Lakeview Stories 3 - Ein Typ von Juni bis August - Sarah Dessen - E-Book

Lakeview Stories 3 - Ein Typ von Juni bis August E-Book

Sarah Dessen

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Beschreibung

Lakeview Stories: Liebe und mehr! Lakeview Stories‹ sind eindrucksvolle, süchtigmachende, erfrischende, aufwühlende und starke Liebesgeschichten in Episodenform. Die Handlung spielt im kleinen beschaulichen Lakeview. Die Serie besteht aus 26 Einzelteilen. Remy hat die Hoffnung auf die Liebe eigentlich bereits komplett verloren. Ihr Liebesplan: Maximal 6 Wochen ist sie mit den Jungs zusammen, danach macht sie Schluss. Nach ihrem Schulabschluss möchte sie nur weg aus Lakeview, Party, Alkohol und viele Typen klarmachen. Auch Dexter ist für sie nur eine weitere Sommeraffäre. Jedoch fällt es ihr bei ihm unglaublich schwer, ihr gewohntes Programm durchzuziehen. Warum nur? Was hat Dexter, was die anderen nicht hatten? Gibt es ein Happy End? Wie geht es weiter? Zu spät merkt Remy,  dass sie ihren wahren Gefühlen nicht ewig ausweichen kann. Zu spät???   Die aufwühlende Liebesgeschichte von Remy und Dexter erstreckt sich auf die ersten vier Teile der ›Lakeview Stories‹ und ist bereits erschienen unter dem Titel ›Zu cool für dich‹.

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Seitenzahl: 133

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Sarah Dessen

Lakeview Stories 3 - Ein Typ von Juni bis August

Roman

Aus dem Amerikanischen von Gabriele Kosack

dtv

Kapitel Zehn

Hilfe!« Lissa blieb vor einem riesigen Bettdeckensortiment stehen. »Wer will schon den Unterschied zwischen Entendaune und Gänsedaune wissen?«

Wir standen in Linens Etc., dem größten Wäschegeschäft in unserer Gegend. Bewaffnet mit der Kreditkarte von Lissas Mutter, einer Liste mit Sachen, die Studienanfänger laut Vorschlag des Colleges mitbringen sollten, sowie einem Brief von Lissas zukünftiger Zimmergenossin, einem Mädchen namens Delia aus Boca Raton, Florida. Sie hatte vorsichtshalber schon mal geschrieben und Kontakt aufgenommen, damit sie und Lissa ihre Bettwäsche farblich aufeinander abstimmen und absprechen konnten, wer was mitbrachte, also Fernseher, Mikrowelle, Bilder et cetera. Und »um schon mal das Eis zu brechen«, wie Delia sich ausdrückte; damit Lissa und sie im September, wenn es losging mit dem Studieren, schon »wie Schwestern sein« würden. Lissa war sowieso extrem mies drauf, weil sie Adam-los aufs College gehen musste. Dieser Brief hatte ihr allerdings den Rest gegeben. Er war mit silberner Tinte auf rosafarbenem Briefpapier geschrieben; und jedes Mal, wenn Lissa ihn aus dem Umschlag nahm, wurde sie von einer Glitzerstaubwolke eingehüllt.

Stöhnend strich sie sich die Locken aus dem Gesicht. In letzter Zeit war sie eigentlich nur noch niedergeschlagen und mürrisch. Hatte resigniert. Als gäbe es keine Hoffnung mehr, als wäre ihr Leben mit achtzehn Jahren bereits gelaufen.

»Ich soll einen Bettbezug in Violett oder Pink besorgen«, las sie mir aus Delias Brief vor. »Und dazu passende Laken. Und eine Bettbordüre. Was auch immer das ist …«

»Eine Bettbordüre hängt man ums Bett, damit die Beine verdeckt sind. Außerdem wird dadurch die Farbgebung von der Bettoberfläche bis zum Fußboden einheitlich.«

Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte sie mich an:

»Einheitliche Farbgebung. Woher weißt du so was?«

»Vor ein paar Jahren hat meine Mutter sich das erste Mal ein komplett neues Schlafzimmer gekauft.« Ich nahm ihr die Liste aus der Hand. »Ich bin voll gebildet, was ägyptische Baumwolle und DIN-Vorschriften bei der Leinenqualität angeht.«

Lissa bremste ihren Einkaufswagen neben einem Stapel Plastikpapierkörbe und wählte einen quietschgrünen mit blauem Rand. »Den sollte ich nehmen.« Sie drehte ihn in ihren Händen herum. »Schon allein, weil er nicht in Delias tolles Farbschema passen wird. Genau – am besten kaufe ich aus Protest nur die geschmacklosesten Scheußlichkeiten. Wie kommt die überhaupt drauf, dass ich nach ihrer Pfeife tanze?«

