Leb deine Wahrheit und andere Lügen - Alisa Childers - E-Book

Leb deine Wahrheit und andere Lügen E-Book

Alisa Childers

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Beschreibung

Sie begegnen uns täglich in Form von positiv klingenden Memes, Slogans oder Insta-Posts: Ratschläge, die uns erklären, was wir denken, erkennen, begreifen sollen: «Leb deine Wahrheit», «Folge deinem Herzen», «Du hast nur ein Leben zu leben» … – Doch was, wenn diese Slogans in Wirklichkeit Lügen sind, die uns von der Realität abkoppeln, uns ängstigen und am Ende erschöpfen? Was, wenn sie trügerisch sind, obwohl sie gut klingen und den Eindruck von Freiheit und Hoffnung vermitteln? Alisa Childers lädt dazu ein, einige der gängigen Slogans des Informationszeitalters zu hinterfragen, sie mit biblischen Grundwahrheiten abzugleichen und dann: mutige Jesus-Nachfolge zu leben.

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Alisa ChildersLeb deine Wahrheit und andere Lügen

www.fontis-verlag.com

Für meinen Mann Mike,der standhaft an der Wahrheit festhält

Alisa Childers

Leb deine Wahrheit und andere Lügen

Typische Täuschungen, die unser Leben in die Enge treiben

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Der Fontis-Verlag wird von 2021 bis 2024vom Schweizer Bundesamt für Kultur unterstützt.

Originally published in English in the U.S.A. under the title:Live Your Truth and Other Lies, by Alisa ChildersCopyright © 2022 by Alisa ChildersGerman edition © 2023 by Fontis Verlagwith permission of Tyndale House Publishers.All rights reserved.

Ursprünglich auf Englisch in den USA unter dem Titel veröffentlicht:Live Your Truth and Other Lies, von Alisa ChildersCopyright © 2022 by Alisa ChildersDeutsche Ausgabe © 2023 by Fontis Verlagmit freundlicher Genehmigung von Tyndale House Publishers.Alle Rechte vorbehalten.

© 2023 by Fontis-Verlag Basel

Die Bibelstellen wurden, soweit nicht anders angegeben,folgender Übersetzung entnommen:Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Herausgegeben von Fontis Basel(Abkürzungen anderer verwendeter Bibelübersetzungen: SL: Bibeltext der Schlachter, Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft, ELB: Elberfelder Bibel 2006, © by SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH, Witten/Holzgerlingen, LUT: Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.)

Übersetzung: Debora HüblerUmschlag: Spoon Design, Langgöns E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Stefan Jäger

ISBN (EPUB) 978-3-03848-703-6

Inhalt

1. Flugzeuge:Vertrau mir! (Auch wenn ich das noch nie gemacht habe)

2. Hosen:Den Turm zu Babel wieder aufbauen – oder sollte es «Babbeln» heißen?

3. Kobolde:Leb deine Wahrheit

4. Eis am Stiel:Du bist genug

5. Armageddon:Du solltest dich selbst an die erste Stelle setzen

6. Cheerleader:Authentizität ist alles

7. New York:Du lebst nur einmal

8. Moskitos:Gott möchte einfach nur, dass du glücklich bist

9. Besserwisseritis:Du sollst nicht urteilen

10. Freunde:Du bist dein eigener Herr

11. Jukebox:Nur die Liebe zählt

12. Vorurteile:Frauenpower istdiePower

13. Todesmarsch:LebdieWahrheit

Danksagung

Anmerkungen

1.Flugzeuge

Vertrau mir! (Auch wenn ich das noch nie gemacht habe)

Die Liebkosungen der Mutwilligen wollen gefallen; doch nichts ist liebenswürdiger als deine Huld, und keine Liebe ist heilsamer als die Liebe zu deiner Wahrheit, die vor allem schön und lichtvoll ist.1

Augustinus: Bekenntnisse

Mein Finger lag auf der Maustaste. Alles in mir wollte auf «Liken» und «Teilen» drücken. Was hält mich zurück?, fragte ich mich. Der Autor des Zitats war Christ, seine Worte vor mir auf dem Bildschirm klangen positiv und lebensbejahend, und sie würden meine Social-Media-Freunde sicherlich ermutigen und aufbauen.

Ich konnte es trotzdem nicht teilen.

Warum?

Mein Zeigefinger tippte immer wieder leicht auf die Maustaste, während ich über mein Zögern nachdachte. Dann wurde es mir plötzlich klar, als würde der Heilige Geist sagen: «Stop!» Obwohl es so schön klang, war dieses Zitat nicht biblisch. Es war eigentlich eine Lüge … eine nette kleine Lüge.

Kennst du solche Situationen? Ich kann dir nicht sagen, wie oft ich schon meine Social-Media-Kanäle durchgeschaut habe, dabei Sprüche wie «Folge deinem Herzen» las und dachte: Oh. Das ist schön. Ich klickte auf «Liken», ohne darüber nachzudenken.

Moment mal. Das letzte Mal, als ich einfach «meinem Herzen folgte», wurde es da nicht in Stücke gerissen, und brauchte es nicht Jahre der Seelsorge, um wieder heil zu werden?

«Vertrau deinen Instinkten. Sie lügen nie.» Dieser Spruch brachte mich vors Verkehrsgericht.

Was, wenn diese Mottos, die so positiv und lebensfroh klingen, eigentlich Lügen sind, welche Wahrheit, Wirklichkeit und Hoffnung ins Wanken bringen? Ich bin überzeugt: Sich auf solche Sprüche zu verlassen, kann unnötige Schmerzen und Verwirrung verursachen.

