Leben am Parnass II - Gerhard Friedrich Grabbe - E-Book

Leben am Parnass II E-Book

Gerhard Friedrich Grabbe

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Nicht nur erzählen, nicht nur "Lyrik absondern", sondern wer die Konflikte hautnah erleben lassen möchte, greift auf Vers-Epos und Dramen zurück. Was dem Theater recht ist, vermag sich im Film um ein ebenso Vielfaches auszudrücken

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Veröffentlichungsjahr: 2015

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



www.tredition.de

www.tredition.de

© 2015 Gerhard Friedrich Grabbe

Verlag: tredition GmbH, Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7323-4942-5

Hardcover:

978-3-7323-4943-2

e-Book:

978-3-7323-4979-1

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Gerhard Friedrich Grabbe

Leben am Parnass

II

Vers-Epen / Dramen

Gerhard Friedrich Grabbe

Leben am Parnass

Band II:

Vers-Epen

Dramen

www.tredition.de

Inhaltsverzeichnis

Versepen:

Reinekes Erben

Königin des Herzens

Die Jahreszeiten

Die Hauptdramen:

Esther

Phaethon

Mein Bruder Hyazinthos

Kurzdramen:

Hänsel und Gretel

Der Hirtenknabe

Der Fischer und seine Frau

Zur Autorenschaft

Reinekes Erben

Versposse

in

vier

Gesängen

Eine Studie

gegen die

„Würde von Rechtsaußen“

Mit einer Zeichnung von Thorsten Christian Grabbe

1993/97

Erster Gesang

Wotan, Nordlands strahlender Gott, erwachte zum Leben,

blicket blinzelnd auf blühende Lande, denn Hinkel, der Racker,

modert mitsamt seinen wilden Gesellen im lauernden Unflat.

Aus Ruinen zertrümmerter Städte wächset der Reichtum,

Bankfurts Fürsten verleihen Orden dem klebrigen Mammon, und

Wächter walten klug über geldersprudelnden Quellen.

Gold nun spähen die Asen und grüßen der Erdwohner Glück.

Also künden die Boten den kampferprobten Genossen

ruhmhaft-gleißende Auferstehung. Die Säle Walhallas

füllen mit Stimmen sich. Nordische Zunge beherrschet die Szene,

plaudernd, Met in Pokalen, zulächeln Götter sich sittsam,

schritt doch die Zeit in ein neues blindes

Jahrhundert …

Nicht mehr ist Brauch, die Waffen zu schmieden im offenen Feuer:

Hader schlichtet man klüglich mit Geld, verlagert den Zwist

weislich in Zonen der Armut, die ferne und wenig nur schaden,

nutzet den heimischen Herd und sichert das Hausrecht der Macht.

*

Wotan hatte gerufen, und alle, die göttlich von Rang

stolz sich zu zeigen gewohnt, betreten Walhallas Gefilde,

sammelt im Saal sich die stattliche Zahl geladener Götter,

narbenzerfurcht, und holdselig lächelnd die himmlisch

Gekrönten.

Ruhmgebeugt, erhebt sich vom Thron der gealterte Gott, schaut

sorgend, doch siegesverheißend die Runde, doch endlich erhebt er

machtvoll-metallisch die Stimme (es klingt wie Panzergeklirr):

„Götter! Begebt euch der Ruhe nicht länger, ihr Asen! Es wirkt der

Mensch sein eigenes Leben. Paradiese erkenn’ ich der

selbstgeschaffenen Lust, den Schatz erworbener Freiheit,

die kümmert sich nicht mehr um unser waltendes Wesen,

prägt die Welt. Dem Sinn der wandelträchtigen Werte

nutzbringend, nicht den Nöten, sondern Profiten verpflichtet,

agitiert, nicht vegetiert der homunculus sapiens

technisch fast perfekt - allein: ihm fehlet der Glaube!

Steckt er die Welt in Brand? Bedarf es keinerlei Rettung?

Stahl er das Feuer? - schmiedet die Waffen, Böses vollendend?

Nun, ihr Genossen, so wollen wir Einhalt den Frevlern gebieten!

Dünkt sich wer mächtig, beraubt man den Toren der schädlichen Mittel,

bricht aus der Krone des Hochmuts die Zeichen glitzernder Pracht:

Ehrlos, entmündigt, des Ruhmes verlustig, entsagt ihm der

Pöbel,

wankelmütiger Haufe, Gefolgschaft: So taumelt der Narr.

Was nun denkt ihr zu tun, den Wahnwitz der Menschen zu

ahnden?“

Also hatte der Gott, aller germanischen Götter

oberster Herrscher, in düsternder Weisheit gesprochen. Und schweigend

halten gesenkt ihre Häupter Walhallas betroffene Scharen.

Nicht den Krieg - unschickliches Handwerk - vermöchten, wie eh’mals,

Götter mit Menschen hinfort zu führen, oder zu preisen

Hader und Neid, die Mittel der Zwietracht, im Herzen der Menschen zu

wuchern, um weltbedrohendes Unheil tückisch zu

planen!

Was von Menschen erschaffen, erstrahle zum Ruhme der Götter!

(Dafür sind sie gemacht: Die Fäden des Schicksals zu binden; und

glaubt der Mensch die knüpfenden Hände göttlichen Waltens,

wählt er maßvolle Mittel, Neues dem künftigen Dasein

aus dem unermesslichen Schatze der kosmischen Fülle

dankbar-bescheiden zu widmen: berufener Hüter der

Schöpfung)!

Also dachten, durch der Zeiten Bahnen geläutert,

Nordlands germanische, staunend abwärtsspinnende Wolkner.

Stille herrscht: Des Frühlings frische Düfte umstreifen

säuselnd-liebkosend der Himmlischen witternde Häupter. Auch

krächzende

Raben umflattern die Thingstatt. Der Nornen spinnende Fäden

flattern im Winde: Nicht Anfang, nicht Ende bedeutet ihr Flug!

Ratschluss begehren die Zeiten, und also schweigen die Götter.

(Was auch wären sie ohne verhüllende Deutung der Priester,

Lose schüttelnd, die Menschheit teilend in nützlich wie schädlich?)

Heiliges, ewig Beschworenes zirkelt der Opfergang feierlich

gegen Gemeines und Wesensverwandtes; wenig nährt,

was Natur durch Schöpfungsgeheimnis allen gewährt!

(Doch der Klarheit im Urteil der Himmlischen wehret kein Priester,

Weihrauch und schleiernde Zeremonie umwölken nicht hindernd

neuendes Streben und schöpfungsbefreiendes Walten des Lebens als

unverbrüchliche Zeichen ewig göttlicher Liebe!)

Zweiter Gesang

Unter den Asen fehlte der eine: der Bosheit und Ränke

voll und des Baldurs tückischer Mörder. Ihn jetzt suchte das

forschende Auge des Wotan. Denn als ihn die Götter verstießen,

barg sich der Schalk und führte sein Leben auf eigene Rechnung

ungehindert und ferne dem Zorn und dem Hassen der

trauernden

Freunde des durch die Mistel erschlagenen „schönenden

Prahlers“ - (so

sagt’ er, wo man ihn fragte). Und eben derselbige Loki

stieg, seiner Stunde gewiss, die schwindelnden Stufen hinauf zur

Götterburg und trat in den Kreis der schweigenden Asen.

„Wohl bedacht’ ich’s, den Weg hier herauf zu euch mich zu

mühen,

weiß ich euch ratlos; biet’ ich Versöhnung, den Knoten zu lösen,

welchen Walküren weltendurchwehend heimlich geknüpft.

Eure Rätsel will ich euch nennen und kann sie euch lösen zu

besseren Tagen. Auch Baldur, den sagenumwobenen Liebling,

stell’ ich neidlos euch in die Mitte. Er soll es genießen,

Liebling der Sonne, Herrscher gemütsverwirrender Nebel

ab dem heutigen Tage zu bleiben. Auch sollen die Parzen,

endloser Fäden Beherrscher, die tödliche Schere nicht nutzen,

ehe nicht ihr ewigen Götter als Schicksalsgebieter

Zeichen setzet irdischen Wesen und allem, was lebt.

Denn die Zeiten ändern, durch Grenzen verschoben, ihr Antlitz

wesensgewandelter Schöpfung! Einer anderen Gottheit jetzt

huldigt

seit der Dämmerung Chaos germanisches Denken. Den Christen

fehlt das Verständnis für jenes zerbrechlich gebaute Wahlhalla; ihr

Gott erhob sich zu einzig verehrungswürdigem Schöpfer des

Himmels, der Erde, Gestirne, ja, Kosmos! Und das ist’s,

was euch kränken sollte: Ihr habt euch selber entthront und

Bahn dem einzig gültigen christlichen Gotte bewilligt.

Glauben wird euch zukünftig niemand! Griechischen, anderen

Göttern ebenbürtig, erkennet die schwindelnden Zeiten

immer schneller sich drehender Philosophien des Seins.

Denn der Christen wie Juden Schöpfer bleibet unfassbar

Laien, Priestern, Weisen und anderen mystischen Denkern.

Schauen mögt ihr in Kurzweil: Nicht handeln, nicht schicksalsbestimmend

in die Speichen des abwärtsrasenden Rades packen noch

Halt wolltet bieten! Der Mensch begreift! Ihr solltet ihn lassen!

Welches Bild der Gottheit je auch der Mensch sich geschaffen: Es

bleibt ihm immer doch aufgetragen, als Hüter der Schöpfung

anfangs des Lebens zum Ende zu wirken. Was er auch tut,

lohnt ihn das Gute und straft ihn der selbstverschuldete Frevel.

Darum trügt auch, was heute Gutes ihm widerführe und

morgen unter dem Joch unheilbar kränkender Drangsal ächzend zusammenbräche.

Studiert doch, sich’ren Zenits, die

unten zappelnden Metamorphosen kleinlicher Helden!

Seht, auch Irdische schaffen, behaglich wohnend, sich sicher

Aussicht auf alle so wichtig zu nehmenden Reichtümer

glücklos untergehender Kreaturen. Was wundert euch

solche Begierde, dem Unfall, den Ränken zum Sieg zu verhelfen? Zu

überleben steht doch schließlich uns allen der Sinn!“ - -

Loki, der Listige, liefert’ den himmlisch-göttlich gaffenden

Lauschern die richtungsbannende, dämpfende Wollust der

Äugler -

(Freilauf zu schaffen den unten schätzehäufenden Freunden)!

Nunmehr wird der schnuppernden Neugier eifrig berichtende

erste Reporter Loki, er schaltet die Szenen geschickt zu

ausschnitthaften Illustrationen - der Kürzungen wegen,

wie man so sagt, - : Gewöhnung an hastig skizzierte Ereignisse,

weniger kritisch als sensationelle Häufung der täglichen

Aktionen und Reaktionen wieder und wieder

hin und her geschob’ner Verantwortung lebensbedroh’nder

Geltungs- und Machtbesessener - sanfter Natur ein erbitterter

Gegner, Verächter unverzichtbarer schützender Werte.

