Star Wars™ Thrawn - Der Aufstieg - Verborgener Feind - Timothy Zahn - E-Book

Star Wars™ Thrawn - Der Aufstieg - Verborgener Feind E-Book

Timothy Zahn

0,0
11,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wie wurde Großadmiral Thrawn zu einem der brillantesten »Star Wars«-Bösewichte? Der zweite Band der neuen Thrawn-Trilogie von SPIEGEL-Bestsellerautor Timothy Zahn

Thrawns jüngster Triumph war spektakulär. Seitdem wiegen sich die neun Herrscherfamilien der Chiss-Aszendenz in trügerischer Sicherheit. Denn der Feind im Hintergrund ist auf eine neue Taktik umgestiegen. Er stellt kein Ultimatum, er zieht keine Flotten zusammen. Stattdessen tarnt er seine Waffen mit einem Lächeln und Geschenken. Als Thrawn das Komplott aufdeckt, erkennt er die erschreckende Wahrheit. Anstatt in die Hauptstädte der Chiss einzumarschieren, greift der Feind das Fundament der Aszendenz an. Während das Vertrauen zwischen den Herrscherfamilien zersetzt wird, muss nicht nur Thrawn für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: die Sicherheit seiner Familie oder das Überleben der Aszendenz selbst.


Alle »Star Wars«-Romane über Thrawn:
Die Thrawn-Trilogie (Legenden)
1. Erben des Imperiums
2. Die dunkle Seite der Macht
3. Das letzte Kommando

Die Thrawn-Trilogie (Kanon)
1. Thrawn
2. Thrawn – Allianzen
3. Thrawn – Verrat

Die Aufstieg-Trilogie (Kanon)
1. Drohendes Unheil
2. Verborgener Feind
3. Teurer Sieg

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 634

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Thrawns jüngster Triumph war spektakulär. Seitdem wiegen sich die Neun Herrscherfamilien der Chiss-Aszendenz in trügerischer Sicherheit. Denn der Feind im Hintergrund ist auf eine neue Taktik umgestiegen. Er stellt kein Ultimatum, er zieht keine Flotten zusammen. Stattdessen tarnt er seine Waffen mit einem Lächeln und Geschenken. Als Thrawn das Komplott aufdeckt, erkennt er die erschreckende Wahrheit. Anstatt in die Hauptstädte der Chiss einzumarschieren, greift der Feind das Fundament der Aszendenz an. Während das Vertrauen zwischen den Herrscherfamilien zersetzt wird, muss nicht nur Thrawn für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: die Sicherheit seiner Familie oder das Überleben der Aszendenz selbst.

Autor

Timothy Zahn wurde 1951 in Chicago geboren, lebt in Oregon und ist heute einer der beliebtesten Science-Fiction-Autoren der USA. Für seine Novelle »Cascade Point« wurde Zahn mit dem renommierten Hugo Award ausgezeichnet.

Alle »Star Wars«-Romane über Thrawn:

Die Thrawn-Trilogie (Legenden)

1. Erben des Imperiums

2. Die dunkle Seite der Macht

3. Das letzte Kommando

Die Thrawn-Trilogie (Kanon)

1. Thrawn

2. Thrawn – Allianzen

3. Thrawn – Verrat

Die Ascendancy-Trilogie (Kanon)

1. Drohendes Unheil

2. Verborgener Feind

3. Teurer Sieg

Timothy Zahn

ThrawnDer Aufstieg

Verborgener Feind

Deutsch von Andreas Kasprzak

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel »Star Wars™ Greater Good (Thrawn Ascendancy 2)« bei Del Rey, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC, New York.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright der Originalausgabe Copyright © 2021 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved.

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2023 by Blanvalet in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Alexander Groß

Umschlaggestaltung: Isabelle Hirtz, Inkcraft nach einer Originalvorlage © & TM 2022 LUCASFILMLTD

Umschlagmotiv und -design: Sarofsky

HK · Herstellung: sam

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-28468-8V002

www.blanvalet.de

Für alle, die erkannt haben, dass das »Höhere Gut« selten gut für alle ist.

DRAMATIS PERSONAE

Thrawn // Mitth’raw’nuruodo – Meriten-Adoptivling der Mitth-Familie

Ziara // Irizi’ar’alani – Blutmitglied der Irizi-Familie

Thalias // Mitth’ali’astov – Meriten-Adoptivling der Mitth-Familie

Thurfian // Mitth’urf’ianico – Syndic der Mitth-Familie

Samakro // Ufsa’mak’ro – Meriten-Adoptivling der Ufsa-Familie

General Ba’kif

Che’ri // Himmelsläuferin

Qilori von Uandualon // Pfadfinder-Navigator (Nicht-Chiss)

General Yiv der Wohlwollende // Nikardun-Kommandant

DIE CHISS-ASZENDENZ

Die Neun Herrschenden Familien

Ufsa Plikh

Irizi Boadil

Dasklo Mitth

Clarr Obbic

Chaf

Chiss-Familienränge

Blut Geprüfter

Vetter Meriten-Adoptivling

Drittrangiger

Politische Hierarchie

Patriarch // Kopf der Familie

Sprecher // Haupt-Syndic der Familie

Syndic // Mitglied des Syndicure, des primären Regierungsorgans

Patriel // Handhabung von Familienangelegenheiten auf planetarer Ebene

Konzillar // Handhabung von Familienangelegenheiten auf lokaler Ebene

Aristokra // Mittleres Mitglied einer der Neun Herrschenden Familien

Es war einmal vor langer Zeit jenseits einer weit, weit entfernten Galaxis …

Tausende Jahre lang war sie eine Enklave des Friedens inmitten des Chaos. Ein Knotenpunkt der Macht, ein Symbol der Stabilität, ein Leuchtfeuer der Integrität. Die Neun Herrschenden Familien stabilisieren sie von innen, die Expansive Verteidigungsflotte stabilisiert sie von außen. Ihren Nachbarn ist Frieden sicher, ihren Feinden der Untergang. Sie ist Licht und Kultur und Pracht …

Die Aszendenz der Chiss.

1. Kapitel

Während ihrer Zeit bei der Verteidigungsflotte des Expansionskommandos der Chiss hatte Admiralin Ar’alani mehr als fünfzig Schlachten und kleinere Scharmützel überstanden. Ihre Gegner bei diesen Konfrontationen waren ebenso unterschiedlich gewesen wie die Kämpfe selbst. Einige von ihnen hatten sich durch Gerissenheit ausgezeichnet, andere durch Vorsicht und wieder andere durch schreckliche Inkompetenz – vor allem Offiziere, die aus politischen Gründen in einen Rang weit über ihren Fähigkeiten befördert worden waren. Ihre Strategien und Taktiken waren ähnlich verschieden gewesen, mal simpel, mal undurchsichtig, mal unglaublich brutal. Und der Ausgang dieser Kämpfe war auch nicht immer gleich gewesen. Ein paarmal hatte es keinen klaren Sieger gegeben, oft war der Gegner unterlegen, und ein paarmal hatten auch die Chiss verloren.

Doch nie in all dieser Zeit hatte Ar’alani die Mischung aus Entschlossenheit, Grausamkeit und völliger Sinnlosigkeit erlebt, wie sie sich ihr nun darbot.

»Achtung, Vigilant, da kommen vier weitere von Steuerbord.« Die eindringliche Altstimme von Senior-Captain Xodlak’in’daro hallte aus den Brückenlautsprechern der Vigilant. Sie klang so ruhig wie eh und je.

»Verstanden, Grayshrike«, rief Ar’alani, und ihr Blick richtete sich auf das taktische Display. Vier weitere nikardunische Kanonenboote waren hinter dem kleinen Mond aufgetaucht und hielten mit vollem Schub auf die Vigilant zu. »Sieht so aus, als wären ein paar weitere Nachzügler zu Ihnen unterwegs«, bemerkte sie.

»Wir kümmern uns darum, Ma’am«, sagte Lakinda.

»Gut.« Ar’alani studierte die sechs Raketenboote, die aus dem Schatten des Schlachtkreuzers hervorgeschnellt waren – des Kreuzers, den sie und die beiden anderen Chiss-Schiffe vor fünfzehn Minuten zu Klump geschossen hatten. Dass sie sich dort bislang unbemerkt hatten verstecken können, kündete von Einfallsreichtum, und viele Kommandanten, die über ein solches Maß an Kompetenz verfügten, hätten es genutzt, um sich schnellstmöglich aus dieser offensichtlich hoffnungslosen Schlacht zurückzuziehen.

Diese letzten nikardunischen Streitkräfte hatten jedoch andere Pläne. Sie waren im Begriff, sich zu opfern, indem sie sich den Chiss-Schlachtschiffen entgegenwarfen. Ihr einziges Ziel schien, zumindest ein paar ihrer verhassten Feinde mit in den Tod zu nehmen.

Doch das würde nicht passieren. Nicht heute. Nicht bei Ar’alanis Schiffen. »Thrawn, die Grayshrike hat ein weiteres Nest von Nachtjägern aufgescheucht«, rief sie. »Können Sie sie unterstützen?«

»Sicher«, antwortete Senior-Captain Mitth’raw’nuruodo. »Captain Lakinda, falls Sie Ihr Schiff um dreißig Grad nach Steuerbord drehen, können wir Ihre Angreifer ins Kreuzfeuer nehmen.«

»Dreißig Grad, verstanden«, sagte Lakinda, und Ar’alani beobachtete, wie sich das Abbild der Grayshrike auf dem taktischen Display von den näher kommenden Raketenbooten fortneigte, hin zu Thrawn und seiner Springhawk. »Aber bei allem gebotenen Respekt der Admiralin gegenüber, ich glaube, das sind eher zahnlose Welpen als Nachtjäger.«

»Das sehe ich auch so«, stimmte Thrawn zu. »Falls es die Schiffe sind, von denen wir annahmen, dass sie bei der Explosion des Kreuzers untergingen, dann sollte jedes von ihnen nur noch eine Rakete haben.«

»Nach unserer Zählung sollten zwei von ihnen bereits alles verschossen haben«, erwiderte Lakinda. »Vermutlich kommen sie nur mit, um zu Märtyrern zu werden.«

»So, wie es aussieht«, warf Ar’alani ein, »sollte hier in nächster Zeit niemand mehr Loblieder auf Yiv den Wohlwollenden singen. Wutroow?«

»Sphären sind bereit, Admiralin«, meldete Senior-Captain Kiwu’tro’owmis von der anderen Seite der Brücke. »Auf Ihr Kommando machen wir Ihnen einen Strich durch die Rechnung.«

»Einen Moment noch.« Ar’alani blickte auf das taktische Display und maß die Entfernungen ab. Plasmasphären erzeugten eine Explosion aus Ionenenergie, die sämtliche Elektronik zum Erliegen brachte, man konnte einen Feind damit also neutralisieren, ohne sich erst durch die Nyix-Legierung zu schießen, mit der die meisten Schlachtschiffe in diesem Teil des Chaos ihre Außenhüllen panzerten. Sternjäger und kleinere Schiffe – wie die nikardunischen Kanonenboote, die gerade auf die Vigilant zurasten – waren besonders anfällig für solche Angriffe.

