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Mit dieser wundervollen Liebesgeschichte "Lars' Diary" knüpft Rüdiger Marmulla an die Saga um Familie Krönlein an. Stephans Sohn Lars erlebt nach dem Tod seiner Mutter die Spannungsfelder des Erwachsenwerdens. Das Buch zeigt die Träume und Unsicherheiten junger Menschen, die die Welt erobern und ihre Fähigkeiten zum Einsatz bringen wollen. Gleichzeitig wird aber auch klar, welch zerstörerische Kraft der Missbrauch von Drogen auf ein Leben haben kann. Was wäre ein Roman von Rüdiger Marmulla ohne die verbindende Kraft der Freundschaft und der Liebe Gottes. Einzelne Protagonisten früherer Bücher tauchen auch hier wieder auf. Das Buch bezaubert durch die Beschreibung bekannter Orte, die mancher Leser schon selbst gesehen hat. Mich persönlich nahm die Grundstimmung des Buches mit in eine liebevolle, optimistische Atmosphäre. Es fühlte sich fast so an, als wäre ich selbst Lars oder Lisa, die diese Geschichte erleben.
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Seitenzahl: 249
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Die Charaktere und Ereignisse in diesem Buch sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit wirklichen Personen, seien sie lebendig oder verstorben, ist zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar.
Texte: © Copyright 2021-2025 by Rüdiger Marmulla
2. Auflage 2025
Umschlaggestaltung: © Copyright 2025 by Rüdiger Marmulla mit der Unterstützung von Apple Intelligence / PlaygroundAI
Verlag:Rüdiger Marmulla, Gartenstraße 153, D-63263 Neu-Isenburg
https://marmulla.com
Herstellung:epubli - ein Service der neopubli GmbH, Köpenicker Straße 154a, 10997 Berlin
Kontaktadresse nach EU-Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Mit dieser wundervollen Liebesgeschichte „Lars‘ Diary“ knüpft Rüdiger Marmulla an die 10 sichere Tipps-Tetralogie um Stephan Krönlein an.
Stephans Sohn Lars erlebt die Spannungsfelder des Erwachsenwerdens.
Das Buch zeigt die Träume und Unsicherheiten junger Menschen, die die Welt erobern und ihre Fähigkeiten zum Einsatz bringen wollen. Gleichzeitig wird aber auch klar, welch zerstörerische Kraft der Missbrauch von Drogen auf ein Leben haben kann.
Was wäre ein Roman von Rüdiger Marmulla ohne die verbindende Kraft der Freundschaft und der Liebe Gottes. Einzelne Protagonisten früherer Bücher tauchen auch hier wieder auf. Das Buch bezaubert durch die Beschreibung bekannter Orte, die mancher Leser schon selbst gesehen hat.
Mich persönlich nahm die Grundstimmung des Buches mit in eine liebevolle, optimistische Atmosphäre. Es fühlte sich fast so an, als wäre ich selbst Lars oder Lisa, die diese Geschichte erleben.
Margit Helten
Lisa schließt die Kuppel über uns, nachdem wir in der Kanzel Platz genommen haben. Über ein Seil sind wir mit einer Winde verbunden. Kurz darauf gibt es einen starken Ruck, und wir werden plötzlich beschleunigt. Sofort geht der Segelflieger nach oben.
Seit Lisa und ich Papa vor drei Jahren den ersten Segelflug geschenkt haben, schwärmt er, wie schön es ist, durch den Himmel zu gleiten. Das ist heute das erste Mal, dass ich mit Lisa fliege. Sie hat gerade frisch ihren Segelflugschein gemacht. Mit 14. Das war der früheste Zeitpunkt. Früher kann man den Schein nicht machen. Ich könnte den Schein frühestens in einem Vierteljahr machen. Das wäre ja was – Lisa und ich in zwei Segelfliegern in der Luft.
Lisa ist so cool. Heute werde ich es ihr sagen. Heute ist ein guter Tag.ieHeu
Vor uns sind schon zwei Segelflieger nach oben gegangen. Papa mit Heidi. Und Johannes mit Hannah. Johannes hat mit Papa seit einem knappen Jahr die Segelflugschule besucht. Lisa kam kurz danach auch dazu. Theorie und Praxis.
Wir fliegen eine Wolke an. Sie zieht uns zur Basis nach oben. Wir lassen die Wasserkuppe mehr und mehr hinter uns. Mein Blick geht weit über die Rhön.
Papa kurbelt seinen Flieger in verwegenen Rechtsdrehungen nach oben. Johannes und Lisa folgen ihm.
Da drückt es mich auf einmal. Ich muss pinkeln. Dringendst. „Lisa? Kannst du mal eben eine Pause machen?“
„Was? Ich kann nicht mal eben rechts ranfahren. Was hast du? Musst du kotzen? Kotze mir nicht ins Genick. Oder ist sonst irgendwas?“
„Ach … nichts. Passt schon.“
Der Druck wird immer stärker. Jetzt würde ich was für einen Klobesuch geben. Ich wollte, der Segelflug wäre schon vorbei.