Gar nicht kritisch prüfen die Götter: Loki, der Schalk,

täuscht durch die Fülle der Nachricht, er stiftet planvoll

Verwirrung.

Aller vorteilgierigen Medienmächtiger Lehrer,

zündelt Loki hämisch weltweit sich neuenden Schwelbrand

Irdischen: Maßlos die Erde plündernd, den Göttern ein Hohn,

blind oder tot gar sie scheltend, ein Greuel den leidenden Wesen,

Spötter geknechteter Schöpfung, erraffen die listigen Krämer aus

unerfindlichen Quellen sich krankhaft mehrenden Reichtum,

schmälern der redlichen Bürger Wohlstand, die Staaten, verschuldet,

überbürden sich, - Wallstreets ohnmächt’ge Marionetten -, mit

wachsenden Kosten. Es mehret sich Unmut, es wuchert Verzweiflung

unschuldig Ausgestoßener, obdachloser Familien,

Völkerscharen flüchten vor Mord, - an Kriegen gezündet,

überfluten Verfolgte Europas Gebiete, gedeihen

unter den schutzlosen Armen Verbrechen, Kinder erkaufen sich

Rausch, um der sinnlos erscheinenden Zukunft nicht

schreckensernüchtert

denkend begegnen zu müssen, denn scheinbar nur schützen

Patrone,

Geier des Mammons und Schergen des Unrechts, das wehrlose Leben!

Loki sieht’s, der Baldur einst - Liebling Lebendiger -

neidisch mordet’, es freut der Heuchler, der Übels ersinnende

Fährtenleger, sich solchen Gelingens: die Glücke zu schmälern.

Neid und Habgier zu mehren, erscheint ihm einzige Triebfeder,

Leben zu lieben und gattenden Trieben Wege zu zeigen, in

Wollust die rohende Kraft zu ertrotzen. Kopist dieser Welt,

Künstler artiger Zunge, doch schändlich in der Gesinnung,

erntet ehrloser Ruhm der Jugend unschuldige Früchte.

Gleißnerischer Pomp in märchenhafter Verführung

gaukelt, wiederholt als tägliches Vielfaches, Schönheit und

leicht erreichbaren süßen Ruhm unter Ebengesinnten

heißer Sehnsucht der Jugend, begeistert ihr glühendes Herz für

Nichtigkeiten. Opfer bringend, erleiden sie Schimpf,

Unschuld wandelt zu Torheit der Kindheit sich; fröhlich begonnen,

schaudert ihr wunderndes Auge vor Lokis erbärmlichen Werken,

krampft ihr wundes Herz, indem das Leben sie umdreht

gleichwie der wirbelnde Sturm die schlanken schwankenden Stämme.

Wer sich nicht beugt, den krüppeln die Unbilden roher

Gewalten,

fehlt’s doch an hegenden Gärtnern, die Schutzbedürft’gen zu retten!

Brennholz nur zieht man, der Schwertfeger glühende Essen zu nähren,

Waffen zu schmieden, nicht Werkzeug, den Segen der Äcker zu locken.

Wer aber überbringt den Himmlischen endlich die Klage?

Muss er nicht fürchten, der Weg zum Ohr der Gewaltigen sei ihm

unter Opfer des Lebens verboten? Erwägt er die Strenge

Thors, des Blitzestreuenden, sorglich zu meiden, um nicht

alle, die schuldlos geblieben, zugleich mit bestrafen zu lassen?

- Nicht doch! Fern Walhalla, verlangt die Menschen nicht mehr, ihr

Los der Unterdrückung, statt durch Menschen, nun wieder

tauschen zu wollen mit priesterlich peinlichen Bräuchen und

Riten,

vormals gewohnt! Dem Fasten, Kasteien entzieht sich der Freie,

Fürsprache meidend durch Priestermund; statt dessen vertraut er

Wissenschaften, Beweisen und Messbarem - nichts überzeugt ihn,

was ihm nützlich dünket, belassener Freiheit zu schaden.

Solches müssen die Götter erfahren, berufen den Rat,

dass die Kinder der Schöpfung, durch feste Gesetze geboren,

sich begreifen als zu göttlichem Ziele gebildet.

(Aufrecht stehe der Mensch, denn aufwärts richtet das Streben

Trachten und Sinnen der Seele, was immer das Leben auch fruchtet!)

Länger dulden Germaniens Götter die schmachvolle Posse

nicht mehr, die Loki den Äuglern garnierte und spöttisch

kredenzte.

Viel zu lange schwiegen die Asen, sie lullte der Schelm

kunstreich plänkelnd in dämmerndes Schweigen, derweil die

Geschäfte

drunten diplomatisch die Rechtsbeuger selber besorgten.

Und sie senden zornig Befehl dem Loki, zu kommen,

Rede zu stehen, Rechenschaft zu belegen den Asen,

wo und wann er gefrevelt, den Status der Gottheit beschädigt!

Leichtfüßig eilet der Spötter, er springt die Stufen hinan und

grüßet mit lachendem Munde die feindselig gesonnene Runde.

Dritter Gesang

„Schicksalsbestimmt, als die ihr selbst euch versteht, seid auch ihr

Teil der weltumgriff’nen Vernichtung, von Menschen geglaubt,

Helden zwar von Asgard, aber den Nornen versponnen!

Wollt ihr diesem Geschick vergangener Religionen

würdigen Abschied erteilen? Dann stützet das menschliche Tun!

Christen heißt man, die neue Schicksalserwartungen knüpfen!

Ihres Allmachtsgottes weise lenkender Liebe

sicher von Kindheitstagen, rühmen die Gläubigen dankbar

laut vernehmlich in Kirchen, sich sonntäglich dort meist

versammelnd,

dieses Gottes opfernde Gnade, schenkt’ er vorzeiten

in Gestalt eines Menschensohn’s sich den mächtigen Priestern.

Diese aber töteten ihn-: Es fürchtet’ der Mächtige

göttlich verzeihende Huld. Eher an dumpfe Gewissen

heftet seither der kultisch Waltende nirgend noch lösliche

Schuld; die rechnet er gegen ein ständiges irres Bemühen

armer gequälter Seelen, Liebe verdienen zu können durch

Opfer, Gehorsam, Knechtsein und andere hündische Bußen.

Aber nicht ewig währt solcher Bund: Es reißen die Ketten, die

Menschen vom unfehlbar gepriesenen Dogma sich los, der

Priester Bannkreis zerspringt, und Gewissensfreiheit gewinnt.

Glauben mag er, was je ihm die Eltern und Lehrer vererbten,

doch nun selbst führt er Konto, eigenverantwortlich denkt er,

Rede und Antwort seiner gewählten Gottheit zu stehen.

Größe glaubt er für sich gewonnen, und Fehler erkennt er.

Dennoch ändert er wenig am Weltengetriebe, kassiert

Diäten, ersitzt Anonymität, begütert sein Haus

müht sich um Anseh’n, begünstigt die Freunde, betrügt auch sein Weib …:

Euch alten Göttern traut er nicht, nichts, was euch gleichet;

ihm ist Profit Programm, Gewinn sein Glaubensbekenntnis.

Wer sich allerdings bloß um kleine Güter besorget,

weiß sich dem Untergang näher als je Erlösung; ihm nützt nicht, was

gottgewollt den eingepflanzten Frevel in seiner

festgeschrieb’nen Natur aufhebt: sich zu entscheiden

für das Gebot, die Schöpfung zu retten, sie zu erhalten, oder

dagegen die Eigensinne störrisch zu setzen.

Trifft das Naturgesetz dieses geschaffenen Kosmos auf

Selbstverantwortlichkeit menschlichen Handelns, so sprechen die

Philosophen, (die der Vernunft gesetzt sind als Hüter),

neues Maß der Schicksalsfügung; des Übelsten Ursache

wächst gigantisch in der Menschentorheiten gierige

Klauen! Was wollt ihr verhindern - was dünkt euch, zu raten dem Freien?

Keiner unter denen schließt mit Verlieren Kontrakte!

Steuert nicht selbst er bereits im Zeitenstrome des Schicksals

Barke, lädt ein oder aus, womit da drunten er handelt

unter seinesgleichen, er zahlt den Preis, er gewinnt,

sei’s drum, oder verliert! Überschaut er nun wirklich

lehrsam und ohne den Zugriff der Götter das Weltengetriebe? -

Wolltet ein letztes Mal ihr Götter die Menschen beherrschen,

nenn’ ich euch gern die Rolle, in die ihr zu schlüpfen berufen:

Wotan, du würdest Patron der Parteien, auf einem der Augen

blind, und Hilfe gediehe nur eigenem nützlichen Planen.

Frigg, Patronin der Kulte, merkantilistisch gedungen:

Weihnachtsmänner, Osterhasen hinter den Fenstern

schirmtest, aus Marzipan oder Schokolade, du, Göttin,

Kinderglück parodierend und sicher Verstopfung erzeugend.

Balder wüssten die unnachahmlich Hybriden gar bald als

Schöpfer halbjährlich wechselnden modischen Plunders zu

nutzen:

Geckenhaft stelzen die mag’ren Gestelle den Laufsteg hinunter,

blicken auf Maulaffen feilhaltende, närrisch blitzende Laffen,

schwenken rastlos überteuerte neckische Fetzen und

schütteln lachenden Auges und törichten Herzens die Köpfe.

Thor, du allzeit bewunderter Lärmender, bleibst Favorit:

Statt in Wolken Donner, zu schleudern Blitze mit Regen,

dröhnt, dir wesensverwandt, potenzbezeugender Lärm aus

Zimmerecken und Automobilen frenetisch entgegen.

Tausende strömen in Stadien; stereo-typische Kulte

ködern mit orgastischen Rhythmen die rasenden Rotten.

Denkt ihr, mit ihren eigenen Waffen die Narren zu schlagen? Da

irren die Klugen: Die schrecklichste Waffe, die jemals erfunden,

nennt man Kommunikation: das Gesetz des Zerredens.

Jeder, der irgend gefrevelt, benutzt so die Zeit, den Argwohn

mürbend zu schmälern, die vormals Geschädigten selbst jetzt zu

Schuldnern zu

machen, bescheinigt dem Selbstjustiz, der in Notwehr

Verteidigung

brauchte, fordert, hinter Barrikaden und Schlössern sein

Eigentum abzusichern. Verbrecher genießen die Freiheit. Sie

müssen ja nicht ihren Reichtum beschützen. Also verkommt

ehrlich erworb’ne verteidigte Freiheit zu schnödem Establishment.

Seit es Hegel gibt, Marxismus und Hinkels Verblendung,

wechselt der Wahnwitz der prallen Hoden und leeren Beutel -:

Armut ist Nährboden beiden; auf ihm gedeihen wohl alle

Schimmelpilze des Neidens und Hassens - sie lieben den Sumpf.

