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Es ist eine packende Lebensgeschichte, die zum Nachdenken anregt. Kurt Unterhubers Leben drehte sich um Alkohol und Gewalt. „Mein Leben verlief nicht immer so, wie ich es mir gewünscht hätte. Vierundzwanzig Jahre davon habe ich durch den selbst verschuldeten Alkoholmissbrauch sinnlos weggeworfen. Aufgrund meiner kriminellen Machenschaften und der Ausübung von körperliche Gewalt saß ich oft im Gefängnis – zuletzt wegen eines Banküberfalls im Vollrausch. Der Alkohol zerstörte meine Gefühle, mein Denken und die Freude am Leben.“ Erst spät kam es zu einer Wende und innerer Heilung. Voraussetzung hierfür war ein Umdenken und das Zulassen von Veränderung. Heute hat er es geschafft. Seit sieben Jahren lebt er alkohol-und gewaltfrei und voller Hoffnung auf ein besseres Leben.
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Seitenzahl: 159
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ZU DIESEM BUCH
Meine Gedanken zu Kurt
Mein Freund Konrad
ELTERNHAUS UND HEIMAT
Vater und Mutter
Meine Geschwister
Die Familie
Letzte Ruhestätte im Friedhof von Weitental
KINDERJAHRE UND JUGENDZEIT
Meine Kindheit
Angst
Nochmals: meine Eltern
Sieben Jahre: Alkohol- und Nikotinvergiftung
Mit 14 Jahren ging das Saufen los
Erste Kollisionen mit der Polizei
Die täglichen Gasthofbesuche
Die Trinkkollegen
Wilde Wirtshausschlägereien
Abhängig vom Alkohol
Aggressiv und unberechenbar
Haschisch
Selbstzerstörerische Handlungen
DEM ALKOHOL VERFALLEN
Gründung einer Familie
Scheitern der Ehe
Auf der Straße
Meine neue „Heimat“
Ein wirklicher Freund
Getrennte Wege
Von Bozen bis zum Brenner
Scheidung
Frauengeschichten
Im Vollrausch auf der Bühne
Der falsche Freundeskreis
Gewalt und die Folgen
Auseinandersetzungen mit Ausländern
Gipfel der Gewalt
Mein Jähzorn
Angst vor mir selbst
Falsches Selbstbewusstsein
Gewalt in meiner Ehe
Die Verhaftungen
Der Banküberfall
Der Knast
Vom Knast in die Freiheit
Entzugserscheinungen
4,96 Promille
Krankenhausaufenthalte
Selbstmordversuche
Die Psychiatrie
Therapiezentrum Bad Bachgart
Der Rückfall
DER WEG INS NORMALE LEBEN
2008: Die Befreiung
Angst vor Veränderung
D. F. A. – Dienst für Abhängigkeitserkrankungen Brixen
HANDS – Selbsthilfegruppe
Die Therapien
Nach den Therapien
Die Spielautomaten
Willenskraft
Selbstkontrolle
Neues Denken gibt Kraft
Das Gute in mir
Meine Freundin
Über sieben Jahre kein Alkohol
Noch Verlangen?
Gesundheit aufs Spiel gesetzt
EIN NEUER KURT WURDE GEBOREN
Die Hoffnung auf ein besseres Leben
Jetzt fühle ich mich frei
Schlechtes Vorbild für meine Kinder
Aufarbeitung meiner Vergangenheit
Diese Wandlung hat niemand erwartet
Mein Rechtsanwalt
Das Gericht
Richter Albert Frötscher
Bankraub – Entschuldigung
Neuer Freundeskreis
Arbeit macht Freude
Mein neuer Arbeitsplatz
Ich danke Gott
Mutter schaut auf mich herunter
Geschafft
Mein Ziel: Menschen helfen
KLEINER RATGEBER
Das Finanzielle
Der Zeitfaktor
Worte an die Jugend
Ratschläge zum Ausstieg
Hinweis für Ex-Alkoholiker
Tipps für Nichtalkoholiker
Wo finde ich Hilfe und Beratung?
Gewalt – Was kann man dagegen tun?
