Kurzlehrbuch Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie - Wolfgang A. Wetsch - E-Book

Kurzlehrbuch Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie E-Book

Wolfgang A. Wetsch

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Beschreibung

In diesem Kurzlehrbuch findest du das gesamte prüfungsrelevante Wissen aus den Teilgebieten Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie kompakt und leicht verständlich dargestellt. Fallbeispiele und Praxistipps helfen dir dabei, das Wissen in den klinischen Alltag zu übertragen. Abbildungen und Anleitungen für praktische Tätigkeiten (z.B. ZVK-Anlage) unterstützen das praxisnahe Lernen. Was ist neu? - Aktualisierte und überarbeitete Neuauflage - Jederzeit zugreifen: Der Inhalt des Buches steht dir ohne weitere Kosten digital in der Wissensplattform eRef zur Verfügung (Zugangscode im Buch). Mit der kostenlosen eRef App hast du zahlreiche Inhalte auch offline immer griffbereit

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Kurzlehrbuch Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie

Wolfgang A. Wetsch, Jochen Hinkelbein, Fabian Spöhr

2., aktualisierte Auflage

200 Abbildungen

Vorwort

A-I-N-S, die vier klassischen Säulen des Faches Anästhesiologie, spielen schon während des gesamten Medizinstudiums eine große Rolle. Das Fachwissen aus diesen vier Teilbereichen ist jedoch auch für den klinisch tätigen Arzt in Weiterbildung und für Fachärzte oftmals nur sehr schwer überschaubar. Während des Studiums ist es daher erforderlich, sich auf die wirklich relevanten Aspekte zu beschränken, um nicht den Überblick zu verlieren.

Vielfach mussten wir auf die Frage von Studierenden, welches Buch wir für das Fach Anästhesiologie empfehlen, ausweichend antworten. Es gibt zwar viele Lehrbücher – für den Studierenden enthalten diese jedoch entweder zu wenig (weil etwa Intensivmedizin, Notfallmedizin oder Schmerztherapie zu kurz abgehandelt sind oder gänzlich fehlen), oder aber zu viele Informationen, um es noch in einem vertretbaren zeitlichen Rahmen – etwa zur Prüfungsvorbereitung – lesbar zu machen.

Wir haben daher versucht, in diesem Kurzlehrbuch das gesamte Spektrum der Anästhesiologie (also Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie) abzudecken und den Studierenden relevantes Wissen, nicht nur für die Prüfungsvorbereitung, sondern auch als Basis für den späteren Berufsalltag zu bieten.

Auch die übliche Gliederung, in der zuerst ein allgemeiner Teil mit theoretischem Wissen den klinisch wichtigen Fragen und Informationen vorangestellt ist und die Freude am Lesen möglicherweise schmälert, haben wir bewusst modifiziert und versucht, die theoretischen Hintergründe in den direkten klinisch-praktischen Kontext zu stellen. Auf diese Weise kann das Buch eine innovative, chronologisch aufgebaute Begleitung zum Lernen sein. Analog zum klinischen Prozess beginnt es beispielsweise für die Anästhesie bei der Patientenvorbereitung, danach folgen Narkoseeinleitung und -durchführung sowie letztendlich die postoperative Überwachung.

Die im Buch genannten Dosierungen sind „Lehrbuchdosierungen“, die für viele Patienten zutreffend sind – es gibt jedoch auch Situationen oder Patienten, die hiervon abweichende Dosierungen benötigen. Dies ist fachärztliche Aufgabe und würde den Rahmen dieses Kurzlehrbuches sprengen.

Die Rückmeldungen, die wir zur ersten Auflage bekommen haben, haben uns sehr motiviert, und wir freuen uns, dass wir vieles bereits in die vorliegende zweite und aktualisierte Auflage einarbeiten konnten. Auch weiterhin freuen wir uns auf Rückmeldungen der Leserinnen und Leser, um das Werk so praxisrelevant und aktuell wie möglich zu halten. Unser besonderer Dank gilt Frau Dr. med. Helen Sophie Stohrer vom Georg Thieme Verlag, die uns bei der Aktualisierung dieses Buches mit großem Einsatz zur Seite stand.

Wir hoffen, dass wir mit diesem Buch einen Überblick über alle Aspekte unseres vielseitigen, interessanten und spannenden Fachgebiets geben können. Wir wünschen den Leserinnen und Lesern viel Vergnügen bei der Lektüre des Buchs, viel Erfolg für die Prüfungsvorbereitung und vielleicht später bei der Anwendung in der Praxis.

Köln und Stuttgart, im April 2018

Priv.-Doz. Dr. med. univ. Wolfgang A. Wetsch

Prof. Dr. med. Jochen Hinkelbein, D.E.S.A., E.D.I.C., F.As.M.A.

Priv.-Doz. Dr. med. Fabian Spöhr, MBA

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Präoperatives Vorgehen

1.1 Klinischer Fall

1.2 Präoperative Visite

1.2.1 Allgemeines

1.2.2 Vorgehen

1.2.3 Abschätzen des Narkoserisikos

1.2.4 Narkoseaufklärung

1.3 Auswahl des Anästhesieverfahrens

1.4 Präoperative Maßnahmen

1.4.1 Präoperative Ausstattung

1.4.2 Prämedikation

1.4.3 Nüchternheit

1.5 Anästhesiologisch wichtige Vor- und Begleiterkrankungen

1.5.1 Dauermedikation

1.5.2 Chronische Erkrankungen

1.5.3 Akute Infektionen

2 Narkoseeinleitung

2.1 Klinischer Fall

2.2 Allgemeine Maßnahmen und Monitoring

2.2.1 Einschleusen

2.2.2 Maßnahmen im Narkoseeinleitungsraum

2.2.3 Basismonitoring

2.2.4 Legen eines i.v.-Zugangs

2.2.5 Erweitertes Monitoring

2.3 Einleitung einer Allgemeinanästhesie

2.3.1 Synopsis

2.3.2 Vorbereitung

2.3.3 Präoxygenierung

2.3.4 Narkoseeinleitungssequenz

2.3.5 Maskenbeatmung

2.3.6 Atemwegshilfsmittel

2.3.7 Relaxierung

2.3.8 Endotracheale Intubation

2.3.9 Schwieriger Atemweg

2.3.10 Nicht-Nüchtern-Einleitung

2.3.11 Magensonde

2.3.12 Komplikationen

2.4 Regionalanästhesie

2.4.1 Lokalanästhetika

2.4.2 Kontraindikationen

2.4.3 Lokalanästhetika-Intoxikation

2.4.4 Verfahren

3 Während der OP

3.1 Klinischer Fall

3.2 Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie

3.2.1 Zielsetzung

3.2.2 Totale intravenöse Anästhesie (TIVA)

3.2.3 Balancierte Anästhesie

3.3 Narkosebeatmung

3.3.1 Beatmungssysteme

3.3.2 Beatmungsmodi

3.4 Intraoperative Maßnahmen

3.4.1 Lagerung

3.4.2 Temperaturmanagement

3.4.3 Perioperatives Monitoring

3.4.4 Volumenmanagement

3.4.5 Transfusion von Blutprodukten

3.5 Komplikationen

3.5.1 Hämodynamische Komplikationen

3.5.2 Maligne Hyperthermie (MH)

3.5.3 Bronchospasmus

3.5.4 TUR-Syndrom

3.5.5 Luftembolie

3.5.6 Palacos-Reaktion

4 Narkoseausleitung

4.1 Klinischer Fall

4.2 Normaler Ablauf der Narkoseausleitung

4.2.1 Voraussetzungen

4.2.2 Extubation

4.3 Probleme

5 Aufwachraum

5.1 Klinischer Fall

5.2 Normaler Ablauf im Aufwachraum

5.2.1 Funktion und Ausstattung

5.2.2 Indikationen für eine intensivmedizinische Überwachung

5.2.3 Übergabe

5.2.4 Schmerztherapie

5.2.5 Verlegung auf die Normalstation

5.3 Probleme

5.3.1 Postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV)

5.3.2 Postoperatives Zittern

5.3.3 Opioid-Überdosierung

5.3.4 Postoperative Restcurarisierung (PORC)

6 Organisatorische Aspekte in der Intensivmedizin

6.1 Klinischer Fall

6.2 Aufnahme auf die Intensivstation

6.2.1 Indikationen

6.2.2 Vorbereitende Maßnahmen

6.2.3 Hygiene, Infektiologie und Isolation

6.2.4 Dokumentation

6.3 Innerklinischer Patiententransport

6.4 Patientenverlegung

6.4.1 Verweildauer auf Intensivstationen

6.4.2 Verlegung auf Normalstation

6.4.3 Verlegung in ein anderes Krankenhaus bzw. eine Reha-Klinik

6.4.4 Verlegung in den OP

6.5 Todesfall auf der Intensivstation

6.5.1 Terminalphase

6.5.2 Sonderfall Organspende

6.6 Innerklinischer Notfall

6.7 Scoring-Systeme

7 Ausstattung und Monitoring in der Intensivmedizin

7.1 Klinischer Fall

7.2 Basismonitoring

7.2.1 Klinische Untersuchung

7.2.2 Apparatives Standard-Monitoring

7.3 Erweitertes Monitoring

7.3.1 Allgemeines

7.3.2 Verfügbare Katheter – Übersicht

7.3.3 Arterielle Blutdruckmessung

7.3.4 Blutgasanalyse

7.3.5 Zentralvenöser Katheter

7.3.6 PiCCO

7.3.7 Dauerkatheter (DK)

7.3.8 Messung der Körpertemperatur

7.3.9 Messung des intrakraniellen Drucks (ICP)

7.4 Weiterführende Diagnostik

7.4.1 Labor

7.4.2 Radiologische Untersuchungen

7.4.3 Sonografie

7.4.4 Mikrobiologische Untersuchungen

7.4.5 Bronchoskopie

7.4.6 Konsile

8 Allgemeine intensivmedizinische Maßnahmen

8.1 Klinischer Fall

8.2 Analgosedierung

8.2.1 Zielsetzung

8.2.2 Medikamente zur Sedierung auf Intensivstationen

8.2.3 Opioide zur Analgesie auf Intensivstationen

8.3 Beatmungstherapie

8.3.1 Indikationen

8.3.2 Parameter der Beatmungstherapie

8.3.3 Beatmungsverfahren

8.3.4 Beatmungsinduzierte Komplikationen

8.3.5 Entwöhnung vom Respirator

8.4 Tracheotomie

8.5 Katecholamintherapie

8.5.1 Indikationen

8.5.2 Verfügbare Substanzen

8.6 Antibiotikatherapie

8.6.1 Grundprinzipien

8.6.2 Wichtige antibiotisch wirksame Substanzen

8.6.3 Antibiotische Therapie wichtiger Infektionen

8.7 Säure-Basen- und Elektrolyt-Haushalt

8.7.1 Störungen des Säure-Basen-Haushalts

8.7.2 Störungen des Kalium-Haushalts

8.7.3 Störungen des Natrium-Haushalts

8.7.4 Störungen des Kalziumhaushaltes

8.8 Ernährungstherapie

8.8.1 Allgemeines

8.8.2 Enterale Ernährung

8.8.3 Parenterale Ernährung

8.9 Thromboseprophylaxe und Antikoagulation

8.10 Darmmotilitätsstörungen

8.11 Hygiene und Krankenhausinfektionen

8.11.1 Multiresistente Keime

8.11.2 Katheterkolonisation, Katheterinfektionen und Kathethersepsis

9 Spezifische Intensivtherapie

9.1 Klinischer Fall

9.2 Sepsis

9.2.1 Definitionen

9.2.2 Intensivmedizinische Aspekte

9.2.3 Sonderform Toxic Shock Syndrome (TSS)

9.3 Pneumonie

9.3.1 Ätiologie

9.3.2 Klinik und Komplikationen

9.3.3 Diagnostik

9.3.4 Therapie

9.3.5 Prognose und Prophylaxe

9.4 Akutes Lungenversagen

9.5 Atelektasen

9.6 Pleuraerguss

9.7 Lungenembolie

9.8 Akutes Nierenversagen (ANV)

9.9 Akutes Leberversagen (ALV)

9.10 Schädel-Hirn-Trauma (SHT) und Hirndrucktherapie

9.10.1 Symptomatik und initiale Versorgung

9.10.2 Therapie

9.11 Delir

9.12 Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)

