Kurzgeschich 2023 - Thomas Manderley - E-Book

Kurzgeschich 2023 E-Book

Thomas Manderley

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Beschreibung

Kurzgeschich – Das ist eine Sammlung von Mini-Kurzgeschichten, die im Rahmen einer Schreibchallenge auf einer Social-Media-Plattform entstanden sind. Die Geschichten in diesem Buch schrieb der Autor innerhalb weniger Stunden nach der Bekanntgabe des jeweiligen Themas. Herausgekommen ist dabei eine kunterbunte Mischung aus Mini-Kurzgeschichten, von unterhaltsam bis skurril komisch, von poetisch bis rührend, die den Einfallsreichtum und die Wandlungsfähigkeit des Autors zeigt. Dieser Band enthält alle Geschichten aus dem Jahr 2023.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 128

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Thomas Manderley

Kurzgeschich 2023

Alle Mini-Kurzgeschichten 2023

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

Ritter Friedberts Reise durchs westliche Deutschland

Dokumente der Zeit

(K)eine Frage des Geschmacks

Das rote Glühen

Der Ausdruck der Persönlichkeit

Rock’n’Roll

Die Reise ans Ende des Flusses

Brennbare Gase

Die Stille der Zeit

Das Beweisstück

Flüssigkeitsbehälter

Altlasten

Heimkehr

Der Hunde-Code

Die grüne Kandidatin

Kratz mich mal!

Paukenschläge

Gesellschaft mit (un)beschränkter Haftung

Die Rufe der Lichter

Das Glühen der Nacht

Ha zwei Oh

Partygäste

Momente

Das gefährliche Werkzeug

Vater und Sohn

Nachts auf der Königsallee

Eiskalt abgetaucht

Apfelschorle

Im Auge des Betrachters

Glückslichter

Impressum neobooks

Vorwort

Alle Geschichten in diesem E-Book entstammen einer Schreibchallenge auf einer Social-Media-Plattform, an der ich in unregelmäßigen Abständen teilnehme. Dabei wird jeweils ein Thema vorgegeben, über das der Autor dann eine Mini-Kurzgeschichte verfassen muss. Die Geschichten in diesem Buch habe ich jeweils wenige Stunden nach Bekanntgabe des jeweiligen Themas verfasst.

Vielen Dank an Lara Würfel und die anderen Administratoren der Schreibgruppe für die Themenauswahl.

Ritter Friedberts Reise durchs westliche Deutschland

Thema: Schreibe eine kurze Geschichte über einen Ritter.

Ritter Friedbert saß hoch zu Ross und betrachtete die Weiten des Münsterlandes, die sich vor ihm ausbreiteten. Langsam ritt er vorwärts durch die Feldwege, vorbei an Kuhherden, Getreidefeldern und Obstbäumen. Doch plötzlich tauchte am Horizont eine Mühle auf. Die Flügel ihres riesigen, knorrigen Windrads ragten bedrohlich in den Himmel hinauf.

“Ach, gegen Windmühlen kämpfen ist so aus der Mode! Ich muss mir einen anderen Gegner suchen“, sagte Friedbert laut zu sich selbst und ritt weiter. Irgendwann, nach vielen Stunden, kam er in eine große Stadt. Dort stand ein in gelb und schwarz gekleideter Mann am Straßenrand und begrüßte Friedbert frenetisch: „Hey Alter, komm ma rübber! N’echter Ritter, datt ich datt nomma erleben darf.“

„Zum Gruße, der Herr!“, antwortete Friedbert, „aber sagen Sie mir, mein Herr: Warum sind Sie so seltsam gekleidet?“

„Watt, seltsam? Heute spielen ma auf Schalke, woll? Und nächste Woche steigt die Schlacht jejen de Bayern! Hey, willste nich mitkommen? Wir brauchen noch‘n neues Maskottchen.“

„Aber warum soll ich gegen die Bayern kämpfen? Das sind doch nicht meine Feinde! Und wer ist überhaupt dieser Schalke?“

„Na, Bundesliga, Mann! Oder stammst du echt aus‘m Mittelalter?“

Friedbert dachte nach, kam jedoch zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis. Also verabschiedete er sich kurzerhand: „Ich verstehe Sie nicht, mein Herr. Aber haben Sie noch einen schönen Tag!“

Friedbert ritt weiter: durch Städte, Wälder und Felder. Er folgte einem großen Fluss bis zu einer Stadt, in der eine Kirche mit verdrehtem Turm in der Nähe des Ufers stand.

