Kummer um Kenny - Britta Frey - E-Book

Kummer um Kenny E-Book

Britta Frey

5,0

Beschreibung

Sie ist eine bemerkenswerte, eine wirklich erstaunliche Frau, und sie steht mit beiden Beinen mitten im Leben. Die Kinderärztin Dr. Martens ist eine großartige Ärztin aus Berufung, sie hat ein Herz für ihre kleinen Patienten, und mit ihrem besonderen psychologischen Feingefühl geht sie auf deren Sorgen und Wünsche ein. Alle Kinder, die sie kennen, lieben sie und vertrauen ihr. Denn Dr. Hanna Martens ist die beste Freundin ihrer kleinen Patienten. Der Kinderklinik, die sie leitet, hat sie zu einem ausgezeichneten Ansehen verholfen. Es gibt immer eine Menge Arbeit für sie, denn die lieben Kleinen mit ihrem oft großen Kummer wollen versorgt und umsorgt sein. Für diese Aufgabe gibt es keine bessere Ärztin als Dr. Hanna Martens! Kinderärztin Dr. Martens ist eine weibliche Identifikationsfigur von Format. Sie ist ein einzigartiger, ein unbestechlicher Charakter – und sie verfügt über einen extrem liebenswerten Charme. Alle Leserinnen von Arztromanen und Familienromanen sind begeistert! Es war ein sehr schöner Sommertag, Anfang August, ein Samstag. Schon beim Frühstück sagte Bea Martens zu ihrer Tochter, Dr. Hanna Martens: »Du hast ja nicht vergessen, daß du heute nur bis nach der Visite in der Klinik bleiben wirst, oder?« Die Klinik, das war die Kinderklinik Birkenhain, mit der sich Bea Martens' Kinder, Hanna und Kay, einen Traum erfüllt hatten. Sie war ein umgebautes Schlößchen, und sie lag in einer zauberhaften Gegend der Lüneburger Heide, in der Nähe der Stadt Celle. Hanna sah ihre Mutter an und entgegnete lächelnd: »Wie könnte ich das vergessen, Mutti? Den Tag habe ich dir versprochen. Wenn drüben nichts Unvorhergesehenes passiert, werde ich pünktlich um halb elf im Doktorhaus sein. Du kannst dich darauf verlassen.« »Ich wollte dich nur noch einmal daran erinnern, Hanna.« Jolande Rilla, die Haushälterin Hannas, trat mit der Kaffeekanne an den Tisch, füllte die Tassen und sagte: »Es bleibt also dabei, Mittagessen heute gut eine Stunde früher?« »Ja, wie wir es abgesprochen haben, Füchsin. Mutti und ich wollen doch den langen Samstag so richtig ausnutzen. Wenn du willst, kannst du ja auch heute nachmittag etwas unternehmen. Es ist ganz dir überlassen.« »Mal sehen, ich überlege es mir noch. Bis zur Mittagszeit dauert es ja noch eine Weile.« »Genau, Füchsin. Für mich wird es jetzt langsam Zeit, daß ich in die Klinik komme.« »Warum auf einmal so eilig, Hanna?«

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Kinderärztin Dr. Martens – 79 –

Kummer um Kenny

Soll an seinem Unfall eine Ehe zerbrechen?

Britta Frey

Es war ein sehr schöner Sommertag, Anfang August, ein Samstag. Schon beim Frühstück sagte Bea Martens zu ihrer Tochter, Dr. Hanna Martens: »Du hast ja nicht vergessen, daß du heute nur bis nach der Visite in der Klinik bleiben wirst, oder?«

Die Klinik, das war die Kinderklinik Birkenhain, mit der sich Bea Martens’ Kinder, Hanna und Kay, einen Traum erfüllt hatten. Sie war ein umgebautes Schlößchen, und sie lag in einer zauberhaften Gegend der Lüneburger Heide, in der Nähe der Stadt Celle.

