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Laßt Euch bloß nicht unterkriegen E-Book

Art Buchwald

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Beschreibung

Die hundert (Buch)wald-Spaziergänge dieses Bandes führen leichten Fußes über die Knüppelwege menschlicher Eitelkeiten und Schwächen, durch das dornige, wuchernde Politgestrüpp und auf die Holzwege der Neunmalklugen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 281

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Art Buchwald

Laßt Euch bloß nicht unterkriegen

Aus dem Amerikanischen

FISCHER Digital

Inhalt

Wie ich mein Glück durch einen Schnurrbart fandBitte, rauch doch wieder!Diplomkurse für GepäckbetreuungDas große WettrennenAller Spaß den weißen RattenEinsames FestessenLieben Sie Garantiescheine?Wettbewerb im VerschenkenHungersnot bei den ComputernDie ArbeitsentziehungskurKein Mensch zahltStaatschefin, haha!Die Russen kommenHungerstreikDas Auto-OratoriumDer nackte MenschEhekrach in der SpermabankOmas Backrezept für SonntagsblätterDas feindliche RindviehFrachtgut MenschEin Tip für heiße UnterhaltungBanken-GeburtenkontrolleEs durfte nicht mal Kaviar seinMeyer, Sie können mir …!Der LiebesapostelWie man Politiker lanciertO du fröhliche …Flugreise mit NervenkitzelKunstfaser-WaschplageGeknicktes EdelweißParadies mit SchönheitsfehlernDie Phantasie an die Macht!Operation ChaosWenn du zum Weibe gehstSteuerpflichtige VerbrechenKongreß der SchlaglochfabrikantenVorbeugen ist besser …Der Schock des ErkennensNation von GartenzwergenDer FlugplatzsprintDie WohlstandsleichenDas Erfolgs-SyndromAltruisten unter sichComputer sind allwissendEhrenspalier für NachttopfentleererFüllst noch immer Busch und Tal …Väter unter dem PantoffelDer ReisverstopfungsplanMütterchen Naturs TestamentRevoluzzer für die LiebeDa hört der Spaß aufHiob unter unsAchtung! Infektionsgefahr!Depression – ein neues SpielDie große schweigende MehrheitFreiheit für die FrauenFilme von heuteWer zieht, wird verhaftetVersicherung gegen EhescheidungMitspracherechtWas Südseeinsulaner denkenAbsetzbare DamenSparen ist teuerJungfrauen sind im KommenKnallharte AbsatzmethodenDer Himmel gebe, was der Fernseher verspricht!Klage eines NerzesDas Leben auf der PlantageFusion mit dem WeihnachtsmannDie Unentschiedenen entscheidenAbservierte EhefrauEin Mann namens HowardDer arbeitslose PatriotLetzter Schrei in AccessoiresDas ReparaturabonnementDie Polit-DeuterDer Mond geht unterAchtung! Armee hört mit!Sozialistische TrinkgelderKleine Geschenke erhalten die FreundschaftRektor gesuchtSchwarzkopfs KriegDie saubersten HemdenDie Henkers-ShowMein sensationellster Artikel… und es kostet keinen einzigen RubelEmanzipation in PolynesienRuhe in FriedenSpitalaufenthalt als StatussymbolGeteilter RuhmDie neuen ProfessorenTips für FerienlektüreRichard, der EntsagendeSchöpfungsgeschichteMachtschwund durch MattscheibenSie haben nichts mehr zu lachen

Wie ich mein Glück durch einen Schnurrbart fand

Letzten Sommer traf ich eine der wichtigsten Entscheidungen meines Lebens. Ich beschloß, mir einen Schnurrbart wachsen zu lassen.

Ich weiß nicht genau, wie ich auf die Idee kam, aber ich glaube, ich wollte einfach mal etwas Gewagtes tun, und da ich eine sehr eifersüchtige Frau habe, war ein Schnurrbart so ungefähr an der Grenze dessen, was sie mir an Gewagtheit zugestand. Sie ahnte nicht, worauf sie sich einließ.

Ich hatte nicht zum erstenmal zuviel Haare im Gesicht. Vor zehn Jahren war ich auf einer Safari in Afrika und ließ mir einen Vollbart in bester Hemingway-Tradition wachsen. Leider begann er nach einer Weile so fürchterlich zu jucken, daß ich ihn wieder abrasierte.

Ich dachte, einen Schnurrbart wachsen zu lassen, gebe weniger Probleme auf, aber da täuschte ich mich gewaltig. Man steht dabei einer ganzen Menge Fragen gegenüber, deren wichtigste natürlich die ist, welche Art von Schnurrbart man sich wachsen lassen soll. Es stand für mich fest, daß ich keinen von der schmalen Sorte über der Lippe wollte, weil man diesen Typus gewöhnlich mit französischen Kellnern oder unangenehmen Hotelmanagern assoziiert. Ein gezwirbelter Knebelbart reizte mich, doch einen solchen wachsen zu lassen, dauerte mir zu lange – ich wollte sofortige Resultate sehen. So entschloß ich mich schließlich zu einem regelrechten Schnauzbart à la Joseph Stalin, dessen Biographie ich damals gerade las, und ich muß gestehen, daß ich meinen Schnauz genau nach dem großen Vorbild formte.

Als der Entschluß einmal gefaßt war, ließ ich also die Haare sprießen. Die peinvollste Zeit für jedermann, der sich einen Schnurrbart zulegt, ist die erste Woche.

