Lebe lieber innovativ - Tina Seelig - E-Book

Lebe lieber innovativ E-Book

Tina Seelig

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  • Herausgeber: Ariston
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2012
Beschreibung

Denken Sie anders als alle anderen!

Für Tina Seelig gibt es keine Probleme, nur Lösungen – und kein Lösungsansatz ist dabei zu absurd oder zu abwegig. Gerade die unrealistischen, scheinbar unmöglichen Ideen bergen das größte Potenzial. Die Professorin der Stanford University arbeitet seit Jahren im Silicon Valley, umgeben von den innovativsten Unternehmen der Welt. Mit einer Vielzahl von faszinierenden Beispielen macht Tina Seelig Lust auf Querdenken abseits der ausgetretenen Pfade.

Hätten Sie gedacht, dass es möglich ist, eine Büroklammer gegen ein Haus zu tauschen? Oder dass man aus Limonade einen Hubschrauberrundflug machen kann? Als Dozentin für Innovation und Unternehmertum erlebt Tina Seelig, wie Studenten die von ihr gestellten Aufgaben auf die ungewöhnlichsten Weisen lösen. Dabei stellt sie immer wieder fest, dass paradoxe und undenkbare Ideen sich am Ende als die besten herausstellen. Anhand zahlreicher außergewöhnlicher Beispiele für Kreativität und Innovation verdeutlicht Tina Seelig, dass wirklich jeder das Zeug dazu hat, neue Ideen zu entwickeln und ungewöhnliche Ziele zu erreichen. Die einzigen Voraussetzungen sind, dass man kontaktfreudig, unvoreingenommen und offen für Neues ist.

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Seitenzahl: 265

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Für Josh –

alles Gute zu deinem zwanzigsten Geburtstag!

Inhaltsverzeichnis

Widmung1 - DREI ZUM PREIS VON EINEMCopyright

1

DREI ZUM PREIS VON EINEM

Was würden Sie unternehmen, um Geld zu verdienen, wenn Sie nichts weiter als 5 Dollar und zwei Stunden Zeit zur Verfügung hätten? Diese Aufgabe stellte ich den Studenten in einem meiner Kurse an der Stanford University. Jede der 14 Arbeitsgruppen erhielt einen Briefumschlag mit fünf Dollar »Startkapital« und die Information, sie könne sich bei der Planung so viel Zeit lassen, wie sie wolle. Hatten die Studenten den Briefumschlag aber erst einmal aufgerissen, mussten sie innerhalb von zwei Stunden so viel Geld verdienen, wie sie konnten. Sie hatten von Mittwochnachmittag bis Sonntagabend Zeit, um die Aufgabe zu erledigen. Am Sonntagabend musste mir dann jede Gruppe eine Overheadfolie schicken, auf der sie beschrieb, wie sie vorgegangen war. Am Montagnachmittag erhielt dann jede Gruppe im Kurs drei Minuten Zeit, um ihr Projekt vorzustellen. Ich ermutigte sie dazu, unternehmerisch zu handeln: Sie sollten gute Geschäftsmöglichkeiten erkennen und herausfinden, welche Schwierigkeiten bei dem Vorhaben nach gängigen Vorstellungen auftreten könnten; sie sollten die begrenzten Ressourcen, die ihnen zur Verfügung standen, effektiv einsetzen und kreativ werden.

Was würden Sie selbst unternehmen, wenn Sie diese Herausforderung bewältigen müssten? In den meisten Gruppen, in denen ich diese Frage stelle, ruft normalerweise sofort jemand: »Nach Las Vegas fahren.« Oder: »Ein Lotterielos kaufen.« Dafür hat derjenige stets die Lacher auf seiner Seite. Leute, die das vorschlagen, würden für die sehr geringe Chance, reich belohnt zu werden, ein erhebliches Risiko eingehen. Danach kommen immer die fast ebenso gängigen Vorschläge, eine Autowaschstation oder einen Limonadenstand zu eröffnen, und mit den fünf Dollar die Grundausstattung dafür zu kaufen. Das ist eine feine Sache für diejenigen, die sich in den zwei Stunden ein paar Dollar Taschengeld dazuverdienen möchten. Doch die meisten meiner Studenten haben letzten Endes Mittel und Wege gefunden, die weit über die genannten Optionen hinausgehen. Sie nahmen die Herausforderung ernst, gängige Standardlösungen zu hinterfragen, und eröffneten sich dadurch eine ganze Fülle von Möglichkeiten, so viel Ertrag wie möglich zu erwirtschaften.