In anderen Fällen macht es uns vom jeweiligen Tagestrend im Internet abhängig. Bist du es auch leid, auf Social Media nachschauen zu müssen, was du denken sollst? Hast du auch die jeweils angesagten Selbsthilfebücher satt, die Freiheit versprechen, dir aber nur lange Listen an die Hand geben – Studien, die du berücksichtigen, positive Affirmationen, die du aussprechen, Facebook-Gruppen, denen du beitreten, wichtige Anliegen, für die du dich einsetzen und weitere Bücher, die du lesen sollst? (Wäre es wirklich «Selbst»-Hilfe, wäre Unterstützung von außen doch gar nicht nötig, oder?)

Im oben beschriebenen Moment des Zögerns, ausgelöst durch einen simplen Spruch, erkannte ich, dass es unzählige Wege gibt, wie die Wahrheit verdreht, manipuliert, verschleiert und dafür benutzt werden kann, in die Irre zu führen. Oft wird die Lüge auch in religiöser Sprache verpackt, sodass man dazu verleitet wird, sie ohne nachzudenken weiterzugeben. Wie A. W. Tozer sagte: «Zu viel des zeitgenössischen Christentums wurde den weltlichen Philosophien und anderen Religionen entlehnt – Phrasen und Sprüche, die bedeutsam klingen, aber nicht in der Schrift verwurzelt sind und die hauptsächlich das eigene Selbstbild stärken.»2

Diese netten, kleinen Lügen sind plakative Behauptungen, die gut, zuverlässig, optimistisch und konstruktiv klingen. Sie eignen sich hervorragend, um auf ein Kissen gestickt, als Meme digitalisiert oder in einen Slogan verwandelt zu werden. Für gewöhnlich sind sie positiv formuliert, wie zum Beispiel: «Glaub an dich» oder «Du bist perfekt, so wie du bist». Ich denke, die besten Lügen sind diejenigen, die am schönsten klingen. Sie sind mindestens zu 50 % wahr. Manchmal sind sie fast komplett wahr. Aber dieses eine kleine Stückchen, das fehlt und damit die Bedeutung verdreht – das ist das Zünglein an der Waage.

In unserer Gesellschaft kursieren unzählige Sprüche, die Frieden, Erfüllung, Freiheit, Kraft und Hoffnung versprechen. Diese Botschaften sind solch ein fester Bestandteil des allgemeinen Bewusstseins geworden, dass viele Leute nicht im Traum daran denken, sie zu hinterfragen. Sie klingen nett und erzeugen eine Illusion von Wahrheit. Oft werden sie auch von Influencern verbreitet, die sich Christen nennen. Sie bewerben ihre Aussagen, als stünden sie im Einklang mit christlichen Grundsätzen, veröffentlichen sie in christlichen Formaten und präsentieren sie auf christlichen Veranstaltungen.

Das Problem daran?

Es sind Lügen.

Rat von Anfängern

Mehr als je zuvor schauen die Menschen heute auf ihr eigenes Herz, ihre Meinungen, Vorlieben, Vorurteile und Veranlagungen, um durchs Leben zu navigieren. Mit anderen Worten: Wir haben gelernt, unseren Gefühlen zu vertrauen. Aber was bringt uns das? Es führt zu einer ganzen Reihe von Problemen. Und … haben wir uns in vielen Fällen nicht selbst in diesen Schlamassel gebracht?

Heute gehen Autoren, Influencer und Lebensberatungs-Gurus mit ihren persönlichen Transformationsgeschichten als Vorbilder für andere hausieren. Ihr Rat basiert oft auf sehr aktuellen, lebensverändernden Entscheidungen, die sie im Moment glücklich zu machen scheinen, die aber noch nicht den Test der Zeit bestanden haben. Oft verwerfen sie dabei jahrtausendealte Weisheit (die Bibel) und setzen sich über jahrhundertealte Beispiele glaubensstarker Bibellehrer hinweg (Elisabeth Elliot? Wie prüde! Spurgeon? Lang-wei-lig!). Lieber versuchen sie es mit anderen Lehren oder Vorbildern – die sie selbst erst seit circa fünf Minuten kennen.

In manchen Fällen kommen ihre Bücher wenige Monate nach ihrer Scheidung oder nach einer Affäre heraus, die ihnen geholfen hat, ihr wahres Ich zu entdecken.

Und wir sollen es diesen Leuten gleichtun?

Liebe Leserin, lieber Leser, hör zu. Bitte nimm keinen Rat fürs Leben von jemandem an, der mitten in einer großen Krise steckt. Beruht der Rat nicht auf bewährten, biblischen Weisheiten und verweist nicht auf Christus (sondern dich selbst), wäre es weise, die Pausetaste zu drücken, einmal abzuwarten und zu beobachten, wie sich das alles in den nächsten zehn Jahren entwickelt.

Rat von jemandem anzunehmen, weil er lustig, selbstbewusst oder Instagram-versiert ist, erinnert mich an ein hypothetisches Szenario über den Wolken: Dazu solltest du wissen, dass ich in mehr Flugzeugen gesessen habe, als ich zählen kann. Bei Flügen am frühen Morgen kann ich in jedem Flugzeug, auf jedem Platz, in jeder Reihe einschlafen. Ich habe hierzu meine ganz eigene Methode entwickelt: Vor dem Abflug packe ich mein Nackenkissen aus, stecke mir Kopfhörer in die Ohren, bedecke die Augen mit der Kapuze meines Hoodies und ziehe die Bänder fest. Mit zurückgelehntem Kopf – lediglich Nase und Mund schauen aus dem Hoodie-Loch hervor – befinde ich mich in der Regel bereits im Schlummerland, wenn das Flugzeug abhebt. Wache ich bis zur Landung nicht auf, betrachte ich es als einen persönlichen Sieg. Wenn mir keiner der Mitreisenden einen Käsecracker in den beim Schlaf weit geöffneten Mund wirft, ist es ein doppelter Sieg.