Da sprach ihn eine Gruppe Jugendlicher an: „Hey du Tünnes, wo willst du denn hin?“

„Tünnes? Den kenne ich nicht. Aber ich bin auf der Suche nach einem würdigen Gegner!“

„Dann reit ma fuffzich Kilometer weiter. Da kannste de Kölner verkloppen!“, rief ein junger Mann und brach in schallendes Gelächter aus.

„Die sin doch keijne würdijen Jegner!“, schrie eine junge Dame und lachte ebenso laut auf.

„Aber Köln ist eine alt-ehrwürdige Stadt und ihre Kathedrale Sinnbild für die Ehrfurcht vor Gott dem Allmächtigen. Warum sollte ich dort gegen jemanden kämpfen wollen?“, fragte Friedbert.

„Dat kriste schon raus. Reit eijnfach hin, dann siehste schon!“, sagte die Dame, noch immer über sich selbst lachend.

„Na schön. Ich werde Euren Rat befolgen und hoffe auf das Beste!“ Friedbert ritt weiter.

Der Fluss schlängelte sich durchs Land. Friedbert folgte seinen Ufern in Richtung Süden und schon bald tauchten die mächtigen Türme des Kölner Doms am Horizont auf. Als Friedbert dann endlich auf das beeindruckende Westportal zuritt, kam ihm ein Mann entgegen und schrie: „Guckt ma alle: Dat is bestimmen eijn Düsseldorfer!“

Friedbert schüttelte nur den Kopf und ritt so schnell er konnte aus der Stadt.

Weiter ging die Reise: über Hügel, durch Wälder, ja sogar über erloschene Vulkane hinweg. Viele Leute hatte er inzwischen getroffen: eine Frau, die ihm sagte, er solle gegen ihre Nachbarn kämpfen, da diese zu laut Musik hörten, und auch einen Mann, der ein großes Schild an einem Stock in der Hand hielt und mit einer Trillerpfeife jede Menge Krach erzeugte. Er riet Friedbert, gegen die Mächtigen und das System zu kämpfen. Aber mit alldem konnte Friedbert nichts anfangen. Also suchte er weiter.

Doch bald schon trug sein Ross schwer mit Ritter und Rüstung und auch Friedbert selbst war müde geworden. Da kam er, als er über einen Hügel ritt, an eine Quelle mit herrlich frischem Wasser. Er stieg ab, ließ sein Pferd trinken und erfrischte sich selbst am kühlen Nass.

Da bemerkte er einen alten Mann, der auf einem Stein neben dem Bach saß und ein Lächeln auf den Lippen hatte.

Friedbert ging auf ihn zu: „Zum Gruße, mein Herr. Vielleicht können Sie mir helfen: Ich bin auf der Suche nach einem würdigen Gegner für den Kampf. Auf meiner Reise bin ich bisher nur seltsamen Leuten begegnet. Man riet mir, gegen Bayern zu kämpfen und gegen einen gewissen Schalke. Man nannte mich Tünnes und Düsseldorfer und eine Frau wollte tatsächlich, dass ich gegen ihren Nachbarn antreten solle. Ach ja, auch irgendein System solle ich bekämpfen. Ich bin verwirrt.“

Die Augen des Mannes sahen Friedbert freundlich, aber auch mitleidig an: „Sehen Sie, Herr Ritter, ich bin jetzt 102 Jahre alt und lebe hier allein in einer Hütte, gleich da hinten, nur ein paar Meter von hier. Ich habe in meinem Leben nur gekämpft: In Kriegen, gegen die politischen Gegner, gegen Widersacher, gegen meinen Chef, ja sogar gegen meine Frau, einfach gegen alles und gegen jeden. Ich habe gewonnen und ich habe viel verloren. Und am Ende habe ich gemerkt, dass das alles nur Blödsinn war. Sehen Sie sich nur um, junger Mann. Sehen Sie diese fantastische Natur, dieses Wunder des Lebens. Kämpfen? Das ist was für den Rehbock, der da vorn im Wald wohnt und sein Revier verteidigen will. Wir, die Menschheit, die sogenannte ‚intelligente‘ Spezies sollte da doch wohl drüberstehen. Mit gemeinsamer Arbeit und aufeinander zugehen wurden noch immer mehr Probleme gelöst als mit Kämpfen. Denn alles, was zählt, sind die Freude, die Freiheit und das Leben: meines, Ihres und das jedes anderen, oder nicht?“