9.13 Heparin-induzierte Thrombozytopenie (HIT)

9.14 Akute Herzinsuffizienz und Herzrhythmusstörungen

9.15 Akute Pankreatitis

9.16 Malaria

9.17 Meningitis und Enzephalitis

10 Allgemeine Notfallmedizin

10.1 Klinischer Fall

10.2 Überblick

10.2.1 Problematik

10.2.2 Rettungskette

10.2.3 Personal im Rettungsdienst

10.2.4 Rettungsmittel

10.2.5 Notrufeingang bei der Rettungsleitstelle

10.2.6 Einsatztaktik

10.2.7 Patiententransport

10.2.8 Patientenübergabe

10.3 Notfallmedizinische Untersuchung

10.3.1 Anamnese

10.3.2 Basisdiagnostik

10.3.3 Basismonitoring

10.3.4 Körperliche Untersuchung

10.4 Notfallmedizinische Arbeitstechniken

10.4.1 Gefäßzugänge in der Notfallmedizin

10.4.2 Volumenersatztherapie

10.4.3 Atemwegsmanagement in der Notfallmedizin

10.4.4 Rettung, Lagerung und Stabilisierung des Patienten

10.4.5 Grundprinzipien der medikamentösen Therapie

10.5 Medikolegale Aspekte

10.5.1 Vorgehen bei Auffinden einer toten Person

10.5.2 Rechte des Patienten in der Notfallmedizin

11 Spezielle Notfallmedizin

11.1 Klinischer Fall

11.2 Leitsymptome

11.2.1 Bewusstlosigkeit

11.2.2 Dyspnoe

11.2.3 Thoraxschmerz

11.2.4 Akutes Abdomen

11.2.5 Schock

11.2.6 Herz-Kreislauf-Stillstand

11.3 Kardiovaskuläre Notfälle

11.3.1 Herzrhythmusstörungen

11.3.2 Hypertensive Entgleisung

11.3.3 Akutes Koronarsyndrom (ACS)

11.3.4 Verschluss einer Extremitätenarterie

11.3.5 Lungenembolie

11.3.6 Venöse Thrombose (tiefe Beinvenenthrombose, TVT)

11.3.7 Aortendissektion

11.3.8 Mesenterialinfarkt

11.4 Respiratorische Notfälle

11.4.1 Akute Atemwegsobstruktion: Asthma bronchiale und akut exazerbierte COPD

11.4.2 Lungenödem

11.4.3 (Spontan-)Pneumothorax

11.4.4 Hyperventilation

11.5 Gastrointestinale Notfälle

11.5.1 Gastrointestinale Blutung

11.5.2 Gallenkolik

11.6 Stoffwechselentgleisungen

11.6.1 Hypoglykämie

11.6.2 Hyperglykämie

11.6.3 Exsikkose

11.6.4 Addison-Krise

11.7 Neurologische Notfälle

11.7.1 Meningitis/Enzephalitis

11.7.2 Schlaganfall

11.7.3 Krampfanfall

11.8 Gynäkologisch-geburtshilfliche Notfälle

11.8.1 Vaginale Blutungen

11.8.2 (Prä-)Eklampsie

11.8.3 Vena-cava-Kompressionssyndrom

11.8.4 Wehentätigkeit, Geburt und Neugeborenenversorgung

11.9 Pädiatrische Notfälle

11.9.1 Krupp-Syndrom

11.9.2 Epiglottitis

11.9.3 Fieberkrampf

11.9.4 Fremdkörperaspiration

11.9.5 SIDS und ALTE

11.10 Urologische Notfälle

11.10.1 Nierenkolik

11.10.2 Akuter Harnverhalt

11.10.3 Akutes Skrotum

11.11 Notfälle aus den Bereichen Augenheilkunde und HNO

11.11.1 Akuter Glaukomanfall

11.11.2 Verletzungen des Auges

11.11.3 Epistaxis (Nasenbluten)

11.11.4 Schwindel (Vertigo)

11.12 Psychiatrische Notfälle

11.12.1 Delirium tremens

11.12.2 Akute psychotische Zustände

11.12.3 Akute Belastungsreaktion

11.12.4 Panikattacke

11.12.5 Suizidalität

11.13 Unfälle

11.13.1 Extremitätentrauma

11.13.2 Schädel-Hirn-Trauma (SHT)

11.13.3 Thoraxtrauma

11.13.4 Abdominaltrauma

11.13.5 Wirbelsäulenverletzung

11.13.6 Polytrauma

11.13.7 Crush-Syndrom

11.13.8 Hitzeschäden

11.13.9 Beinahe-Ertrinken bzw. Ertrinken

11.13.10 Stromunfall

11.13.11 Tauchunfälle

11.13.12 Verletzungen des Auges

11.13.13 Verbrennung

11.13.14 Hypothermie

11.14 Intoxikationen

11.14.1 Allgemeines

11.14.2 Rauchgas- und Kohlenmonoxid-Vergiftung

12 Grundlagen der Schmerztherapie

12.1 Klinischer Fall

12.2 Quantifizierung von Schmerzen

12.3 Schmerzentstehung

12.3.1 Nozizeptorschmerz

12.3.2 Weitere Schmerzformen

12.4 Allgemeines zur Schmerztherapie

12.5 Medikamentöse Schmerztherapie

12.5.1 Einleitung

12.5.2 Nicht-Opioid-Analgetika

12.5.3 Opioide

12.5.4 Ko-Analgetika und Adjuvanzien

12.5.5 Betäubungsmittelgesetz (BtMG)

12.6 Nicht-medikamentöse Schmerztherapie

13 Akute Schmerzen

13.1 Klinischer Fall

13.2 Häufige akute Schmerzen

13.3 Postoperative Schmerztherapie

13.3.1 Allgemeines

13.3.2 PCIA (Patient controlled intravenous Analgesia)

13.3.3 Schmerztherapie über thorakale oder lumbale Periduralkatheter (PDK)

13.3.4 Schmerztherapie über periphere Katheter

14 Chronische Schmerzen

14.1 Klinischer Fall

14.2 Allgemeines

14.3 Chronische Tumorschmerzen

14.4 Chronisches Schmerzsyndrom

14.4.1 Allgemeines

14.4.2 Besondere Schmerzformen

15 Anhang

15.1 Notfallmedikamente in der Anästhesie

Anschriften

Sachverzeichnis

Impressum

© Fotolia/contrastwerkstatt |

1 Präoperatives Vorgehen

1.1 Klinischer Fall

Aufklärungsgespräch mit Überraschung

Abb. 1.1

(Quelle: Alexander Fischer – Thieme Gruppe)

In der Ambulanz…

Die anästhesiologische Assistenzärztin Dr. Brunner ist heute in der Anästhesiesprechstunde eingeteilt. Der erste Patient an diesem Morgen ist die 75-jährige Frau Johansson, bei der nächste Woche eine Hüft-TEP geplant ist.

Unauffällige Anamnese

Dr. Brunner begrüßt die Patientin und bittet sie ins Sprechzimmer. Die Patientenakte hat sie bereits vor dem Gespräch durchgelesen und weiß, dass Frau Johansson an arterieller Hypertonie leidet, mit einer Zweifachkombination aus ACE-Hemmer und Betablocker aber gut eingestellt ist und ansonsten keine nennenswerten Vorerkrankungen hat. Anamnestisch sind keine Allergien bekannt. Auf dem Fragebogen, den Frau Johansson über ihren Gesundheitszustand ausgefüllt hat, finden sich auch keine Abweichungen dazu.

Angst vor der Operation

Frau Johansson bittet die Ärztin gleich zu Beginn des Gespräches, bei der Operation „tief und fest“ zu schlafen und auf keinen Fall etwas von der OP mitbekommen zu wollen, da sie sehr ängstlich sei. Dr. Brunner erklärt Frau Johansson den Ablauf einer Allgemeinanästhesie und die Möglichkeit einer Regionalanästhesie mit Analgosedierung. Frau Johansson traut dem „Dämmerschlaf“ aber nicht und möchte lieber eine Allgemeinanästhesie. Da nichts dagegen spricht, vermerkt Dr. Brunner als geplantes Anästhesieverfahren „Allgemeinanästhesie“ auf dem Protokoll und klärt die Patientin nun über alle Risiken und Gefahren der Allgemeinanästhesie auf. Frau Johansson willigt in die Narkose ein und unterschreibt den Aufklärungsbogen. Für den OP-Tag wird der ängstlichen Patientin als Prämedikation ein anxiolytisches, kurzwirksames Benzodiazepin angeordnet. Der Betablocker soll am OP-Tag beibehalten werden, der ACE-Hemmer wird jedoch pausiert. Frau Johansson fühlt sich gut informiert, ist sehr zufrieden mit dem Gespräch und hat keine weiteren Fragen.

Zu guter Letzt eine Überraschung!

Abschließend stellt Dr. Brunner noch einige Fragen, darunter auch „Haben Sie Allergien?“ – „Nein, nein“, antwortet Frau Johansson. „Oder haben Sie irgendwelche Medikamente einmal nicht vertragen?“ - „Ja, dieses Schmerzmittel dürfen Sie mir nicht mehr geben, das ich mal vom Zahnarzt bekommen habe… Da habe ich keine Luft mehr bekommen und dann musste sogar der Notarzt kommen.“ Frau Johansson zieht einen Allergiepass aus der Geldtasche, auf dem vermerkt ist, dass sie vor Jahren eine anaphylaktische Reaktion auf Metamizol hatte. Dass es sich hierbei um eine Allergie handelt, war der Patientin jedoch nicht bewusst. Dr. Brunner vermerkt das Medikament bei Allergien auf dem Narkoseprotokoll und informiert auch gleich den orthopädischen Stationsarzt, damit dieser wichtige Befund in die Akte mit übernommen wird.

1.2 Präoperative Visite

Key Point

Die Position der Prämedikationsvisite in der Patientenversorgung ist zentral, da hier entscheidende Weichen für das weitere anästhesiologische Management gestellt werden. Das Erheben von Vorerkrankungen und zu erwartenden Problemen ist dabei entscheidend.

Eine adäquate Beurteilung des Patienten (Krankenakte, Anamnese, körperliche Untersuchung) reduziert die perioperative Mortalität signifikant.

Vor jeder Anästhesie ist eine rechtswirksame Aufklärung des Patienten erforderlich.

1.2.1 Allgemeines

Synonyme Prämedikations- oder Narkosegespräch, Narkosevisite, Narkoseaufklärung

Aufgaben bzw. Ziele

Patient und Anästhesist lernen sich kennen.

Der Anästhesist erhält aus Unterlagen, Anamnese und körperlicher Untersuchung Informationen zum Gesundheitszustand und damit zum Narkoserisiko des Patienten und kann so ein individuell an den Patienten angepasstes Anästhesieverfahren für den geplanten Eingriff auswählen und dem Patienten vorschlagen.

Der Patient erhält Informationen über die Wirkungen, Risiken und Nebenwirkungen der bevorstehenden Narkose. Dies soll seine Ängste abbauen und ermöglicht eine rechtskräftige Narkoseeinwilligung. Der Patient (oder falls erforderlich der gesetzlich bestellte Betreuer) willigt nach ausführlicher Aufklärung in die geplanten Maßnahmen ein und dokumentiert dies durch seine Unterschrift. Die Aufklärung muss rechtzeitig, d. h. bei geplanten Eingriffen grundsätzlich spätestens am Abend vor der geplanten OP, stattfinden. Ansonsten ist die Einwilligung nicht rechtskräftig. Nur bei kleineren, ambulanten Eingriffen mit niedrigem Risiko ist ausnahmsweise eine Aufklärung am OP-Tag zulässig.

Bei nicht aufschiebbaren (also dringlichen oder notfallmäßigen Operationen) sollte der Patient – sofern sein Zustand dies zulässt – ebenfalls über das geplante anästhesiologische Vorgehen informiert und seine Zustimmung durch eine Unterschrift dokumentiert werden. Bei Notfalleingriffen ist dies nicht immer möglich. Bei vitaler Bedrohung ist der mutmaßliche Patientenwille bindend.

Jeder Notfallpatient sollte zumindest nach Allergien, Medikamenteneinnahmen, Narkoseproblemen in der Vergangenheit und nach der letzten Nahrungsaufnahme befragt werden.

Die Prämedikation (Zweck, Wirkstoff, Einnahme) und das präoperative Vorgehen (z. B. Nüchternheit, Einnahme der Dauermedikation) werden besprochen.

