Lachnummer BER - Rainer W. During - E-Book

Lachnummer BER E-Book

Rainer W. During

4,6

  • Herausgeber: BEBUG
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2013
Beschreibung

Noch immer ist der neue Berliner Flughafen nicht in Betrieb. Missmanagement, Überforderung, fragwürdige Personalpolitik und lasche Kontrolle ließen das Großprojekt BER zur Lachnummer werden. Die negativen Folgen für die regionale Wirtschaft sind enorm, das Renommee der Stadt massiv beschädigt. Doch selbst nach mehrfachen peinlichen Verschiebungen des Eröffnungstermins und anhaltender Kostenexplosion ist weiterhin unklar, wann am BER der reguläre Flugbetrieb aufgenommen werden kann. Experte Rainer During analysiert systematisch das Debakel von seinen Anfängen bis heute. Wer war wann für welche Entscheidungen verantwortlich? Warum fiel die Standort-Wahl auf Berlin-Schönefeld? Sind die Dimensionen des Projektes richtig bemessen? Ausgehend von den letzten Jahren der Teilung über die euphorischen Planungen nach dem Mauerfall bis zum aktuell desaströsen Zustand zeichnet er kenntnisreich alle wesentlichen Projektstadien nach. Er skizziert die wichtigsten Planungsänderungen und welche politischen, wirtschaftlichen und verkehrstechnischen Gründe ihnen zugrunde lagen. In Interviews äußern sich Beteiligte und Verantwortliche zu den strittigsten Punkten. Faktenbasiert, kompakt und mit Insiderwissen!

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Seitenzahl: 273

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RAINER W. DURING

LACHNUMMER BER

RAINER W. DURING

LACHNUMMER BER

DAS DEBAKEL UM DENHAUPTSTADTFLUGHAFEN

EINE CHRONIK

eISBN 978-3-86789-575-0

1. Auflage

© 2013 by BEBUG mbH / Rotbuch Verlag, Berlin

Umschlaggestaltung: fuxbux, Berlin

Umschlagabbildung: fuxbux, Berlin unter Verwendung

jeweils eines Motivs von photocase / fmatte (Landebahn)

und photocase / Marc Schwarz (Flugzeug)

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

Rotbuch Verlag

Alexanderstraße 1

10178 Berlin

Tel. 01805/30 99 99

(0,14 Euro/Min., Mobil max. 0,42 Euro/Min.)

www.rotbuch.de

INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Prolog – Die Ausgangslage

1. Die lange Suche nach dem schlechtesten Standort

2. Aus Konkurrenten werden Partner

3. Privatisierung gescheitert, Termin geplatzt

4. Die nächste Terminverschiebung

5. Gericht verfügt Nachtflugverbot

6. Die missglückte Ausschreibung

7. Der Chefplaner geht von Bord

8. Der BBI wird zum BER – und teurer

9. Die Eröffnung wird erneut verschoben

10. Wurde bei den Flugrouten gemogelt?

11. »Dienstreise« zur Gegendemo?

12. Bruchlandung 26 Tage vor dem Start

13. Neue Verschiebung – Schwarz muss gehen

14. Mehdorn soll es richten

Literaturverzeichnis

VORWORT

Bei »straffer Behördenarbeit« könnte der neue Flughafen der deutschen Hauptstadtregion im Jahr 2000 eröffnet werden, stellte der damalige Umweltminister und spätere Ministerpräsident Brandenburgs, Matthias Platzeck, 1991 in Aussicht. 22 Jahre nach dieser Ankündigung und 13 Jahre nach der geplanten Fertigstellung ist noch immer offen, wann der BBI, der inzwischen Flughafen Berlin Brandenburg (FBB) heißt und BER genannt wird, tatsächlich seinen vollen Betrieb aufnehmen kann.

