genauso darauf wie das Raumpferd. Der Display veränderte sich leicht, als der Kollisionsvektor korrigiert wurde und sich auf eine der Sensorengruppen einstellte: Acht beeindruckend gefärbte Organe, jedes einige Quadratmeter groß; sie bildeten einen Kreis um ein sonst unauffälliges Stück grauer Haut.

Einen Augenblick lang geschah nichts … dann wurde die Farbe aller Organe unvermittelt dunkler, im grauen Fleck in der Mitte öffnete sich eine Spalte, deren Ränder sich mit einer kräuselnden Bewegung aufstellten. Der Meteor tauchte im Sichtfeld der Kamera auf und fiel in die Öffnung. Die Ränder glätteten sich, der Spalt verschwand und die Organe nahmen ihre ursprünglichen Farben an.

»Alarm beenden«, befahl Roman, und als das Trillern aufhörte, sah er zu Trent hinüber. Dessen Rücken war steif; er wirkte zornig. Wahrscheinlich hatte er gehofft, dass die Tampies die Dryden wirklich angriffen.

Er hatte eine Rechtfertigung seiner Vorurteile erhofft.

»Ich möchte, dass Sie eine vollständige Analyse des Ereignisses durchführen, das wir soeben aufgezeichnet haben, Commander«, sagte Roman in die Stille. »Konzentrieren Sie sich auf die Bewegungen des Meteors – Veränderungen des Vektors, Wechselwirkung mit lokalen Schwerkraft-Gradienten, und so weiter. Es gibt sehr viel, das wir über die Telekinese der Raumpferde nicht wissen, und es ist eine Wissenslücke, die wir dringend füllen müssen.«

Die Spannung in Trents Rücken ließ ein wenig nach. »Ja, Sir. Ich werde die Programme sofort eingeben.«

Das Spannungsniveau auf der Brücke sank deutlich, und Roman seufzte befriedigt. Man hatte ihm einmal beigebracht, dass ein vernünftiger Kommandant seine Untergebenen nur dann mit der Nase auf die Fehler stößt, die sie gerade begangen haben, wenn es unbedingt erforderlich ist. In diesem Fall war es nicht unbedingt erforderlich.

Trent war selbstgerecht, aber auch die Selbstgerechten müssen manchmal ihr Gesicht wahren.

Botschafter Pankau kam zwanzig Stunden später zurück – mit einem Übereinkommen, das genau der Scharade entsprach, die Roman erwartet hatte.

»Die Kolonisten auf Arachne werden ihre Energieanlage ungefähr dreißig Kilometer flussabwärts verlegen«, erläuterte Pankau, während er Roman die Bänder und die unterzeichneten Papiere übergab, die in die offiziellen Aufzeichnungen der Dryden aufgenommen werden sollten. »Davon abgesehen müssen sie gar nicht so viel aufgeben.«

Roman spürte, dass Trents Blick auf ihm ruhte. »Was ist mit der Siedlung an sich?«, fragte er Pankau, während er die Papiere entgegennahm. »Wenn sie die Energieanlage verlegen, müssen sie doch mit der Siedlung das gleiche tun?«

Pankau verzog das Gesicht. »Einige Siedler werden dazu gezwungen sein, aber nicht alle.«

»Und was geben die Tampies auf?«, erkundigte sich Trent.

Pankau warf ihm einen streng dienstlichen Blick zu. »Zufällig ist es diesmal so«, erklärte er gelassen, »dass die Tampies recht gehabt haben. Die Energieanlage hat die Wanderung von mindestens vier Arten von Landtieren und Vögeln gestört.«

»Tiere, die ihr Leben nicht an eine lausige Energieanlage anpassen können, verdienen, dass sie aussterben«, schnaubte Trent. »Außerdem sind die verdammten Ghornheads für überhaupt nichts zu gebrauchen.«

Pankau beherrschte sich, aber Roman merkte, dass es ihm schwerfiel. »Das trifft vielleicht auf die Ghornheads zu, aber von den Mrulla kann man es bestimmt nicht behaupten. Sie halten die Zahl der Rodunis in den Feldern auf einem erträglichen Niveau, und außerdem folgen sie den Ghornheads wie kleine Hündchen überall hin.« Er wartete Trents Antwort nicht ab, sondern wandte sich wieder an Roman. »Ccist-paa hat mir berichtet, dass sie Schwierigkeiten mit den terranischen Wilddieben haben, die sich aus ihrem Cemwanninni Yishyar-System Raumpferde holen.«

»›Ihrem‹ System?«, murmelte Trent gerade so laut, dass man ihn hörte.

Pankau sah ihn an, und sein Blick wurde hart. »Ja, ihrem System. Ob es Ihnen passt oder nicht, Commander – der Senat hat alle terranischen Ansprüche darauf aufgegeben. Die Tampies können eine Tränke für ihre Raumpferde wirklich brauchen, wir nicht. Futterneid entspricht kaum der Verhaltensweise zivilisierter Menschen.«

Roman fiel auf, dass Pankau fließend und ohne nachzudenken gesprochen hatte. Offenbar musste er den Text sehr oft wiederholen. »Ich bin davon überzeugt, dass wir alle Verständnis für die vernünftige Haltung des Senats haben«, fuhr er schnell fort, bevor Trent etwas sagen konnte, das er später bereuen würde.

Doch dieser ließ nicht locker. »Es gibt genauso triftige Gründe dafür, dass der gänzliche Verzicht auf ein System im allgemeinen nicht die beste Lösung darstellt.«

»Jetzt kann man jedenfalls nichts mehr dagegen unternehmen«, stellte Pankau leicht verärgert fest. Er zeigte auf die Papiere in Romans Hand. »Damit haben Sie die offizielle Erlaubnis, das Yishyar zu betreten, Captain. Sobald Sie mich in Solomon abgesetzt haben, sollen Sie sich auf den Weg machen und versuchen, den Wilddieb zu fassen.«

Von Arachne nach Solomon und von dort zum Yishyar. Es wurde immer bunter. »Ich anerkenne Ihre Versuche, die Tampies zu beruhigen, Mr. Ambassador …«

»Meine Aufgabe besteht nicht darin, Tampies zu beruhigen«, unterbrach ihn Pankau kalt. »Ich habe die Befehle und Wünsche des Obersten Senats der terranischen Kordonale auszuführen – und in diesem Fall ist es der ausdrückliche Wunsch des Senats, dass nicht autorisierte terranische Schiffe dem Raum der Tampies fernbleiben.« Er musterte Roman eisig. »Oder deuten Sie an, dass ich nicht die Befugnis habe, Sie auf eine solche Mission zu schicken?« Das stand jedenfalls nicht zur Debatte. Roman hatte bereits unbeschränkte Vollmachten des Senats gesehen und wusste, wie weitreichend sie waren. »Ich stelle Ihre Autorität keineswegs in Frage, Sir«, antwortete er. »Aber für ein Schiff von der Größe der Dryden ist es eine ziemlich lange Reise. Zwei Wochen, um Sie nach Solomon zurückzubringen, sechs Wochen oder mehr von dort zum Yishyar-System und sechs Wochen für den Rückflug. Das sind drei Monate plus die Zeit, die es uns kosten wird, beim Yishyar darauf zu warten, dass der Wilddieb auftaucht.«

»Wollen Sie damit sagen, dass Ihre Mannschaft ein paar Wochen im Weltraum nicht verkraften kann?«, fragte Pankau herausfordernd.