Ohne Fixsterne, ruderlos, dennoch mit brodelnden Kesseln,

dreht sich qualmend und dampfend das hilflose Schifflein im Kreise.

Entertainer ergötzen Passagiere und Mannschaft und

andere Schönredner, Scharlatane des witzigen Schwätzens;

Bänkelsänger verspotten die kunstvoll warnende Sprache.

Niemand weiß sich berufen, das Steuer zu schweißen, das Ruder

endlich kraftvoll zu greifen, denn keiner errechnet den Kurs.

Riefe jemand die Großen der Länder, dies Übel zu bannen,

wüsste ja selbst der Papst, der künstliche Kaiser, sich gänzlich

schutzlos mit seinen gläubigen Brüdern und Schwestern gelassen!

Leben heißen die christlichen Lehrer zu schützen, Gesetze

fordern, den Mord am Ungebor’nen zu hindern. Doch hält das

Recht an Mehrheitsbeschlüssen sich gültig gebunden, - und

ändert

Mehrheit die Vorstellung nötiger Werte, fallen die Schwüre.

Medien bilden die Meinung. Frohlockt’ nicht das Münchener

Rate-

Schweinerl? Es rief: „Die Sahne von heut’ ist der Käse von morgen!“

Dies glaubt auch Häme, Talkmeister, fett, ein geistiger Zwerg,

schwört er im Chor mit noch anderen Zeitgeistern schmähliche

Ruhmsucht

Propheten und and’ren Genies, die I h r dem Morgen verpflichtet!

Volksherrschaft verkommt zu manipulierten Gewinnen,

Richter schroten Gesetze; es herrschet die parlamentarische

Diktatur, die selbstgeschaffenen nationalen

Übel, im Anonymen versandet, auf Kosten aller, zu

Gunsten wen’ger Gewinner profitabel zu nutzen.

Was auch immer ihr siegend ändert: Die Soziologen,

kurzsichtig, ziellos, werden der dämmernden Unlust beweisen, dass

„Selbstsucht und Eigennutz Triebkraft der Götter von jeher gewesen -

Aufruhr stifteten himmlische Chöre, als Huren der Macht

spielten sie festliche Klänge zu unterdrückender Botschaft …!“

Ethik als ewig gültiger Maßstab vernünftigen Wirkens

gilt Gesundbetern hegelianisch-marxistischer Lehre

einzig als Anpassung ständig sich wandelnder Mode - der Trends. Nach

ihnen spähe, wer ernstgenommen zu werden sich mühe in

Wissenschaft, Religion und Politik. Denn aller

Zukunft gelte das Recht, den Trends ein Meister zu werden.

Soziologie studiert die Zeichen, und sie

überschreibt die Gültigkeit der (ständig im Wirbel

abgetauchten) trendgeleiteten Gesetze:

Fettaugen, triumphierend von der Brühe geschöpft, von

Hegels Narren angemischter fanatischen Suppe,

heißgekocht in Pseudonymen der Philosophien.

Fragt ihr, wem dieser Topf gehört, was darin brodelt, ei,

Fabrikantenfraß, laborgezüchtete Flora,

gengigantisch aufgebauscht, bestrahlter, verseuchter

feinzermahlener Abfall aus Schlachthof und Abdeckereien,

Zutat: Geschmack und Konsistenzen aus der Chemie,

abgefüllt in Plastikbecher, -beutel und -flaschen.

Neue Hügel wachsen bedrohlich in fruchtbaren Ebenen,

Gifte lauern im Erdreich - sie harren des künftigen Sieges!

- - - - -

Unerhörtes hab’ich berichtet. Wer nun, so denkt ihr, sei

schuldigt? - Seit jeher schufen die Menschen sich lenkende

Götter,

neben dem Lichten erfanden sie teuflisch das Böse.

Mich beriefen die Ahnen, zu schaden den Menschen und

Göttern.

I h r erschienet arglos und ludet die Strafe auf mich!

Tot war ich - wie ihr! Die Erde drehte sich weiter,

neue Geschlechter erbten die Möglichkeit, Neues zu schaffen,

dennoch traten sie an, wie eh’dem, nach dem Gesetz, nach

welchem die menschliche Rasse im göttlichen Plane gebildet.

Bleibt ihr die Kraft, nach Gutem und Schönen sich redlich zu mühen,

ist ihr gleichfalls gestattet, sich anders und gegen die Schöpfung zu

stellen. Ich war nicht zugegen, als dieses Gebärden entstand,

sprecht darum also frei mich! Gewogen bin ich den Menschen,

sind sie mir gleich und freilich nicht Boten der himmlischen Mächte!

Dennoch plante ich nicht, Verwerfliches gar zu bestärken.

Führt ihr d’rum Krieg, das Unrecht vom Rechte zu scheiden, so tut es,

doch

Asgard verblasste, und Menschen erfanden sich neue Gewalt’ge.

Immer wechseln sie Namen, Verpflichtungen, Formen der

Freiheit.

Denken können überlebende künft’ge Geschlechter

nur immer weiter nach eben jenem Gesetze der Schöpfung,

das den Fortlauf des Schicksals plante und weiter bestimmt.

Keine Schlacht, und sei sie noch so herrlich gewonnen,

sichert euch willkürlich Geschaffenen unwiderlegbaren Sieg.

Euch wie alle Kreaturen bindet ein ewiger

Plan, den die Gottheit verschweigt und Menschen ahnend

umgehen.

Denket versöhnliche Ruhe zwischen Loki und euch,

bettet menschliches Streben in ahnend ethisches Wollen,

dass der Kreaturen gemeinsames Los sich erfülle,

Leben zu schaffen in Freiheit, zu schützen, zu mehren, und

alles Beginnen das glückselige Leben bejahen zu lassen!

Wer das Leben schützt, der kann den Freund des Mammons, den

Tod, nicht länger schweigend unterstützen, vielmehr

drängt ihn schöpferischer Ursprung: Liebe! - ergründend zu

fordern, Missbrauch entgegenzuwirken, den Kindern der Liebe

Kinder des Lichtes zu schenken, die Größeres wollen und

wirken!“

Vierter Gesang

Wotan, der ehemals Göttliche, lächelte freundlich dem Kreise,

er beschied dem Loki Frieden, den staunenden Asen

sandte er Schlummer, dass sie müde sollten ihr Haupt

betten auf duftenden Kissen - , die Lichter gebot er zu löschen. - -

Asgard dunkelt, Walhalla schwindet in dämmernder Stille,

friedlich ist die Schande Lokis geahndet, und

lichtüberflutetes Schauern ermuntert die eifernde Erde;

Städte wie Dörfer pflegen wie immer der nächtlichen Ruhe,

rastlos überflimmern Wohnzimmer Bilder des Grauens und

Müßigganges. Wollust und Geldgier schmieden die Pläne,

schließen Bündnisse, stellen im Universum vermeintliche

Weichen. - Nicht gewahren schicksalsvermessene Toren

künftiges lösendes Lächeln ursächlich wandelnder Gottheit! –

ENDE

Königin des Herzens

Ein Hymnus

Als Vision den Brüdern William und Harry

In Verbindung mit

Johann Sebastian Bach:

Orchester-Suite 2

BWV 1067

(die Folge der Sätze leicht verändert)

J. S. Bach: h-moll-Suite - Ouvertüre

« Griechin »

Seh’ ich kommenden Tag ’s nicht mehr der Götter Gruß,

hält nach Dir wie gewohnt Ausschau des Scheuen Blick.

Nicht durch Ferne entsühne,

körperlos, mich von Pest des Grams!

Nein! Es schenk’ mir Dein Gott schöpfende Kraft zuvor,

nachzusenden mein Wort, schäumender Woge Gischt:

rauscht hinauf, im Verrollen

sterbend küßt das Gestade, dort

harre sinnend am Strand! Lauschest gesenkten Haupt’s

ernst dem glitzernden Spiel; arglos vertraust Du Dich

Well’ und Wind, - bis vom Rauschen

scheu Dein nackender Fuß erschrickt.

J. S. Bach: 2. Sarabande

1

Unter Englands sonnigem Himmel weinen

Millionen Menschen um ihre Hoffnung,

während Althorp Court unter grünem Rasen,

vor den Blicken seiner Verfolger schützend,

Köstliches bettet.

Wesensgleiches rudert im Nachen heimwärts;

ihrer Söhne bittere Tränen blitzen

unter Wimpern kindlicher Mutterferne

über der Stille.

Trost nun sollet ihr wissen und offenbaren:

Was auch Althorp blumenversiegelt wahret,

gilt der Welt zum Segen! Der Mutter Erbe

blüht ihren Kindern.

J. S. Bach: 3. Rondeau

2

Aus der Schöpfung Gefäß blüht ihr beglückend’ Maß

in erweiterter Kraft, glühet der Schöpfungskeim

solcher Welt, seismographisch

spürt die Innerlichkeit das Ich.

Sinn des Lebens begehrt, weil es dem Schöpfer nah’,

ohne quälendes Wann, Wo, Warum zu wissen,

Ungewisses zu forschen,

nicht der also beruf’ne Mensch.

Wer ihn fördert, erfährt, wie aus sich selbst heraus

wächst zu segnender Kraft dieses geheime Sein,

schafft Kultur mit des Daseins

Schutz und förderndem Lebenssinn.

J. S. Bach: 4. Polonaise und Double

3 A

Spiegelbildliches Sein adelt des Sohnes Sinn,

von der Mutter ererbt: Glättender Sinne Macht,

paart sich deutende Schwermut

mit der Hoffnung auf lichten Tag.

Braut sich ballend schon ursächlicher Widerstreit,

reicht er schützend die Hand, schlichtend den Gegensatz,

leidet mit den Gequälten

durch sein liebend umschließend’ Herz.

Von der Leuchtkraft des Glücks lebt er, durchschimmert hell,

rascher Zartheit und mild tätigen Blicks, durchwirkt

ernst erlösendes Lächeln

seiner Jugend der Zukunft Lauf.

J. S. Bach: 5. Bourrée I und II

3 B

Spiegelbildliches Sein adelt des Sohnes Sinn,

von der Mutter ererbt: Packende Energie

reicht den Zeiten behende

Herz und Hände zu froher Tat.

Was die Sinne erfrischt, heftet sein kühner Blick -

an Konflikten geübt, sie zu erfassen, zu

brechen oder zu lösen, -

sein verknüpfender Sinn zum Los.

Zauset kindlicher Schalk duckenden Krämergeist,

fordert glückbringend er manches verzagte Herz - :

heilt durch leuchtende Wärme

frühlingswurzelnder Lebenslust.