Es ist dann noch nicht ganz ein Schnauz, und es ist auch nicht mehr ganz kein Schnauz. Während dieses frühen Stadiums muß man sich die übelsten Bemerkungen von seiten sogenannter Freunde gefallen lassen, wie: »Du hast heute morgen vergessen, dich unter der Nase zu rasieren« oder »Du hast aber heute beim Frühstück tief in dein Brombeermarmeladenbrot gebissen« oder »Trauerst du um einen Freund bei der Mafia?«

Wenn man nicht sehr viel innere Stärke besitzt, kann man während dieser Zeit leicht entmutigt werden. Zum Glück entdeckte ich auf dem Punkt der größten Entmutigung, daß ich den Schnurrbart mit der Wimperntusche meiner Frau schwärzen konnte, so daß er schon viel eher nach etwas aussah.

Die einzige Person, die siese Täuschung bemerkte, war die sechsjährige Tochter eines meiner Freunde, die in einem mit Leuten vollgestopften Raum laut verkündete: »Du hast Kohlenstift unter den Nasenlöchern!«

Während der zweiten Woche begann der Bart Gestalt anzunehmen, und ich mußte schon zu viel weniger Wimperntusche greifen; in der dritten Woche war er so dicht geworden, daß ich ihn überhaupt nicht mehr zu fälschen brauchte.

Dann begann für mich der Spaß. Der Bart war das Gesprächsthema Nummer eins auf jeder Party. Während die Männer den Schnauz einen Witz fanden, bemerkte ich, daß einige ihrer Frauen fasziniert von dem zusätzlichen Haar auf meinem Gesicht schienen, und ich wurde zur Hauptattraktion für viele Damen, die mir sonst kaum einen Blick gegönnt hatten.

Wenn mich eine Frau fragte, warum ich mir einen Schnurrbart wachsen ließ, pflegte ich zu antworten: »Weil es sinnlich ist.«

Darauf folgte jeweils ein unsicheres Lachen, weil sie nicht wußte, ob ich es nicht doch ernst gemeint hatte.

Dann kam die Herausforderung: »Warum ist es sinnlicher?«

»Weil ein Bart«, so pflegte ich in einem Ton zu flöten, den Errol Flynn früher von sich gab, »einem Kuß erst das gewisse Etwas verleiht.«

Nervöses Gelächter.

»Ich meine es ernst«, erwiderte ich. »Die Frauen mögen Schnurrbärte deshalb nicht, weil die Bartträger beim Küssen frontal auf ihr Ziel losgehen, was sich so anfühlt, als würde man mit einer Bürste auf den Mund geschlagen. Das Geheimnis des Küssens mit einem Schnurrbart besteht darin, mit dem Bart nur gerade die Wange der Dame zu berühren und ihn sanft daran zu reiben, auf und ab – was ein von den Zehen an aufwärts steigendes Kitzeln und Prickeln hervorruft. Soll ich es vormachen?«

Ich pflegte dann eine Dame auszuwählen und zur Demonstration meiner These zu schreiten. Ich rieb mich zärtlich an ihrer Wange, ohne die Lippen zu berühren, und bewirkte damit unfehlbar, daß die Betreffende erschauerte, errötete und entweder erschrocken oder überrascht dreinblickte. Die Reaktion blieb jedenfalls nie aus.

Ich bin kein Aufschneider, aber innerhalb von drei Wochen wurde ich zum begehrtesten Mann der Stadt. Frauen blieben im Supermarkt vor mir stehen in der Hoffnung, ich würde sie auf die Wange küssen; andere empfingen mich am Strand mit offenen Armen; wieder andere wollten mit mir Tennis spielen in der Erwartung, ich würde sie nach dem Match mit Küssen bedenken.

Der ganze Erfolg begann mir zu Kopf zu steigen, und ich kann mir vorstellen, daß es nicht leicht war, mit mir zusammenzuleben, weil sich allmählich meine Persönlichkeit veränderte. Von einem rundlichen kleinen Spaghettiesser-Typ hatte ich mich zu einem einsachtzig großen, ranken Mister Universum gemausert, und meine Frau schien sich kein bißchen darüber zu freuen.

Als sie zum erstenmal protestierte, sagte ich: »Die anderen Frauen kriegen nur eben einen Geschmack davon, wie schön es mit einem Schnurrbärtigen sein kann, während du den ganzen Genuß hast.«

»Das mag sein, mein süßer Romeo«, erwiderte sie, »aber wenn ich auf dieses Vergnügen verzichten muß, um meine Ehe zu retten, dann werde ich darauf verzichten!«

»Du möchtest doch nicht etwa, daß ich ihn abrasiere?«

»Du darfst ihn noch zwei Wochen behalten, weil du dir solche Mühe gegeben hast, ihn wachsen zu lassen. Danach heißt es: er oder ich.«

Ich fühlte mich so, als hätte man mir gesagt, daß ich nur noch zwei Wochen zu leben hätte. Ich flehte sie an und versprach ihr, daß ich keine Demonstrationen mehr abhalten würde. Ich sagte ihr, daß ich ihn brauchte, um mein Ego aufzuwerten und meine vergeudeten Jugendjahre wettzumachen.

Doch meine flehentlichen Bitten fielen auf taube Ohren.

»Zwei Wochen«, sagte sie, »und mach das Beste daraus!«

Ich hätte ihn gleich am nächsten Morgen abrasieren sollen, denn die Gewißheit, daß er in zwei Wochen würde verschwinden müssen, brach mir fast das Herz. Ich konnte nur noch daran denken, wie viele enttäuschte Frauen ich zurücklassen würde, wenn die Galgenfrist abgelaufen wäre.