Ich blickte mich um: Geschmacklos und scheußlich war bei Linen Etc. eindeutig machbar. Sie führten nicht nur quietschgrüne Plastikpapierkörbe, sondern auch gerahmte Drucke, auf denen lustige Kätzchen mit noch lustigeren Welpen rumtollten. Und Badezimmermatten in Fußform. »Vielleicht lassen wir das heute lieber und kommen ein andermal wieder, Lissa«, schlug ich so freundlich wie möglich vor.

»Nein, wir müssen, hier und jetzt«, grummelte sie, schnappte sich eine Packung mit Laken – falsche Größe, falsche Farbe (knallrot) – vom nächsten Regal und pfefferte sie in den Einkaufswagen. »Nächste Woche habe ich eine Einführungsveranstaltung, zu der Delia auch kommen wird. Garantiert will sie genau informiert werden, wie weit ich mit Einkaufen bin.«

Ich legte die roten Laken wieder ins Regal zurück. Sie wühlte unterdessen lustlos zwischen den Zahnbürstenhaltern herum. »Lissa, willst du wirklich mit so einer miesen Einstellung aufs College gehen?«

Sie verdrehte die Augen. »Du hast gut reden. Du verkrümelst dich auf die andere Seite des Kontinents, wirst im sonnigen Kalifornien wohnen, surfen und Sushi essen, während ich da festsitze, wo ich schon immer gewesen bin, und mir angucken kann, wie Adam ein Date nach dem anderen anschleppt.«

»Surfen und Sushi? Gleichzeitig?«

»Du weißt, was ich meine«, schnappte sie, und eine Frau, die in der Nähe Waschlappen sortierte, äugte zu uns rüber. Etwas leiser fügte Lissa hinzu: »Vielleicht lasse ich das College ja ganz sausen, schließe mich dem Friedenskorps an, fahre nach Afrika, rasiere mir den Schädel und grabe Latrinen.«

»Den Schädel rasieren?« Das war wirklich der albernste Teil dieser albernen Idee. »Du? Weißt du eigentlich, wie hässlich kahle Schädel bei den meisten Leuten aussehen? Schädel sind fast immer nicht glatt, Lissa, sondern haben alle möglichen Beulen und Knubbel. Und man weiß nie, wie ein Schädel aussieht, bis man alles abrasiert hat. Und dann ist es zu spät.«

»Scheiße, Remy, darum geht es doch überhaupt nicht! Für dich lief immer alles glatt. Du siehst super aus, bist selbstbewusst und clever. Dich hat nie jemand fallen lassen wie ’ne heiße Kartoffel. Kein Typ hat dich je so fertig gemacht.«

»Das stimmt nicht«, antwortete ich ruhig. »Und das weißt du auch.«

Sie stutzte, denn ihr fiel wieder ein, dass wir durchaus ein paar Erfahrungen miteinander teilten. Auch ich war nicht immer ungeschoren davongekommen; sogar dieser dämliche Idiot von Jonathan hatte mich überrumpelt. Trotzdem wusste ich, was Lissa meinte: Von außen betrachtet sah es so aus, als wäre ich immer die Stärkere und die Typen die Gearschten. Aber dafür gab es einen Grund. Und den kannte Lissa nicht. Sie wusste nicht, was in jener Nacht bei Albert passiert war, in Rufweite ihres eigenen Schlafzimmerfensters.

»Meine ganze Zukunft drehte sich um Adam, ich hatte alles durchgeplant«, sagte sie etwas ruhiger. »Und jetzt habe ich nichts mehr.«

»Nein. Das Einzige, was du nicht mehr hast, ist Adam. Und das ist ein großer Unterschied zu nichts, Lissa. Das siehst du nur noch nicht.«

Sie war sofort wieder eingeschnappt und gab einen unwilligen Chchch-Laut von sich. »Ich sehe vor allem, dass jeder genau das mit seinem Leben macht, was er will. Jeder außer mir.« Sie rupfte eine Box für Kosmetiktücher mit apartem Kuhfellmuster aus dem Regal und stopfte sie zu den anderen Teilen im Einkaufswagen.

