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Die Summe literarischen Arbeitens umfasst in diesem ersten Band Gedichte in platt- wie hochdeutscher Sprache sowie Erzählungen
Das E-Book Leben am Parnass wird angeboten von tredition und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Ein Plädoyer für die Freiheit des Entdeckens, Ermutigung zu kritischer Betrachtung, Impulse für schöpferisches Wirken
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Seitenzahl: 693
Veröffentlichungsjahr: 2015
www.tredition.de
Gerhard Friedrich Grabbe
Leben am Parnass
Band I
Erzählungen - Gedichte
www.tredition.de
© 2015 Gerhard Friedrich Grabbe
Verlag: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7323-4529-8
Hardcover:
978-3-7323-4530-4
e-Book:
978-3-7323-4531-1
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Gerhard Friedrich Grabbe
Leben am Parnass I
Heimat ist das Empfindungs-Erlebnis, die Wurzeln zu spüren, aus denen das eigene Selbst erwächst
Leben am Parnass
mit Zeichnungen von Thorsten Chr. Grabbe
Inhaltsverzeichnis
I. Aufbruch vom Leben an der Quelle
Aus Kindheit und Jugend – Gedichte in vorwiegend plattdeutscher Sprache Seite
Hier also finde ich euch wieder? - Erzählungen:
Bei den Eerdmantjes
Das steinerne Feld
Der Stein des Baumeisters
Das Jahr der Eisblumen
Ora et labora
Bestimmung
Begegnung am Parnass
Das Angebot
Erkenntnisse
Das Standbild
Die Legende vom Spiegel
Den Mühlstein an dem Halse
Der Knabe im Park
– Was für ein Morgen!
II. Bachbett-Mosaik
Satire (Erzählungen / Fabeln / Programmatisch Zeitkritisches)
Diebesgut tut selten gut
Die Ringe des Polykrates
Die Grille und die Ameise
Risiko
Der Blinde u. d. Lahme
Bildung
Die Sahne von heute…
Journalismus
Kleckseln
Für euch
Das Los des Widerstande
Mein Freund Joke
Was sollen wir lernen?
Was nun?
Sozialverträglich
Filou
Krieg der Tiere
Die Fahne nach dem Wind hängen
Schipper an Bord
Die Eiszeitlichen
Kannibal
Colonia automatica
Der Kuckuck
Kraftfutter
Machen Schaltkreise Menschen?
TV macht Unterricht
Halt, Deutschland!
Devot
Verspottet
Legen Ihre Hühner
Sind wir gg. Gewalt
Präd.: Bes. wertvoll
Der Denunziant
Quellwärts gerichtet.
- Gedichte
darin die Gedichtszyklen: Die Emser Gedichte
Anglikanische Hymnen
Auferstehungs-Kantate für Kinder
Irrlichter der Tugend
Grenzgänge
Die Anzinger Gedichte
Raphael Müller
Psalm 84 – Erkennen und Bekennen
Zur Person des Autoren
Mein Teddybär
Des Kindes Einsamkeit der Nacht,
wo Traum und Wachen sich verschworen,
hat Bilder in mir aufgebracht,
von denen manche zwar verloren,
doch eines blieb mir stets vermacht,
das, rief ich’s, still mich angelacht:
ein Bärenkopf mit runden Ohren –
ein süßer Trost: mein Teddybär!
Ihm strickte Mutter was zum Knöpfen,
damit er nicht so nackig wär’.
Oft matt vom Spiel bis zum Erschöpfen,
fiel mir der Gang ins Bett nicht schwer,
doch gab man mir mein Bärlein her,
wie raunten wir mit heißen Köpfen!
Vertraulich hielt ich’s mit dem Freund,
weil Spötterzungen hässlich sprechen,
weil Neid mit Hohn nicht lange säumt,
den freien Kinderbund zu stechen.
Er hörte mich, wenn ich geweint,
und heilte, was kein Gönner leimt;
wir teilten Herz- und Zeitgebrechen.
Was bliebe mir, wenn das nicht mehr?
Wir hätten wenig Grund zum Lachen,
uns rollten bitt’re Tränen schwer,
wenn zwischen uns’ren Spielzeugsachen
der Tröster nicht, die Puppe wär’ -
wie damals mir der Teddybär -,
des Glückes Pförtlein aufzumachen.
(Blick auf den Garten – daneben: Der Fasanenweg heute. Den Garten gibt es nicht mehr.)
Dä Patt achterlangs
Unner Linnenboomen um’t Huus up’t Pattj
tüschen Rausen tree ick in’t Sünnenlüchten,
Sönndaggsstielle, feernher än Haauhnenkreihen,
Duben, dä guurren.
Sachte Wind striikt fauker dä Äkboomtacken
up unn daul, dat Loof fispert luuter, frömd mi,
dör dä Stammen kiik ick up Keunens Waldje
achtern in’t Dünsten.
Schaa van’t Boomen fluckert up Grön unn Spören,
lett sück mit miin Stockje nich änfach steeken;
Lüentjes scheellen, Filappers dwölnen stiellkens,
witten unn bunten.
Tüschen Heeg unn Waall slöppt disse Vörjohrsmörgen.
Jüüst van feern, van’t Flassmeertjer Kaark, dä Klocke,
sleiht mit fiine Slagg over’t Kampen rower,
stüürt mi dä Uhrtiid.
Bit an’t Weggeend gau ick unn unner Barken,
grön unn zoart dat schüddelnde Loof vör’t Blaaue;
Naubers Huus in’t Süenschiin kickt groot unn slauperg –
Maidagg an’t Mörgen!
Kinnerreupen
Diss Dagg wass hät. Ick stau in’t Poortje,
so’n lüetje Fend, unn kiek naudaul;
van mennig Rad sä ick ’n Foortje
in’t griese Sand än elke Maul.
Dä Süen sitt günners achter d’ Boomen,
man up blood Feuten is’t noch warm
in’t Sand. – Hier sünt sä komen,
man nu is’t Tied, nu mutten’s gaun:
Van nauh unn feern hör ick dä Meuders
Jüüst bölken nau hör Kind mit Nauhm.
(Dat wät elk Släf, dat du hum feuerst,
unn’t Eten sall up’t Taufel stauhn!)
So mennigään röppt dann wall rüggels,
dat Meuder wät: Hä hett’t doch höört!
Man mennigään streewt gornich vöggels:
Hä kickt so geern, wat noch passärt.
Dat düürt ’n Sett, dann hör ick’t Raagen,
unn’t Ollske hett hum läp bi’t Kopp,
unn „klipp“ unn „klapp“ – hä mutt sück bargen,
man nauher smeckt hum doch sin Soepp.
Dä Warmte steiht in Boom’n unn Heegen,
dä Wittdoorn bleiht mit fiine Röök,
dä Vögels hemm’n wall Jungen kregen
unn sörgen sück mit riike Flöög.
Min Mama röppt, nu mu’ck nau binnen,
man mörgen, wenn dä Süene schiint,
sall ick jeu wall up’t Patt weerfinn’n.
Door spööl wi weer – ass sück’t so fiend’t.
Kinner-Johr ’n
Westwind drifft dä Himmel so vull,
schnufft döör Tacken unn Blauden;
Süen is weg; wat dor bleihn sull,
sleiht dä Kopp vör Benau’n!
- Satt up’t Baank, lüetjet unn stiell,
sach dä Wulken sweven,
keek so trüürig döör miin Briell,
luurde, wor bünt sä bleben?
Elke Dag verwunnert mi läp,
paas ick up’n sünige Täken,
mutt noijt biistern, man krieg’t mit Swät,
jüüst bi’t Wulken-Söken!
Driift man henn, so swart unn swor!
Lüetjet fung ji an,
bliid 11ä hic – nu traunerg unn nor,
nett, dat man’t holln kann!
Knickern
Up’t Wegg an’t Heeg hör ick höör proitjen.
Wat hemmn dä vöör?
Willn dä sück wall mit Puelln klütjen?
Ick stau vör’t Döör.
Och nee, Ick höör’t: Dat geiht um’t Knickern,
unn hannig haul’ck miin Büdel rut
unn suus umteu; nu höör’ ck’t all bickern.
Dor sitten’s stiell mit’n spitze Snuut,
jüst ass mit siin geknickde Finger
höör Diedrich aall dä bunten Dinger
- elk up dat Gatt an –
widerschoof
unn dann,
gottloof,
in’t Lock!
Klock!
See dat letzde noch,
dor kraabde sück dä Winner doch
van elk dä Knicker uut dä Pott fix in siin Büdel.
„Nochmaul!“ so reepen aall teuglijk,
unn unner Laagen unn Gerödel
flog miin oell Knicker ook teu wiit!
Dor lagg hä stiell unn grön teu winnen,
man anners ään, ick wät nich, well,
kreeg hum mit aall dä annern binnen.
Unn ick?
Bi dit geiht’t selten geut, wenn’t beter sall!
Tickjen
‘T is Sauterdagaubend! Hier sitt wi unn kaueln
van elk ’n Beleevthät ’n bijtje teusaumen,
Wichter unn Jungse, up’t Trappen van’t Scheulpoort.
So ass wi dor sitten unn wäten uuns Woort,
dor kann sück up äänmaul ’n Fent nich betaumen
unn mutt dor 13ä hick1313en unn tegenjaueln.
Nu kummt ja än Schellen unn Schimpen geflogen,
unn dorum lett sück dä anner nich nögen
unn sitt hum, verdult ook, in’t Aubendfree nau!
Dat wull hä ja man; nu verdraggt sück’t ook gau,
unn beide targen nu uns teu Vergnögen;
wi springen so up, sä slaunt mennig Bogen!