2007, Herbst 2010, 30. Oktober 2011, 3. Juni 2012, August 2012, Oktober 2012, 17. März 2013, 27. Oktober 2013, 20?? – der Eröffnungstermin wurde nicht weniger als neunmal verschoben und der Hauptstadtflughafen vom europäischen Luftkreuz über den Groß- zum Single-Flughafen degradiert. Während Ostdeutschlands größtes Infrastrukturprojekt angesichts der Sparvorgaben der Politik immer mehr seine Zukunftsträchtigkeit verlor, ließ die nur allzu bereitwillige Übernahme immer neuer Änderungswünsche von Politikern und Airlines die Kosten explodieren, was die Steuerzahler heute teuer zu stehen kommt. Aus ursprünglich kalkulierten 1,7 Milliarden Euro werden wohl gut fünf Milliarden Euro werden. Und während in regelmäßigen Abständen darüber gestritten wurde, ob der neue Flughafen nun viel zu groß oder viel zu klein geplant werde, verloren die Führungsspitze der Flughafengesellschaft und ihr von den Landesherren geführtes Aufsichtsgremium immer mehr den Überblick und übersahen, dass auf der Großbaustelle mangels ausreichender Koordination längst das Chaos herrschte.

Der Einreisebeamte am Flughafen von Las Vegas blickt in den Reisepass des Besuchers aus Germany, dann hebt er den Kopf mit einem mitleidigen Lächeln und sagt mitfühlend in fließendem Deutsch: »Aus Berlin kommen Sie, der Stadt, die ihren Flughafen nicht fertig bekommt.« Dort in Nevada ist das neue Terminal gerade termin- und budgetgerecht fertiggestellt worden. Während man sich rund um den Globus über die Hauptstadtregion amüsiert und nach der legendären Präzision der deutschen Ingenieure fragt, endet der Kommentar von Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zu jeder neuen Pleite mit der Aussage, dass der seit Jahren dümpelnde Hauptstadtflughafen eine »Erfolgsgeschichte« sei und die ständig steigenden Mehrausgaben – jeder Monat kostet den Steuerzahler allein für den Unterhalt der Gebäude und Anlagen nach unterschiedlichen Angaben bis zu 40 Millionen Euro – »gut angelegt« wären. Während längst der abgewandelte Ulbricht-Spruch die Runde macht, dass niemand die Absicht habe, einen Flughafen zu bauen, gibt der Airport sogar den Hamburgern Auftrieb, die selbst mit dem Bau der Elbphilharmonie gebeutelt sind. In der Hansestadt ist längst die Rede davon, dass man es schaffen will, dort noch ein Benefizkonzert für den unfertigen BER zu geben.

Ein wirklich aktuelles Buch über das Drama um den neuen Berliner Flughafen zu schreiben, ist angesichts dieser »Neverending Story« ein unmögliches Unterfangen. So muss sich auch dieses Werk darauf beschränken, an einem Punkt zu enden, an dem die Geschichte noch lange nicht ihr Ende erreicht hat. Nach Redaktionsschluss soll ein neuer Zeitplan für die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Airports verkündet werden, ob er diesmal eingehalten werden kann, wird die Zukunft zeigen.

Doch allein die bisherige Geschichte ist ebenso spannend wie unglaublich. Sie zeichnet das erschreckende Bild, wie in fast einem Vierteljahrhundert aus einer weitsichtigen Idee eines der größten Chaosprojekte in der Geschichte der Bundesrepublik wurde. Die Entwicklung des BER ist geprägt von Pleiten, Pech und Pannen und verdeutlicht, wie sich Politiker, statt im Interesse der Region an einem Strang zu ziehen, im parteipolitischen Geklüngel verlieren und letztendlich gemeinsam mit ebenso eitlen wie vom Alltagsgeschehen abgerückten Flughafenchefs den Überblick verlieren. Wann immer der BER auch in Betrieb geht, wird er bereits wieder an den Grenzen seiner Kapazität liegen, längst hätte mit der Planung der ersten Erweiterung begonnen werden müssen, für die noch nicht einmal die erforderlichen Vorkehrungen getroffen wurden.