Was aber haben Sie gemacht? Die Teams, die am meisten Geld verdienten, setzten ihre fünf Dollar gar nicht erst ein. Sie merkten, dass sie das Problem viel zu eng fassen würden, wenn sie sich nur auf das Geld konzentrierten. Sie hatten verstanden, dass fünf Dollar als Startkapital so gut wie gar nichts sind. Sie interpretierten das Problem neu und stellten es in einen größeren Zusammenhang: Was können wir tun, um Geld zu verdienen, wenn wir mit rein gar nichts anfangen? Sie aktivierten ihre Beobachtungsgabe, setzten ihre Talente ein und begannen, kreativ zu werden. So machten sie Probleme in ihrer unmittelbaren Umgebung ausfindig, die sie selbst oder andere hatten. Probleme, die sie vielleicht früher schon einmal bemerkt hatten, ohne jedoch auf die Idee zu kommen, sie auch zu lösen. Es handelte sich um diese Art von Problemen, die zwar irritieren, an die man aber nicht andauernd denkt. Indem sie solche Probleme ans Tageslicht beförderten und Lösungen für sie erarbeiteten, nahmen die Siegergruppen mehr als 600 Dollar ein. Damit erzielten sie für ihre Investition von 5 Dollar Erträge von durchschnittlich 4000 Prozent! Da viele Gruppen ihr Kapital gar nicht erst einsetzten, gingen deren Erträge sogar ins Unendliche.

Wie haben sie das also geschafft? Alle Gruppen waren ausgesprochen einfallsreich. Ein Team stieß auf ein Problem, das in vielen Universitätsstädten verbreitet ist: frustrierend lange Schlangen vor beliebten Restaurants am Samstagabend. Die Gruppe beschloss, Leuten zu helfen, die nicht anstehen wollten. Sie zogen paarweise los und reservierten in mehreren Restaurants Plätze. Als ihre Reservierungstermine näher rückten, verkauften sie jede Reservierung für bis zu 20 Dollar an Gäste, die froh waren, auf diese Weise lange Wartezeiten zu umgehen.

Im Laufe des Abends machten sie einige interessante Beobachtungen. Zuerst stellten sie fest, dass Studentinnen besser darin waren, die Reservierungen zu verkaufen, als ihre männlichen Kommilitonen, was wohl damit zusammenhing, dass es den Gästen angenehmer war, von jungen Frauen angesprochen zu werden. Sie passten ihr Konzept an und ließen nunmehr die männlichen Studenten in der Stadt herumlaufen und in verschiedenen Restaurants Reservierungen vornehmen, während die Studentinnen die Plätze in den Warteschlangen verkauften. Ihnen fiel auch auf, dass das gesamte Vorhaben am besten in solchen Restaurants funktionierte, die Piepser mit Vibrationsalarm verwendeten, um den Gästen zu signalisieren, dass ihr Tisch frei war. Der tatsächliche Austausch der Piepser gab den Kunden das Gefühl, sie hätten für ihr Geld etwas Greifbares erhalten. Ihnen war wohler dabei, einen neuen Piepser als Gegenleistung dafür zu erhalten, dass sie ihr Geld und ihren alten Piepser abgaben. Das hatte noch einen weiteren Vorteil: Die Gruppen konnten die frisch erworbenen Piepser später weiterverkaufen, wenn der Termin für die entsprechende Reservierung näher rückte.