Ihre geringere Größe machte diese Schiffe aber auch wendiger als große Schlachtkreuzer, und wenn die Piloten genug Zeit hatten, konnten sie den relativ langsamen Plasmasphären noch rechtzeitig ausweichen. Es kam also alles auf den richtigen Moment an.

Es gab Tabellen und Diagramme, mit denen sich diese Dinge berechnen ließen, aber Ar’alani verließ sich lieber auf ihr Augenmaß und ihr in langen Jahren bewährtes Urteilsvermögen.

Und dieses Urteilsvermögen sagte ihr, dass sich ihnen hier eine unerwartete Gelegenheit eröffnet hatte. Sie wartete noch zwei Sekunden, dann: »Sphären abfeuern«, befahl sie.

Mit einem leisen, gedämpften Brummen sauste die Sphäre aus dem Abschussrohr. Ar’alanis Augen blieben auf das taktische Display gerichtet, und sie verfolgte, wie die Kanonenboote die Gefahr erkannten und versuchten, den Geschossen auszuweichen. Das hinterste Schiff hätte es sogar fast geschafft, aber die Sphäre streifte seine Backbordseite und legte die Antriebsdüsen lahm, sodass es, weiter seinem Fluchtvektor folgend, ins All davontrudelte. Die drei anderen Schiffe erlitten Volltreffer und trieben hilflos dahin, als all ihre Hauptsysteme den Geist aufgaben.

»Drei sind erledigt, einer zuckt noch«, berichtete Wutroow. »Sollen wir sie ausschalten?«

»Noch nicht«, antwortete Ar’alani. Es würde noch mindestens ein paar Minuten dauern, bis sich die Kanonenboote von den Treffern erholt hatten, und in der Zwischenzeit … »Thrawn?«, rief sie. »Sie sind dran.«

»Verstanden, Admiralin.«

Ar’alani richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Springhawk. Normalerweise würde sie so etwas nie tun: einem ihrer Captains einen vagen Befehl geben und davon ausgehen, dass er oder sie Ar’alanis Absicht erkannte. Doch sie und Thrawn arbeiteten schon lange zusammen. Er sah, was sie sah, und er würde genau wissen, was sie von ihm erwartete.

Und das tat er auch: Während die vier kurzzeitig gelähmten Kanonenboote voneinander fortschlingerten, aktivierte die Springhawk ihren vorderen Traktorstrahl und begann, eines der Schiffe zu sich heranzuziehen …

… direkt in den Pfad der Raketenboote hinein, die dicht zusammengedrängt auf die Grayshrike zurasten.

Die Nikardun hatten sich voll und ganz auf den Chiss-Kreuzer konzentriert, der das Ziel ihres selbstmörderischen Angriffs war, und als plötzlich eins ihrer eigenen Schiffe vor sie trieb, waren sie vollkommen überrumpelt. In letzter Sekunde stoben sie auseinander, und alle sechs schafften es, dem Hindernis mit knapper Not auszuweichen.

Doch Thrawns Aktion hatte sie aus dem Rhythmus gebracht und sie von ihrem Angriffsvektor fortgezwungen. Schlimmer noch, Thrawn führte sein Störmanöver genau in dem Moment durch, als die nikardunischen Raketenboote in Feuerreichweite der Grayshrike und der Springhawk kamen. Während die Raketenboote noch versuchten, in Formation zurückzukehren, eröffneten die Spektrallaser der Chiss das Feuer.

Zwanzig Sekunden später war dieser Abschnitt des Alls einmal mehr frei von Feinden.

»Das war gute Arbeit von Ihnen beiden«, lobte Ar’alani mit einem Blick auf das taktische Display. Abgesehen von den manövrierunfähigen Kanonenbooten zeigten nur zwei nikardunische Schiffe noch Lebenszeichen. »Wutroow, bringen Sie uns näher an Ziel sieben heran. Die Spektrallaser sollten ausreichen, um ihm den Rest zu geben. Grayshrike, wie ist Ihr Status?«

»Wir sind noch immer dabei, die Antriebe zu reparieren, Admiralin«, antwortete Lakinda. »Aber die Lecks sind verschlossen, und die Techniker sagen, dass wir in maximal fünfzehn Minuten wieder bei voller Leistungsfähigkeit sein sollten.«

»Gut«, murmelte Ar’alani, während ihr Blick über die Trümmer und die demolierten Schiffe vor dem Brückenfenster der Vigilant streifte. Es sollte dort draußen keinen Ort mehr geben, wo sich weitere Schiffe vor ihnen verstecken konnten.

Andererseits hatte sie dasselbe gedacht, bevor die sechs Kanonenboote unter dem Wrack des Schlachtkreuzers aufgetaucht waren. Sie konnte nicht ausschließen, dass weitere Kleinschiffe im Chaos der Schlacht untergetaucht waren und nun auf den richtigen Moment für einen Selbstmordangriff warteten.

Und solange ihre Hauptdüsen deaktiviert waren, bot die Grayshrike ein denkbar verlockendes Ziel. »Springhawk, bleiben Sie bei der Grayshrike«, befahl sie. »Wir kümmern uns um die letzten beiden Gegner.«

»Das ist nicht nötig, Admiralin«, entgegnete Lakinda mit einem Hauch sorgsam kontrollierten Widerwillens in der Stimme. »Unsere Manövrierdüsen sollten ausreichen, falls es zu einem weiteren Kampf kommt.«

»Konzentrieren Sie sich einfach auf Ihre Reparaturen«, wies Ar’alani sie an. »Falls Ihnen langweilig wird, können Sie ja die vier verbliebenen Raketenboote ausschalten, wenn ihre Systeme wieder anspringen.«

»Wir geben Ihnen keine Gelegenheit, sich zu ergeben?«, fragte Thrawn.

»Sie können Ihnen dieses Angebot gern machen, falls Sie wollen«, erwiderte Ar’alani. »Ihre Kameraden sind nicht darauf eingegangen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie darauf eingehen werden, aber ich lasse mich gern überraschen.« Sie zögerte. »Grayshrike, führen Sie außerdem einen vollständigen Scan der Umgebung durch. Es könnte noch jemand in der Nähe lauern, und ich habe genug davon, dass Schiffe aus dem Nichts auftauchen und uns unter Beschuss nehmen.«

»Verstanden, Admiralin«, bestätigte Lakinda.

Ar’alani lächelte in sich hinein. Lakinda hatte nicht ausdrücklich Danke gesagt, aber sie konnte die Dankbarkeit in der Stimme des Senior-Captains hören; von all den Offizieren in ihrem Kampfverband war Lakinda die Ehrgeizigste und Konzentrierteste, und sie hasste es, sich nicht nützlich machen zu können.

Ein Lufthauch verriet Ar’alani, dass Wutroow neben ihren Kommandosessel getreten war. »Hoffentlich waren das die letzten«, kommentierte die Erste Offizierin der Vigilant. »Die Vaks sollten jetzt ein wenig besser schlafen können.« Sie überlegte kurz. »Und das Syndicure auch.«

Ar’alani stellte den Kommempfänger stumm. Soweit sie das sagen konnte, war das oberste Regierungsorgan der Chiss-Aszendenz dieser Säuberungsmission bislang mit absoluter Gleichgültigkeit begegnet. »Ich wusste nicht, dass sich das Syndicure Sorgen wegen nikardunischer Angriffe auf das Vak-Kombinat macht.«

»Tut es vermutlich auch nicht«, sagte Wutroow. »Aber darüber, dass wir hier draußen in kriegerische Aktionen verwickelt sind – darüber macht es sich ganz bestimmt Sorgen, oder?«

Ar’alani zog eine Augenbraue hoch. »Sie stellen diese Frage, als würden Sie die Antwort bereits kennen?«

»Nicht wirklich«, erwiderte Wutroow mit einem dieser vielsagenden Blicke, die sie so gut beherrschte. »Ich hatte eher gehofft, Sie würden die Antwort kennen.«

»Bedauerlicherweise weihen mich die Aristokra dieser Tage nur noch selten in ihre Besprechungen ein«, erklärte Ar’alani.

»Mich seltsamerweise auch«, sagte Wutroow. »Aber ich bin sicher, sie haben ihre Gründe.«

Ar’alani nickte. Die Neun Herrschenden Familien – welche die absolute politische Mehrheit innerhalb der Aszendenz darstellten – waren normalerweise gegen Militäraktionen jedweder Art, es sei denn, Welten oder Einrichtungen der Chiss waren zuerst direkt angegriffen worden. Ar’alani konnte nur vermuten, warum das Syndicure plötzlich bereit war, seine eisernen Regeln zu verbiegen. Vielleicht hatten das Verhör von General Yiv dem Wohlwollenden und die bei ihm gefundenen Daten und Aufzeichnungen die Syndics überzeugt, dass die Nikardun doch eine unmittelbare Bedrohung darstellten.

»Zumindest Thrawn sollte zufrieden sein«, fuhr Wutroow fort. »Es kommt nur selten vor, dass Rehabilitierung und Vergeltung so perfekt zusammenfallen.«

»Falls das Ihre Art ist zu fragen, worüber er und ich vor unserem Aufbruch mit Supreme-General Ba’kif gesprochen haben, muss ich Sie enttäuschen«, sagte Ar’alani. »Aber ja, ich bin sicher, Senior-Captain Thrawn ist zufrieden damit, wie die Dinge sich entwickelt haben.«

»Ja, Ma’am.« Wutroows Stimme hatte sich auf subtile Weise verändert; sie sprach nicht länger als Ar’alanis Freundin, sondern als ihre Erste Offizierin. »Ziel sieben sollte jeden Moment in Reichweite kommen.«

»Sehr gut«, erwiderte Ar’alani. »Feuern Sie nach eigenem Ermessen.«

»Ja, Admiralin.« Mit einem abgehackten Nicken kehrte Wutroow auf die andere Seite der Brücke zurück. »Oeskym, Laser bereit machen«, rief sie dem Waffenoffizier zu.