Rainer W. During im September 2013

PROLOG –DIE AUSGANGSLAGE

Berlin, 1988. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die im Herzen der Sowjetischen Besatzungszone liegende Hauptstadt Berlin von den Siegermächten in vier Sektoren geteilt. Ostberlin, der sowjetische Sektor, bildet die Hauptstadt der DDR, das seit 1961 eingemauerte Westberlin setzt sich aus dem amerikanischen, britischen und französischen Sektor zusammen. Im Westsektor haben noch immer die Stadtkommandanten der drei Westmächte die Oberhoheit, machen davon aber nur noch selten Gebrauch. Nur beim Luftverkehr, dem einzigen nicht von der DDR und der Sowjetunion kontrollierten Zugangsweg, gelten nach wie vor die Bedingungen, die von den Alliierten 1946 ausgehandelt wurden. Danach führen drei jeweils 32 Kilometer breite Luftkorridore, deren Nutzung nur Luftverkehrsgesellschaften aus Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten gestattet ist, von Hamburg, Bückeburg und Frankfurt am Main aus zur Berliner Kontrollzone, die sich um das alliierte Kontrollratsgebäude im Kleistpark erstreckt. In diesem befindet sich als letzte Viermächteeinrichtung noch das Berlin Air Safety Center (BASC), von dem alle Flüge freigegeben werden müssen.

In Westberlin gibt es in jedem der drei Sektoren einen Airport: den Zentralflughafen Tempelhof im amerikanischen, den reinen Militärflugplatz Gatow im britischen und den während der Berlin-Blockade für die Luftbrücke gebauten Flughafen Tegel im französischen Sektor. Alle drei Plätze dürfen nur von Luftverkehrsgesellschaften der drei Westmächte angesteuert werden. Für den Ostberliner Flughafen Schönefeld gelten diese Beschränkungen nicht, weil er außerhalb des Stadtgebietes liegt. Deshalb dürfen ihn alle Airlines einschließlich der DDR-Fluggesellschaft Interflug benutzen. Eine Tatsache, von der aber nur wenige westliche Luftverkehrsgesellschaften Gebrauch machen. Nach Schönefeld führt eine einzige Luftstraße, sie überquert die DDR in Nord-Süd-Richtung von der Ostsee bis zur tschechoslowakischen Grenze mit einem Abzweig nach Osten.

Seit einem Jahr nimmt der Flugverkehr von und nach Westberlin einen gewaltigen Aufschwung. Immer mehr alliierte Luftverkehrsgesellschaften wollen die Stadt anfliegen. Das Passagieraufkommen steigt um 14,7 Prozent auf 5,27 Millionen. Während in Tempelhof neben den Militärflügen der USA nur noch ein bescheidener Regionalverkehr stattfindet, nutzt das Gros der Reisenden das 1974 eröffnete Terminal in Tegel-Süd, dessen Kapazität bei 5,5 Millionen Fluggästen pro Jahr liegt.

Vor diesem Hintergrund beschließt der schwarz-gelbe Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) am 13. Januar 1988, den Flughafen Tegel in drei Stufen auszubauen. Binnen sieben Monaten entstehen durch den Umbau der nach einem Raketenforscher benannten Nebel-Halle neben der Haupthalle weitere Abfertigungspositionen. Bis 1989 soll der westlich der Zufahrt gelegene Parkplatz P 2 überbaut werden. Ferner sind die Aufstellung von Bürocontainern für die Airlines und zusätzliche Flugzeugabstellplätze geplant. Und bis zum Ende des Jahres 1991 soll für 230 Millionen D-Mark ein zweites Terminal entstehen, um die Kapazität auf acht Millionen Passagiere zu erhöhen. Doch bereits zu diesem Zeitpunkt läuft es nicht wie geplant. In den folgenden Monaten lehnt das Bezirksamt Reinickendorf als zuständige Baugenehmigungsbehörde wiederholt die zweite Ausbauphase ab.