Merke

Oftmals wird bei dringenden Eingriffen anstelle der Unterschrift des Patienten die Unterschrift des Ehegatten oder von anderen Angehörigen eingeholt. Dieses Vorgehen ist jedoch rechtlich unwirksam, da Angehörige kein Einverständnis für einen Patienten geben können (außer bei offiziellem Betreuungsverfahren).

Praxistipp

Sichten Sie die Krankenakte und die Laborbefunde – sofern vorhanden bzw. erforderlich – bereits vor dem Gespräch mit dem Patienten hinsichtlich relevanter Befunde. Sie können fehlende Unterlagen dann ggf. gleich beim Stationsarzt erfragen bzw. nachfordern. Zudem „kennen“ Sie den Patienten bereits und dieser muss nicht warten, während Sie in seinem Beisein ausgiebig in der Akte blättern.

1.2.2 Vorgehen

1.2.2.1 Anamnese

Das Hauptziel ist das Erkennen von narkoserelevanten Erkrankungen bzw. Befunden. Um alle relevanten Fragen bzw. Aspekte zu berücksichtigen, sollte das Narkosegespräch einem standardisierten Ablauf folgen ( ▶ Tab. 1.1), z. B. kann es sich an der Struktur des vom Patienten vorab ausgefüllten Narkosefragebogens orientieren.

Merke

Achten Sie auf Diskretion! Das Gespräch sollte ohne weitere „Zuhörer“ durchgeführt werden, Besucher oder andere Patienten sollten das Zimmer nach Möglichkeit verlassen.

Merke

Beschaffen Sie sich – sofern vorhanden und möglich – immer alte Anästhesieprotokolle des Patienten, da sich daraus wichtige Hinweise, z. B. auf Atemwegs- oder kardiozirkulatorische Probleme während der Anästhesie, ergeben können.

Tab. 1.1

 Beispielhaftes Schema wichtiger Informationen, die im Rahmen der Prämedikationsvisite aus den Unterlagen und im Rahmen der Anamnese erhoben werden.

Rubrik

Themen, Fragen

allgemeine Informationen

Alter, Größe, Gewicht, frühere Operationen und Erkrankungen, Allergien (Medikamente [v. a. Antibiotika], Nahrungsmittel)

auf relevante „Besonderheiten“ achten, z. B. Shuntarm bei Dialysepflichtigen, große Angst vor Venenkanülen, Glasauge, bekannte Anisokorie

Herz-Kreislauf-System

Herzinfarkt, koronare Herzerkrankung, Angina pectoris (Ruhe/Belastung), Stent (Drug-Eluting- [DES] oder Bare-Metal-Stent [BMS] - wann implantiert? welche Plättchenaggregationshemmer?), Bypässe, Hypertonie, Hypotonieneigung, Dyspnoe (NYHA-Stadium, wie viele Treppenstufen sind bewältigbar, Nykturie?)

Lunge

COPD, Asthma bronchiale (Anfallstyp, Häufigkeit, Medikation, letzter Anfall), Atemwegsinfekt, Dyspnoe, Husten

Blut

Blutungsneigung in der Familie, häufige und große Hämatome auch nach banalen Traumata, schwer stillbares Zahnfleischbluten nach dem Zähneputzen, häufiges Nasenbluten, Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten

Niere

Dialysepflicht, Trinkmengenrestriktion, Urinausscheidung pro Tag, Shuntarm

Verdauungstrakt, Leber

Reflux, Leberzirrhose/Ösophagusvarizen, gastrointestinale Blutung, Hiatus- oder axiale Gleithernie, Z. n. PONV (postoperative Übelkeit und Erbrechen)

endokrines System

Hypo- oder Hyperthyreose

Stoffwechsel

Diabetes mellitus (insulinpflichtig?)

Muskulatur

maligne Hyperthermie, CK-Erhöhung, Serum-K+

ZNS

Insult, neurologische Residuen, Krampfanfälle, Epilepsie (Medikation, Anfallshäufigkeit, letzter Anfall)

Medikamente

prinzipiell alle Medikamente erfragen und dokumentieren, insbesondere Thyreostatika, L-Thyroxin, Glukokortikoiddauertherapie (Cushingschwelle), Blutdruck- und Gerinnungsmedikamente

Noxen

Alkohol, Nikotin, Drogen

Besonderheiten

Aspirationsgefahr (Nüchternheit?), Schwangerschaft, schwierige Intubation/Atemweg, Chemotherapie, Sepsis, Mobilität, Z. n. Verbrennungstrauma?

Praxistipp

Dokumentieren Sie alle für die Narkose relevanten Befunde deutlich auf dem Narkosefragebogen, insbesondere Allergien gegen Arzneimittel (z. B. gegen Antibiotika), aber auch Nahrungsmittel, da einige Stoffe auch in Narkosemedikamenten oder -utensilien vorkommen oder Kreuzreaktionen bestehen (z. B. Soja in Propofol und Etomidat, Banane/Kiwi: Kreuzreaktion mit Latex).

Fragen Sie nach PONV bei früheren Operationen, um ggf. die ▶ Prämedikation anzupassen und vorzugsweise eine ▶ TIVA zu planen.

Die aktuell eingenommenen Medikamente geben häufig Hinweise auf weitere, „unbekannte“ Erkrankungen. Idealerweise bringen die Patienten einen Verschreibungszettel ihres Hausarztes mit oder Sie sichten die Stationskurve mit den aktuellen Verordnungen.

Besonderheiten bei Kindern Prinzipiell sind bei Kindern dieselben Kriterien wie bei Erwachsenen zu beachten. Wichtig ist, dass sie in die Vorbereitung einbezogen und über die geplanten Maßnahmen altersentsprechend informiert werden. Den Eltern sollte im Gespräch vermittelt werden, dass alles unternommen wird, um das Kind nicht zu gefährden und eine möglichst sichere Narkose durchzuführen. Die mit dem Eingriff und der notwendigen Narkose verbundenen Ängste sollten dabei wahr- und ernst genommen werden. Die Eltern können wichtige Informationen zur Anamnese des Kindes und etwaigen Besonderheiten liefern. Durch sorgfältige Anamnese und die Nutzung standardisierter Fragebögen sind folgende Punkte unbedingt zu klären:

Sind kardiopulmonale Erkrankungen bekannt?

Besteht ein akuter Infekt der oberen Atemwege?

Sind Allergien bekannt?

Wurden aktuell Impfungen verabreicht?

Ist eine Dauermedikation notwendig?

Gibt es familiäre Besonderheiten?

1.2.2.2 Körperliche Untersuchung

Auch hier geht es v. a. darum, potenziell narkoserelevante Probleme sicher zu erkennen. Wichtig ist daher insbesondere die Auskultation von Herz und Lunge (v. a. bei Kindern [häufige Infekte, offenes Foramen ovale]). Kleinkinder werden idealerweise auf dem Arm der Mutter untersucht.

Praxistipp

Insbesondere bei Kindern ruft die körperliche Untersuchung oft keine große Begeisterung hervor. Ab dem Vorschulalter kann es hilfreich sein, die Kinder zunächst einmal mit dem „Herztelefon“ ihr eigenes Herz schlagen hören zu lassen – auch wenn dies dann manchmal zähe Verhandlungen über die Rückgabe des Stethoskops nach sich zieht. Ganz wichtig ist immer: VERTRAUEN SCHAFFEN!

Besonders wichtig ist die Erhebung des Atemwegsstatus, um einen ▶ schwierigen Atemweg mit Schwierigkeiten bei Maskenbeatmung, Laryngoskopie und/oder Intubation möglichst vorhersagen zu können:

Inspektion von Gesicht (Deformitäten?), Mund (Mundöffnung?), Unterkiefer (Retrognathie?), Hals (kurz?) und Thorax

Beurteilung der Reklination (Patient soll Kopf nach hinten neigen): v. a. bei rheumatischen Erkrankungen (z. B. Morbus Bechterew) häufig eingeschränkt

Abschätzen und Dokumentieren der maximal möglichen Mundöffnung (MÖF: Abstand der Schneidekanten der Frontzähne in cm oder Querfinger [QF]) und des Zahnstatus (z. B. Voll- oder Teilprothese, Kronen, sanierungsbedürftig, locker): Aus medizinischen und forensischen Gründen sollte der Zahnstatus möglichst genau im Narkosefragebogen dokumentiert werden.

Abschätzen eines „schwierigen Atemwegs“:

Mallampati-Score: Bei maximal geöffnetem Mund ohne Phonation wird beurteilt, wie gut bzw. ob die Rachenhinterwand sichtbar ist ( ▶ Abb. 1.2). Sind nur Zunge und harter Gaumen sichtbar, kann die Laryngoskopie erschwert sein. Der Test ist einfach auszuführen, allerdings sind Sensitivität und Spezifität eingeschränkt.

Test nach Patil (Abstand von Kinn zur Incisura thyroidea bei maximaler Streckung des Kopfes): Bei einem Abstand < 6 cm ist mit einer schwierigen Laryngoskopie zu rechnen.

Merke

„MOUTHS“ als Merkhilfe für die wichtigsten Parameter zur Beurteilung eines schwierigen Atemwegs:

Mandible (z. B. prominenter Unterkiefer, Patil-Test)

Opening (MÖF)

Uvula (Mallampati-Score)

Teeth (z. B. Zustand, Fehlstellung, lockere Zähne)

Head (Flexion, Extension, Rotation, Reklination)

Silhouette (z. B. Adipositas, Torticollis, Kyphose, Stiernacken, Mammae)

Abb. 1.2Mallampati-Score: Ein Mallampati-Score von IV gilt i. A. als Indikator für eine schwierige Intubation bzw. Laryngoskopie.

(nach: Krier, Georgi, Airway-Management, Thieme, 2001)

1.2.2.3 Zusatzuntersuchungen

EKG Ein Ruhe-EKG sollte bei allen Patienten mit kardialen Erkrankungen (z. B. KHK) durchgeführt werden. Bei anamnestisch unauffälligen und kardial asymptomatischen Patienten sind anästhesierelevante Befunde selten. Ein präoperatives EKG ist hier – unabhängig vom Alter – nicht erforderlich. Bei anamnestisch bekannten kardialen Vorerkrankungen (v. a. bei Symptomen einer ischämischen Herzerkrankung) ist ein EKG essenziell.

Labor Eine routinemäßige Durchführung von Laboruntersuchungen („Screening“) wird grundsätzlich nicht empfohlen. Bei Verdacht auf Erkrankungen bestimmter Organe sind jedoch allgemein gewisse „Mindeststandards“ üblich: Die Kenntnis der wichtigsten Elektrolytwerte sowie von Harnstoff, Kreatinin, Hämoglobingehalt und weiteren Parametern ist bei allen Patienten mit Vorerkrankungen wünschenswert. Bei jungen Patienten ohne Vorerkrankungen ist eine Blutentnahme dagegen nicht zwingend erforderlich. Bei Vorerkrankungen sollten die relevanten Parameter kontrolliert werden. Die meisten Patienten haben durch die operative Disziplin bereits meist ausreichende Analysen erhalten, sodass eine Blutabnahme eigens für die Anästhesie i. d. R. nicht nötig ist. Auch eine mitgebrachte, kürzlich durch den Hausarzt durchgeführte Laborkontrolle kann ausreichen. Bei Kindern ist in den seltensten Fällen aus anästhesiologischer Sicht eine präoperative Blutabnahme erforderlich.

Blutgruppe, Bereitstellung von Blutprodukten Bei Eingriffen mit zu erwartendem hohem Blutverlust muss zumindest die Blutgruppe bestimmt werden. In den meisten Häusern gibt es Standards über die bereitzustellenden Blutprodukte für die jeweiligen Eingriffe – diese Empfehlungen werden dann in Kenntnis des individuellen Patientenzustands und ggf. begleitender Risikofaktoren adaptiert. Vor der Narkoseeinleitung sollte immer sichergestellt werden, ob die bestellten Konserven auch tatsächlich zum Abruf bereitstehen. Das präoperative Spenden von Eigenblut ist heute weitgehend verlassen worden, da es mit zusätzlichen Risiken vergesellschaftet und für den Patienten nicht risikoärmer ist.