Hanna sah ihre Mutter an und entgegnete lächelnd: »Wie könnte ich das vergessen, Mutti? Den Tag habe ich dir versprochen. Wenn drüben nichts Unvorhergesehenes passiert, werde ich pünktlich um halb elf im Doktorhaus sein. Du kannst dich darauf verlassen.«

»Ich wollte dich nur noch einmal daran erinnern, Hanna.«

Jolande Rilla, die Haushälterin Hannas, trat mit der Kaffeekanne an den Tisch, füllte die Tassen und sagte: »Es bleibt also dabei, Mittagessen heute gut eine Stunde früher?«

»Ja, wie wir es abgesprochen haben, Füchsin. Mutti und ich wollen doch den langen Samstag so richtig ausnutzen. Wenn du willst, kannst du ja auch heute nachmittag etwas unternehmen. Es ist ganz dir überlassen.«

»Mal sehen, ich überlege es mir noch. Bis zur Mittagszeit dauert es ja noch eine Weile.«

»Genau, Füchsin. Für mich wird es jetzt langsam Zeit, daß ich in die Klinik komme.«

»Warum auf einmal so eilig, Hanna?« entfuhr es Bea Martens überrascht. »Du hast ja gerade erst mit dem Frühstück begonnen.«

»Ich trinke heute nur Kaffee, Appetit habe ich noch nicht. Vielleicht esse ich später in der Kantine eine Kleinigkeit. Ihr zwei könnt ja noch gemütlich zusammen sitzen bleiben.«

Hanna leerte ihre Tasse und erhob sich. Mit einem fröhlichen Gruß verließ sie ihre Wohnung im Doktorhaus.

Die Zeit bis nach der Morgenvisite verging für Hanna an diesem Vormittag wie an jedem Wochenende ganz normal. Sie war froh darüber, denn es hätte ihr leid getan, ihre Mutter enttäuschen zu müssen.

Als sie ihre Wohnung betrat, sah Jolande sie überrascht an. »Ich glaube es einfach nicht, Hanna. Du bist ja sogar schon vor der verabredeten Zeit hier. Es geschehen noch Zeichen und Wunder.«

»Mach dich nur ruhig über mich lustig, Füchsin. Kay hat mich drüben auch schon aufgezogen. Wo ist meine Mutter?«

»Sie sitzt auf der Terrasse und arbeitet an ihren Stoffelpuppen.«

»Gut, dann werde ich ihr noch ein bißchen Gesellschaft leisten. Hast du vielleicht eine Tasse Kaffee für mich?«

»Nein, aber ich werde sofort frischen machen. Es dauert ja nur ein paar Minuten. Geh ruhig schon zu deiner Mutter. Ich bringe den Kaffee gleich nach draußen.«

»Gut, Füchsin, bis du mit dem Essen fertig bist, haben wir ja noch etwas Zeit.«

»Hast du wenigstens drüben in der Kantine etwas gegessen?«

»Nein, ich habe an unser verfrühtes Mittagessen gedacht und es bleiben lassen. Also, nur Kaffee, sonst nichts.«

»Hallo, Mutti, da bin ich.« Lächelnd trat Hanna auf die Terrasse hinaus. »Du kannst wohl auch nicht ohne Beschäftigung sein, wie ich sehe.«

»Wer rastet, der rostet, Hanna. Kennst du das Sprichwort nicht? Es ist schön, daß du schon hier bist. Demnach lief in der Klinik alles völlig normal.«

»Klar, Mutti, sonst wäre ich noch nicht hier. Kay hat mir den Vorschlag gemacht, schon zu gehen. So kann mich nichts mehr drüben halten. Die Füchsin bringt uns gleich Kaffee, dann leiste ich dir hier noch etwas Gesellschaft. Kann ich dir vielleicht etwas bei deinen Puppen helfen?«

»Das muß nicht sein, so eilig sind sie nicht. Ich habe ja auch schon einige fertig. Komm, setz dich, damit wir uns besser unterhalten können.«

»Natürlich, Mutti«, sagte Hanna und nahm ihrer Mutter gegenüber Platz.