»Nein, Sir«, antwortete Roman gleichmütig. »Ich meine damit, dass es uns zwei Wochen ersparen würde, wenn Sie Ccist-paa ersuchen, einen Umweg nach Solomon zu machen und Sie dort abzusetzen.«

Pankau war etwas verblüfft. »Ich verstehe.«

Roman sah ihm in die Augen. »Es sei denn, Sie können ein paar Stunden in einem Tampy-Schiff nicht verkraften.«

Einen Augenblick lang glaubte er, dass die berufliche Fassade abbröckeln würde. Aber er unterschätzte Pankau. »Das wird kaum ein Problem darstellen. Wenn Sie das Funkgerät einschalten würden …«

Zehn Minuten später war alles geregelt. Eine Stunde danach saß Roman an seinem Steuerpult auf der Brücke und sah zu, wie das Raumpferd sprang.

Es war wohl der einzige vollkommen unspektakuläre Vorgang bei Raumpferden. Raumpferd und Schiff waren gerade noch auf dem Display, und einen Augenblick später waren sie weg.

»Ich würde wer weiß was dafür geben, wenn wir das auch könnten«, murmelte Trent. Roman betrachtete den leeren Fleck auf dem Display, an dem sich eben noch das Raumpferd befunden hatte. »Nicht nur Sie, sondern alle Angehörigen der Kordonale«, bestätigte er nüchtern. Vollkommen unspektakulär … bis man darüber nachdachte, was wirklich geschehen war. Augenblicklich zurückgelegte interstellare Entfernungen … und die einzige Einschränkung war, dass das Raumpferd imstande sein musste, seinen Zielstern zu sehen. Die Vorstellung ließ Roman erschauern. »Wenn das Amity-Projekt in Angriff genommen wird, werden wir vielleicht einiges darüber erfahren, wie man Raumpferde zähmt und unter Kontrolle bekommt.«

Trent grinste spöttisch. »Die Chance ist gleich Null, Sir.«

Roman musterte ihn. »Sie glauben nicht, dass Menschen und Tampies lernen könnten, an Bord des gleichen Schiffes zusammenzuarbeiten?«

»Ich glaube nicht, dass es jemals so weit kommen wird, Captain«, antwortete Trent offen. »Meiner Meinung nach ist Amity nur ein Rauchvorhang, den Tampies und Pro-Tampy-Senatoren erfunden haben, damit es so aussieht, als unternähmen sie etwas in Bezug auf das Problem der gemeinsamen Verwaltung der Welten. Die Raumflotte wird nie mit der Ausrüstung des Schiffes fertig werden; und selbst wenn es ihnen gelingen sollte, wird die Mannschaft so voreingenommen sein, dass die Ergebnisse des Testflugs reiner Betrug sein werden.«

»Und wenn keines von beiden eintrifft?«

Trent sah ihm in die Augen. »Dann, Sir … nein, ich glaube nicht, dass Tampies und Menschen jemals zusammenarbeiten können; nicht, ohne einander dabei umzubringen.«

Roman verzog das Gesicht. »Sie lassen der Kordonale sehr wenige Alternativen.«

»Beschwichtigung oder Krieg«, bestätigte Trent ruhig. »Und sogar ein so rückgratloser Senat wie der unsere kann sie nicht für immer beschwichtigen.«

Roman betrachtete das Display, den Fleck, an dem sich das Raumpferd noch vor einer Minute befunden hatte; und hätte gern wenigstens eine von Trents Ansichten widerlegt. Aber er konnte es nicht. Und selbst wenn er es gekonnt hätte – der andere hatte sich bereits festgelegt.

Wie so viele in der Kordonale.

»Sorgen Sie wenigstens dafür, Commander, dass Sie aufgeschlossen bleiben.« Er spürte selbst, wie abgedroschen es klang. »Sie können nie wissen, wann sich eine Alternative bietet. Bis dahin … wir haben einen Auftrag auszuführen. Machen wir uns auf die Jagd nach einem Wilddieb.«

2. Kapitel

»Das wird allmählich lächerlich«, knurrte Stefain Reese, ohne sich an jemand Bestimmten zu wenden.

In die allgemeine Langeweile, die die Brücken-Crew der Scapa Flow erfasst hatte, mischte sich jetzt Müdigkeit und Gereiztheit. Chayne Ferrol beobachtete von seinem Kommandopult aus, wie seine Männer Reese wütend musterten oder ihn deutlich übersahen, je nach persönlicher Vorliebe, und unterdrückte einen Fluch. Auch er hatte, genau wie seine Männer, mehr als genug von Reese; leider erforderten die politischen Notwendigkeiten, dass wenigstens ein Mensch weiterhin mit dem Mann sprach. »›Sie haben in fünf Stunden nichts gefangen?‹« zitierte er einen alten Anglerwitz. »›Kein Grund zum Kummer – ich habe in acht Stunden nichts gefangen.‹«

Der Versuch, humorvoll zu sein, ging daneben. »Geben Sie auf, Ferrol«, fuhr ihn Reese an. »In den letzten zweiundzwanzig Tagen habe ich diesen langweiligen alten Witz mindestens fünfmal gehört, und er war schon beim ersten Mal nicht komisch.«

Ferrol beherrschte sich mit Mühe. »Wir haben Ihnen von Anfang an klar gemacht, Mr. Reese, worauf Sie sich einlassen. Auch in einem Yishyar-System befinden sich immer nur wenige Raumpferde gleichzeitig, und da draußen gibt es vierhundert Milliarden Kubikkilometer, auf denen die Raumpferde weiden können. Sie können nicht erwarten, dass uns am ersten Tag nach unserer Ankunft ein Raumpferd vor die Nase springt.«

»Aber mindestens fünfzehn sind uns mit ihren Sprüngen so nahe gekommen, dass das Anormale-Bewegungen-Programm sie registriert hat«, konterte Reese. »Sie sind keinem von ihnen gefolgt.«

Jetzt mischte sich Malraux Demarco vom Steuerpult aus ein. »Es ist ein verteufelt großer Unterschied, ob man einen Echoimpuls auffängt oder sich an ihn heranschleicht«, stellte er bissig fest. »Außerdem ist keiner von uns darauf versessen, hier herumzusitzen und zuzusehen, wie die Steine vorübertreiben. Vergessen Sie nicht, dass Sie darum gebeten haben, mitgenommen zu werden.«

»Das war keineswegs meine Idee«, antwortete Reese genauso bissig. »Der Senator wollte, dass ich mitfliege und beobachte …«

Ferrol schlug so heftig mit der Hand auf seine Armlehne, dass es durch die Brücke hallte und den beginnenden Streit mitten im Satz abschnitt. »Was?«, fragte Reese und sah Ferrol herausfordernd an.