J. S. Bach: 6. Menuett

4

Mißklang hört’ ich und Streit, über den Äther getragen;

mit der Mutter Scheiden wächst im Volke der Zorn,

Ehre fordert die Menge vom Thron für die Verstoß’ne,

weise und edel entscheidet zu Gunsten der schwankenden Kronen

Englands junger Premier, es reifet der Königin Sohn, statt

bröckelnder höfischer Etikette erzwingt er die Größe.

Seite an Seite mit Söhnen und Schwäher betritt er die Bahn,

folgt dem Sarge, verhüllt mit den bekennenden Zeichen

königlicher Würde, der Kinder duftendem Gruß, und

Tausender Klagen und Weinen. Also entflohen die Stunden.

Englands Blumen welken. Sie säumen den Tod und grüßen

neuende Kräfte des Lebens. Denn hinterlassen ist uns der

Mutter verzweigendes Erbe. Mit beiden Söhnen erwächst

Wesensgleiches doppelt neu, gesonnen(,)zur Tat(,)

ihrer Mutter(,) Humanitätsgesinnung zu fordern,

hohen Liebessinn und unantastbare Freiheit

ihres Erbrechts: Könige der Herzen zu werden,

Friedensboten, Mittler zwischen Welten der Pein,

ihrer Mutter gleich Geschwister der Kranken und Krüppel,

Kläger zugleich und Segnende unter irrenden Menschen.

Was empfangen sie wirklich, naht einst die Zeit ihrer Throne,

aus des Volkes Herzen, des Vaters sorgenden Händen,

wenn sie nicht wägen dürfen der wandelnden Welten Plan

gegen das allgegenwärtig schützende Lächeln der Mutter - :

William, in die liebkosenden Hände geschmiegt,

Harry, dem tatvollendenden Mut der Mutter entsprungen?

J. S. Bach: 7.Badinerie

ENDE

Die Jahreszeiten

Versepos in

vier Gesängen

1965

Aufgearbeitet 1995

Erster Gesang:

Der Frühling

Aus altem Winterschlaf der guten Dinge,

worin die Welt sich eisig eingehüllt,

gewinnt der frische Erdgeruch, der sich

vom Pfluge bröckelnd in die Furche schält,

hinknospend sehr die Flur gespitzter Triebe,

am Rain hinauf, hinab verstreut an Büschen

zur Nachbarschaft. Im Gruß der kahlen Kronen

wölbt bläulich fern der Äther seine Kuppel,

darunter dampfend sich der Morgen sonnt.

Hinweggerafft vom März die Schneegewänder -

mit allen ernsten Sorgen faltet sie

behutsam in den Winterschrein der Mai,

durchzieht das Land mit glückgewohntem Lachen

wohl auf und ab, die unbeschwerten Blicke

dem Stubengram, dem Misanthropenlaster

in hingeschmolz’ner Seligkeit entzogen!

Ja, mühelos umweht der neue Hauch

den steifen Rangstolz abgestufter Würden,

wärmt feierlich befrackte Männerpflichten

und lädt die zugeknöpfte Biederkeit

aus engen, steingetürmten Straßenschluchten,

sich aufzutun, wo blühend er sich zeigt,

am Blättertau die Schläfen zu erquicken.

Wie gleicht doch jeder blanke Wassertropfen,

kristall’nes Wunderwerk der düst’ren Nacht,

im Sonnenlicht bestaunt, der Jugend Lauf,

durch Gärten traumbestickter Kinderzeit

als prächtig neu im dichten Blumenschleier!

Verweile, ach! und pflücke, längst erlaubt,

den duftumwölkten Stengel des Jasmins

herab, der hochgefüllt zu Häupten schimmert!

Liebkosend tupft den weißen Strauß die Wange,

sinkt so die atmend warme Brust hernieder,

so daß sich Blut und Blühen einig finden.

Kein Luftzug, der das dunkle Haar berührt,

möcht’, wenn er weiter müßte, nicht verweilen:

Er steckte tief die unsichtbare Nase

zum Kinn der Jungfrau in den vollen Strauß.

K e i n Windhauch ist’s - der darf sie nicht beneiden:

Statt seiner stürzt sich das Gesumm der Lüfte

mit moosig braunem Hinterteil hernieder -

das Hummelvolk, ein paar der dicken Näscher,

die kühn das malerische Landidyll

durch mißversteh’ndes Brummgetön beehren.

Hei! Eh’der Schleckerrüssel in den Kelch

getaucht, entschlüpft das junge Mädchen flink

mit blitzend’ übermüt’gem Aug’ den Hang

hinauf - mit hellauf jauchzend klarer Stimme -

dem frechen Schwarm, zum nahen Waldessaume

in glücklich aufgeregter kurzer Flucht

auf diese Bank in hohe Schattenkühle!

Fast atemlos, ist ihr die Flucht gelungen,

und fröhlich überfliegt der kecke Blick das Tal:

Nicht weiter - hier gedenkt sie auszuruh’n!

Herab vom Blattgewirr der mächt’gen Kronen

läuft spielerisch ein dünner Sonnenstrahl

ins kühle Ungewisse. Abwärts gleitend

gesellt sich ihm ein neckisch’ Vielerlei

der mehr als hunderttausend and’ren Strahlen,

bis endlich ganz des Waldes Erdreich hier

von hellen, warmen Flecken ausgestochen.

Dazu ein Hüpfen, Flattern, Quinquilieren,

dass jeder meint, die Kurzweil gelte ihm

und sie nur unfreiwillig stören möchte.

Er horcht, gleich diesem aufmerksamen Mädchen,

an solchem Ruheplatze gern dem Zwitschern.

Man setze sich - getrost und doch - befangen? -

erlaubt auf’s freie Ende sittsam nieder? -:

Wer kommt, wohl nicht von ungefähr? -, und steht,

zunächst noch im Verstecke, zu betrachten,

vom Liebreiz angelockt, - wie jetzt der Jüngling,

ihr Dorfgenoss’ und einst’ger Spielgefährte,

den Blick gebannt an’s Ebenmaß der Glieder - :

Von weißbeschuhten kleinen Füßen hebt

die Fessel sich zum Spiel der Proportionen

und schweift hinauf zum luftig freien Knie.

Ihr faltenreiches gürtelloses Kleid

umschließt in dunkelroter Glut die Brust,

er grenzt im off’nen Schnitt der nackten Arme

begehrlich’ Prangen, eh’ der Mannesblick

am weichen Kinn und Mund sich sattgeküsst,

bevor dies Rosenrot ihm irgend dargeboten ….

Ach, wie verzehrt er sich im Wimperzucken,

trinkt Wunder aus der klaren Augen Schimmer!

Noch neiden muss er jedem Windeshauche,

aus lichtem Grün durch’s dunkle Haar enteilt,

dass sich Natur und Mensch gesellt, solange

das Licht sie überfließt, - leer geht er aus?

Ja, wer’s begreift, wenn dieses Bild gemalt,

was ihm die hohe Kunst zu sagen hätte,

wenn er’s behalten dürft’ und später dann

leibhaftig seiner Leidenschaft entfesselt’!

Gilt doch der Augenblick dem Jüngling mehr

als eines fernen Meisters schöner Wahn:

H i e r kann sich kein Geruf’ner widersetzen,

es sei denn, dass sein Herz aus Stein gehau’n!

Darum: Des Jünglings Busen gärt besessen:

Solch’ wundersamer Fee verriet’ sein Blut

nur allzugern sein Zauberwort der Liebe!

Ihm fehlt die Losung: Ein Erlaubt! Ein Wilder

trägt leichter sich ihr ohne Kränkung an,

wenn er den Seelenbund erzwingen möchte!

Wie hingemalt erscheinen alle Wünsche!

Des Jünglings Herz, von Sinnen schwer umwölkt,

heißt sie, den Rausch der Lüste zu vergessen:

Ihn überkommt ein fremder heil’ger Wille,

vor dem sich des Beschauers Mut verneigt.

Warum darf nur der Künstlerhand gelingen,

dass wir vor ihrem Werke schauernd steh’n,

ja, wähnend bangen, ob sich’s gar bewegte

und kränzte jetzt mit makellosen Fingern

die Menschenstirn, die um die Kraft gerungen,

dass sie der Schöpfung Liebe so gebar?

Wer kennt sich aus in jenen weiten Räumen,

worin der Mensch sich geisterhaft verliert

und grenzend schwere Formeln überspringt?

Es tragen ihn der Visionen Schatten

als lichtgebor’nes Zeugnis einer Kraft

aus uns’rer Welt in ihr geheimes Reich,

des Zweifels Hülle ledig, die uns kettet.

Das wundersame Kleid der letzten Dinge

berühren solches Geistes Lippen fromm,

knien wir vor’m Angesicht der Schöpferliebe.

Vereint empfangen in der Liebe Hut,

sei der Geburt der Schönheit Dank gezollt,

dem Höchstmaß der geruf’nen Phantasie!

Nicht gegen Kronen tauscht das Herz befreit

die krause Welt, in der wir leben, ein,

wenn uns das Reich erschaffen, das uns hält!

Die Liebe ist’s, die unser’n Kern verschlüsselt

zum Schlaf, aus dem wir hie und da erwachen.

Was wir aus Träumen - mindernd - deuten können,

weist uns das Herz als Nahrung an;

es mutet einem Teilbestand, was wahr,

ein Bett die Welt, in dem wir schlummern müssen!

So sinnend, steht der Jüngling, an den Stamm

der Buche wie verloren stumm gelehnt.

Da plötzlich reckt das Mädchen alle Glieder,

guckt rundherum und schreckt verstört empor.

Denn voll Verwunderns spann des Mädchens Ahnen

sich zu dem Liebesdrang der fremden Seele,

dass sie den andern spürt und tief erschrickt,

als ihre Augen wirklich ihn entdecken.

Errötend steht der Jüngling da und schweigt.

Was schon der Sehnsucht Abstand froh verheißen,

genießt unmittelbar ein frevlerischer

Gedanke: statt der Kunst Geschlechtlichkeit!

Jasmin und schwacher Körperduft vermehren

an Liebreiz, an gefälligem Betragen

sich augenblicks und dunkeln sein Besinnen.

(Wo nahm er nur den Ehrgeiz her, von ihr

versteckt die zücht’ge Anmut zu erhaschen?)

Sein Vorsatz stört ihn, steigert sein Begehren,

nährt schon den Groll, sich sittsam zu bescheiden!

Zuerst beschämt das Mädchen sein Betreten

mit Lächeln, mit gespielter Schüchternheit,

spricht kaum beredt. Doch bald verfliegt ihr Spott.

Charmant und frei entsagt ihr off’nes Wesen

all’ spröder, widerwärt’ger Strenge

und trägt ihr Herz so jung, so nie verzagt.

Als flössen die gelebten Jugendjahre

minutenschnell davon im Plauderstrome,

gerinnt auch der Gedankentausch der zwei

unmerklich leicht zu unerklärter Fülle.

(Wer wünscht sich nicht, aus klarem Quell des

unbegrenzten Glücks den Liebestrank zu schöpfen?)