Den Rest der Geschichte können Sie sich an den Fingern abzählen. Mein Leben verläuft wieder genau gleich wie zuvor. Ich spiele Mauerblümchen bei Partys; Frauen gehen an mir vorbei, ohne sich nach mir umzusehen; statt mich an Wangen zu reiben, schüttle ich Hände. Und jeden Morgen, wenn ich in den Spiegel sehe und meine Oberlippe einseife, denke ich daran, wie es hätte sein können. Das genügt, um einem vierzigjährigen Mann die Tränen ins Auge zu treiben.

Bitte, rauch doch wieder!

Viele Menschen haben sich seit all den Warnungen vor den schlimmen Folgen des Tabakgenusses das Rauchen abgewöhnt, und für die meisten von ihnen hege ich größte Bewunderung. Es gibt jedoch Ausnahmen.

Ich denke da zum Beispiel an meinen Freund Weißkopf. Er rauchte täglich seine vierzig Zigaretten und regte sich selbst darüber auf. Eines Tages beschloß er, das Rauchen aufzugeben, und beim Mittagessen sagte er zu mir, ich sollte es als erster erfahren. »Ich kann ganz gut ohne Zigaretten auskommen«, sagte er. »Es ist bloß eine Frage der Willenskraft.«

Ich wünschte ihm alles Gute.

Als ich ihn eine Woche später wieder traf, erkundigte ich mich nach seinem Ergehen. »Ich habe sieben Tage lang keine Zigarette angerührt«, verkündete er hochgemut.

»Großartig«, sagte ich. »Deine Frau muß sehr stolz auf dich sein.«

»Wie soll ich das wissen?« gab Weißkopf zurück.

»Wieso nicht?«

»Ich bin vor drei Tagen daheim ausgezogen. Und ich kann dir nur sagen, daß ich es noch keine Sekunde bereut habe. Was für ein scheußliches Leben! Den ganzen Tag schrie sie mich an, die Kinder trieben mich die Wände hoch, und keiner hörte auf mich. Vielleicht hätte ich sie nicht verprügeln sollen, aber …«

»Du hast sie verprügelt?« fiel ich ein.

»Na ja, es war im Grunde nur ein Klaps. Glaub mir, es hatte sich seit langer Zeit in mir aufgestaut. Ich meine, es wundert mich, daß ich nicht schon früher losgeschlagen habe.«

Ich war recht bestürzt über die Neuigkeit, ging aber meinen eigenen Angelegenheiten nach. Ich sah Weißkopf erst nach zehn Tagen wieder, als ich ihm auf der Straße in die Arme lief.

»Grüß dich«, sagte er. »Stell dir vor, ich habe siebzehn Tage lang nicht geraucht. Und ich vermisse es nicht einmal.«

»Das ist ja herrlich«, sagte ich. »Wie geht’s im Büro?«

»Was für ein Büro?«

»Wo du arbeitest!«

»Zum Teufel, ich bin vor vier Tagen abgehauen. Die ewige Nörgelei hing mir zum Hals raus. Sie hielten mir ständig vor, daß sie meinetwegen Schwarz als Kunden verlieren würden.«

»Aber du bist doch immer gut mit Schwarz ausgekommen.«

»Ja, bis er mich mit Vorwürfen überschüttete, weil ich seine Anrufe nicht erwiderte. Ich sagte ihm, ich hätte noch andere Kunden zu betreuen als ihn, und ich würde ihn anrufen, wenn es mir in den Kram paßte. Menschenskind, da ist er eben beim Alten gegen mich losgezogen. Also sagte ich dem Alten kurzerhand: entweder ich oder Schwarz!«

»Das ist ja schrecklich!«

»Ach was! Seit ich nicht mehr rauche, bin ich ein Tennisas geworden. Ich spiele seither jeden Tag.«

Danach sah ich Weißkopf etwa einen Monat lang nicht. Dann kam er unangemeldet zu mir. »Also«, sagte er, »ich habe seit siebenundvierzig Tagen keine einzige Zigarette geraucht. Ich habe mein Leben um viele Jahre verlängert.«

»Prächtig. Kann ich dir irgendwie helfen?«

»Tu doch nicht so gönnerhaft! Du benimmst dich ja, als ob ich dich anpumpen wollte. Na ja, das hatte ich eigentlich im Sinn, aber lassen wir das. Du bist wie alle andern, gemein und geizig und bösartig, und du ödest mich an. Ich hätte Lust, dir eine runterzuhauen.«

»Hör zu, ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll, aber als dein Freund halte ich es für meine Pflicht. Rauch wieder. Manche Leute sollten das Rauchen aufgeben, und manche sollten lieber weiterrauchen. Du hast ja bewiesen, daß du es fertigbringst, nicht zu rauchen, und das ist die Hauptsache.«

Meine kleine Predigt tat ihre Wirkung. Weißkopf ist zu seiner Familie zurückgekehrt; er hat eine neue Stellung, wo er sich gut macht; wir sind wieder Freunde, und als ich ihn das letzte Mal sah, sagte er strahlend zu mir: »Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll. Hast du schon gehört, daß ich jetzt wieder vierzig Zigaretten im Tag rauche?«

Diplomkurse für Gepäckbetreuung

Viele Flugreisende haben sicher bereits bemerkt, daß ihr Gepäck seit einiger Zeit ungleich gekonnter mißhandelt wird, als das früher der Fall war. Das ist durchaus kein Zufall, denn heutzutage lassen die meisten Fluggesellschaften jeden für die Gepäckfürsorge in Frage kommenden Kandidaten zuerst sorgfältig schulen, bevor sie ihm gestatten, auch nur ein einziges Gepäckstück anzurühren.