Lisa dreht sich zu mir um. „Schau mal, in Richtung Westen ist eine große Wolkenstraße. Ja. Dein Vater hat sie auch gesehen. Wir fliegen die ganzen Wolken in Richtung Westen ab.“
Ach, du meine Güte.
Wir ziehen uns wieder in engen Rechtskurven nach oben, immer weiter weg von der Wasserkuppe. Immer weiter weg von der Toilettenanlage am Segelflugplatz. Himmel, ich gäbe was für einen Klobesuch. Ich kann an nichts anderes mehr denken.
Lisa lacht. „Segelflugverein Ikarus. Der Name ist echt legendär. Der Fluglehrer hat übrigens gesagt, dass nicht Ikarus, sondern Daidalos abgestürzt ist. Das ist natürlich Quatsch. Ikarus ist abgestürzt. Nicht Daidalos. Die verwechseln hier Vater und Sohn. Dabei ist bei den beiden Griechen viel klarer erkennbar, wer Vater und wer Sohn ist. Ganz im Gegensatz zu dir und deinem Vater. Du bist unverkennbar Stephan Krönlein, nur eben in jung, Lars.“
Meine Gedanken fangen an zu kreisen. Genau wie dieses Segelflugzeug. Kann sie das Thema nicht lassen? Ich halte es nicht mehr aus. Dann. Plötzlich. Es wird warm in meiner Hose. Zu spät. Ich kann es nicht halten. Es wird immer wärmer. An den Schenkeln und hinter zum Po. Du meine Güte. Der Druck lässt nach. Hoffentlich merkt Lisa nichts.
„Gute Steigwerte, schau nur, Lars. Es geht immer höher.“ Lisa ist voller Begeisterung in ihrem Element.
Die Steigwerte des Wasserpegels in meiner Hose kann ich auch nicht leugnen. Nach fünf Minuten wird es zunehmend kalt. Unangenehme Sache. Natürlich habe ich keine Ersatzhose in die Rhön mitgenommen. Was mache ich nur?
„Ich lüfte mal das Cockpit. Hier riecht es irgendwie nach Pipi.“ Lisa fingert am Rädchen, das die Luftzufuhr regelt.
Besser, ich sage jetzt nichts.
Der Flug geht noch über eine Stunde. Die kalte, nasse Hose ist echt blöd. Da werde ich mir nach dem Aussteigen etwas einfallen lassen müssen. Was nur?
Papa macht wieder eine verwegene Rechtsdrehung, dann zieht er seine Kiste nach unten. Von weitem erkenne ich wieder die Wasserkuppe unter uns.
Lisa folgt meinem Papa ebenso verwegen nach unten. Wir bekommen ganz schön Fahrt drauf. Da ist er. Der Flugplatz. Papa schwenkt als Erster auf die Landebahn ein. Dann kommen wir. Wir haben Johannes und Hannah abgehängt. Es geht auf einmal alles ganz schnell. Der Boden kommt immer näher. Wir setzen auf. Es ruckelt. Sehr. Dann ist die Reise vorbei.
„Luft, Luft“, ruft Lisa und öffnet hastig die Kanzel. Sie springt aus dem Segelflieger. „Kommst du nicht, Lars?“
„Ach, ich warte hier noch auf Johannes und Hannah. Geh ruhig schon einmal vor. Ich bleibe noch.“
„Also, ich muss jetzt erst einmal für kleine Mädchen…“ Lisa geht in schnellen Schritten zu den Toiletten.
Ich weiß, dass sie sich für ein menschenwürdiges, gleichberechtigtes Pinkeln einsetzt. Nur – und da bin ich mir sicher – für meine Lage hätte sie jetzt kein Verständnis. Ich winke Papa herbei.
Ja.
Er hat mich gesehen. Papa kommt. „Ja, Lars? Was gibt es? War das nicht ein herrlicher Flug?“
„Ja. Schon. Aber für mich zu lange. Ich musste mal. Kannst du mir deinen Pullover leihen, dass ich mir den umhänge? Meine Sachen sind alle nass. Auch meine Jacke.“
Papa reicht mir seinen Pullover. Er verzieht keine Miene. „Kann ich sonst noch was für dich tun?“
„Ja. Lenke bitte Lisa von mir ab. Sie darf nicht wissen, was mir passiert ist.“
Mit militärischem Gruß nimmt Papa meinen Wunsch als Befehl entgegen.
Ich krabbele aus der Kanzel und hänge mir Papas Pullover um. Kurz schlage ich mir beim Aufstehen meinen Kopf an der Kuppel des Segelfliegers an. Dann sehe ich, dass Lisa von der Toilette zurückkehrt. Papa verwickelt sie gleich in ein Gespräch. Ich glaube, sie fachsimpeln über den Segelflug.