Zwei Minuten später war es vorbei, und Ar’alani ließ die Vigilant wenden. Von den vier verbliebenen Raketenbooten waren nur noch auseinanderdriftende Trümmerwolken übrig, als sie das Schlachtfeld erreichten, und kurz wollte Ar’alani fragen, ob Thrawn und Lakinda den Nikardun eine Chance zur Kapitulation gegeben hatten. Doch dann entschied sie, dass es nur Zeitverschwendung wäre. Der Feind war vernichtet, das war alles, was zählte.

»Gute Arbeit«, sagte sie, gerade als Wutroow an ihre Seite zurückkehrte. »Captain Thrawn, ich glaube, die Grayshrike und ich können den Rest der Mission auch allein bewältigen. Sie haben hiermit Erlaubnis weiterzufliegen.«

»Wenn Sie sicher sind, Admiralin«, erwiderte Thrawn.

»Das bin ich. Möge das Glück des Kriegers mit Ihnen sein.«

»Und mit Ihnen«, sagte Thrawn. »Springhawk, Ende.«

Wutroow räusperte sich. »Ich nehme an, das hat mit Ihrer Unterhaltung mit Supreme-General Ba’kif zu tun?«

»Sie können annehmen, was immer Sie möchten«, erwiderte Ar’alani.

»Hm«, machte Wutroow. »Nun, falls das alles ist, mache ich mich jetzt an den Einsatzbericht.«

»Danke«, sagte Ar’alani.

Sie blickte Wutroow nach, als ihre Erste Offizierin zur Systemanalyse-Konsole hinübermarschierte. Zumindest in einem Punkt hatte sie recht gehabt: Das Vak-Kombinat würde definitiv zufrieden sein.

Was die Neun Herrschenden Familien und den Hierarchenrat des Verteidigungskommandos anging … Die sollten ebenfalls erleichtert sein. Aber Ar’alani bezweifelte stark, dass irgendjemand dort wirklich zufrieden wäre.

Prim-Syndic Mitth’urf’ianico wartete fast eine halbe Stunde im Korridor des Schweigens im ruhmreichen und historischen Versammlungskomplex des Syndicure, bevor der Mann, mit dem er hier eine Unterhaltung vereinbart hatte, endlich eintraf.

Doch das war in Ordnung. Das Warten hatte Thurfian zusätzliche Zeit gegeben, um zu beobachten, zu überlegen und zu planen.

Das Beobachten war recht kurz ausgefallen. Der Korridor des Schweigens zählte unter den Sprechern, Syndics und anderen Aristokra zu den beliebtesten Orten, wenn sie sich auf neutralem, aber doch abgeschirmtem Boden treffen wollten. Heute war er allerdings ungewöhnlich leer. Vermutlich weil die meisten Syndics in ihren Büros saßen und die jüngsten Berichte über die militärischen Aufräumarbeiten studierten; die Flotte ging gerade gegen die letzten versprengten Truppen von General Yiv vor. Die mittleren Mitglieder der Herrschenden Familien, welche die Aristokra bildeten, bereiteten sich wahrscheinlich gerade auf die nächste Sitzung des Syndicure vor, oder sie gingen ihren üblichen Aufgaben innerhalb der diversen Regierungsorgane nach. Und die Sprecher, die obersten Vertreter ihrer Familien? Nun, die führten vermutlich intensive Gespräche mit ihren Häusern, um über die aktuelle Situation zu beraten oder mit ihren Patriarchen abzuklären, welche Haltung ihre Familie offiziell einnehmen würde, sobald alle Daten analysiert waren.

Das Überlegen hatte auch nicht lange gedauert. Thurfian hatte die Berichte bereits gelesen, das hieß, zumindest so viel davon, wie er auf einmal ertragen konnte. Er hasste all diese militärischen Daten, Karten und Diagramme, aber dazwischen klang ebenso subtil wie unumstößlich durch, dass Senior-Captain Thrawn als strahlender Held aus der Sache hervorgegangen war. Ja, er strahlte heller als der hellste Stern am Himmel von Csilla. Und das, obwohl er den Befehlen der Verteidigungsflotte zuwidergehandelt, eine wertvolle Himmelsläuferin in tödliche Gefahr gebracht und um ein Haar die gesamte Aszendenz in einen offensichtlich illegalen und unethischen Krieg hineingezogen hatte.

Was das Planen anging: Mit dem Teil war Thurfian noch immer beschäftigt, als Syndic Irizi’stal’mustro endlich auf der Bildfläche erschien.

Wie immer wartete Zistalmu, bis er in Hörweite von Thurfian war – und außer Hörweite der anderen kleinen Gruppen auf dem Korridor –, bevor er sprach. »Syndic Thurfian«, sagte er, wobei er zum Gruß nickte. »Verzeihen Sie die Verspätung.«

Obwohl sie dieses Treffen vereinbart hatten, um eine ernste Angelegenheit zu besprechen, musste Thurfian ein Lächeln unterdrücken. Syndic Thurfian. Zistalmu hatte keine Ahnung, dass sein Kollege gerade zum Prim-Syndic ernannt worden war – nach der Position des Sprechers die höchste, die man im Syndicure erlangen konnte.

Zistalmu wusste nichts von seinem neuen Titel, und vermutlich würde er es nie erfahren. Solche Ränge waren ein gut gehütetes Geheimnis der Familien, es sei denn, der Sprecher oder der Patriarch entschieden, dass nach außen hin Autorität demonstriert werden musste. Doch so etwas kam nur höchst selten vor. Nein, Thurfians Titel würde vermutlich bis zum Tag seines Rücktritts geheim bleiben, und auch danach würde allein die Andachtssäule in der Heimstatt der Mitth die Wahrheit verkünden.

Zum Glück war ihm egal, wer davon wusste. Geheimnisse waren die seltene Art von Köstlichkeit, die man am besten allein genoss.

»Ich wäre pünktlich gewesen«, fuhr Zistalmu fort, »aber dann ist eine Delegation von Xodlak in meinem Büro aufgetaucht, und ich konnte sie nicht früher loswerden.«

»Sie kamen zu Ihnen?«, fragte Thurfian.

»Nein, sie kamen zu Sprecher Ziemol«, sagte Zistalmu säuerlich. »Und er hat sie großzügig an mich verwiesen.«

»Das klingt ganz nach Ziemol.« Thurfian schnaubte abfällig. »Lassen Sie mich raten. Sie wollten, dass die Irizi sie dabei unterstützen, wieder zu einer der Herrschenden Familien zu werden.«

»Was sonst?« Zistalmu brummte. »Ich bin sicher, Sie bekommen hin und wieder auch Besuch von Vertretern der Vierzig.«

»Öfter, als mir lieb ist«, gestand Thurfian. Aber jetzt, da er Prim-Syndic war, würde das nicht mehr vorkommen. So wie Sprecher Ziemol die Bittsteller auf Zistalmu abgewälzt hatte, konnte nun auch Thurfian unerwünschte Aufgaben auf einen rangniedrigeren Mitth-Syndic abwälzen. »Meistens wollen sie nur, dass wir ein gutes Wort für sie einlegen oder eine zeitweilige Allianz, aber viele wollen auch in den Kreis der Neun. Manchmal träume ich davon, ein Gesetz vorzuschlagen, das die Zahl der Herrschenden Familien permanent auf neun festlegt.«

»Meine Stimme hätten Sie«, erwiderte Zistalmu. »Aber bei solchen Dingen sollte man immer vor ungewollten Konsequenzen auf der Hut sein. Falls der Rest des Syndicure nämlich irgendwann beschließen sollte, dass die Xodlak oder sogar die Stybla wieder aufgenommen werden, dann könnte man die Mitth aus dem Kreis wählen, um Platz für sie zu machen.«

»Das wird nie passieren«, entgegnete Thurfian ernst. »Aber da wir gerade von ungewollten Konsequenzen sprechen … Ich nehme an, Sie haben die letzten Berichte des Rates gelesen?«

»Über den Feldzug gegen die Nikardun?« Zistalmu nickte. »Ihr Freund Thrawn scheint einfach immer zu gewinnen, nicht wahr?«

»Wenn Sie mich fragen, verliert er ständig«, grollte Thurfian. »Das Problem ist nur, auf jedes Fiasko folgt unmittelbar ein so durchschlagender Erfolg, dass alle vergessen oder ignorieren, was davor passiert ist.«

»Dass er Fürsprecher hat, die hinter ihm aufräumen, schadet sicher auch nicht«, sagte Zistalmu. »Ich weiß nicht, Thurfian. Ich zweifle allmählich daran, dass wir ihn zu Fall bringen können.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Und um ganz ehrlich zu sein, bin ich nicht mehr sicher, ob Sie es überhaupt noch wollen.«

»Falls ich Sie daran erinnern darf, erlebte er auch schon einen Höhenflug, als ich ursprünglich mit dieser Sache zu Ihnen gekommen bin«, erklärte Thurfian steif. »Glauben Sie, nur weil er seitdem nicht in Ungnade gefallen ist, will ich ihn einfach so weitermachen lassen?«

»Nun, er bringt dem Haus Mitth Ehre«, konterte Zistalmu nicht weniger steif.

