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Was macht den Glauben und das Christsein eigentlich relevant für mein persönliches Leben und mein Umfeld. Ist er überhaupt noch relevant? Die Frage nach der Relevanz, ist die Frage nach dem, was wesentlich, was bedeutsam und wirksam ist, schlussendlich nach dem, was in die Tiefe dringt, mich tatsächlich berührt und positiv verändert. Kann das Christsein in diesem Sinne wesentlich und bedeutsam für mich sein? Die individuelle Nachahmung des Christuslebens ist der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage. Sie ist die christlich-spirituelle Antwort auf jede Frage nach der Relevanz des Christseins. Denn hier wird Gott jeden Tag neu Mensch, er wird wesentlich und wirksam und das christliche Leben erhält von hier her seine ganz praktische Bedeutsamkeit. Dieses Leben ist deshalb der Ort, an dem der Glaube alltäglich funktioniert, mich trägt und positiv prägt. Dieses Buch ist ein Lese- und Arbeitsbuch, praktisch, grundlegend und auch herausfordernd. Es möchte eine Hilfe bei der Entwicklung dieser ganz individuellen Version des Jesuslebens sein, attraktiv, dynamisch, prägend und vor allem relevant für mich und andere. Es beschreibt einen spirituellen Übungsweg, dessen biblische Basis dargestellt und seine alltägliche Umsetzung mit anwendbaren Beispielen illustriert wird. Damit versteht sich das vorliegende Buch als Einladung und Workshop, sich gut verankert auf den Wellengang einer lebendig-geistlichen Beziehung mit Gott, Mensch und sich selbst einzulassen.
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Seitenzahl: 503
Veröffentlichungsjahr: 2021
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„Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Paulus, der Apostel
Was macht das Christsein eigentlich relevant für das Leben des Menschen und für die Gesellschaft, in der es gelebt wird, speziell in den westlich geprägten Gesellschaften? Dies ist eine Frage, die wohl nicht selten gestellt wird und auch nicht völlig „aus der Luft“ gegriffen ist. Relevant ist ja immer das, was wesentlich, bedeutsam und auch wirksam ist, etwas, das nicht an der Oberfläche bleibt. Inwiefern ist in diesem Sinne also das Christsein „wesentlich“ und „bedeutsam“ für mich persönlich und auch für das Umfeld, in dem ich mich bewege? Geht es dabei vielleicht darum, etwas anzubieten, etwas darzustellen oder etwas zu proklamieren? Das Relevante ist ja immer in irgendeiner Form wirksam und eine Wirkung erziele ich nur, indem ich wirke. Das ist ziemlich einsichtig. Wie wirke ich denn nun aber als Christenmensch? Diese Frage spricht dabei zwei wesentliche Aspekte gleichzeitig an, nämlich einerseits die Frage danach, welchen Eindruck ich hinterlasse und andererseits die Frage danach, was ich denn konkret tun kann? Gerade deshalb möchte dieses Buch erneut die Frage nach Ursache und Wirkung stellen und dies explizit auf das Christsein beziehen.
Die persönliche Nachfolge Christi in der Gemeinschaft der Nachfolgenden ist die Grundlage aller Relevanz von Gemeinde und Kirche, indem sie nämlich das Leben und Erlösungswerk Jesu Christi „wesentlich“ konkretisiert. Hier - im ganz individuellen Nachfolgeleben - geschieht die permanente Menschwerdung des Geistes Gottes im greifbaren Menschen. Gott wird präsent und erfahrbar und an dieser Stelle immer neu Mensch. Die Bedeutsamkeit des Christseins beginnt demzufolge bei den Einzelnen und von hier aus wird die Gemeinschaft und Gesellschaft mit dem Leben Jesu konfrontiert. Da das Einzige was schlussendlich wirklich relevant für den Menschen ist, Jesus selber ist, dessen Leben und Geist wirksam verändern und eine ewige Perspektive bieten, muss auch bei der Person Jesu und dem Leben mit und aus ihm die Frage nach der Bedeutsamkeit des Christseins ansetzen. Denn hier werden die relevanten und damit essentiellen Fragen des Woher und Wohin, des Warum und Wie nicht nur lebensnah gestellt, sondern ebenso beantwortet. Es sind ja keine rein theoretischen Fragen, die hier erwogen werden, sowenig, wie ein Leben nur theoretisch gelebt werden kann. Die Antworten liegen aber nicht unbedingt in den Fragenden verborgen, sondern in dem, der die Fragenden zum Fragen befähigt, zum Nachdenken und Nachsinnen über ihr Leben, nämlich Gott selbst, der den Menschen zu seinem Ebenbild geschaffen hat.
