Der Schnitt - Renn weg, solange du noch kannst! - Hope Vania Greene - E-Book

Der Schnitt - Renn weg, solange du noch kannst! E-Book

Hope Vania Greene

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Beschreibung

Einmal beim Zwiebelschneiden abgekommen - und alles ist anders. Während die meisten Menschen beim Zerhacken des Gemüses nur stumm vor sich hinweinen, landet Yasmin gleich in der Notaufnahme. Oder was ist das für ein seltsamer Laden, wo sie im Stockdunkeln aufwacht, sich kaum bewegen kann und dann Zeugin eines handfesten Streits wird? Oder ist alles doch ganz anders?

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Hope Vania Greene

Der Schnitt - Renn weg, solange du noch kannst!

Eine kraftlose Kurzgeschichte

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Renn weg, solange du noch kannst!

Yasmin zuckt so stark zusammen, dass ihre pechschwarzen Edelsteinarmbänder lautstark aneinanderklimpern. Sie wirft das Messer in die Spüle und zischt. Sprenkel von Scharlach verteilen sich auf der hellgrau marmorierten Arbeitsplatte. Mattes Burgund überschwemmt die transparenten Zwiebelschichten.

Was sie sieht, bannt sie: Ein tiefer, waagerechter Schnitt prangt unterhalb der Kuppe ihres linken Zeigefingers. Unmöglich, SO kann man sich dabei nicht schneiden!

Eine Zeitlang steht Yasmin nur da, streckt den Finger von sich und sieht von weitem dabei zu, wie das Blut in die Spüle tröpfelt. Dann macht sie einen Schritt vor, um das Schauspiel näher zu betrachten: Ein Kügelchen nach dem anderen seilt sich ab, ohne Tau, springt ungesichert nach unten und zerschellt auf dem Edelstahl, als sei das ganz normal, als habe das Material nur darauf gewartet, endlich von diesem Saft benetzt zu werden. Das gleichmäßige „Plopp“, das sie am besten vernimmt, wenn sie den Atem anhält, fasziniert sie. Sicher ein dutzend Male hört sie es sich an. Und es ist besonders klangvoll, wenn sie den Finger unaufhörlich ein wenig verschiebt, damit der nächste Tropfen auf unbefleckten Edelstahl trifft.

Dann aber erkennt sie, dass das Spektakel kein Ende nimmt, ja, sich der Takt sogar erhöht. Und mit einem Mal überkommt sie eine Not, die ihr Herz bis in die Ohren pochen lässt. Hastig tastet ihre unversehrte Hand nach dem Regal mit den Küchentüchern. Sie schafft es aber nicht, dabei den Blick von ihrem blutenden Finger zu nehmen. Die Hand verfehlt das Regal, schlägt gegen die Gewürzleiste und wirft ein Glas mit feingemahlenem Pfeffer auf den Boden. Es zerspringt. Das schwarze Pulver verteilt sich weitläufig auf dem rauen Steinboden.

Yasmin schreit auf, vor Wut, aber auch weil die pulsierende Panik in ihr immer lauter wird. Fast schon fürchtet sie, an Ort und Stelle verbluten zu müssen, falls nicht ganz schnell etwas passiert. Erst einmal passiert aber nur das, was eben passiert, wenn man den Mund zu weit aufreißt, nachdem man zuvor mächtig Staub aufgewirbelt hat: Sie muss niesen. Die Wucht des Reflexes ist gewaltig, will sie von den Beinen holen. Mit geballter Körperspannung gelingt es ihr aber doch, die Position über der Spüle zu halten.

Als sich der Niesreiz wieder verflüchtigt hat, schafft sie es endlich, eine Handvoll Blätter von der Küchenpapierrolle abzureißen, ohne dabei den verletzten Finger vom tropfenfangenden Spülbecken wegzuschwenken. Hastig schlingt sie einen gefühlten Meter Papier um die Quelle des Rinnsals und pappt einen stierenden Blick hinterher, als könne sie damit ihre Wunde zusätzlich verkleistern. Keine Minute später erblickt sie, wie das Blut durch die Waben des Zellstoffs an die Oberfläche dringt und die gesamte Fläche einzunehmen droht. Dann sieht Yasmin komplett rot.

'Druck! Ich brauch Druck!' Sie quiekt. Sie schrillt. Oder ist das nur in ihrem Kopf? Alles nur? Ihre Sicht verformt sich – der verbundene Finger wirkt einen Moment lang wie Zuckerwatte, von der sie gerne kosten würde. Dann ist er wieder das verletzte Körperteil, das durchgehend brennt und klopft. Und klopft und brennt. Erst brannte es mehr und klopfte kaum, nun klopft es nur noch, immer schneller und schneller. Und Yasmins Kopf macht mit. Ihre Gedanken hämmern mit derselben Schlagkraft durch ihr Hirn, mit der ihr klaffender Finger in den unnützen Verband hineinwummert.

Während sie mit der rechten Hand die Verletzung umklammert, fällt ihr ein: 'Klebeband!' Und so sucht sie es in jener vollgestopften Schublade, in der es normalerweise sein müsste, wühlt darin, halb mit einem Bein, zu einem Viertel mit der Nase und zu guter Letzt auch noch mit zwei freien Fingern. Eine Position, für die es Balance braucht. Die hat sie kaum, eigentlich nie gehabt, jetzt aber erst recht nicht. Doch sie fällt nicht hin. Dann wird es vor ihren Augen seltsam dunkel. Als würden sich Wolken vor die Küchenlampe schieben. Ihr wird auch ganz schlecht. Und dann geht es ihr plötzlich wieder besser.

Nachdem sie die Hälfte der Schublade auf den Boden befördert hat, hält sie das verdammte Band endlich in Händen. Doch auf der wulstigen Küchenrolle haftet es kaum. Nach einigem Gefummel schafft sie es endlich, den Papierberg zu einem Bonbon zu verpacken. Der mittlerweile tiefrot getränkte Verband sitzt aber alles andere als fest. Sie macht die Probe aufs Exempel: Wenn sie den Finger absenkt, rutscht das Konstrukt ab. Verdammt!

Also umwickelt Yasmin vorsichtshalber ihre ganze Hand mit dem Klebeband, wobei sie dem verletzten Finger besondere Aufmerksamkeit schenkt und ihn als Knolle in die Gesamtkomposition einwebt. Doch wie lange wird das halten?

Wenn sie auf ihre verklebte Hand stiert, sieht sie immer öfter schwarz. Die Sicht flackert. Verschwimmt. Wird wieder klar. Ihr Körper fängt zu zittern an. Sie muss etwas tun … Rettungsdienst? Sie will losgehen, sie schwankt, sie zögert. Wegen eines lächerlichen Zwiebelfehltritts? - Nein - - - Taxi! Sie muss eins rufen – und dann … damit in die Notaufnahme … Ist das hier „Not“?

Ein Telefon muss her! Sie taumelt in den nahegelegenen Wohnbereich und knabbert an der Frage, ab wann Not ein Notfall ist. Dann verwirbelt ihre Sicht, der Boden schwankt, und ihre Beine fühlen sich wie kraftlose Schläuche an. Gerade eben noch kann sie sich am rustikalen Fernsehsessel festhalten. Sie umarmt das Möbel, schließt die Augen und versucht, tief in die Lungen einzuatmen. Kraft sammeln. Wenn nicht so, wie dann? Übler Drehschwindel überkommt sie. Ewige Runden später hält die Welt an. Trügerische Ruhe? Langsam macht sie die Augen wieder auf und erschrickt an der Haltlosigkeit, die fernab des Sessels auf sie lauert.