Friedbert sah sich um. Vor ihm breiteten sich Täler voller dunkler Wälder aus, Wiesen, Felder, malerische, sanfte Hügel, bis zum Horizont. Die Abendsonne malte lange Schatten darüber und brach sich an den wenigen Wolken, die über den Himmel zogen.

„Danke!“, sagte Friedbert leise, „vielen Dank! Ich werde über Ihre Worte nachdenken.“ Dann nahm er sein Pferd bei den Zügeln und lief in seiner Rüstung neben ihm her, den Hügel hinab ins Tal.

Doch bald schon war ihm das viele Metall an seinem Körper zu schwer geworden und auch die Waffen, die er bei sich trug. Er hielt an, zog seine Rüstung aus und warf sie mit samt seines Schwerts auf den Boden.

Da kam ein junger Mann des Weges und sprach Friedbert an: „Hey, ist die Rüstung echt? Ist ja krass! Aber hey: Sehen sie den Fleck da am Helm? Das ist Rost! Den müssen sie bekämpfen!“

Dokumente der Zeit

Thema: Schreibe eine kurze Geschichte über einen Jugendlichen, dessen Handy kaputt oder verloren geht.

„Danke, stimmt so!“ Stefan war an diesem Tag besonders gut gelaunt. Mit seiner Freundin Mathilda war er in das Fastfood-Restaurant gegangen, das sie so sehr mochte, um den Jahrestag ihres Zusammenseins zu feiern.

„Oh danke!“, sagte der Kassierer, aber Stefan und Mathilda waren schon auf dem Weg zu einem Tisch, direkt an der großen Fensterfront. Die beiden hatten Glück, denn das Restaurant war an diesem späten Nachmittag gut gefüllt.

Stefan hatte seit dem Frühstück nichts mehr gegessen und so ließ ihn der Hunger bereits jetzt, noch auf dem Weg zu seinem Platz, von den Pommes Frites naschen.

„Kannst du nicht warten?“, fragte Mathilda albern und nahm sich selbst die längste Pommes Frites, die zu ergattern war.

„Ach, und du?“, fragte Stefan zurück und rempelte Mathilda spielerisch an, „du kriegst nichts mehr, Naschkatze!“ Aber Mathilda lief einfach hinter ihm vorbei und stahl die nächste Pommes Frites von der anderen Seite.

Stefan stellte das Tablett auf den Tisch, zog sein Handy aus der Hosentasche und wollte sich setzen, doch sein geliebtes Smartphone glitt ihm aus den fettigen Fingern und fiel auf den Boden. Aber dank der stabilen Schutzhülle auf dessen Rückseite, blieb es unversehrt. Stefan wusste nicht, was er nun zuerst erledigen sollte: den Stuhl zurückziehen oder das Handy aufheben. Sein unterzuckertes Gehirn entschied sich, beides gleichzeitig zu versuchen, mit dem Ergebnis, dass er den Stuhl anhob, dann aber nach seinem Handy griff und den Stuhl dafür wieder losließ, dessen Fuß genau auf dem Display landete.

Ein markerschütterndes Knirschen verriet Mathilda, dass etwas passiert sein musste: „Was ist los? Ist was kaputtgegangen?“

Stefan hob sein Handy auf und betrachtete das Display, das aussah, wie nach einem Steinschlag. Der kalte Schweiß trat ihm auf die Stirn. Er begann am gesamten Körper zu zittern, immer heftiger und heftiger, bis sich seine Anspannung schließlich in einem lauten „AAAAAAH!“ entlud. Die Köpfe der anderen Restaurantbesucher drehten sich fast synchron in seine Richtung.

„Was ist denn?“, fragte Mathilda erneut.