»Alle stehen am Gatter, scharren ungeduldig mit den Hufen und wollen losrennen; ich dagegen lahme jetzt schon und werde bestimmt gleich zum Stall zurückgebracht, damit man mich von meinem Elend erlösen kann.«

»Süße, wir sind gerade mal einen Monat mit der Highschool fertig«, sagte ich mit einer Engelsgeduld (für die ich mich echt anstrengen musste). »Das wirkliche Leben hat noch nicht mal angefangen. Wir befinden uns in einer Art Übergangsphase.«

»Ich hasse es, egal ob Übergang oder nicht.« Beim Sprechen fuchtelte sie mit den Armen in sämtliche vier Himmelsrichtungen, als wollte sie auf alles zeigen, was sie hasste – wobei sie nicht nur das Gerümpel in Linen Etc. meinte. »Wenn ich könnte, würde ich am liebsten wieder zurück an die Highschool.«

»Es ist viel zu früh für solche nostalgischen Anwandlungen, Lissa. Wirklich.«

Schweigend gingen wir Richtung Jalousienund Gardinenabteilung. Während sie vor sich hin muffelnd Vorhänge sichtete, schlenderte ich zu den Sonderangeboten. Linen Etc. veranstaltete gerade eine Sommerspezialaktion: Nur einen Tag! Ausverkauf bei allen Picknickartikeln! Kunststoffteller in diversen Farben, Besteck mit transparenten Griffen, Gabeln im Metallic-Look. Ich nahm einen Viererpack Saftgläser, die mit rosafarbenen Flamingos verziert waren, in die Hand: eindeutig schweinehässlich.

Und dachte an das gelbe Haus, wo das gesamte Geschirr aus einem Porzellanteller, einigen zusammengewürfelten Messern und Gabeln, ein paar Werbegeschenk-Kaffeebechern und den Pappbehältern bestand, die Ted aus dem Container für beschädigte Lieferungen hinterm Mayor’s Market herausfischte. Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich gehört, wie jemand die Frage stellte: »Gibst du mir mal den Löffel?« Im Gegensatz zu: »Gibst du mir mal einen Löffel?« Und nun lag auf einmal ein vollständiges Besteck vor mir, dazu als Supersonderangebot. Ein wahrer Plastikschatz mit blauen Griffen, die ganze Pracht für sagenhafte sechs Dollar neunundneunzig. Ich nahm das Set und legte es in den Einkaufswagen ohne auch nur einen Augenblick lang darüber nachzudenken.

Doch zehn Sekunden später traf es mich wie ein Schlag: Was tat ich da? Kaufte Besteck für einen Jungen? Für meinen Freund? Als hätten Aliens mich einer Gehirnwäsche unterzogen. Ich war schon wie mein Bruder. Welcher Typ Frau kaufte Haushaltswaren für einen Kerl, mit dem sie gerade mal einen knappen Monat zusammen war? Doch nur diese abartigen Tussen, die es drauf anlegten, zu heiraten und Kinder zu produzieren! Ich schüttelte mich bei dem Gedanken und warf das Besteck-Set so schnell wieder zurück, dass es gegen einen Stapel Teller mit herziger Delfindeko krachte, und zwar laut genug, um Lissa aufzuscheuchen und sie von den Nachttischlampen abzulenken.

Ganz ruhig, befahl ich mir. Atmete tief durch, musste allerdings prompt würgen und husten, weil es in Linen Etc. entsetzlich nach Duftkerzen stank.

»Remy?«, fragte Lissa, die eine grüne Lampe in der Hand hielt. »Alles in Ordnung?«

Ich nickte. Sie stöberte weiter. Anscheinend ging es wenigstens ihr etwas besser, denn die Lampe passte zum Papierkorb. Immerhin.

Mechanisch schob ich den Einkaufswagen zwischen Gästehandtüchern sowie Döschen, Kästchen, Schächtelchen aller Art hindurch – fast in die Duftkerzen hinein, wo der Gestank schier unerträglich wurde. Dabei sagte ich mir immer wieder, dass nicht alles auf diesem Planeten eine Besonders Bedeutsame Bedeutung hat, die über das, was es ist, hinausgeht. Himmel! Es war nur ein Besteck. Im Sonderangebot. Kein Verlobungsring! Mir das klar zu machen beruhigte meine Nerven etwas, auch wenn meine rationale Gehirnhälfte einfach nicht den Mund halten konnte und penetrant darauf hinwies, dass ich bei früheren »festen Freunden« (und ich hatte seit Beginn der Highschool ungefähr … sagen wir mal: fünfzehn so genannte feste Freunde gehabt) niemals den Impuls verspürt hatte, was Richtiges zu schenken. Ich meine etwas, das Bestand hat. Das höchste der Gefühle war eine Runde Cola bei Quik Zip auf meine Kosten. Für Geburtstage und an Weihnachten beschränkte ich mich auf die üblichen Standardgeschenke: T-Shirts und CDs, irgendwelchen Krempel, der in absehbarer Zeit kaputt oder nicht mehr in Mode sein würde. Ganz im Unterschied zu einem Besteck aus transparentem Kunststoff. Denn das würde wahrscheinlich noch die finale nukleare Katastrophe überstehen und anschließend die Kakerlaken freudig als einzige Mitüberlebende begrüßen. Außerdem: Wenn man mal genauer über die tiefere Bedeutung von Geschenken nachdachte, kam man unweigerlich drauf, dass Geschirr für Essen steht, Essen für Nahrung und Nahrung für Leben. Was wiederum hieß, dass ich, wenn ich Dexter auch nur eine einzige Gabel schenkte, im Prinzip für ihn sorgen wollte, und zwar bis in alle Ewigkeit, Amen. Würg!