Offensichtlich neige ich nicht dazu, auf Flügen nervös zu werden. Ich schlafe wie ein Baby. Vielleicht weil ich schon so oft geflogen bin oder weil ich an andere Dinge denke. Ich glaube, hauptsächlich, weil ich weiß, dass Piloten sehr gründlich und streng ausgebildet werden … besonders für Passagierflüge, bei denen das Leben so vieler Menschen auf dem Spiel steht. Schlussendlich vertraue ich darauf, dass mich die Fluggesellschaft sicher ans Ziel bringt.

Aber stell dir vor, ich würde in ein Flugzeug einsteigen, wo der Pilot direkt nach dem Abflug verkündet: «Guten Morgen, sehr geehrte Damen und Herren. Ich danke Ihnen, dass Sie mich heute auf meinem allerersten Flug begleiten. Machen Sie sich keine Sorgen, ich habe ganz schön viel Theorieunterricht und mehrere Stunden im Flugsimulator hinter mir. Ach, und unser Co-Pilot ist heute Morgen verhindert, aber ich bin zuversichtlich, dass ich es hinbekomme und Sie alle sicher und rechtzeitig an Ihr Ziel bringen werde.»

Kannst du dir vorstellen, wie groß die Angst der Passagiere in diesem Moment wäre? Denn ein Großteil unseres Sicherheitsgefühls im Leben basiert auf Vertrauen.

Die Frage ist: Was beziehungsweise wem können wir vertrauen, wenn es um Leben, Tod, Moral und Sinnhaftigkeit geht? Ich denke nicht, dass es eine Übertreibung ist zu behaupten, dass unsere Gesellschaft noch nie so gespalten, polarisiert oder misstrauisch gewesen ist wie heute. Niemand weiß, woher man verlässliche Informationen bekommen kann – egal zu welchem Thema, ob Brownie-Rezepte, persönliche Gesundheit, Moral oder Politik. Und besonders unter jungen Menschen steigt die Zahl der von Depressionen und Angsterkrankungen Betroffenen rasant an.3

Ich weiß nicht, wie das bei dir ist, aber ich finde es erschöpfend, auf das zu vertrauen, was die lautesten und aktuell beliebtesten Stimmen sagen. Oftmals gleichen diese Stimmen dem frisch von der Ausbildung kommenden Flugzeugpiloten von oben, der die Passagiere informiert, dass er noch nie zuvor geflogen ist, aber dass sie ihm unbedingt ihr Leben anvertrauen sollten. Es ist wie: «Hallo, ich bin ein Selbsthilfeguru, der immer wieder echt schlechte Entscheidungen trifft, und viele meiner Beziehungen liegen in Trümmern. Aber ich bin dabei super authentisch, deshalb solltest du mich als Coach nehmen.»

Eine solide Grundlage schaffen

Liebe Leserin, lieber Leser, ich möchte eine mutige Behauptung in den Raum stellen. Ich denke, dass nichts befreiender und stabilisierender ist, als diesen Unsinn links liegen zu lassen und sich neu an den zeitlosen Wahrheiten der Bibel festzuhalten. Dieser Schritt kann Angst lindern, Depressionen bezwingen und ein rastloses Herz beruhigen. Anzuerkennen, wer wir in Christus sind, ist die beste Selbstfürsorge, weil das Wort Gottes nicht von einer sich ständig verändernden Gesellschaft abhängig ist.

Du solltest wissen, dass dieses Buch von dem Grundgedanken ausgeht, dass die Bibel maßgebend für unser Leben ist. In meinem ersten Buch Ankern4 habe ich dargelegt, warum ich mein Leben heute, nachdem mein eigener Glaube schwer erschüttert wurde, ganz auf die Grundlage der Bibel baue. Die Quintessenz ist folgende:

Die Bibel hat sich über Tausende von Jahren hinweg bewährt, wurde von Millionen von Menschen bestätigt, die sich durch ihre Wahrheit verändert haben, und hat zahlreichen Gläubigen eine solide Grundlage geboten, Gott zu erkennen und ihren Glauben auszuleben. Es gibt stichhaltige Indizien aus Geschichte, Archäologie und Bibelwissenschaft, dass die Bibel eine genaue Abschrift ist und wir darauf vertrauen können, dass das, was in ihr aufgezeichnet ist, wahr ist.

Jesus sagt uns in Matthäus 24,35, dass seine Worte nie vergehen werden. Wir wissen aus Hebräer 13,8, dass Jesus gestern, heute und in Ewigkeit derselbe ist. Er verändert sich nicht, und was er gesagt hat, bleibt für immer bestehen. Mit anderen Worten: Ich glaube, dass die Bibel das Wort Gottes ist, weil das Jesus’ Sichtweise war. Ich bin eine Jesus-Nachfolgerin, und mein Glaube spiegelt wider, was er gelehrt hat.