Mir ist alles Recht. Hauptsache, ich muss Lisa heute nicht mehr unter die Augen treten. Ich halte mich an Johannes und Hannah. Es dauert nicht lange, da kehren auch sie zur Wasserkuppe zurück.
Und schon geht es zurück nach Frankfurt.
Liebes Tagebuch,
heute war kein guter Tag. Ich wollte es Lisa sagen. Aber dann hätte ich mich um ein Haar unmöglich gemacht. Ich bin sicher, Lisa hat nichts gemerkt. Dann muss ich eben auf einen anderen Tag warten.
Ich weiß nicht, warum ich gerade jetzt daran denken muss, wie ich Lisa das erste Mal küssen wollte. Damals waren wir sechs Jahre alt. Und Lisa hat mir eine geknallt. Zum siebten Geburtstag hat sie mir dann eine Kussanleitung geschenkt. Schriftlich. Die praktische Anleitung hat sie mir dann noch am selben Tag unter dem Weidenbaum am Mainufer gegeben. Mehr schreibe ich jetzt nicht. Schließlich bin ich ein Gentleboy.
Ich liebe Lisa so sehr. Ich weiß nicht, was ohne sie aus mir werden würde. Ich kann mir kein anderes Mädchen für mich vorstellen. Ich denke immer nur an Lisa, Lisa, Lisa.
Liebes Tagebuch, eigentlich weiß ich gar nicht, wie man ein Tagebuch perfekt führt. Ich probiere es jetzt einfach mal. Ich behandele dieses Buch wie ein Logbuch. Der Anfang ist gemacht. Ich werde diesen ersten Flug mit Lisa niemals vergessen. Deshalb ist dieser Tag für meinen ersten Tagebucheintrag perfekt. Und das Schlamassel mit der Hose vergesse ich ganz schnell wieder.
Aber eins muss ich noch schreiben: Lisa ist das schönste und interessanteste Mädchen an unserer Schule. Ach, was sage ich: in Frankfurt. Ach was, in Hessen. Auf der Welt. Lisa, Lisa, Lisa.
Liebes Tagebuch,
heute ist kein guter Tag, um es Lisa zu sagen. Ich habe einen dicken Pickel auf der Nase. Ich gefalle mir gar nicht, wenn ich in den Spiegel schaue.
Wegschauen. Ich werde wegschauen. Wenn ich sie nicht anschaue, dann schaut mich sicher auch Lisa nicht an. So könnte ich durch den Tag kommen. Klar.
Mit Mathe geht es heute los. Gut. Mathe liegt mir. Dann Englisch. Mag ich auch. Dann eine Doppelstunde Sport. Das ist saublöd. Ich bin froh, wenn ich die wieder hinter mir habe. Vor allem wenn Mannschaftsspiele gemacht werden und die Gruppen gebildet werden, dann bleibe ich meist als einer der letzten übrig. „Nasser Sack“ haben sie mir beim Bockspringen neulich zugerufen, als ich auf dem Bock nicht ganz so elegant hängen blieb. Himmel, was bin ich froh, wenn Sport heute um ist. Nach der großen Pause eine Doppelstunde Chemie. Ich liebe es, wenn es knallt und raucht. Oder wenn in den Gläsern die peppigen Farben umschlagen.
Am Nachmittag Hausaufgaben. Ich gehe mittags mit Papa in die Alte Nikolaikirche zur Hausaufgabenbetreuung. Papa macht da die Mathematik-Nachhilfe für andere Kinder. Naja, als Versicherungsmathematiker ist er dazu perfekt geeignet. Heidi wird auch da sein. Aber sie ist kein Vergleich zu Mama. Niemand lässt sich mit Mama vergleichen. Ich vermisse sie so, obwohl Mama nun schon seit drei Jahren nicht mehr mit uns ist. Im ersten Vierteljahr habe ich viel geweint. Aber ich habe das Papa nicht gezeigt. Der war in seiner eigenen Trauerblase.
Wenn ich Glück habe, dann ist der Pickel bis zum Wochenende weg. Dann sage ich es Lisa. Das Wochenende. Ja, das Wochenende ist gut.
Ich muss los. Es ist halb acht.
Die Sport-Doppelstunde schaffe ich gerade so ohne größere Peinlichkeiten. Ich ziehe mich um und gehe in die große Pause. Aus meiner Schultasche nehme ich mir meine gelbe Kakaopackung. Dann gehe ich auf den Hof. Da ist Lisa. Wegdrehen, wegdrehen. Ich trinke einfach meinen Kakao und tue so, als wäre ich unsichtbar.
Da spüre ich auf einmal eine Hand auf meiner rechten Schulter.
Sofort höre ich Lisas Stimme. „Warum bist du denn heute so komisch?“
„Ich trinke gerade meinen Kakao.“
„Klar, da musst du dich aufs Trinken konzentrieren. Ich verstehe. Jetzt dreh‘ dich halt mal um.“
Ich spüre, wie Lisa an meiner Schulter zieht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich der Situation zu stellen.