„AAAAAAH!“

„Hast du dir wehgetan?“

„AAAAAAH!“

„Zeig mal her!“ Mathilda nahm ihm das Telefon aus der Hand. „Na so ein Mist. Da brauchst du wohl ein neues Display. Aber das kannst du morgen leicht austauschen lassen.“

„MORGEN?“, schrie Stefan entgeistert und riss Mathilda das Handy weg. Dann rieb er verzweifelt auf dem zerbrochenen Display herum, mit der Hoffnung auf ein Wunder. Aber dieses trat einfach nicht ein. Im Gegenteil: Statt einer Reaktion des Smartphones, schnitt Stefan sich an einer herausstehenden Scherbe den Finger auf. „So eine Scheiße!“, rief er durchs Restaurant, während sein Blut bereits auf den Boden tropfte.

Mathilda sah sich Stefans Finger an, aber in diesem Moment war bereits eine Angestellte des Restaurants mit Desinfektionsmittel, Tüchern und einem Pflaster zur Stelle, um die Wunde zu versorgen.

„So eine Scheiße, was mache ich den jetzt?“

„Jetzt essen wir erst mal. Es wird doch alles kalt. Das Handy bringst du gleich morgen früh zur Reparatur“, antwortete Mathilda ruhig und setzte sich an den Tisch.

Stefan sah jedoch verzweifelt auf das in Scherben liegende Display und sogar eine Träne wollte seine Wange hinunterlaufen.

„Hören Sie!“, sagte ein Mann am Nachbartisch, „wenn es so dringend ist, können Sie zu dem Laden vorne, gegenüber des Hauptbahnhofs gehen. Die reparieren Ihnen das sogar mit Originalteilen.“

Stefans Gesicht hellte sich auf. „Etwa heute noch?“

Der Mann zuckte mit den Schultern. „Vielleicht“

Stefan rannte los.

„Jetzt iss doch erst mal in Ruhe!“, rief Mathilda hinter ihm her, „der Bahnhof ist verdammt weit weg. Du wirst ewig brauchen, bis du wieder hier bist!“

„Nicht, wenn ich renne!“, schrie Stefan zurück, während er bereits zur Tür hinaussprang.

Ohne zu gucken über die Straße, dem Auto ausweichen, dem Radfahrer, der gerade noch bremsen konnte, den Mittelfinger zeigen, weiter durch die Fußgängerzone und im Slalom durch die Passanten: Alles geschah mehr oder weniger gleichzeitig. Einer Frau, die ihre Einkaufstüten leider in der falschen Hand trug, konnte Stefan nicht mehr rechtzeitig ausweichen und touchierte einen der Plastikbeutel mit dem Knie. Die Einkaufstüte mitsamt Inhalt landete auf dem Boden, gefolgt von Stefan selbst, der durch den Aufprall ins Straucheln gekommen war und dessen Gleichgewichtssinn sich schließlich der Gravitation beugen musste.

Aber Stefan stand schnell wieder auf und rannte weiter. Sein Knie schmerzte wie nach einem Hammerschlag, aber es durfte nicht. Geschwindigkeit war angesagt.

Ein paar Minuten später hatte es Stefan ohne weitere Unfälle bis in den Laden geschafft. Er legte sein zerbrochenes Handy auf die Theke und keuchte: „Können Sie das reparieren? Jetzt sofort?“

„Wir schließen gleich! Kommen Sie doch morgen früh wieder“, sagte die Frau hinter dem Tresen mit freundlicher Stimme.

„NEIN! Wieso in aller Welt schließen Sie so früh?“ Stefan keuchte immer noch. „Was würde das denn kosten?“

„Mit Originaldisplay 120 Euro. Aber wie gesagt …“

Stefan schnitt ihr das Wort ab: „Ich zahle Ihnen 200!“

„Aber …“

„Na gut, 300! 300 Euro, aber ich brauche das Telefon jetzt gleich!“ Stefan atmete schwer, versuchte aber, sich dennoch ein Lächeln abzuringen.

„Na schön!“, sagte die Frau mit einem Seufzer und ging mit dem Telefon nach hinten in die Werkstatt.