Gerinnungsstatus Insbesondere vor rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren muss der Gerinnungsstatus (Quick, aPTT, Thrombozytenzahl) überprüft und auf dem Narkoseprotokoll dokumentiert werden, um spinale oder epidurale Hämatome zu vermeiden, die schwerwiegende neurologische Ausfallserscheinungen auslösen können. Näheres zu entsprechenden Komplikationen siehe Kapitel ▶ Schmerztherapie. Gerinnungsprobleme, familiäre Gerinnungsstörungen und ein Z. n. schweren Nachblutungen (z. B. nach Operationen oder Zahnextraktionen) erfordern eine genaue Abklärung. Wichtig ist, dass bei vielen Antikoagulanzien (z. B. niedermolekulare Heparine, Faktor Xa- oder Thrombinhemmer) die genannten Gerinnungswerte selbst bei therapeutischer Antikoagulation nicht beeinflusst werden und somit nicht aussagekräftig sind. Für die meisten Substanzen stehen spezielle Labortests (z. B. Anti-Xa-Aktivität) zur Verfügung. Auf jeden Fall muss der Mindestabstand zwischen letztmaliger Verabreichung und geplanter (rückenmarksnaher) Punktion ( ▶ Tab. 1.4) in der Fachinformation des jeweiligen Präparats nachgeschlagen und zusätzliche Begleitumstände (z. B. Leber- oder Niereninsuffizienz) berücksichtigt werden. Bei Zweifeln sollte keine rückenmarknahe Punktion erfolgen.

Röntgen Thorax Die routinemäßige Durchführung eines Röntgen Thorax ist i. d. R. nicht erforderlich. Es ist indiziert, wenn eine Verdachtsdiagnose mit Konsequenzen für das perioperative Vorgehen (z. B. Pleuraerguss, Atelektase, Pneumonie) abzuklären ist, sowie bei wenigen Spezialindikationen (z. B. Trachealverlagerung bei Struma).

Lungenfunktion Eine präoperative Untersuchung der Lungenfunktion wird standardmäßig durchgeführt vor lungenchirurgischen (resezierenden) Eingriffen sowie vor Eingriffen, die postoperativ eine Einschränkung der Atmung (z. B. bei Aufrichtungs-Spondylodese) erwarten lassen oder mit der Notwendigkeit der intraoperativen Ein-Lungen-Ventilation verbunden sind. Außerhalb der Thoraxchirurgie ist sie nur bei neu aufgetretenen bzw. Verdacht auf akut symptomatische pulmonale Erkrankungen indiziert (→ Schweregradeinschätzung, Therapiekontrolle). Das wichtigste Kriterium bei der Indikationsstellung ist die Frage, ob eine medikamentöse Verbesserung der pulmonalen Funktion möglich bzw. notwendig erscheint.

Arterielle Blutgasanalyse Besteht ein Verdacht auf respiratorische Insuffizienz, sollte präoperativ eine Ausgangs-BGA bei Raumluft bestimmt werden. Bei thoraxchirurgischen Eingriffen ist die Blutgasanalyse ebenfalls ein guter Prädiktor, ob der Eingriff überhaupt durchführbar ist.

Echokardiografie, kardiologisches Konsil Bei schwerer kardialer Leistungseinschränkung (NYHA IIb und höher) bzw. potenzieller Verbesserung der kardiozirkulatorischen Situation durch eine Therapieumstellung, ist präoperativ eine Vorstellung beim Kardiologen zur Therapieoptimierung und zur transthorakalen oder transösophagealen Echokardiografie (→ Abschätzung der myokardialen Pumpfunktion) indiziert. Dies ist naturgemäß auch vor jeder kardiochirurgischen OP sinnvoll.

Duplex-Sonografie der Halsgefäße Bei anamnestisch bekannter Stenose der A. carotis (z. B. TIA, Apoplex, unklarer Schwindel) sowie Eingriffen unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine sollte präoperativ eine Duplex-Sonografie der Halsgefäße erfolgen.

1.2.3 Abschätzen des Narkoserisikos

Mithilfe der obigen Untersuchungen kann das Narkoserisiko anhand der ASA-Klassifikation (American Society of Anesthesiologists) festgelegt werden, die auch in gewissem Maß Auskunft über die zu erwartende patientenbedingte Mortalität im Rahmen des operativen Eingriffs bis zum 7. postoperativen Tag gibt ( ▶ Tab. 1.2). Der ASA-Wert sollte auf jeden Fall gut sichtbar auf dem Narkoseprotokoll dokumentiert werden!

Tab. 1.2

 ASA-Klassifikation.

ASA-Klasse

Definition

geschätzte Mortalität

I

normaler, gesunder Patient

0,08 %

II

Patient mit leichter Allgemeinerkrankung (z. B. geringgradige Hypertonie, chronische Bronchitis, nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus)

0,47 %

III

Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung (z. B. koronare Herzkrankheit, schwere COPD, chronische Niereninsuffizienz, Leberzirrhose)

4,4 %

IV

Patient mit schwerer Allgemeinerkrankung, die eine ständige Lebensbedrohung ist (z. B. kürzlich zurückliegender Myokardinfarkt, Schock, respiratorische Insuffizienz in Ruhe, dekompensierte Herzinsuffizienz)

23,5 %

V

moribunder Patient, der ohne Operation voraussichtlich nicht überleben wird (z. B. Sepsis, Multiorganversagen)

51 %

VI

hirntoter Patient, dessen Organe zur Organspende entnommen werden

100 %

Merke

Nur nach Sichtung der Befunde, einer guten Anamnese und einer körperlichen Untersuchung können Sie das Narkoserisiko adäquat abschätzen und so das Risiko für den Patienten minimieren!

1.2.4 Narkoseaufklärung

Zielsetzung Das Gespräch soll den Patienten ausführlich und der Situation angemessen über die Art und Weise des geplanten Narkoseverfahrens inkl. potenzieller bzw. üblicher Risiken, Gefahren und Schäden sowie präoperativer Maßnahmen (z. B. Prämedikation, Nüchternheit), aber auch über alternative Möglichkeiten informieren. Es ist wichtig zu eruieren, ob der Patient geistig in der Lage ist, die Situation einzuschätzen. Unterliegt er einer Betreuung nach dem Betreuungsgesetz, muss der gesetzlich bestellte Betreuer anwesend sein.

Dokumentation Es ist wichtig, das Gespräch zu dokumentieren, um später bei Unklarheiten nachsehen zu können bzw. über eine formaljuristisch verwertbare Dokumentation zu verfügen. Sowohl Anästhesist als auch Patient (bzw. dessen gesetzlicher Betreuer oder beide Erziehungsberechtigte bei Minderjährigen) müssen die Dokumentation unterschreiben. Zudem erhält jeder Patient eine Kopie der ausgefüllten und unterschriebenen Aufklärungsdokumente; auch dies muss schriftlich dokumentiert werden. Die Unterschrift „im Auftrag“, z. B. durch den Ehepartner, ist formaljuristisch nichtig.

Praxistipp

Dokumentieren Sie möglichst auch, dass der Patient keine weiteren Fragen hatte!

Besonderheiten bei Kindern Alle Maßnahmen (Nüchternheit, geplante Operation, Situation im Krankenhaus) sollten dem Kind und den Eltern verständlich und altersentsprechend erklärt werden, um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Es ist sinnvoll, den Eltern im Vorfeld Tipps für die Vorbereitung des Kindes auf die Operation zu geben (spielerische Vorbereitung, Bilderbücher), um die Abläufe günstig zu beeinflussen. Die Einwilligung der Erziehungsberechtigten (Cave: Sorgerecht!) ist bei nicht geschäftsfähigen Kindern unabdingbar für die Durchführung elektiver Eingriffe.

Exkurs

Aufklärung bei Jugendlichen

Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren sind eingeschränkt geschäftsfähig. Können sie die Tragweite der Operation und Narkose sicher abschätzen, dürfen (und sollten) sie auch selbst einwilligen. Es empfiehlt sich dennoch, möglichst beide Elternteile mit unterschreiben zu lassen.

1.3 Auswahl des Anästhesieverfahrens

Key Point

Die Auswahl des Anästhesieverfahrens (Allgemein- oder Regionalanästhesie) wird von vielen Faktoren beeinflusst (z. B. Vorerkrankungen des Patienten, geplante Operation) und erfolgt immer individuell.

Insbesondere vor elektiven Eingriffen kann es – wenn eine „Verbesserung“ aussichtsreich erscheint – sinnvoll sein, zunächst den präoperativen Zustand des Patienten (z. B. Rekompensation einer Herzinsuffizienz, Einstellung einer arteriellen Hypertonie) zu stabilisieren.

Entscheidungskriterien Auch wenn vereinzelt die Überlegenheit des einen oder anderen Verfahrens demonstriert wird, gibt es keine harten Beweise für einen eindeutigen Vorteil einer Regional- gegenüber einer Allgemeinanästhesie bei Patienten mit relevanten Vorerkrankungen. Art, Dauer und Dringlichkeit der Operation, die Erfahrung des Operateurs sowie Dauer, Ausmaß und Verhältnismäßigkeit einer potenziellen Beeinträchtigung des Patienten durch das Anästhesieverfahren beeinflussen die Auswahl. Zu berücksichtigen sind zudem relevante Vorerkrankungen und der aktuelle Zustand des Patienten, etwaige Besonderheiten sowie die individuellen Wünsche und Bedürfnisse des Patienten. Die Auswahl des für den jeweiligen Eingriff bei dem einzelnen Patienten am besten geeigneten Anästhesieverfahrens ist daher immer eine Einzelfallentscheidung ( ▶ Tab. 1.3).

Merke

Generell sollte – sofern möglich (z. B. Eingriff an einer Extremität) – immer auch ein Regionalanästhesieverfahren in Erwägung gezogen werden.

Tab. 1.3

 Entscheidungskriterien für Allgemein- oder Regionalanästhesie.

eher Allgemeinanästhesie

eher Regionalanästhesie

Patientenfaktoren

Angst vor einer Regionalanästhesie

unkooperative Patienten

Kinder

Angst vor einer Allgemeinanästhesie

Patientenwunsch

Vor- und Begleiterkrankungen

Gerinnungsstörung

medikamentöse Antikoagulation (Kumarine, therapeutische Antikoagulation)

maligne Hyperthermie

schwere Vorerkrankungen (≥ ASA III)

kardiovaskuläre Erkrankungen

Myasthenia gravis

perioperativer Todesfall in der Familie

Operationsparameter

Eingriffsdauer: sehr lang, unbekannt

Operationen an Thorax oder Kopf

Eingriffe mit starken postoperativen Schmerzen

Operationen an den Extremitäten oder im Urogenital- bzw. Analbereich

Merke

Patienten, bei denen ein Regionalanästhesieverfahren geplant ist, werden für den Fall, dass ein Verfahrenswechsel erforderlich wird, immer auch für eine Allgemeinanästhesie aufgeklärt.

Merke

Insbesondere vor einem rückenmarknahen Regionalanästhesieverfahren ist der ▶ Gerinnungsstatus zu kontrollieren und der Mindestzeitabstand zwischen geplanter Punktion und der letztmaligen Verabreichung von Medikamenten zur Thromboembolieprophylaxe zu beachten ( ▶ Tab. 1.4).

1.4 Präoperative Maßnahmen

Key Point

Bei jeder Anästhesie sind ein peripher-venöser Zugang und die Anlage eines Basismonitorings unerlässlich. Je nach den Begleitumständen sind weitere Maßnahmen sinnvoll oder notwendig.

Die Prämedikation soll dem Patienten die Angst nehmen, die Einleitung erleichtern und die Nebenwirkungen und Komplikationen der Narkose vermindern.

6 Stunden nach der letzten Einnahme von fester Nahrung bzw. 2 Stunden nach dem Trinken von klaren Flüssigkeiten gelten Erwachsene i. A. als nüchtern. Bei Kindern und Säuglingen ist diese Zeitdauer kürzer! Bestimmte Patienten gelten unabhängig von der Nahrungs- bzw. Flüssigkeitsaufnahme als nicht nüchtern.

1.4.1 Präoperative Ausstattung

Ausnahmslos jeder anästhesiologisch betreute Patient erhält – unabhängig vom Anästhesieverfahren (auch bei nur anästhesiologischem Standby!) – einen sicheren ▶ venösen Zugang (Möglichkeit der Medikamentenapplikation; häufig zusätzlicher „Volumenzugang“) und ein ▶ Basismonitoring mit Überwachung von RR, SpO2 und EKG . In Abhängigkeit von geplantem Eingriff und Begleiterkrankungen kann ein ▶ erweitertes Monitoringnotwendig sein (Cave: Aufklärung des Patienten darüber?). Bei Eingriffen mit erwartetem hohem Blutverlust oder niedrigem Ausgangs-Hb sind zudem eine Blutgruppenbestimmung und die Bereitstellung von Erythrozytenkonzentraten oder weiteren Blutprodukten sinnvoll.