„Heute hast du ja keine schlechte Figur im Sport gemacht.“
„Volleyball liegt mir mehr als die anderen Sportarten.“
„Ich weiß, Lars. Mit Fußball kann man dich jagen.“
Mit einem Nicken stimme ich Lisa zu.
„Das ist übrigens ein ziemlich fetter Pickel auf deiner Nase. Mann, den darfst du nicht ausdrücken.“
„Wieso?“
„Von der Nase ziehen Venen über den Augenwinkel direkt ins Gehirn. Wenn da eine Entzündung hochsteigt, dann hast du Ruckzuck eine Hirnhautentzündung.“
„Gut, dass dein Vater Arzt ist. Was sollte sonst aus mir werden?“
„Ich habe einen Tipp für dich. Gegen Pickel.“
„Ja?“
„Östrogene.“
„Wie?“
„Die Pille. Die wirkt auch auf die Haut.“
„Aber ich bin doch ein Junge.“
„Ach so. Na, jetzt, wo du es sagst. Dann musst du es eben aushalten.“ Lisa streicht sich durch ihre langen dunkelblonden Haare. Dann wendet sie sich dem Eingang der Aula zu. „Jetzt Chemie. Ich geh‘ schon mal rein. Kommst du?“
Egal. Meinen Pickel hat sie schon gesehen. Und kommentiert. Dann brauche ich mich jetzt auch nicht mehr zu verstecken. Auch wenn sie cool reagiert hat, kann ich mich ihr nicht mit einem Pickel auf meiner Nase offenbaren. Das Wochenende. Ich warte auf das Wochenende.
Liebes Tagebuch,
sie ist der Grund, warum ich überhaupt schreibe. Lisa ist der Auslöser. Ich muss unbedingt meine Gefühle zu Papier bringen. Lisa ist so schön. Und sie ist cool. Alles, was sie macht ist aufregend und spannend. Ich will einfach für immer mit ihr zusammen sein. Morgen frage ich sie, ob wir am Wochenende gemeinsam auf das Schulfest gehen. Und dort werde ich dann das Thema wechseln. Ich werde ihr sagen, warum ich sie so oft ansehe. Ich werde ihr sagen, wie hübsch sie ist. Und dass ich sie gern leiden mag. Was heißt leiden. Ich liebe Lisa. Hoffentlich habe ich Glück. Ich hoffe, dass ich mir morgen nicht verloren vorkomme, wenn ich nicht die Chance habe, mit ihr am Samstag auf das Schulfest zu gehen.
Eben wollte ich noch den Mond durch mein Teleskop betrachten. Der Mond scheint schön am Abendhimmel. Aber ich finde keine Ruhe zum Beobachten. Ich denke ständig an Lisa. Lisa. Ich bin so verliebt, und ich weiß nicht, ob sie es erkennt. Ich hoffe nur, dass sie am Samstag Zeit hat, auf das Schulfest zu kommen.
Ich muss unbedingt meine Gefühle zum Ausdruck bringen. Mit dir, liebes Tagebuch, übe ich nur. Aber in der Gegenwart von Lisa soll es dann wirklich werden. Mein Liebesgeständnis. Es ist Lisa, die mich zum Schreiben antreibt. Ich träume die letzten zwei Wochen so oft von ihr. Meine Gedanken laufen so weit mit ihr fort. Und wenn ich dann vor der wirklichen Lisa stehe, dann weiß ich einfach nicht, wie ich meine Gefühle in Worte fassen soll. Manchmal verwirrt mich Lisa. Ich glaube, alle lieben Lisa. Markus schaut sie auch immer so an. Das mag ich nicht.
Jetzt. Der Moment in der großen Pause ist gut. Ich gehe zu ihr. „Kommst du am Samstag auf das Schulfest?“
„Ach ja, das Schulfest. Am Samstag fahre ich in die Rhön. Segelfliegen. Ich weiß nicht, ob ich früh genug zurück bin, um auf das Schulfest zu kommen.“
Hastig lege ich nach. „Ich gehe hin. Ich werde auf dich warten.“
Markus kommt auf uns zu. Hoffentlich geht er an uns vorbei. Nee. Tut er nicht. Er steuert direkt auf Lisa zu. „Kommst du am Samstag auf das Schulfest?“
Lisa streicht ihre langen Haare zur Seite. „Mal sehen.“
Markus lässt sich nicht abwimmeln. „Ich gehe hin. Wäre giga, wenn du auch kommst.“
Ich korrigiere ihn. „Es heißt mega.“
„Wer sagt das?“ Markus schaut mich düster an. Ich störe gerade seinen Redefluss. Ich merke, dass ihm das nicht passt.
„Papa. Papa sagt, es heißt mega.“
„Eltern sind von gestern. Heute heißt das giga. Fertig.“ Markus wendet sich wieder Lisa zu und tut so, als gäbe es mich nicht. Das passt mir jetzt gar nicht. Lisa ist mein Mädchen.