Ferrol erwiderte den Blick unverwandt und sah zu, wie sich die zornige Herausforderung in Unbehagen und dann in echte Angst verwandelte. »Ich verbiete Ihnen«, sagte er endlich leise, aber eiskalt, »den Senator in Zusammenhang mit diesem Schiff, seiner Mannschaft oder seiner Aufgabe zu erwähnen. Weder hier noch sonst wo. Niemals. Haben Sie verstanden?«

Reese schluckte sichtlich. »Ja.«

Ferrol ließ die Stille noch einen Augenblick andauern, dann wandte er sich wieder Demarco zu. »Haben wir jemals nähere Angaben über den Echoimpuls bekommen, den Randall aufgefangen und wieder verloren hat?«

Demarco schüttelte den Kopf. »Der Computercheck verlief negativ. Es kann ein Raumpferd gewesen sein, das auf einen Imbiss hereingesprungen ist und die Gegend sofort wieder verlassen hat.« Er machte eine Pause. »Oder es kann ein anderes Schiff gewesen sein.«

Ferrol nickte. Er hatte ebenfalls auf die zweite Erklärung getippt. »Glauben Sie, dass sie uns entdeckt haben?«

Demarco zuckte die Achseln. »Zweieinhalb Stunden sollten ihnen genügt haben, um ihre Position zurückzuberechnen, einen Kreis zu schlagen und sich von hinten auf uns zu stürzen. Da sie es nicht getan haben, war es wahrscheinlich ein anderer Wilddieb, der uns entdeckte und nervös wurde.«

»Oder vielleicht ein ungewöhnlich geduldiger Captain der Raumflotte, der uns in flagranti erwischen will«, meinte Ferrol. »Wir müssen die Augen offenhalten.«

»Ist das alles, was Sie unternehmen werden?«, fragte Reese.

Ferrol sah zu ihm hinüber. »Was schlagen Sie vor, Mr. Reese?«, fragte er sanft. »Dass wir den Schwanz einziehen, mit leeren Händen nach Hause rennen, und nicht einmal wissen, wovor wir davongerannt sind?«

Reese biss die Zähne zusammen. »Ich wollte damit andeuten, dass Sie einige praktische Vorsichtsmaßnahmen ergreifen sollten. Indem Sie zum Beispiel den Mitsuushi-Ring abschirmen.«

»Haben wir eine Mitsuushi-Abschirmung, Mal?«, fragte Ferrol.

»Die die Ionenstrahlen eines Kriegsschiffs blockiert? Kaum.«

Ferrol sah Reese an. »Noch ein Vorschlag?«

Nach Reeses Gesichtsausdruck zu schließen, wäre der Vorschlag, den er machen wollte, deftig gewesen. Aber als er Luft holte …

»Anormale Bewegung, Chayne!«, rief Demarco. »Es ist … du meine Güte – es ist beinahe bei uns. Peilung dreiundzwanzig Mark sechs, fünfzehn Mark zwei; Entfernung sechsundfünfzig Kilometer.«

»Ein Kriegsschiff?«, fragte Reese. Seine Stimme lag um eine halbe Oktave höher als sonst.

Der Blick, den ihm Demarco zuwarf, zeigte deutlich, dass er mit seiner Geduld am Ende war. »Nein. Ein Raumpferd.«

»Allerdings ein ziemlich kleines«, fügte Ferrol hinzu, der die Anzeigen auf seinem Pult überflog. Es war tatsächlich klein, wenn er es recht bedachte. Wenn der Computer die Entfernung nicht vollkommen falsch berechnet hatte …

Plötzlich fröstelte es ihn. »Es ist ein Kalb, Mal.«

Demarco starrte auf das Display. »Ich will verdammt sein.«

Ferrol fuhr sich mit der Zunge über die Oberlippe, und sein Herz begann zu hämmern, während er die Bordsprechanlage einschaltete. Ein Raumpferd-Kalb, jung, prägbar … und vielleicht, nur vielleicht, dressierbar. »Captain an Mannschaft: Wir haben ein Ziel. Wir beginnen jetzt mit der Annäherung.« Er machte eine Pause. »Halten Sie wirklich genau Ausschau, Gentlemen. Dieses Kalb will ich haben.«

Demarco schaltete den Antrieb mit viel Gefühl ein und Ferrol merkte, dass Reese ihn nicht aus den Augen ließ. »Wenn Sie etwas zu sagen haben, Reese, dann sagen Sie es jetzt und halten Sie anschließend den Mund.«

Reese zeigte auf das zylindrische Geschöpf, das jetzt in der Mitte des Hauptdisplays erschienen war. »Sie hoffen, dass ein Kalb weniger Angst vor Menschen hat als ein erwachsenes Tier?«, fragte er.

Die kleinen grauen Zellen des Mannes arbeiteten also doch. »Es funktioniert bei anderen Tieren«, antwortete Ferrol kurz. »Man bezeichnet es als Prägung.«

»Vorausgesetzt, das Kalb ist jung genug«, stimmte Reese vorsichtig zu. »Was immer in diesem Fall ›jung genug‹ bedeutet.«

»Wenn Sie eine Debatte beginnen wollen, wenden Sie sich an den Senat«, meinte Ferrol geistesabwesend. »Im Augenblick haben wir Wichtigeres zu tun.« Er holte tief Luft. »Okay, Mal; machen wir uns an die Arbeit.«

Sie näherten sich dem Tier mit einem Bruchteil ihrer üblichen Geschwindigkeit, so dass sie beinahe eine Stunde brauchten, um ihm so nahe zu kommen, dass sie es fangen konnten. Eine übertriebene und vielleicht unnötige Vorsichtsmaßnahme – das Kalb zeigte keinen Augenblick Anzeichen von Nervosität oder gar Panik –, aber sie hatten genügend Zeit und keinen Grund, ein Risiko einzugehen. Außerdem hatten sie keine Ahnung, ob ein Kalb, das im Begriff war davonzurennen, genauso reagieren würde wie ein erwachsenes Tier.

»Netzgeschütze bereit«, verkündete Demarco. »Entfernung zum Ziel … 1,4 Kilometer. Anoden unter Höchstspannung.«

Ferrol entspannte bewusst seine Kiefermuskeln. Es war soweit. »Erstes Geschütz bereitmachen. Fertig … Feuer.«

Als das in Geschossform zusammengerollte Netz auf dem taktischen Display erschien, bäumte sich die Scapa Flow kurz auf; das Netz war genau auf sein Ziel unterwegs und zog die Haltetaue hinter sich her. Ferrol hielt den Atem an, ohne das Kalb aus den Augen zu lassen. Nur noch ein paar Sekunden, flehte er es im Geist an. Bleibe nur noch ein paar Sekunden an der Stelle … Das Geschoss näherte sich auf dem Bildschirm dem Kalb und löste sich zu einem beinahe körperlos dünnen Netz auf. Nur noch ein paar Sekunden …

Das Kalb bemerkte den näherkommenden Gegenstand zu spät. Das Geschoss – oder was von ihm übrig war – wurde telekinetisch mit einem Ruck zum Stillstand gebracht … aber die Fäden des Netzes waren viel zu dünn, so dass das Kalb sie nicht richtig fassen konnte. Im nächsten Augenblick prallte das Netz auf sein Ziel auf und wickelte sich um das Kalb …

»Betäuben Sie es!«, befahl Ferrol.