Teuleetzd kann giinään mehr, wi staunt so unn jappen,
unn elk is’t maul west unn kunn ook well snappen,
so laag wi unn plinkern uuns hartkloppend an.
Diss Jaugen, nau’t Pultern, döör Süenschiin unn Sand,
düürt Meuder nich wäten, düürt nüms höör verflappen,
denn anners gifft ’t doch wat vöör Bielln unn Gatten!
Schoijen
O, kennt dijn Haart dä Schrick, so wunnersaum,
wenn di teu’t eerstemaul än süfzig Röögen
begripen lett, dat dijn Gedankenflögen
sück däp beswoorn mit än Verlangenstäken,
du föhlst, wo annern minner wäten?
Dijn Uurdäl harr’t vördem ook lichter meeten,
man dijn Verlangen wuurs, bleev nich mehr stauhn.
Du harrst ja sähn unn kannst nix anners mögen,
unn nix, as dat du’t kriegen muggst, kann dögen.
Door is bi dij in’t Haart ’n Schütt daulreeten.
Nett, wat d’ nich hemmen düürst, kannst d’ nich vergeten.
Dat wort teu Ölje, dij in’t Füür teu gäten.
Wat helpt dor noch, wat dij inwendig mauhnt?
An elke Dagg düürst du dijn Jammer pröben,
föhlst du heruut dat stedig staarker Nögen!
Jau, stiell beslijken dij in disse Weeken
dä noore, ägenschojerige Lögens;
bedoorst dij nich: Gijnään sall sück d’ran högen,
nee -: Du begeihst’t mit swoor benauhde Auhm
nimmst du’t – dat änstmauls Hillige mutt breken.
Teueerst bloot Klänigkeiten, dä wat leten,
dann hest du’t leehrt. So hest d’ dij dran vergrepen!-
Well dij vertraude, düürt nich an dij löben;
du hest dä Welt, hest ook dij sülms bedroogen.
Maggst du ook gauhn: Dij blinkt gijn stielle Traaun!
Büten
Wo fauk, dat dä Gedanken schofel
unn dat dat Haart bedroogen wuur!
Man wovöl swoorder unn wo stuuer
kwamm nauhst dat bitter Ingestauhn!
Wat hüff ich ook d’rup inteugauhn,
wat in’t Gewäten puust dä Düfel!
Bij’t Büten kroop dat Hemmenwillen
uut düster Heuken over’t Tuueng,
än söte Klang was door in’t Muuend,
man prees sück’t an, van Loov so full,
man wüss genaau, wo’t sitten sull
unn muss vör Glück, verdaamd, noch triellen!
In’t Oog dä Gier, um’t Muul ’n Smüstern,
so tuusk’den wij dä Riddersmann
teu’n Keerl up ’n Staang, dä kieken kann! –
Mijn Mama woorschau’d mij genug:
Sä wüss um disse Sülfstbedrugg.
Nu braannt ’t in Haand unn Haartensdüstern.
Gebuursdagg
Dat is bedocht vöruut in Weeken,
dat Nauers Jung Gebuursdagg hett!
Nu sitt hä fauk unn is an’t reeken,
man och! – dat düürt ja noch so’n Sett!
Teuletzd is bloot än Nacht noch bleben,
unn ’d Jung siin Ohren bünt läp lang;
bi hum unn Mama is’t ’n Upreegen.
Hä slöppt häl nich -: dor bün’ck um baang!
An’t Mörgen sitt völ Sand in’t Oogen,
man dor, mit äns, is hä der all!
Dä Köken warm, heell Füer in’t Obent,
unn alles find’t hä, so ass ’t sall.
Hier Schrieftüüg, dor wat anteutrecken –
(’t is Winterdag, in’t Januoar) –
- dor Spöölreef – ook noch wat teu slicken!
Gebuursdag is’t - ’t is wunnerboar!
Nu man an ’t Teufel unn wat eeten!
Vöör’n Happke sitt hä nett noch vöör,
man nu in’t Joepp, dä Pool gegrepen,
dä Ranzel up, unn nu van Döör!
’T is kolt in buten, man dor günners
stappt hum siin Fründ vergnögt teumööt,
unn aall graläärn’s hum, aall dä Kinners,
unn bolt ook kwammen’s noch teu laut!
In’t Scheul düürt hä nau vören komen
unn teu dä Kinner höör Gesieng
mit’t Finger wiisen, unn, mit Schaumen,
singt hä dorteu mi heelle Stiemm.
Vör’t Naumiddag hett hä’s inlauden,
dä hum bii’t Spööln an’t naugsten bünt
unn dä jüst ook in’t letzde Daugen
wall ördentliik unn läw west bünt.
In’t lüetje Köken steiht siin Taufel,
wor elke Kind geut sitten kann.
Van Daug gifft’t Keuk, wor’t anners schofel,
Kakao unn Melk unn sogor Sauhn!
Dat Spöölreef is teu moj unn nüdelk,
unn alltijd hät’t’ : „Vörsichtig, Jungs!
‘T mutt laang noch holln!“ So bünt sä freedelk,
sogor mit Naubers Wicht! Dat köönt s’!
Dä Dagg geiht henn; dat Spööln in buten
hollt noch wat an; bi’t Schummern is
unn d’ Kökenlaamp hör dör dä Ruten
dat Eeend van diss Gebuursdagg wist.
Sä sluurn nau Huus; ‘t gifft Aubendeeten,
man up d‘Verwaandde wacht hä noch:
Wat dä noch brengen, mutt hä wäten!
Up’t Eend, mi dücht, slöppt hä dann doch.
Dä Grooten düürn sück wat verteellen
bi Keuk unn Tee unn ook noch Kuur. –
Diss Dag wass moj: Dor gaff’t gijn Scheellen,
hier gaff dat ruum, wornau hä luur’!
In’t Meuer
Mit bloode Feuten loopen wi Fründen gau
van Huus nau’t Meuer. Taaske mit Eeten fast
an’t Henkels. Klipp unn klapp up’t bülerg
Feutpatt, unn däper in’t Leegmeuer koom wi.
Dä Röök van bruune Heijde umweiht dä Nöös,
unn bruun dat Wauter, wat dor in Slooden steiht,
dä witten Barkenboomen röögen
Kronen unn Blauden in’t warme Weihen.
Dä Tochsloot, dä wi jüst overspringen könt,
hett sünig Wauter. Wijder dä Patt in’t Meu’r.
Vörbij ann lüetje Huusen. Nauger
Koom wi an’t Poort, dä wi overklautern.
Dör’t Kamp, dör Gress unn wijkende törfig Grund
umhollt uuns wiide Stiell unn Kiwittreup.
Dat feerne Leben fiend’t uuns äänsaum
stappen in disse beleevde Wiide.
Bloot enkelt, henn off heer, waast än Lüchtmast hoch
siin Drauhden leeggen Schaa over’t freije Land,
dat Veijh in’t Kamp vörut kickt freedelk,
düster dä Puckel van’t Hochmeu’r d’rachter!
Unn nochmaul klautern wi over’t Schütt van’t Weij
unn endlich säh wi Vauders beweegde Rüegg:
Hä steekt in’t Up unn Daul dä Palten
Törf sück herut! Man nu bünt wi anlaangt!
Vör hum dat Brot unn ’n Kluckje uut ’t bruune Flers,
unn smüsterg wisst uns Vauder in’t Törf ’n Flient.
Hä mänt, wi sulln man jüst ’n lüetje
Flintstäntje pooten teu grooter waarsen!
Wi hemmn’t ook daun unn maarkden dä Stee uns fast,
bekeeken nauher Slooden unn Gress unn Heijd,
wi keeken geern dä Vögels nau unn
söggden van’t Kiwitt dat Nüst mit d’ Eier.
Wo fauk dat wi helpen unn lauden kunn’n
unn fuhren stiell mit Vauder up’t Plaank vörnup,
dä „Voss“ truck saacht dä Ackerwaugen,
ijsdern beslaun unn up’t Aasen knaukernd.
Van boben leep dä Grund unnter d’ Änsteell weg,
mit elke Tree van’t Peerd stoof dä Sand umhoch,
dä Steert umslog bi Sett’n dä Biellen,
rot leep vörut uns dä Aubendsüene.
Mit Blömen kwamm ick s’mauls off mit Heijd nau Huus,
man mäst mit Smacht in’t Liif unn dat Hoar vull Meu’r,
dä Oogen blank, dä Bään so möije, -
dröömde van Wullgress unn Wautergauten.
Up Böskupp
Mit disse groode Taaske
stüürt Mama mi up Patt:
Ick sall ’n Buuskohl haulen
Unn Wuddels unn noch annerswatt.
Dor bruukt sä nix vör teu betauhlen,
dat hett dat Fraumensk hör beloovt.
Dä Patt kenn ick wall van vergangen Maulen
unn ook dat Huus, wor unner’t Heeg ’n Teef
ruutschütt unn maukt mi lüetje Fent in Not!
Dat Naubers Jung mitkunn, dat harr’ck doch hoopt
Man dä harr jüst giin Tiijd, dä oelle Släf!
So mu’ck allään van Dag mit miin Benauen. –
Dä Hund iss upschütt! Wo hä toovt!
Ook gorkijn Fent, dä mi wall hauen
unn mi wall riiten kunn van’t Rad!
Mit’t vuelle Büdel jaugen
nau Huus – unn Peeren satt!
- An’t Liin weiht Mamas Waaske.
Stiellfrädag-Vörmiddag / Karfreitag
An disse Mörgen bün ick freuh in’t Kläer,
up’t Fluur vull Sünnenschien teu’t Döör in buten
unn tree van uens Portaul dä Stänpadd langs
up’t Poortje unn bi’t Wegg, stauh tüschen Boomen
van dunkelgrööne Taxus, Wittdoornheegen,
in’t köhle Schaa van hooge Linnenboomen
unn 20ä hic Smidts Tuun Sünnenlücht gebret’t
unn Stielle; höör feernhenn dä Naubersheuner
in’t Staall unn buten kaukeln van höör Eijer.