Eine andere Studentengruppe wählte einen noch einfacheren Lösungsansatz: Sie bauten vor dem Studentenwerk einen Stand auf, an dem sie anboten, bei Fahrrädern gratis den Reifendruck zu prüfen. Hatten die Reifen nicht genug Luft, pumpten sie sie für einen Dollar auf. Zu Beginn glaubten sie, sie würden ihre Kommilitonen ausnutzen – denn diese hätten genauso gut zur nahe gelegenen Tankstelle fahren können, um ihre Reifen aufpumpen zu lassen. Doch nach den ersten paar Kunden stellten die Studenten fest, dass die Radfahrer unglaublich dankbar waren. Obwohl die Radler ihre Reifen nebenan gratis hätten aufpumpen lassen können und die Aufgabe für die Studenten ganz einfach zu erledigen war, wurde ihnen schnell klar, dass sie hier eine willkommene und wertvolle Dienstleistung anboten. Nach der Hälfte der zweistündigen Projektphase gab die Gruppe es sogar auf, einen Festpreis zu verlangen, sondern bat stattdessen um Spenden. Ihre Einnahmen schnellten in die Höhe. Dadurch, dass sich die Kunden nun freiwillig für eine kostenlose Dienstleistung erkenntlich zeigten, verdienten die Studenten viel mehr als vorher. Für dieses Team hat es sich – genau wie für die Gruppe, die Plätze in Restaurants reserviert hatte – ausgezahlt, dass sie zwischendurch experimentiert haben. Da sich der Arbeitsablauf stets wiederholte, konnten sie ihn je nach Rückmeldung der Kunden leicht verändern, was ihnen erlaubte, ganz nebenbei ihre Strategie zu optimieren.

Die beiden Projekte brachten jeweils einige hundert Dollar ein, was die restlichen Kommilitonen im Kurs tief beeindruckte. Den größten Gewinn erwirtschaftete jedoch eine Gruppe, die die Mittel, die ihr zur Verfügung stand, aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachtete und dadurch 650 Dollar einnahm. Die Studenten stellten fest, dass ihr wertvollstes Kapital weder die 5 Dollar noch die zwei Stunden Zeit waren. Stattdessen gelangten sie zu der Erkenntnis, dass ihre kostbarste Ressource die drei Minuten Präsentationszeit innerhalb des Seminars am Montag waren. Daher beschlossen sie, diese Zeit an ein Unternehmen zu verkaufen, das Studenten aus dem Kurs anwerben wollte. Die Gruppe produzierte einen dreiminütigen »Werbespot« für die Firma und führte ihn in der Zeit, in der sie eigentlich vorstellen sollten, was sie in der vergangenen Woche getan hatten, den anderen Studenten vor. Das war brillant. Sie hatten erkannt, dass sie über etwas sagenhaft Wertvolles verfügten, das andere gar nicht erst bemerkt hatten, und das nur darauf wartete, genutzt zu werden.

Auch die anderen elf Gruppen fanden jeweils intelligente Wege, um Geld zu verdienen: beispielsweise mit dem Betrieb einer Fotokabine für die alljährliche Wiener Ballnacht an der Universität oder mit dem Verkauf von Umgebungsplänen für das Eltern-Besuchs-Wochenende, auf denen die örtlichen Restaurants markiert waren. Andere hatten individuell gestaltete T-Shirts entworfen, die sie den Kommilitonen im Kurs verkauften. Eine Gruppe machte allerdings Verluste: Die Studenten erstanden an einem Regentag in San Francisco Regenschirme zum Weiterverkauf, nur um festzustellen, dass unmittelbar nach dem Beginn ihrer Aktion das Wetter aufklarte. Eine weitere Gruppe betrieb tatsächlich eine Autowaschstation und eine andere einen Limonadenstand, doch deren Einkünfte lagen weit unter dem Durchschnitt.

Was mein Bestreben angeht, den Studenten zu vermitteln, was es bedeutet, Unternehmergeist zu zeigen, betrachtete ich die »Fünf-Dollar-Aufgabe« als Erfolg. Trotzdem fühlte ich mich etwas unwohl dabei, denn ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass Wert immer nur in Form von finanzieller Belohnung bemessen werden kann. Deshalb gab ich dem Projekt beim nächsten Mal eine andere Richtung. Statt der fünf Dollar gab ich jeder Gruppe einen Briefumschlag mit zehn Büroklammern. Die Gruppen erhielten die Information, dass sie in den nächsten paar Tagen insgesamt vier Stunden Zeit hätten, um durch den Einsatz der Büroklammern so viel »Wert« zu schöpfen, wie sie konnten, wobei sie den Wert auf jede beliebige Art bemessen durften. Inspiriert hat mich dazu die Geschichte von Kyle MacDonald, der mit einer roten Büroklammer anfing und durch unzählige Tauschgeschäfte so lange Kapital daraus schlug, bis er ein Haus hatte.1 Er hatte einen Web-Blog eingerichtet, um seine Fortschritte zu dokumentieren und für sein Geschäft zu werben. Es dauerte zwar ein Jahr, doch er erreichte Schritt für Schritt sein Ziel. Seine rote Büroklammer hatte er gegen einen Schreibstift in Fischform getauscht. Den Stift hatte er dann gegen einen Türgriff eingetauscht, den Türgriff gegen einen Campingkocher und so weiter. Im Laufe des Jahres stieg der Wert der Gegenstände langsam, aber sicher an – bis Kyle schließlich sein Traumhaus hatte. In Anbetracht dessen, was er mit einer einzigen Büroklammer erreicht hatte, fand ich es richtig großzügig von mir, den Studenten zehn Büroklammern zu geben. Die Aufgabenstellung erfolgte an einem Donnerstagmorgen und die Präsentationen waren für den darauf folgenden Dienstag geplant.