Die Scapa Flow bäumte sich wieder auf, diesmal viel heftiger, als das im Netz gefangene Kalb versuchte zu entkommen; doch noch während Ferrol in die Polsterung seines Sitzes zurückgeschleudert wurde, vernahm er das gedämpfte Plopp der Kondensatoren der Scapa Flow. Infolge der Sprühentladung leuchtete das Netz auf dem Bildschirm kurz auf … und das Kalb hörte auf, sich zu bewegen.

Auf der anderen Seite der Brücke fluchte Reese leise, aber andächtig. »Sie haben es geschafft. Sie haben es tatsächlich geschafft.«

Ferrol fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Vorausgesetzt, wir haben es nicht umgebracht. Mal?«

Demarco breitete die Arme aus. »Wer kann bei einem Raumpferd seiner Sache sicher sein? Anscheinend ist es aber in Ordnung.«

»Gut.«

Ferrol wurde auf ein blinkendes Lämpchen aufmerksam; der mittlere Rumpf der Scapa Flow, der jetzt durch die Entladung des Kondensators hoch positiv geladen war, drohte, einen Lichtbogen zum äußeren Rumpf zu bilden. »Ich schließe zum äußeren Rumpf kurz«, verkündete Demarco und griff nach dem entsprechenden Schalter.

»Warten Sie einen Augenblick.« Ferrols Nackenhaare kribbelten warnend. Wenn sie den inneren und den äußeren Rumpf kurzschlossen, würde der äußere Rumpf positiv geladen bleiben, bis er genügend Sonnenwind-Elektronen eingefangen hatte, um das Ungleichgewicht zu neutralisieren … Das hieß, dass der Mitsuushi-Antrieb erst wieder eingesetzt werden konnte, wenn dieser Vorgang abgeschlossen war. »Geben Sie mir zuerst einen vollständigen Überblick über das Gebiet«, befahl er Demarco. »Suchen Sie vor allem nach Anzeichen dafür, ob sich das Schiff, das wir vorher registriert haben, in der Nähe herumtreibt.«

Demarco nickte kurz und machte sich an den Scannern zu schaffen. Ferrol wartete und versuchte, die regelmäßig aufleuchtende Warnung vor einem Lichtbogen zu übersehen, bis Demarco sich aufrichtete. »Sieht sicher aus«, berichtete er. »Natürlich kann es irgendwo im Hintergrund lauern und die Mitsuushi-Abfangschlinge bereits einprogrammiert haben.«

Ferrol biss sich auf die Unterlippe. Das war natürlich eine Möglichkeit … »Also gut«, sagte er langsam. »Schließen Sie zum äußeren Rumpf kurz; dann isolieren Sie den mittleren Rumpf wieder und lassen Sie die Kondensatoren aufladen. Laden Sie auch den Reservekondensator auf.«

Demarco sah ihn erstaunt an, nickte aber. »In Ordnung.« Es krachte wieder – »Ladung zum äußeren Rumpf abgeleitet«, meldete er. »Äußerer Rumpf jetzt isoliert … Aufladen beginnt.«

»Gut«, sagte Ferrol, wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Raumpferd-Kalb zu und startete die Prozedur für die Luftschleuse. »Townne und Hlinka, ihr setzt euch in Bewegung – das Raumpferd muss in einer halben Stunde transportfertig sein.«

»In Ordnung, Chay …«

»Abnormale Bewegung!«, fuhr Demarco dazwischen. »Entfernung fünftausend Kilometer, kommt direkt auf uns zu.«

»Was?«, keuchte Reese. »Um Himmels willen, Ferrol …«

Auf Ferrols Schaltpult leuchtete das Lämpchen des Laser-Funkgeräts auf. »Nicht identifiziertes Schiff«, sagte eine ruhige Stimme aus dem Lautsprecher, »hier spricht Captain Haml Roman an Bord der K.R.S. Dryden. Ich befehle Ihnen, Ihren Antrieb abzuschalten und zu warten, bis wir an Bord kommen.«

»Wie ich sehe, habe ich recht gehabt«, bemerkte Ferrol in die Stille. »Es war ein ungewöhnlich geduldiger Captain. Sie sollten das Festmachen des Kalbs aufschieben, Townne.«

»Mein Gott«, stöhnte Reese, »Sie werden sich doch nicht ergeben? Wenn man mich hier findet …«

»Halten Sie den Mund oder verlassen Sie die Brücke«, unterbrach ihn Ferrol unbeeindruckt, während er die Anzeigen überflog. Das Kriegsschiff bewegte sich nicht sehr schnell, aber sogar bei seiner jetzigen Geschwindigkeit würde es sich in maximal zehn Minuten in einer Entfernung befinden, in der seine Mannschaft fünf Minuten später an die Luftschleusentür des Scapa Flow klopfen konnte. Bis dahin konnte die Scapa Flow nicht mit dem Mitsuushi-Antrieb das Weite suchen; den übrigen Anzeigen war zu entnehmen, dass die Dryden ihre Ionenstrahlen auf den Rumpf der Scapa Flow gerichtet hatte, ihn sowie den daran befestigten Mitsuushi-Ring auflud und ihn damit unbrauchbar machte.

Das heißt, die Dryden versuchte, den Rumpf aufzuladen. In diesem Augenblick war er infolge der vorhergehenden Entladung der Kondensatoren voll aufgeladen, so dass die Strahlung der Dryden zum größten Teil ohne Schaden anzurichten in den Weltraum abgelenkt wurde. Die Situation sagte Ferrol überaus zu … und es war durchaus möglich, dass sein Gegenspieler auf der Dryden sie nicht bemerkt hatte. »Status der Kondensatoren, Mal.«

»Hauptanlage braucht noch drei Minuten bis zur vollen Kapazität«, berichtete Demarco. »Reserveanlage braucht weitere vier Minuten.«

Ferrol nickte und gab auf seinem Zeitschalter einen Countdown ein, den er im Auge behalten konnte. Es würde knapp werden. »Versuchen wir einmal, auf Zeit zu spielen«, sagte er zu niemand Bestimmten.

