Lass die Fische doch reden! - Hope Vania Greene - kostenlos E-Book

Lass die Fische doch reden! E-Book

Hope Vania Greene

0,0
0,00 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Abend wie ein ganzes Leben. Hinaus aus dem Haus, hinein in das Sein. Weg von der Randsteh-Mentalität hin zum Dabei-Sein. Da ist SIE, die dies und jenes tut, aber nie alles und erst recht nie genug. Bis sie dann eines Abends doch etwas ganz anderes ausprobiert - und ausbricht ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hope Vania Greene

Lass die Fische doch reden!

Erzählung

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Lass die Fische doch reden!

Es gibt Situationen, die mir wohl immer ein Rätsel bleiben werden. Entweder liegt das an mir oder den anderen. Selbst das weiß ich nicht. Womöglich ist es meine eigene Schuld, dass ich nicht imstande bin, manche Dinge zu verstehen, sei es, weil ich unfähig bin zu kombinieren oder einfach zu den besonders skeptischen Menschen dieses Planeten gehöre.

Als ich kürzlich in ein neu entdecktes Begegnungszentrum hineinmarschierte, fühlte ich mich wieder einmal prompt wie ein Fremdling: Überall standen verschworen wirkende Gruppen herum und diskutierten in Fachchinesisch. Ich verstand zwar viele Worte, begriff den Zusammenhang aber nicht. Nach wenigen Minuten schon fühlte ich mich minderwertig und wollte hinausrennen. Ich drückte den Instinkt aber weg und blieb, einfach nur, weil ich endlich einmal wieder irgendwas aushalten und ertragen wollte. Außerdem interessierte mich das übergeordnete Thema, das in diesem Zentrum gerade auf dem Plan stand. Und ich fand die Vorstellung aufregend, über dieses Thema mit anderen Menschen zu diskutieren.

Ich blieb also und wollte mich stoisch irgendwo hinsetzen, einfach irgendwo hinsetzen. Wohin aber sollte ich mich setzen? Ach, einfach irgendwo … ich setzte mich hin … und so lief es weiter – ich sitze also, und ich beginne, eins der aufgehängten Gemälde zu bewundern und verlautbare das auch. In den weiten Raum hinein. Ich höre, wie es hallt, wie es verhallt.

So geht das dann weiter. Ich bewundere die ganze Kunst und Kultur um mich herum. Ich mit meinem sehr vielfältigen, aber nicht besonders tiefsinnigen Geschmack, der nicht schnell etwas zu kritisieren findet und sowieso nicht gerne kritisiert, da ich selbst nicht gerne kritisiert werde. Aber ich will ja dazulernen. Also hauche ich hier und da auch ein Quäntchen Kritik vor mich hin und versuche, dabei möglichst ich selbst zu sein. Was weiß ich, ob das erwünscht ist? Ist das überhaupt erwünscht, wenn man möglichst nah bei sich selbst ist? Muss ich womöglich gediegen sprechen? Muss ich mir vorher etwas Elegantes anziehen? Mich schminken? Mich verstellen? Mich maskieren? Muss ich das gottverdammt denn wirklich tun? Muss ich auf Krawall gebürstet sein? Muss ich mich verteidigen? Muss ich wirklich müssen müssen, in einem Umfeld, in dem es eher auf Muße und Muse denn auf strikte Stringenz von irgendwas ankommt, ankommen sollte, ach was weiß ich denn schon …?

Verteidigung ist sowieso ein Kapitel für sich. Muss man sich stets und ständig gegen alles und jeden verteidigen, nur weil man alles als Angriff auslegen kann? Was ist, wenn ich diesen self-defense-instinct nicht in mir trage? Was passiert dann? Gehe ich unter? Schmeißt mir irgendein Arschloch eine Kanonenkugel in mein Schiff und versenkt es, versenkt mich?

Na wie auch immer: Ich sitze da, ausgeliefert, und betrachte so manches wunderschöne Werk und brabble derweil vor mich hin. Die meisten ignorieren mich. Wie das natürlich immer so ist, wenn man sich irgendwo hinsetzt und unbeholfen mitmachen will. Egal. Ich muss, ich will, es ja aushalten und die Tränen diesmal innen halten. Also brabble ich weiter. Irgendeiner kommt und begrüßt mich. Ich schalte mich kurz ab und lächle begeistert. Endlich, ich freue mich, tatsächlich. Und dann mache ich weiter das, was man in einem kulturellen Begegnungszentrum offenbar so tut. Tue es dilettantisch, wie es schon immer meine Art war. Alles andere würde Anstrengung bedeuten. Damit habe ich es zugegebenermaßen nicht so. An mir ist ein Faultier vorübergegangen, oder ein Esel. Womöglich eine Kreuzung aus beidem.

Irgendwann ziehe ich einen Wisch aus meinem Blouson und hänge ihn an die Wand mit den Kunstwerken. Dann stelle ich mich davor, mit geneigtem Blick, und bestaune, dass er sich gut in das Gesamtbild einzupflegen scheint.

So stehe ich da einige Minuten, mit breitem Grinsen, strahle mich munter selber an. Dann kommen ein paar Leute vorbei. Alle tragen einen Zigarillo in ihrem linken Mundwinkel und haben Masken mit französischen Künstlerbärten vorm Gesicht. Ich denke mir, dass es wohl doch besser gewesen wäre, wenn ich mir zumindest irgendein Motto auf den Leib geschrieben hätte. Da fangen sie aber auch schon zu sprechen an. Und glücklicherweise verstehe ich, was sie sagen. Sie klingen mitunter milde, sind aber alle so groß, dass ich meinen Nacken empfindlich strapazieren muss, um hochzusehen. Aua. Es knackt. Ich habe einen empfindlichen Nacken.

Und so reden sie, äußerst detailliert, und erklären mir, woran es mangelt. Und ich erahne Dimensionen, die ich vorher überhaupt nicht buchstabieren konnte, entdecke einen neuen Blickwinkel, nicke begeistert, wünsche mir auch so einen Zigarillo im Mundwinkel, ekle mich aber vor dem Geschmack und stelle mir begeistert vor, wie es wäre, in die unbekannten Tiefen einzutauchen.

Nach Hause gehe ich schließlich, einfach weil man nicht immer in dem Zentrum bleiben kann. Es schließt zwar nicht, aber trotzdem ist es unschicklich, ständig dort herumzuhängen. Es ist ja kein Jugendzentrum oder Auffanglager, das man rund um die Uhr belagern kann. Ich täte es gerne, zumindest in der ersten Euphorie.

Das Zuhause wartet in Kälte. Da sind meine Fische, die unbedingt ihre Nahrung brauchen. Einer von ihnen schreit mich ständig an und fordert alles Mögliche. Er ist einfach länger hier als ich.

Zu Hause also. Ich sprühe vor Begeisterung, schreie die Fische erst mal schallend an, so dass die Biester auseinanderdriften und sich danach brabbelnd bei mir beschweren, dass ich ihnen keine Kippen mitgebracht habe. Egal. Ich missachte die Mitbewohner von nun an und pflanze mich auf das Kanapee, welches mich ächzend begrüßt. Es ist hart wie immer. Ich bin weich wie ein Mastschwein. Passt. Und dann die Glotze anschalten, wo noch derselbe Dünnpfiff wie vorher läuft.