Dirks Huus? – Dä groode Flöörkebuschen holl’n
dat Röögen dor unn ook dä Pütte feijn
verstoppt. Du auhnst dä Mensken, man teu sähn
is nümms; dä Lüü nau’t Kaark bünt laang vörbi.
Än friske Röök umdrifft miin Hoor unn Sinnen,
ick holl mii fast an’t Poortjepauhl unn lüster
up Sing unn Sang van uens Netüür unn föhl
mii buurgen, ääns mit buten vör unn binn’n
in disse junge Haart vull Vörjohrsauhnen.
Än Düük van aalls, wat leevt, vör’t Lebent,
maukt Hartensseehr an sückse Lebent fast!
Ein Knabe war ichdiesseits neu gemacht:
am frühen Vormittag aus dem Portal
den Steinpfad hin zur Gartenpforte schreitend,
vom Sonnenlicht begleitet, wie benommen
am Treppenaufgang zwischen Taxusbäumen
auf Sandweg, duftig grüne Hecken schauend,
Kniestrümpfe weiß, und weiß das Hemd, die Schuhe
geputzt von Mutter, die jetzt drinnen wacht,
steh’ich, ihr Sorgenkind, am Pfortenpfahl
die Hand, das Haupt gelehnt, vertraut hinbreitend
der Seele Helligkeit, dem Glück entnommen;
vom Lindenblätterdach beschattet, träumen
des Lichts Geschwister, klangerfüllt erschauend
am nahen Nachbargarten dichte Schöpferruhe –
hebt mich, neun oder acht? – zum Brudermunde
- : besiegelt küssendmeines Lebens Bund!
Hymnen an Eden
Up Visiit – as än Jung, nett henn teu väär off fijf,
lagg ick stiellkens up ’t Lijf, keek up dä Biller groot,
Omas Bibel as Rautsels,
maall unn hillige Lüü teumöet.
Zeichen schuf sich der Mensch, Ausdruck geformter Zeit,
Worte meißelnd in Stein, siegelnd das heil’ge Ja
lebensspendender Liebe
als Programm, als der Bibel Vers.
Kriig was uut, unn in’t Haarst, s’Naumiddaugs Suennnen schiin,
gung ’t teu ’t eerstmaul in ’t Scheul, satten wi Kinner stiell,
Leij unn Griffels up ’t Banken,
seäss in ’t Rijg, Jungse unn Wichter, smaul,
Künstler wie auch Prophet nutzen der Sprache Gunst,
wissend, Mittler zu sein zwischen erahntem Hier
und ersehnender Zukunft,
Boten waltender Gotteskraft.
Keeken Mesters Gesiecht, nejschierig up sijn Deun,
Griffels kraabden up ’t Leij, Beukstauv up Beukstauv wuurs
in uens Vörsteelln teu Prooten:
Rautsels gungen vör ’t Leben up.
Michelangelo trieb einzig beseeltes Sein
in des Marmors Gestalt; alle die Großen sind
Zeugen eigener Welten,
Eingebund’ne in weitem Licht.
Leesen leerden wi nu, wuursen Biller unn Beuk
teu än Böskupp vör uns, settden sück in uns fast
as än Grafftstään teu wäten,
dat du süchst, wat dor buurgen liggt.
Alles, was noch der Mensch glücklich vom Ganzen träumt,
ist beschlossenes Sein-Werden-Vergeh’n als Sein –
- schwebend zwischen den Lichten –
hütet Schöpfung der Kreatur.
Kinner leern hör Sprauk seker mit Haan unn Haart,
dorum laut hör dä Tijd, Äänklang teu sähn unn Free,
wor sück Lebent hör updeiht
unner hillige Kreatüürn.
Baum, du hohes Gebild’: Glücklich im Blätterdach
baut der Vogel sein Nest, füttert die junge Brut,
spielen Kinder im Schatten –
Endlich’s atmet unendlich neu.
Gau ick stiellkens van Döör, säh ick unn hör ick jeu
jung – unn föhl jeu as mii – in mi unn dör mi gauhn.
Elke Dagg is mi Täken -:
Rautsels deunt sück mi up as Bild.
Eden
Mit naukend Puckel wüpp ’ck over ’t Huusdöörs Röst,
van hääte Stänen, brannerge Sand up ’t Gress,
dwass over ’t Rausen up uens Tuunpad,
schuul mi an Plumboom unn Fispels wijder.
In sich’rem Schatten lauschigen Apfelbaums
gewährt der stille Nachmittag Knabenmut,
erspäht das Auge reife Früchte
klettert der Fuß mit behenden Schritten
den schräg sich aufwärts reckenden Baumstamm, hält
des Spähers Blick im schützenden Blätterdach
nach Neuem Ausschau in des Gartens
grünender, düftebeseelter Runde.
Ick funn mi geern mit ’t Telt unner ’t Flöörkebusk,
in ’t Wijs van Vögelstimmen unn Menschenklang
unn wat dä Tijke, Ruup unn dwölerg
Filappers annerwijs seeggen mussen.
Teu disse Stee, teu disse gemaulde Tijd
well anners inteunöegen, dä nix dorvör
in Haart unn Sinnen overharr, wass
teegen miin Meut van sücks Kinnerdaugen.
War’s Eden, mir Geschenk der verzückten Zeit,
im Baume sicher schützender Elternschaft,
so lernt’ ich, zögernd Schritt zu setzen,
schüchternen Sinnes, doch wachen Herzens.
Des Kindes Wesen zeigt sich im reinen Sinn,
begehret Schutz der Mädchen und Knaben Scham,
verdient des Schänders Tat nicht Schonung,
zwingt er hinunter der Kinder Unschuld!
Wat mennig Kind unn Spölkameraud wall wüss,
dat treude uuns teu wohrschaun so licht wall nüms;
unn Clemens kneep bij’t Büxenmeten
jüst ook mijn Keerlke – unn ich versweeg dat!
Ja – Eden, denk’ ich, wächst es aus Elternhand,
gewährt es sich’ren Schutz über Kindes Haupt,
es webt das stille Werk der Unschuld,
ehe dem Leben man’s frevelnd niedrigt.
In ’t Tuun stunn’n mennig Boom unn ook Busken vööl,
dor tüschen Planten, Blömen unn Struken houch,
unn satten dor smauls Vögelnüsten,
hulln wi uns stiell unn beluur’n dä Jungen.
Unn wassen’s groot unn flüegg unn dat Nüst jüst leeg,
dann wass wi stolt, dat nüms van dä anner Jungs
dat Nüst uutreeten harr, dä Eijer,
rijgwiis up ’n Band, in höör Köken bummeld’!
Es sündigt erst der Mensch vor dem Paradies,
wenn sich der Kopf der Seele versagen heißt,
der Kreatur den Schutz verweigert:
Übermut schädigt des Schöpfers Walten.
Und ist des Lebens Rücklauf begonnen, lenkt
es klugen Schrttes, weise geworden, bang,
voll Sehnsucht heim die Schritte; doch nun -?
Fremd ist der Garten und öd’ die Stätte….
(„Da ich den Herren rief, antwortet’ er mir. “)
Hier also finde ich euch wieder?
Erzählungen für Kinder
Zusammengefasst
im August 2014
Aus ostfriesischer Sage
frisch auf den Tisch:
Bei den Eerdmantjes
Eine Erzählung für Kinder
Dezember 2005
Eidetik befähigt, durch den Schöpfungsgeist Personen zu begegnen, die körperlich nicht anwesend sein können.
Dichtung befähigt, dies glaubwürdig zu bezeugen
Die Vorgeschichte
Denkt euch: Meine Frau setzt mir einen Floh ins Ohr (das sagt man, wenn man einer Idee zuhört und nachgeht, die andere Leute einem mitgeteilt haben). Was also hustet mir der kleine Springinsfeld?
„Schreib’ doch mal eine Geschichte für Kinder – eine von den Eerdmantjes, die sich gegen Wind, Wetter und freche Nachbarn wehren mussten!“
Na, da hat sie mich also in den richtigen Zug gesetzt. Aber ich falle nicht vor Schreck in’s Blumenbeet!
„Warum schreibst du die nicht selber?! Wollte ich wissen.
„Mir fällt doch nie was ein!“
Also – gerade war ihr doch mal was zwischen die Ohren gerutscht -: falsche Bescheidenheit?
Selbstverständlich nicht – sie ziert sich nie, will aber auch nicht an den Haaren an den Schreibtisch gezogen werden: Den Platz hat sie mir Zeit unseres Lebens freigehalten.
Sie wird es nicht machen. Aber ihre Idee bleibt wie ein Samenkorn in dunkler Erde und fängt an, in mir zu treiben. Es ist wie ein befruchtetes Ei: Du sitzt da ’ne Weile drauf, ein paar Wochen, heißt das, und irgendwann piepst es unter dir, und du hast das Küken – will sagen, einen Roman für Kinder! Aber kurz muss er sein: Ihr haltet euch nicht an Kleinigkeiten auf.
Mir geht es, nebenbei verraten, in dieser Sache wie allen Vätern: „Immer diese Männer: zu nichts zu gebrauchen!“ – „Fang doch mal die Maus auf dem Dachboden!“ – „Stellst du mal die Heizung an – siehst du nicht? – mir ist so kalt!“ – „Wo ist die Küchenschere? Eben hatte ich sie doch noch!“ – Jeder kennt diese Fragen, auf die der Vater stumm apportierend antwortet. Man will ja schließlich keinen Krach oder als herzlos in der Nachbarschaft verschrieen sein. Lasst mich also mal nachdenken – hm?