Auf dem Weg zur Kasse kamen Lissa und ich noch einmal an dem Tisch mit den Sonderangeboten vorbei. Sie nahm einen Wecker im Retrolook in die Hand.

»Der sieht richtig cool aus«, meinte sie. »Und guck mal, die Teller und das Besteck. Vielleicht sollte ich so was kaufen. Falls wir mal bei uns im Zimmer essen wollen.«

»Vielleicht.« Ich zuckte die Achseln und beachtete den Tisch nicht weiter. Als wäre er ein Exfreund.

»Aber wenn ich das Besteck dann doch nie benutze?«, fuhr sie fort. Am Ton ihrer Stimme hörte ich, dass es wieder mal so weit war: Lissa kam in ihren berühmten Ichkann-mich-einfach-nicht-entscheiden-Zustand. Und das konnte dauern. »Es kostet zwar nur sieben Dollar. Und ist wirklich ganz hübsch. Aber wahrscheinlich habe ich sowieso keinen Platz dafür.«

»Wahrscheinlich nicht.« Ich schob den Einkaufswagen weiter.

Doch sie rührte sich nicht vom Fleck. In der einen Hand hielt sie immer noch den Wecker, mit der anderen befühlte sie die Plastikhülle, in die das Besteck verpackt war. »Es ist echt okay«, meinte sie. »Auf jeden Fall besser als immer nur mit den schäbigen Plastikgabeln zu essen, die man dazubekommt, wenn man sich Fastfood holt. Andererseits ist es wirklich ganz schön viel Besteck. Aber Delia und ich sind bloß zu zweit …«

Ich sagte nichts mehr. Und alles, was ich roch, waren die verdammten Kerzen.

»… Allerdings könnte es ja auch mal vorkommen, dass wir Leute zum Essen dahaben. Pizza oder was weiß ich.« Sie seufzte. »Nein, vergiss es, ich brauche das nicht. Typischer Spontankauf.«

Wieder schob ich den Einkaufswagen ein Stück vorwärts. Und sie ging ein paar Schritte weiter. Zwei, um genau zu sein.

»Andererseits«, sagte sie. Verstummte gleich wieder.

Seufzer. Dann: »Nein, vergiss es …«

»Herrjeh!« Ich drehte mich um, schnappte mir den Karton mit dem Besteck und stopfte ihn in den Einkaufswagen. »Ich kaufe das Teil, okay? Hauptsache, wir gehen endlich.«

Sie sah mich mit großen Augen an. »Willst du es denn haben? Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich …«

»Jawohl«, sagte ich laut. »Ich will es. Ich brauche es.

Auf geht’s.«

Als ich sie später absetzte, bat ich sie alles mitzunehmen. Ja, auch das Besteck. Aber natürlich geschah genau das, was in solchen Fällen immer geschieht: Sie nahm sämtliche Einkaufstüten mit – bis auf eine. Ich wiederum vergaß völlig, dass besagte Tüte in meinem Kofferraum lag, bis Dexter und ich einige Tage später ein paar Sachen rausholten, die er fürs gelbe Haus eingekauft hatte – Erdnussbutter, Brot, Orangensaft, Kartoffelchips, Tortillachips, Chips … Er schnappte sich seine Tüten und wollte den Kofferraumdeckel gerade wieder zuklappen, da hielt er inne und sah genauer hin.

»Was ist das denn?« Er hielt eine weiße Plastiktüte hoch, deren Schlaufen sorgfältig zusammengebunden waren, damit der Inhalt nicht rausfallen konnte. Man sah, dass Lissa in eine gute Schule gegangen war. Nämlich bei mir.