»Ehre kann schnell verdunsten«, sagte Thurfian. »Und mit ihr alle Erfolge, die er für die Aszendenz eingefahren hat. Nein, Zistalmu. Seien Sie versichert, ich will, dass er von der Bildfläche verschwindet. Die einzige Frage ist: Wie sorgen wir dafür, dass seine unvermeidliche Selbstzerstörung möglichst wenig Kollateralschaden anrichtet?«

»Richtig«, murmelte Zistalmu. Er klang noch immer nicht wirklich überzeugt, aber im Moment reichte Thurfian schon eine halbherzige Zusammenarbeit. »Ich nehme an, Sie haben einen Plan?«

»Die Grundzüge eines Plans«, antwortete Thurfian. »Ich denke, dass unser strahlender Stern möglichst weit von der Aszendenz entfernt sein sollte, wenn er verglüht. Wenn sich der Rat vielleicht überzeugen ließe, ihn gegen die Paataatu zu entsenden …«

»Niemals«, winkte Zistalmu ab. »Der Rat hat das Gesetz gegen Präventivschläge bereits verbogen, um das Vorgehen gegen die Nikardun zu rechtfertigen. Er wird seine eigenen Prinzipien nicht noch weiter mit Füßen treten, indem er Thrawn direkt gegen den nächsten Feind ins Feld schickt. Zumindest nicht ohne Provokation.«

»Aber was, falls es eine solche Provokation gäbe?«, fragte Thurfian. »Oder genauer, was, falls es Gerüchte darüber gäbe, dass sich die Paataatu mit einer großen Piratengruppe verbünden, um uns zu überfallen? Dann würden das Syndicure und der Rat doch sicher jemanden losschicken, um der Sache auf den Grund zu gehen, oder etwa nicht?«

»Gibt es denn solche Gerüchte?«

»In der Tat«, erklärte Thurfian. »Im Moment sind sie noch sehr vage, wie ich zugeben muss. Aber es gibt sie, und sie werden immer lauter. Ich bin sicher, wir könnten dafür sorgen, dass sie auch das Ohr des Rates erreichen.«

»Das ist ja schön und gut.« Zistalmu bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. »Aber wie überzeugen wir den Rat davon, Thrawn zu schicken?«

»Ich bezweifle, dass wir da große Überzeugungsarbeit leisten müssen«, erwiderte Thurfian, und er spürte, wie sich ein selbstgefälliges Lächeln in seine Mundwinkel grub. »Wie der Zufall so will, hatte er nämlich schon mit dieser Piratengruppe zu tun. Sie nennen sich die Vagaari.«

Zistalmu öffnete den Mund, dann klappte er ihn wortlos wieder zu, als seine reflexhafte Ablehnung des Vorschlags einem anderen Gedanken wich. Schließlich sagte er: »Ich dachte, die Vagaari wären vernichtet.«

»Thrawn hat eine Gruppe von Vagaari vernichtet«, korrigierte Thurfian. »Aber wer sagt, dass da draußen in den Schatten nicht noch mehr lauern?«

»Dieser Einsatz war definitiv einer seiner weniger ruhmreichen Momente«, murmelte Zistalmu. »Einerseits erbeutete er einen Gravitationsgenerator, der unseren Wissenschaftlern bis heute Rätsel aufgibt, aber andererseits verlor er ein fremdes Schiff aus den Niederen Regionen, bevor irgendjemand sich an Bord umsehen konnte.«

»Und einen angesehenen Mitth-Syndic hat er auch verloren«, knurrte Thurfian. Das Leben jedes Chiss war kostbar, aber da Syndic Mitth’ras’safis derselben Familie angehört hatte, war sein Verschwinden für Thurfian schmerzhafter, als es für einen Irizi wie Zistalmu sein konnte. Selbst jetzt wallte noch Zorn in ihm hoch, als er daran dachte, dass Thrawn das Leben eines anderen Mitth so gleichgültig weggeworfen hatte.

»Ja, natürlich«, sagte Zistalmu hastig. »Ein trauriger Tag. Sie kannten Syndic Thrass, nicht wahr?«

»Nur oberflächlich«, antwortete Thurfian, besänftigt durch die Reaktion des anderen Syndic; zumindest hatte Zistalmu so viel Anstand, den Verlust der Mitth-Familie anzuerkennen. »Ich arbeitete damals im Transport- und Handelsbüro, und er war direkt der Sprecherin unterstellt.«

»Ich hörte, er und Thrawn standen sich nahe.«

»Das habe ich auch gehört«, sagte Thurfian. »Aber ich kann mich nicht erinnern, die beiden je zusammen gesehen zu haben. Es gibt nicht viel Kontakt zwischen dem Syndicure und dem Verteidigungskommando.«

»So gut wie überhaupt keinen«, stimmte Zistalmu zu.

»Aber um zum Thema zurückzukommen – was der Rat und das Syndicure von dieser Mission im Gedächtnis behalten haben, ist in erster Linie, dass Thrawn ihnen den Gravitationsgenerator gebracht hat«, sagte Thurfian. »Wir könnten andeuten, dass er vielleicht ein zweites Mal ein solches Kunststück vollbringt.«

»Und diesmal bringt er möglicherweise eine Technologie zurück, die leichter zu knacken ist«, führte Zistalmu den Gedanken fort. »Wissen Sie schon, wie Sie dieses erweiterte Gerücht in Umlauf bringen wollen?«

»Es gibt ein paar Möglichkeiten, die sich nicht zu mir zurückverfolgen lassen«, antwortete Thurfian. »Das ist offensichtlich der Schlüssel bei der Sache. Ich rate Ihnen darum, nach ähnlichen Möglichkeiten Ausschau zu halten.«

»Damit Sie nicht als einziger Schuldiger dastehen, falls die Sache nach hinten losgeht?«

»Damit wir zwei unterschiedliche glaubwürdige Quellen haben, die wir dem Rat und dem Syndicure präsentieren können«, stellte Thurfian richtig. »Eine Geschichte ist ein unbegründetes Gerücht – von denen haben wir bereits mehr als genug. Aber zwei unabhängige Geschichten von Chiss-Quellen? Das ist ein Muster, welches Aufmerksamkeit verdient.«

»Hoffen wir’s.« Zistalmu zögerte. »Ich nehme an, Sie sehen den potenziellen Fehler in Ihrem Plan?«

»Dass Thrawn schon wieder Erfolg haben könnte?« Thurfian verzog das Gesicht. »Ich weiß. Aber sobald die letzten Nikardun neutralisiert sind, besteht keine echte Gefahr mehr für die Aszendenz. Keine Feinde weit und breit. Eine Allianz zwischen Paataatu und Vagaari ist die einzige Karte, die wir ausspielen können. Und mit vereinten Kräften sollten die beiden doch wohl in der Lage sein, ein einzelnes Chiss-Schlachtschiff auszuschalten.«

»Falls der Rat Thrawn allein entsendet«, gab Zistalmu zu bedenken. »Aber gut, ich werde sehen, was ich tun kann, um eine geeignete Quelle für diese Gerüchte zu finden. Lassen Sie mich wissen, wenn Sie bereit sind, dann können wir die Enthüllung koordinieren. Und wissen Sie zufällig, wann Thrawn aus dem Vak-Kombinat zurückerwartet wird?«

»Nein«, gestand Thurfian. »Ar’alani scheint da draußen auf Nummer sicher gehen zu wollen, und niemand kann sagen, wie lange es dauern wird, bis sie auch die letzten nikardunischen Widerstandsnester ausgemerzt hat. Das Gute daran ist, dass wir genügend Zeit haben, um den Stein ins Rollen zu bringen.«

»Diesmal rollt er besser in die richtige Richtung«, warnte Zistalmu. »Falls Thrawn wieder Erfolg hat, werden sie ihn einfach so weitermachen lassen. Und wenn sein fataler Fehler schließlich kommt, wird er umso größeren Schaden anrichten.«

»Keine Sorge«, versicherte ihm Thurfian. »Diesmal kriegen wir ihn. Ganz sicher.«

Aber das war gelogen, wie er sich zähneknirschend eingestehen musste, als er Zistalmu hinter sich ließ und aus dem Korridor des Schweigens marschierte. Die Leute sahen, was sie sehen wollten – und in den oberen Rängen der Aszendenz gab es zu viele Leute, die nur Thrawns Erfolge sahen und seine Fehler ausblendeten. Thurfian war bereit, es auf diesen letzten Versuch ankommen zu lassen, doch er vermutete, dass ihr aktuelles Vorhaben genauso enden würde wie alle vorherigen.

Was sie brauchten, war ein neuer Ansatz. Er und Zistalmu versuchten, Thrawn mit einem Hammer zu erschlagen, aber Thrawn war zu groß und der Hammer zu klein. Ja, sie brauchten einen neuen Ansatz, um ihn auszuschalten.

Oder einen größeren Hammer.

Als Syndic hatte Thurfian einen gewissen Grad an Einfluss gehabt. Als Prim-Syndic hatte er noch ein wenig mehr. Aber keine dieser Positionen gab ihm genug Einfluss.

Es war Zeit, etwas Neues zu versuchen. Zeit, aus Prim-Syndic Thurfian Sprecher Thurfian zu machen.

Als er sein Büro erreichte, hatte er bereits einen Plan im Kopf. Sprecherin Mitth’ykl’omi galt als essenzieller Teil der politischen Strukturen in der Mitth-Familie.

Thurfian würde einen Weg finden, sich ebenso unentbehrlich zu machen.

Erinnerung I

»So«, sagte Haplif von den Agbui. Er deutete durch das Aussichtsfenster des Schiffes auf den halb erleuchteten Planeten vor ihnen. »Von hier oben kann man die Schäden nicht sehen …«

»Für mich sind sie ziemlich offensichtlich«, erklärte das verschleierte Wesen neben ihm. Seine exotische Stimme war eine seltsame Mischung aus melodischen Tönen und einem merkwürdigen Akzent. »Ich nehme an, sie erstrecken sich über den gesamten Planeten.«

»Ja«, bestätigte Haplif. Er hatte Jixtus noch nie ohne seine Robe und seine Kapuze gesehen, ohne die schweren Handschuhe und den schwarzen Schleier, der sein Gesicht verhüllte. Er hatte keine Ahnung, wie die Kreatur wirklich aussah.

Aber an diese Stimme würde er sich den Rest seines Lebens erinnern.

»Dann kannst du der Liste deiner Erfolge einen weiteren hinzufügen«, sagte Jixtus. »Gute Arbeit.«

»Danke, mein Lord.« Haplif kniff die Augen zusammen. Jetzt, da Jixtus es erwähnte … Es gab tatsächlich subtile Spuren der globalen Zerstörung dort unten. Die Wolken auf der sonnenbeschienenen Seite, die auf einer unberührten Welt weiß geleuchtet hätten, waren hier durch die Feuer und die aufgewirbelten Trümmerwolken grau und schwarz verfärbt. Und auch die Lichtmuster der Städte, die einst so fröhlich in der Düsternis gestrahlt hatten, waren fast völlig verschwunden – alles das Resultat des Bürgerkriegs, den er und sein Team hier entfacht hatten.

Haplif lächelte in sich hinein. Sie hatten kaum sechs Monate gebraucht, um eine Welt größtenteils zu zerstören. Sechs Monate.