Erstes Kapitel
Grundsätzlich geht es um kleine Leute – die fallen ja nicht so auf, dagegen hört und sieht man die großen, also die langen, oder hört sie brüllen. Sind die Eerdmantjes, die im Plytenberg, einem zwölf Meter hohen Hügel, leben sollen, nun unauffällige Zwerge? Sind sie etwa kleinwüchsige alte Männer mit grauen Bärten und roten Zipfelmützen, deren Spitze bis zum Po reicht? Ihr kennt sie ja aus den Geschichten: Kleine schlaue Hutzelmännchen, die sehr viel über das Leben ohne Tageslicht Bescheid wissen sollen. – Oder sind ihre Gene ohne Programmierfehler und haben die richtige Größe vorgegeben, mit der diese Sagenfiguren sich im „Berg“ ausreichend bewegen können? Oder sind es nur Maulwürfe, die den Leichengeruch vom nahen Friedhof nicht mehr vertragen oder aus den Vorgärten der Leute flüchten mussten?
Graben die Eerdmantjes nun wie die Maulwürfe in der Erde herum? Wühlen vermutlich nach Schätzen oder knabbern den Leuten heimlich die Wurzeln ihrer Pflanzen weg? Kennt ihr ja: Heute grad’ gegossen, stehen sie in prächtiger Größe frisch und gesund – und morgen hängen sie schlaff in der Gegend herum!
Solche Flegel sind das also – mit Bärten, Zipfelmützen und gerissenem Grinsen?
Nein, das glaube ich nicht! Da fallen mir doch gleich die Heinzelmännchen ein, die nur deswegen wegzogen, weil man sie über Erbsen hatte ausrutschen lassen. – Was soll überhaupt diese Schnüffelei?
Wenn also die Erdmännchen nichts Arges vorhaben – man wüsste dann schon längst Genaueres – sind sie gewiss heimliche Helfer. Was sollten sie sonst mit ihrer Zeit anfangen? – Putzen sie vielleicht auf dem Friedhofe die Krypta mit dem klangschönen Gewölbe? Oder reinigen sie heimlich Gräber an Stelle der Angehörigen, die nicht kommen und selber pflegen können, weil sie zu weit weg wohnen oder gebrechlich geworden sind?
„Schreiben Sie“, ermutigt mich der Pfarrer einer der drei großen Kirchen dieser Stadt, „woraus ihre Speise besteht, weil sie beschafft werden muss, ohne dass die kleinen Wichte dafür arbeiten müssen, und weil sie ihnen offenbar nie ausgeht, denn sie sollen wohlgenährt und stets freundlich grüßend gesehen worden sein.“
„Und das wissen Sie bestimmt, dass sie regelmäßig zu Tische kommen?“
„Nicht nur das“, versetzt der Pfarrer, „es stirbt von ihnen auch keiner – oder haben Sie irgendwo ein Grab von ihnen entdeckt, etwa so groß?“ – und er zeigt eindrucksvoll mit den Händen Länge und Breite einer Kindergrabstätte.
Ja, jetzt staunt ihr auch, nicht wahr? Aber das kann nur verstehen, wer sich mit Geistlichkeiten auskennt.
Also grüble ich weiter, wälze kluge Ratgeber aus der Bücherei, befrage in meiner Verzweiflung den Mond, der mich nachts über dem Schreibtisch auslacht, unterhalte mich mit Nachbars goldgelbem Kater, und der schnurrt mir so vieles, dass ich ganz friedlich dasitze und seine bernsteinfarbenen Augen bewundere, die er klug auf mich gerichtet hält. (Ab und zu guckt er auch mal zur Seite, schleckt sich das Mäulchen oder das Fell, aber dann hat er mich wieder im Auge und beantwortet mir die wichtigsten Fragen).
„Die anderen“, sagt er, „die nicht so bedeutend sind, werden nicht dadurch wichtiger, dass ich darüber dauernd rede.“ Da hat er recht. Denn die meisten Leute reden über Nebensächlichkeiten und vergessen darüber ihre Tagespflichten.
Letztlich wende ich mich an meinen besten Freund. Ah – den kennt ihr nicht? Na, vielleicht stelle ich euch den mal vor – nicht heute, er möchte noch ein bisschen inkognito bleiben ( = er will nicht erkannt werden).
Also, kurz gesagt, meine hier aufgeführten Freunde sagen mir alle das gleiche: „Pfeif’ auf die Wissenschaftler und Scherbenbuddler, (auf deren ewig gültige Wahrheit kannst du lange warten!) – auch nicht auf das Geschwätz der Leute auf der Straße! Geh selbst nachsehen, sonst wirst du zu alt, um dich für so etwas zu interessieren.
Na, ich bitte aber sehr! Würdet ihr euch so etwas nachsagen lassen? – Aber ein bisschen recht haben sie doch. Ich werde siebenundsechzig, da muss man sich schon ein wenig sputen.
Zweites Kapitel
Ein warmer Sommertag geht zu Ende, die Sonne glimmt über dem Horizont. Auf dem Friedhofe packen die letzten die Gartengeräte zusammen. Eine Gießkanne pendelt müde an ihrem Haken neben dem Zapfhahn, letzte Wassertropfen fallen mit hellem „Pütt“ in das Becken, dann haben die Vögel das Wort. Fast gar nicht dringt der Stadtlärm noch bis hierher.
Aus der Blätterdunkelheit eines großen Baumes trete ich ins Dämmerlicht und schreite ruhig dem Ausgange zu. Von diesem friedlichen Schlafplatz aus wende ich mich zum Plytenberg. Es fragt sich: Wo kann ich ungestört warten – oben am Baum, unten am Fuße des Hügels oder auf halber Höhe? – (Hier haben es die Hunde nicht leicht, also droht hier die geringste Gefahr für ihre „Landminen“). Ich entscheide mich für die Hanglage, lasse mich vorsichtig im Grase nieder und sehe dem glutroten Sonnenball ins Gesicht. Einen prachtvollen Gutenachtkuss zaubert er mir auf’s Gesicht, dann verabschiedet er sich und klappt die Läden herunter. Na, dann ….! Jetzt dunkelt es rasch. Aller Orten hat man zu tun – nicht immer besseres, aber – vor Streunern habe ich Ruhe. Meine Ohren spitzen sich, je weniger ich um mich herum erkennen kann.
Plötzlich ein zarter Stups gegen mein Knie!
Erschrocken fahre ich hoch – hätte fast schon genickt! – und sehe in ein Kindergesicht, darüber eine Mütze – ah: Es ist eine Zipfelmütze, vermutlich rot.
„Hallo, großer Bruder!“
„Huch! – Mit dir hab’ ich gar nicht gerechnet.
„Wartest du auf jemanden?“
„Klar – auf ein Erdmännchen! Aber gehörst du nicht schon nach Hause?
„Ich wohne hier.“
Mir wird heiß – es wird also ernst: Ich muss dem Kinde sagen, dass es zu Vater und Mutter und ins Bett gehört. Passiert der oder dem Kleinen war, kriege ich mein Leben lang keine Ruhe mehr. Drum frage ich: „Gibst du mir deine Hand?“
Ein zartes Kinderhändchen fasst energisch die meine. „So?“ fragt das Gesicht lächelnd.
„Darf ich dich nach Hause bringen? Deine Eltern warten doch schon!“
„Och – die Eltern? Die warten nicht. Ja – die einen behaupten, wir wären nicht von ihnen. Die anderen nörgeln, wir wären zu nichts zu gebrauchen und kosteten zu viel. Die dritten schimpfen mit uns oder schlagen oder quälen uns. Die vierten geben uns kaum oder nichts zu essen. Die fünften tun uns etwas ganz Schlimmes an. Die sechsten verkaufen uns. Die siebenten stecken uns in Heime. Die achten pressen uns zu Soldaten, und dafür müssen wir erst unsere Familie erschießen. – Bei uns war aber eigentlich alles normal. Dann wurde ich krank. So geht es denn auch den meisten von uns. Übrigens sind wir jetzt allein, und darum sind wir hierher gezogen. Hier lässt man uns in Ruhe, seit sie umsonst gewühlt und mit Sonden und anderen Instrumenten alles durchleuchtet haben. Keiner glaubt, dass hier wer im Berg wohnt. Wen man nicht sieht und nicht wegjagen kann, den gibt es nun mal nicht.“
„Wie viele seid ihr denn?“ frage ich erschüttert.
„Ach, weißt du, das schwankt. Je mehr du erfragst, desto mehr kommen heraus, um dich zu begrüßen. Siehst du?“ – Die kleine Hand beschreibt einen Halbkreis hinter und um uns.
Und in der Tat: Rotmützige Kinder von ganz klein bis zwölf Jahren halten den gesamten Hügel besetzt. Sie wispern, zeigen verstohlen auf uns, sie sprechen über uns, ein geheimnisvolles Brausen schwillt über den Hügel empor. Helle, vielstimmige glöckchenzarte Stimmen haben viel zu berichten, zu fragen, zu erklären – man hört sie gut heraus. Jetzt wird es Zeit, dass ich mich erhebe, meinen kleinen Freund an die Hand nehme und der Versammlung in die leuchtenden Auge sehe.
„Ich bin’s“, sage ich etwas laut, aber deutlich, „und ich habe euch gefunden, weil ich euch glaube!“
Hunderte Kinderhände beginnen zu klatschen, es will gar nicht enden. Das habe ich noch nicht erlebt. Da erhebt sich ein etwa zwölfjähriger Junge und hält den Blick fest auf mich gerichtet. Der Applaus verebbt.