Nur viel zu schnell scheint dieser Vormittag

im Bunde mit der Kirchturmuhr die Stunden

heraufzuläuten und den Wunsch zu messen,

der selbst sich durch den Rückweg noch verstärkt,

ja, durch den letzten Händedruck fast schmerzt:

Ein unaufhaltsam’ Wiedersehen muß

zu and’rer Zeit die Trauer noch erweitern,

- bis sie der erste Kuss daraus erlöst.

Doch nun, da es geschehen, steigert sich’s

zu schwärend jammervollen Liebeswunden

und blutet in verwachten Nächten fort.

Was hilft dem Drange ungestümer Lust

ein Seufzer hier, dort kussverschwieg’ne Stille?

Wie trachtet nicht die rohe Männlichkeit,

erquickend in die weitgefasste Schale

unbändig süßer Reize sich zu stürzen?

So oft die Stirn am bräutlich keuschen Leib

verwirrt sich zager Nacktheit anvertraut,

liegt sein Geschlechtsbegehr wie reingewaschen.

Doch kaum allein, sind die Geschwüre offen:

Sie eitern im Gemüte über Wochen

verlangend nach der einen Arzenei

und gären ungeheilt verwildert weiter!

Ein heißer Frühlingstag im freien Bade,

wo spärlich nur die Tücher deckend schützen,

birgt kaum mit Ablauf des bewegten Treibens

Beherrschung, welche sich am Ebenmaß

entblößter schlanker Glieder überwirft,

und schwillt als überreife Frucht zur Ernte.

Fast fliehend tauscht das Paar sich Abschiedsworte

für diesen Tag. Die überstürzte Trennung

bleibt gültig nicht - der Tag war lang und schwül!

Im Silberlichte reift der nackte Jammer,

ein jeder denkt: Die Nacht ist ein Geschenk,

in ihrer Kammer jetzt vereint zu liegen!

Ach, sinnend streift des Mädchens feuchte Hand

erregt und zitternd schon vom weißen Arm

das Sommerkleid, vom Leib die letzte Hülle,

streckt unbemerkt die schimmernd nackten Glieder

liebkosend in des Mondes Gartendüfte,

am off’nen Fenster lehnt sie unbewegt,

trinkt seufzend mit dem Hauch des Liebsten Nähe,

ein Balsam auf der Jungfrau kühlen Haut.

Fernher durch diese klare Nacht schlägt leicht

der Turmuhr Klöppelschlag die volle Stunde.

Mit gold’nem Klang der reinen Glockentöne

geleitet sie den heut’gen Tag zur Ruh’.

Da hebt die Jungfrau bebend ihre Hände

vor Mund und Lippen und beschwört aufweinend

des Himmels Mitgefühl für ihr Beginnen.

Sie schluchzt, sie keucht, die Brust betropft von Tränen!

Es sei! Ihr naht sich der geruf’ne Freund,

an ihrem Haus huscht er entlang, und jetzt

treppauf die knarr’gen Stiegen - da! Er klopft!

Jetzt schlüpft’s herein und steht erschrocken.

Nun huld’ge dürstend, wer den Brunnen findet,

beug’ erst sein Haupt, bevor er sich hinkniet,

gebückt der Götter Lebenskraft zu kosten …!

Sie wehrt ihm nicht - sie muss sich ganz ergeben,

und schäumend bricht sich das Begehren Bahn!

Ihr schlanker Leib sinkt bebend rasch zu Bette,

indes’ vom Körper sich der Bräut’gam hurtig

die wen’gen Kleidungsstücke eilends reißt

und stöhnend sich dem weißen Schoße schenkt.

Im abgespreizten Schenkelpaare wiegt

sein Rückenglanz, das Gliederspiel der Gatten,

umschlungen tauscht sich nackt in nackt der Guß

und strömt im höchsten Augenblick der Liebe

zur schönsten Frucht vom Leib zur Leibesmitte.

Und zuckend ebbt das Körperglück zu Schlaf. -

Ein regnerisches Morgengrau erhellt

gedämpft die Mädchenkammer und das weiße,

zerdrückte Linnen, wo der Liebespfuhl

voll Blut, wo beider Kraft verröchelt schlummert’.

Es ist gescheh’n - der Jüngling nicht geblieben,

in Schuldgefühl verraucht die Nacht der Freuden,

- die Schwüre, wankend mit der losen Tat!

Was ist die schon? Statt heftig sich zu wehren? -

statt durch sein Schuldgefühl ihn unlösbar

an sich zu ketten? - gab das Mädchen nach

und half dem Abenteurer frühe fort.

Wird jetzt die Tat nicht ruchbar, wer bekennt

sie später? Weiß der Bräut’gam sich genannt,

soll dann auch ihm der Tag bedrückend grauen?

Behüt’ ihn Gott! Sie sollt’ auf ein Geschenk,

das er ihr heimlich steckt’, für immer schweigen!

Denn ekelnd vor der Weiblichkeit der Braut,

verzichtet barsch der junge Mensch auf solch’

Begehren -: Tag für Tag durch Redlichkeit

und Eheglück dem Studium zu schaden, -

schwieg’ lieber zahlend und verschmäht die Brunft!

S i e ist erfüllt: Was keuchte im Verlangen,

erwächst aus fortgeschwemmtem heißen Samen

als zarte Frucht der Nacht - versetzt! - heran.

Unsinnig, nutzlos trägt sich der Verlust

des Gatten, des Verleumders an, der floh,

denn doppelt muß nun die Verstoß’ne leiden,

dass and’res nicht aus ihm gewonnen sei

als nur ein Tropfen, den das Dorf bespeit!

Er wär’ der Gottheit besser anvertraut

geblieben als der Gatten Freudenschaft! -

Ein banges Wissen regt sich in der Leere

herauf und festigt sein Beginnen. Weg

von Fingerzeigern, schadenfrohem Grinsen

drängt bald sein Wachsen die besorgte Mutter,

ins Tränenzimmer sich zurückzuzieh’n.

Wo ihr die schönste Nacht den Krieg erklärt,

klagt jetzt ein Tag dem andern bitter Reue,

das Gestern ungeschmückt, das Heute kahl.

Doch wie das Jahr sich auch entblättert zeigt,

daß frech der Frost die Gärten höhnisch kneift,

hat auch des Kindes fortgeschritt’ner Wuchs

im warmen, dunklen Bett sich Platz geschaffen.

Verändert schaut ihr dunkles Auge oft

zum vorgewölbten Unterleib herab

und streicht die Haut, darunter sich das Kind

voll Kraft bewegt. Es hüllt durch sein Bemühen

die mütterliche Scham in Lächeln ein.

Von Leidenschaften treibt sein Los sie weg,

er tilgt des Vaters Flucht zur Fraglichkeit,

rührt hoffnungsvoll die Brust der schönen Mutter

und eignet sich dem Kampf der ersten Wehen.

Nur wehe - weh der armen Kreatur,

die anders arten soll als das Gemeine:

Die Nachbarschaft - wer kennt nicht die Geschichten,

die jedermann erzählt und niemanden

verpflichten? Was denn jedes lose Maul

scheel tuschelt, meint, es ganz geheim zu wissen,

erfindet, übertreibt die lock’ren Sitten,

(selbst ihnen wohl vertraut!), doch lenkt sie heuchelnd

den ekelhaften Trieb der Wißbegierde

in ungeklärte Schlünde der Moral.

In jede Kammer schnüffeln diese Nasen,

vor kleinstem Wohlstand rümpft man sie voll Neid -:

das Glück, in Fremder Häuser einzukehren,

genießt man um des Friedens sicher nicht!

Was sich zu großen Tagen heimlich bildet,

regt bald den Mut, sich wachsend zu entzweien,

daß sich’s dem engen Schoß der Welt entringe:

Inmitten nachbarlichen Schandbefleckens

gebiert die Mutter schmerzgequält ihr Kind

und läßt den munter’n Knaben Murko taufen.

Kein Mensch enträtselt diese Namenswahl:

Wiewohl das keusche Rundherum sich froh

empört und schadlos hält an ihrer Schmach -

es traut sich nicht, des Hauses Los zu stören.

So bleibt ihr dies Geheimnis wohlverwahrt.

Was schwanger wir aus dunklen Grüften wiegen

herauf zum Licht, ein winzig kleiner Tropfen,

hängt glitzernd an des Schicksalskelches Öffnung.

Strahlt regenbogenfarben nicht sein Tau

erhaben, aus des Äthers Blau gebrochen?

- Ei! Rasch, vom Zungenschlag der Zeit geleckt,

erlischt das Schillern, die bestaunte Pracht,

fast wie bedeutungslos vom Rand genascht:

D o c h bitt’rer Wermutstropfen, gleich den andern

im Kelch? - der Kelch mit Abscheu ausgegossen …!

Nur zu! Wir trinken aus den Honigblüten

im Hoffnungsrausch den scheinbar süßen Saft

und schmecken mit der Bitterkeit die Fülle

verwelken rings - das Locken und Vermehren!

Mit jeder ausgeschleckten Stunde weicht ein Tag.

Vom trunk’nen Taumel wilder Lebensfreuden

sinkt mancher Näscher schwergeplagt ins Gras:

dahingerafft, im Blütenschnee begraben,

im Duft, der sterbend rieselt und vergeht.

Der Zauber fällt. Was nützen jetzt Genüsse - ?

Ein starker Sproß, der schwellend aufgebrochen,

entwächst dem Bann der nieder’n Erdenschale

und reckt sich aus des Ursprungs schwarzer Wurzel

zum Flammenmeer, zum Licht, zur Gültigkeit.

Zweiter Gesang:

Der Sommer

Manch’ schwüler Tag, dem Frühling aus der Hand

gesprungen, mehrt sich wachsend, unvermischt

die andern, welche schwanger folgen. Weitend

dehnt dampfend sich nach kurzen Regengüssen

der Erden Brust dem Sonnenlicht entgegen.

Wie jauchzt der Himmel, da er sich erhitzte,

mit Fruchtbarkeit des Erdenschoßes Tuch

durchtränkte, das der Frühling hingebreitet.

Vom Keimling lockt das junge Jahr die Knospen,

es grüßt in abertausend Blütenfarben

das Land, die hügelan zerkratzten Hänge -

der Sommer zieht den bunten Schleier weg,

und ohne Unterschied der Dinge wächst die Saat.

Denn sieh, der Nachlass abgelegter Pracht

schwillt mit der Frucht, des Lebens Wiederkehr.

Erst was du liebst, was unbeschwert gedeihe,

das hebt die stumme Kraft aus schwarzem Nichts

zum Lebenslicht, zum Blühen - - und Vergessen?

So heiter grüßt kein Sommertag die Wimpern

wie jetzt, wo sich das Auge glänzend füllt

mit Freudentränen. Denn, wie abgesprochen,

tritt noch einmal der Jüngling vor die Bank

am Waldessaum, der Braut den Gruß zu bieten!