„Was macht dein Segelflugschein, Lisa?“ Markus lässt sich nicht abwimmeln.
„Den habe ich vor zwei Wochen gemacht.“
„Giga. Ich überlege auch, den Segelflugschein zu machen.“ Markus glotzt Lisa an.
Lisa lässt sich in ein Gespräch verwickeln. Das ist alles total doof. „Ist am Anfang eine Menge Theorie. Du musst erst mal viel lesen, bevor du das erste Mal ins Cockpit steigen kannst.“
„Kein Problem. Das mache ich mit links. Und dann fliegen wir gemeinsam. Du und ich.“
Nicht zu fassen. Dieser Markus schneidet ganz schön auf. Am liebsten würde ich ihn jetzt wegschubsen. Es reicht. Ich war zuerst mit Lisa. Das Pausenzeichen. Die Pause ist zu Ende. Auch gut. Ich hätte sein Gerede sowieso nicht länger ertragen. Wir gehen zum Unterricht.
Liebes Tagebuch,
meine Nase ist abgeheilt. Jetzt habe ich am Samstag freie Bahn. Wenn Lisa kommt. Ich hoffe, sie kommt.
Wie stelle ich es an? Wie sage ich es ihr? Wie beginne ich?
„Ich bin in dich verknallt.“ – Nein.
„Du gehst mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich denke Tag und Nacht an dich.“ – Nein.
„Du bist einfach giga. Ich wäre gern dein Freund.“ – Nein. Dann denkt sie am Ende noch an diesen Markus.
„Ich liebe dich, Lisa. Ich mag mit dir gehen.“ – Ja. Das ist gut.
Ich will mehr sein, als nur ihr Kumpel aus Kindertagen. Ich will mehr sein als ein Kamerad.
Was ziehe ich an?
Jetzt könnte ich die Tipps von Mama gebrauchen. Sie hatte das perfekte Talent, Menschen zu einem gelungenen Date zu verhelfen. Und sie hatte eine Freundin, die eine Farb- und Typberatung anbot. Ja. Das wäre jetzt etwas für mich. Mama fehlt mir so.
Auf einmal werde ich ganz schwer und traurig. Warum ist Mama nicht mehr da?
Ich sollte in die Küche gehen und mir einen Kakao holen. Ich trinke immer Kakao, wenn ich traurig werde, weil Mama mir fehlt.
Dunkelblaues Jackett mit hochgekrempelten Ärmeln. Darunter ein knallgelbes Hemd. Hellblaue Jeans. Weiße Sneaker. Mein Dresscode. Ich glaube, das geht.
Einer der Abiturienten bedient die Soundanlage. Er dudelt die ganze Zeit ein Musikstück von irgendeiner neuen Band rauf und runter. Die Stadtratten heißt die Band, soviel kriege ich mit. Das geht zwei Stunden so. Warum sagt keiner was?
Ich wollte, Lisa wäre schon da. Ich sehe sie vor mir. Dunkelblonde Haare. Rehbraune Augen. Ein wundervolles Gesicht. Ich glaube, alle lieben Lisa. Hoffentlich wird das kein Problem. Ich schaue mich nach allen Seiten um. Von Lisa ist nichts zu sehen. Ist sie noch in der Rhön?
Markus kommt auf mich zu. Auch das noch. „Na, Lars. Findest du eigentlich, dass Lisa hübsch ist?“
„Ja.“
„Die kannste vergessen. Die werde ich klarmachen. Hast du mich verstanden, Kleiner?“
Ich drehe mich einfach weg. Das habe ich gar nicht gehört. So ein Blödmann. Was denkt der, wer er ist?
Die Zeit schleppt sich dahin. 22 Uhr. Ich glaube, Lisa kommt nicht mehr. Schade. Das war kein guter Samstag. Ich habe so auf heute hin gefiebert. Und jetzt das. Hoffentlich ist Lisa nichts passiert.
Ich gehe nachhause.
Heute ist Schulausflug. Mit der U-Bahn geht es zum Goetheplatz und von da aus zu Fuß zum Großen Hirschgraben 23. Lisa geht ganz am Ende der Truppe. Ich warte. Sie kommt mir entgegen.
„Hallo Lisa. Ich habe am Samstag auf dich gewartet.“
„Ja, Lars. Aber ich habe dir nicht versprochen, dass ich komme. Es wurde spät in der Rhön. Ich habe es nicht geschafft, zum Schulfest zu kommen.“
Mit hängendem Kopf gehe ich neben ihr.
Mit einem Mal steht dieser Markus vor uns. „Hey, Lisa. Giga, dass du auch dabei bist. Ich war schon mal im Goethe-Haus. Ist nicht cool. In dem Haus steht nicht ein einziges Möbelstück der Familie Goethe mehr.“
Dieser Angeber. Muss der sich wieder wichtigmachen?