„Willst du unser Zeuge werden, ohne zu verraten, was wir gern für uns behalten“
„Nichts werde ich sagen, was ihr nicht auch wolltet.“
„Willst du als unser neuer Bruder unser Gast sein?“ – Ich nicke.
„Komm doch, wir haben dir viel zu erzählen!“
Erneuter Applaus! Sie umringen mich, führen mich und Mirjam –(es ist also doch ein Mädchen) – und plötzlich stehe ich in einem Raum und muss begreifen, dass ich in den Berg gebracht worden bin.
* * *
Schreiben, was ich erlebe, und doch nichts verraten – geht das überhaupt? Wenn man mich später fragen wird, was ich gesehen habe, weil ich Zeuge war, muss ich das beantworten? Nur, wenn andere zu Schaden gekommen sind – und was tun solche Kinder anderen wohl Übles an? Himmel auch! Ich muss gar nichts sagen, auch wenn man mich fragt – Schluss und aus!
Ja – könnt ihr mir überhaupt glauben? Die Kinder des Plytenberges jedenfalls vertrauen mir. Wenn ich die enttäusche, brauche ich niemandem mehr mein Wort zu geben.. Auch ihr würdet euch von mir abwenden, wenn ihr herausbekämet, dass ich Kinder belogen hätte. Nein, das traue ich mich nicht, und ich finde es obendrein widerlich. Also werde ich die Erdmännchen entscheiden lassen, was ich schreiben kann, was lieber nicht. Seid ihr mit diesem Entschluss einverstanden?
Man könnte ja einen Trick anwenden: Der sähe dann so aus: Kinder sprechen und verstehen sich überall auf der Welt, weil sie sich Zeichen aller Art geben. Und die könnte ich ja ganz harmlos beschreiben, dann wüsstet ihr, was meine Freunde so denken und wollen, und dann wüsstet ihr mehr über sie.
Das ist aber, wie gesagt, ein Trick und ein übler dazu. Es wäre Verrat, so oder so, wie eine Art Foto: „Ich hab ja gar nichts gesagt – aber ich habe das Bild sprechen lassen!“ – Nein, so etwas tut man nicht. Und die Geschichte mit dem streng gehüteten Geheimnis, das man ausnahmsweise und nur der Freundin ins Ohr flüstert, ist das sicherste Mittel, um eine Botschaft schnellstens in alle Himmelsrichtungen auf den Weg zu bringen.
Nein, wir ratschen nicht! – Sei es aber, dass die kleinen rotbezipfelten Freunde es mir ausdrücklich erlauben, dann seid ihr die ersten, die es erfahren werden.
Der etwa zwölfjährige Junge heißt Adrian, seine kleine Schwester Mirjam – das ist das Mädchen, das mich zuerst angesprochen hatte („Das liegt so in der Familie, dass man weiß, wen man ansprechen darf und wen nicht!“ hat sie mir anvertraut). Na, Gott sei Dank!
Drittes Kapitel
Auf welche Weise ich in’s Bett gekommen bin oder überhaupt, wie man in den Berg eintritt, beides weiß ich am nächsten Morgen nicht zu berichten. Man wird es mir zeigen, denn alle Eerdmantjes haben zu jeder Zeit freien Ein- und Ausgang, ohne je dabei von draußen beobachtet werden zu können. Adrian, seine Schwester oder irgend ein anderes dieser seltsam friedfertigen fröhlichen Kinder werden mich einweisen – die haben überhaupt keine Bedenken!
„Du musst verschiedene Handgriffe beherrschen, damit du ’raus kannst“, erklärt mir meine kleine Freundin. „Möchtest du sehen, was die da draußen gerade treiben?“
„Die Menschen draußen?“
„Na klar – die glauben doch, uns gibt’s gar nicht. Na, dann guck mal!
Zuerst beschreibe auf der Tür einen Kreis – hier, auf dem Stadtplan, damit du weißt, welchen Bezirk du durchstreifen wirst.“
Die Raumbestimmung ist fertig.
„So, jetzt einen Zeitkreis: Das Ziel kehrt zum Anfang zurück.“
„Meinst du, wir verlieren überhaupt keine Zeit, wenn wir da draußen herumdackeln?“
„Je größer der Kreis, desto mehr Zeit hast du“, weicht Mirjam aus.
Ich denke: Sei klug, alter Junge, du kriegst das später noch erklärt. Aber etwas fröstelt mich plötzlich doch.
„Wie komme ich in den Berg zurück“, will ich wissen.
„Wenn deine Sehnsucht so stark nach uns ist, dass du uns wiedersehen willst, öffnet sich der Berg von ganz alleine.“
„Also könnte ich jetzt gehen?“
„Dann bedenke, dass dein Zeitkreis nur für drei Stunden recht, dann ist Mittagessen. Und“ – sie zögert: „schreibe auf die Tür, warum du gehen willst.“
Verdutzt, bleibe ich unschlüssig. Nach einer Weile frage ich sie:
„Darf ich dich um etwas bitten?“
Mirjam sieht mich verständnisvoll an. „Na, komm schon – wir gehen beide!“
Woher weiß das Kind, was ich denke?
Die Eerdmantjes sind doch sonderbare Wesen und keinesfalls zu unterschätzen!
* * *
„Sag’ mir doch, was du seit gestern Nacht fühlst, großer Bruder!“ Jetzt wechsle ich die Seiten: Sie geht rechts, ich fasse ihre kleine energische Linke und fühle mich wie ein Floh auf dem Rücken eines Hundes.
„Du weißt es, oder?“
„Gilt aber nicht: Du musst es selber sagen, sonst wirst du es nicht los.“
„Ich brauche das, was man frische Luft nennt: Mein eigenes Lebensumfeld, an dem ich trainiere, nicht dumm auf die Nase gelegt zu werden.“
„Ah, so …!“
„Das ist aber nicht alles!“
„Weiß ich!“
„Ja, zum Donnerwetter – warum soll ich’s dann sagen?“
„Dann bist du dir sicher, dass ich es auch so sehe.“
„Stimmt – ich suche Tiere und Kinder, weil ich an ihnen erkenne, wie es um sie her mit den Menschen bestellt ist, und“ - -
„Was: … und?“
„Kinder sind Botschafter: Ich halte meine Empfangsfrequenz für die offen!“
„Und deine Sendefrequenz?“
„Was weißt du darüber?“
„Gehen wir über den Friedhof?“
„Wegen des Schattens?“
„Auch – aber wegen deiner Frequenzen.“
„Mirjam, was wird das?“
Sie lacht, dass die Drossel vor Schreck fast aus dem Gezweig fällt.
„Du wirst schon sehen.“
Einige Leute haben bei Gräbern zu tun. Sie beobachten einen älteren unscheinbaren Mann, der hier eigentlich fremd ist, und verfolgen ihn auf dem Wege zur Krypta.
Wir spähen durch das Gittertor.
„Wir können da nicht ’rein, kleine Schwester.“
„Hm – dann lassen wir’s doch.“
Unversehens mauzt jemand zu meinen Füßen, und eine Graugetigerte streicht mir um die Hosenbeine. Da muss man doch streicheln!
„Sie hat dich schon begleitet, als wir auf den Friedhof kamen.“
„Hast du gesehen, ja?“
„Sie will dich begrüßen – du bist für sie jetzt aufgenommen – du verstehst?“
„Woher weiß sie das? Woher kennt sie mich?“
Mirjam lacht wieder hell auf. „Spielst du mit dir Verstecken?“
Jetzt streicht ihr die Katze um die nackten Beine. Als sich das Mädchen in die Hocke begibt, senkt sich ihr blaugrauer Rock über Beine und Katze. Die hat zu tun, kommt aber vergnügt wieder heraus. Ihre Augen sind auf mich geheftet, dann kommt sie, der auch ich in die Hocke gegangen bin – sonst stimmen doch die Größenverhältnisse überhaupt nicht mehr – und ihr aufgerichteter Schwanz streicht mir zärtlich unter der Nase durch. Da soll man nicht niesen!
Dann betrachte ich das Mädchen: Sehr dunkles Haar, unergründlich dunkle Augen, gebräunte Hautfarbe, ein Gesicht, auf dem sich abbildet, was ihr aufgegeben ist -: zu sein und um hier zu bleiben. Ihre Augen folgen der Katze, dann sind beide Augenpaare auf mich gerichtet. Man hat also sein gemeinsames Urteil gefällt.
Still halte ich – sage kein Wort – ein müdes Blatt trudelt zwischen uns herunter und legt sich auf Minkas mattglänzenden Rücken. Mit einer Bewegung registriert sie die unverhoffte Berührung, setzt sich und leckt sich das Fell.
Fest schaut mich das Kind an.
„Es muss wohl so sein“, bringe ich zögern heraus.
Ihre beiden Hände fassen meine; wir erheben uns, Minka stutzt, leckt dann aber weiter.
Wir setzen unseren Weg fort.
Dies also war die zweite Begegnung!
* * *
Dankbar nehme ich ihre Hand, als sie mich sicher über die stark befahrene Blinkstraße geleitet, und wir lassen uns auch dann nicht los, als wir in Richtung Krankenhaus schlendern und verschiedene Begleiter und Entgegenkommende passieren lassen.
Als wir am Eingangsportal des Krankenhauses vorübergehen, drückt sie unvermittelt meine Rechte und schaut zu mir auf.
„Du hast Sorgen?“
Nicken muss ich – der Mund wirkt trocken.
„Aber das musst du nicht – du kennst das Versprechen?“ – Ich mache eine jähe Drehung zu ihr - – „Nicht hier – die Leute gucken sonst verwirrt und halten dich für verrückt.“
Beinahe hätte ich das Kind für seine Antwort in die Arme genommen!