Er schaltete die Kommunikationskontrolle ein und dazu den brandneuen Domino III-Stimmenrefraktor, wobei er mit grimmiger Befriedigung dachte, welche Mühe es ihn gekostet hatte, dem Senat das Geld für diesen Apparat zu entreißen. Der Domino veränderte den Ton und die Frequenzen seiner Stimme unmerklich, so dass das andere Schiff nie herausbekommen konnte, mit wem es sprach. Der Senator hatte behauptet, dass das Gerät Geldverschwendung war, Ferrol hatte ihn vom Gegenteil überzeugt.

Ein Licht ging an: Der Laser der Scapa Flow war auf sein Ziel eingestellt. »Captain, hier spricht Professor John English an Bord des Forschungsschiffes Milan«, meldete er sich, und verlieh seiner Stimme einen Hauch professioneller Muffigkeit. »Wir führen hier eine äußerst heikle Aufgabe durch, und wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns nicht näherkämen.«

»Tatsächlich?«, fragte sein Gegenspieler. »Darf ich mich erkundigen, um was für eine Aufgabe es sich dabei handelt?«

»Natürlich. Wir beringen Raumpferde.« Ferrol bemerkte, dass die Dryden keineswegs langsamer geworden war. Er hatte es eigentlich nicht erwartet. »Wir versuchen, mehr über ihre Bewegungsabläufe und sozialen Gewohnheiten herauszubekommen. Ich nehme allerdings an, dass ein einfacher Beamter wie Sie nicht von dem Projekt erfahren hat.«

»Die esoterischen wissenschaftlichen Journale bekommen wir beim Dienst an der Grenze tatsächlich nicht an Bord geliefert«, antwortete der Captain so trocken, dass klar war, dass er kein Wort glaubte. »Sie werden vermutlich sechsunddreißig Quadratkilometer Tachyon-Sender/Empfänger an ihnen befestigen, nicht wahr?«

»Unsere Version ist wesentlich kompakter«, improvisierte Ferrol mühelos. »Es handelt sich um ein experimentelles System, das nur willkürliche Echosignale von Tachyon-Statik übertragen kann. Wir hoffen, dass irgendwann eine verbesserte Version für eine direkte Schiff-Schiff- oder Schiff-Erde-Kommunikation herauskommen wird.«

»Sicherlich ein würdiges Ziel. Aber weil wir gerade von Schiffen sprechen, könnten Sie uns vielleicht erklären, warum das Ihre nicht in unserem Register enthalten ist?«

»Wir sind wahrscheinlich zu neu.« Während Ferrol sprach, war seine Aufmerksamkeit vor allem auf den Kondensator-Countdown-Zeitmesser und die Vorgänge auf dem taktischen Hauptdisplay gerichtet. Die Scapa Flow befand sich beinahe breitseitig zum Annäherungsvektor der Dryden, eine schlicht lausige Position. »Wir haben uns erst vor zwei Monaten eintragen lassen, kurz vor unserem Abflug«, fügte er hinzu. »Sie sollten wirklich dafür sorgen, dass Ihr Register auf dem laufenden gehalten wird.«

»Natürlich – das ist es«, sagte der andere. »Das Verfahren wird sicherlich einfacher werden, sobald Sie Ihren Wunder-Mikro-Tachyon-Sender/Empfänger besser im Griff haben. Ich nehme an, dass Sie außer Ihren Registrierungspapieren keine schriftliche Erlaubnis von den Tampies besitzen, in ihrem Yishyar-System herumzuschnüffeln.«

»Selbstverständlich besitzen wir die Erlaubnis.« Ferrol bemühte sich, gleichzeitig arrogant und beleidigt zu klingen. »Und eine Senatsdirektive, und eine Freigabe von der Raumflotte, und ein weiteres halbes Dutzend offizieller Bewilligungen. Es ist verblüffend, wie viel Papierkram erforderlich ist, um eine einfache wissenschaftliche Expedition durchzuführen. Ich muss nur das Ganze aus den Dateien ausgraben, dann schickt Ihnen mein Computer die Kopien hinüber.« Er schaltete die Verbindung ab. »Sobald ich es befehle, Mal, schwenken Sie ab, so dass sich das Kalb zwischen uns und der Dryden befindet. Denken Sie nicht darüber nach, dass die Gurte oder das Netz überbeansprucht werden, wir behalten sie ohnehin nicht.«

»Verstanden – bleiben Sie noch dran«, unterbrach ihn Demarco. »Soeben ist ein weiterer Echoimpuls aufgetaucht. Direkt hinter uns … sieht wie ein verdammtes Tampy-Schiff aus.«

Ferrol atmete zischend aus. »Befehl unverändert. Sobald ich es sage, verschwinden wir hinter das Kalb.«

»Damit bekommt uns das Tampy-Schiff in voller Größe zu sehen«, mischte sich Reese ein. »Wir werden sogar breitseits zu ihm liegen …«

»Das spielt keine Rolle«, unterbrach ihn Ferrol. »Sie sind zu weit entfernt, um uns mit einem Ionen-Strahl zu erreichen, falls sie überhaupt einen haben, und sie werden kaum etwas Stärkeres verwenden.«

Reese betrachtete stirnrunzelnd das taktische Display. »Warum nicht?«

»Natürlich deshalb, weil sie das Kalb treffen könnten«, knurrte Ferrol. »Außerdem glaube ich nicht, dass sie so etwas ohne Erlaubnis tun würden, noch dazu, wenn die Dryden zusieht.« Er schaltete den Sprechfunk wieder ein und warf dabei einen Blick auf den Zeitmesser. »Nur noch einen Augenblick, Captain. Wir haben den ganzen Stoß Papiere hier und kopieren sie für die Übertragung.«

»Aber natürlich«, antwortete der andere beinahe beruhigend. »Es hat mir Spaß gemacht, Captain, aber wir haben es jetzt zu Tode geritten. Machen wir weiter und lassen wir es gut sein, oder sind Sie tatsächlich entschlossen, noch mehr Zeit zu vergeuden, indem Sie gefälschte Dokumente übermitteln?«

Ferrol presste die Lippen zusammen. Er hasste nichts mehr, als von der Gegenseite mit herablassendem Humor behandelt zu werden.

»Teilen Sie mir hiermit offiziell mit, dass ich verhaftet bin?«, fragte er.

»Betrachten Sie es als offizielle Mitteilung. Sie haben doch nicht wirklich erwartet, dass Sie mit Ihrem Seemannsgarn durchkommen?«

»Es war den Versuch wert. Sie wären erstaunt, wie viele Leute ihr Gehirn abschalten, wenn man ihnen ein offiziell aussehendes Papier vor die Nase hält.« Ferrol schnippte mit den Fingern und gab Demarco ein Zeichen. Dieser nickte und der Antrieb erwachte plötzlich zum Leben, so dass Ferrol in seinen Sitz gedrückt wurde.