Im Januar 1989 finden in Westberlin Abgeordnetenhauswahlen statt. Überraschend ergibt sich eine Mehrheit für die SPD und die Alternative Liste. Obwohl die Passagierzahlen weiter steigen und in diesem Jahr allein in Tegel 5,89 Millionen Reisende gezählt werden, beschließt der neue rot-grüne Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD), den weiteren Ausbau von Tegel zu stoppen und das Volumen des Westberliner Luftverkehrs auf das Niveau von 1987 zurückzufahren. Das führt zu heftigen Kontroversen, nicht nur mit der Berliner Flughafen-Gesellschaft und deren Aufsichtsrat. Die Forderung des Senats nach einer Reduzierung von Flügen wird von den bei den jeweiligen Botschaften in Bonn angesiedelten alliierten Zivilluftfahrtattachés als Genehmigungsbehörde ignoriert und von der Bundesregierung als Vernachlässigung der Berliner Interessen bezeichnet. Auf Drängen des französischen Stadtkommandanten – für Flugsicherung und Flugbetriebsflächen in Tegel ist die Armée de l’Air verantwortlich – muss der Senator für Bau- und Wohnungswesen, Wolfgang Nagel (SPD), das Bezirksamt Reinickendorf im Rahmen der Dienstaufsicht anweisen, die Einrichtung von drei zusätzlichen Flugzeugabstellplätzen zu genehmigen.

Zwar hatte US-Präsident Ronald Reagan den Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU, Michail Gorbatschow, bereits 1987 in seiner legendären Rede vor dem Brandenburger Tor aufgefordert: »Reißen Sie diese Mauer nieder!«, doch trotz des von Gorbatschow mit der Perestroika eingeleiteten Endes des Kalten Krieges kommt noch niemand auf die Idee, dass die Mauer tatsächlich bald fallen könnte. Am 4. April 1989 meldet sich David Anderson mit einem aufsehenerregenden Gastkommentar in der Westberliner Tageszeitung Volksblatt zu Wort. Der ehemalige US-Diplomat, der 1971 zur amerikanischen Delegation bei der Ausarbeitung des Vier-Mächte-Abkommens über Berlin gehörte, war von 1978 bis 1981 ziviler Gesandter der amerikanischen Militärregierung in Berlin und somit stellvertretender Stadtkommandant. Er hat gerade die Leitung der Berliner Dependance des Aspen Institute übernommen, einer internationalen, gemeinnützigen Organisation zur Förderung der wertebasierten Führungsqualitäten, zur Pflege zeitloser Ideen und beständiger Werte sowie für einen offenen Dialog über Fragen der Zeit. Er präsentiert weitsichtig den damals nur auf den ersten Blick noch unrealistisch wirkenden Vorschlag, einen neuen Großflughafen für beide Teile Berlins auf DDR-Gebiet zu bauen.

Er sei anlässlich des 40. Jahrestages der Luftbrücke, bei der die Westmächte Westberlin während der sowjetischen Blockade 1948/49 ausschließlich per Flugzeug versorgten, zu dem Schluss gekommen, dass die Rahmenbedingungen für die zivile Luftfahrt in Berlin nicht mehr den Anforderungen der Stadt gerecht werden: »Wenn die Stadt ihr Luftfahrtproblem nicht sehr bald löst, dann wird Berlin den Anschluss verlieren – und zwar nicht nur auf diesem speziellen Gebiet«, begründet Anderson (gestorben 1997) seine These. Dabei geht es ihm nicht nur um die Bewältigung des permanent steigenden Passagieraufkommens, er hat auch die Bedeutung des Standortes als ideales Drehkreuz für den Nord-Süd- ebenso wie für den Ost-West-Verkehr erkannt. Ost- und Westberlin, so seine Überzeugung, brauchten als Großstädte noch vor dem Jahr 2000 einen neuen Großflughafen.

Der neue Airport, so Andersons Vorschlag, solle am Rande der Stadt gebaut und durch ein Hochgeschwindigkeitseisenbahnsystem für Passagiere, Gepäck und Fracht mit dem östlichen ebenso wie mit dem westlichen Stadtzentrum verbunden werden. In der Diskussion ist ein unkontrollierter Korridor nach dem Beispiel des Flughafens Basel-Mülhausen, der auf französischem Gebiet liegt, von der Schweiz aus aber über eine zollfreie Straße erreichbar ist. Auch einen möglichen Standort kann der Ex-Diplomat, ein exzellenter Kenner der speziellen Situation Berlins, bereits nennen: den noch von den sowjetischen Militärs genutzten Flugplatz Oranienburg nördlich der Stadt.