Als der Samstag kam, wurde ich allerdings unruhig. Vielleicht war ich diesmal doch zu weit gegangen. Ich machte mir Sorgen, dass diese Aufgabenstellung ein Reinfall werden könnte und war schon so weit, sie als eine weitere Erfahrung abzuhaken. Doch mit diesen Sorgen hätte ich gar nicht weiter danebenliegen können. Jede der sieben Studentengruppen hatte auf eine andere Art bemessen, was ihr »Wert« war. Eine Gruppe hatte die Büroklammern zu einer neuen Währung erkoren und sich darangemacht, so viele wie möglich davon zu sammeln. Eine andere Gruppe hatte herausgefunden, dass der aktuelle Weltrekord für die längste Büroklammernkette bei mehr als 35 Kilometern lag, und versuchte, den Rekord zu brechen. Sie mobilisierten alle ihre Freunde und Mitbewohner, machten ihre Idee den örtlichen Geschäften und Firmen schmackhaft und tauchten schließlich mit einem ganzen Berg von aneinandergehängten Büroklammern im Seminarraum auf. Die Studenten im Wohnheim fühlten sich von der Herausforderung offenbar so stark angesprochen, dass sie sich auch nach dem Abschluss des Projektes weiter dafür einsetzten, den Weltrekord zu brechen. (Ich bin zwar ziemlich sicher, dass sie den Rekord nicht gebrochen haben, doch es zeigt sehr deutlich, welche Energie diese Gruppe entwickeln konnte.)

Die unterhaltsamste und kreativste Gruppe brachte ein kurzes Video mit in den Kurs. Auf dem Band schallte im Hintergrund das Lied »Bad Boys« und man sah die Studenten dabei, wie sie die Büroklammern zum Knacken von Schlössern benutzten, um in Zimmer im Studentenwohnheim einzubrechen, wo sie Sonnenbrillen, Handys und Computer im Wert von zehntausenden Dollar stehlen wollten. Als ich fast schon in Ohnmacht fallen wollte, verkündeten sie, dass das Ganze nur ein Scherz sei und zeigten ein weiteres Video darüber, was sie wirklich getan hatten. Sie hatten die Büroklammern gegen etwas Plakatkarton getauscht und in einem nahegelegenen Einkaufszentrum damit einen Stand aufgebaut: »Stanford -Studenten zu verkaufen: Drei zum Preis von einem.« Sie staunten nicht schlecht über die Aufträge, die sie erhielten: Es fing damit an, dass sie für Kunden deren schwere Einkaufstaschen trugen, dann stellten sie für ein Bekleidungsgeschäft den Recycling-Müll hinaus und schließlich veranstalteten sie für eine Frau, die Hilfe bei der Lösung eines geschäftlichen Problems suchte, ein spontanes Brainstorming. Sie bezahlte sie mit drei Computermonitoren, die sie nicht mehr brauchte.