Praxistipp

Bei Kindern sollten im Rahmen der präoperativen Untersuchung mögliche Punktionsstellen zur Anlage eines Venenzugangs identifiziert werden. Ordnen Sie das Anbringen von Pflastern mit Lokalanästhetikum (z. B. EMLA®; „Zauberpflaster“) an aussichtsreichen Stellen an! Der Hinweis auf die Wirkung des „Zauberpflasters“ kann Kindern im Vorfeld die Angst vor der schmerzhaften Venenpunktion nehmen. Da die Pflaster vasokonstriktorisch wirken, sollten sie beim Einschleusen in den OP-Bereich entfernt werden, da sonst die Venenpunktion schwieriger ist.

1.4.2 Prämedikation

1.4.2.1 Benzodiazepine

Die Medikation soll dem Patienten die Angst vor den folgenden Maßnahmen nehmen bzw. reduzieren (Anxiolyse). Meist genügt die Gabe eines kurzwirksamen Benzodiazepins (z. B. Midazolam) am Morgen vor dem Eingriff. Bei sehr ängstlichen, stationären Patienten kann am Vorabend der Operation ein längerwirksames Benzodiazepin (z. B. Lorazepam) gegeben werden. Bei normalgewichtigen Erwachsenen ohne relevante Komorbiditäten sind z. B. 7,5 mg Midazolam p.o. (Dormicum®) 60 min präoperativ sinnvoll. Bei älteren Patienten oder schweren Begleiterkrankungen muss die Dosis reduziert werden (z. B. 3,75 mg Midazolam p.o.). Patienten mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom, kardialer oder respiratorischer Insuffizienz oder gestörter Bewusstseinslage sollten keine Benzodiazepine erhalten. Alternativ kann bei diesen Patienten ggf. Clonidin p. o. gegeben werden. Kinder erhalten frühestens ab dem 6. Lebensmonat Benzodiazepine, z. B. einen mit Geschmackstoffen versehenen Saft in körpergewichtsadaptierter Dosierung (meist 0,5 mg/kg KG Midazolam, max. 7,5 mg) oder nasale oder rektale Präparate (Dosisreduktion!). Sedierung und Anxiolyse (evtl. auch die Amnesie bei Midazolam) verhindern, dass die Operation als traumatisierend empfunden wird und Angst vor nachfolgenden Eingriffen entsteht.

Praxistipp

Achten Sie in Rücksprache mit der bettenführenden Abteilung darauf, dass die Medikation rechtzeitig (d. h. ≥ 30 min vor Abruf in den OP) gegeben wird, da ansonsten präoperativ mit keiner ausreichenden Wirkung zu rechnen ist.

Merke

Eine gute und ausreichende Prämedikation reduziert die zur Narkoseeinleitung notwendige Dosis des Hypnotikums und minimiert die negativen Effekte der Narkose auf das Herz-Kreislauf-System.

Midazolam Midazolam (z. B. Dormicum®) ist ein stark wirksames Benzodiazepin, das die hemmende Wirkung von GABA im ZNS verstärkt. Die Halbwertszeit ist mit 1½–2½ Stunden die kürzeste aller Benzodiazepine. Die Wirkung ist jedoch v. a. bei älteren Patienten oft deutlich verlängert.

Wirkungen: Anxiolyse und Sedierung (Prämedikation), Krampflösung, in höherer Dosierung Narkose (sehr selten eingesetzt zur Einleitung oder – v. a. in der Notfallmedizin – zur Aufrechterhaltung einer Narkose)

Kontraindikationen: Myasthenia gravis, Intoxikationen mit zentral dämpfenden Substanzen, obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, Z. n. paradoxer Reaktion auf Benzodiazepine

Nebenwirkungen: Atemdepression bis Atemstillstand, retrograde Amnesie, paradoxe Reaktion (Agitiertheit bis Delir, v. a. bei geriatrischen Patienten)

Wechselwirkungen: Gefahr der Atemdepression bei Kombination mit anderen zentral dämpfenden Substanzen

Antagonist: Flumazenil (Anexate®)

Merke

Normalerweise erhalten die Patienten Midazolam oral vor dem Abruf in den OP. Eine i. m.- oder i.v.-Gabe sollte die Ausnahme sein (Dosisanpassung erforderlich!). Kinder können oral, nasal oder rektal mit Midazolam prämediziert werden.

Andere Medikamente zur Prämedikation Selten ist die Gabe von Benzodiazepinen (Kontraindikationen [s. o.], obligate intraoperative Wachheit zur neurologischen Beurteilung [z. B. bei Wach-Kraniotomien oder Karotis-Operationen]) nicht möglich. Bei diesen Patienten wird die Prämedikation an die individuellen Bedürfnisse angepasst, z. B. kann Clonidin (150–300 µg p. o.) gegeben werden.

1.4.2.2 Aspirationsprophylaxe

Patienten mit ▶ erhöhtem Aspirationsrisiko sollten vor elektiven Operationen eine Aspirationsprophylaxe erhalten. Diese soll v. a. den pH des Magensafts anheben, da insbesondere stark saurer Mageninhalt für schwere Aspirationsfolgen verantwortlich ist. Die Patienten erhalten einen Histamin H2-Blocker (z. B. Ranitidin: 300 mg am Vorabend der Operation, 150 mg am Morgen des Op-Tages).

Merke

Protonenpumpenhemmer sind bei sehr vielen Patienten bei dieser Indikation ineffektiv und deshalb nicht die Mittel der Wahl.

1.4.3 Nüchternheit

Problematik Eine übermäßig lange präoperative Nüchternheit kann v. a. bei schwer kranken Patienten problematisch sein (z. B. Hypovolämie mit starkem Blutdruckabfall nach Narkoseeinleitung oder bei rückenmarksnahen Regionalanästhesieverfahren). Insbesondere der Durst und der resultierende trockene Mund werden als sehr unangenehm empfunden. Andererseits ist die Einleitung einer Allgemeinanästhesie bei nicht nüchternen Patienten potenziell riskant (z. B. Aspiration, Hypoxie). Die entsprechenden Leitlinien der Fachgesellschaften (z. B. DGAI) werden daher in unregelmäßigen Abständen aktualisiert.

Richtwerte Bestimmte Zeitabstände sollten bei elektiven Eingriffen nicht unterschritten werden: Erwachsene gelten 6 Stunden nach der letzten Einnahme von fester Nahrung, Fruchtsäften, Kaffee mit Milch oder breiartigen Lebensmitteln als nüchtern. Für klare Flüssigkeiten (z. B. Kaffee ohne Milch, Wasser, ungesüßter Tee) gilt ein Intervall von 2 Stunden. Kinder sind häufig sehr unruhig und nicht selten nach längerer Nüchternheit hypovolämisch, was bei der Narkoseeinleitung ebenfalls problematisch sein kann. Trinken bis zu 2 Stunden vor dem Eingriff (klare Flüssigkeit, Wasser) kann diese Probleme reduzieren.

Merke

Diese Richtlinien für Nüchternheitsgrenzwerte gelten für alle Anästhesieverfahren und sind unbedingt auch bei Regionalanästhesieverfahren und Analgosedierungen zu beachten.

Praxistipp

Informieren Sie den Patienten bei diesem differenzierten Vorgehen sorgfältig, um Missverständnisse zu vermeiden!

Ausnahmen und Vorgehen bei nicht nüchternen Patienten Bestimmte Patienten (z. B. alkoholisierte oder Traumapatienten) werden generell als nicht nüchtern betrachtet, egal wann, was und wie viel sie getrunken oder gegessen haben. Bei ihnen ist zur Narkoseeinleitung eine ▶ Nicht-Nüchtern-Einleitung indiziert.

Merke

Informationen zur Nüchternheit des Patienten sind in jedem Fall auf dem Narkoseprotokoll nachvollziehbar zu dokumentieren.

1.5 Anästhesiologisch wichtige Vor- und Begleiterkrankungen

Key Point

Im Rahmen der präoperativen Abklärung muss das Vorgehen bezüglich der Dauermedikation des Patienten besprochen werden. Wichtig sind hier insbesondere Gerinnungshemmer.

Einige chronische Erkrankungen, insbesondere kardiovaskuläre, pulmonale und neurologische Erkrankungen sowie chronische Niereninsuffizienz erfordern präoperativ ein differenziertes Vorgehen.

Akute Infektionen können, müssen aber nicht eine Kontraindikation für operative Eingriffe sein.

1.5.1 Dauermedikation

1.5.1.1 Gerinnungshemmer

Wegen der Gefahr einer Hämatombildung mit Querschnittssymptomatik muss v. a. vor rückenmarksnahen Anästhesieverfahren (Spinal- und Periduralanästhesie ± Katheteranlage) mindestens die Gerinnungsanamnese erhoben werden. Bei Verdacht auf eine mögliche Gerinnungsabnormalität sind zusätzlich laborchemisch die ▶ Gerinnungsparameterzu kontrollieren. Mindestzeitabstände zur letztmaligen Verabreichung von Antikoagulanzien müssen ebenfalls unbedingt eingehalten werden. Bei therapeutisch mit Heparin oder Phenprocoumon behandelten Patienten müssen die Gerinnungsparameter, bei Thrombozytopenien auch die Thrombozytenzahl explizit kontrolliert werden. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin (DGAI) gibt eine regelmäßig aktualisierte Liste von Medikamenten zur Thromboembolieprophylaxe mit den jeweils unbedingt einzuhaltenden Mindestzeitabständen heraus ( ▶ Tab. 1.4).

Cave: Die Zeitabstände können bei Kombination z. B. mit einem Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, Clopidogrel) deutlich verlängert sein.

Merke

Bei der Entfernung von rückenmarksnahen Kathetern müssen i. d. R. die gleichen Kriterien angelegt werden wie zu deren Anlage!

Tab. 1.4

 Empfehlungen der DGAI zu erforderlichen Zeitabständen zwischen der Gabe von Medikamenten zur Thromboembolieprophylaxe und rückenmarksnahen Punktionen oder Katheterentfernungen (nach: Gogarten W. et al., Rückenmarksnahe Regionalanästhesien und Thromboembolieprophylaxe/antithrombotische Medikation. Anästh Intensivmed 2007, 48, S. 109f).

Antikoagulans

Beispiele für Handelsnamen

vor Punktion bzw. Katheterentfernung

nach Punktion bzw. Katheterentfernung

erforderliche Laborkontrolle

unfraktioniertes Heparin (UFH)

Heparin®

Low Dose: 4–6 hi.v. High Dose1: 4–6 hs. c. High Dose1: 8–12 h

1 h

Thrombozyten (bei Anwendung > 5 d)

High Dose: zusätzlich aPTT, Anti-Xa-Aktivität

niedermolekulare Heparine (NMH)

Mono-Embolex®, Clexane®, Fraxiparine®

Low Dose: 12 hHigh Dose1: 24 h

4 h

Thrombozyten (bei Anwendung > 5 d)

Fondaparinux

Arixtra®

Low Dose: 36–42 hHigh Dose: kontraindiziert

6–12 h

(Anti-Xa-Aktivität)

Danaparoid

Orgaran®

kontraindiziert

nicht empfohlen

(Anti-Xa-Aktivität)

Rivaroxaban

Xarelto®

22–26 h

4–6 h

nicht möglich

Argatroban

Argatra®

4 h

2 h

aPTT, ACT

Dabigatran

Pradaxa®

kontraindiziert

6 h

EXCA (Extrinsic Coagulation Activity Assay)

ASS 100 mg

Aspirin Protect®

-

-

keine

ASS 100 mg + NMH oder UFH, Low Dose

ASS weitergeben, NMH bzw. UFH 36 h vorher absetzen

-

keine

Clopidogrel

Plavix®, Iscover®

7 d

-

keine

Ticlopidin

Tiklyd®

10 d

-

keine

Ticagrelor

Brilique®

5 d

-

keine

NSAID, COX-2-Hemmer

Voltaren®, Ibuprofen®, Celebrex®

-

-

keine

1 jede andere als die in der Fachinformation als „prophylaktisch“ angegebene Dosis

1.5.1.2 Weitere Medikamente

Glukokortikoide Eine präoperativ begonnene Dauermedikation sollte perioperativ fortgeführt werden. Zusätzlich sollten bei kleinen Eingriffen 100 mg Hydrocortison substituiert werden, bei größeren Eingriffen weitere 100 mg Hydrocortison über 24 Stunden (bei sehr großen Eingriffen mit postoperativer Intensivbehandlung länger), um dem höheren Kortisolbedarf des Körpers durch den operativen Stress Rechnung zu tragen und das Auftreten einer Addison-Krise zuverlässig zu vermeiden.