Letzte Woche durfte ich die Dent-Schule für Fluggepäck und Frachthandhabe besichtigen. Hier wird die Weltelite für Fluggepäckabfertigung trainiert. Herr Dent, Gründer und Direktor der Schule, geleitete mich persönlich auf ein Übungsgelände von der Größe eines Fußballplatzes. Mehrere Trupps waren gerade im Einsatz. Alle Lehrer trugen Baseball-Mützen, Trikotleibchen und eine Trillerpfeife um den Hals. Die Schüler steckten in blütenweißen Mechanikeranzügen. Die erste Gruppe, bei der wir stehenblieben, um sie etwas zu beobachten, bewarf sich gerade gegenseitig mit Gepäckstücken.

»Los, ihr Memmen, zeigt, was ihr könnt«, brüllte der Trainer, »sind wir hier eigentlich beim Kaffeekränzchen? He, Pitowski, willst du wirklich jeden Koffer fangen? Los, laß gefälligst ein paar fallen!«

Pitowski ließ den nächsten Koffer fallen, er platzte auseinander, und die hervorquellenden Kleidungsstücke flatterten lustig übers Feld.

»Klasse!« schrie der Trainer. »Endlich hast du’s kapiert!«

»Wir verwenden ausnahmslos echtes Gepäck«, bemerkte Herr Dent stolz. »Wir simulieren jede nur mögliche Situation, mit der ein zukünftiger Gepäckarbeiter fertig werden muß.«

»Ryan, du fängst den Koffer ja schon wieder mit beiden Händen!« schnauzte der Trainer. »So wirst du nie einen kleinkriegen. Wie oft soll ich dir noch sagen, daß eine Hand zum Fangen vollständig genügt!«

Wir gingen weiter und kamen zu einem fünf Meter hohen Turm.

Ganz oben standen einige Männer und schleuderten Kisten mit der Aufschrift »Vorsicht Glas« in die Tiefe.

»Dank dieser Übung«, sagte Herr Dent, »gewöhnen sich die Männer daran, Pakete mit zerbrechlichem Inhalt aus großen Höhen ohne Zögern herunterzuwerfen.«

»Aber es fängt sie ja niemand auf«, sagte ich ängstlich.

»Natürlich nicht«, erwiderte Herr Dent kopfschüttelnd.

Wir näherten uns vorsichtig dem Trainer, der jedes der herabgestürzten Pakete einer eingehenden Kontrolle unterzog.

»Teddy!« schrie er den Turm hinauf, »diese Mikroskope sind aber immer noch ganz, das ist wieder einmal nur halbe Arbeit!«

»Hab’ mir alle Mühe gegeben!« schrie Teddy zurück.

»Also hopp, etwas mehr Effet das nächste Mal!«

Ein neues Paket sauste auf uns herab, und wir hörten deutlich Glasscherben klirren.

»So ist’s brav«, murmelte der Trainer beifällig.

Die nächste Gruppe, zu der wir kamen, lief gerade ein Hindernisrennen. Über das Feld waren Gepäckstücke aller Art verteilt, und die Männer mußten von einem zum anderen springen. Dabei durften ihre eisenbeschlagenen Arbeitsstiefel den Boden unter keinen Umständen berühren. Die meisten Kofferriemen waren bereits gerissen und die Schlösser zerquetscht.

»Nach diesem Hundertmeter-Gepäcktrampellauf«, erklärte mir Herr Dent, »müssen die Männer noch ein vierzig Kilogramm schweres Gepäckstück fünfzehn Meter weit schleudern, ein Schönheitsköfferchen fünfundzwanzig Meter weit kicken und mit verbundenen Augen und einem scharfen Gegenstand in den Händen auf den ersten Anhieb eine Kleidertasche aufschlitzen.«

»Sie leisten ganze Arbeit hier«, bemerkte ich bewundernd.

»Jeder Kandidat«, sagte Herr Dent bedächtig, und hob eine zerbrochene Kamera auf, die einem Koffer entfallen war, »der durch meine Schule gegangen ist, bekommt ein staatliches Diplom und wird bei jeder Fluggesellschaft der Welt Qualitätsarbeit leisten. Meine Schüler werden mit jedem Gepäckstück fertig.«

Das große Wettrennen

Heutzutage beklagen sich die Kinder dauernd darüber, daß sie von den Eltern zu sehr unter Druck gesetzt werden. Zufällig hörte ich neulich abends eine Diskussion darüber im Hause meines Freundes Goldfarb mit an.

Der junge Goldfarb – sechzehn Jahre alt – sagte seinem Vater, er fände es sinnlos, so nebensächliche Dinge wie Mathematik, Fremdsprachen, Physik, Geschichte und Literatur zu büffeln.

»Wer braucht schon so was?« fragte er.

»Du brauchst es«, fuhr ihn sein Vater an.

»Wieso?« maulte der junge Goldfarb.

»Wegen Spangenberg. Wenn ich dich nicht vorwärtstreibe, wird dich Spangenbergs Sohn in der Klasse überholen. Würde dir das etwa passen?«

»Wen kümmert es schon, ob Spangenbergs Sohn besser ist als ich?« entgegnete der junge Goldfarb.

»Auf jeden Fall Spangenberg selbst«, erklärte der Alte. »Was meinst du, wie es ihn freuen würde, wenn er sagen könnte, sein Junge wäre in der Schule besser als Goldfarbs Sohn.«

»Soll das heißen, daß du mir die ganze Zeit so zusetzt, weil du einen Wettbewerb mit Spangenberg austrägst?« fragte der Junge.

