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Ich saß in meinem orange-rot gemusterten Lieblingssessel und spürte, dass es gleich wieder passieren würde. Anfangs hatte ich versucht, mich dagegen zu wehren, aber das habe ich irgendwann aufgegeben. Man könnte auch sagen, ich habe mich ergeben.
Es entstanden wilde Spekulationen und es gingen die absurdesten Gerüchte um. Der Flurfunk funktionierte perfekt. Auf die Wahrheit aber kam keiner und so fielen alle aus den Wolken, als die Polizei nach Ben suchte.
»Mir ist schlecht«, war alles, was sie sagte.
Als es endlich so weit war, wäre ich am liebsten davongelaufen. Ich wusste nicht, ob ich noch immer schwitzte oder ob mir vor lauter Anspannung der Schweiß ausgebrochen war.
Mit schweren Gliedern und einem verwundeten Herzen stand ich am nächsten Tag auf und stellte mich dem Alltag. Ich würde es auch dieses Mal schaffen und gedanklich Pflaster auf mein Herz kleben, damit es heilen konnte. Wie das später mal mit den Narben sein würde, wusste ich noch nicht.
Er atmete tief durch und spürte, dass der Mann ihn beobachtete. Er konnte ihn zwar nicht sehen, aber er wusste, dass er da war. Er war immer da. Simon setzte sich so auf den weißen Rasen, dass er die Terrassentür des Hauses und einen Großteil der Fenster im Blick hatte. Nach einigen Minuten sah er den weißen Mann hinter einem der Fenster. Sie sahen sich beide sehr lange an.
In diesem Buch enthalten:
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Veröffentlichungsjahr: 2019
Kurzgeschichten
Beate Kidd
Copyright © 2017 Beate KiddHans-Hayder-Str. 9, 93059 RegensburgE-Mail: [email protected] https://bit.ly/2V1FJej
Alle Rechte vorbehalten. Eine Kopie oder anderweitige Verwendung ist nur mit schriftlicher Genehmigung von Seiten der Autorin Beate Kidd gestattet. Verwendetes Foto Cover: Fotolia © stockWERKAutorenfoto: Wunschtraum Fotografie by Tanja Kowalewsky
Mario lernte Gisela bei der Geburtstagsfeier eines Kollegen kennen. Ihre Ausstrahlung und Lebensfreude nahmen ihn sofort gefangen und er warf ihr immer wieder verstohlene Blicke zu.»Wo war diese Frau bis dato nur gewesen?«Noch nie hatte Mario von Anfang an so eine Faszination gegenüber einer Frau verspürt. Er musste sie unbedingt ansprechen. Als der Abend nach dem allgemeinen Essen etwas lockerer wurde, ging Mario direkt auf Gisela zu und fing ein sehr heiteres und lockeres Gespräch mit ihr an. Die Funken, die beide versprühten, konnte man förmlich spüren. Mario setzte all seinen Charme ein und gestand Gisela, dass er sie unbedingt wiedersehen wollte. Begeistert sagte Gisela einem Treffen zu.
Ein paar Tage später wartete Mario pünktlich um 19 Uhr beim Brunnen am Stadtplatz auf Gisela. Er war aufgeregt und schielte immer wieder in alle Richtungen, weil er nicht wusste, von welcher Seite Gisela kommen würde. Und dann sah er sie. In einem bunt gemusterten Kleid, das sie einfach umwerfend aussehen ließ, war sie aus einer Gasse auf den Stadtplatz getreten und winkte ihm fröhlich zu. Mario winkte zurück und dachte dabei, dass es Liebe auf den ersten Blick wohl wirklich gab. Zur Begrüßung versuchten sie, sich zu umarmen, was aber nicht so einfach war, da Gisela nicht nur eine riesige Handtasche bei sich hatte, sondern auch einen Regenschirm, der leicht als Sonnenschirm durchgegangen wäre.
Gisela lachte und sagte: » Weil es nach Regen aussieht, habe ich vorsichtshalber einen Schirm mitgenommen.« Mario dachte bei sich, dass unter diesem monströsen Schirm auf jeden Fall sie beide vor Regen geschützt wären, sagte jedoch nichts. In seinem Kopf lief ein kleiner romantischer Film ab. Strömender Regen, sie beide eng zusammen unter diesem Schirm. »Reiß dich zusammen«, ermahnte er sich selbst in Gedanken. Marios Vorschlag, in den Biergarten in der Nähe des Stadtplatzes zu gehen, wurde von Gisela strahlend angenommen.