»Was sagst du zum Wetter, Mutti? Es ist doch für unser Vorhaben ein herrlicher Tag. Hoffentlich wird es nicht zu warm. Ich möchte auf keinen Fall, daß du dich überanstrengst.«

»Werde ich schon nicht, Hanna. Und wenn, dann habe ich ja sofort einen Doktor zur Hand. Mach dir keine Gedanken, sie trüben am Ende nur den schönen Tag.«

Jolande kam und brachte den Kaffee, danach zog sie sich wieder in ihre Küche zurück, um sich um das Mittag­essen zu kümmern.

Hanna und ihrer Mutter blieb noch reichlich Zeit für eine angeregte Unterhaltung, bis sie von Jolande zum Essen ins Haus gerufen wurden.

*

Die Fahrt nach Celle und die an­schließenden Stunden verliefen für Mutter und Tochter sehr angenehm. Da es ein langer Samstag war, an dem die Geschäfte bis zum Spätnachmittag ge­öffnet blieben, hatten sie für alles reichlich Zeit.

Keine Eile, keine Hetze, es wurde ein gemütlicher Bummel durch die Geschäfte.

Als Hanna schließlich vorschlug, eine Pause einzulegen, sagte Bea ­Martens zustimmend: »Einverstanden, Hanna. Eine heiße Schokolade, ein Stückchen Torte dazu, das würde mir schon gefallen.«

»Mir auch, Mutti. Ich weiß hier ganz in der Nähe ein kleines Café, in dem man ganz vorzügliche Torten und anderen Kuchen anbietet. Es ist keine fünf Minuten von hier entfernt, es wird dir dort sicher gefallen.«

»Gut, Hanna, dann nichts wie hin.«

Arm in Arm gingen sie in das von Hanna vorgeschlagene Café. Sie fanden dort auch noch einen freien Tisch in der Fensterreihe.

Bei Kaffee und Kuchen beobachteten sie die draußen auf dem Gehweg vorbeihastenden Menschen und unterhielten sich dabei.

Bea Martens sagte gerade: »Ich verstehe gar nicht, warum es die Menschen an diesem herrlichen Nachmittag gar so eilig haben.« Da stand Hanna plötzlich von ihrem Platz auf und sagte aufgeregt: »Bitte warte hier, Mutti, ich bin gleich wieder zurück.«

»Was ist denn, willst du es mir nicht sagen?« Verblüfft sah Bea Martens ihre Tochter an.

»Nicht jetzt, gleich, wenn ich zurück bin. Entschuldige, Mutti.«

Bevor Bea Martens etwas darauf sagen und sich von ihrer Überraschung erholen konnte, war Hanna schon aus dem Café hinaus auf die Straße gelaufen. Kopfschüttelnd sah Bea hinter ihr her und fragte sich: Was hat sie nur auf einmal? Die neugierigen Blicke der an den anderen Tischen sitzenden Gäste waren ihr ein bißchen peinlich. Bea Martens konnte sich nicht erinnern, ihre Tochter schon einmal so erlebt zu haben. Einfach aufzustehen und davonzulaufen. Was hatte Hanna bloß dazu bewogen?

Was Hanna dazu bewogen hatte, war im Grunde genommen ganz einfach. Während sie sich mit ihrer Mutter unterhielt und dabei die vor dem Fenster vorbeihastenden Menschen beobachtete, glaubte sie, plötzlich ein bekanntes Gesicht zu entdecken. Das Gesicht eines Menschen, einer jungen Frau, die sie überall vermutet hatte, nur nicht in Celle. Sonja Wagner, ihre beste Freundin auf der Universität. Ein Irrtum war eigentlich ausgeschlossen. Wie elektrisiert war sie von ihrem Platz aufgesprungen, hatte ein paar entschuldigende Worte zu ihrer Mutter gesagt und war aus dem Café auf die Straße gelaufen.

Draußen vor dem Café reckte Hanna ihre schlanke Gestalt und sah suchend in die Richtung, in die die junge Frau am Café vorbeigehastet war.

Da, ein ganzes Stück entfernt, eilte die junge Frau dahin. Hanna lief ihr nach und rief ein paarmal laut: »Sonja, Sonja, so bleib doch stehen.«

Der Ruf schien die junge Frau erreicht zu haben, denn sie blieb plötzlich mit einem Ruck stehen und wandte sich um. Fassungslos sah sie Hanna entgegen. Einen Augenblick später lagen sie sich freudestrahlend in den Armen.