Er erwartete, dass der Captain der Dryden auf sein Manöver überrascht oder sogar zornig reagieren würde, aber falls dieser verärgert war, merkte man es seiner Stimme nicht an. »Was immer Sie vorhaben, Captain – ich kann Ihnen versichern, dass es nicht funktionieren wird«, erklärte er ruhig. »Unsere Sensoren zeigen eine hohe positive Ladung im Rumpf und im Mitsuushi-Ring an, und wir wissen beide, dass Sie uns im Normalraum unmöglich abhängen können.«

»Ich hoffe, dass meine Leute an Bord Ihres Schiffes gebracht werden, nachdem wir offiziell verhaftet worden sind«, sagte Ferrol, ohne auf die Bemerkung des anderen einzugehen. Die Scapa Flow fing jetzt an, sich in Bewegung zu setzen; noch eine Minute, und die Ionen-Strahlen der Dryden würden zumindest teilweise durch das friedliche Raum-Kalb blockiert sein, das noch immer ins Netz gewickelt war. »Ich möchte außerdem nicht, dass Ihre Freunde mit den geschmolzenen Gesichtern mein Schiff in die Hände bekommen.«

»Sie haben etwas gegen die Tampies?«

Einen Augenblick lang kam die Erinnerung wieder, aber Ferrol unterdrückte sie unbarmherzig. Er konnte sich gerade jetzt keine emotionelle Ablenkung leisten. »Drücken wir es so aus, dass ich weiß, wozu sie fähig sind«, antwortete er kurz. »Obwohl die Propaganda des Senats das Gegenteil behauptet.«

Der Captain der Dryden dachte offenbar darüber nach. »Ein interessanter Kommentar«, sagte er nach einem Augenblick. »Vielleicht können wir uns auf dem Rückflug näher mit dem Thema befassen. Zufälligerweise stehen die Tampies da draußen überhaupt nicht mit dieser Geschichte in Verbindung.«

Ferrol fluchte leise. »Es spielt ohnehin keine Rolle. Auch wenn sie nicht aufgetaucht sind, um zuzusehen, wie Sie Jagd auf Wilddiebe machen, steht fest, dass Ihnen die ursprünglichen Befehle von den Tampies erteilt wurden.«

Die Pause war kurz, aber sie reichte, um Ferrol zu bestätigen, dass er einen wunden Punkt berührt hatte. »Wir haben unsere Befehle vom Senat erhalten, Captain«, sagte der andere gelassen.

»Eigentlich müssten Sie auf unserer Seite stehen«, erklärte Ferrol. »Solange die Tampies das Monopol auf den Besitz und den Einsatz der Raumpferde haben, müssen Sie und ich und die ganze Kordonale nach ihrer Pfeife tanzen. Die einzige Möglichkeit, um diese Macht zu brechen …«

»Treffen Sie die notwendigen Vorbereitungen, Captain, um meine Leute an Bord Ihres Schiffes zu empfangen.« Die Stimme des anderen klang nicht mehr scherzhaft. Ferrol biss die Zähne zusammen. Es war den Versuch wert, dachte er. Und, was wichtiger war, es hatte der Scapa Flow die Zeit verschafft, die sie brauchte. Das Schiff befand sich in der richtigen Position; laut dem Zeitmesser waren es noch fünfzehn Sekunden bis zur vollen Aufladung. Ferrol schaltete den Laser aus und die Bordsprechanlage für das ganze Schiff ein. »Mitsuushi in zwanzig Sekunden«, gab er bekannt. »Und halten Sie sich fest, es könnte stürmisch werden.« Er wandte sich Demarco zu. »In dem Augenblick, in dem die Kondensatoren voll aufgeladen sind, feuern Sie beide auf die Gurte ab«, wies er ihn an. »Wenn ich mich nicht geirrt habe, werden wir den Mitsuushi nur einige Sekunden lang haben – versäumen Sie das Fenster nicht.«

»Ferrol, was …?«

»Klappe, Reese!«, unterbrach ihn Ferrol, der den taktischen Display nicht aus den Augen ließ. Die Dryden trieb jetzt seitlich und schwang um das Raumpferd-Kalb herum, um wieder ein freies Schussfeld für die Ionenstrahlen zu bekommen. Ein gemächliches Manöver – bei den derzeitigen Schwankungen des Sonnenwindes würde es eine Stunde oder länger dauern, bis die Ladung des Rumpfs der Scapa Flow neutralisiert war, und das wusste der Captain des anderen Schiffs. Ferrol drückte sich im Geist die Daumen, ließ sich tiefer in seinen Stuhl sinken und sah zu, wie der Zeitmesser auf Null zurückkehrte. »Los!«, befahl er.

Der doppelte Knall erschütterte das Schiff und hallte noch in Ferrols Ohren wider, als das Hauptdisplay hell aufleuchtete. »Wir haben gerade das Netz und die Gurte verloren!«, rief Demarco, während der Rumpfbelastungsalarm zu trillern begann. »Der Strom muss sie verdampft haben.«

»Bereitmachen!«, rief Ferrol, ohne den Oberflächen-Aufladungsindikator aus den Augen zu lassen. Vor der Scapa Flow vereinigten sich die freien Elektronen der beiden Kondensatoren mit denen der verdampften Netzfasern, und die ganze Masse stürzte sich mit Van-de-Graaff-Geschwindigkeit auf das elektronenärmste Objekt in ihrer Reichweite.

Die Tonhöhe des Rumpf-Stressalarms stieg, aber Ferrol hörte ihn kaum. Auf seinem Schirm zeigten die Mitsuushi-Sensoren an, dass die positive Ladung wie ein Stein fiel …

»Der Rumpf ist neutral«, schnauzte er Demarco an. »Los!«

Einen Augenblick später waren das Raumpferd-Kalb, die Dryden und die Sterne verschwunden.

Sie hatten es geschafft.

Ferrol holte tief Luft. Es hat funktioniert, dachte er. »Status?«

»Der Mitsuushi ist in Ordnung, aber wacklig«, meldete Visockys Stimme aus dem Maschinenraum. »Wenn wir nicht in einer Stunde durchbrechen, tun es die Maschinen von sich aus. Die Ladung, die die Kondensatoren auf den mittleren Rumpf übertragen haben, muss abgeleitet werden, und zwar bald.«

Ferrol nickte. »Wir brechen in drei Minuten durch, ändern den Kurs und behalten ihn zehn Minuten lang bei. Wenn wir soweit sind, sollten wir so viel Zeit für das Putzen haben, wie wir wollen, ohne dass wir uns wegen unerwarteter Gesellschaft Sorgen machen müssen.«

Er schaltete ab, drehte sich um und stellte fest, dass Reese ihn ansah. Sein Gesichtsausdruck … »Haben Sie etwas zu sagen, Reese?«

»Wir sind nach Hause unterwegs, nehme ich an?«

»Etwas anderes hätte nicht viel Sinn«, erwiderte Ferrol. »Irgendwann werden die Pro-Tampies ihre Yishyar-Patrouillen einstellen. Bis dahin können wir nicht sehr viel unternehmen. Es sei denn, Sie wollen auf gut Glück Systeme absuchen.«