»Nichts.« Rasch wollte ich ihm die Tüte aus der Hand nehmen.

»Moment.« Er hielt sie so, dass ich sie nicht erreichen konnte. Dabei plumpste zwar die Erdnussbutter aus einer anderen Tüte und rollte quer über den Rasen davon. Doch er achtete gar nicht drauf. Seine Neugier war geweckt: »Was ist das?«

»Etwas, das ich für mich gekauft habe«, antwortete ich so beiläufig wie möglich und versuchte erneut mir das Teil zu greifen. Wieder hatte ich kein Glück. Er war zu groß, seine Arme zu lang. Ich kam einfach nicht dran.

»Ein Geheimnis?«

»Ja.«

»Ehrlich?«

»Ja.«

Er schüttelte die Tüte leicht, horchte auf das Geräusch. »Es klingt aber nicht nach einem Geheimnis.«

»Und wie bitte klingt ein Geheimnis?«, fragte ich. So ein Blödmann. »Gib endlich her.«

»Wie Tampons.« Er schüttelte die Tüte noch einmal.

»Aber das hier klingt nicht nach Tampons.«

Ich funkelte ihn böse an. Endlich gab er mir die Tüte, aber so, als wollte er mittlerweile gar nicht mehr wissen, was drin war. Er stiefelte über den Rasen, um die Erdnussbutter aufzuheben, wischte das Glas am T-Shirt ab – klar, was sonst? – und stopfte es wieder zu seinen anderen Einkäufen.

»Wenn du es denn unbedingt wissen willst«, sagte ich, als wäre es die unwichtigste Sache auf der Welt. »In der Tüte ist ein Besteckset, das ich bei Linen Etc. gekauft habe.«

Nach kurzem Nachdenken fragte er: »Ein Besteckset?«

»Ja. Sonderangebot.«

Wir standen voreinander. Aus dem Inneren des gelben Hauses hörte man den Fernseher plärren. Jemand lachte und Monkey stand an der offenen Haustür hinterm Fliegengitter, beobachtete uns und wedelte im Überschalltempo mit dem Schwanz.

»Besteck«, wiederholte er langsam. »Messer, Gabeln, Löffel?«

Ich schnippte einen kleinen Schmutzklumpen von meinem Autodach – war das da etwa ein Kratzer? – und antwortete lässig: »Ich glaube, ja. Kleine Besteckgrundausstattung.«

»Brauchst du denn gerade Besteck?« Ich sagte weder Ja noch Nein.

»Weil«, fuhr er fort, während ich mich krampfhaft bemühte nicht im Boden zu versinken, »ich nämlich dringend Besteck brauche. Ultradringend.«

»Können wir ins Haus gehen?« Ich knallte den Kofferraumdeckel zu. »Hier draußen ist es zu heiß.«

Er sah erst die Tüte an und dann wieder mich. Langsam breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus – das Lächeln, vor dem ich mich gefürchtet hatte. »Du hast das Besteck für mich gekauft«, sagte er. »Stimmt’s?«

»Nein«, knurrte ich und kratzte an meinem Nummernschild rum.

»Doch, hast du!«, johlte er und fing an zu lachen.

»Du hast mir Gabeln gekauft. Und Messer. Und Löffel. Weil …«

»Nein!«, rief ich dazwischen.

»… du mich liebst!« Er grinste so triumphierend, als hätte er gerade das kniffligste Rätsel aller Zeiten gelöst. Ich merkte, dass ich rot wurde. Blöde Lissa. Ich hätte sie umbringen können.

»Es war ein Sonderangebot«, sagte ich noch einmal.

Als wäre das eine Entschuldigung.

»Du liebst mich«, meinte er schlicht und nahm die Tüte mit dem Besteck zu seinen übrigen dazu.

»Hat nur sieben Dollar gekostet«, fügte ich hinzu, doch er marschierte bereits davon. So selbstsicher und eingebildet! »Mann, jetzt kapier endlich, das ist ein ganz billiges Ausverkaufsteil.«

Er drehte sich nicht um. »Du liebst mich.« Sang es fast. »Du. Liebst. Mich.«

Als ich dort vor dem gelben Haus stand, vor mir die Stufen zur Veranda, hatte ich zum ersten Mal seit langer Zeit das Gefühl, das Steuer aus der Hand gegeben zu haben. Wie konnte mir das nur passieren? Jahrelang austauschbare Geschenke. CDs, Sweatshirts. Und jetzt plötzlich ein Picknickbesteck – und schon hatte ich die Kontrolle verloren. Wie war das bloß möglich?