Wir müssen beide lachen: Das wäre zu komisch gewesen – ein älterer, unscheinbarer Mann, der mit nichts rumalbert!
Strolchen wir jetzt mal weiter!
Vor St. Michael halten wir. Die anderen beiden Kirchtürme ragen höher, sie stehen imposant über dem Stadtbild, aber hier muss das Kind mich die Stufen auf den Vorplatz hinaufführen.
„Immer, wenn du hier singst, bin ich auch drin.“
„Woher weißt du – warum kommst du hierher?“
Sie scheint belustigt, macht eine wegwerfende Handbewegung, geht mit mir auf die Tür zu.
„Sollen wir mal hinein?“
„Wochentags ist hier doch abgeschlossen.“
„Du bist komisch!“
„Dann probier’s doch selbst!“
Ihr Blick senkt sich in meinen – was soll ich auch tun? Fasse ich doch die Klinke, drücke sie herunter –! Die Tür ist offen!
„Machst du den Mund jetzt wieder zu? – Also, sag’ doch selbst: Was muss ich wissen, damit du durch solche Türen kommst?“
Wir betreten den großen stillen Raum und schließen fast geräuschlos die Tür. Jetzt muss ich in die Hocke – direkt neben dem Beichtstuhl. „Ich hab’s ja begriffen“, antworte ich leise, und dann schließen wir die Arme umeinander und halten uns in den nächsten Minuten ganz fest.
Nur wenige Male wird man so etwas erleben, da muss man doch mal – na ja, ihr versteht das natürlich. Ihr hättet es nicht anders gemacht.
Und ob Mädchen, oder ob Junge – was spielt das noch für eine Rolle?
Diese Minuten gehören jedenfalls Mirjam und mir!.
Na? Habt ihr jetzt schon etwas gemerkt?
Das war die dritte Begegnung, und Mirjam hält immer noch ihre Zipfelmütze, seit sie den Berg mit mir verließ, in der Hand.
Viertes Kapitel
Verlässt du das Plytenberg-Gelände, gehst du die Plytenbergstraße hinunter, am Friedhof vorbei, über die Blinke und das Westerende in die Kirchstraße – also, hier sind wir -, und willst du zum Hafen, dann immer fröhlich weiter, durch die Rathausstraße, wo, wie du dir denken kannst, eben dieses Gebäude steht, und du läufst auf die Waage zu, wo man früher die Schiffsladungen wog und wo man heute für viel Geld essen kann. (Hinterher kann man sich zu Hause selbst wiegen). Biegt man nach rechts um die Ecke, kommt man in genau die Straße, wo alljährlich der Gallimarkt mit Buden und dem nicht sehr entfernten Lärm der Karussels beginnt.
Weil Sommer ist und kein Markt – der ist im Oktober -, führt mich das Mädchen den Waageplatz hinunter zu den Freizeitbooten und dem Anlegeplatz der Touristenschiffe.
Während sich Mirjam um einen Hund Marke Promenadenmischung kümmert, beobachte ich eine Jolle, die von einem der Boote ablegt und zur Kaimauer herüberschwimmt. Eine Leiter herauf klettert ein Junge, nicht älter als meine kleine Lotsin, verholt das Boot und vertäut es sicher. Dann wendet er sich einem Manne zu, der wohl zur Familie gehört.
Auf Mirjams Mütze deutend, frage ich: „Einer von euch?“ Sie schüttelt den Kopf. „Nee – er ankert hier, nicht bei uns.“ Und damit wendet sie sich wieder dem Hündchen zu, das offenbar seine ideale Unterhaltung gefunden hat.
Ein bisschen vertrödeln wir noch die Zeit mit Wellen zählen und „Bello“ streicheln, dann errät sie meine Gedanken und trollt sich mit mir und ihrem Freunde in Richtung Segelmacherei. Vor einem offenen Gartentor halten wir.
Einige Skulpturen stehen hier, von deren Vorhandensein ich zwar wusste, aber sie hier nicht vermutet hätte. Linker Hand wacht eine lebensgroße graublaue nackte Schönheit, während jemand am Wasser eine kleine Nixe auf eine Plattform geschweißt und das Ganze auf einen schockierend primitiven Pfahl gestellt hat .
Zwischen den beiden Metalldamen findet eine Zwiesprache statt, die mir das Eerdmantje Mädchen sogleich übersetzt.
„Die große Frau beklagt sich, dass man unter den Bäumen von den Vögeln respektlos bekleckert wird. Die Meerjungfrau mit ihren Fußflossen möchte gern abends im Laternenschein flanieren – geht aber nicht, sie müsste dann wie ’ne Robbe über’s Pflaster, und das wäre zum Totlachen für die Hafentrampel – so sagt sie das. Verstehst du? – Und beide jammern, dass in ihrer kühlen metallenen Nacktheit ein Geheimnis liege, das nur der Bildhauer zu lüften hätte, nicht aber die Gaffer, die hier vorbeistierten und nichts verstünden. Ja, so sagten sie – beide!“
„Wenn er ihre Modelle naturgenau in die Plastik übertragen hat, spiegelt sich auch deren Seele in ihnen.“
„Die gibt es tatsächlich und beklagen sich doch gar nicht. Oft sind sie bei uns und berichten von den Besuchern, die sich als Kunstkenner ausgäben und über die Abbildungen herzögen oder sie betätscheln möchten, sich aber nur trauen, wenn keiner zuguckt – Kinder sind da sehr empfindlich.“
„Wieso Kinder?“
„Erklärt Adrian dir später!“
Das flackernde Sonnenlicht auf dem Wasser lockt uns in seine Nähe, und Mirjam hat plötzlich etwas entdeckt, womit sie die Vögel füttert, die aus dem Gezweig herunterfliegen und rasch aufpicken, was sich da unten finden lässt. Inzwischen sehe ich mich nach anderen Werken um, betrachte ihr Warum und die Wichtigkeit ihrer Botschaft und beschließe dann, mit der Kleinen nach Hause zu gehen.
Warm fällt die Sonne auf unsere Rücken, und jetzt kommt Durst auf die Zunge. Man hätte sich in die Teestube in Brückennähe setzen können, dort ist es anheimelnd gemütlich und spart nicht mit freundlicher Atmosphäre. Aber soll ich mir etwas bestellen und Mirjam sitzt und schaut mir zu? Ach ja, sie braucht zwar nichts, aber das ist unter meiner Würde, einem Kinde nichts anzubieten, auch wenn es niemals wieder Durst bekommen wird. Also, ich denke, ich halte es durch und versuche, bis zum Mittagstisch nichts zu erbetteln. Und wir sprechen über alles, was uns auffällt und auch gefällt, freuen uns über die Menschen, die ihre kostbare Zeit durch Geschäftigkeit steigern, und haben nach einer halben Stunde Bummeln richtig wieder den Plytenberg erreicht.
Fünftes Kapitel
Mittagessen im Versammlungssaal der Eerdmantjes – das glaubt ihr mir nicht, oder? Aber denkt mal nach, warum das für die gar nicht wichtig sein müsste. Warum dann aber dieser Aufwand, wenn nur ich Hunger habe? Ein lustiges Rätsel, das ich noch nicht lösen kann. Einen Mordshunger habe ich – und Durst, und ich darf sogar noch vor dem Essen ordentlich „tanken“ – war sonst nicht meine Art ist. Alle Eerdmantjes, die nicht in der Stadt zu tun haben, sitzen bei Tisch –immer noch eine stattliche Zahl. Vier- oder fünfundzwanzig, vor allem kleinere, warten auf das Startzeichen.
Es gibt – ich kann mir das eigentlich gar nicht erlauben – eine Vorsuppe. Sie dampft in großen Tassen. Man sieht mich erwartungs voll an. Jörg, links von mir, ungefähr acht Jahre alt, erklärt es mir:
„Du bist unser Gast – du möchtest für alle hier danken.“
Lasst mich überlegen – was sage ich – und wie? Mancher kleine Mensch möchte gern begreifen, wofür er mitdanken kann. Also – versuchen wir’s! – Wie im Banne ergreife ich Jörgs Hand zur Linken und Adrians Hand zur Rechten und spreche:
„Wofür wir hier danken dürfen, würden wir gern mit allen teilen, die hungrig und bedürftig sind, aber nichts bekommen können. Wir leiden mit den Gequälten, wir leiden auch mit allen Lebewesen, die für uns ihr Leben opfern, damit wir uns satt essen können. Wir bitten sie, uns zu verzeihen, und wünschen uns, sie in der Gegenwart unseres Schöpfers wiederzusehen.“
„Und wir danken, dass du als unser großer Bruder unser Gast bist und bei uns wohnen magst“, fügt Adrian hinzu. Danach lassen sie die Hände los und nehmen Platz.
Kennt ihr das Gefühl, etwas essen zu müssen, was Mutter zwar gekocht hat, was ihr aber nicht ausstehen könnt? Natürlich kennt ihr das! Und dann würgt man auf Miniportionen herum und wünscht den „Fraß“ auf den Komposthaufen oder versucht, heimlich den Hund damit zu füttern. Der ist unser Freund und verschmäht das aus Mitgefühl ebenfalls. Da sitzt man „ganz schön“ in der Tinte – kriegt nicht satt zu essen und mag es der Mutter doch nicht an den Kopf werfen.
So ein Gefühl gibt es bei den Eerdmantjes aber nicht – wirklich kein Gewürge oder saures Gesicht: Alles löffelt mit größtem Appetit, die Hauptmahlzeit wird ebenso fröhlich verputzt, und um den Nachtisch muss man sich zwar nicht prügeln, aber sie schieben nach, bis alles weg ist.