»Eigentlich nicht.« Reese warf einen Blick auf den abgeschalteten Hauptdisplay. »Sie sind ein verdammtes Risiko eingegangen. Ich verstehe nicht sehr viel von Raumschiffen, aber ich weiß, dass ein größerer Blitz zwischen der Scapa Flow und dem Raumpferd-Kalb sowohl die Mikro-Schweißnähte des Rumpfs als auch den Mitsuushi-Ring erledigen könnte.«

Ferrol sah ihn an. »Sie haben vollkommen recht, Mr. Reese. Sie verstehen wirklich nicht viel von Raumschiffen.«

Reeses Augen wurden hart. »Sie hätten die Kondensatorladung direkt an den äußeren Rumpf nebenschließen können«, sagte er angriffslustig. »Es war nicht notwendig, das Netz und die Gurte zu verdampfen.«

»Ich wollte die zusätzliche Elektronenwolke zwischen uns und der Dryden haben, falls sie wieder versuchten, den Ionenstrahl einzusetzen.« Ferrol bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Außerdem, wenn wir an den Rumpf nebengeschlossen hätten, wären wir andere Risiken eingegangen.«

»Und außerdem haben Sie gehofft, dass der zusätzliche Stromstoß das Kalb töten würde, nicht wahr?«

Auf der Brücke war es still geworden. Die Spannung hätte das Kalb tatsächlich töten können. Bei dieser Vorstellung verkrampfte sich Ferrols Magen … aber er würde Reese gegenüber nie zugeben, dass er sentimental war. »Das Raumpferd-Kalb hatten wir gefangen«, sagte er so hart, als meine er es tatsächlich. »Wenn wir das Tier nicht bekommen, kriegen es auch die Tampies nicht.«

Reese holte vorsichtig Luft. »Ich verstehe.«

»Das bezweifle ich. Aber ehrlich gesagt, es ist mir gleichgültig … und für den Rest der Reise werden Sie auf der Brücke nicht mehr gebraucht.«

Reese schnallte sich mit unbewegtem Gesicht los und ging zur Tür. »Das wird der Senator erfahren.«

»Daran zweifle ich nicht«, erklärte Ferrol. »Es ist mir ebenfalls egal.«

Die Tür fiel hinter Reese zu und Ferrol seufzte müde und wandte sich wieder dem Display zu. Es war vielleicht der Anfang vom Ende. Nicht einmal die Hintermänner der Scapa Flow begriffen mehr, wie rasierklingendünn die Schneide war, auf der die Kordonale balancierte. Sogar sie ließen sich durch die Beteuerungen der Tampies, dass sie nur Frieden und Freundschaft wollten, einlullen.

Oder sie hatten den Mut verloren. In beiden Fällen …

In beiden Fällen musste ein ernstes Gespräch geführt werden, sobald die Scapa Flow nach Hause kam.

Ein sehr ernstes Gespräch.

Auf der Brücke herrschte lange Schweigen, und zwar jenes Schweigen, das Roman mit ungläubiger Verblüffung assoziierte.

So empfand er es jedenfalls. Unglauben … und tiefen persönlichen Ärger.

Der Wilddieb hatte ihn geschlagen.

Er holte tief Luft. »Haben wir bei der Geschichte so etwas wie einen Abflugvektor registrieren können, Lieutenant Nussmeyer?«

»Ich glaube schon, Sir, ja«, erwiderte der Gefragte. »Obwohl er den Kurs nicht lange beibehalten wird, wenn er klug ist.«

Roman betrachtete Nussmeyer, auf dessen Gesicht etwas lag, das verdächtig nach Ehrfurcht aussah. »Und Sie nehmen an, dass er so klug ist?«

Nussmeyer wurde rot. »Entschuldigen Sie, Sir, ich habe nur …« Er machte eine hilflose Handbewegung. »Man muss einen Mann bewundern, der ein solches Risiko eingeht und damit durchkommt.«

»Ich muss?«

Nussmeyer wurde wieder rot und verstummte … Aber als Roman sich auf der Brücke umsah, erkannte er, dass er diese Schlacht bereits verloren hatte. Die Bemerkung des Wilddiebs, dass die Dryden ihre Befehle von den Tampies erhielt, hatte ihm unterschwellig aber deutlich die Sympathie der Besatzung eingetragen – und dazu kam, dass das Tampy-Schiff im verdammt ungünstigsten Augenblick aufgekreuzt war. Es war vielleicht gut, dachte Roman, dass sie keine Chance hatten, den Verräter aufzuspüren. Die Besatzung der Dryden wäre ohnehin nicht rückhaltlos bei der Sache gewesen.

Diese verdammten Tampies. Er schaltete unvermittelt das Funkgerät ein. Falls die Tampies tatsächlich hier waren, um seine Jagderfolge zu begutachten – »Tampy-Schiff, hier spricht Captain Haml Roman an Bord der Dryden«, meldete er sich schärfer, als er vorgehabt hatte. »Eure Anwesenheit in diesem Teil des Systems unterstützt uns nicht gerade bei unserem Auftrag, die Wilddiebe zu fangen. Wäre es vielleicht möglich, dass ihr eure Operationen in ein anderes Gebiet verlagert?«

»Ich höre«, antwortete die greinende fremde Stimme sofort. »Wir führen hier keine Operationen durch, Rro-maa. Wir bringen eine Botschaft von deinen Leuten für dich.«

Roman blinzelte. Diese Antwort hatte er nicht erwartet. »Ich verstehe. Übermittelt die Botschaft, wir sind auf Empfang.«

Auf dem Bildschirm erschien kurz eine Anzeige. »Leb wohl«, sagte der Tampy und verschwand im nächsten Augenblick vom Monitor.

Die Mitteilung war kurz, aber trotzdem eine Bombe. Roman las sie zweimal, bevor er aufblickte. »Programmieren Sie den Kurs zurück nach Solomon ein, Lieutenant«, befahl er Nussmeyer. »Setzen Sie das Schiff in Bewegung, sobald der Mitsuushi soweit ist.«

»Schwierigkeiten?«, fragte Trent.

Roman schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht sicher. Die Nachricht lautet nur, dass wir zurückfliegen sollen, weil die Überholung für das Projekt Amity beendet ist.«

Trent runzelte die Stirn. »Das ist alles? Was wollen sie von uns – dass wir bei der Amity vorbeifliegen und sie durch einen Flyby in Schwung bringen?«

»Eigentlich nicht«, meinte Roman. »Vor allem wollen sie mich haben … als Captain der Amity.«

3. Kapitel

Das Kurierschiff, das Roman von Solomon zum Kialinninni-System der Tampies gebracht hatte, war ein alter Kahn gewesen, der vor seiner Pensionierung stand oder diesen Zeitpunkt sogar bereits überschritten hatte. Wenn Aussehen und das gelegentliche Knarren der Stützstreben ein Hinweis waren, dann war das Shuttle, das ihn jetzt zur Kialinninni-Sonne und dem Raumpferd-Corral der Tampies brachte, vom gleichen Jahrgang. Eine ständige Erinnerung daran, dass ein wesentlicher Teil des Senats und der Raumflotte dem Amity-Projekt verächtlich oder sogar misstrauisch gegenüberstanden … und dass es sich dabei um die Fraktion handelte, die über die Verwendung der zweckgebundenen Mittel entschied. »Ich hoffe, dass sich die Amity in besserem Zustand befindet als dieser Kasten«, bemerkte er.