AntihypertensivaACE-Hemmer und Angiotensin-II-Antagonisten sollten bei kleineren operativen Eingriffen weitergegeben werden. Bei größeren Eingriffen, Sympathikolyse (Periduralkatheter!) oder Eingriffen an der Herz-Lungen-Maschine sollten sie am OP-Tag pausiert werden. β-Blockerund Kalziumantagonistenwerden generell perioperativ weitergegeben. Diuretika werden am OP-Tag pausiert, können jedoch unmittelbar postoperativ wieder angesetzt werden.

Herzglykoside Werden sie zur Frequenzkontrolle bei absoluter Arrhythmie gegeben, sollten sie perioperativ pausiert werden. Für die Indikation Herzinsuffizienz ist die Gabe am OP-Tag nicht erforderlich.

Thyreostatika und L-Thyroxin Thyreostatika sollten bei Verdacht auf Hyperthyreose unter Kontrolle von T3, T4 und TSH perioperativ weitergegeben werden. L-Thyroxin sollte am OP-Tag nicht gegeben werden.

Antidiabetika Bei konventioneller Insulintherapie sollte die Dosierung des Mischinsulins am OP-Tag auf 50 % der üblichen Dosierung gesenkt und lediglich ein Basalinsulin gespritzt werden. Bei intensivierter Insulintherapie wird am OP-Tag nur die übliche Menge des Basalinsulins injiziert, die zusätzliche Injektion des Normalinsulins entfällt. Bei der Einnahme oraler Antidiabetika vom Biguanid-Typ (z. B. Metformin) besteht bei großen Operationen möglicherweise eine erhöhte Gefahr von schwer bis tödlich verlaufenden Laktatazidosen. Sie sollten daher 2 Tage vor solchen Operationen abgesetzt und erst 2 Tage nach der Operation wieder angesetzt werden. Bei kleinen Eingriffen wird lediglich am OP-Tag pausiert. Auch orale Antidiabetika vom Sulfonylharnstoff-Typ (z. B. Glibenclamid) werden am OP-Tag nicht gegeben. Eine präoperative Blutzuckerkontrolle durch das Stationspersonal sowie engmaschige perioperative Blutzuckerkontrollen sind bei allen Diabetikern obligat.

Psychopharmaka Generell sollten Psychopharmaka, insbesondere selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), trizyklische Antidepressiva, Neuroleptika und Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer), perioperativ nicht abgesetzt werden. Insbesondere bei den erwähnten Substanzgruppen sind jedoch zahlreiche und z. T. schwerwiegende Wechselwirkungen mit häufig in der Anästhesie verwendeten Medikamenten zu beachten. Hier muss vor der Narkosedurchführung die Fachinformation der jeweiligen Präparate konsultiert werden.

1.5.2 Chronische Erkrankungen

Kardiovaskuläre Erkrankungen Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (v. a. koronare Herzkrankheit, arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Klappenfehler) erhöhen das Anästhesierisiko deutlich (z. B. intra- oder postoperative Myokardischämie, intraoperative kardiale Dekompensation, neurologische Komplikationen [z. B. zerebrale Minderperfusion]). Vor elektiven Eingriffen sollte das Risiko für diese Patienten durch umfangreiche Vorbereitungen (umfassende kardiologische Untersuchung zur Beurteilung der Herzfunktion, ggf. präoperative Optimierung der medikamentösen Therapie, Aufklärung und Durchführung von invasiver Blutdruckmessung und differenzierter perioperativer Katecholamintherapie, ggf. Planung eines postoperativen Intensivaufenthalts) so weit wie möglich reduziert werden.

Niereninsuffizienz Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz haben i. d. R. zahlreiche Begleit- und Folgeerkrankungen (z. B. arterielle Hypertonie, pAVK, Diabetes mellitus, KHK, Anämie, sekundärer Hyperparathyreoidismus) mit umfangreicher Dauermedikation, die das Risiko für perioperative Komplikationen erhöhen. Präoperativ sind daher umfassende Vorbereitungen (z. B. Planung der Dialyse prä- und postoperativ, Adaptation der Dauermedikation) notwendig. In der Anamnese sollte nach der Dauer der Dialysetherapie, dem Zeitpunkt der letzten und der nächsten geplanten Dialyse, aktuellen Laborwerten nach der letzten Dialyse (Elektrolyte [v. a. Kalium!], Hb, Nierenfunktionsparameter), dem Vorhandensein einer Restausscheidung sowie nach Trinkmengenbegrenzungen gefragt werden.

Merke

Am Shuntarm dürfen keine venösen oder arteriellen Zugänge gelegt (v. a. nicht am Shunt!) und der Blutdruck nicht gemessen werden. Auf eine sorgfältige Lagerung und Polsterung des Shuntarms ist intraoperativ zu achten.

Chronische pulmonale Erkrankungen Bei chronischen Lungenerkrankungen (chronische Bronchitis, COPD, Lungenemphysem) sollte – wenn möglich – ein Regionalanästhesieverfahren mit erhaltener Spontanatmung bevorzugt werden. Die bronchospasmolytische Therapie sollte perioperativ weitergeführt und ggf. eskaliert werden. Die Indikation zur invasiven Blutdruckmessung (Möglichkeit der arteriellen BGA) und postoperativen Überwachung auf einer IMC oder ICU sollte ebenfalls großzügig gestellt werden. Der Patient soll seine eigenen Dosieraerosole in den OP mitbringen. Ist eine Allgemeinanästhesie nötig, wird in tiefer Narkose intubiert (→ Reduktion des Risikos für lebensbedrohliche Laryngo- und Bronchospasmen). Histaminfreisetzende Medikamente (Thiopental, Atracurium, Morphin) sind zu vermeiden. Die Extubation sollte früh bei ausreichender Spontanatmung erfolgen. Zur Vermeidung postoperativer Hypoxämien sind die Dosierungen langwirksamer Opioide möglichst gering zu halten (Remifentanil erwägen).

Neurologische Erkrankungen Die Indikation zur Aufnahme auf die Intensivstation sollte bei Patienten mit neurologischen Erkrankungen großzügig gestellt werden, um respiratorische Probleme ggf. früh erkennen und behandeln zu können. Zu beachten ist die mögliche Kaliumfreisetzung nach der Gabe von Succinylcholin (→ sehr zurückhaltende Indikationsstellung bei diesen Patienten) sowie eine u. U. verlängerte Wirkdauer aller nicht-depolarisierenden Muskelrelaxanzien. Das Abklingen der neuromuskulären Restblockade sollte mittels ▶ Relaxometrie kontinuierlich überprüft werden.

Patienten mit Erkrankungen der neuromuskulären Funktionseinheit (Myasthenia gravis, Myasthenie Lambert-Eaton) sollten präoperativ auf das Vorliegen einer Schluckstörung untersucht werden. Alle Muskelrelaxanzien sind bei ihnen nur sehr zurückhaltend und unter kontinuierlicher Überwachung der neuromuskulären Funktion anzuwenden.

Bei Patienten mit Muskeldystrophienist das Risiko für das Auftreten einer malignen ▶ Hyperthermie erhöht. Die Narkose bei diesen Patienten sollte vorsichtshalber triggerfrei erfolgen, d. h. ohne Einsatz möglicher Auslöser wie Succinylcholin und aller volatilen Anästhetika. Dies muss in Narkoseprotokoll und OP-Plan eingetragen werden. Muskelrelaxanzien sollten auch hier mit kontinuierlichem Monitoring eingesetzt werden.

1.5.3 Akute Infektionen

Die Verschiebung einer Operation aufgrund eines akuten Infekts führt – neben Diskussionen mit den Operateuren – häufig auch zu Unverständnis bei den Patienten oder deren Angehörigen. Im Rahmen des Narkosegesprächs muss darauf hingewiesen werden, dass Infekte der oberen Atemwege das perioperative Risiko für Laryngo- oder Bronchospasmen erhöhen. Besonders im HNO-Bereich muss abgewogen werden, ob ein Eingriff wie eine Adenotomie bei Kindern, die ja die Häufigkeit der rezidivierenden Infekte senken soll, durchgeführt werden kann. Eindeutige und transparente Kriterien zur Entscheidungsfindung erleichtern nicht nur die anästhesiologische Arbeit, sondern auch den Umgang mit den Kollegen der operativen Fächer. Bei Fieber, Auswurf, eitrigem Sekret oder schwerer, infektbedingter Beeinträchtigung des Allgemeinzustands sollte der Eingriff frühestens 3 Wochen nach Symptomfreiheit durchgeführt werden.

Merke

Eine laufende Nase mit klarem Sekret ist bei Kindern i. d. R. kein Grund für das Verschieben einer Operation.

2 Narkoseeinleitung

2.1 Klinischer Fall

Panik im Einleitungsraum

Abb. 2.1

(Quelle: Paavo Blåfield – Thieme Gruppe)

Nervosität vor dem „ersten Mal“

Dr. Staudinger ist erst seit kurzem als Assistenzarzt der anästhesiologischen Klinik tätig. Heute soll er erstmals selbstständig eine Narkose einleiten und dabei einen Patienten intubieren. Er ist schon etwas nervös.

Ein problemloser Patient?

Der Patient, Herr Müller, liegt bereits im Einleitungsraum, er soll an einem Leistenbruch operiert werden. Die Anästhesiepflegekraft hat bereits das Monitoring angeschlossen. Dr. Staudinger sichtet das Narkoseprotokoll: Der Patient ist 68 Jahre alt, etwas übergewichtig, hat ansonsten aber keine Vorerkrankungen und keine Allergien. Er befragt den Patienten nochmals zu Identität, geplanter OP und Allergien. Herrn Müller ist es sichtlich unangenehm, dass er seine Zahnprothesen im Zimmer lassen musste, denn er antwortet immer hinter vorgehaltener Hand.

Adrenalinkick für den jungen Arzt

Die Anlage des i.v.-Zugangs gelingt Dr. Staudinger beim ersten Punktionsversuch. Während die Anästhesiepflegekraft den Zugang mit Pflasterstreifen sichert, hält Dr. Staudinger seinem Patienten die Beatmungsmaske vor das Gesicht. „Das ist jetzt reiner Sauerstoff“, erklärt er dem Patienten. Die Pflegekraft sieht Dr. Staudinger schon mit ungeduldigen Augen an. Zögerlich nennt er ihr die Dosierungen für das Opioid und das Hypnotikum. Der Patient schläft sofort ein. „Ok, dann relaxieren mit 50 mg Atracurium“, sagt Staudinger sichtlich angespannt. „Du musst doch erst prüfen, ob die Maskenbeatmung funktioniert“, ermahnt ihn die Pflegekraft mit strenger Stimme. Das hatte er im Stress tatsächlich fast vergessen. „Oh ja, danke! Mal sehen. Hmmm…“ Die Luft entweicht laut hörbar neben der Maske. Auch etwas mehr Reklination des Kopfes hilft nicht. „Es geht nicht!“ Panik kommt in Dr. Staudinger auf. „Sollen wir es mit einem Guedel-Tubus versuchen?“, fragt die Anästhesiepflegekraft. „Ok.“ Sie nimmt den Guedel-Tubus, den sie sich zuvor schon in Reichweite gelegt hatte und positioniert ihn im Mund des Patienten. Dr. Staudinger versucht erneut die Maskenbeatmung. Der Brustkorb hebt sich, auf dem Narkosebeatmungsgerät taucht eine CO2-Kurve auf – und auch Staudingers Puls beginnt sich wieder zu normalisieren. „Ok, dann jetzt relaxieren. Woher wusstest Du eigentlich, dass die Maskenbeatmung schwierig wird?“ Die Pflegekraft lächelt – diese Vorahnung wird auch Dr. Staudinger bald haben, denkt sie.

Intubation geglückt!

„Gut, dass Herr Müller keine Zähne mehr hat“, denkt Dr. Staudinger, als er am Griff des Laryngoskops in Herrn Müllers Mund zieht. „Cormack I“, verkündet er laut und führt den Endotrachealtubus zwischen den Stimmbändern ein, „sicher gesehen“. Die CO2-Kurve am Narkosebeatmungsgerät bestätigt seine Angabe, noch ehe die Pflegekraft ihren Auskultationsbefund mitteilen kann.