Erklär’ mir das mal einer – hier geschehen Wunder, oder wir sitzen im Paradies, wo nicht mal der Löwe das Lämmchen jagt und frisst. Wunderliche Welt ist das!
(Übrigens zum Thema Tischmanieren: Damit niemandem der Appetit vergeht, kommt keiner mit ungewaschenen Händen, und keiner behält die Mütze auf dem „Stroh“! Merkt es euch: Es geht wirklich!)
Ist die Mahlzeit beendet, verlassen alle den Saal und gehen ihren Aufgaben nach. Jetzt wäre doch Zeit für ein paar Fragen, meint ihr nicht auch? Adrian blickt seine Schwester an, sie wissen bereits um meinen Wunsch und setzen sich mit uns nach draußen, sie auf einen der Findlinge, wir auf den Rasen, um nicht zu weit weg zu sein. „Jeder“, beginnt Mirjam, „bekommt genau das Essen, was er sich gewünscht hat – es wird aber nicht extra für ihn gemacht, er kriegt es eben. Worauf er sich gefreut hat, das schmeckt er, und das macht ihn glücklich, weil er weiß, dass es allen so geht.“
„Wir müssen das nicht verdauen“, ergänzt Adrian, „darum brauchen wir keine Toiletten, Duschräume, Waschgelegenheiten, denn was uns nicht verunreinigen kann, müssen wir auch nicht entfernen. Und so muss für uns kein Lebewesen sterben. Wen wir zu uns rufen, hat nichts mehr zu befürchten: keinen Hunger, keinen Durst, keine Kälte, keine Nacktheit vor den anderen, keine Verlassenheit, keine Trostlosigkeit – das ist unsere Stärke.“
„Dann habt ihr Dinge eingerichtet, die nur ich benötige? Warum tut ihr das?“
„Wenn wir das jetzt verraten, wissen die Kinder, denen du deine Geschichte aufschreibst, sofort um dieses Geheimnis, und das wolltest du doch nicht gleich ausplaudern, oder?“ klärt mich Mirjam auf. „Erst wollen die Leute was zum Anfassen und Beweisen haben – wir nur zum Mitgehen und Wegweisen“, fährt Adrian fort. „Bleibt das aus, haken sie uns ab, und wir haben wieder unsere Ruhe. Nun wird sich herausstellen, wer ab dieser Stelle sein Buch nicht zuklappt und bei uns bleiben will, um mehr zu erfahren.“
* * *
Woraus besteht nun aber das Essen und Trinken, was ich bekomme und wovon ich zur Toilette muss, die Eerdmantjes aber nicht? Und warum nehmen sie das dann überhaupt erst zu sich? Diese Frage rollt mir im Kopfe herum, bis mir fast schwindlig wird und ich das Grübeln erst mal an den Nagel hänge. Nein, dazu ist der Tag noch zu schön, da gucke ich doch lieber den Kleinen zu, was sie so beschäftigt.
Wo schlafen die Eerdmantjes – wie lange und warum überhaupt, wenn ihre Organe gar kein „Futter“ benötigen und sie nichts zu „leisten“ haben? Werden Eerdmantjes jemals müde? Was machen die mit den ganz Kleinen, wenn sie nicht ins Bett gebracht werden müssen? Quengelnde Kinder sind oft die Ursache für gerissene Nerven der Eltern. Habe ich sie gestern Nacht nicht gehört, mag das daran liegen, dass ich wie tot ins Bett gefallen bin –ich habe eine eigene kleine Kammer, (mein Schlafgemach, wie man mir respektvoll sagte), und ich habe nichts lärmen gehört. (Während meiner Musikfreizeiten hatte ich ungefähr 18 Kinder verschiedenen Alters, wir hatten viel zu proben, aber die Nächte waren für die Kinder stets sehr anregend und mit Gesprächen nur so vollgestopft.)
Mir fällt auf, dass die Eerdmantjes hier nie Krach kriegen, weil sie das Problem schon erkennen, wenn es sich „anmeldet“, und sie lösen es gemeinsam, so dass alle Kinder sich wieder beruhigen können. Sie wissen nicht nur darum, sondern sie kennen auch die richtige Medizin für den Frieden, das ist die Lösung!
Schimpfen gibt es nicht, Vergehen oder Strafen sind unbekannt, habe ich schon mitbekommen, und jedes Kind sorgt sich um jedes andere. Das ist ihnen ein Bedürfnis, das sie nicht auskosten durften, als sie unter den Menschen lebten.
Bücher betrachten sie als Botschaften von Menschen, mit denen sie sich anschließend persönlich unterhalten und sie befragen. (eine Buchhandlung heißt bei ihnen Haus der Botschaften): Kein Geheimnis bleibt stehen, sondern sie fragen so zielsicher, dass die herbeigebetenen Schriftsteller nicht ausweichen können – und das auch gar nicht wollen. Fragende und Antwortende wissen um die Hintergründe dieser Fragen und verständigen sich oft, ohne ein Wort zu sagen. Darauf muss ich später noch einmal zurückkommen.
Aber würde Schulunterricht hier noch Sinn machen? Dürftet ihr solche Fragen überhaupt stellen, ohne nicht für verrückt erklärt zu werden? Da hätte ich meine Bedenken! Lasst es lieber! Macht es wie die Eerdmantjes: Ruft die Schriftsteller lieber selber und sprecht euch mit ihnen aus. Der Schlüssel heißt in der Fachsprache „Eidetik“ – oben steht’s übrigens schon mal erklärt! Ruft aber diese Gedankengäste bloß nicht während des Unterrichts – das mögen die anderen nicht!
Das Grundgesetz unseres Staates hält zusammengefasst, was für Eerdmantjes gegenwärtig und Alltag ist: Hautfarbe, Volkszugehörigkeit, Alter spielen keine Rolle. Anders als im Gesetz gibt es bei den Erdmännchen keine Überund keine Untergeordnete. Keiner hat mehr zu sagen als die anderen oder muss „gehorchen“: Wenn man weiß, was gut ist oder böse, kann man doch treffsicher selbst entscheiden – man muss nur dürfen, oder? Man wird nicht ausgeschlossen oder weggesperrt, weil man sich nicht um Mode oder Rangordnungen kümmert, denn das alles würde das Zusammenleben der Eerdmantjes zerstören. Ihr Rezept heißt, die Würde eines jeden Lebewesens nicht unter die des eigenen Lebens zu stellen, sondern gleich hoch zu achten.
Ha, denkt ihr, Kinder könnten das nicht? – Dass ich nicht lache! Langeweile ist ein unbekanntes Wort, Spiele gibt es hier ganz sonderbar interessante, davon berichte ich später, und Wettkämpfe braucht hier keiner, denn welche Kräfte soll man messen, wenn alle auf Gewalt und Macht verzichten und jeder dem anderen hilft? Wären sie Heinzelmännchen, räumten sie den Faulpelzen den Dreck weg und erledigten deren Arbeit. – Nein, das wollen Eerdmantjes nicht. Wozu sind sie dann nütze? Ja, da sitzt das Übel: Muss man immer „nützlich“ sein? Was wird, wenn einem die Möglichkeiten zum Nützlichsein eines Tages ausgehen?
Zu den unterschiedlichsten Zeiten verlassen die Eerdmantjes den Berg und kehren auch zu beliebigen Tages- oder Nachtzeiten wieder zurück. Was sie da draußen treiben? Na, stell dir vor, du liest womöglich am nächsten Morgen, wie ein Mensch „zufällig“ einer Katastrophe entkommen konnte, wie er „Glück“ gehabt hat, und manche sprechen sogar von „Schutzengeln“ (so etwas ähnliches wie Eerdmantjes, nur bewegen die sich anders, denke ich, und sehen von oben mehr als wir hier unten).
Eerdmantjes amüsieren sich köstlich über die unterschiedlichen Sagen, die sich um sie gesponnen haben, und schütteln über soviel magere Phantasie den Kopf. Und warum tragen sie diese komisch langen Zipfelmützen? Weiß auch keiner! Ist vielleicht mal ’ne Mode gewesen. Auch soll man versucht haben, den Berg zu durchleuchten oder mit Sonden nach Überresten der Eerdmantjes durchlöchert haben (Mirjam berichtete davon) – na, sollen sie doch! Gefunden hat man sie jedenfalls nichts.
Von einem „gesunden Bergklima“ will ich auch nicht reden, aber meine üblichen Beschwerden sind seitdem wie weggeblasen. Mir geht es gut, aber nicht wegen der Untertage-Luxuskabine, sondern wegen der Kinder, der „Eerdmantjes“, wie man sie betitelt, aber von ihnen nicht wirklich was wissen will. Mit euch wird sich das ändern. Faule Kerle sind sie also nicht, auch wenn sie kein Gemüse oder Obst anbauen oder Kartoffeln pflanzen – jetzt ahnt ihr, warum ihnen das schnuppe ist. Die Leute, die in der Plytenbergstraße ihr Häuschen haben, würden sich sowieso wundern, wenn da plötzlich statt Rasen Beete umgegraben würden, ohne dass jemand die Arbeiter sieht, und dort Pflanzen wüchsen, die eines Tages abgeerntet würden, ohne dass man das hätte filmen können. Wolltet etwa ihr euch nachts auf die Lauer legen und mit Taschenlampen die Kinder beim Erde-Umwühlen ertappen? Pfui, so etwas macht man nicht. Somit ist es den Bewohnern in Plytenbergnähe lieb, dass sich da nichts tut, was keiner erklären könnte.