Unsere Lehrerin macht vor dem stattlichen Haus Halt. „Hier wurde Johann Wolfgang Goethe am 28. August 1749 mit dem Glockenschlag zwölf geboren. Und hier wuchs er bei seinen Eltern Johann Caspar und Catharina Elisabeth zusammen mit seiner Schwester Cornelia auf. Bildet jetzt bitte eine Doppelreihe, und ich melde uns zur Führung an.“
Wir bilden eine Reihe. Markus drängelt sich neben Lisa. Ich stehe hinter den beiden. Gefällt mir gar nicht.
Die Führung geht vom Erdgeschoss bis in den dritten Stock nach oben. Markus weicht kein einziges Mal von Lisas Seite. Es sieht fast so aus, als ob Lisa das gefiele. Nicht zu fassen.
Liebes Tagebuch,
heute war kein guter Tag. Markus ließ einfach nicht von Lisa ab. Ich fühlte mich ganz allein.
Das Goethe-Haus war schön. Zwei Dinge sind mir auf der Führung besonders aufgefallen. Da war einmal das Seitenfenster im Obergeschoss. Die Führerin sagte uns, dass Johann Wolfgangs Vater durch besondere Beziehungen zur Stadt die Erlaubnis bekam, ein kleines Fenster in die Brandschutzmauer setzen zu lassen. Durch dieses Fenster konnte er die Straße beobachten und sehen, wenn sein Sohn nachhause kam.
Beziehung im Leben ist alles. Ich hoffe, dass dieser Markus nicht noch seine Beziehung zu Lisa vertieft.
Die andere Sache, die mir im Goethe-Haus auffiel, war das Puppentheater-Zimmer. Hier steht noch das alte Puppentheater, das Johann Wolfgang im Alter von vier Jahren von seinen Eltern geschenkt bekam. Die Führerin sagte uns, dass dieses Puppentheater den Jungen schon früh zu einem phantasievollen und schöpferischen Spielen angeregt habe.
Das berührte mich. Die Jahrhunderte sind über das kleine Theater hinweggegangen. Goethe ist schon so lange tot. Aber sein Puppentheater ist immer noch da. In vergangenem Glanz.
Und Lisa? Die sah ich heute eigentlich nur von weitem.
Ich könnte sie fragen, ob sie am nächsten Samstag mit mir auf den Flohmarkt am Mainufer gehen mag. Ja. Das mache ich.
Samstagvormittag. Ein super sonniger Frühlingstag. Lisa hat ja gesagt. Ich hole sie ab. Wir laufen zum Mainufer. Unter den Platanen sind die Stände aufgebaut. Ich liebe die Frühlingssonne auf Lisas Gesicht. Heute ist ein guter Tag.
Lisa trägt heute ein buntes T-Shirt und einen weißen Rock mit roten Punkten. Früher hat sie sich ja mehr wie ein Junge gekleidet. Aber in der letzten Zeit wird sie mehr und mehr zur Dame. Sehr schön.
„Schau mal. Steht mir dieses Tuch?“ Lisa greift nach einem wild bunten Seidentuch und legt es sich um den Hals. „Soll ich mir das zulegen? Damit könnte ich als späte Janis Joplin durchgehen.“
„Janis wer?“ Ich verstehe nicht.
„Das war eine Sängerin, damals, als die Leute noch auf Pferden durch den Wilden Westen ritten. Macht nichts, wenn du sie nicht kennst.“
„Die Stadtratten sind im Moment sehr angesagt.“
„Echt jetzt? Woher kennst du die denn? Ich dachte, sowas hörst du gar nicht.“
„Doch. Kenne ich. Ihr neuester Song heißt Die Antwort und wurde auf dem Schulfest zwei Stunden lang rauf und runter gedudelt.“ Ich richte mich auf und stelle mich ganz gerade vor Lisa. Sie denkt, ich höre nur die Sticks mit den Hits von den New Romantics, die Papa noch von früher hat.
„Ey, Lars. Du bist angekommen im Frühjahr 2036. Respekt, Respekt.“ Lisa klopft mir anerkennend auf die Schulter und grinst mich breit an.
Die Leute drängeln sich zwischen den Flohmarktständen. Briefmarken. Münzen. Kleider. Bücher. Alte Elektronikartikel. Smart-Glasses. Da liegen sogar noch Mobiltelefone. Mannomann.
Ein zwielichtiger Typ spricht Lisa an: „Na? Willste ‘ne Tüte mit ‘nem Hirnhammer?“
„Nee, Mann. Zieh‘ die dir mal schön selbst rein.“ Lisa schiebt mich von dem Typ weg.