Ja. Das war wirklich gute Arbeit.

»Stimmt es, dass ein Schiff mit Flüchtlingen entkommen konnte?«

Haplif zog die Brauen zusammen. Natürlich musste Jixtus ihm den Moment seines Triumphes verderben. »Nur kurzfristig«, erklärte er. »Die Nikardun kümmern sich darum.«

»Tatsächlich?«, fragte Jixtus. »Hattest du nicht Anweisung, keinen direkten Kontakt mit ihnen zu unterhalten?«

»Ich hatte keine Wahl«, verteidigte sich Haplif. »Ihr sagtet, niemand dürfe erfahren, was hier geschehen ist. Der Planet hatte keine Kommunikationstriade, Ihr wart außer Reichweite unserer Standardtransmitter, und wir hatten hier keine eigenen Schiffe. Aber einer von Yivs Kreuzern war in der Nähe, also kontaktierten wir den.«

Jixtus schwieg.

»Ihr habt doch gesagt, niemand solle von dem Krieg hier erfahren, oder etwa nicht?«, drängte Haplif.

»Ja, natürlich.« Jixtus klang ein wenig pikiert, als er schließlich sprach. »Ich hoffe, du hast zumindest meinen Namen aus dem Spiel gelassen.«

»Euren und meinen auch«, versicherte ihm Haplif. »Und ich habe das System auch nicht für sie identifiziert. Alles, was sie von mir bekommen haben, ist der Flugvektor des Schiffes … und ich habe ihnen gesagt, dass es um eine Gruppe geht, die Verbündete gegen General Yiv sammeln will. Da sind sie natürlich sofort losgeflogen, mit rechtschaffenem Zorn im Herzen und keinem Platz für Fragen im Gehirn.«

»Ich verstehe«, erwiderte Jixtus. »Du scheinst Yiv und seine Leute ja genau zu verstehen.«

»Oh, ich durchschaue jeden«, antwortete Haplif. Es war keine Prahlerei – nicht, wenn es stimmte.

»Und du hast den Nikardun das Ziel des Schiffes genannt?«

»Ich bin nicht mal sicher, ob die Flüchtlinge ein Ziel hatten.« Haplif malte mit dem Finger eine Linie über das Navigationsdisplay. »Alles, was wir hatten, war ein Abflugvektor, und vermutlich haben sie diese Richtung nur eingeschlagen, weil sie dort am weitesten von den feindlichen Schiffen entfernt waren. Ich weiß lediglich von einer fortschrittlichen Zivilisation entlang dieser Route, und ich bezweifle, dass die Flüchtlinge Daten über sie einholen konnten. Nicht, nachdem die Computer der Regierung zerstört wurden.«

»Es gibt unwahrscheinlich viel Leben im Chaos«, erklärte Jixtus. »Selbst unsere Aufzeichnungen zeigen nur einen Bruchteil davon.«

»Das war sicher auch die Hoffnung der Flüchtlinge«, erwiderte Haplif. »Nach dem, was die Magys sagte – das ist der Titel ihrer Anführerin … Nun, nach dem, was sie sagte, bevor das Schiff startete, war ihr Plan wohl, jedes System entlang dieses Kurses abzusuchen, bis sie jemanden finden, der ihnen Unterschlupf gewährt. Und wenn nicht das, dann zumindest eine unbewohnte Welt, wo sie untertauchen können. Alles, was die Nikardun tun müssen, ist, demselben Vektor zu folgen, und sie werden die Flüchtlinge früher oder später finden.«

»Es sei denn, man hat dich belogen«, entgegnete Jixtus. »Vielleicht wussten die Flüchtlinge ganz genau, wo sie hinwollen.«

Haplif verzog die Mundwinkel. Das war unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich. Wenn es darum ging, fremde Kulturen zu analysieren und zu durchschauen, machte ihm niemand etwas vor, doch das hieß nicht, dass ihn einzelne Individuen nicht trotzdem überraschen konnten, vor allem solche, über die er nicht genug wusste. Falls die Magys sich absichtlich vage ausgedrückt hatte, um mögliche Verfolger zu täuschen …

Kurz zog sich seine Kehle zusammen, dann erkannte er verspätet, dass Jixtus nur mit ihm spielte. Er kratzte an den Fähigkeiten, die Haplif so wertvoll machten, spielte darauf an, dass er vielleicht doch nicht so gut war, wie er glaubte. »Das ist unwichtig«, verkündete er. »Die Nikardun sind hinter ihnen her. Ob die Flüchtlinge nun einen Unterschlupf finden und dort vernichtet werden oder ob ihnen auf der Flucht der Treibstoff und die Luft ausgehen – das Resultat ist dasselbe.«

»Aber du hoffst, dass es Letzteres ist?«

Haplif zuckte mit den Schultern. »Nun, dann können sie garantiert niemandem etwas sagen«, erwiderte er in möglichst gleichgültigem Ton. »Aber wie gesagt, das Resultat steht so oder so fest.« Er lächelte. »Und ich habe es in die Wege geleitet.«

Jixtus ließ ein trockenes, kratziges Lachen hören. »Niemand wird je behaupten können, dass es Haplif von den Agbui an Zuversicht und Stolz mangelte.«

»Selbst wenn sein Auftraggeber andeutet, dass diese Eigenschaften ungerechtfertigt sind?«

»Vor allem dann nicht«, erwiderte Jixtus. »Aber werde nicht überheblich. Wer vor Stolz die Nase hochreckt, sieht den Boden vor den eigenen Füßen nicht mehr.«

»Dann ist es ja ein Glück, dass ich den Boden sehr gut sehen kann«, konterte Haplif. »Sind wir hier fertig? Können ich und meine Leute nach Hause?«

»Du sprachst von einem Nikardun-Schiff«, sagte Jixtus. »Haben sie Stützpunkte in der Region?«

»Eine Handvoll kleiner Basen, ja«, antwortete Haplif. »Horchposten und Relaisstationen mit begrenzter Ausrüstung. Von dort werden sicher keine Schlachtschiffe starten, um hier Staub aufzuwirbeln.«

»Ach nein? Aber genau das haben sie doch getan – ein Schlachtschiff losgeschickt«, betonte Jixtus. »Und wenn du sie überzeugen kannst, könnten andere es vielleicht ebenfalls. Nicht zu vergessen die Möglichkeit, dass Yiv einen anderen Nutzen für diese Basen findet.«

»Nun, selbst wenn, wie hoch stehen die Chancen, dass sie diesen Ort finden?«, hielt Haplif dagegen. »Die Leute hier haben kaum Kontakt zu den benachbarten Spezies. Ich bin nicht mal sicher, ob sie ihr System während der letzten zehn Jahre auch nur einmal verlassen haben.«

»Mit Ausnahme dieses Flüchtlingsschiffes.«

»Das aber nicht weit kommen wird.«

»Ich hoffe, du hast recht«, sagte Jixtus. »Was deine Frage angeht: Da du so stolz auf deine einzigartigen Fähigkeiten bist, habe ich noch eine weitere Aufgabe für dich, bevor du nach Hause zurückkehren kannst.«

Haplif hatte einen bitteren Geschmack auf der Zunge, als er aus den Augenwinkeln zu dem anderen Mann hinüberblickte. Jixtus hatte versprochen, dass die Sache erledigt wäre, aber er hätte es besser wissen sollen. Das war das Problem an seinem Auftraggeber: Haplif konnte ihn so einfach durchschauen wie die meisten anderen Wesen.

Die Robe, die Kapuze und der Schleier verbargen seine Mimik und seine Körpersprache vollkommen. Jixtus könnte praktisch jeder zweibeinigen Spezies angehören. Ja, Haplif könnte tatsächlich auch neben einem der Dämonen aus den agbuischen Mythen sitzen, mit denen man ihm als Kind Angst gemacht hatte.

Er verscheuchte den Gedanken. Abergläubischer Unfug. »Ihr habt versprochen, dass wir fertig wären.«

»Ich habe es mir anders überlegt«, sagte Jixtus ruhig. »Was weißt du über die Chiss?«

Haplifs Augen wurden schmal. »Ich dachte, Yiv kümmert sich um die Chiss.«

»Yiv glaubt, dass er sich um die Chiss kümmert«, korrigierte Jixtus. »Einige meiner Kollegen glauben es ebenfalls, aber ich weiß es leider besser.« Ganz langsam drehte sich sein vermummtes Gesicht zu Haplif herum. »Oder fühlst du dich der Herausforderung nicht gewachsen?«

Haplif zwang sich, dem unsichtbaren Blick standzuhalten. Für ihn waren die Chiss ebenso mythisch wie die Dämonen von Agbui und auf ihre eigene Weise auch genauso Angst einflößend. Aber im Gegensatz zu den Dämonen waren sie real. »Nein, natürlich nicht. Wir werden mit ihnen fertig.«

Er meinte es ernst. Was immer die Chiss sein mochten, sie hatten dieselben Hoffnungen, Ängste, Sorgen und Schwachpunkte wie jeder andere auch. Folglich konnte man sie auch überlisten wie jeden anderen. »Aber ich weiß nicht viel über sie. Es könnte also länger dauern als üblich.«

»Nimm dir so viel Zeit, wie du brauchst«, sagte Jixtus. »Schließlich müssen Yiv und die Nikardun erst noch ihre Rolle in diesem kleinen Drama spielen. Deine Aufgabe beginnt erst, wenn sie die Bühne verlassen haben.«

»In Ordnung«, brummte Haplif. »Eine Frage: Falls Ihr sicher seid, dass Yiv die Chiss nicht bezwingen kann, warum lasst Ihr ihn dann überhaupt weitermachen?«

»Selbst eine Niederlage kann einem Zweck dienen«, erklärte Jixtus. »In diesem Fall wird Yiv die Aufmerksamkeit der Aszendenz nach außen lenken. Das sollte deine Arbeit erleichtern.«

»Und die Chiss einen Teil ihrer militärischen Ressourcen kosten«, fügte Haplif mit einem Nicken hinzu.