»Du bist es tatsächlich, Sonja, ich habe mich also nicht geirrt. Wie kommst du denn nach Celle? Ehrlich, dich hätte ich hier in unserem Städtchen nicht vermutet. Mein Gott, es ist ja schon eine kleine Ewigkeit her, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben. Gut schaust du aus.«

»Mensch, Hanna, ich freue mich riesig, dich zu sehen. Du fragst, wie ich gerade nach Celle komme? Genau das Gleiche könnte ich dich fragen. Dein Elternhaus ist doch wohl in Süddeutschland. Ich verwechsle da doch nichts, oder?«

»Celle ist meine zweite Heimat geworden, Sonja. Kay und ich besitzen hier ganz in der Nähe eine Kinderklinik. Sie heißt Kinderklinik Birkenhain.«

»So hat sich euer Traum also doch erfüllt? Wie schön für euch. Mein Wunsch hat sich zwar nicht erfüllt, aber ich bin trotzdem sehr glücklich geworden.«

»Was stehen wir hier eigentlich noch auf der Straße herum, Sonja? Ich saß da drüben in einem Café, als ich dich ganz unvermutet vorbeilaufen sah. Ich bin so schnell losgegangen, daß meine Mutter überhaupt nicht weiß, was los ist.«

»Wie, deine Mutter ist auch hier?«

»Ja, sie lebt seit einiger Zeit bei mir in Ögela. Ich möchte sie nicht zu lange im Ungewissen lassen. Sie freut sich bestimmt, dich nach so langer Zeit einmal wiederzusehen. Außerdem hast du mir noch immer nicht gesagt, welcher Wind dich nach Celle geweht hat. Aber komm erst einmal, da vorn ist das Café schon.«

Bea Martens’ Augen weiteten sich überrascht, als sie die beiden jungen Frauen das Café betreten und auf den Tisch zukommen sah.

»Ja, bist du es wirklich, Sonja?«

»Ich bin es wirklich, Frau Martens. Ich freue mich, Sie einmal wiederzusehen.« Mit einem herzlichen Lächeln reichte Sonja Hannas Mutter ihre Rechte und nahm an dem kleinen Tisch neben Hanna Platz.

Nachdem Hanna bei der Bedienung ihre neue Bestellung aufgegeben hatte, sagte sie: »Nun sag schon endlich, was du hier in Celle machst. Das wäre ja ein Ding, wenn du hier wohnen würdest.«

»Nein, ich lebe nicht in Celle, Hanna. Ich bin nur für zwei Tage in der Stadt, weil ich meine erkrankte Schwiegermutter besucht habe. Ich fahre morgen früh schon wieder nach Hause.«

»Du bist verheiratet, Sonja?«

»Ja, seit ungefähr zehn Jahren. Kurz nachdem wir uns aus den Augen verloren hatten, habe ich geheiratet. Wir haben sogar zwei ganz reizende Kinder. Kenny, mein Sohn, ist gerade neun geworden, und meine kleine Darina ist sieben Jahre alt.«

»Und wo lebst du jetzt mit deinem Mann und deinen Kindern?«

»Wir leben in Königswinter, im Rheinland. Mein Mann ist Kapitän auf einem Rheindampfer.«

»Und deine beiden Kinder, sind sie mit dir hier in Celle?«

»Nein, Hanna, meine beiden Rangen sind so lebhaft, daß es für meine Schwiegermutter zuviel Streß gewesen wäre. Ich habe sie für diese zwei Tage bei Bekannten untergebracht. Darum muß ich auch gleich morgen früh zurück nach Königswinter.«

»Das ist sehr schade, ich hätte dich gern nach Ögela eingeladen. Wir haben uns so lange nicht gesehen, es gibt noch viel zu erzählen. Wir sollten uns nicht so rasch wieder aus den Augen verlieren.«

»Das brauchen wir auch nicht. Wie wäre es denn, wenn du uns in Königswinter besuchen kämst? Ein paar Urlaubstage kannst du doch sicher einmal einschieben. Bei uns im Rheinland ist es auch sehr schön. Es würde dir ganz bestimmt gefallen.«

»Das ist doch die Idee, Hanna«, warf nun Bea Martens lächelnd ein. »Du hast doch sowieso vor, Urlaub zu machen. Ein Abstecher zu Sonja wäre da doch das Naheliegende, oder?«

»Sag schon ja, Hanna«, drängte Sonja.