Der Pilot grinste. Er wirkte genauso unspektakulär wie das Shuttle: Ein Lieutenant mittleren Alters, der offenbar den Gipfel seiner Laufbahn vor Jahren erreicht hatte und einfach hier hängengeblieben war. Im Gegensatz zur Hardware spürte man bei ihm unter der Oberfläche noch etwas; eine sanft flackernde Flamme der Begeisterung oder des Optimismus, die weder die amtliche Geringschätzung noch die gekürzten Budgets erstickt hatten.

Roman hatte diesen beinahe religiösen Glauben bei den glühendsten Anhängern der Tampies kennengelernt. Er wusste noch nicht, ob er das Phänomen als ermutigend oder erschreckend einstufen sollte.

»Machen Sie sich keine Sorgen, Sir«, beruhigte ihn der Pilot. »Die Amity ist eine Schönheit – brandneu, das beste innerhalb der Systeme eingesetzte Frachtschiff, und sie wurde vollkommen umgebaut. Sie verfügt über eine viel bessere Ausrüstung und bessere Quartiere als alles, was sonst fliegt. Auf jeden Fall besser als alles, womit ich jemals geflogen bin.«

Was unter Umständen nicht viel bedeutete. »Das hört man gern.« Roman warf einen Blick aus dem Fenster des Steuerraums. »Können wir sie von hier aus sehen?«

»Gerade noch, Sir.« Der Pilot zeigte nach vorn. »Das dort drüben ist die Amity – die Stelle am Rand der Corrals, an der sich das Sonnenlicht spiegelt.«

Roman runzelte die Stirn. »Das gehört zum Corral? Ich habe angenommen, dass er sich dort drüben befindet.« Er zeigte um dreißig Grad weiter nach links, wo im schwachen rötlichen Licht der Rand einer Raumstation zu sehen war. Daneben erkannte man die Umrisse von drei Raumpferden, hinter denen sich kleine Schiffe befanden. Es waren beinahe sicher Kurierschiffe; die Tampies hatten sich eigensinnig geweigert, die Tachyon-Sender/Empfänger der Kordonale für ihre interstellare Kommunikation zu verwenden.

»Das ist nur der Mittelteil«, erklärte der Lieutenant, »der sogenannte Fokus. Dort befinden sich die Verwaltungsgebäude, Quartiere für die diensthabenden Betreuer und das medizinisch-wissenschaftliche Studienzentrum. Die Einfriedung des Corrals erstreckt sich gut weitere dreihundert Kilometer in beide Richtungen.« Er grinste. »Der Platz reicht sogar bei Raumpferden dafür, dass sie bewegt werden.«

Roman musterte das angegebene Gebiet noch immer misstrauisch. Weil er sie jetzt suchte, entdeckte er einige Raumpferde, die allein in einem Gebiet herumtrieben, das wie leerer Raum aussah. »Womit ist der Corral eingezäunt? Mit Netzen?«

»Hauptsächlich, Sir. Es ist ein Doppelnetz, das an einem geodätischen Gerüst befestigt ist, so dass es nicht die Form verliert.«

Roman sah zu der düsteren roten Sonne hinüber. »Was hindert sie also daran, einfach hinauszuspringen? Vielleicht die Tatsache, dass sie sich in der Nähe der Sonne in einem niedrigen Schwerkraftpotenzial befinden?«

»Zum Teil, Sir. Sprünge erfolgen zwischen Oberflächen mit gleichem Potenzial, und praktisch jeder Stern, den die Pferde von hier aus sehen können, ist wesentlich größer und heißer. Deshalb haben die Tampies ihren Corral hier angelegt – diese Sonne ist kühl, aber sehr dicht, und jeder Sprung aus dem Corral würde das Raumpferd verdammt nahe an seine Zielsonne heranbringen. Aber das ist nicht alles.« Er betätigte einige Schalter am Navigationsdisplay, und das Schema eines Netzabschnitts erschien. »Die Knötchen an den Kreuzungspunkten des Gerüsts sind die Endpunkte von Lichtröhren. An den anderen Enden sind Linsen angebracht, die nach außen auf bestimmte Sterne gerichtet sind.«

Roman begriff allmählich. »Die Raumpferde sehen in diese Lichtröhren und erblicken ein normales Sternenspektrum, aber weil es sich dabei nicht um echte Sterne handelt, können sie kein Ziel erfassen, zu dem sie springen können. Wie immer sie das anstellen.«

»Richtig, Sir«, sagte der Lieutenant und nickte. »Das vorgetäuschte Sternenlicht verbirgt die wirklichen Sterne hinter ihm – ein zusätzlicher Pluspunkt. Einfach, aber elegant.«

Romans Lippen zuckten. Einfach, aber elegant – die feststehende Redewendung, mit der Tampy-Anhänger die Technologie der Tampies beschrieben. Die übliche Antwort der Anti-Tampianer lautete: Schlicht und primitiv. »Es funktioniert jedenfalls«, gab Roman zu. »Wie haben Sie das alles herausbekommen?«

»Ich habe natürlich die Tampies gefragt. Sie sind ausgesprochen scharf darauf, uns ihre Arbeitsweise beizubringen.«

»Vorausgesetzt, dass jemand wirklich etwas lernen will.«

Der Pilot sah ihn merkwürdig an. »Natürlich, Sir. Sie glauben doch nicht, dass uns die Tampies ihre Ansichten aufzwingen würden?«

»Auf den geteilten Welten versuchen sie es jedenfalls.« Roman gab der Versuchung nach, den Advocatus diaboli zu spielen. »Passiver Widerstand ist trotzdem Widerstand.«

Es war, als hätte jemand einen Teil der Persönlichkeit des Lieutenants ausgeschaltet. »Ja, Sir«, sagte er steif und förmlich.

Roman ließ die kühle Stille einen Augenblick lang in der Luft hängen. »Sie wissen ja, Lieutenant«, begann er im Plauderton, »dass jemand, der bei einer Debatte nicht beide Seiten verstehen kann, nie imstande sein wird, über reine Rhetorik und die Gefühle hinwegzukommen und einen gemeinsamen Nenner zu finden.«

»In diesem Fall gibt es vielleicht keinen gemeinsamen Nenner, Sir.«

»Es gibt immer einen gemeinsamen Nenner«, widersprach Roman scharf. »Und er kann immer gefunden werden, wenn jemand bereit ist, ihn zu suchen. Immer!«

Er beobachtete sein Gegenüber und sah, wie Anspannung und Zorn nachließen. »Ich habe verstanden, Sir«, murmelte der Lieutenant. Er sah Roman an und lächelte leicht.