»Richtig.« Jixtus klang nachdenklich. »Aber ihre Verluste könnten geringer sein, als du glaubst.«

Haplif runzelte die Stirn. »Sind sie so stark?«

»Ich weiß es nicht«, sagte Jixtus, noch immer in diesem halb nachdenklichen, halb unbehaglichen Ton. »Vor zwanzig Jahren oder sogar noch vor zehn wäre es einfach gewesen, die Chiss-Aszendenz auszuspielen. Aber jetzt nicht mehr. Eine neue Generation von militärischen Anführern hat sich erhoben – Krieger, die sich nicht mehr stur an die ausgetretenen Pfade ihrer Vorgänger halten. Supreme-General Ba’kif, Admiralin Ar’alani, ein paar andere … Sie denken und planen außerhalb der traditionellen Muster. Das könnte deine Aufgabe verkomplizieren.«

»Ihr überschätzt den Feind«, schnaubte Haplif abfällig. »Oder vielleicht unterschätzt Ihr mich. Wie die Militärs denken und handeln, ist unbedeutend. Mein Spezialgebiet ist die politische Arena, und ich bin sicher, die Anführer der Chiss sind genauso ehrgeizig und machthungrig wie alle anderen Politiker im Chaos auch.«

»Vermutlich«, stimmte Jixtus ihm zu. »Ich will dich nur gewarnt haben, dass die Sache nicht so einfach wird, wie sie es vielleicht einmal gewesen wäre.« Er deutete auf den Planeten unter ihnen. »Du sollst alle Mittel bekommen, die du brauchst. Meine Leute werden hier den Rest erledigen.«

»Sollten wir nicht erst den Rest der Überlebenden aus der Zone bringen?«, fragte Haplif.

»Wir werden zu gegebener Zeit entscheiden, wie wir mit ihnen verfahren«, erklärte Jixtus streng. »Deine Aufgabe hier ist beendet. Die nächste erwartet dich.«

»Ja, mein Lord«, brummte Haplif. Er hasste es, vor dem Ende von einer Mission fortgerissen zu werden – selbst wenn nicht mehr viel zu tun war, außer die Scherben zusammenzukehren.

»Und schick mir doch bitte die Koordinaten der Nikardun-Stützpunkte in dieser Region, bevor du gehst«, fügte Jixtus hinzu. »Wir müssen sichergehen, dass niemand vorzeitig von unserem Erfolg hier erfährt.«

»Natürlich«, stimmte Haplif zu. Jixtus war der Boss, und wenn der Boss sagte, dass die Mission erledigt war, dann würde Haplif nicht mit ihm diskutieren. »Und wenn wir die Chiss für Euch vernichtet haben … können wir dann nach Hause gehen?«

»Dann kannst du nach Hause gehen, Haplif von Agbui«, versprach Jixtus. »Mit dem Doppelten der vereinbarten Bezahlung.«

»Danke. Aber nach allem, was Ihr über die Chiss gesagt habt, sollte da nicht vielleicht das Dreifache der vereinbarten Bezahlung drin sein?«

»Vielleicht«, antwortete Jixtus. »Wir werden sehen. Du meintest, es gibt nur eine fortschrittliche Zivilisation entlang des Vektors, auf dem die Flüchtlinge entkommen sind. Wie heißt sie?«

»Es ist ein unbedeutender, abgelegener Planet, kaum der Rede wert«, erklärte Haplif. »Rapacc nennt er sich.«

2. Kapitel

Sie waren nur noch einen Sprung vom Rapacc-System entfernt, und Mid-Captain Ufsa’mak’ro ordnete eine kleine Erholungspause für die Brückenmannschaft der Springhawk an.

Mitth’ali’astov hatte nicht vor, sich darüber zu beschweren. Als – nunmehr offizielle – Hüterin von Himmelsläuferin Che’ri hatte sie die subtilen Anzeichen von Erschöpfung auf dem Gesicht des kleinen Mädchens gesehen, während sie die letzte Etappe ihres gewundenen Pfades durch das Chaos zurückgelegt hatten. Hätte Samakro nicht von sich aus eine Pause angeordnet, hätte Thalias ihn um eine gebeten.

Doch das war nun glücklicherweise nicht mehr nötig. Che’ri saß an der Navigationsstation und blickte sich gelangweilt um, während sie an ihrem Fruchtsaft nippte. Der Anblick erinnerte Thalias an die Zeit, als sie selbst noch eine Himmelsläuferin gewesen war: Wenn sie stundenlang ihr Viertes Auge benutzt hatte, hatte sie in den kurzen Pausen oft den Wunsch verspürt, ihren Blick einfach frei schweifen zu lassen.

Doch im Gegensatz zu ihrer alten Routine kehrte Che’ris Blick immer wieder zu der Konsole neben ihr zurück, wie Thalias feststellte. Für sie selbst war die Station des Steuermanns mit all ihren Anzeigen und Kontrollen immer ein Mysterium gewesen. Für Che’ri indes war es beinahe so etwas wie ein alter Freund.

Das Saftpäckchen des Mädchens schien beinahe leer zu sein. »Möchtest du noch mehr?«, fragte Thalias, wobei sie neben die Navigationsstation trat. »Oder vielleicht etwas zu essen?«

»Nein danke.« Che’ri nahm den Trinkhalm zwischen die Lippen und saugte kurz die Wangen ein. »Ich bin bereit.«

Thalias nahm das leere Päckchen, dann blickte sie sich auf der Brücke um. Samakro stand bei Senior-Commander Chaf’pri’uhme an der Waffenstation und unterhielt sich gedämpft mit Afpriuh und einem der Plasmasphären-Techniker – Lieutenant Commander Laknym, falls Thalias sich recht erinnerte. »Es sieht nicht aus, als hätten wir es eilig«, flüsterte sie Che’ri zu. »Außerdem ist Senior-Captain Thrawn noch nicht hier. Ich nehme an, er wird auf der Brücke sein wollen, wenn wir die Paccosh kontaktieren.«

»Ist gut.« Che’ri zögerte. »Wie sind die denn so?«

»Die Paccosh?« Thalias zuckte mit den Schultern. »Anders. Ihre Stimmen sind hoch und wiehernd, aber man kann sie ziemlich gut verstehen. Sie sprechen Taarja, was mir nie gefallen hat.«

»Du meinst, sie wiehern wie Packbullen?«

»Nicht ganz«, erwiderte Thalias. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wie das Wiehern eines Packbullen klang. Sie war sicher, dass sie es schon einmal gehört hatte, doch sie konnte nicht sagen, wann oder unter welchen Umständen. »Die Paccosh, die wir auf der Bergbaustation gesehen haben, waren ungefähr so groß wie ich, vielleicht ein wenig größer. Sie haben eine breite Brust, vorstehende Hüften und helle rosafarbene Haut. Ihre Schädelkämme sehen aus, als bestünden sie aus verflochtenen Federn. Ihre Arme und Beine sind dünn, aber sie wirken trotzdem kräftig. Oh, und sie haben violette Flecken rings um ihre Augen, die sich manchmal verändern, wenn sie mit jemandem reden.«

»Klingt interessant«, murmelte Che’ri. »Ich wünschte, ich könnte sie sehen.«

»Ich bin sicher, wir werden Videoaufzeichnungen machen.«

»Das ist nicht dasselbe.«

»Nein, ich weiß«, räumte Thalias ein. »Aber ein wenig Erholung wird dir guttun. Du kannst malen, mit deinen Bausteinen spielen …«

»Und lernen«, beendete Che’ri den Satz mit einem bemerkenswerten Mangel an Enthusiasmus.

»Ach ja, richtig«, sagte Thalias, als wäre ihr dieser Teil der Himmelsläufer-Routine vollkommen entfallen. »Danke, dass du mich daran erinnerst.«

Che’ri linste über die Schulter und bedachte Thalias mit diesem Ausdruck strapazierter Geduld, den Zehnjährige so perfekt beherrschten. »Gern geschehen.«

»Sei nicht so«, erwiderte Thalias mit scherzhaft erhobenem Zeigefinger. »Vielleicht machen dir ein paar Lektionen ja doch Spaß.« Sie deutete auf die Konsole des Steuermanns. »Falls du möchtest, rede ich sogar mit Lieutenant Commander Azmordi und bitte ihn, dass er dir zeigt, wie man die Springhawk fliegt.«

Zu ihrer Überraschung schien Che’ri bei diesen Worten in sich zusammenzusinken. »Lieber nicht«, murmelte sie. »Ich habe schon genug Ärger bekommen, nur weil ich gelernt habe, wie man ein Aufklärungsschiff steuert.«

»Erstens: Du hast deswegen keinen Ärger bekommen«, stellte Thalias richtig. »Höchstens vielleicht Senior-Captain Thrawn, aber wie du siehst, ist das ja auch gut ausgegangen. Zweitens: Man sollte nie Ärger bekommen, weil man etwas lernen will. Falls du mit der Springhawk ohne Erlaubnis eine Runde um einen Planeten drehen würdest – das wäre ein Problem. Aber zu lernen, wie es geht? Das ist in Ordnung. Und drittens: Du …« Sie unterbrach sich, mit einem Mal verlegen. »Drittens: Wenn es jemandem nicht gefällt, sag demjenigen einfach, er soll mit Captain Thrawn reden. Der wird die Sache dann schon richtigstellen.«

»Das ist nicht, was du wirklich sagen wolltest.« Che’ri zog misstrauisch die Brauen zusammen. »Was war es?«

Thalias seufzte. Es war ihr wirklich peinlich … »Ich wollte sagen, dass du jetzt zehn bist«, gestand sie. »Und dann ist mir eingefallen, dass ich deinen Sterntag vergessen habe. Es tut mir leid. Bei allem, was letzten Monat los war, habe ich überhaupt nicht daran gedacht.«

»Ist schon in Ordnung«, sagte Che’ri, wobei sie die Schultern hängen ließ. Ihre Stimme war leise, und man konnte den stillen Schmerz zwischen den Worten hören. »Es ist nicht so, als würde ich mich daran erinnern, wie man mir meinen ersten Stern gezeigt hat. Und überhaupt. Partys, Schatzpuzzles und Gedichte sind was für kleine Kinder.«

»Ich habe trotzdem ein schlechtes Gewissen, weil ich es vergessen habe«, betonte Thalias. »Wie wäre es, wenn wir jetzt etwas unternehmen? Eine verspätete Sterntagfeier. Ich könnte dir etwas Besonderes zum Abendessen machen, und wir könnten spielen, was immer du willst.«

»Ist schon in Ordnung«, sagte Che’ri erneut. »Solange ich hier meinen Dienst tue, können wir ohnehin nichts machen.«

»Also gut.« Thalias war entschlossen, sich nicht so leicht abwimmeln zu lassen. »Dann warten wir, bis wir wieder auf Csilla sind, und dann feiern wir deinen Sterntag nach. Was hältst du davon?«

»Na gut«, antwortete Che’ri. Sie schien sich auf ihrem Sessel aufzurichten. »Senior-Captain Thrawn ist da.«

Thalias drehte sich um und zählte im Geist die Sekunden. Sie war bei anderthalb, als sich die Tür öffnete und Thrawn auf die Brücke trat. Sein Blick huschte durch den Raum, verweilte einen kurzen Moment auf Thalias – er konnte sehen, dass sie sich bereits umgedreht hatte, bevor er eingetreten war, und sicher schlussfolgerte er, dass dies ein Resultat von Che’ris Viertem Auge war – und richtete sich dann auf Samakro. »Ihr Bericht, Mid-Captain?«, sagte er, während er zu dem Ersten Offizier hinüberging.