In Matthäus 7,24 sagt er: «Wer nun auf das hört, was ich gesagt habe, und danach handelt, der ist klug. Man kann ihn mit einem Mann vergleichen, der sein Haus auf felsigen Grund baut.» Er erklärt weiter, dass Regen und Fluten dieses Haus nicht wegspülen und Winde es nicht niederreißen können, egal wie stark der Sturm ist. Gleichzeitig sagt Jesus, wer diese seine Worte hört und nicht ernst nimmt, sei wie ein törichter Mann, der sein Haus auf Sand baut.

Wo sind Jesu Worte niedergeschrieben? Im Neuen Testament. Und was sagt Jesus im Neuen Testament über den Rest der Bibel? Er bezieht sich immer wieder auf die Schriften des Alten Testaments als das «Wort Gottes». Er behauptet auch, tatsächlich der Gott des Alten Testaments zu sein. Es gibt deswegen eigentlich keine besonders hervorzuhebenden Stellen in der Bibel. Alles darin gilt. Jesus ist Gott, und Gott inspirierte die Schrift: «Sie soll uns unterweisen; sie hilft uns, unsere Schuld einzusehen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen und so zu leben, wie es Gott gefällt» (2. Timotheus 3,16). Sollten wir als seine Anhänger Jesus nicht beim Wort nehmen?5

In vielerlei Hinsicht geht es in diesem Buch um die Bibel. Es ist außerdem ein Buch über Logik und Menschenverstand – und auf welch alberne Weise wir uns von diesen abbringen lassen. Vor allem aber handelt dieses Buch davon, wie wir dahin kommen, uns auf das Fundament der Wahrheit Gottes zu stellen … einer Wahrheit, die sich nicht mit gesellschaftlichen Trends ändert. Wie ein weiser Freund mir einmal sagte: «Lieber eine Hütte auf festem Grund als eine Villa, auf Sand gebaut.»

Im nächsten Kapitel betrachten wir einige Ursachen für das Durcheinander unserer Zeit und beschäftigen uns mit Veränderungen in unserer Sprache und dem Trend, uns um uns selbst zu drehen. In den darauffolgenden Kapiteln werden wir jeweils eine der heute weit verbreiteten Täuschungen untersuchen und diese Lüge im Licht der Bibel betrachten. Ich überlasse am Ende dir, liebe Leserin, und dir lieber Leser, die Entscheidung: Verlässt du dich auf die unveränderliche Wahrheit der von Gott eingegebenen Schrift, oder glaubst du dem trendigen Sprichwort? Du hast die Wahl.

Für mich und meine Familie kann ich nur sagen: Wir haben uns entschieden, auf den Felsen zu bauen. Dem Frieden nachzujagen. Die Hoffnung zu wählen. Und in der Wahrheit zu leben.

2.Hosen

Den Turm zu Babel wieder aufbauen – oder sollte es «Babbeln» heißen?

«Fragen kann jeder», sagte Herr Wonka. «Was zählt, sind die Antworten.»6

Roald Dahl: Charlie und der große gläserne Fahrstuhl

Einmal hab ich einem christlichen Rockstar aus Großbritannien gesagt, dass mir seine Unterhose gefällt. Na ja, eigentlich wollte ich das nicht sagen. Ich wollte ihm das Kompliment machen, dass er eine sehr schöne Hose (englisch: pants) anhat. Was ich jedoch damals in England nicht wusste: Ein und dasselbe Wort kann hier eine komplett andere Bedeutung haben als in den USA …

Vor der Veröffentlichung des ersten Albums unserer Band ZOEgirl wurde ich eingeladen, über den großen Teich zu fliegen und an einer Party zu Ehren einer erfolgreichen Rockband teilzunehmen, die eine Reihe von Hits in den USA herausgebracht hatte. Wir würden Tee trinken und Scones mit Devonshire-Cream essen und alles würde wunderbar vornehm sein. Als ausgesprochen introvertierter Mensch war ich allerdings bereits bei der Ankunft wegen all der bevorstehenden sozialen Interaktion nervös. Sich unter Leute mischen, Small Talk führen und über Belangloses reden … das Dreigestirn meines größten Albtraums.

Unsere Luxuslimousine (hatte ich schon erwähnt, dass alles extrem schick war?) fuhr uns zu einem kleinen, abgelegenen Tonstudio, das weit draußen, mitten in der sattgrünen englischen Landschaft, lag. Ich wurde immer ängstlicher, denn mir wurde klar, dass ich wirklich mit diesen Leuten würde reden müssen. Diese Musikgruppe hatte buchstäblich den Soundtrack meiner Jugend geschaffen, und ich hatte keine Ahnung, was ich den Bandmitgliedern bei unserer Begegnung sagen sollte.

Bin ich die einzige Introvertierte, die Vermeidungspläne für Partys schmiedet? Mein Plan sieht üblicherweise wie folgt aus: Zuerst gehe ich rein und schaue mich nach den Toiletten um. Dann suche ich diese auf und bleibe dort einen Moment, um die Lage zu sondieren und meinen nächsten Schritt zu planen. Danach linse ich hinter der Toilettentür hervor und suche nach irgendeiner Art Desserttafel oder einem Kaffeetisch. Als Nächstes gehe ich dorthin und nehme mir übermäßig viel Zeit zum Kaffee-Eingießen und Dessertbegutachten. Bis dahin habe ich hoffentlich genügend Mut angesammelt, um das große Mädchen zu geben und mich wie eine Erwachsene zu benehmen.

Aber diesmal lief es anders. Als ich zur Eingangstür hereinkam, wurde mein Vermeidungsplan sofort vereitelt, weil der Frontsänger schon direkt da stand. Uns trennte nur noch ein Tisch mit Gebäck und Fingerfood.