Gelassen stapft er durch die trock’nen Wiesen

herauf den Hang. Von unten blinken Dächer,

wo sie zu zweit die schlafgemeine Tat

im vor’gen Frühling bebend eingegangen.

Jäh heischt ihr Blut, sich Kühlung zu verschaffen,

da weit und breit im heißen Sommerwind,

im Mittagsdunst das Korn sich träumend wieget,

doch in des Mannes Busen zog der Winter

geschäftig ein, den lichten Tag zu kürzen.

Der Jungfrau galt sein hoffnungsvolles Zagen,

die, unberührt, ihn fortriss zum Erobern

- der jungen Mutter zeiht der Mensch sich kalt.

Das zügelt schreckhaft des Verräters Sinne,

wenn er sie heut’ wie einst, durch nichts zertreten,

berauschend fremd in schimmerndem Erscheinen

so wiederfinden, so entdecken soll!

Gilt, da er sie jetzt schaut, die Probe neu?

Von ihrer Schönheit sieht er bleich hinweg,

setzt sich mit art’gem Abstand ihr zur Seite,

durch kalten Widerstand solch’ Spiel zu enden!

Ihn narrt nichts mehr, und sollt’ er’s eingestehen,

dass er zur Schande nicht geschaffen ist!

Sein Hirn gefriert zu ihrer warmen Stimme:

Wiewohl sie sein Erbarmen flehend bittet,

hat er zur Vaterschaft kein Selbstvertrauen,

nur Mut im Überfluß, sie zu verleugnen.

Er weicht ihr aus und rettet sich in Stolz,

in Standesdünkel und Verächtlichkeit.

Ach, läge doch der Hoffnung Wetterglas,

aus schwacher Hand geschlagen, längst zertrümmert!

Was hofft sie noch, da er sie abgewiesen,

den Rücken zugekehrt, und geht davon?

Nicht Hoffnung, nein! Aus rohen Kräften würgen,

aus dumpfem Schmerz die aufgebrachten Sinne

die überlebensgroße, wilde Angst,

allein zu bleiben, weinend zu vergessen -,

und schluchzend rafft sich die verworf’ne Frau

empor und folgt mit tränennassen Wangen

vom viehbegrasten Hang dem Schlängelpfade.

Ja nicht zu ihm! Zu Murko in die Kammer

tritt sie gefaßt. Er schläft. Sie küsst den Sohn

und setzt sich zitternd dann am Schreibtisch nieder.

Gedanken jetzt, und dass sie ätzen, beißend

verletzen müssen, sind auf den gezielt,

der sie und ihren liebsten Schatz geschmäht!

Nie! Kein Entfremden tilgt die Vaterschaft,

sie zapple jetzt im Netze der Justiz! -

Am Nachmittage wälzt ein giftig gelbes

Gewitter sich von Berg zu Berg zusammen.

Die schweflig heiße Brut zieht, aufgetürmt

in Wolkenknäueln, grollend vor die Sonne.

Ein jeder eilt besorgt zu seinem Dache,

den Höllenschlund des Feuers abzuwarten.

Zu Tal, von Blitz auf Blitz zerrissen, schnaubt

erdrückend heiß des Ungeheuers Atem,

aus allen Wolken bersten fahl die trock’nen

und weit herum verstreuten grellen Schläge,

jetzt dort, schon hier! - Sie klirren durch die Scheiben

der hingeduckten Fachwerkbauernhäuser.

In alle Zimmer bleckt der irre Schein,

zerprasselnd mit den heft’gen Regengüssen.

Er zündet sich im Dunkel blendend fort -

auf jedem Antlitz bleicht er wächsern nach.

Doch solche aufgebot’ne Kraft muß endlich

verebben. Sieh, der Abendsonnenschein

läßt sich errötend jetzt vom Laub der Linden

auf Weg und Garten tropfend niederfallen.

Zufrieden schaut von seiner Tür der Bauer

hinauf, hinab ins Dorf, ob nichts zuschanden,

doch von den altvertrauten Dächern steht

nicht eins in Flammen. Nun empfiehlt der Tag

sich spät mit blutigrotem Wolkenhimmel.

An ihres Vaters Seite will das Aug’

der Tochter heut’ nichts mehr von Schwermut wissen.

Es schweift hinweg zu frohgemutem Treiben

in Hof und Gärten, wo vergnügte Kinder

sich neckend jagen, barfuß jauchzend eins,

zwei, drei in braundurchsonnten Pfützen platschen

und spritzen, bis der Übermut gekühlt. -

Nimm Abschied, Herz, von unbeschwerter Szene,

denn mit der Sonne blutig rotem Glimmen

mehrt bläulich sich das Schattenreich der Nacht.

Es geht, ein wundersamer Traum, durch mein

Gemüt und offenbart mir das Geglaubte,

worin die Welt sich dir in Angeln dreht,

wo sich vermischt die Mäkel stoßen und

vergessen. Licht und Finsternis sind eins:

Die Nacht bezieht das stille Tal mit finst’rem

Behagen, hebt den gelben Mond und schiebt

ihn fröstelnd schräg an schwarzer Wipfelkuppe

hinauf. Der Freund entrollt den strupp’gen Rücken

ins tintenschwarze, hochgespannte Nichts.

Jetzt funkeln mählich hin und her zersprenkelt

wie eingenäht die eisumflorten Sterne.

Schon bleicht der Mond in hingeschmauchten Schleiern,

- tritt aus dem Seitentor des Vaterhauses

der junge Mensch wie einst - nur trotzig

und ohne Gier, gefaßt, auf ihren Brief

für sich den Streit auf immer zu beenden.

Ganz ungehindert schleicht er durch das Pförtlein,

durchmisst den Garten, überquert den Hof,

erreicht noch einmal unbemerkt ihr Zimmer,

klopft, klinkt die Türe auf und geht hinein.

Bleich übergossen schimmern ihre Züge,

wallt schwarz vom Halse bis zur Fessel nieder

langärmlig ein Gewand der düst’ren Trauer.

Vor’m Fenster grüßt im Mondeslicht die Schöne,

die Schlange - bannt ihm sein Gewissen, dass er

unsteten Blick’s verharrt und späht und lauscht,

dass ihn des Kindes Schlummer seltsam schrickt.

Wiewohl es fortschläft, stört es seine Sinne,

denn heischt es jählings mahnend nicht von ihm

zu Mutterglück vereint das Vaterherz?

Doch eh er das gelobt, entreißt er sich

endgültig heut’ der aufgedrängten Rolle!

„Sag, Bräutigam, wie herb ist unser Leben,

wie’s schalkhaft uns am Glück, am Ehebett

vorüberführt, in dem wir wohlig stöhnten,

daß wir uns jetzt, wie Narren, auch ohn’dem

mit schmalem Trost und keinem Hochgenuss

von Schoßeslüsten fortzustehlen wünschen?“

„Dir, Braut, ziemt gern als Anhaltspunkt der Liebe

dies Wort geschlechtsgebund’ner Weiblichkeit,

jedoch dem Manne ist zu seiner Kraft

die Pflicht zu höchstem Tun dazugegeben.

Gedanken dieser Quelle ziehen ihn

von bloßen Lüsten weise sinnend fort.

Was ist der Mensch? Ein faulendes Gebilde!

Das Fleisch, wie’s uns’re Gier beflügelnd schmeckt,

verwelkt - woran wir uns geblendet weiden.

Ja, gleich dem Schnee zerschmilzt das Ränkespiel

der Lüsternheit, der vorgesorgten Triebe!

Bald kühlt Gewohnheit jede Leidenschaft,

stumpft ab im Schoßespfuhl der Innigkeit;

zwickt Zier das A l t e r, bleicht’s die roten Wangen,

ach ja! Die holde Pracht vergilbt zerknittert:

So faltet sich des Lebens pralle Fülle;

wir schmücken, kränzen seinen starren Schlauch,

der wächsern harrt bei fahlem Kerzenschimmer,

und betten sein Geheimnis stumm zur Ruh’.“

„Was, hör’ich, wäre deine Tat gewesen:

Ein staubbedeckter, abgenutzter Spiegel

für zahnlos mümmelnd altersschwache Lehren?

Du leugnest, einst in Liebesglut entflammt

zu sein? Nun reut dich so dein nächtlich’ Treiben,

dass Heil’ges gar verfrüht dich freveln machte

und du in meinen Schenkeln falsch gepfiffen?

Nein, frischen Lenden glaubt man nur Verlangen,

wünscht heiß die Brunft, den kalten Witz zu strafen“!

„Oh nein, gefühllos stand ich damals nicht,

als sich dein Blut erregte, mich beschwor,

mich lockend, der ich ernstlich zögern wollte.“

„Behaupte nicht, du stündest unempfindlich

mir gegenüber, der du meinen Sohn

gezeugt und fortgelaufen bist. Denn nach

verzücktem Rausch die Lüste abzubinden,

hält Zeugnis und Geburt in engsten Schranken,

grenzt Lebensglück und geizt mit Muttersorgen,

so dass des Glückes Sauerteig, der Mann,

nur mangelhafter könnte sich durchsetzen.

D’rum hat zum Ideal der Mannessäfte,

die fortgespritzt zu höchster Tugend reiften,

des Schöpfers zweiter Wink das Weib bestellt,

dazu ersehen, das verruchte Rinnsal

in frommer Wollust selbst sich einzuleiten.

Dass jeder so entsteht, darf keinen kränken.

Wer ziert’ sich noch, wenn ihm der Gattin Schoß

erblüht zum Lendenkuss in höchster Stunde?

Ah, prüfe selbst, ob sich dein Blut erregt,

wenn dir mein Körper hüllenlos geboten,

ob du vor mir, dem Weib, zurückebebst.

Komm, streichle mich! Gelüstet’s dich, so geh!“

Solch’ Schlangenkünsten der Versucherin

muß er gehorchen. Zögernd, Schritt für Schritt,

wagt er die Hand, den Umhang zu berühren.

Da plötzlich schlägt der Vorhang oben auf,

erweitert sich und sinkt behend’ zur Erde.

Und, da ihr Arm ihn abgestreift, entdeckt

sie ihres Bräutigames gier’gen Augen

anmutig-spielerisch den nackten Leib.

Glattduftend glänzt die eingerieb’ne Haut,

dehnt sich erfrischt die schwellend weiche Brust

und, gleichsam mit des Muskelspiels Ergötzen,

streicht ihre Hand am Körper prüfend nieder:

Ob jetzt, ob später - wer erläge nicht?

Und er erliegt! Er steht, der Schmach entringend,

sehr blass, da ihm die Gegenwart Gewinn

statt trotz’ger Einsamkeit verspricht ( - sich später

in Junggesellenhurerei erschöpfend) ….

Heut’ kann er naschend seinen Bund erneuern,

vielleicht sich später überreden lassen,

als fert’ger Mann ihn endlich einzugeh’n?