„Was wollte der, Lisa?“
„Der wollte uns was zu rauchen geben. So fängt es immer an. Dann kommen kleine bunte Pillen dazu. Bis hin zu härterem. Ich bin strikt dagegen, seit mir Papa die Ausnüchterungszelle im Diakonissenkrankenhaus gezeigt hat. Die ist gefliest wie’n Tigerkäfig im Zoo. Morgens wird sie mit dem Wasserschlauch ausgespült.“
„Ausgespült? Von was?“
„Kotze, Kacke. Die ganze Batterie. Ich bin gegen Drogen. Fang‘ damit gar nicht erst an, Lars. Das musst du mir versprechen.“
Jetzt klingt Lisa wie eine große Schwester. Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Gut finde ich, dass sie sich um mich sorgt. Schlecht finde ich, dass das so ein Gefälle in unserer Beziehung aufbaut. Ich will nicht ihr kleiner Bruder sein. Aber woher soll sie das auch wissen? Ich habe ihr noch nicht gesagt, dass ich auf sie stehe. Sie weiß nichts von meinen Gefühlen. Ich muss es endlich sagen. Aber in diesem Gedränge geht einfach gar nichts.
„Sag mal, Lisa. Wollen wir aufs Restaurantschiff? Ich bekomme Hunger.“
„Ja. Warum nicht? Ich könnte jetzt auch etwas essen.“
Wir gehen die Treppe hinunter zur Mainpromenade. Über den Steg gehen wir auf das Schiff. Wir haben Glück. Zwei Plätze sind noch frei.
„Ich weiß noch, wie wir hier als Kinder mit unseren Eltern gegessen haben. Kannst du dich auch erinnern, Lars?“
Wie könnte ich das vergessen? Einen Moment denke ich an Mama. Sie war immer so schön neben Papa. Mama war die schönste Frau der Welt. Lisa ist die Einzige, die es mit ihr aufnehmen kann. Einen Moment werde ich sehr traurig. Ein oder zwei Tränen wollen aufsteigen und ich bekomme plötzlich einen Kloß im Hals. An etwas anderes denken. Ich will an etwas anderes denken. Ich will jetzt nicht weinen. Ich nicke. „Ja, Lisa. Ich erinnere mich.“
„Bestellen wir Frankfurter Schnitzel mit Grüner Sauce und Bratkartoffeln?“
„Ja. Wie immer. Zwei Portionen. Und für jeden eine große Cola.“
Lisa winkt dem Ober zu und bestellt für uns.
Am Nachbartisch wird es laut. Zwei Männer stehen auf. Der eine packt den anderen am Kragen. „Mache das nie wieder!“, schreit der eine. Komische Stimmung. Sie nehmen wieder Platz. Der Schreihals greift wieder zum Besteck und schaufelt sich sein Essen rein. Der andere tut so, als sei nichts passiert. Zwei Frauen sitzen auch dabei. Eine ist knallrot im Gesicht. Die andere schaut weg – in Richtung Main.
Irgendwie passt die Atmosphäre hier nicht zu meinen zarten Gefühlen. Ich bringe kein Wort über die Lippen. Meine Liebe bleibt heute noch unausgesprochen. Es wird sich bestimmt eine bessere Gelegenheit ergeben. Ganz sicher.
Unser Essen kommt schon zusammen mit den Getränken. Das ging jetzt wirklich schnell. Ich würde Lisa am liebsten ununterbrochen anschauen. Aber wenn ich sie dann anschaue, dann muss ich schnell wegschauen, weil sie so unendlich schön ist. Ich bekomme dann immer Herzklopfen.
Ich lasse mir nichts anmerken. Und esse.
Liebes Tagebuch,
der Tag heute war sehr gut. Es war total schön mit Lisa. Nur ist der Flohmarkt eben kein geeigneter Ort für eine Liebeserklärung. Wohin kann ich mit Lisa gehen, so dass wir Ruhe haben?
Wir könnten mit dem Fahrrad in den Frankfurter Stadtwald fahren, runter in Richtung Süden zur Oberschweinstiege. Ja. Auf der Fahrt könnten wir in Ruhe reden. In der Oberschweinstiege sitzt man auch nicht so eng gedrängt wie auf dem Restaurantschiff. Oberschweinstiege. Das ist eine richtig gute Idee. Ich werde Lisa fragen. Wir könnten am Ostermontag die Radtour dorthin machen.
Ich fühle mich sehr mutig. Ich habe keine Angst, Lisa Komplimente zu machen. Sie wird mich nicht auslachen. Lisa hat ein gutes Herz.
Vor zwei Wochen habe ich mitgehört, wie Markus mit seinem Kumpel auf dem Pausenhof gesprochen hat. Markus machte sich mal wieder wichtig: „Man muss einem Mädchen sagen, dass es hübsch ist. Man muss es aussprechen. Die Mädels wollen das hören. Und man muss sagen, dass man in sie verliebt ist. Das zählt.“
So blöd dieser Markus ist – hier hat er Recht.
Jetzt kommt mir auf einmal ein ganz unguter Gedanke. Was ist, wenn Markus mir zuvorkommt? Das darf nicht passieren. Ich rufe Lisa an. Jetzt. Sofort. Ich frage sie jetzt gleich nach der Radtour am Ostermontag.