Verblüfft und überrumpelt, fiel mir nichts ein, was ein normaler Mensch sagen würde, und so platzte ich in amerikanischem Englisch heraus: «I like your pants!» – «Mir gefällt deine Hose!» (Zu meiner Verteidigung: Es waren sehr schicke Schlaghosen aus Samt, die an Mick Jagger etwa 1971 erinnerten.)

Der Frontsänger machte zuerst große Augen und lächelte mich dann mitleidig an. Langsam realisierte ich, dass ich gerade einen furchtbaren Fehler begangen hatte. Ich hatte das Wort «pants» benutzt, weil wir im amerikanischen Englisch so zu Hosen sagen. Aber hier in Großbritannien hatte das Wort eine andere Bedeutung – nämlich: «Unterhose»! Ich hatte ihm gerade zu seinen schönen Unterhosen gratuliert!

«Trousers», meinte der Frontsänger. «Wir sagen trousers zu Hosen.» Er nahm es mir nicht übel. Ich dagegen, die gerade aus Versehen meinen christlichen Lieblingssänger belästigt hatte, wollte natürlich schnellstmöglich meinen Job kündigen und nach Kanada auswandern.

Das war also der Moment, in dem mir klar wurde, dass Worte und ihr Kontext entscheidende Bestandteile von Kommunikation sind. Was ich als Oberbekleidung kannte, verstand er als Unterwäsche. «Pants»: ein Wort – zwei unterschiedliche Bedeutungen. Aber man muss gar nicht auf verschiedenen Kontinenten leben, damit es zu Missverständnissen kommt.

Buchstabensalat

Da sich Definitionen und Bedeutungen von Wörtern ständig ändern, kann diese Art von Verwechslung selbst Leuten passieren, die in derselben Nachbarschaft aufgewachsen sind. Nehmen wir zum Beispiel das Wort Toleranz. Vor Jahren bedeutete Toleranz, dass man, obwohl man mit der Meinung eines anderen nicht übereinstimmte, sein Recht respektierte, diese kundzutun, und nicht mit Gewalt oder Beschimpfungen darauf reagierte. Das ist allerdings nicht das, was die meisten Leute meinen, wenn sie das Wort heute benutzen. In der heutigen Zeit bedeutet Toleranz oft, die Meinung eines anderen zu begrüßen und zu bestätigen und keinesfalls anzudeuten, dass der andere, objektiv betrachtet, in einer Sache falschliegen könnte – besonders wenn es um Moral oder Religion geht.

Aber diese moderne Verwendung von Toleranz ist mehr als nur eine neue Definition. Es ist das genaue Gegenteil von dem, was das Wort genau genommen bedeutet. Man kann eine Person nicht tolerieren, wenn man nicht verschiedener Ansicht ist! Diese aktualisierte Definition raubt den Menschen die Möglichkeit, echte Meinungen zu haben … zumindest solche, die sie laut aussprechen dürfen.

Als die englische Schriftstellerin Dorothy Sayers über die sieben Todsünden schrieb, merkte sie an, dass «Toleranz» ein anderes Wort für die Todsünde der Trägheit (Apathie) ist:

«In der Welt nennt es sich Toleranz, aber in der Hölle wird es Verzweiflung genannt … die Sünde, die an nichts glaubt, die nichts kümmert, nichts wissen möchte, in nichts eingreift, nichts genießt, nichts liebt, nichts hasst, in nichts einen Sinn findet, für nichts lebt und nur am Leben bleibt, weil es nichts gibt, wofür sie sterben könnte.»7

Aber Toleranz ist nicht das einzige Wort, das ein zeitgemäßes Makeover bekommen hat. Begriffe wie Liebe, Hass, Fanatiker, männlich, weiblich, Unterdrückung, Gerechtigkeit und Wahrheit – Wörter, von denen in diesem Buch noch die Rede sein wird – werden immer wieder umgedeutet. Man kann sich also die Verwirrung vorstellen, die aufkommt, wenn die Bedeutung von Begriffen nicht klar definiert ist. Es führt dazu, dass wir aneinander vorbeireden und nie zu einer angemessenen Schlussfolgerung kommen, einfach weil wir nicht darüber nachdenken, was unsere Worte bedeuten.

Hillary Morgan Ferrer bezeichnet dieses Phänomen als «Sprachdiebstahl», als «absichtliches Kapern von Begriffen, die Veränderung ihrer Definition und danach Verwendung der gleichen Wörter als Propagandamittel».8 Ich würde noch ergänzen, dass der Sprachdiebstahl in manchen Fällen unabsichtlich geschieht. Wenn wir nicht aufpassen, in welchem Kontext wir welche Wörter benutzen, können sie sich wandeln und kann sich ihre Verwendung ändern. Dadurch kann es sein, dass wir unbewusst ein ganz neues Vokabular übernehmen, ohne es überhaupt zu merken. Ferrer identifiziert fünf Arten, wie durch Sprachdiebstahl echte Kommunikation untergraben wird:

Ein Gespräch kann abbrechen. (Beschuldige deinen ideologischen Gegner einfach der «Hassrede» und die Diskussion ist beendet.)

Menschen können dazu gebracht werden, zu handeln, bevor sie ein Thema durchdacht haben. (Warte nicht auf sämtliche Fakten … Spring auf den aktuellen erfolgversprechenden Twitter-Zug auf, damit du nicht abgehängt wirst!)

Details werden verschleiert. (Wer muss schon recherchieren, an welche Grundsätze eine bestimmte Organisation glaubt und wie sie sich finanziert, wenn es nach einem guten Zweck

klingt?)