Samakro wandte sich von Laknym ab und blickte seinem Captain entgegen. »Wir sind bereit für den letzten Sprung«, meldete er. »Waffen- und Verteidigungssysteme sind alle einsatzbereit.« Er sah kurz zu Thalias und Che’ri herüber. »Soll ich die Himmelsläuferin und ihre Hüterin zu ihrer Kabine eskortieren lassen?«

Thalias spannte die Schultern. Sie war dabei gewesen, als Thrawn das erste Mal Kontakt mit den Paccosh gehabt hatte; ihr Leben hatte damals ebenso auf dem Spiel gestanden wie seines. Sie wollte bleiben und sehen, was aus ihnen geworden war – das hatte sie sich verdient. Falls Samakro darauf bestand, sie und Che’ri von den Geschehnissen abzuschirmen, sollte er besser einige wirklich gute Argumente parat haben.

Thrawn warf ihr einen Blick zu, und sie hatte das unheimliche Gefühl, dass er genau wusste, was hinter ihrer Stirn vor sich ging. »Das wird nicht nötig sein«, sagte er. »Angesichts der schwierigen Reisebedingungen im Rapacc-System ist es vermutlich besser, wenn unsere Himmelsläuferin sich in Bereitschaft hält – nur für den Fall, dass wir schnell den Rückzug antreten müssen.«

Samakro sog den Atem ein, und Thalias konnte sehen, wie er zu einem Protest ansetzte …

»Aber Sie haben recht, die beiden sollten nicht auf der Brücke sein«, fuhr Thrawn schon fort. Er sah sich kurz um, dann verharrte sein Blick auf der Waffenstation, wo Laknym sich noch immer mit Afpriuh besprach. »Lieutenant Commander Laknym, fühlen Sie sich bereit, die sekundäre Waffenkontrolle zu übernehmen?«

Laknym wirbelte mit großen Augen herum. »Ich, Sir? Ich … äh …« Sein Blick huschte nervös zu Samakro hinüber. »Sir, ich bin nur der Plasmasphären-Spezialist.«

»Keiner von uns wurde in eine Führungsposition hineingeboren, Commander«, erwiderte Thrawn trocken. »Ihre Meinung, Senior-Commander Afpriuh?«

»Ja, er ist qualifiziert«, antwortete Afpriuh, wobei er weiterhin Laknym musterte.

»Gut.« Thrawn nickte. »Kein Grund, nervös zu sein, Commander. Ich erwarte keinen Ärger, und es wird eine lehrreiche Erfahrung für Sie sein. Bitte, begleiten Sie Himmelsläuferin Che’ri und Hüterin Thalias zur sekundären Brücke und übernehmen Sie dort die Waffenkontrolle.«

Laknym schluckte sichtlich, aber er neigte bestätigend den Kopf. »Ja, Sir. Himmelsläuferin, Hüterin …«

Thalias war nur einmal in dem sekundären Kontrollraum der Springhawk gewesen – kurz nachdem sie an Bord gekommen war, hatte man ihr eine rasche Führung gegeben. Er war kleiner als die Hauptbrücke und befand sich im Herzen des Schiffes, als letztes Bollwerk, sollte eine Schlacht zuungunsten der Chiss verlaufen.

Wegen der geringen Größe und dem Fehlen jeglicher Fenster fühlte sich der Raum schrecklich klaustrophobisch an, und Thalias’ Nacken juckte, während Laknym sie und Che’ri zur Navigationsstation führte. Dabei mussten sie sich zwischen den anderen Offizieren hindurchschlängeln, die an ihre Plätze gingen. Als das Mädchen schließlich sicher auf seinem Sessel angeschnallt war, waren auch alle Bildschirme ringsum zum Leben erwacht; sie zeigten nicht nur den Raum außerhalb des Schiffes, sondern auch eine Ansicht von der Hauptbrücke.

Die Übertragungen der Außenkameras linderten das Gefühl der Klaustrophobie ein wenig. Ein klein wenig.

Die Springhawk war bereits wieder in Bewegung, und Azmordi steuerte sie auf ihrem letzten Mikrosprung ins Rapacc-System. Für Thalias gab es keinen Sitzplatz auf der sekundären Brücke, also stellte sie sich hinter Che’ri und presste sich gegen die Rückenlehne ihres Sessels, aber dass sich die Decke näher über ihrem Kopf befand, machte die Platzangst irgendwie schlimmer. Also hielt sie ihre Augen in ständiger Bewegung und suchte nach etwas, was sie ablenken konnte, sei es nun der Wirbel des Hyperraums draußen oder das Blinken der Statusmonitore oder Che’ri vor ihr oder Thrawn, der reglos an der Kommstation der Hauptbrücke stand. Azmordi rief eine Warnung …

Der Wirbel löste sich in die Stecknadelköpfe von Sternen auf, und sie hatten ihr Ziel erreicht.

»Einen vollständigen Sensorscan durchführen«, befahl Thrawn. »Achten Sie insbesondere auf Schiffe oder Trümmer …«

»Kontakt«, rief Samakro dazwischen. »Ein Schiff, direkt vor uns, Captain. Sieht aus wie eine nikardunische Fregatte.«

Thalias zuckte zusammen. Bei ihrem letzten Besuch hatten die Nikardun eine Blockade um die Welt der Paccosh errichtet, aber sie hatte erwartet, dass sie nach Yivs Niederlage und Gefangennahme von Rapacc abgerückt wären. Offensichtlich hatte sie da falsch gedacht.

Auf dem Brückenmonitor sah sie, wie sich Thrawn über die Schulter des Kommoffiziers vorbeugte und eine Taste berührte. »Nicht identifiziertes Schiff, hier spricht Senior-Captain Thrawn an Bord des Schlachtschiffes Springhawk von der Expansiven Verteidigungsflotte der Chiss«, verkündete er in der Handelssprache Taarja. »Wir kommen in Frieden und Freundschaft.«

»Wir haben keine Freunde«, erwiderte eine Stimme, die die ohnehin schon harschen Worte des Taarja noch harscher klingen ließ. »Und Frieden werden wir haben, wenn Ihr von hier verschwindet. Kehrt um, oder wir werden Euch zerstören.«

»Große Worte von einem Schiff, das nur halb so groß ist wie wir«, bemerkte jemand hinter Thalias.

»Vielleicht ist es nicht allein«, gab ein anderer Offizier zu bedenken.

»Ich möchte Euch bitten, Euch das noch einmal zu überlegen«, sagte Thrawn ruhig. »Wir werden dieses Angebot der Freundschaft nicht wiederholen.«

»Falls Ihr in Frieden kommt, beweist es«, blaffte die Stimme. Auf dem Hauptschirm löste sich etwas von der Fregatte …

»Rakete im Anflug«, rief Samakro.

»Es ist keine Rakete, Sir«, korrigierte ihn Mid-Commander Dalvu von der Sensorstation aus. »Es ist ein Ein-Personen-Shuttle, und es …« Auf dem Monitor konnte Thalias sehen, wie Dalvu sich tiefer über ihre Konsole beugte. »Und es wird in einem Winkel von dreißig Grad an uns vorbeifliegen«, fügte sie in verwirrtem Tonfall hinzu.

»Ein kleiner Test«, verkündete die Stimme. »Falls Ihr wirklich Chiss seid, haltet das Shuttle auf, ohne es zu zerstören.«

»Wie Ihr wünscht«, sagte Thrawn. »Senior-Commander Afpriuh? Wann immer Sie bereit sind.«

»Ja, Sir«, bestätigte Afpriuh. »Sphärenwerfer ist ausgerichtet und … Sphäre wird abgefeuert.«

Thalias blickte zum taktischen Display der sekundären Brücke hinüber, wo der kleine Lichtpunkt, der die Plasmasphäre repräsentierte, von dem größeren Lichtpunkt der Springhawk fortglitt. Er berührte die Signatur des Shuttles, und …

»Wir haben das Shuttle getroffen«, meldete Afpriuh. »Alle Systeme sind lahmgelegt.«

Thrawn nickte zufrieden. »Haben wir unsere Identität damit bewiesen?«, rief er.

»Was wollt Ihr?«

»Wir sind hier, um uns zu vergewissern, dass die Paccosh endlich den Frieden genießen, der ihnen von den Nikardun vorenthalten wurde«, antwortete Thrawn. »Und um die letzten feindlichen Truppen zu neutralisieren, sollten noch welche vor Ort sein.« Er hielt etwas vor die Kamera der Kommstation. »Und um das hier seinem rechtmäßigen Besitzer zurückzugeben.«

»Was hat er da in der Hand?«, fragte Laknym.

»Einen Ring«, erklärte Thalias. »Die Paccosh, denen wir auf der Bergbaustation begegneten, haben ihn uns mitgegeben.«

»Uingali foar Marocsaa«, sagte Thrawn unterdessen. »Ich hoffe, es ist dir gut ergangen.«

Ein seltsames klackendes Geräusch drang aus dem Lautsprecher, gefolgt von: »Es geht mir in der Tat gut.«

Sämtliche Härte war aus der Stimme gewichen, und jetzt erkannte auch Thalias den Pacc von der Bergbaustation wieder.

»Du hättest gleich den Ring zeigen sollen«, fuhr Uingali fort. »Es sind schon andere gekommen, die falsche Behauptungen und Versprechen gemacht haben, dementsprechend vorsichtig sind wir geworden. Hätte ich den Ring bereits zu Beginn gesehen, müssten wir jetzt nicht das Shuttle zurückholen, das ihr lahmgelegt habt. Aber egal. Folge uns, Chiss-Captain Thrawn. Meine Leute freuen sich darauf, dich kennenzulernen.« Auf dem Display begann die Fregatte mit einer Wende.