Deshalb soll an dieser Stelle die Frage gestellt werden: „Wie kann ich mit Gott leben?“. Das diese Frage nicht neu ist, ist offensichtlich, genauso wenig wie die Tatsache, dass sie immer wieder neu und persönlich gestellt werden muss. Es die Frage danach, wie ich Mensch werden kann, vollständig und von Gott her und wie ich dieses Menschsein - wie es Jesus vorgelebt hat - mit meiner eigenen Persönlichkeit interpretiert, gut nach außen kommunizieren kann. Es geht also sowohl um Persönlichkeits- und Gemeinschaftsbildung, als auch um die Glaubensvermittlung. Es geht darum, jemand zu sein, bevor etwas getan wird, darum, wesensmäßig zu handeln um Wesentliches zu bewirken, eben um Relevanz im Leben. Kein Licht wurde je durch sein Leuchten hell - es leuchtet hell, weil es Licht ist. Das aber hört sich überaus relevant und wesentlich an, besonders, wenn es dunkel ist. Der Glaube an die Erlösungstat Jesu sendet den Menschen auf seinen ganz persönlichen relevanten Lebensweg mit Gott, der wiederum relevant für viele andere Menschen werden kann und soll.
Dieses Buch versteht sich als Lesebuch und auch als Arbeitsbuch, welches Fragen stellt und zu Antworten herausfordert. Die vorliegenden Gedanken möchten den Blick neu auf das Wesentliche des Christseins richten und das ist die Beziehung zwischen Gott und Mensch in Jesus Christus. Freundschaft, Kindschaft, Schülerschaft, Bruderschaft, Dienerschaft, all diese und noch viele andere Aspekte formen diese Beziehung, die sich in der Nachfolge Christi äußert. Was nun im Folgenden erwogen werden wird, soll neu Mut machen, sich auf diese lebendige Beziehung mit Jesus einzulassen und zwar in allen ihren Facetten. Unsere Welt und unsere Gesellschaften im 21. Jahrhundert brauchen ein relevantes Christsein, gerade das ehemals christliche Abendland, denn das Wesentliche ist vielfach aus dem Blick geraten. Es werden viele einzelne christliche Nachfolgepersönlichkeiten sein, die - als Nachfolgegemeinschaft - den Blick wieder gerade rücken können. Damit ist dann auch Gemeinde und Kirche dazu aufgefordert, wieder wesentlich zu werden und - wo nötig - eine Neujustierung vorzunehmen. Wenn dieses Buch Begleiter und Anregung dabei sein kann, zumindest ein Stück des Weges, dann hat es seinen Zweck gut erfüllt.
im August 2021, Roy Breidenbach
Zur Einführung
Die Begegnung mit Gott
BEGINNEN - „Wer mir nachfolgen will...“
BEWEGEN - Auf dem Weg zum Horeb
BEGEGNEN - Mit Gott in Beziehung
Die Begegnung mit mir selbst
BEGREIFEN - „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“
BERUHIGEN - Zu Gast bei Jesus
Die Begegnung mit den Anderen
BEZEUGEN - „In Christus“
BEGLEITEN - Gemeinsam unterwegs
Nachtrag
Die Nachfolge Christi und der Gemeindebau
Leben mit Gott - Die Nachfolge Christi
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Der christliche Glaube
setzt immer in Bewegung
oder er wird zum Mausoleum
der Rechtgläubigkeit.