Doch nicht ganz alleine…

„Das hat er ja schon ganz gut gemacht“, denkt sich der Oberarzt, der die Einleitung durch die leicht geöffnete Türe beobachtet hatte, und geht entspannt weiter.

2.2 Allgemeine Maßnahmen und Monitoring

Key Point

Vor dem Beginn der Anästhesie müssen der Patient identifiziert und die Unterlagen nochmals gesichtet bzw. geprüft werden.

Basismonitoring-Maßnahmen (EKG, nicht-invasive Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie, Kapnografie bei beatmeten Patienten) sind bei jedem anästhesiologisch betreuten Patienten immer anzuwenden.

Alle Messwerte sind in Zusammenschau mit dem klinischen Bild des Patienten zu interpretieren.

Jeder Patient benötigt mindestens einen periphervenösen Zugang, der immer gut zugänglich sein muss. Häufig ist die Anlage eines weiteren, großlumigen Zugangs empfehlenswert.

Das erweiterte Monitoring umfasst die Messung der Körpertemperatur, die invasive Blutdruckmessung über eine arterielle Kanüle, die Messung des zentralen Venendrucks über einen zentralen Venenkatheter, eine erweiterte zirkulatorische Überwachung über einen Pulmonaliskatheter (nur noch selten indiziert), die Relaxometrie bei allen muskelrelaxierten Patienten, die transösophageale Echokardiografie und die Anlage eines Urin-Dauerkatheters.

2.2.1 Einschleusen

Üblicherweise werden Patienten im Bett vom Pflegepersonal einer Normalstation zum OP gebracht. In Abhängigkeit von lokalen Gegebenheiten wird der Patient von einer Anästhesiepflegekraft in Empfang genommen und auf einen OP-Tisch umgelagert. Strukturiertes Vorgehen kann helfen, Fehler im perioperativen Ablauf (z. B. Verwechslung von Patient oder OP-Areal) zu vermeiden. Für den perioperativen Ablauf hat sich in den letzten Jahren daher zunehmend die recht einfache, aber effektive WHO-Checkliste mit einigen Fragen, die mit, durch bzw. über den Patienten und das behandelnde Team geklärt werden, etabliert. Generell müssen die Patientenunterlagen vollständig vorhanden sein. Daher ist es empfehlenswert, bereits bei der Übergabe alle Unterlagen (insbesondere die unterschriebenen Aufklärungen) zu prüfen und den Patienten nur einzuschleusen, wenn diese vollständig sind. Klare Vorgaben, was wie gehandhabt wird, helfen auch hier, einen geordneten Ablauf zu erreichen.

Praxistipp

Viele Patienten haben Schmerzen bei der Umlagerung. Sind diese sehr stark, kann eine intravenöse Analgesie sinnvoll sein (Monitoring!).

2.2.2 Maßnahmen im Narkoseeinleitungsraum

Der Anästhesist hat meist im Narkoseeinleitungsraum den ersten Kontakt an diesem Tag mit dem Patienten. Nach der Begrüßung muss er sicherstellen, dass es sich um den richtigen Patienten handelt (Patientenidentifikation).

Praxistipp

Stellen Sie sich immer mit Namen und Funktion vor, damit der Patient weiß, mit wem er es zu tun hat.

Sobald der Patient identifiziert ist, sollten alle Unterlagen (z. B. Einverständniserklärung, Laborparameter, EKG, Röntgenaufnahmen), der Eingriffsort (richtige Seite?) und das geplante Operationsverfahren (passend zu Eingriff und zu Narkoseart?) nochmalsgeprüft werden.

Praxistipp

Fragen Sie den Patienten immer noch einmal nach Allergien. Redundanz schafft hier Sicherheit für alle Beteiligten!

In der Zwischenzeit kann eine Anästhesiepflegekraft das Basismonitoring etablieren und ggf. einen i.v.-Zugang legen. Es ist Aufgabe des Anästhesisten, zu prüfen, ob der periphervenöse Zugang tatsächlich intravasal liegt und läuft.

Sind alle Informationen plausibel, hat der Patient keine Fragen mehr und ist die Pflegekraft bereit, kann die Narkoseeinleitung starten!

2.2.3 Basismonitoring

2.2.3.1 Allgemeines

Das Basismonitoring, das bei jedem Patienten (unabhängig vom geplanten Anästhesieverfahren) angelegt werden muss, umfasst:

EKG (und Herzfrequenz)

Sauerstoffsättigung (SpO2) und Herzfrequenz

nicht-invasiver Blutdruck (NIBP)

Kapnometrie/-grafie (bei beatmeten Patienten)

Das Ziel ist eine kontinuierliche Überwachung der Vital- und Kreislaufparameter, um Komplikationen sofort zu erkennen und ggf. adäquat reagieren zu können. Bei bestimmten Patienten ist zusätzlich ein ▶ erweitertes Monitoring indiziert.

Merke

Das Basismonitoring dient der Patientensicherheit, wird als Standard betrachtet und darf niemals unterbleiben.

Moderne Anästhesiemonitore zeigen meist alle benötigten Werte auf einem zentralen Display an ( ▶ Abb. 2.2), das an die aktuellen Bedürfnisse angepasst werden kann. Sie besitzen fast immer einen internen Akku, damit die Überwachung – z. B. beim Transport vom OP auf die Intensivstation – unabhängig vom Stromnetz fortgeführt werden kann.

Praxistipp

Prüfen Sie vor Transporten immer den Ladezustand aller Akkus!

Abb. 2.2Integrierter Patientenmonitor zur Überwachung von EKG (grüne Kurve), Herzfrequenz (hier: 57), SpO2 (weiße Kurve, hier: 96 %), Puls (hier: 55), nicht-invasivem Blutdruck (hier: 84/53 (66)) und Temperatur (hier nicht dargestellt).

Praxistipp

Bedenken Sie, dass Sie das Monitoring in bestimmten Situationen (sterile Abdeckungen im OP, räumliche Enge, bestimmte Lagerungen, Transport) nicht immer sofort verändern und anpassen können. Überlegen Sie daher vor Beginn einer Operation, welche Vitalfunktionen oder Parameter Sie überwachen wollen und stellen Sie sicher, dass ein stabiles Signal gewährleistet ist!

Merke

Jedes Gerät zur Patientenüberwachung ist nur so gut wie sein Benutzer. Achten Sie auf eine auf den Patienten abgestimmte, korrekte und sinnvolle Einstellung der Alarmgrenzen: Zu häufige Alarme desensibilisieren den Benutzer, zu weite Alarmgrenzen weisen erst sehr spät auf eine potenziell bedrohliche Situation hin.

Merke

Behandeln Sie immer den Patienten, nicht den Monitor: Achten Sie darauf, ob die Messwerte zum klinischen Bild passen, um nicht durch die Therapie von Artefakten und Messfehlern unerwünschte Wirkungen auszulösen.

2.2.3.2 EKG

Würden sich EKG-Elektroden im OP-Feld befinden, müssen bei der Anlage oft Kompromisse eingegangen werden. Dennoch muss während der OP immer ein gut sichtbares EKG-Signal auf dem Monitor angezeigt werden. Um Artefakte durch die ubiquitär verwendeten Hochfrequenz-Schneide- und Koagulationsgeräte zu vermeiden, sollte immer ein Frequenzfilter zwischen EKG-Kabel und Monitor geschaltet werden.

2.2.3.3 Pulsoxymetrie

Messprinzip Das Pulsoxymeter misst die arterielle Sauerstoffsättigung (SpO2: pulsoxymetrisch gemessene Sauerstoffsättigung) nicht-invasiv über die Lichtabsorption des Blutes (unterschiedliche Absorptionswerte von oxygeniertem [HbO2] und desoxygeniertem Hämoglobin [dHb], ▶ Abb. 2.3) während der Diastole (fast nur dHb) und der Systole (zusätzlich HbO2). Die Messung ist über einen (Mehrweg-)Clip an einem Finger oder Zeh oder über einen (Einweg-)Klebesensor an einem Finger oder Zeh möglich. Für ein verlässliches Signal muss das Areal, auf dem der Sensor sitzt, gut durchblutet sein.

Abb. 2.3Messprinzip beim Pulsoxymeter: Die unterschiedlichen Absorptionsmaxima von HbO2 und dHb im roten und infraroten Wellenlängenbereich erlauben die Messung des Lichts auf der gegenüberliegenden Seite des Fingerclips. Aus diesen pulsatilen Absorptionsänderungen kann die funktionelle (partielle) Sauerstoffsättigung (psaO2, SpO2 [%]) errechnet werden: Sie bezeichnet den Anteil von HbO2 am gesamten zum O2-Transport fähigen Hämoglobin und wird in Prozent angegeben.

Normalwerte Die normale Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut beträgt beim Menschen 94‑99 %. Sie korreliert dabei meist gut mit dem Sauerstoffpartialdruck des Blutes (paO2 90–150 mmHg). Gerade alte Menschen haben im Normalfall einen deutlich niedrigeren paO2 (etwa 60 mmHg, SpO2 94–96 %). Bei einem paO2 < 60 mmHg oder einem SpO2 < 90 % droht eine klinisch relevante Hypoxie.

Störeinflüsse Die Pulsoxymetrie erfasst nur die relative Sauerstoffsättigung des Hämoglobins: Aufgrund der ähnlichen Veränderung des Farbspektrums kann ein hoher Anteil an dysfunktionellen Hämoglobinfraktionen wie CO-Hb (bei Kohlenmonoxydvergiftung oder starken Rauchern), Methämoglobin (MetHb) oder Sulfhämoglobin (SulfHb) bei älteren Geräten zu falsch hohen Werten führen. Wichtig zum Erhalt valider Messergebnisse ist auch die Elimination von Bewegungen (z. B. Reanimation, Patiententransport, Muskelzittern, Manipulation am Sensor), Vibrationen, dunklem Nagellack (rot i. d. R. unproblematisch), aufgeklebten Acrylnägeln, Infrarotbeleuchtung, Nagelerkrankungen (z. B. Pilzinfektion), Sensordislokation, periphere Durchblutungsstörungen bzw. Zentralisation (z. B. Hypothermie, Hypovolämie, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, Schock). Auch extrem niedrige SpO2-Werte (< 70 %) können zu unkalkulierbaren Fehlmessungen führen.

Messgenauigkeit Werden die Störgrößen eliminiert, liegt die Messgenauigkeit meist in einem Bereich von ±2 % bei SpO2-Werten zwischen 70 und 100 % sowie bei ±3 % im Bereich zwischen 50 % und 70 % SpO2.

Moderne GeräteNeuere Geräte können durch die Kombination mehrerer Sensoren mit Licht unterschiedlicher Wellenlängen den Anteil von CO-Hb und Met-Hb sowie eine nicht-invasive Messung des Hämoglobingehalts (allerdings relativ ungenau) des Blutes bestimmen. Für Neugeborene stehen ebenfalls spezielle Sensoren mit unterschiedlichen Wellenlängen zur Verfügung.

Merke

Die peripher gemessene Sättigung „hinkt“ der zentral vorherrschenden Sättigung nach.

2.2.3.4 Nicht-invasive Blutdruckmessung (NIBD)

Vor der Narkoseeinleitung wird eine Blutdruckmanschette angelegt. Die Manschettenbreite sollte ca. 35–45 % des Oberarmumfangs betragen. In der automatischen Messung wird der Blutdruck oszillometrisch bestimmt. Für eine regelmäßige Überwachung werden automatische, feste Messintervalle festgelegt (je nach Patient meist 3–5 min).

Merke

Zu schmale Manschetten ergeben zu hohe Messwerte.

2.2.3.5 Kapnometrie und -grafie

Kapnometrie bezeichnet die Messung des endtidalen Kohlendioxidpartialdrucks (petCO2) und dessen Darstellung als Zahlenwert. Der petCO2 wird über eine Infrarot-spektroskopische Messsonde gemessen, die patientennah (direkte Messung: Hauptstromverfahren) oder patientenfern (über eine Leitung zum Narkosegerät: Nebenstromverfahren) am Atemweg angebracht wird. Moderne Anästhesiegeräte messen fast immer im Nebenstromverfahren mit Hilfe kleiner Messschläuche, die an das Y-Stück am Beatmungsschlauch oder an einen eigenen Konnektor am Beatmungsfilter angeschlossen werden.