Zum Nachdenken
Zusammenfassung
NACHWORT
DANKSAGUNG
Liebe Leserinnen und Leser,
Sie haben soeben dieses Buch aufgeschlagen, um darin zu stöbern. Haben Sie sich eigentlich die Frage gestellt, warum Sie sich für dieses Buch entschieden haben? Wenn ja, nehmen Sie sich für diese wahre Lebensgeschichte genügend Zeit und sorgen dafür, dass Sie ungestört sind. Halten Sie einen Stift bereit, um wichtige Abschnitte, die Sie für wichtig halten, zu unterstreichen. Eines aber schon mal vorweg: Ein spannungsgeladener Tatsachenbericht erwartet Sie auf den nächsten Seiten.
Ich wende mich an Alkoholiker und Jugendliche; an Alkoholiker, die die Sauferei nicht mehr lassen können; an Jugendliche, die sich vom Alkohol angezogen fühlen. Den Alkoholikern erzähle ich, wie ich den Weg aus der Alkoholabhängigkeit fand. Die Jugendlichen möchte ich davor bewahren, vom Alkohol abhängig zu werden. So wie jeder Tropfen einen Stein aushöhlen kann, so höhlt jeder stetige Tropfen Alkohol das Gehirn und die Persönlichkeit aus. Diesen ständig wiederkehrenden Zwang zum Trinken erleben Sie, verehrte Leserinnen und Leser, in diesem Buch: Ich muss von diesem Zwang wieder und wieder erzählen, ich muss aus verschiedenen Blickwinkeln immer wieder die Aufmerksamkeit auf die verhängnisvolle Sucht lenken. Empfinden Sie dies als gewolltes Stilmittel, auch jeweils als meinen Hilferuf.
Mein Leben verlief nicht immer so, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich habe mir meine Zukunft ganz anders vorgestellt. Heute habe ich das Gefühl, dass ich sehr viele Jahre meines Lebens durch den selbst verschuldeten Alkoholmissbrauch sinnlos weggeworfen habe. Wenn ich zurückblicke, kommt mir die Vergangenheit schauderhaft und beängstigend vor. Ich war sozusagen ein alkoholkrankes Wrack, bei dem das Gehirn nicht mehr funktionierte. Der Alkohol zerstörte meine Gefühle, mein Denken und die Freude am Leben. Ich fühlte mich oft einsam, nutzlos und als Versager. Durch mein negatives Auftreten entfernte ich mich immer mehr von den Menschen. Mir ging es von Jahr zu Jahr schlechter, ich hatte keine Arbeit und hing den ganzen Tag in Bars rum und berauschte mich. Die körperliche Gewalt kam hinzu. Der Alkohol war mein Tröster und zugleich mein Zerstörer. Er war aber auch das Einzige, was ich noch hatte. Ich wusste nicht, wie ich aus diesem Loch der Hölle wieder rauskommen sollte.
Heute habe ich es geschafft. Ich lebe alkohol- und gewaltfrei voller Hoffnung auf ein besseres Leben. Meine Vergangenheit, die ich nochmals in diesem Buch aufarbeite, macht mich nachdenklich. Sie tut weh. Oft überwältigen mich Furcht einflößende, schauderhafte Bilder, die ich niemandem wünsche. Mit dieser schrecklichen Vergangenheit muss ich alleine fertig werden und warne jeden, ein solches Leben zu leben. Ich will das Vergangene auf keinen Fall verdrängen. Im Gegenteil: Ich möchte mit diesem Buch aufrütteln und zum Nachdenken anregen. Ich möchte so viele Menschen wie möglich erreichen, damit sie nicht dasselbe Schicksal wie ich erleiden. Vor allem aber möchte ich die Jugend ansprechen.
Wer meine Lebensgeschichte liest, der wird erfahren, welche Zerstörungskraft Alkoholabhängigkeit hat. Mein Ziel ist, alkoholkranke Personen zum Umdenken zu veranlassen und sie davon zu überzeugen, dass man ohne Alkohol besser und freier leben kann. Ich möchte Betroffenen Mut machen, es selbst einmal zu probieren, mit einer Entzugstherapie zu beginnen, um den wirklichen Genuss des Lebens ohne Alkohol erfahren zu dürfen. Der Leser kann hautnah miterleben, was ich als Abhängiger gefühlt, empfunden und erlebt habe. Ich bin davon überzeugt, dass ich mit diesem Buch vielen Menschen helfen kann. Es soll Hoffnung geben, denn es gibt Möglichkeiten wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Ich wünsche Ihnen viel Spannung beim Lesen.