Im Laufe der Zeit habe ich in meinen Seminaren immer wieder ähnliche Aufgaben gestellt, wobei ich beim Startkapital zwischen Büroklammern, Haft-Notizzetteln, Gummibändern oder Wasserflaschen gewechselt habe. Jedes Mal überraschten die Studenten mich und auch sich selbst damit, was sie mit der begrenzten Zeit und den begrenzten Ressourcen alles erreichen konnten. So organisierten sie zum Beispiel mit einem kleinen Block Haftnotizzetteln ein gemeinschaftliches Musikprojekt, eine Aufklärungskampagne über Herzerkrankungen und einen Werbespot für einen öffentlichen Versorgungsbetrieb mit dem Titel »Stecker raus« zum Thema Energiesparen. Diese Gruppenübung hat sich schließlich zu der Veranstaltung weiterentwickelt, die unter dem Namen Innovation Tournament bekannt wurde, ein Innovationswettbewerb, an dem Gruppen aus aller Welt teilnehmen.2 Jedes Mal nutzen die Teilnehmer den Wettbewerb als Chance, ihre Umgebung mit anderen Augen zu sehen und direkt vor ihrer eigenen Haustür alle verwertbaren Möglichkeiten zu erkennen. Sie stellen traditionelle Überzeugungen infrage und schaffen so faktisch aus nichts einen enormen Wert. Das ganze Abenteuer mit den Haftnotizzetteln wurde auf Film gebannt und lieferte die Grundlage für einen professionellen Dokumentarfilm mit dem Titel: Imagine It3, zu deutsch: »Stell es dir vor.«

Die hier beschriebenen Übungen richten das Augenmerk auf einige überraschende Aspekte. Erstens gibt es reichlich gute Möglichkeiten. Man braucht sich nur überall und jederzeit umzuschauen und entdeckt Probleme, für die Lösungen gebraucht werden. Manche sind ganz alltäglich, wie etwa einen Tisch in einem beliebten Restaurant zu ergattern oder Fahrradreifen aufzupumpen. Viele Probleme sind aber, wie wir nur allzu gut wissen, weit größer und betreffen die essenziellen Fragen der Welt. Vinod Khosla, Mitbegründer der Firma Sun Microsystems und erfolgreicher Risikokapitalanleger, verdeutlichte das so: »Je größer das Problem, desto größer die Chance, die es bietet. Niemand würde Sie dafür bezahlen, dass Sie ein Problem lösen, das gar keins ist.«4

Zweitens gibt es generell – egal wie groß das Problem ist – viele kreative Wege, um die Ressourcen, über die wir ohnehin schon verfügen, für die Lösung des Problems einzusetzen. Das ist in der Tat die Definition, die viele meiner Kollegen für den Begriff »Entrepreneurship« verwenden: Als Entrepreneur bezeichnen wir (meist Jung)Unternehmer, die fantasievoll, mit guten Ideen und viel Engagement neue Unternehmen gründen, an denen sie auch tatsächlich selbst aktiv beteiligt sind. Entrepreneurship ist die entsprechend wagemutige, eigenverantwortliche unternehmerische Geisteshaltung. Unternehmer in diesem Sinne, also Entrepreneur, ist jemand, der ständig auf der Suche nach Problemen ist, die er in Geschäftsmöglichkeiten umwandeln kann; er findet kreative Wege, um sich begrenzte Ressourcen so zu Nutze zu machen, dass er sein Ziel erreicht. Die meisten Menschen betrachten ein Problem zunächst einmal als unlösbar und übersehen dadurch völlig die kreativen, naheliegenden Lösungen.

Der dritte Punkt ist, dass wir Probleme oftmals zu eng fassen. Wenn wir eine einfache Herausforderung bewältigen sollen, wie etwa innerhalb von zwei Stunden Geld zu verdienen, greifen die meisten von uns vorschnell auf Standardlösungen zurück. Sie nehmen sich nicht die Zeit, um das Problem in einem größeren Zusammenhang zu betrachten. Doch wenn man die Scheuklappen abnimmt, eröffnet sich eine Welt voller Möglichkeiten. Diese Lektion haben sich die Studenten, die bei diesen Projekten mitgewirkt haben, zu Herzen genommen. Hinterher haben viele festgestellt, dass sie nun wohl nie wieder eine Ausrede dafür haben würden, pleite zu sein – schließlich gibt es immer ein Problem in ihrer Nähe, das auf eine Lösung wartet.

Die Aufgabenstellungen entwickelten sich im Rahmen eines Seminars über Entrepreneurship und Innovation, das ich an der Stanford University gebe. Das übergeordnete Ziel des Kurses ist es, aufzuzeigen, dass alle Probleme als Chancen für kreative Lösungen angesehen werden können. Zuerst richte ich das Augenmerk immer auf die Kreativität des Einzelnen, dann auf Kreativität in Gruppen und schließlich tauche ich in das Thema Kreativität und Innovation in großen Organisationen ein. Zuerst stelle ich meine Studenten vor kleinere Herausforderungen, die ich dann allmählich schwieriger gestalte. Im Laufe des Kurses fühlen sich die Studenten zunehmend wohl dabei, Probleme als Chancen zu sehen, und am Schluss sind sie bereit, es mit nahezu allem aufzunehmen, was sich ihnen in den Weg stellt.