Die Erweiterung der Anlagen sowohl in Tegel als auch in Schönefeld stellt für Anderson keine Alternative dar. Sinnvoller ist es aus seiner Sicht, angesichts der immensen Kosten, die Mittel gleich in den Bau eines Flughafens zu investieren, der auch den zukünftigen Anforderungen Berlins gerecht wird. Dieser soll parallel zum Fortbestand der alliierten Lufthoheit entstehen und – so wie Schönefeld – nicht unter deren Beschränkungen fallen. Die beiden alten Plätze sollen für Notfälle im kommerziellen Luftverkehr, Tegel zudem für Militärflüge der drei Westmächte, erhalten bleiben. Auch die Luftkorridore und deren Kontrolle durch die alliierte Luftsicherheitszentrale will Anderson nicht antasten, um den freien Zugang von und nach Westberlin auch weiterhin zu gewährleisten. Die Flugplätze Gatow und Tempelhof dagegen könnten dann geschlossen werden, hält er fest. Das würde viele Berliner vom Fluglärm entlasten, Sicherheitsrisiken ausschließen und Westberlin neue Areale für den Wohnungsbau liefern.

»Die Ost-West-Beziehungen ändern sich, und da sollte die Ausarbeitung von praktischen Lösungen und Vereinbarungen die Klugheit von intelligenten Diplomaten und von Luftfahrt- und Transport-Experten nicht überfordern«, so Anderson, der somit zu Recht als Urvater des Gedankens an den Flughafen Berlin Brandenburg betrachtet werden kann. Auch mit der Mentalität der Westberliner, die nach dem Mauerfall den Weg nach Schönefeld als zu weit ablehnen werden, setzt sich der Aspen-Direktor auseinander: »Ich höre meine Westberliner Freunde schon darüber klagen, dass die Anreise per Bahn aus der City zum neuen Flughafen zu lange dauern würde, dass der Weg zu unbequem wäre und zu sehr abhängig vom Einfluss der DDR und/oder Sowjetunion. Meine Antwort ist: Diese Stadt darf nicht statisch bleiben, sie muss vielmehr ständig modernisiert werden, sie muss die Zukunft mutig bewältigen und also zum Vorteil aller Berliner jene Vorteile nutzen, die sich aus dem veränderten politischen Klima ergeben.«

Interessant ist, dass bei den Reaktionen des rot-grünen Senats auf die Vorschläge Andersons die wirtschaftliche Bedeutung des Luftverkehrs für die Stadt keine Rolle spielt. Der damalige Wirtschaftssenator Horst Wagner (SPD, gestorben 2011) bezeichnet die Idee als »beachtenswert« und »sehr lobenswert« vor dem Hintergrund der Koalitionsvereinbarung, den Flugverkehr in Tegel zurückzuschrauben. Michael Cramer, Abgeordneter der Alternativen Liste und heute für die Grünen im Europäischen Parlament, spricht dagegen von einem »sinnlosen Großprojekt«.

Vier Tage später schießen DDR-Grenzsoldaten am innerstädtischen Grenzübergang Chausseestraße auf einen Flüchtling, Andersons Thesen scheinen ihrer Zeit weit voraus. Doch nur fünf Monate später beginnen in Leipzig die Montagsdemonstrationen für eine politische Neuordnung, die sich rasend schnell auf die gesamte DDR ausdehnen und zu einer friedlichen Revolution werden. Am 9. November führt die von Politbüromitglied Günter Schabowski verkündete Reisefreiheit zuerst zum Ansturm der DDR-Bürger auf die Grenzen und schließlich zum Fall der Mauer. Die schnelle Wiedervereinigung Deutschlands steht zwar noch in den Sternen, doch schon im Dezember vereinbaren Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) und DDR-Ministerpräsident Hans Modrow (SED) bei einem Treffen in Dresden die Aufnahme von Luftverkehrsverhandlungen, die den freien Zugang zum Westberliner Flughafen Tegel außerhalb der alliierten Luftkorridore für alle Airlines einschließen sollen.