Kurt Unterhuber
Es war im Jahr 2010 an einem Sommertag am Hartmannsplatz in Brixen. Da stand Kurt plötzlich vor mir; wir sahen uns an und gaben uns die Hand. Spontan schoss es aus ihm hervor, dass er schon seit längerer Zeit mit den Gedanken spiele, seine Lebensgeschichte niederzuschreiben. Oh mein Gott, hoffentlich geht das nur gut, dachte ich im ersten Augenblick und ließ ihn erzählen. Ich hörte einen begeisterungsfähigen Kurt reden, der fest entschlossen war, seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Die Worte, die aus seinem Mund kamen, klangen so überzeugend, dass sich mein Eindruck, den ich von ihm hatte, schlagartig änderte.
Seit elf Jahren kannte ich Kurt nur oberflächlich, da er seit 1999 wegen seiner Alkoholprobleme beim Dienst für Abhängigkeitserkrankungen (D. F. A.) im Krankenhaus Brixen in medizinischer und psychologischer Behandlung war. In dieser Abteilung arbeite ich seit 1992. Kurt war schon von Anfang an ein harter Brocken, und es war nicht einfach mit ihm.
Aber an diesem Tag sah ich einen anderen Kurt vor mir, einen Kurt, der es wirklich ernst meint. Der Blick von ihm, das war kein normaler Blick; es war der Blick eines Hilfesuchenden, der jemanden braucht, an den er sich wenden kann, um Halt zu finden. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie Kurt mit hoffnungsvollen Augen vor mir stand. In diesem Augenblick überstürzten sich meine Gedanken. Auf einmal kamen Gefühle und Erlebnisse aus meiner Vergangenheit hoch; und ich sah im selben Moment in Kurts Zukunft, wie er sein Wissen und seine Erfahrungen in Vorträgen weitergeben wird. Es war fast so, als hätte ich hellseherische Fähigkeiten. Ich spürte zwischen mir und ihm Gemeinsamkeiten aus meiner Vergangenheit und fühlte, dass er vielen Menschen ein Ratgeber sein könnte. Es war ein außergewöhnlicher Moment, vor einer besonderen Person zu stehen, die einen ähnlichen Lebensweg gegangen war wie ich. Ich spürte, dass er etwas Neues aus sich machen wollte, und war überzeugt, dass er diese Fähigkeiten besitzt. „Dem Kurt muss eine zweite Chance gegeben werden“, waren meine Gedanken, denn er könnte für die Gesellschaft sehr wertvoll sein. Wir brauchen einfach solche Menschen, wie Kurt einer ist. Denn wer aus Lebenserfahrung spricht, hat gute Aussichten, Suchtkranke zur Umkehr zu bewegen.
Kurt hat inzwischen verstanden, dass Alkoholmissbrauch und die damit verbundene Gewalt zu nichts führen. Dass diese Verhaltensweisen einen Menschen nur schädigen und zunichtemachen. Sein Geist hat gerade noch rechtzeitig erkannt, seinen abhängigen Körper zu bändigen. Nun hat er eine große Aufgabe vor sich, für die ihm viele Menschen dankbar sein werden. Kurt hat etwas erreicht, worauf er mächtig stolz sein kann. Er ist nun ein kleiner Wegweiser für Viele geworden; ja, ein hoffnungsvoller Wegweiser vor allem für Menschen mit Alkohol- und Gewaltproblemen. Kurt ist ein Kämpfer, der nie locker gelassen hat. Seine Willenskraft, Offenheit und Ehrlichkeit beeindruckten mich besonders.
Als ich zustimmte, sah ich Kurt an, wie er sich freute, jemanden gefunden zu haben, der seine Lebensgeschichte niederschreibt. Ich habe ihm aber gleich zu verstehen gegeben, dass der Weg vom Gedanken über das Manuskript bis hin zum Buch nicht leicht sein wird; und dass hier ungeheuer viel Energie und sehr viel Zeit investiert werden müssen. Diese Sache geht nicht von heute auf morgen, und es können Jahre vergehen. Dazu kam noch die Frage, wo finde ich den richtigen Verlag, der das Buch veröffentlicht? Am Ende war der Bücherdeal zwischen Kurt und mir abgeschlossen und der Verlag wurde gefunden. Kurt hat das erreicht, was er sich schon lange gewünscht hatte. Er war hochzufrieden, und ich fing an, darüber nachzudenken, wie ich den Buchinhalt gestalte.