Seit zehn Jahren bin ich nun geschäftsführende Direktorin des Stanford Technology Ven tures Program (STVP)5, des Entrepreneurship-Programms, das an der ingenieurwissenschaftlichen Fakultät, der School of Engineering, angesiedelt ist. Unsere Aufgabe ist es, Wissenschaftlern und Ingenieuren zu vermitteln, was Entrepreneurship, also Unternehmertum, ist. Wir geben ihnen die nötigen Werkzeuge an die Hand, damit sie selbst, ganz gleich in welcher Rolle, entsprechend unternehmerisch handeln können. Mit einer wachsenden Zahl von Universitäten weltweit teilen wir die Überzeugung, dass es nicht ausreicht, wenn Studenten mit einer rein technischen Ausbildung von der Hochschule abgehen. Um Erfolg zu haben, müssen sie in der Lage sein, in jedem Arbeitsumfeld und in allen anderen Bereichen ihres Lebens als unternehmerische Führungspersönlichkeiten aufzutreten.

Das Entrepreneurship-Programm STVP konzentriert sich auf wissenschaftliche Forschung und Lehre sowie darauf, Studenten, universitäre Fachbereiche und Unternehmer auf der ganzen Welt zu erreichen. Wir bemühen uns, auf ihr Wissen bezogen »T-förmige Menschen«, zu schaffen – also Menschen, die in mindestens einer Disziplin über tief gehendes Fachwissen verfügen und die zugleich ein breit gefächertes Wissen über Innovation und Unternehmertum haben. Dies ermöglicht es ihnen, erfolgreich mit Fachleuten aus anderen Disziplinen zusammenzuarbeiten, um ihre Ideen mit Leben zu füllen.6 Ganz unabhängig von der Rolle, die sie spielen, ist die unternehmerische Grundeinstellung der Schlüssel zur Lösung von Problemen – angefangen bei den kleinen Herausforderungen, die uns täglich begegnen, bis hin zu drohenden weltweiten Krisen, die die Aufmerksamkeit und das Engagement jedes Einzelnen auf der Welt erfordern. Das so verstandene Unternehmertum fördert eine ganze Reihe von Qualifikationen, die wichtig für das Leben im Allgemeinen sind: von Führungsqualitäten und Teamfähigkeit über Verhandlungsgeschick bis hin zu Innovativität und Entscheidungsfähigkeit.

Ich gehöre ebenfalls zum Lehrpersonal am Hasso Plattner Institute of Design an der Stanford, der Design-Fakultät, die auch liebevoll D-School genannt wird.7 Dieses interdisziplinäre Studienprogramm stützt sich auf Lehrende aus allen Fachbereichen der Universität: dem Ingenieurwesen, der Medizin, der Wirtschaft und der Pädagogik. Konzipiert und ins Leben gerufen wurde das Institut von David Kelley. Er ist Professor für Maschinenbau an der Stanford und Gründer des Design-Unternehmens IDEO, das dafür bekannt ist, extrem innovative Produkte und Erkenntnisse hervorzubringen. Die Kurse an der D-School werden immer von mindestens zwei Professoren aus verschiedenen Fachrichtungen gegeben und decken eine unendliche Bandbreite an Themen ab – von Design zu extrem niedrigen Preisen, über Mitmachaktionen bis hin zu Entwicklungen für Design im Alter. Als Mitglied im Team der Lehrenden an der D-School habe ich miterlebt, wie aufregend es ist, konsequent zusammenzuarbeiten, effektives Brainstorming zu betreiben und im Schnellgang Prototypen zu entwickeln, während wir uns selbst und unsere Studenten mit verzwickten Problemen konfrontieren, für die es immer mehr als nur eine Lösung gibt.

Dieses Buch basiert auf den Erlebnissen aus Seminarräumen und auf meinen eigenen früheren Erfahrungen als Wissenschaftlerin, Unternehmerin, Management-Beraterin, Lehrende und Autorin. Andere Geschichten stammen von Menschen, die eine Vielzahl von Wegen eingeschlagen haben, darunter Unternehmer, Erfinder, Künstler und Wissenschaftler. Ich habe das Glück, in meinem Umfeld Menschen zu haben, die dadurch, dass sie gängige Denkmuster infrage gestellt haben, Bemerkenswertes geleistet haben und die ihre Erfolgsgeschichten und Fehlschläge bereitwillig mit uns teilen.