Wer dächte nicht, die Unrast seiner Jahre,

sobald sie ausgegoren, abzuwerfen?

Nun gleiten ihre Hände wieder abwärts,

wodurch des Jünglings Stachel wild sich reizt

und jählings alle Sinne furchtbar zieht.

Jetzt schleudert sein verzückter Geist die Fälschung

hinweg und treibt den Wunsch nach Fleisch ins Blut -

hinknieend faßt er ihre glatten Beine,

küsst ihre Hände, streichelt ihren Leib,

will jetzt der Brüste runde Pracht erhaschen -

- weicht kühl das Weib zurück und hält sich fern:

Zunächst verlangt sie streng zum alten Schwure

für jetzt und alle Zeit Bestand, den Mann

für sich und für das arme Kind den Vater!

Ihn hält nichts mehr - er muss die Schöne haben,

schwört, (oh, bereut, an ihren Arm geschlungen!),

sein leidenschaftlich’ Los in dieser Nacht

hinopfernd an ihr Schicksal zu verlieren.

Nun wär’s vollbracht. Und doch gewinnt er nichts!

Sie schaudert vor des Ehemanns Begierden,

vor wiederholtem Anschlag glücklich satter,

entlad’ner Triebe - wie vor einem Jahre,

dass sie Bedenken heischt vor dem Ergötzen,

bis wahrhaft vorm Altar der Bund geschlossen.

Vergebens stöhnt der Wilde, der, zu Bette,

sich angeschickt, die Kleidung auszuzieh’n,

vergebens tasten die erregten Hände Formen

des unverhüllten Mädchenleibes, dass

er krümmt und reckt und wälzt sich mit des Blutes

Aufwallen - sie erliegt ihm nicht, sie wartet,

sie schweigt und sieht verächtlich auf ihn nieder,

bis dann zum Höhepunkt die Säfte sich

ins Hosenbein entladen und verzucken. -

schlüpft in den Mantel und verhängt die Lockung.

Erraten steht das Später: denn dahin

sind Lust und Freud’, sind Vorsatz und Entzücken;

als die Erfüllung sicher, starb das Herz.

Da liegt er nass und schilt sie eine Metze,

an der sein Mannesmut sich einst verging!

Geborsten sprang der Damm in hoher Flut

aus heißer Brunft in nüchternes Erwachen.

Jetzt muss hinfort in solch’ zerwühlten Kissen

kein Mädchen schluchzend tief vor dem erröten,

der dunkel kommt und früh enteilen muß.

Zum Überfluß erhebt der „Balg“ mit Quäken

die schreckgeschärfte Stimme zum Entsetzen

des Mannes und der Mutter, und sie eilt.

Flugs reckt der Fremde sich und schnellt behende

aus arg zerzausten Kissenknäueln schon zu Füßen,

noch zaudernd er, nicht schlüssig, wie er gehe:

ob flink durch rasch Flucht den guten Namen

aus alter Torheit abzuziehen, oder

ob durch ein gutgespieltes Schuldbekennen

dem Zorn der aufgebrachten Hausbewohner

bei misslichem Ertappen zu entgeh’n?

Nein, nein - sie winkt ihm schon. - Er ist entlassen,

ist frei zu ungezwung’nen Werken, ist

geopfert seinem Schwank zukünft’ger Jahre.

Jetzt, als er geht, da sie verschmäht, erlischt

des Kindes Weinen an der Mutter Wange.

Der Zeit verwoben, riss der morsche Schleier,

ein eitles Hirngespinst, wie Mottenfraß.

Vor’m Schöpfungskeim verschleiert’ sich der Geist:

Okkult beschwört der Mensch die heil’ge Liebe,

durchmisst am Stundenmaß des Wachens Blüte,

vielleicht der Biene gleich, dem Schmetterling,

schwirrt hin und her und nascht den Göttertropfen,

prüft schon mit emsig abgespreizten Schwingen

die Wunderkraft in atemlosen Fluge?

Wagst du, herauszufordern das Vermögen,

so steige auf zum Äther, fast nur Schatten,

und überfliege das Gewimmel drunten!

Da groß dein Schatten nun, verspottet dein

Erschrecken den bescheid’nen Gräserwald,

bis dich die anmutsvolle Schwalbe hascht!

Mir scheint die angemaßte hohe Sphäre

im Unermess’nen der Natur gering;

was nicht der Zufall frisst, das welkt die Zeit!-

Es sei: Die Menschenlust zu süßem Ringen,

im Arm der Unbescholt’nen frech gezeugt,

die frohe Kraft, dem Schoße dann entrungen,

bleib’ nur dem Allerhöchsten anvertraut!

Von Anbeginn, der uns dem Leib entriss,

berühret unser Ohr ein gold’ner Ton

der Zuversicht, des Wachsens, des Gedeihens,

von Ort zu Ort gebannt in bronz ’nen Kronen,

- wählt laut sich unser Herz den alten Bund!

Was sie vom Himmel erzen tönend zählen,

sind uns’rer Freuden schwer zerschlag’ne Stunden!

So schwebt der güld’ne Kelch der Sakramente

kopfüber zwischen Mensch und Göttlichkeit

und gießt des Himmels weitgeschwung’nen Segen

gesammelt über sein Vergehen aus.

Wer dieser Welt sich klagend anvertraut,

bedarf der Reue nicht, sie zu verstehen;

so wird auch Murko diesem Geist verschrieben

und reift zu unbekanntem Werk heran.

***

Wer bietet feil - bemüht die edle Sängerkunst

für Brot und Salz - für Tages Einerlei,

will Geist und Herz mit reinem Klange würzen?

Wer schämt’ sich nicht, gleich der bedrückten Mutter,

dass sie des Bauernhauses enge Kammer,

die traute Emsigkeit des kleinen Dorfs

mit grauverputzten Hinterhoffassaden,

Vergangenheit mit düst’rer Zukunft tauscht?

Hier dunkeln sich des Knaben frohe Träume:

Kein Trost - nur Finsternis statt Phantasie,

nur Wetterleuchten der geballten Sinne.

Doch zünden von der edlen Stirn die Bilder

der knappen Geste des Zusammenseins

und lösen aus der Sängerin Bemühen

um jeden Tag, der ihrer Arbeit gilt,

kein Dutzend stillvertrauter Jahre ab

vom stumpfen Grau der öden Kinderzeit.

Dann naht der Tag, dass die vereinten Wesen

in Ehrfurcht vor dem einst’gen Schwur der Mutter

sich schmerzhaft teilen. Murko zwingt kein Wille,

sich dem Gelöbnis wohlgemut zu fügen:

Verborgen und entdeckt, gehegt, entwickelt,

reift’ Murkos Stimme zum Talent heran

und offenbart die Gabe der Musik!

Dem Domchor eingereiht, dem Priesterrock

vorherbestimmt - da heißt es Abschied nehmen

von Stadt und Land, den scheuen Abenteuern,

von frisch entdeckten Wundern seiner Welt,

- was von ihm reißt - es war ihm tief verwurzelt!

Nun soll das Bäumchen ausgerauft und fern

woanders zwischen streng gestutzten Hecken,

soll Murkos Wesen eingeengt erblüh’n?

Zurück zum letztenmal, und schweren Herzens

kehrt Murko an der Mutter Hand zum Dorf

im altbekannten Hof bekümmert ein,

der Schläfrigkeit, bevor die Ernte mahnt,

eh’ knatternd rote, grüne Landmaschinen

auf gold’nen Äckern körnerfressend kreisen,

eh’ bläulich der Kartoffelranken Rauch

im Abendrot beginnt emporzuwirbeln.

Nein, eh’ der Sommer weichen muss und schwindet,

entblätternd in des Herbstes Morgendunst,

stapft Murko eifrig durch das Wiesengras

bergan und folgt der Mutterliebe Spur,

wo sie begehrt - aus der der Bund entsprosssen.

Auf dieser Bank durchforscht ihr dunkles Raunen

sein Herz, wie es verständnislos erschrickt -

ein unbekannter Groll bewegt die Stimme,

sein ahnend’ Herz erbebt und schweigt betroffen.

Nenn’s fröhlich nicht, was auf der Bank hier kauert’!

Das Käuzchen schrie - der Frühling lag verpfiffen

im Spottgesang, als nun der Sommer reifte

und niederkam, die Fülle seiner Frucht

zu hüten. Ach, der Mutter Leibesfrucht

errötet mit des Herbstes Reifekuss

und folgt ihm tief hinab zur Ernte. Jetzt,

vom Zweig der Jahreszeiten abgepflückt,

ertönt sein Los, ein Lied auf leeren Saiten,

zwei Tritoni, verschränkt zur Schicksalsschelle,

worin es zeternd gellt und schrill erschalle!

Dritter Gesang:

Der Herbst

Karfunkeln perlt - mit jeder neuen Biegung -

kristallen ein noch nie entdecktes Land

im Netz der langen braunen Wimpern quellend

hernieder unter schwerverhang’nem Glänzen,

hinweggehascht vom blütenweißen Tuche!

Durcheilst du jetzt die schönsten Kinderjahre,

in einem Atemzug das neue Land,

wer überbrückt die graugefärbten Tage,

durchschießt pfeilschnell den hohlen Berg des Grams,

wer frisst sich, ein metall’nes Tauchgestürm,

von Fels zu Fels der harten Widerstände,

kreuzt ungestraft die aufgeschreckten Täler

und bohrt sich in der Städte Labyrinth?-

Die stille Kammer wird zum Paradiese,

da bergen sich die eingepackten Schätze

der Mutter im geheimen Schrankverstecke,

indes sich Murko fortstiehlt, da die Fragen

ihm lästig nur den wirren Kopf umschwärmen.

Spät findet er sich zu nachtschlaf’ner Stunde

mit heimlich weggewischten Tränen ein.

Die ersten Wochen in der bangen Fremde

zertrümmern das Spalier der zarten Rose,

entblättern den gepflückten Vorwurf des Gewissens;

von rauhen Männerfäusten stolz zerrissen,

gleicht’s sterbend deren eig’nen Blütenjahren.

Nicht größ’rem Segen der befreiten Stimme -,

dem Vorwurf bleibt die Herkunft unterjocht.

Und ruchlos speit und höhnt bigott der Dünkel.

Er reizt zum Wahn statt Selbstvertrau’n die Sinne -

gewöhnt zum Kettenhund das Knabenalter!

Wem nützen dann des Himmels fromme Gaben,

wen reinigt das Geblüt der heißen Nächte?

Wem sich das Glück im spielenden Erwachen

geheimnisvoll und scheu entgegenträgt,

der ziehe mit der Kinder bangem Fragen

in Murkos angsterfülltes junges Herz!

Im Hungerjammer der verlachten Unschuld

verweigert e r der unerfüllten Liebe

entsetzt, sich homosexuell zu paaren!