»Ich habe nicht damit angefangen«, erwiderte der Alte. »Spangenberg hat seinen Sohn zuerst angetrieben. Vor vielen Jahren hörte ich ihn zu seinem Filius sagen: ›Begnüge dich nie damit, der Zweitbeste zu sein. Geh aufs Ganze und gewinne alle Murmeln. Setz dich an. die Spitze und zeig ihnen, was du kannst.‹ Als ich das hörte, blieb mir keine andere Wahl: Ich mußte dich zur Arbeit bis aufs Blut antreiben. Wenn du deshalb wütend bist, solltest du auf Spangenberg wütend sein.«

»Aber Spangenbergs Sohn möchte mit mir genauso wenig wetteifern wie ich mit ihm. Warum rufst du ihn nicht an und sagst ihm, wenn er mit der Büffelei aufhört, höre ich auch damit auf?«

»Das wäre schön und gut«, antwortet der alte Goldfarb, »aber was ist mit Bitterfelds Sohn?«

»Was hat denn Bitterfelds Sohn damit zu tun?«

»Glaubst du, Bitterfeld wird aufhören, seinen Sohn anzutreiben, nur weil ihr beide in der Schule nachlaßt? Und was ist mit Bernheims Sohn? Bernheim hat schon verkündet, sein Junge solle an der besten Universität studieren. Möchtest du, daß Bernheims Sohn studiert, während du irgendeine minderwertige Ausbildung genießt?«

»Begreifst du denn nicht, Papa?« sagte der junge Goldfarb, »Bitterfelds Sohn ist es hundsegal, ob er uns überholt, und Bernheims Sohn schert sich keinen Dreck darum, ob er studieren kann.«

Der alte Goldfarb stand auf, führte seinen Sohn zum Fenster und wies auf die flimmernden Lichter der Wohnhäuser jenseits des Flusses. »Wenn es nur einen Spangenberg oder nur einen Bitterfeld oder nur einen Bernheim gäbe, würde ich zu dir sagen: ›Amüsier dich gut, übernimm dich nicht‹, aber dort drüben, wo du die Lichter siehst, sind Tausende von Spangenbergs, Bitterfelds und Bernheims. Und weißt du, was sie gerade jetzt zu ihrem Sohn sagen: ›Ich verlange nur eines von dir: Du mußt Goldfarb schlagen.‹ Überall nehmen sich die Spangenbergs, Bitterfelds und Bernheims vor, dir zuvorzukommen und dir einen Posten, eine Verkaufschance, ein Taxi, einen Vertrag, ein Haus, eine Frau abzujagen. Und weißt du warum?«

»Nein, keine Ahnung«, sagte der junge Goldfarb.

»Weil sie wissen, daß ich dir in diesem Augenblick den Rat gebe, sie aus dem Felde zu schlagen, bevor sie dich verdrängen können.«

»Aber wenn du aufhörst, werden sie vielleicht auch aufhören«, meinte der Sohn.

»Zu spät«, erwiderte Vater Goldfarb. »Spangenberg, Bitterfeld und Bernheim haben, was ihre Söhne betrifft, zuviel Ehrgeiz im Bauch, als daß sie jetzt aufgeben würden. Spuck dir also in die Hände und mach deine Schularbeiten.«

Aller Spaß den weißen Ratten

Der Schlüssel zum Überleben des Menschen auf dieser gefährlichen Erde scheinen die weißen Ratten zu sein. Die meisten Versuche, die man heutzutage macht, um festzustellen, welche Auswirkungen die Umwelt auf den Menschen hat, werden zuerst an weißen Ratten vorgenommen.

Doch niemand hat sich je die Mühe gemacht herauszufinden, wie es dabei den Ratten zumute ist. Auf des Menschen unablässiger Suche nach der Wahrheit ging ich kürzlich nachts in ein großes Regierungslabor und notierte mir, was die weißen Ratten zueinander sagten.

»Linda, du siehst so mager aus.«

»Sie haben mich auf Cyklamate gesetzt. Ich muß in einer Woche an die fünfzig Gramm abgenommen haben. Und was machst du?«

»Ich nehme Glutaminat. Es schmeckt ganz würzig, aber man kriegt Kopfschmerzen davon. He, Harold, hör doch auf zu husten!«

»Huch, huch, huch. Ich kann nichts dafür, wenn ich husten muß. Sie lassen mich ein Paket Zigaretten am Tag rauchen.«

»Weshalb gibst du’s nicht uaf?«

»Ich möcht’s ja gerne tun, aber sie halten mich davon ab.«

»Was, zum Teufel, ist mit Angelo los? Er stolpert ja nur so durch seinen Käfig.«

»Sie machen Haschisch-Versuche an ihm. Er wirft jede Nacht einen Trip.«

»Da hat er aber Glück! Wie stell’ ich’s nur an, daß ich von den Cyklamaten los und ins Pot-Programm komme?«

»Dazu mußt du Beziehungen haben. Jede Ratte im Labor möchte zu den Haschern.«

»Ich nicht. Meiner Ansicht nach sollte man der Realität ins Auge sehen und nicht vor ihr davonlaufen. Deshalb bin ich auch so stolz darauf, daß sie mich beim Luftverschmutzungs-Projekt eingesetzt haben.«

»Wie hältst du das aus?«

»Es ist gar nicht so schlimm. Sie fahren jeden Tag mit mir durch die City, und ich brauche bloß zu atmen. Sterbe ich, dann wissen sie, daß der Grad der Luftverschmutzung zu hoch ist. Bleib’ ich aber am Leben, dann komme ich zu einer amüsanten Stadtrundfahrt.«

»Du hast wahrscheinlich recht, Bettina. Ich hab’ mich auch für dieses Projekt gemeldet, aber irgend so ein Computer hat mich der Wasserverschmutzung zugeteilt. Ich hab’s langsam satt, jeden Tag verseuchtes Flußwasser zu trinken.«