Hanna überlegte nicht lange und entgegnete: »Das ist wirklich eine gute Idee, Sonja. Ich werde kommen. Allerdings kann ich dir noch keinen genauen Termin sagen. Du kannst dir sicher vorstellen, daß in meinem Beruf immer etwas dazwischen kommen kann. Schreib mir deine Anschrift und deine Telefonnummer auf, ich lasse dann von mir hören. Wie heißt du jetzt eigentlich? Wenn du verheiratet bist, dann ist Wagner ja sicher überholt.«

»Ich heiße jetzt Lundig, Hanna. Warte, ich schreibe dir alles auf, dann muß ich weiter. Ich habe mich schon viel zu lange aufgehalten. Ich muß noch ein paar Einkäufe für meine Schwiegermutter tätigen, bevor die Geschäfte schließen. Ich wäre liebend gern noch geblieben, aber es geht wirklich nicht. Hast du etwas zum Schreiben dabei?«

»Natürlich, Sonja.«

Hanna holte ein kleines Notizbuch und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche und reichte Sonja beides. Diese schrieb Anschrift und Telefonnummer auf und gab es Hanna zurück. Anschließend erhob sie sich und verabschiedete sich von Hanna und Bea Martens. Sie sagte noch: »Ich freue mich auf den Tag, an dem ich dich bei uns begrüßen kann, Hanna.« Danach verließ sie mit raschen Schritten das Café.

*

Nachdem Sonja Lundig das Café verlassen hatte, schwiegen Hanna und ihre Mutter einen Augenblick. Es war dann Bea, die das Schweigen brach und fragte: »Ich habe dich doch mit meinem Vorschlag nicht in Verlegenheit gebracht, Hanna?«

»Nein, Mutti, natürlich nicht. Ich bin richtig neugierig auf Sonjas Kinder und auf ihren Mann geworden. Ich kann es noch immer nicht glauben, daß Sonja inzwischen schon zwei Kinder hat.«

Hanna winkte die Bedienung an den Tisch, zahlte und verließ anschließend mit ihrer Mutter das Café.

Nach der Besichtigung des Schlosses, in dem schon 1371 die Herzöge von Braunschweig und Lüneburg residiert hatten und das im 17. Jahrhundert Schauplatz einer großen tragischen Liebe mit historischem Hintergrund geworden war, bemerkte Hanna dann doch, daß es für ihre Mutter genug war.

Da es inzwischen auch schon auf zwanzig Uhr zuging, traten sie die Rückfahrt nach Ögela an.

Als sie nach einer Stunde vor dem Doktorhaus anhielten, sagte Bea Martens mit einem zufriedenen Lächeln zu ihrer Tochter: »Es war ein sehr schöner Tag heute, Hanna, trotzdem bin ich froh, daß wir wieder daheim sind.«

Vierzehn Tage später war es soweit, Hanna konnte ihren herbeigesehnten Urlaub antreten.

Am Abend vor ihrer Abfahrt herrschte im Doktorhaus ziemliches Durcheinander.

Jolande lief wie ein aufgescheuchtes Huhn hin und her. Hanna, die die letzten Dinge zurechtgelegt hatte, die Jolande in den Koffer packen sollte, schüttelte den Kopf und sagte lachend: »Füchsin, Füchsin, was ist mit dir los? Man könnte glatt den Eindruck gewinnen, daß ich auf eine Weltreise gehe. Ich laß euch doch nur für vierzehn Tage allein.«

»Vierzehn Tage ist trotzdem eine lange Zeit. Gerade um diese Jahreszeit sind die Straßen überlastet. Jeden Tag hört man in den Nachrichten von neuen Autobahnunfällen. Paß bloß auf dich auf.«

»Ja, du mußt vorsichtig fahren, Hanna«, warf Bea Martens nun ein.