Thalias’ Mund klappte auf. Auf der Seite des Schiffes prangte ein vertrautes Bild: ein Nest kleiner stilisierter Schlangen, eingeschlossen von zwei größeren Schlangen. Das gleiche Wappen wie auf dem Ring, den Thrawn noch immer vor die Kamera hielt.

Thalias stieß den Atem aus. »Und du«, murmelte sie in Richtung des Monitors, »hättest uns das gleich zu Anfang zeigen können.«

Die Hauptstadt von Rapacc hieß Boropacc, und nach dem, was Samakro beim Landeanflug im Shuttle der Springhawk gesehen hatte, war sie schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Nikardun-Truppen hatten vor ihrem Abzug offenbar maximale Verwüstung angerichtet.

»Ja, sie haben alles zerstört, was sie zerstören konnten, ehe wir sie schließlich in die Leere zurücktrieben«, erklärte Uingali. Er nickte aus dem Fenster auf die demolierte Stadt hinab, dann bedeutete er seinen Gästen, auf den bequem aussehenden Sesseln in dem großen Konferenzraum Platz zu nehmen. Die vier Krieger, die Thrawn, Samakro und Thalias von der Springhawk hierher begleitet hatten, waren auf Thrawns Befehl hin vor der Tür geblieben. Dort konnten sie ihre Unterhaltung nicht mithören, aber sie wären sofort zur Stelle, falls sie gebraucht wurden. »Die meisten Schiffe waren bereits zuvor abgerückt, doch ich kann nicht sagen, warum sie es so eilig hatten.«

Ein grimmiges Lächeln zupfte an Samakros Mundwinkeln. Er kannte den Grund nur zu gut. In dem Moment, als Yiv gefangen genommen worden war, war unter seinen Hauptleuten ein Machtkampf ausgebrochen – jeder wollte die Kontrolle über die verbliebenen Nikardun-Streitkräfte. Einige hatten ihre persönlichen Truppen genommen und neue Sternsysteme erobert, wohl um zu beweisen, dass sie bereit waren, in die Fußstapfen von Yiv dem Wohlwollenden zu treten. Andere hatten ihre Macht genutzt, um einen größeren Teil des bestehenden Nikardun-Raums für sich zu beanspruchen, was auf Kosten anderer Hauptleute und ihrer Welten gegangen war. Wer immer die Truppen bei Rapacc kommandiert hatte, musste wohl entschieden haben, dass sie ihm andernorts bessere Dienste leisten konnten, und deshalb hatte er die meisten von ihnen abgezogen.

»Aber ein kleiner Teil der Schäden geht natürlich auch auf uns zurück, als wir sie verjagten und so viele von ihnen töteten, wie wir nur konnten.«

»Wir sind jedenfalls froh, dass eure Bemühungen erfolgreich waren«, sagte Thalias.

Samakro blickte zu ihr hinüber, und sein Lächeln verschwand. Als der Pacc sie hierher eingeladen hatte, hatte er erklärt, dieses Treffen solle eine Besprechung zwischen den Anführern seines Volkes und denen sein, die für die Chiss sprechen. Die Springhawk hatte keine Diplomaten an Bord, folglich hatte Thrawn entschieden, dass er und Samakro die Aszendenz vertreten würden, wobei er von Beginn an klargestellt hatte, dass sie hier keine offizielle Funktion erfüllten.

Darüber hinaus hatte Uingali aber auch darauf bestanden, dass Thalias sie begleiten sollte, und Thrawn hatte bereitwillig zugestimmt. Der Gedanke, dass eine einfache Hüterin – obendrein eine, die erst vor Kurzem in dieser Funktion bestätigt worden war – dasselbe Sprachrecht haben sollten wie erfahrene Offiziere des Expansionskommandos, irritierte Samakro. Es war unlogisch. Und er mochte keine Dinge, die unlogisch waren.

»Wir sind ebenfalls froh«, sagte Uingali. Er neigte den Kopf, während sein Blick zwischen den dreien hin und her huschte. »Ihr seid also wirklich Chiss. Nach unserem ersten Treffen waren wir nicht sicher, denn unsere Aufzeichnungen über euer Aussehen sind unvollständig und stammen aus zweiter oder dritter Hand. Aber sie besagten, dass ihr Feinde neutralisieren könnt, ohne sie vollständig zu zerstören. Darum der Test. Verzeiht, falls wir euch beleidigt haben.«

»Nicht im Geringsten«, versicherte ihm Thrawn. »Die Aszendenz hat schon immer Geschichten gefördert, die unsere militärische Stärke betonen. Die leichtesten Schlachten sind schließlich die, die nie geschlagen werden. Aber ich bin neugierig. Die Nikardun kamen nach Rapacc, allerdings nicht in ausreichender Zahl, um euch vollständig zu unterwerfen. Wie konnte General Yiv sich so verschätzen?«

»Eine gute Frage.« Uingalis Stimme wurde tiefer. »Mein Volk hat ein Sprichwort: Trauer ist das Kind der Gnade. Und genauso war es hier. Ein Schiff mit zweihundert Flüchtlingen aus einem unbekannten System kam hier an, drei Monate bevor du und ich uns das erste Mal begegneten. Sie meinten, ihre Welt wäre durch einen Bürgerkrieg verwüstet worden.«

»Und welche Welt ist das?«, wollte Thrawn wissen.

»Sie wollten uns den Namen nicht nennen«, erwiderte Uingali. »Ebenso wenig wie den Namen ihres Volkes. Aber sie sprachen von gewaltiger Zerstörung und baten uns, ihnen Zuflucht zu gewähren, damit nicht auch noch der letzte Rest ihrer Kultur spurlos unterginge.« Er gab ein wieherndes Geräusch von sich. »Du kannst dir sicher unsere Überraschung vorstellen, als du davon sprachst, die Kunst von Völkern zu sammeln, welche sie selbst nicht länger bewahren können. Es war, als würdest du die Situation unserer Gäste und die der Paccosh selbst kennen.«

Samakro blickte zu Thrawns reglosem Gesicht hinüber, dann zu Thalia, die ihre Emotionen nicht so gut im Griff hatte. In Thrawns offiziellem Bericht hatte nichts von verzweifelten Einheimischen gestanden und ebenso wenig davon, dass er angeboten hatte, ihre Kunst am Leben zu erhalten. War das eine bewusste Auslassung gewesen, oder hatte Thrawn nur geglaubt, es wäre irrelevant für die militärische Situation? »Wie lange nach der Ankunft der Flüchtlinge sind die Nikardun hier aufgetaucht?«, fragte er gerade.

»Nicht sehr lange«, antwortete der Pacc mit einem Seufzen. »Noch während die Fremden uns von ihren Ängsten erzählten, erschienen die Eindringlinge. Die Flüchtlinge flehten uns an, sie gehen zu lassen, und sie schlugen vor, dass einige von uns sie begleiten sollten, damit nicht unsere gesamte Kultur mit unserer Welt unterginge. Ihre Hoffnung war es, das Territorium der mysteriösen Chiss zu erreichen und ihre Hilfe zu erbitten.«

»Warum habt ihr sie nicht mit ihrem Schiff weiterfliegen lassen?«, fragte Thrawn.

»Wir konnten nicht«, sagte Uingali schwermütig. »Wir hatten den Nikardun bereits erklärt, dass keine Flüchtlinge nach Rapacc gekommen waren. Wäre ihr Schiff aus seinem Versteck aufgetaucht, hätten die Eindringlinge gewusst, dass wir lügen. Aber der Anführer unseres Unterklans beschloss, die Mission der Flüchtlinge zu Ende zu bringen. Er ließ zwei Schiffe vorbereiten, auf dass sie sich an den Schlachtkreuzern der Nikardun vorbeischleichen mochten.« Uingalis Blick wurde hoffnungsvoll, als er Thrawn anblickte. »Haben sie euch erreicht? Du hast sie nicht erwähnt – weder jetzt noch zuvor an Bord der Bergbaustation. Und doch bist du hier.«

»Ein Schiff erreichte das Territorium der Chiss«, berichtete Thrawn. »Bedauerlicherweise wurde es angegriffen und zerstört, bevor es uns um Hilfe bitten konnte. Das andere Schiff hatte an ihrem vereinbarten Treffpunkt einen Hyperantriebsausfall. Niemand an Bord hat überlebt.«

»Dann sind sie alle tot«, murmelte Uingali, die Augen auf den Boden gerichtet. »Ihre Hoffnung war umsonst.«

»Nein, war sie nicht«, meldete sich Thalias zu Wort. Samakro konnte Bedauern und Mitgefühl aus ihrer Stimme heraushören. »Weil ihr ihnen diese Schiffe gegeben habt, konnten wir euch finden, und dank euch konnten wir General Yiv finden und besiegen.« Sie deutete mit der Hand auf die verheerte Stadt. »Und auch wenn der Preis hoch war – letzten Endes habt ihr sie von eurer Welt vertrieben.«

»Und nebenbei auch eines ihrer Schiffe erobert«, bemerkte Samakro. »Darf ich fragen, wie euch das gelungen ist?«

Uingalis Federkrone wippte, als er den Kopf wieder hob. »Ich fürchte, das muss fürs Erste ein Geheimnis der Paccosh bleiben. Jetzt, da das gesamte Chaos von unserer Gegenwart und unserer Verwundbarkeit weiß, müssen wir diese Techniken vielleicht wieder einsetzen. Ich hoffe, ihr habt Verständnis.«

»Gewiss«, sagte Thrawn. »Auch wenn ich bezweifle, dass sich das Wissen über die Paccosh weit herumgesprochen hat. Die Nikardun sind tot oder in alle Winde verstreut, und die Flüchtlinge, denen ihr Zuflucht gewährt habt, werden auch niemandem mehr von euch erzählen.«

»Gefahren können vielerlei Gestalt annehmen«, entgegnete Uingali, und seine Federn wiegten sich erneut wie unter einem unsichtbaren Windhauch. »Ich will ehrlich mit euch sein: Ich habe euch nicht nur hierher eingeladen, um euch im Namen der Paccosh zu danken. Es gibt ein Problem mit den Flüchtlingen, und ich hoffe, dass ihr uns helfen könnt, eine Lösung zu finden.«

Sein Blick richtete sich auf Thalias. »Genauer gesagt, dass du uns helfen kannst, eine Lösung zu finden.«