Er reißt sich vom versumpften schwülen Kitzel,

vom „Spiel“ verändert und besorgt hinweg.

Dich will der Himmel segensreich bewahren!

Er überschüttet die entsetzte Nacht

und Murkos festen Schlaf mit Rosenträumen.

Des Tages Unzucht und des nächtlichen Gewinnens

entzieht sich abgewandt des Knaben Forschen -

gelöst, allein, unglücklich im Erinnern,

hinabgeworfen in der Hölle Schlund.

Noch dunkelt nichts zur Mutation die Stimme,

erobert sein Talent den ersten Platz

im Chorgewande der berühmten Schule,

und überall verwundert sein Gesang

Wie gern vergliche er die reinen Töne

mit jener Kunst der vielgeliebten Mutter! -

Doch das Erlebte trägt jetzt bitt’re Früchte:

Nur widerwillig trägt er sein Gewand,

dem Priesterrock versagt er zornig sein Gelübde,

dem leiernden Geplärr die liebste Kraft!

So schweigt verriegelt jetzt der süße Trost,

ein zarter Schmelz, der sie berühmt gemacht:

Sie scheut die auferlegten Andachtstöne!

Zu Murkos Erntekranz der schweren Sorgen

pflückt distelnd man ihm ein Gewächs der Rache:

- höhnt triumphierend über seine Jahre

und stößt ihn aus gesell’gem Kreise fort.

Kein Eifer schmücke fortan im Erröten

erhitzt und „schamlos des Verräters“ Wange!

Ihn zücht’ge schweigend das versetzte Amt,

bis dass gebrochen sich des Starrsinns Frevel!

(Straft nicht genug sein unerkannter Name?) -

kehrt auch die Gunst ihm hasserfüllt den Rücken,

erdampft der gift’ge Pfuhl und schwelt mit Zweifeln

gekränkter Wonne, roh erdrückter Liebe.

Doch Murko widersetzt sich den Intrigen

und festigt, schon zertreten, seinen Willen.

Was ihn bezwingt, im Harnisch der Entschlüsse

auf freiem Feld nicht mit dem Hass zu streiten,

ist einzig das Gebot des Überlebens!

Er plant, mit List den Lauf der Zeit zu kreuzen:

Und Murko zeigt sich reuig im Gebaren,

trägt dienstbar sich durch Fleiß und Treue an

und täuscht so das verwirrte Feindesohr:

So tüncht er frömmelnd, heuchelt harmlos, doch

schafft nächtlich vor dem Schlaf der lock’ren Freunde

beiseite Stück für Stück notdürft’ger Habe.

Das ist der Augenblick, in dem sich das

Gelingen durch die kühne Rache krönt,

durch die der Flüchtling das Verhängnis banne:

Sein Ränkespiel vergelte den Intrigen

ein hassenswertes Spiel der Tyrannei

und reiße das erschlich’ne Lob hinweg!

So spinnt er klug und lullt den Argwohn ein:

Kein Widerspruch! - Gehorsam zwingt den Knaben,

den Streit des aufgewühlten reinen Herzens

voll Ekel vorerst noch hinabzudämmen,

kauft frei sich vom Verdacht, von strenger Zucht,

und lockert durch die „Wallfahrt des Gewissens“

beharrlich nach und nach die schweren Ketten!

Wer bändigt’ je den unbegrenzten Raum?

Wie finster reißen von den Frühlingsklippen

hinab zu Tal des Sommers gischt’ge Bäche,

und am Gestade der beengten Sinne

reift zwischen Blitz und Regen schnell die Saat.

Dann pfeift der Wind in kahlen Heckengängen

und stößt im Blätterwirbel das Spalier,

es fließt der müde Strom verödet weiter,

vorüber an den sturmzerfetzten knorr’gen

Ureichen, schleppt sich alt davon in’s Meer.

Das junge Leben muß sich schroff verschenken,

gehorcht es erst dem Schlüsselwort der Zeit.

Die staut sich an, sie wälzt sich schwer im Bette,

doch schäumend bricht sie durch das sperr’ge Wehr

als ungestümer Lauf in spröder Welt.

Da eitern mit den aufgesetzten Schwären

die eingepflanzten Lehren sterbend ab; -

von seinen Plänen heilt die wunde Seele

den Aussatz der Befleckung qualvoll weg.

Jetzt wählt e r ungehindert seinen Weg

zur Flucht. Den Mantel der verschwieg’nen Nacht

leiht Murko sich zum trefflichen Versteck

des wohlbekannten Ziels, das ihm geblieben.

Er flieht. Zu mitternächtlich schwarzer Stunde

gewann er Zeit und rüstet’ zum Entrinnen

und spottet den verhaßten Häschertücken!

Ein trauter Freund, der Mond, der abgenommen:

Sein fahles Licht streut silbergraue Szenen

auf Hof und Gärten, kühlt sich am Gesims,

wo sich der schmale Leib hinabgetraut,

und läuft voraus als formlos kurzer Schatten.

Wie zittern noch die hastend jungen Glieder,

schlägt hoch hinauf das Herz und würgt die Kehle,

netzt kalter Schweiß die lockig dunklen Schläfen

und fiebert im erhitzten Rot der Wangen!

Behutsam, ist der Fluchtversuch gelungen.

Zurück zur Mutter fliegen pfeilgeschwind

die Sinne, schneller als die Eisenschlange,

die unbarmherzig, stets mit Aufenthalten

von Stadt zu Stadt, durch düst’re Wände kriecht,

den eingepferchten bangen Knaben zwischen

verschlaf’nem Räderpochen mit sich schleppend.

Auch dies noch übersteht das müde Kind.

Voll Glück das Mutterherz zu überraschen,

vertraut es dem Geständnis seiner Liebe,

erreicht, noch unbemerkt, die breite Tür,

klopft an, steht unversehrt vor i h r e n Augen

und wirft sich voll Verlangen an die Brust

der Mutter, jauchzt in hellen Freudentränen

empor mit Schluchzen den erstickten Jubel

und weint im Busenglück des Ursprungs Klage -

ach! sinkt verzweifelnd schluchzend auf die Knie,

im Faltenschoß das Angesicht vergraben.

So endet - stockend - - das Gespinst der Nacht ….

Weh, allen angebot’nen Liebesdiensten

empfahl das Knabenherz sich zum Verrat!

- Jetzt schweigt die Zunge - das gebroch’ne Eis

gefriert bizarr zu ewig kalter Kluft:

Hier kann hinfort kein edler Sinn gedeihen -

zu trunk’nem Schlaf zerklirrt die spröde Quelle

und rieselt schauernd ins kristall’ne Grab!

Mit abgefaßter Petition der Mutter

beugt Murko sich - zum Schein - der sanften Strenge,

durchwacht die düst’ren Stunden schlafzerwühlt

und tritt gehorsam andern Tag’s die Reise

zum abgrundtief verhaßten Rückweg an!

Ihm schwimmt der Blick, der Abschied lockt das Weinen,

da fort ihn das Gewiege klopfend trägt,

das Spitzentuch ihm immer ferner winkt,

flucht fassungslos dem unbeschwerten Frohsinn

und rettet sich davon; er schließt sich ein,

hüllt zuckend schamvoll die verzerrten Züge.

Er kehrt zurück, geleitet von Girlanden

des Hohngelächters, das ihn geifernd grüßt

vom Hof zur Tür, zur längst verwünschten Kammer:

sein böser Wachhund der gewohnten Sitten!

Wohl unterlag er, dünkt sich ein Verfemter,

nährt finster diesen Groll im Angesicht,

bereit, mit stolzer Bubenstirn zu trotzen!!

Doch sieh, ein Wunder kränkt die Leidenschaft

umher, denn hocherfreut und sehr gefällig

wird Murkos abgegeb’nes Bittgesuch

als Beispiel tiefbesorgter Mutterliebe

zum Neubeginn bedingungsloser Treue

erklärt, und Murko soll sich treulich fügen.

Da rät ihm der Verstand, sich so zu sichern,

daß nimmermehr sein fromme Kinderglaube

sich zögernd auch am Ränkespiel ergötze

und sei zuletzt ihm dauerhaft vermischt!

Es zwingt der Mutter Wille, sich zu retten!

Er kann von der Entwicklung sich befrei’n,

die abwärts zieht zu scheeler Männlichkeit!

Aus insgeheimer Kraft der letzten Dinge

ward diesem Knaben das Gesicht zuteil;

nichts weiß er, doch er ahnt sich ändernd wieder!

Morsch häkelt vom Gerippe toter Lehren

entschleiert der geflickte Zuspruch nieder,

und, hüllenlos, entpuppt sich ein Betrug

von alters her der angemaßten Macht:

Nicht Gott - der Mensch bemißt die schmalen Dogmen

des Glaubens um das neu gebor’ne Glied

der taubgeword’nen blinden Menschenbrut

und wirft’s als blut’ges Echo in den Pfuhl

der teuflisch unauflöslichen Verdammnis!

So ausgehöhlt, umkreist die sünd’ge Erde

als Feuerschlund mit dünn gebog’ner Schale

den Sonnenball und trägt das Ungeziefer

Mensch im Laster der Versuchung fort!

(Man irrt: Es braucht der Hinkefuß die Höhle

wohl nicht: Er lästert in Perücken lieber

und reit’t zur Hölle schwanger sein Bekennen!)

Wiewohl die Zunge brennt in zitterndem Behagen

- sie prüft den Ton und übt die Kunst der Stimme -

läßt dies gezähmte Mittel der Vernunft

zweckfremdend auf die Dauer nicht sich nutzen.

Zwar singt der Knabe, steht im Chorgestühl

zu alten Ehren rasch zurückgeholt,

hilft ahnend dem Talent zu reinem Klange,

nur müßig bleibt er nicht die kurze Spanne

vorweihnachtlicher Proben als Solist!

Geheim beschwört er brieflich seine Mutter

im Kindeseifer, vor der Heil’gen Nacht

trotz hoher Reisekosten nicht den Weg

zu ihm für diesen schönsten Tag zu scheuen.

Ach, sehnsuchtsvoll umspielen seine Zeilen

die Innigkeit des lang entbehrten Glücks,

an i h r e r Hand den Schauplatz des Erfolgs

zu krönen und den Heimweg anzutreten.

Er schließt den Brief mit angsterfüllten Bitten,

ihr Herz nur ihm allein zurückzuschenken,

und schickt den Brief versiegelt auf die Reise.

Seit diesem Tage haften Murkos Pläne

erwartungsvoll verträumt an ihren Händen:

(… die schlanken Finger schlitzen schon den Brief,

entledigt ihn der abgegriff’nen Hülle

und überfliegt den Inhalt milden Blickes?) -:

Sie ahnt wohl kaum, dass ihre sanften Züge

aus fernen Augen hungrig nachgelesen? -:

(… senkt nacherinnernd jetzt die leichten Lider,

legt fort das Blatt und steckt es sorglich ein …?)