Die Welt um Kurt herum ist anders geworden. Das, was er daraus macht, bestimmt nun sein Leben. Er hat den Sprung in ein neues Leben geschafft. Nun wird er selbst Verantwortung tragen müssen, denn Leben findet täglich statt. Ich wünsche Kurt für seine neuen Aufgaben und Herausforderungen gutes Gelingen.
Konrad Fissneider
Ich lernte Konrad Fissneider um die Jahrtausendwende an seinem Arbeitsplatz kennen und bin sehr dankbar dafür. Ich war damals wegen schwerer Alkoholprobleme als Patient im Krankenhaus Brixen beim „Dienst für Abhängigkeitserkrankungen (D. F. A.)“ in Behandlung. In den folgenden Jahren tauschten wir ab und zu einige Worte aus. Gelegentlich sahen wir uns im Vorbeigehen. Zehn Jahre danach wurden wir gute Freunde.
2008 machte ich im Rehabilitierungs- und Beratungszentrum für Alkoholprobleme „Hands“ in Bozen eine Entzugstherapie und stieß auf das Buch „Ich ging durch die Hölle“, das Konrad geschrieben hat. Er hatte selbst eine schlimme Kinder- und Jugendzeit. Ich bin kein Leser von Büchern, aber dieses Buch habe ich aufmerksam gelesen. Was dann geschah, ist unglaublich. Der Wunsch, auf einmal ein Buch über mein Leben zu schreiben, spukte dauerhaft in meinem Kopf herum. Warum ich es dann nicht geschrieben habe, versteht sich wohl von selbst. Mir fehlten das Wissen und die Fähigkeiten, und ich wollte unbedingt diesen Buchautor persönlich näher kennenlernen. Doch wie es der Zufall will, sind wir uns erst zwei Jahre später, 2010, in der Stadt wieder begegnet. Wir verstanden uns auf Anhieb und haben unsere Lebensgeschichten ausgetauscht.
Nach dieser Begegnung wurden wir Freunde, und Konrad half mir bei der Aufarbeitung meiner schrecklichen Vergangenheit. Seine Umgangsformen und zahlreichen aufbauenden Worte motivierten mich, über mich nachzudenken und an mir zu arbeiten. Einmal habe ich Konrad gefragt, wie er es nach so vielen Jahren geschafft habe, sich von allen Drogen zu lösen. Er gab mir zur Antwort: „Ich fing an, anders zu denken.“ Diese Aussage saß vorerst einmal in meinem verwirrten Kopf fest. Ab diesem Zeitpunkt wollte auch ich das schaffen, was er geschafft hatte; und ich fragte ihn, ob er mir dabei helfen könne, ein Buch über mein Leben zu schreiben. Seine Zusage freute mich riesig.
Konrad hat mir ungewöhnlich viel gegeben; und er wurde sozusagen mein zweites Gehirn. Seine gesunde Lebenseinstellung hatte eine positive Auswirkung auf mich. Ich bewundere seine Ehrlichkeit, Ruhe und Selbstdisziplin sowie seine Art, mit Menschen mit Suchtproblemen umzugehen. Vor allem seine Wissensvermittlung zum Thema Drogen und deren Folgen haben mich besonders beeindruckt. Seine Erfahrungen hat er überzeugend auf mich übertragen; und ich habe viel daraus gelernt. Die unzähligen Gespräche mit Konrad über seine kritische Haltung gegenüber dem Suchtmissbrauch haben mir die Augen geöffnet; und mein Selbstbewusstsein wurde enorm gestärkt. Er gab mir das Gefühl, etwas Wertvolles zu sein. Hatte ich Probleme, konnte ich mich sofort an ihn wenden. Konrad wurde mein Vorbild und die Freundschaft mit ihm macht mich innerlich reich.