Von Meinungsgegnern wird das Schlimmste angenommen. (Erinnere dich an Twitter 2020, wo jeder, mit dem du nicht einer Meinung warst, dich für «buchstäblich Hitler» hielt.)

Letzten Endes wird etwas Negatives als etwas Positives dargestellt beziehungsweise etwas Positives als etwas Negatives. (Denk an die Begriffe

pro-choice

für «Wahlfreiheit» und

reproductive justice

für «reproduktive Gerechtigkeit». Die klingen nett, oder? Es sind positive Ausdrücke, die allerdings verwendet werden, um Menschen von der grausamen Realität der Abtreibung abzulenken und sich als die Guten zu fühlen, wenn sie sich für das Recht auf Abtreibung einsetzen.)

9

Babel oder Babbeln?

Dies sind nur ein paar Beispiele für die komplizierte Beziehung von uns Menschen zur Sprache. Sie erinnern mich an eine Bibelgeschichte, die wir als Kinder alle gehört haben.

«Damals sprachen die Menschen noch eine einzige Sprache, die allen gemeinsam war», wird in 1. Mose 11,1 berichtet. Die Menschen waren damals sehr von sich überzeugt. Sie kamen aus dem Osten, gründeten eine Stadt und fingen an, einen Turm zu bauen, der bis zum Himmel reichen sollte. Aber dieser Wolkenkratzer erwuchs nicht aus dem demütigen Verlangen, Gott anzubeten. Diejenigen, die ihn errichteten, wollten ihre eigenen Götter werden. «Wir wollen uns selbst einen Namen machen», sagten sie. Aber Gott brachte ihre Sprache durcheinander und verstreute sie über die ganze Erde (Verse 7–8). Ihr kleines Bauprojekt war eingestellt. Sie wollten sich selbst einen Namen machen, aus Angst «über die ganze Erde» zerstreut zu werden (Vers 4). Ironischerweise ist genau das am Ende passiert.

Aber warum sollte Gott sie dafür tadeln, dass sie zueinanderfanden, in Frieden und Einheit lebten und arbeiteten, perfekt kommunizierten und sich Lebensziele setzten, die Elon Musk wie einen Faulenzer aussehen lassen würden?

Ich bin nur ungern Überbringerin schlechter Nachrichten, aber oberflächlicher Frieden und Einheit können täuschen. Das Problem in Babel war nicht, dass die Menschen so gut zusammenarbeiteten. Sondern, dass sie für ruchlose Zwecke so gut zusammenarbeiteten. Es ist ein bisschen so wie damals, als meine Kinder noch klein waren und einmal fünfzehn Minuten friedlich miteinander spielten. Sie verschwanden in eins der Zimmer und es wurde ruhig im Haus. Ich wusste kaum etwas mit dieser mir geschenkten Zeit anzufangen. Aber ehe ich mich’s versah, tauchten sie wieder auf: Sie hatten sich gegenseitig mit einem Filzstift Umrisse aufs Gesicht gemalt, um diese dann mit Farbe auszumalen, die jetzt in ihren Haaren und Kleidern klebte. Natürlich brachte ich die Kinder nach einer ausgiebigen Säuberungsaktion zunächst in entgegengesetzten Teilen des Hauses unter. Nicht auszudenken, was sie mit mehr Zeit, Ressourcen und besseren Kommunikationsfähigkeiten hätten erreichen können! Ähnlich wie Eltern, die unartige Kinder trennen, trennte Gott die Menschen zu ihrem eigenen Wohl.

Ob wir es jemals lernen? Es scheint, als würden wir heutzutage unser uraltes Bauprojekt wieder aufnehmen. Im Altertum verwendete man Ziegel und Mörtel. Heute nutzen wir Computer, Smartphones und Social Media, um die Welt zusammenzubringen. Andere Materialien – aber die gleichen Ergebnisse. Anstatt jedoch einen Turm zum Himmel zu bauen, haben wir eine Online-Gesellschaft und ein System der Massenmedien erschaffen, das sexuelle Unmoral, Selbstverehrung, Zwietracht und Fehlinformation mithilfe von Besserwisser-Propheten verbreitet, die allerlei Unwahrheiten lehren.

Unsere Sprache ist immer noch durcheinander. Wir sprechen aneinander vorbei, definieren Wörter unterschiedlich, bewerten Dinge wie Wissen oder den Sinn des Lebens auf unterschiedliche Art und Weise, verabschieden uns vom logischen Denken und feiern alle Sichtweisen als gleichermaßen gültig (zumindest wenn sie nicht traditionell christlich sind). Es ist, als wären wir durcheinander und zerstreut, wie die Welt nach Babel es war, während wir uns immer noch zusammen in demselben chaotischen Online- und Printbereich wie vor Babel befinden. Daher war es noch nie so schwierig wie heute, als jemand zu leben, der sich der Wahrheit verpflichtet hat. Wenn wir Wahrheitssuchende sein wollen, müssen wir zielgerichtet und entschlossen sein und uns ein dickes Fell zulegen.

Die Kraft der sozialen Medien ist die moderne Auswirkung eines alten Fehlers. Soziale Medien können zwar viel Gutes bewirken, aber das Phänomen hat auch eine Vielzahl von selbsternannten Bibellehrern und Bloggern hervorgebracht, die Millionen von Anhänger um sich scharen. Viele dieser Persönlichkeiten haben sich dem sogenannten progressiven Christentum zugewandt und führen nun ihre Schäfchen vom ursprünglichen Evangelium weg.