»Geh, Mutti, ihr tut ja gerade so, als wäre ich ein kleines Kind. Ich werde schon auf mich und meine Gesundheit achten. Ihr beiden könnt da unbesorgt sein. Außerdem fahre ich ja nicht Gott weiß wohin. Die Fahrt ins Rheinland ist nicht allzuweit.«

»Hast du dir denn auch wärmere Kleidung eingepackt? Die Abende werden schon sehr kühl.«

»Dafür hat die Füchsin schon gesorgt, Mutti. Sie hat an alles gedacht.«

»Wirst du uns zwischendurch einmal anrufen? Vor allen Dingen, ob du gut an deinem Ziel angekommen bist?«

»Klar, Mutti, ich melde mich auf jeden Fall bei euch. Hast du den Rest in den Koffer gepackt, Füchsin?«

»Ja, du brauchst morgen früh nur noch deine Kulturtasche in deine kleine Reisetasche zu packen.«

»Danke, Füchsin, dann werde ich jetzt noch ein heißes Bad nehmen und anschließend zu Bett gehen. Ich möchte morgen frühzeitig losfahren.«

*

Lachend nahm Hanna ihre Mutter am nächsten Morgen in die Arme und hauchte einen sanften Kuß auf deren Wange. Danach verabschiedete sie sich auch von Jolande und stieg in ihren Wagen ein. Die linke Hand winkend erhoben, fuhr sie langsam davon.

Gegen Mittag näherte sich Hanna in mäßiger Fahrt ihrem Ziel. Noch ein letztes Mal hielt sie ihren Wagen an und stieg aus. Es war eine Stelle, von der aus sie einen wunderbaren Ausblick über den Rhein hatte, der sich breit und mächtig durch die Landschaft schlängelte. Als sie irgendwo in der Ferne einen der weißen Rheindampfer auftauchen sah, mußte sie sofort daran denken, was Sonja ihr von ihrem Mann erzählt hatte, daß er Kapitän eines dieser Schiffe war. Sie konnte sich nur schwer von dem herrlichen Ausblick lösen, aber auf der anderen Seite konnte sie es auf einmal nicht mehr abwarten, endlich ans Ziel zu kommen.

Sie stieg wieder in ihren Wagen und fuhr weiter. Oberdollendorf und Niederdollendorf mußte sie noch durchfahren, dann endlich zeigte ein Ortsschild, das sie das kleine Städtchen Königswinter erreicht hatte. Der Touristenverkehr, der schon eine ganze Weile vorher angefangen hatte, wirkte auf Hanna auf einmal doch ziemlich er­drückend. Ein solches Gewimmel und Gedränge hatte sie in dem kleinen Städtchen nicht erwartet, obwohl Sonja sie ja in gewisser Hinsicht schon vorgewarnt hatte.

Es war ein hübsches Einfamilienhaus, vor dem Hanna schließlich ihren Wagen anhielt. Es war zweigeschossig, und wie Hanna sehen konnte, wurde das obere Stockwerk von einem breiten, mit Blumenkästen geschmückten Balkon umrundet. Schön war, daß Hanna sogar von ihrem augenblicklichen Standort aus einen hübschen Ausblick hinunter auf den Rhein hatte. Sie wollte gerade das Tor zum Vorgarten aufschieben, als die Haustür geöffnet wurde und Sonja auftauchte.

*

Sonja holte gerade einen selbstgebackenen Kuchen aus dem Backofen, als Darina, ihr vom Fenster aus zurief: »Mutti, Mutti, komm schnell, da hat gerade ein Auto auf der Straße gehalten. Soll ich die Haustür aufmachen?«

»Nein, Schatz, das mache ich schon selber. Geh du nach oben und sag Vati und Kenny Bescheid. Geh, sei ein liebes Mädchen.«

Sonja aber eilte zur Haustür, um zu öffnen. In dem Moment, in dem sie die Tür aufschloß, wollte Hanna draußen gerade das Tor zum Vorgarten öffnen.

»Hallo, Hanna, da bist du ja endlich«, rief Sonja erfreut aus und eilte ihrer Freundin entgegen.