Wer weiß, ob ich nicht wieder zur Flasche und zu Gewalttaten zurückgekehrt wäre, wenn ich ihn nicht gehabt hätte? Er zeigte mir, wo es lang geht. Ich glaube, ohne seine Unterstützung und seine immer „offenen Ohren“ hätte ich es nicht geschafft. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Nur durch ihn konnte ich meine Gefühle und Gedanken ausdrücken, zu Papier bringen und dieses Buch realisieren.
Mir hat die Arbeit am Buch sehr viel Freude bereitet. Es war eine viel intensivere Aufarbeitung der Vergangenheit, als ich sie in den Therapien erlebt hatte. Über zwei Jahre habe ich gemeinsam mit Konrad daran gearbeitet. Ich war der Erzähler und er hatte die Gabe, meine Gedanken in die richtigen Worte zu fassen. Der leicht leserliche Schreibstil des Buches gefiel mir besonders gut. Meine eigene Geschichte hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt.
Die Zusammenarbeit mit ihm war knallhart. Konrad war stets hoch konzentriert und hat mir extrem viel abverlangt. Er forderte alles von mir. In diesen zwei Jahren haben wir uns fast täglich über Skype-Telefon gehört, oder ich saß stundenlang bei ihm zu Hause. Ich habe ihm meine Lebensgeschichte anvertraut und er schrieb, manchmal sogar bis nach Mitternacht. Oft war ich genervt und übermüdet. Ich bereue keinen Augenblick, mit ihm dieses Buch realisiert zu haben. Es war ein Genuss, mit Konrad zu arbeiten. Seit Herbst 2013 engagieren wir uns gemeinsam in der Prävention.
Meine Eltern waren beide bis zu ihrem Tode Schwerstalkoholiker. Gemeinsam haben sie mit viel Anstrengung zwar ein Zuhause schaffen können, aber in der Erziehung konnten sie wegen ihrer Alkoholprobleme keinerlei positive Vorbildfunktion für uns Kindern ausüben. Sie bemühten sich zwar, uns Stabilität zu geben, konnten es durch ihre Sucht aber nicht. In all den Jahren sind übergroße Mengen Alkohol in ihren Schlünden hinuntergespült worden. Wir Kinder mussten übermäßige Strenge erleiden. Häusliche Gewalt war an der Tagesordnung. Vater und Mutter haben nie eine Beratungsstelle aufgesucht oder sich in einem Krankenhaus wegen ihrer Sucht behandeln lassen. Damals gab es keine Beratungs- und Fachstellen, wie es sie heute gibt.
Mein Vater, geboren 1922, war Holzarbeiter und wurde im Zweiten Weltkrieg in Russland durch eine schwere Verletzung zum Kriegsinvaliden. Die Erinnerungen an ihn sind nur sehr verschwommen, und ich kann mich nur an wenige Momente konkret erinnern, außer dass er mich immer wieder in Schutz nahm, wenn Mutter ausrastete. Er trank weniger als sie, und von ihm wurde ich nicht so häufig geschlagen. Vater starb am 8. Januar 1983.
Meine Mutter, geboren 1929, war Hausfrau und kein liebevoller Mensch. Sie war eine unduldsame und harte Person. Wirkliche Mutterliebe haben wir nie erfahren. Sie liebte den Alkohol mehr als uns Kinder. Durch die Strenge, die mir oft Angst machte, und durch ihre unbarmherzigen und autoritären Erziehungsmethoden wurde ich ein sensibler, aber zugleich gewalttätiger Junge. Mein Selbstbewusstsein hatte unter diesen Umständen schwerstens gelitten und Konflikte konnte ich im Gespräch nie lösen. Bei Auseinandersetzungen kam es deshalb oft zu körperlicher Gewalt. Als Mutter am 31. Januar 1998 verstarb, brach dennoch eine Welt für mich zusammen.
Das Verhältnis zu meinen acht Geschwistern und zwei Adoptivkindern war eher nüchtern. Wir haben wenig zusammen gespielt. Nicht mit allen habe ich mich gut verstanden. Außerdem hatte ich einen gewalttätigen Bruder, der fast an jedem Wochenende zu Hause im betrunkenen Zustand randalierte. Die ganze Familie hatte mächtig Angst vor ihm. Mittlerweile ist er verstorben.