»Was hat denn Michael? Er verhält sich heut’ nacht so merkwürdig still.«

»Er hat eine Woche lang mit DDT gespritzte Trauben gegessen, und wahrscheinlich macht ihn das langsam fertig.«

»Ich hab’ ihm gesagt, er solle die Trauben boykottieren.«

»Das kann er aber nicht, weil sie ihm nichts anderes vorsetzen.« »Wo ist Alwin?«

»Hast du’s noch nicht gehört? Sie haben heute sein Herz in Rebeccas Brustkasten transplantiert. Ihr Herz versagte bei den Autofahrer-Erschöpfungstests.«

»Armer Alwin!«

»Es schien ihm nichts auszumachen. Sie probierten gerade Tranquilizers an ihm aus, und als sie ihm sagten, sie würden ihm das Herz herausnehmen, sagte er, es sei ihm völlig schnuppe, was mit seinem Herzen geschehe.«

»Wer weint denn da?«

»Das ist Sandra. Sie zwingen sie dazu, Antibabypillen zu nehmen, und dabei will sie partout ein Kind.«

»Na ja, wenn bei ihr der Zeugungsakt wirkungslos ist, so bleibt ihr doch wenigstens der Spaß daran. Von Spaß kann nämlich bei meinem Job keine Rede sein.«

»Und was hast du für einen, David?«

»Ich arbeite fürs Raumfahrtprogramm. Sie testen an mir die Auswirkungen der Schwerelosigkeit. Ich muß mich die ganze Zeit übergeben.«

»Ja, aber die Raumfahrt hat doch wenigstens einen gewissen Glanz. Mir spritzen sie andauernd Grippeviren ein.«

»Vermutlich hat Hubert den besten Job von uns allen.«

»Was tut er denn?«

»Sie setzen ihn den ganzen Tag vor einen Fernsehapparat, um festzustellen, welche Strahlendosis er aufnimmt. Er ist die einzige weiße Ratte der Welt, die je Laurel- und Hardy-Reprisen zu sehen kriegte.«

Einsames Festessen

Heute sieht man lange nicht mehr so viele Väter mit ihren Söhnen auswärts essen wie früher. Das Problem scheint darin zu liegen, daß nur wenige Restaurants Verständnis für die Kleidung haben, in der die Söhne ihrer Kunden erscheinen.

Kürzlich schlug ein Freund von mir seinem Sohn Chris vor, daß sie zusammen in ein Erstklaßlokal gingen, um seinen Abgang von der Oberschule zu feiern.

»Klasse«, sagte Chris, »gehn wir!«

»Du solltest dir nur erst ein Hemd anziehen«, meinte der Vater. »Ich hab’ doch ein Polohemd an. Was hast du daran auszusetzen?«

»Ich dachte an ein weißes Hemd mit Krawatte.«

»Wohin willst du eigentlich? Zu einer Hochzeit?«

»Die meisten guten Restaurants sehen es lieber, wenn man Krawatte trägt.«

»Aber wozu denn?« murrte Chris.

»Damit man sie mit Suppe bekleckern kann!« schrie mein Freund. »Zieh dich sofort anständig an, und keine Widerrede mehr!«

Die Frau meines Freundes kam herbeigeeilt. »Was soll denn das Geschrei?«

»Ich möchte mit ihm ins Ritz, und er will sich nicht mal einen Schlips umbinden!«

»Zieh eine Krawatte an«, sagte die Mutter zu ihrem Sohn, »und einen Sakko auch. Dein Vater möchte stolz auf dich sein.«

»Und was hat ein Schlips damit zu tun, daß er stolz auf mich ist?«

»Ich will gar nicht stolz auf dich sein! Ich möchte mich nur nicht für dich schämen müssen!«

In ein paar Minuten erschien Chris mit einem zerknitterten Hemd und einer verschlissenen Krawatte wieder. Er hatte einen roten Kopf.

Die beiden wollten eben das Haus verlassen, als des Vaters Blick zufällig auf Chris’ Füße fiel. »Du hast ja keine Schuhe an.«

»Von Schuhen hast du nichts gesagt. Wozu sollte ich Schuhe anhaben?«

»Es ist eine Hygienevorschrift, zum Teufel!«

»Meine Füße wird doch gar niemand sehen«, protestierte Chris. »Sie sind ja unter dem Tisch.«

»Man wird sie aber sehen, wenn wir zum Tisch geführt werden. Die Leute regen sich furchtbar auf, wenn sie einen Gast barfuß durch ein gutes Lokal marschieren sehen.«

»Aber es ist doch Sommer! Im Sommer trägt kein Mensch Schuhe!«

Die Mutter meldete sich wieder zum Wort. »Chris, geh hinauf und zieh dir ein Paar Mokassins an. Dein Vater verlangt ja so wenig von dir.«

Chris stampfte abermals davon. Wenig später kam er zurück, stieg ins Auto und hüllte sich in düsteres Schweigen.

»Chris«, sagte der Vater nach einer Weile, »würdest du bitte das rote Stirnband abnehmen, ehe wir das Lokal betreten?«

»Was ist das eigentlich für eine Spelunke, wo man nicht mal ein Band um den Kopf tragen darf?«

»Es ist ein sehr gutes Restaurant, Chris. Man ißt sehr gepflegt dort. Du bist beinahe erwachsen und solltest allmählich anderen Dingen als Coca-Cola und Hot-dogs Geschmack abgewinnen.«

»Soll das etwa heißen, daß es in der Kneipe kein Coca-Cola und keine Hot-dogs gibt? Ich dachte, es sei ein gutes Lokal.«

»Chris«, sagte mein Freund sehr ruhig, »siehst du die Würstchenbude dort drüben? Hier hast du zwei Dollar. Geh rüber und kauf dir zur Feier des Tages, was dein Herz begehrt!«

»Kommst du mit?«

Mein Freund schüttelte traurig den Kopf. »Nein, mein Sohn, du würdest dich ja doch nur für mich schämen müssen.«

Lieben Sie Garantiescheine?