Als Mario losgehen wollte, hielt sie ihn zurück und sagte: »Moment bitte. Ich muss Hans noch holen.« Mario schaute sehr verwirrt und ihm wurde gleichzeitig heiß und kalt. Wer bitte ist Hans? Ihr Freund? Ihr Mann. Oh nein. »Wer ist Hans?«, hörte er seine Stimme, die leicht bebte.
»Ach, habe ich dir das gar nicht erzählt?« Marios Gedanken überschlugen sich. Vielleicht war Hans ihr Sohn? Mario wurde mulmig. »Mein Fahrrad heißt Hans. Bei mir hat fast alles einen eigenen Namen.«
Mario lachte erleichtert, obwohl er es etwas befremdlich fand, dass ein Fahrrad den Namen Hans trug. »Ok« sagte Mario, »dann holen wir jetzt Hans.«
Hans stand vor einem Laden in der Gasse, aus der Gisela zuvor gekommen war. »Möchtest du mit dem Rad zum Biergarten fahren? Du könntest Hans nehmen und ich nehme Marlene. Sie steht am anderen Ende des Stadtplatzes.« Mario starrte Gisela kurz an, lachte dann und sagte: »Ich nehme an, Marlene ist auch ein Fahrrad?« Gisela nickte. »Ja, es gibt auch noch die pinke Maria. Maria habe ich am Stadtrand abgestellt, falls ich dort mal ein Fahrrad brauche.« Mario runzelte leicht die Stirn. »Na ja, zum Biergarten sind es ja nur drei oder vier Straßen, da brauchen wir nicht extra die Räder nehmen.«
Er versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie seltsam er die Situation fand. Fahrräder, die Namen hatten und auch wirklich damit angesprochen wurden. Zwei Räder, die irgendwo geparkt waren, obwohl man zuhause sowieso ein Rad hatte.
»Ich wohne gleich hier vorne um die Ecke. Lass uns Hans dann nach Hause bringen.«
Mario willigte ein und bemerkte, dass er nicht mehr so angetan von Gisela war, wie noch vor ein paar Tagen. Aber den Abend würde er jetzt sicher überstehen und vielleicht wurde es ja doch noch ganz nett, vielleicht hatte Gisela einfach nur einen Tick. Als sie Hans vor Giselas Haus abgestellt hatten, gingen sie weiter in Richtung Biergarten.
Es war ein ziemlich stürmischer Wind aufgekommen, der Blätter und kleine Äste von den Bäumen riss. Der Himmel verfinsterte sich immer mehr, bis fast nur noch Gewitterwolken zu sehen waren.
»Sieht fast so aus, als könnten wir deinen Regenschirm noch brauchen«, sagte Mario. »Aber vielleicht haben wir auch Glück und der Wind vertreibt die Gewitterwolken«.
Als sie beim Biergarten ankamen, sahen sie schon die ersten Gäste aufstehen und in die Innenräume wechseln. »Am besten wir gehen auch gleich rein«, schlug Mario vor und ging zum Eingang des Speiselokals. »Sollte sich das Wetter beruhigen, können wir uns immer noch nach draußen setzen«.
Gisela nahm Marios Hand und sagte: »Warte. Bist du dir sicher, dass du dort rein willst?«
Mario schaute sie verwundert an. »Ja klar. Wieso denn auch nicht? Auf den tollen Biergarten müssen wir jetzt zwar verzichten, aber es macht auch keinen Sinn, bei diesem Wetter noch lange in der Stadt herumzulaufen.«
Gisela sah ihn ernst an und ehe sich Mario versah, hatte er ihren überdimensionalen Regenschirm und ihre riesige Handtasche im Arm.
»Halt mal bitte. Ich muss jetzt erstmal einen Neigetest machen.«
»Was ist denn ein Neigetest? Muss das jetzt sein? Es regnet bereits.«
Gisela sah ihn an und setzte zu einer Erklärung an: »Ich brauche diesen Test, um entscheiden zu können, ob ich hier rein will oder nicht. Ich muss mir Fragen stellen und wenn sich mein Körper nach vorne neigt, bedeutet das ja. Zieht es mich rückwärts, dann ist das eindeutig ein Nein.«