Besonders zu meiner jüngsten Schwester hatte ich von klein auf einen schlechten Bezug. Oft sind wir uns in die Haare geraten, und da hat es natürlich auch manchmal ganz schön gekracht. Es gab immer wieder Streit, weil sie ständig schlecht über mich redete. Wegen meines wilden Lebensstils war ich ihrer dauernden Kritik ausgesetzt. Sie urteilte fortlaufend: „Du bist nichts“ oder „du bringst es zu nichts“ oder „du bist ein Schlappschwanz“ und … Niemals hatte sie aufbauende Worte für mich, sondern bombardierte mich nur mit Vorwürfen und Anschuldigungen. Diese lang anhaltenden Demütigungen und Abwertungen wirkten wie Gift auf mich.
Eine unschöne Situation hat sich ausgerechnet einige Tage vor meiner Hochzeit zugetragen. Es sollte eigentlich für meine Frau und mich eine unvergesslich schöne Woche werden. Doch dies wurde sie nicht, denn meine Schwester wollte die Eheschließung auf ihre Art und Weise verhindern, obwohl sie unsere Trauzeugin war. Sie nörgelte schon Tage zuvor ständig mit unschönen Bemerkungen an mir herum und machte mich sogar vor meiner zukünftigen Schwiegermutter schlecht, indem sie sagte: „Kurt ist ein heruntergekommener Trümmerhaufen und Knastbruder. Ihr werdet noch eure blauen Wunder mit ihm erleben.“ Nach dieser Äußerung lehnte meine Frau sie als Trauzeugin ab; und wir mussten neue Trauzeugen suchen, die wir auf Anhieb fanden. Freunde von mir waren es, die sofort zugestimmt hatten. Auch die Reaktion meiner Schwiegermutter ließ nicht lange auf sich warten, und sie sagte zu meiner Schwester: „Er heiratet meine Tochter und nicht mich. Und vor allem stehen wir hinter dem Kurt.“ Ich bin meiner Ex-Frau und meiner Schwiegermutter von Herzen dankbar für ihr mutiges und verantwortungsvolles Handeln.
Dass meine Schwester bei dieser Aussage überhaupt kein Schamgefühl hatte und warum sie das sagte, verstehe ich immer noch nicht. Ich fühlte mich im Augenblick des Geschehens zutiefst verletzt. Ich glaube, dieses respektlose Verhalten war einfach Bosheit, um mir eins auswischen zu können, weil wir miteinander nie zurechtkamen. Ja, ich gebe zu, dass ich ein schlimmer Typ war, aber kurz vor einem der schönsten Tage im Leben hätte sie eine solche Bemerkung wirklich nicht machen sollen. Noch heute tut es mir weh, wenn ich daran zurückdenke. Unser Hochzeitstag wurde aber trotz dieses Vorfalles ein tolles Erlebnis.
Die Beziehung zu meinen Geschwistern hat sich mittlerweile stark verbessert. Mit mehreren stehe ich heute in sehr enger Verbindung: besonders mit der Schwester im Vinschgau sowie der ältesten Schwester und dem Bruder im Weitental. Einige meiner Schwestern und mein Bruder sind erstaunt, was aus mir geworden ist, und sie freuen sich über meine Veränderung.
Wir lebten im Weitental, einem Seitental vom Pustertal in der Gemeinde Vintl. Der Zusammenhalt in unserer Familie war nicht besonders gut. Der Alkohol hat dazu beigetragen, dass es oft Streit gab und zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Vater, Mutter und Kindern führte. Die ganze Familie hat darunter stark gelitten und musste einen jahrelangen, schweren Kampf durchstehen. Durch eigenes Verschulden sind wir oft in schwierige Situationen geraten.
Alle meine Geschwister haben viel Leid ertragen und sind durch diese Erfahrungen heute stärker und reifer geworden. Wenn einer von uns Probleme oder Schwierigkeiten hat, sind einige meiner Angehörigen zur Stelle, und wir helfen uns gegenseitig. Wenn ich bei einem meiner Familienmitglieder zu Hause bin, verspüre ich ein freudiges Gefühl. Ich bin ihnen dankbar, dass sie mir heute so nahe stehen.
Mein Elternhaus in Weitental