Meine eigene Glaubenskrise begann, als ich an einem Kurs beim Pastor meiner früheren Gemeinde teilnahm, der damals die christliche Lehre in Frage stellte. Glücklicherweise baute Gott meinen Glauben über mehrere Jahre hinweg wieder auf, als ich Argumente für seine Existenz und die Wahrhaftigkeit des Christentums studierte, mich mit Kirchengeschichte beschäftigte, Klassiker der frühen Kirchenväter las und direkt von Bibelexperten lernte.

Die meistverkauften Bücher, Podcasts und Blogs derjenigen, die das ursprüngliche Christentum hinter sich gelassen haben, predigen ein selbstzentriertes «Evangelium». Tatsächlich beginnen so viele der Lügen, die wir in diesem Buch thematisieren werden, mit dem Fundament des Selbst: Um authentisch zu sein, muss ich zu mir selbst finden. Um glücklich zu sein, muss ich selbst an erster Stelle stehen. Um erfüllt zu sein, muss ich selbst genug sein. Um erfolgreich zu sein, muss ich mein Schicksal selbst in die Hand nehmen. All diese Ideen bauen auf dem Ausgangspunkt des Selbst auf.

Aber wenn wir uns die einzelnen Lügen anschauen, werden wir erkennen, dass unser Selbst das falsche Fundament ist. Es hat eine rissige Struktur. Es ist kaputt. Alles, was wir auf ihm aufbauen, wird anfällig für die positiv wirkende Aussage, die uns in dem Moment richtig erscheint. Bestenfalls schickt uns das auf eine fruchtlose Sinnsuche. Im schlimmsten Fall stürzt es uns ins Verderben. Deshalb ist es für Christen so wichtig, dass unser Fundament Christus ist und nicht wir selbst.

«Lebe deine Wahrheit» versus «Lebe die Wahrheit». Das ist ein großer Unterschied.

Der Aufruf, nur den eigenen Gefühlen und Wünschen treu zu sein, ist das genaue Gegenteil der Lehren von Jesus und des christlichen Glaubens. Es ist einfach, die Menschen auf sich selbst zu verweisen. Dafür wird es immer einen Markt geben. Wir lieben es einfach! Wir lieben es, über uns selbst zu reden, uns auf uns selbst zu konzentrieren, uns zu verwöhnen und uns selbst zu bewundern. Das hat alles mit dieser lästigen Sündennatur zu tun, über die wir in Kapitel 4 sprechen werden.

Aber wir wurden nicht erschaffen, um uns selbst zu verehren. Wir wurden mit einem anderen Ziel erschaffen: um Gott zu verherrlichen und ihn für immer zu genießen.10 Alles, was uns davon ablenkt, wird uns nicht glücklich machen. Gott ist unser Schöpfer und er weiß, was uns wirklich Frieden, Freude und Glück bringt. Und weißt du was? Es ist weder ein Spiegel noch ein Selfie-Stick.

Es ist ER selbst.

Um unsere Bestimmung als Menschen zu verstehen, müssen wir uns der absoluten Wahrheit verpflichten. Wir werden lernen müssen, kritisch zu denken und sorgfältig zu prüfen, was unsere Worte bedeuten. Aber es wird ebenfalls nötig sein, etwas zu verlernen. Wir müssen lernen, das zu überdenken, was uns durch Filme wie «Arielle, die Meerjungfrau» eingetrichtert worden ist: Wie begeistert wir mitgesungen haben, als sie endlich ihre Beine, ihren Prinzen und alles bekam, wovon sie jemals geträumt hatte! Ich liebe Disney-Filme, aber ist es nicht so, dass Arielle triumphierte, nachdem sie ihrem Vater nicht gehorcht und beschlossen hatte, ihre eigene Wahrheit zu leben? Eine ziemlich verwirrende Botschaft für Menschen, die noch keine voll entwickelten Frontallappen im Gehirn haben. Schließlich gehört, wie wir bald feststellen werden, «deine Wahrheit» genauso ins Reich der Sagen wie König Tritons magischer Dreizack und das Königreich der Meermenschen, aus dem er und Arielle stammen.

3.Kobolde

Leb deine Wahrheit

Du kannst dir aussuchen, was du glaubst, Shuffler, aber du kannst nicht ändern, was wahr ist.11

S. D. Smith: The Green Ember (z. Dt.: Grüne Glut)

«Kobolde gibt es in echt, Mama.»

Ich blickte in die ernsten, braunen Augen meiner schlauen Tochter, als sie das Streitgespräch eröffnete, das wir in unserer Familie heute feierlich «Die große Kobold-Debatte von 2013» nennen. Es gab gravierende Meinungsverschiedenheiten, Tränen, Argumente dafür und dagegen, Beweise und Gegenbeweise. Das Ende der Welt schien gekommen. Mit viereinhalb Jahren war mein analytisch denkender Nachwuchs davon überzeugt, dass ein Kobold in ihrem Klassenzimmer gewesen war, und sie ließ sich nicht eines Besseren belehren.

Ich war ein wenig von der Diskussion überrascht, denn normalerweise kann man meiner Tochter nichts vormachen. Schließlich war das die gleiche junge Dame, die, als sie ihren ersten Wackelzahn entdeckte, zu mir kam und mir erklärte, dass es keine Zahnfee gibt. Sie meinte: «Ich weiß, dass Mamas das machen, deshalb wollte ich fragen, ob ich nicht lieber Spielzeug statt Geld haben kann?» (Wie sich herausstellte, ist die Zahnfee in unserer Gegend schrecklich vergesslich, sie sollte unverzüglich gefeuert werden. Daher funktionierte das mit unserem kleinen Arrangement recht gut.)