Viele der Ideen, die hier vorgestellt werden, verkörpern genau das Gegenteil der Lektionen, die uns im traditionellen Bildungssystem gelehrt werden. In Schulen und Hochschulen gelten häufig völlig andere Regeln als im tatsächlichen Leben. Diese Ungleichheit erzeugt unglaublichen Stress, wenn wir von der Hochschule abgehen und versuchen, unseren eigenen Weg zu gehen. Es kann extrem schwierig sein, diese Lücke einigermaßen elegant zu überbrücken und die Herausforderungen des wirklichen Lebens in Angriff zu nehmen. Doch mit den richtigen Werkzeugen und der richtigen Einstellung ist es durchaus machbar.

Schüler werden normalerweise im Rahmen der Gesamtleistungskurve der Klasse benotet. Das bedeutet einfach ausgedrückt: Wenn einer gewinnt, muss ein anderer verlieren, denn das gesamte Notenspektrum muss ausgeschöpft werden. Das ist zum einen mit Stress verbunden und entspricht zum anderen überhaupt nicht der Funktionsweise der meisten Organisationen. Denn außerhalb der Schule arbeiten die Menschen meist in einem Team zusammen, das ein gemeinsames Ziel verfolgt. Wenn einer dabei gewinnt, gewinnen auch alle anderen. Tatsächlich sieht es in der Geschäftswelt so aus, dass kleinere Gruppen normalerweise in größere Gruppen eingebettet sind, und auf jeder Ebene ist es erklärtes Ziel, dass jeder erfolgreich sein kann.

In der Schule gibt es einen Lehrer, der es als seine Aufgabe betrachtet, den Schülern Wissen zu vermitteln. Diese schreiben sorgfältig mit, weil sie wissen, dass sie später zu dem gelehrten Stoff geprüft werden. Als Hausaufgabe müssen sie zugewiesenes Material aus dem Lehrbuch lesen und es still und allein verarbeiten. Das Leben nach der Schule könnte allerdings gar nicht unterschiedlicher sein. Denn dann ist man sein eigener Lehrer; man muss selbst herausfinden, was man wissen muss, wo man diese Informationen findet und wie man sie verarbeitet. In der Tat ist das Leben die ultimative Examensprüfung, bei der alle Nachschlagewerke zugelassen sind. Die Türen stehen weit offen und so können wir aus den endlosen Ressourcen in unserem Umfeld schöpfen, wenn wir die Probleme aus Arbeit, Familie, Freundeskreis und Umwelt in Angriff nehmen, deren Ausgang völlig ungewiss ist. Carlos Vignolo, ein meisterhafter Professor an der Universität von Chile, berichtete mir, dass er seinen Studenten ganz provokativ vorschlage, sie sollten doch Seminare bei den schlechtesten Lehrern der Hochschule belegen, denn die würden sie auf das wirkliche Leben vorbereiten. Schließlich gebe es im wahren Leben auch kein fähiges Lehrpersonal, das einem den Weg weist.

Hinzu kommt, dass es in der Schule meist auf jede Frage nur eine richtige Antwort gibt. In krassem Gegensatz dazu stehen die meisten Situationen außerhalb der Schule, in denen es auf jede Frage eine Vielzahl von Antworten gibt, von denen auch noch viele in mancherlei Hinsicht richtig sind. Noch wichtiger ist aber, dass es auch akzeptabel ist zu scheitern. Fehlschläge sind in der Tat ein wichtiger Bestandteil der Lernprozesse

Die Originalausgabe dieses Buches erschien 2009 unter dem Titel What I Wish I Knew When I Was 20. A Crash Course on Making Your Place in the World bei HarperOne, einem Imprint von HarperCollins Publishers LLC, New York, NY, USA.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.ddb.de abrufbar.

Aus dem Amerikanischen von Claudia Fregiehn

© 2009 by Tina Seelig. Published by arrangement with HarperOne, an imprint of HarperCollins Publishers, LLC.

© der deutschsprachigen Ausgabe 2011 Ariston Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-641-08264-2

www.randomhouse.de

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