Vor kurzem sprach Frau Bärbel von Ratgeb in ihrer KUINFORM-Vortragsreihe für Kunden-Information endlich das aus, was jeder Durchschnittskonsument bereits seit vielen Jahren weiß: daß Garantiescheine, die heutzutage fast jedem Verkaufsprodukt beigefügt sind, nicht mal die Computerkarte wert sind, geschweige denn die Schwärze, mit der sie vollgedruckt werden.

Mag sein, daß der enorme technische Fortschritt auch hier nicht haltgemacht hat, aber eines ist sicher: Wo es um den Gutschein geht, haut die freie Marktwirtschaft den Konsumenten gründlich übers Ohr.

Erst letzten Sonntag betrat ich »Knausers Sparglück«, unseren Engrosladen, um einen elektrischen Büchsenöffner umzutauschen, den ich meiner Frau zu Weihnachten geschenkt hatte.

»Warum wollen Sie ihn denn zurückgeben?« fragte der Mann hinter dem Ladentisch verwundert.

»Weil er nicht funktioniert.«

»Haben Sie denn die grüne Garantiekarte, die dabei war, ordnungsgemäß ausgefüllt?«

»Jawohl, das habe ich.«

»Und was geschah dann?«

»Der Büchsenöffner funktionierte leider immer noch nicht.«

»Aha! Und jetzt erzählen Sie mir einmal ganz genau, wann Sie, bitteschön, immer vom Moment des Kaufes an gerechnet, die grüne Karte ausgefüllt haben.«

»Na, so nach drei Tagen; es kann auch eine Woche gewesen sein – das weiß ich wirklich nicht mehr so genau.«

»Aber es steht doch ausdrücklich auf der Packung, daß die grüne Karte bis spätestens vierundzwanzig Stunden nach Erhalt des Gerätes ausgefüllt sein muß.«

»Ja, aber es war doch ein Weihnachtsgeschenk, und solche Sachen machen wir gewöhnlich nicht vor Weihnachten auf. Als wir es dann schließlich doch taten, hatten wir einfach keine Zeit mehr, die grüne Karte auszufüllen, da wir vollauf und vergeblich damit beschäftigt waren, den Büchsenöffner zum Öffnen zu bringen.«

»Aber wenn Sie die grüne Garantiekarte nicht innerhalb vierundzwanzig Stunden nach Erhalt der Ware ausgefüllt abgeschickt haben, so ist es doch gewiß nicht unser Fehler, daß der elektrische Büchsenöffner nun nicht mehr funktioniert, oder?«

»Das will ich auch gar nicht behaupten, aber ich bin doch der Ansicht, daß ich einen anderen Büchsenöffner haben sollte.«

»Das können wir leider nicht machen. Die einzige Abteilung, die eventuell befugt wäre, Ihnen einen neuen Büchsenöffner zuzugestehen, ist unsere Garantiezentrale in Kipfen an der Wipf. Da Sie aber die grüne Garantiekarte nicht innerhalb vierundzwanzig Stunden nach Erhalt der Ware ausgefüllt haben, hat unsere Garantiezentrale natürlich keinerlei Beweis dafür, daß Sie überhaupt einen elektrischen Büchsenöffner gekauft haben.«

»Aber Sie haben es doch notiert, und hier ist außerdem meine Quittung.«

»Das stimmt schon, wir wissen wohl, daß Sie einen elektrischen Büchsenöffner gekauft haben, und Sie wissen auch, daß Sie einen elektrischen Büchsenöffner gekauft haben, aber Kipfen an der Wipf weiß es nicht.«

»Wissen Sie, was ich finde?« sagte ich gekränkt, »ich finde, daß Sie dem Ruf von ›Knausers Sparglück‹ etwas mehr schuldig sind.«

»Aber wir gehören ja längst nicht mehr der Firma Knauser. Wir wurden inzwischen von der PROFITA-Genossenschaft für Saugpumpen und Warenhäuser gekauft, einer Tochtergesellschaft der Trinkwasser-, Feuer- und Lebensversicherungen AG, die der LUSTBLICK-Strumpfwaren und TV-Antennen AG gehört, die ihrerseits letzten Monat mit der PLANETARIA-Aktiengenossenschaft für Planetenüberbauungen fusioniert hat.:

»Phantastisch, aber was ist nun mit meinem Büchsenöffner? Also seien Sie so gut und geben Sie mir einen, dann habe ich meine Ruhe, und Sie auch.«

»Da muß ich Sie leider enttäuschen. Sehen Sie, wir stellen eben gar keine Büchsenöffner mehr her.«

»Wieso stellen Sie denn nun plötzlich keine mehr her, wo ich doch gerade einen zu Weihnachten gekauft habe?«

»Eben deshalb haben wir ihn aus dem Fabrikationsprogramm gestrichen. Viele Leute haben nämlich diesen Büchsenöffner gekauft, und alle haben nicht funktioniert. Ich nehme an, daß es ein Fehler war, der Direktion unserer Fahrradreifen-Abteilung den Auftrag zu geben, elektrische Büchsenöffner herzustellen.«

»Und was soll ich jetzt machen?«

»Ich werde mir mal Ihren Namen notieren und in Kipfen an der Wipf anfragen, ob sie eventuell bereit wären, Ihre Garantiekarte ausnahmsweise anzunehmen, obwohl sie zu spät und nicht ordnungsgemäß eingesandt wurde.«

»Werde ich dann einen neuen Büchsenöffner bekommen?«

»Nun, das gerade nicht, aber Sie stehen dann wenigstens auf unserer Liste, damit wir Sie über alle neuen Geräte informieren können, die wir nächstens auf den Markt werfen.«

Wettbewerb im Verschenken

Um Kunden zu werben, haben sich Sparkassen und Banken darauf verlegt, großzügige Geschenke zu machen. Sie bieten vom Farbfernseher bis zum Rasenmäher so ungefähr alles an, und die Konkurrenz im Verschenken ist knallhart.