Merke

Messung des petCO2:

im Hauptstrom: Probenentnahme zwischen Beatmungsschlauch und Tubus ( ▶ Abb. 2.4)

im Nebenstrom: Ein Teil des Atemgases wird kontinuierlich angesaugt und nach der Messung in das Narkosegerät zurückgeleitet ( ▶ Abb. 2.6).

Der petCO2 wird meist in [mmHg] angegeben (Normwert bei Gesunden: 35–45 mmHg). Die Kapnografie liefert zusätzlich eine Kurve des CO2-Verlaufs während In- und Exspiration ( ▶ Abb. 2.5). Bei Gesunden beträgt die Differenz zwischen petCO2 und arteriellem CO2-Partialdruck (paCO2, Messung in der arteriellen Blutgasanalyse) meist ca. 2–5 mmHg.

Merke

Insbesondere bei Lungenerkrankungen kann die Differenz zwischen petCO2 und paCO2 erheblich sein. Bei diesen Patienten muss die Beatmung (und damit der petCO2) anhand wiederholter Blutgasanalysen (→ Bestimmung des paCO2) angepasst werden.

Anhand des petCO2 können die Beatmungsparameter zeitnah so eingestellt werden, dass eine Normoventilation erreicht (bei den meisten Gesunden: petCO2 ca. 35 mmHg) bzw. eine Hyper- oder Hypoventilation schnell erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen werden.

Merke

Ein plötzlicher, massiver, intraoperativer Abfall des petCO2 bei gleichzeitigem massivem Anstieg des paCO2 und ausgeprägter Kreislaufinstabilität ist ein Alarmzeichen für eine Lungenembolie oder eine einseitige Beatmung (Tubusdislokation und endobronchiale Fehllage).

Abb. 2.4Messverfahren des petCO2 im Hauptstrom.

(aus: Hinkelbein, Genzwürker, Notfallmedizin kompakt, Thieme, 2011)

Abb. 2.5Kapnografie-Kurve (oben) auf einem Dräger Primus®-Narkosegerät (petCO2 hier: 34 mmHg).

Abb. 2.6 „Wasserfalle“ am Narkosegerät mit Messschlauch für die Gasmessung im Nebenstromverfahren: Über den Schlauch werden pro Minute je nach Gerät zwischen 100 und 200 ml Atemgas angesaugt und die Gaskonzentrationen (O2, CO2, N2O, volatile Anästhetika) gemessen. Das andere Ende des Probenschlauchs wird an den Beatmungsfilter oder an das Y-Stück – also patientennah – angebracht.

2.2.4 Legen eines i.v.-Zugangs

Merke

Bei jedem Patienten, der irgendeine Form der Anästhesie benötigt, muss ein sicherer i.v.-Zugang vorhanden sein. Für den Ausgleich von potenziellen Blut- und Volumenverlusten sollte (meist nach der Narkoseeinleitung) ein zweiter, großlumiger Zugang gelegt werden.

Auswahl der geeigneten Kanüle Spätestens nach Anlage des Basismonitorings wird eine periphere Venenverweilkanüle gelegt (je nach dem verwendeten System auch „Viggo“, „Braunüle“, „Flexüle“ oder „Venflon“ genannt). Die Größe wird dabei abhängig von Alter, Venenstatus, Art der Operation und zu erwartendem Blutverlust (bzw. Blutungsrisiko) gewählt, bei Erwachsenen wird meist ein 18 G-Katheter (grün) verwendet. Bei schlechten Venenverhältnissen kann auch ein kleinerer Katheter ( ▶ Tab. 2.1 und ▶ Abb. 2.7) gelegt werden. Außer bei Eingriffen, bei denen ein Blutverlust extrem unwahrscheinlich ist (z. B. am Auge), sollte spätestens nach Einleitung der Allgemeinanästhesie ein weiterer, größerer i.v.-Zugang gesetzt werden, um Blutverluste oder Flüssigkeitsdefizite in adäquat kurzer Zeit ausgleichen zu können.

Bei Eingriffen, bei denen ein größerer Blutverlust möglich (z. B. große Gefäße im Operationsgebiet, Operation gut vaskularisierter Strukturen) oder sogar zu erwarten ist (z. B. Hüft-TEP-Wechsel, große Tumoroperationen) sollte ein großlumiger „Volumenzugang“ (≥ 16 G) gelegt werden: Bei kleineren Zugängen dauert die Transfusion von Erythrozytenkonzentraten sehr lange und die stärkeren Scherkräfte schädigen die Erythrozyten. Eine 16 G-Kanüle kann i. d. R. problemlos gelegt werden, bei guten Venenverhältnissen bietet eine 14 G-Kanüle einen deutlich höheren Fluss. Für spezielle Indikationen (v. a. Kardio- und Tumorchirurgie) gibt es High-Flow-Katheter (12 G).

Merke

Wichtig ist nicht nur der Durchmesser der Kanüle, sondern auch die Qualität des venösen Abflusses: Große Kanülen direkt vor einer Venenaufzweigung sind oft weniger effektiv als etwas kleinere und damit kürzere Kanülen, die einen günstigeren Abfluss im Gefäß erlauben.

Praxistipp

Durch die periphere Vasodilatation im Rahmen einer Allgemeinanästhesie sind die Venen nach der Narkoseeinleitung meist wesentlich einfacher zu punktieren, sodass i. d. R. problemlos auch ein Volumenzugang gelegt werden kann.

Tab. 2.1

 Periphere Venenzugänge in den gebräuchlichsten Größen.

Farbe

Außendurchmesser

Größe [Gauge]

Flussrate (max.)

Kinder

violett

0,6 mm

26 G

10 ml/min

gelb

0,7 mm

24 G

13 ml/min

Kinder + Erwachsene

dunkelblau

0,9 mm

22 G

36 ml/min

Erwachsene

rosa

1,1 mm

20 G

61 ml/min

grün

1,3 mm

18 G

96 ml/min

Volumenzugänge

grau

1,7 mm

16 G

186 ml/min

orange (braun)

2,1 mm

14 G

343 ml/min

hellblau

2,6 mm

12 G

450 ml/min

Abb. 2.7Periphervenöse Zugänge.

Merke

Der Unterschied der maximalen Flussraten ist bemerkenswert, wenn man sich das Volumen, das pro Stunde über den Zugang infundierbar ist, vor Augen führt:

20 G-Zugang: 3,6 l/h

16 G-Zugang: 11,1 l/h

14 G-Zugang: 20,5 l/h

Peripher- vs. zentralvenöser Zugang Ein ZVK kann keinen Volumenzugang ersetzen:

Die Lumen sind v. a. bei mehrlumigen Kathetern meist sehr dünn.

Die Flussrate ist selbst bei großem Durchmesser, z. B. 14 G, aufgrund der Länge deutlich geringer als bei einem peripheren 18 G-Zugang.

Merke

Ein ZVK ist kein Volumenzugang!

Bei sehr langen Operationen mit wahrscheinlich sehr großem Blutverlust (mehrere Liter) können spezielle großlumige ZVKs (z. B. Shaldon-Katheter, der üblicherweise zur Dialyse verwendet und ebenfalls in Seldinger-Technik gelegt wird) den peripheren Volumenzugang ersetzen. Dies ist jedoch nur indiziert, wenn die peripheren Venenverhältnisse eine sichere und ausreichende Volumentherapie nicht möglich machen. Näheres zu Indikationen und zur Anlage von ZVKs finden Sie im Kapitel „ ▶ Erweitertes Monitoring“.

Auswahl der Punktionsstelle Wo der Zugang gelegt wird, hängt vom Venenstatus, von Begleiterkrankungen des Patienten, vom geplanten Eingriff und von der Lagerung ab:

bei Dialysepatienten: kein Zugang am Shuntarm

bei Z. n. Mammakarzinom-OP und Lymphadenektomie: wegen der Gefahr eines Lymphödems auf der operierten Seite kein i.v.-Zugang (außer bei vitaler Bedrohung)

Meist empfiehlt es sich, den Zugang am Handrücken, am radialen Unterarm (Cave: Nervenverlauf und A. radialis) oder in der Ellenbeuge zu legen. Der Zugang sollte aber auch während der OP durchgängig (Beugung des Arms!) und erreichbar sein ( ▶ Abb. 2.8), um ggf. Notfallmedikamente direkt applizieren oder z. B. nachträglich eine Spritzenpumpe anschließen zu können. Gegebenenfalls müssen die Infusionsleitungen verlängert und mit 3-Wege-Hähnen versehen werden, um eine intraoperative Erreichbarkeit zu gewährleisten. Prinzipiell sind auch Zugänge an Fußrücken und Bein möglich, die Punktion ist jedoch schwieriger und die Zugänge sollten wegen der deutlich höheren Infektionsrate so kurz wie möglich liegen.

Merke

Zugänge müssen zu jeder Zeit sicher funktionieren, erreichbar sein und die sichere Applikation und verlässliche Dosierung von Medikamenten erlauben. Am besten gleich nach dem Legen mit einem Flüssigkeitsbolus (≥ 10 ml isotone Kochsalzlösung bei Erwachsenen) prüfen!

Abb. 2.8Patient mit 2 peripheren Venenkathetern, die während der Operation sehr gut zugänglich sind, um Medikamente und Flüssigkeit schnell, effektiv und sicher verabreichen zu können.

Insbesondere wenn bereits ein i.v.-Zugang liegt, muss dessen korrekte Lage geprüft werden: Isotone Kochsalzlösung muss sich mit einer Spritze ohne erhöhten Widerstand injizieren lassen, eine Infusion muss „frei laufen“ können. Im Bereich des Zugangs darf sich keinesfalls eine Schwellung (Paravasat) entwickeln. Eventuell kann bei größeren Zugängen auch Blut aspirabel sein.

Merke

Paravasal injizierte Medikamente sind wirkungslos und schädigen zudem in vielen Fällen das Gewebe (z. B. Hautnekrosen bei Thiopental oder hochprozentiger Glukoselösung).

erforderliches Material:

Desinfektionsspray

Tupfer, sterile Kompressen

Einmalhandschuhe (nicht steril)

Stauband bzw. -schlauch oder Blutdruckmanschette

periphervenöser Zugang der richtigen Größe ( ▶ Tab. 2.1)

Pflaster(streifen) zum Fixieren

Infusion zum Anschließen

Praxistipp

Venen können durch leichtes Beklopfen der Punktionsstelle besser sichtbar gemacht werden.

Legen eines periphervenösen Zugangs:

Tieflagern des gewählten Punktionsbereichs; nach Anlage der Stauung kann der Patient durch Öffnen und Schließen der Hand die Venenfüllung begünstigen.

Anziehen der Einmalhandschuhe

Palpieren der Vene, Desinfizieren der Punktionsstelle, nach einer Einwirkzeit von ca. 30 s mit einer sterilen Kompresse einmaliges Trockenwischen

Spannen der Haut an der Punktionsstelle mit einer Hand (→ kein Verrutschen der Venen) und Warnen des Patienten vor dem stechenden Schmerz

Punktion: Die Nadel wird mit einer Hand gefasst und durch die Haut in Richtung des Gefäßes gestochen (Winkel ca. 20° zur Haut), anschließend abgekippt und möglichst innerhalb der Vene behutsam vorgeschoben, bis sich die Tropfkammer am Ende des Zugangs mit Blut füllt. Da der Stahlmandrin ca. 1–2 mm über den Plastikkatheter hinausragt, muss die Nadel noch einige Millimeter weiter geschoben werden.

Zurückziehen des Stahlmandrins in die Plastikkanüle und vollständiges Vorschieben des Zugangs in das Gefäß

Sichern des Zugangs mit einem Pflaster (→ Fixierung und Infektionsschutz)

Abdrücken der Vene am Ende der Plastikkanüle und Entfernen des Stahlmandrins

schnellstmögliches und vorsichtiges Entsorgen des Stahlmandrins in einer Abwurfbox, um Nadelstichverletzungen zu verhindern

Spülen des Zugangs mit Kochsalzlösung oder Anschließen einer laufenden Infusionsleitung, um das Koagulieren von Blut im Zugang zu verhindern und die korrekte Lage zu prüfen: Wird die Einstichstelle dick, liegt der Zugang paravasal und der Zugang muss sofort wieder entfernt werden.

Wird keine Infusion angeschlossen, wird der Zugang durch einen passenden Kunststoffmandrin verschlossen.

Praxistipp