Außerdem hatte mich meine Tochter erst in der Woche zuvor gefragt, ob es Kobolde gibt. Ich hatte ihr versichert, dass es nur ausgedachte Gestalten in Geschichten seien, und hatte geglaubt, damit wäre das Thema abgeschlossen.

War es aber nicht. Wie sich herausstellte, machte sich die Grundschullehrerin einen Spaß daraus, die Kinder glauben zu lassen, dass über Nacht ein Kobold in ihr Klassenzimmer geschlichen war, um es für den St. Patrick’s Day zu schmücken. Meine Tochter kam am nächsten Morgen in die Schule und fand grüne Luftschlangen am Türrahmen, Kleeblätter aus Bastelpapier an den Pinnwänden und kleegrüne Ballons an den Stuhllehnen. «Ach du meine Güte! Was ist denn hier los?», tat die Lehrerin ganz überrascht. Als die Kinder nicht dahinterkamen, woher die festliche Dekoration stammte, «fand» die Lehrerin einen kleinen schwarzen Schnallenschuh vor der Tür. «Wie kommt der denn hierher?», fragte sie die Kinder, die alle zu demselben Schluss kamen: Der musste einem Kobold gehören. Das Rätsel war gelöst.

Meine Tochter kam also nach Hause und verkündete: «Kobolde gibt es in echt …», und alle mussten sich dieser neuen Realität stellen. Da ich ihr die Begeisterung nicht nehmen wollte, fragte ich wie nebenbei: «Und woher weißt du das?»

Sie antwortete: «Weil ein Kobold in der Nacht unser Klassenzimmer geschmückt hat.»

«Hm», erwiderte ich, «und woher weißt du, dass es ein Kobold war?»

Sie erklärte sofort: «Meine Lehrerin hat seinen Schuh gefunden, den hat er beim Weglaufen verloren!»

«Okay. Aber, meine Süße, kannst du dich daran erinnern, wie ich dir gesagt hab, dass es Kobolde nicht gibt?»

«Ja! Aber ich habe den Schuh gesehen und … er hat Goldstaub dagelassen.»

«Goldstaub?»

«GOLDSTAUB.»

«Okay, hör zu», erwiderte ich. «Ich denke, dass sich das alles nur jemand ausgedacht hat.»

«Nein, Kobolde gibt es in echt, Mama.»

Ich beließ es für den Moment dabei, weil ich dachte, sie würde es vergessen und zu etwas Wichtigerem, wie zum Beispiel dem Weihnachtsmann, übergehen. Aber nein. Nicht meine Tochter. Man sagt ja, manche Kinder werden mit alten Seelen geboren. Meine Tochter war ungefähr siebenundvierzig, als sie geboren wurde. Ich versuche seither, mit ihr Schritt zu halten. Wenn sie etwas glaubt, ist es ihr todernst damit.

Meine Detektivin mit Schleifen im lockigen Haar ging sodann am nächsten Tag zur Schule, als ob sie vom Geheimdienst beauftragt worden wäre, die ganze Kobolde-gibt-es-nicht-Verschwörungstheorie zu entlarven. Nach der Schule kam sie durch die Tür, griff in die Tasche ihres blauen Jäckchens und holte eine Handvoll Goldstaub hervor. Da war er. Der glänzende, schimmernde, funkelnde Beweis. Und ich konnte nichts tun, um sie davon zu überzeugen, dass sie betrogen worden war.

Erst Jahre später gab sie zu, dass sie sich, was die Existenz von Kobolden betrifft, geirrt haben könnte. Es brauchte Zeit und Lebenserfahrung, bis ihr Gehirn die Wahrheit akzeptierte … dass das alles eine Lüge gewesen war. Eine nette, kleine Lüge. Überleg mal. Eine Vierjährige mit großer Fantasie und glitzernden Beweisen – was brauchte sie noch zur Bestätigung ihrer eigenen Wirklichkeit?

Aber mal ehrlich: Sind wir nicht genauso? Neigen wir nicht auch dazu, das Unwiderstehliche und Schöne an den Anfang zu setzen und dann nur nach Beweisen zu suchen, die diese vorgefasste Weltsicht bestätigen? Wahr ist aber nur die Wahrheit. Egal, wie wir uns dabei fühlen.

Kobolde existieren entweder oder sie existieren nicht. Es ist egal, wie stark meine Tochter von ihrer Existenz überzeugt ist oder ich von ihrer Nichtexistenz. Sie hätte «ihre Wahrheit» über Kobolde von der Spitze des Social-Media-Turms schreien können, aber es hätte nichts an der Realität geändert.

Ein Phänomen der Postmoderne

Irgendwann während all der Umbrüche, die das Jahr 2020 mit sich brachte, tauchten auf Rasenflächen in ganz Amerika schwarze Schilder mit bunter Schrift auf. Es war, als sei überall im Unterbewusstsein amerikanischer Vororte ein neues Glaubensbekenntnis verfasst und kanonisiert worden. Wenn man die Aussagen der damaligen Schilder wortwörtlich versteht, scheinen sie richtig und gut zu sein: Liebe ist Liebe, Frauenrechte sind Menschenrechte. Wissenschaftlich Bewiesenes ist wahr … und so weiter.

Aber viele Menschen bemerkten nicht, dass ein paar der verwendeten Wörter gestohlen und als Slogans für bestimmte Anliegen sprachlich umfunktioniert worden waren. Gemäß diesem Glaubensbekenntnis (und im Gegensatz zu 1. Korinther 13) bestätigt