Große Kreise auf der Innenseite der Ausgangstüren verraten, dass es Kinder gibt, die weite Wege haben und mehr Zeit benötigen als die in näherer Umgebung. Kommen sie zurück, sitzen sie mit großen, ernsten Augen schweigend zu Tische und sind hinterher auch mit ihren Gedanken vollauf beschäftigt. Aber murren tut niemand – Kummer haben sie oft, aber sind sie wieder ganz unter sich, bringen die anderen es wieder in Ordnung. Wo die nur die viele Kraft hernehmen, die Welt zu ertragen, die sie draußen besuchen? Es muss etwas mit der Beschaffenheit dieser Speisen zu tun haben, die sie zu sich nehmen! Soviel ist sicher. Halten wir doch die Augen offen!
Sechstes Kapitel
Etwas Peinliches habe ich euch verschwiegen, weshalb mein Schlafgemach (ihr erinnert euch) abseits liegt: Ich schnarche unerträglich und hoffe, ihr kriegt das nie zu hören!
„Bist du müde, großer Bruder?“
„Vielleicht erschöpft, Adrian! Werdet ihr denn nicht auch mal müde?“
„Wovon?“
„Man sieht es ihnen doch an, wenn sie zurückkommen.“
„Was sie erleben, trifft sie schon – dafür nehmen sie an den Mahlzeiten teil.“
„Und das reicht?“
„Welche Mengen stehen dir vor Augen?“
„Was ist da drin?“
Adrian lacht.
„Na gut – wohin geht ihr, wenn ihr den Berg verlasst, und was setzt euch draußen so zu?“
„Wir besuchen unsere Brüder und Schwestern, die in ihrer Wohnung leben und leiden.“
„Leiden alle?“
„Wer sich stark fühlt und frei, hilft uns, Leiden erträglich zu machen.“
„Warum tut ihr das?“
„Das ist das Geheimnis, das in uns angelegt ist und weswegen wir essen und trinken müssen, wenn diese Fähigkeit sich mindert.“
„Als ich mit deiner Schwester durch die Altstadt schlenderte, sah ich nirgendwo eine rote lange Zipfelmütze. Wo waren sie?“
„Hast du Kinder bemerkt?“
„Ich war wohl zu abgelenkt.“
„Auf deinem Wege gibt es das Krankenhaus und einige Einrichtungen für Kinder, wo man sie betreut und versorgt. Dort sind wir zu finden. Und oft auch bei Menschen, die trotz ihres Alters nicht ohne uns leben können! Wir werden zu ihrem Geheimnis und sichern ihre Weltsicht, also die Art, mit dem Alltag fertig zu werden.“
„Trotzdem fühle ich, dass ihr unbekümmert seid, während ich mein Leben wie geborgt empfinde.“
„Dich quält das unschöpferische Nichtstun. Schreibe, bezeuge, trage deine Botschaft von uns hinaus, und du wirst die alten Kräfte wieder wachsen fühlen!“
„Warum bestimmt ihr die Zeit als Kreis, nicht als fortschreitende Linie?“
„Ein Strahl trifft auf ein Ziel oder verbraucht sich unterwegs. Der Kreis knüpft sein Ende an seine Entstehung. Das ist die Ewigkeit. In der ist die Zeit, etwa des Kosmos, eine winzige Spanne, willkürlich als Erlebbares herausgehoben. Nichts in diesem Kreis geht verloren.“
„Keine Angst vor dem Sterben?“
„Aber, großer Bruder, das haben wir doch alle schon hinter uns! Tod bedeutet zwar Angst, aber hinterher – das kann ich dir nicht beschreiben!“
„Dann seid ihr hier, um die Angst zu nehmen und die Augen vor dem Danach zu öffnen?“
„Wir erinnern, dass wir uns aus der Zeit vorher als Geschwister des einen großen Schöpfungsgeistes ja kennen und dorthin uns wieder weiten, allerdings jetzt in der Gestalt, die wir durch unsere Geburt und die Jahre unserer Kindheit angenommen haben.“
„Und nichts zerfällt?“
„Was der Schöpfer erschafft, nimmt er nicht zurück – das ist doch einfach, das wissen wir seit Abraham!“
„Seit wann kennen wir uns also wirklich schon?“
„Außerhalb der Materie sind Raum und Zeit völlig unbedeutend. Fang lieber erst gar nicht an zu rechnen. Wozu auch?“
Während wir uns unterhalten, haben sich Kinder um uns versammelt, die nicht nach draußen wollen, und um sich die Zeit zu vertreiben, machen sie Zeichen in die Luft oder malen sie unsichtbar mit dem Finger auf die Tischplatte, die Sitzpolster oder auf ihre entblößten Arme oder Beine.
„Was für Signale sind das?“
„Wir rechnen gerade Zeit und Raum auf 0 zurück“, erklärt Gerrit, ein Flachskopf mit etwas abstehenden Ohren, blauen Augen und feinen Lippen.
„Verknüpfen wir doch Sein und Leben!“ ruft Jörg übermütig.
„Was für Spiele kennt ihr eigentlich, die euch Spaß machen?“
„Spiele, die Geschichten erzählen oder etwas in Gang bringen, was nicht so liegen bleiben darf“, erklärt Jörg.
„Heute lerne ich in wenigen Tagen den Sinn des Lebens“, seufze ich und frage: „Weckt mich morgen jemand? Ich trage nur eine Uhr am Arm.“
„Wir kommen und holen dich ab!“ versprechen die Kinder. Sie drücken mir die Hände, führen mich zu meinem Gemach und schließen vorsichtig die Tür.
Erst jetzt fällt mir auf, dass mich Jörg auf die Stirn geküsst hatte, ich aber, linkisch, wie Erwachsene manchmal sind, nicht gleich darauf angemessen reagierte und Jörg mich tröstete: „Wart’ mal ab – bald kannst du das auch!“
* * *
Obwohl es hier keine Fenster gibt – du kannst getrost den Plytenberg genau-estens danach absuchen! – empfindet man das Leben hier weder erdrückend noch knapp an frischer Luft. Die Herkunft des Lichtes ist mir noch nicht klar, und jetzt, da eine überirdisch schöne Musik auf den Gängen ertönt, kann ich auch deren Entstehung nicht sicher beschreiben. Kinder singen mehrstimmig, aber welche und ob die Eerdmantjes selbst oder von einer CD, weiß ich einfach nicht. Klangkraft, Farbigkeit bei reinen Stimmen umhüllen meine Sinne und entkrampfen meine Nerven, so dass ich unversehens müde werde und nicht bemerke, dass diese Musik auch einen Duft verströmt, der mich beglückt, und dem gedämpften Licht eine Farbigkeit mischt, durch die ein einziges Wohlgefühl mich durchströmt und jede Art Unruhe löscht. Hier möchte ich nie wieder weg! Und so gleite ich, ob schnarchend oder akustisch im Schongang, in das Reich der friedlichen Träume. Eine Wolke himmlischen Schlafes trägt mich durch die Nacht.
Siebtes Kapitel
Aus einer Narkose wacht man auf und gerät in eine kalte, fremd anmutende andere Welt, die einen nur zögernd aufnimmt, während man hustet und würgt, weil der verdammte Atemschlauch die Kehle widerlich kratzend reizte.
Als ich nach dieser Nacht die Augen aufschlage, sehe ich in frohe Kinderaugen und frische Gesichter, die mich anlächeln und mir die Hände streicheln. So musste ich nicht erschrecken. Gerrit singt leise, das Licht wird heller und führt mir den Sonnenmorgen vor, der draußen schon die Kinder ins Freie gelockt hat. Ja, das Geheimnis ist gelüftet: Je mehr Kinder lächeln oder sich glücklich äußern, desto schöner das Licht, das dem Tage immer gleicher scheint.
Sagen nicht glückliche Eltern über ihr Kind, es sei ihr Sonnenschein? Hier hat sein Vergleich die Wirklichkeit geschaffen, und das Wesen der Sonne lacht mich an und wärmt, dass ich aus den Federn komme, mein Bett aufschüttle, lüfte, mich wasche, damit ich zum Frühstück erscheine!
Während wir essen, trinken, uns etwas erzählen, stelle ich fest, dass sehr viele Eerdmantjes ausgeflogen sein müssen, um dem Leben Stütze geben zu können.
Hm, denkt ihr, der spinnt ja: Was können Kinder schon ausrichten gegen das, was sich Erwachsene an Unangenehmem ausdenken oder was Krankheit alles tut?
Na, ja – Eerdmantjes und alle ihre Geschwister sind weltweit zunächst mal Kinder, oder? Und die müssen das nicht erklärt kriegen, sondern haben ganz feine Antennen und kriegen selbst heraus, was den Menschen fehlt. Und lässt man sie in Ruhe, geben sie ihre Kraft an die Gedanken, an die Sinne der anderen ab, weil sie den Weg zu deren Schöpfungskern suchen und freilegen müssen, und schaffen sie das, klicken sie zusammen, und dann hört diese Angst auf. Ihr kennt ja diese Ausrufe, wenn’s „gefunkt“ hat:
„Eben war ich so verzweifelt – jetzt kommt mir die rettende Idee!“ –„Mir fällt ein Stein vom Herzen!“ – „Eben hatte ich noch solche Angst – die ist wie weggeblasen!“ – Und manchmal sind tatsächlich auch die Schmerzen weniger oder ganz weg. Soll ich euch mal was verraten? Behaltet es für euch, aber es ist ganz großartig:
Wenn ihr Kinder uns Erwachsene anseht und lächelt, geht in uns die Sonne auf, die schönste Musik beginnt in uns zu klingen – na, den Rest hatte ich ja schon beschrieben, den kennt ihr ja. Und gleich der Sonne, wenn sie längst aufgegangen ist, wird es immer wärmer und heller, obwohl alle Ausgänge geschlossen und für die da draußen unkenntlich gemacht sind. Was ist das also für eine Nahrung, durch die diese Kinder wieder ganz sie selbst werden können