Neulich ging ich in eine Bank, um einen Zwanzigdollarschein zu wechseln, und als ich zum Schalter trat, hielt mir die Kassiererin einen Dampfkochtopf unter die Nase.

»Nein«, sagte ich, »ich will keinen Dampfkochtopf, ich möchte bloß …«

Sie bückte sich und tauchte mit einer Schachtel auf. »Wie wär’s mit einem Spezial-Dampfbügeleisen?«

»Vielen Dank, aber ich würde gern …«

»Schon recht. Wir geben Ihnen einen elektronischen Wecker, der im Dunkeln aufleuchtet …«

»Fräulein, entschuldigen Sie, aber ich brauche nichts weiter als Kleingeld für zwanzig Dollar.«

Die Kassiererin drückte hastig auf einen Knopf, und plötzlich standen zwei Bankwächter mit grimmiger Miene zu meinen Seiten. »Kommen Sie mit, und verhalten Sie sich ja ruhig.«

Sie führten mich zu einem Vizedirektor und pflanzten sich, die Hand am Pistolengriff, neben mir auf.

»Er hat sich geweigert, den Kochtopf, das Bügeleisen oder den Wecker zu nehmen«, knurrte einer der Wächter.

»Ein richtiger Quertreiber«, fügte der andere hinzu.

»Bestimmt können wir uns einigen«, meinte der Vizedirektor.

»Gut«, sagte ich und hielt ihm den Zwanzigdollarschein hin.

»Stecken Sie Ihr Geld weg«, wehrte er ärgerlich ab. Dann ergriff er einen Katalog. »Würden Sie sich mit einem zweischläfrigen Himmelbett zufriedengeben?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Na schön, wir werden Ihnen eine neue Küche einbauen, aber dafür müssen Sie die zwanzig Dollar ein Jahr lang auf dem Konto lassen.«

»Ich will das Geld nicht einlegen, ich will es nur wechseln.«

Der Vizedirektor sah mich verblüfft an. »Behalten Sie ihn im Auge«, sagte er zu den Wächtern. Er verschwand in einem anderen Büro.

Eine Viertelstunde später kehrte er mit einem anderen Herrn zurück, der sich als ein älterer Vizedirektor vorstellte. »Wie ich sehe, hat Ihnen mein Kollege lauter Krimskrams angeboten. Sie sind offenbar ein Mann von Geschmack und Eleganz.«

»Danke«, sagte ich und hielt den Zwanzigdollarschein in die Höhe.

»Kommen Sie bitte mit«, forderte mich der ältere Vizedirektor auf und nahm die Banknote an sich.

Er führte mich in sein Arbeitszimmer, dessen Wände mit Gemälden bedeckt waren. »Wir können Ihnen entweder diesen echten El Greco geben oder den van Gogh, vorausgesetzt, Sie lassen die zwanzig Dollar zwei Jahre lang stehen.«

»Sehr nett von Ihnen, aber ich brauche das Geld.«

»Sie sind ein schwieriger Mensch, was? Interessiert Sie vielleicht ein Bündel Vorzugsaktien von IBM? Dafür müßten Sie die zwanzig Dollar allerdings fünf Jahre lang auf dem Konto lassen.«

Ich wurde allmählich ärgerlich. »Hören Sie«, erwiderte ich, »ich will kein Konto eröffnen. Wenn Sie meine Zwanzigdollarnote nicht wechseln, gehe ich zu der Bank gegenüber.«

»Also gut, wenn Sie so happig sind, kommen wir Ihnen entgegen«, sagte er. »Wir geben Ihnen ein Privatflugzeug, einen Rolls-Royce oder ein Traumhaus in Florida. Das ist unser letztes Angebot.«

Verzweifelt ließ ich mir die zwanzig Dollar zurückgeben und ging zu der gegenüberliegenden Bank. Aber an der Tür verstellten mir vier Polizisten den Weg.

»Was ist los?« fragte ich.

»Ein Banküberfall«, erklärte der eine. »Die Räuber haben drei Plattenspieler, eine elektrische Heizdecke und eine Müllschluckanlage erbeutet.«

Hungersnot bei den Computern

Eines der schwerwiegendsten Probleme, mit denen wir uns in den siebziger Jahren herumzuschlagen haben, ist folgendes: In diesem Jahrzehnt werden so viele Computer gebaut, daß sich ein bedenklicher Mangel an Daten für ihre Fütterung ergeben wird.

Professor Heinrich Appelbaum, der Präsident des Computer-Vermehrungs-Komitees, hat seiner Besorgnis über diese Krise Ausdruck gegeben und die Erstellung eines mit äußerster Dringlichkeitsstufe ausgestatteten Programms gefordert, mit dessen Hilfe genügend Daten produziert werden könnten, um die Computer zu futtern.

»Wir haben nicht vorausgesehen«, erklärte mir der Professor, »daß die Computer solche Mengen an Information in so kurzer Zeit bewältigen können. Aber wenn die uns vorliegenden Ziffern stimmen, so wird das letzte Restchen von Daten auf der ganzen Welt am 12. Januar 1976