Die nächsten 30 Minuten quälten sich im Schritttempo vorwärts. Stefan betrachtete den Sekundenzeiger der großen Uhr an der Wand, aber dieser schien einfach stehenbleiben zu wollen, ja sogar rückwärtszulaufen. Auf und ab, auf und ab: Stefan lief die knapp vier Meter vor dem Tresen hin und her, wie ein Raubtier im Käfig.

Doch dann die Erlösung: Die Dame kam mit seinem Handy wieder zurück. Das Display war neu und glänzte im Neonlicht der Deckenlampen.

„Schalten Sie bitte frei!“, sagte die Frau und hielt Stefan das Telefon hin, der mit zittrigen Händen den Endsperrcode eingab.

Die Dame testete alle Funktionen, während Stefan bereits seine Bankkarte herausholte. Schweißgebadet zahlte er die vereinbarten 300 Euro, riss der Frau das Telefon aus der Hand und rannte wieder los.

Im Restaurant saß Mathilda noch immer am Tisch. Die Hälfte des Tabletts vor ihr war leer und als sie Stefan hereinkommen sah, drehte sie sich absichtlich weg und sah aus dem Fenster.

„Ich hab’s!“, sagte Stefan stolz.

„Na toll!“, antwortete Mathilda, ohne ihn anzusehen.

„Willst du mal gucken?“

„NEIN!“

„Dein Problem!“ Stefan nahm sein geliebtes Smartphone zur Hand, aktivierte auf dem funkelnagelneuen Display die Kamera, um nun endlich ein Foto seines Burgers aufzunehmen und direkt zu posten.

„Geschafft!“, sagte Stefan laut zu sich selbst, atmete durch, setzte sich und biss herzhaft in seinen eiskalten Burger.

(K)eine Frage des Geschmacks

Thema: Schreibe eine kurze Geschichte über eine Abschlussprüfung.

Voller Ungeduld wartete Harald darauf, dass er endlich an der Reihe war. Aber der Prüfer ließ sich Zeit. Er ging, begleitet von einer Assistentin und einem Assistenten, von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz und schaute sich jede Kreation genauestens an. Er drehte sie hin und her, testete die Konsistenz und probierte am Ende auch einen Bissen.

Aber dann war es so weit. „Aha, unser Herr Streitmeier ist an der Reihe. Aber lassen Sie mich vorweg noch sagen, wie toll ich es finde, dass Sie im Alter von 69 Jahren noch eine Konditorlehre abschließen möchten.“

„Danke, Herr Oberbecker, ich habe schon immer leidenschaftlich gern gebacken und Torten kreiert. Und eigentlich war das schon seit Kindertagen mein Berufswunsch gewesen. Leider ist er bis dato nicht in Erfüllung gegangen. Aber jetzt, wo ich pensioniert bin, und Zeit habe, wollte ich das einfach nachholen und sagen können: Ich bin ein Konditor!“

„Na, das klingt doch hervorragend. Ihre theoretische Prüfung war ja auch sehr überzeugend. Aber jetzt schauen wir uns mal Ihre Kreation zum Thema ‚Freestyle‘ an. Ja, was haben wir denn da: Ein Delfin, der auf einer Welle schwimmt. Das ist ja wirklich großartig und sehr interessant, vor allem, wie sie das Ganze ausbalanciert haben. Ein richtiges kleines Meisterwerk!“

„Danke!“, sagte Harald, mit einem breiten Lächeln auf den Lippen, während Prüfer Oberbecker den Delfin langsam herumdrehte und alles genauestens unter die Lupe nahm. „Er besteht aus mehreren, sich abwechselnden Schichten von Vanille-Mandel-Kuchen und Kirschgelee, ummantelt mit Marzipan. Die Welle ist ein Schokoladenkuchen mit Schoko-Überzug. Da habe ich etwas Stabileres verwendet, damit das Ganze auch gut hält.“

„Schön, Herr Streitmeier, sehr schön!“ Herr Oberbecker schien zufrieden, doch dann zog er plötzlich die Augenbraun zusammen. „Aber was haben Sie denn da an die Seite geschrieben: ‚Rettungsdelphin‘?“

„Ja, sehen Sie nicht das rote Kreuz auf seiner Rückenflosse? Das ist übrigens Weingummi.“