Erneut gibt es weitsichtige Fachleute, die die Zeichen der Zeit für den Berliner Luftverkehr erkennen. Bereits am 19. Januar 1989 bitten sie zu einer Pressekonferenz am DDR-Flughafen Schönefeld: Heinz Ruhnau, der sich als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Lufthansa vehement dafür einsetzt, dass die Lufthansa wieder nach Berlin fliegt, sowie Klaus Henkes, stellvertretender Verkehrsminister der DDR und Generaldirektor der Fluggesellschaft Interflug, die auch die Flughäfen und die zivile Flugsicherung der DDR betreibt. Auch sie gehen noch von einer Ausweitung des Gesamtberliner Flugverkehrs parallel zu den fortbestehenden Hoheitsrechten der Alliierten aus. Beides ist »durchaus nebeneinander machbar«, verkündet Henkes.

Was die schnelle Entwicklung des Luftverkehrs betrifft, haben die beiden Airline-Chefs unterschiedliche Auffassungen. Während Henkes bis zum Jahr 2005 mit 20 Millionen Berlin-Passagieren rechnet, geht Ruhnau bereits von 30 Millionen Reisenden aus (tatsächlich wurden 2005 dann 17,1 Millionen Fluggäste in Tegel, Schönefeld und Tempelhof gezählt, den Löwenanteil davon hatte mit 11,5 Millionen Tegel zu tragen). Eine neue Luftstraße soll südlich der alliierten Luftkorridore von Hof nach Fürstenwalde führen und von dort über Frankfurt/Oder an die Transsibirienroute nach Fernost anschließen. Gemeinsam, so kündigen Ruhnau und Henkes an, wolle man auch nach einem geeigneten Standort für einen neuen Flughafen suchen, für den sie bereits den Namen »Berlin International« prägen. Im Gegensatz zu David Anderson vertreten sie erstmals die Auffassung, dass dieser voraussichtlich südlich der Stadt liegen müsste, um dichter besiedelte Gebiete nicht mit Fluglärm zu belasten. Der privatwirtschaftlich finanzierte Bau soll 1995 beginnen.

1.DIE LANGE SUCHE NACH DEMSCHLECHTESTEN STANDORT

Wenige Tage nach dem gemeinsamen Vorstoß von Ruhnau und Henkes wird die Politik aktiv – und damit beginnt der erste Teil des Flughafendramas. Am 23. Januar 1990 beschließt der Berliner Senat zu prüfen, »ob innerhalb der nächsten zehn bis zwölf Jahre« ein neuer Großflughafen außerhalb der Berliner Stadtgrenzen in der DDR gebaut werden soll. Sollte man sich dafür entscheiden, so heißt es, sollen die Flughäfen Tempelhof, Tegel und Schönefeld geschlossen werden. Doch zunächst einmal müssen die vorhandenen Plätze den neuen Andrang bewältigen, der nach dem Mauerfall eingesetzt hat.

Der rot-grüne Senat unter dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper (SPD) lehnt einen weiteren Ausbau des Flughafens Tegel kategorisch ab. Doch auf der Aufsichtsratssitzung der (West-)Berliner Flughafen-Gesellschaft (BFG) am 24. Januar kann sich das Land nicht durchsetzen. Mehrheitlich wird beschlossen, den Parkplatz P 2 – wie seit zwei Jahren geplant – mit einer Terminalerweiterung zu überbauen. Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) müsse das Bezirksamt Reinickendorf anweisen, den zuvor abgelehnten Bauantrag zu genehmigen, sagt BFG-Geschäftsführer Robert Grosch und droht andernfalls mit dem Gang zum Verwaltungsgericht. Gut zwei Monate lässt sich Nagel mit seiner Anweisung Zeit, im Juli erteilt dann Reinickendorf endlich die Genehmigung. Durch die fast zweieinhalbjährige Blockade verteuert sich das Projekt um rund fünf Millionen D-Mark.

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