Ich melde mich bei Lisa und aktiviere sofort meinen Avatar über ihrem Display, als sie den Anruf entgegennimmt.
„Ja, Lars. Was gibt es denn?“
„Ich mag mit dir am Ostermontag eine Radtour machen. Was denkst du?“
„Naja. Warum nicht? Passt schon. Ostermontag habe ich noch nichts vor.“
„Doch. Jetzt hast du was vor, Lisa.“
Sie hört an meiner Stimme, dass ich jetzt breit grinse. „Gute Nacht, Lars.“
„Gute Nacht, Lisa.“
Heute werde ich gut schlafen.
Um elf Uhr hole ich Lisa ab. Mein Fahrrad habe ich schon startklar gemacht, es steht draußen vor dem Haus.
Dr. Wunderlich öffnet die Tür. „Lisa kommt gleich. Ihr macht also einen Ausflug. Gute Idee. Wenn ich heute keinen Rufdienst hätte, dann könnte ich mit meiner Frau auch mitkommen.“
Gott sei Dank, dass Lisas Vater Rufdienst hat. Ich sage aber kein Wort dazu.
„Hi, Lars. Ich bin so weit.“ Lisa trägt heute ein gelbes Sommerkleid. Sie erscheint hinter ihrem Vater in der Tür und ist wundervoll.
Wir gehen nach unten. Lisa holt schnell ihr Fahrrad aus dem Keller. Dann geht es los. Über die Radwege der Stadt kommen wir sicher zum Stadtwald. Wir fahren entspannt nebeneinander. Der Moment ist perfekt. Wie fange ich an? Ich sollte sagen, dass ich in sie verliebt bin, und dass sie die schönste Frau der Welt ist. Oder sollte ich besser sagen, das schönste Mädchen der Welt? Ich sage einfach, dass niemand so schön ist wie sie. Das ist besser. Ich schaue Lisa an, während ich so nachdenke.
Da platzt es aus Lisa heraus: „Was glotzt du mich die ganze Zeit so romantisch an, so als ob du mir eine Liebeserklärung machen wolltest? Lass das, Lars.“
Mir bleiben meine zurechtgelegten Worte regelrecht im Hals stecken. Mit einem Mal fehlt mir aller Mut. Ich schaue weg. So wollte sie es ja. In der Oberschweinstiege bestellen wir beide eine Handkästrilogie und eine Limo. Aber alles ist auf einmal so fad.
Liebes Tagebuch,
ich will nicht aufgeben und will durchhalten. Ich muss mich daran gewöhnen, Dinge anzufangen und dann auch zu beenden.
Ich will das mit Lisa und meiner Liebeserklärung jetzt durchziehen. Egal, wie sie reagiert.
Da geht mir auf, wie gerne ich Lisa umarmen, streicheln und küssen würde. Ich würde gern ihr Haar fühlen und mit ihr Hand in Hand spazieren gehen.
Vor einem halben Jahr habe ich mir noch ausgemalt, wie es wäre, eine Freundin zu haben und von den anderen Jungs dafür beneidet zu werden.
Seit ich weiß, dass es Lisa ist, für die ich brenne, wurde mir klar, dass ich lieben – und nicht beneidet werden – möchte.
Deutschunterricht bei Frau Goreck. Manche sagen „Gehrock“. Einige sagen „Schlafrock“. Ich lasse das. Papa sagt, der Name ist Teil der Würde eines Menschen. Die darf man nicht antasten.
Markus steht vorne am Medienboard. Wir konjugieren das Wort „fechten“ im Präsenz, aktiv. „Ich fechte“ hat Markus schon an das Medienboard geschrieben. Mit hochgezogenen Augenbrauen wartet Frau Goreck auf die zweite Person, Singular. „Du…?“
Esther tippt an ihrem Handgelenk „Du fechtest“ ein. Sofort erscheint ihr Text vorn am Medienboard.
Ein ohrenbetäubendes „Uuuaaarrrggg“ strömt aus Frau Goreck. Und nur sie kann mit ihrem riesigen Resonanzraum dieses „Uuuaaarrrggg“ angemessen schreien, so dass es auch noch im Treppenhaus des Schulgebäudes zu hören ist. Bei geschlossener Tür, versteht sich.
Alexander wollte einmal auf dem Pausenhof ihr „Uuuaaarrrggg“ nachstellen. Überflüssig, zu sagen, dass er kläglich scheiterte. Damit der Ausruf klingt, braucht man einfach mehr Masse.
Also, das war eindeutig nicht die Antwort, die Frau Goreck hören wollte. Da geht mir auf, dass wir zuhause noch nie das Wort „fechten“ konjugiert haben. „Segelfliegen“ konjugiert sich eindeutig einfacher. Was haben die Leute auch für eigenartige Sportarten? Ich kenne niemanden, der … Ja, wie denn jetzt?