Lange Zeit war die „Nachfolge Christi“, ein geistlich-erbauliches Buch aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, das Thomas von Kempen zugeschrieben wird, das meistverbreitete Buch in der westlichen Christenheit, wenn man einmal von der Bibel selbst absehen möchte. Es geht in dieser Schrift um die ganz praktischen Fragen des christlichen Lebens. Wie kann dieses Leben mit Gott gestaltet werden, angesichts der Welt in der wir leben und all der Situationen und Personen, die mir in eben diesem täglichen Leben begegnen? Was ist zu tun, was kann ich tun und wie kann ich all dem in und mit einer geistlichen Einstellung begegnen? Es sind auf ihre Art und Weise die gleichen Fragen, die schon die Jünger Jesu ihrem Lehrer gestellt haben: „Mehre uns den Glauben“ bitten sie Jesus (Lukas 17, 5) und damit sinngemäß „Hilf uns, dir in dieser Welt mehr zu vertrauen, damit wir besser mit ihr und unseren Leben zurechtkommen“. Denn der Glaube muss sich ja im jeweiligen Alltag konkretisieren oder er bleibt nur reine Theorie. Diese Fragen haben sich bis heute nicht wesentlich verändert. Kontext, Kultur, Epoche, Gesellschaft, all das ist dem steten Wandel unterworfen, diese Grundfragen der christlichen Lebensgestaltung sind es allerdings nicht. Die Gestalt mag sich ändern, der Inhalt bleibt. Vielfach wird deshalb auch heute auf diese Fragen eingegangen und es mangelt nicht an guten christlichen Ratgebern, auch in schriftlicher Form. Es ist sicher angemessen zu hinterfragen, ob dem noch etwas Wesentliches hinzuzufügen ist. Andererseits ist es meiner Meinung nach absolut notwendig und angebracht - angesichts der Fülle der Fragestellungen zum praktischen christlichen Leben - immer neu die eine große Frage zu stellen, von der sich die Antworten auf alle anderen Fragen ableiten lassen: „Folgst du mir nach?“, d.h. lebst du in einer guten Beziehung mit mir, Jesus? An dieser Stelle möchte dieses Buch anknüpfen und Mut zu einer Entscheidung für die Nachfolge Christi machen. Denn es ist auch und gerade in Bezug auf das christliche Leben ratsam, immer wieder zur Wurzel zu gehen, bevor man sich mit den Symptomen beschäftigt. Es ist ja schlussendlich immer die Medizin, die heilt, nicht die Beschreibung des Krankheitsbildes, so wesentlich dies für die Diagnose der Krankheit auch sein mag. Deshalb muss auch die Frage nach der Nachfolge Christi gestellt werden, denn im christlichen Leben muss es um Jesus Christus gehen und zwar nicht nur um ein Wissen über ihn, sondern um ein Leben mit ihm. Nur wer fragt wird klug, heißt es und wer (die Antwort) sucht, der und die wird sie auch finden.
Menschen die an den auferstandenen Jesus glauben, leben in gewisser Hinsicht in zwei Welten. Sie haben sowohl Anteil am hier und jetzt und leben ganz in dieser Welt, als auch an dem dann und dort und sind Teil dessen, was noch kommt, der himmlischen, jenseitigen Welt. Das Potenzial und die große Chance ihres, ihnen von Gott in Jesus geschenkten Handlungsspielraumes liegt darin, etwas von dem dann und dort schon in das hier und jetzt zu übertragen, in das konkrete Alltagsleben hinein. Der Glaube ist in dieser Hinsicht ein Potenzial, das sich greifbar und „alltäglich“ entfalten möchte. Er soll Form bekommen und fassbar werden und damit auf gewisse Weise „inkarnieren“, nämlich Gestalt gewinnen und Mensch werden, so wie Gott selbst es tat. Das kann im Endeffekt als „Reich Gottes“ bezeichnet werden; Leben nach den Gesetzmäßigkeiten einer unsichtbaren Welt, die in eben diesem sichtbaren Leben anschaulich und greifbar wird und das somit auf gewisse Art und Weise immer auch „Verkündigung“ dieses unsichtbar-sichtbaren Reiches ist. Dafür bedarf es allerdings einer bewussten Entscheidung, nämlich der Entscheidung zur Nachfolge Christi. Jesus ruft zur Umkehr und mit der Vergebung der Schuld und der Aufhebung der Trennung von der Lebensquelle Gott, ruft er gleichzeitig auch auf loszugehen. Er ruft auf einen Weg, der er selber ist - er hat ihn vorgelebt und er begleitet ihn und er bringt ihn schlussendlich auch an das Ziel. Das Ziel ist der Vater selbst, der Schöpfergott, von dem der Mensch sich getrennt hatte. Das Ziel ist damit ein Heilwerden, ein Ganzwerden und auch ein Zurückkehren, indem ich ich selbst werde, in Perfektion dort, auf dem Weg sich entwickelnd schon hier.
Die Nachfolge Christi ist die christliche Lebensform, es gibt keine andere - wobei dies keine Frage des Zwanges, sondern der freiwilligen Entscheidung ist und auch bleiben muss. Der Ruf zum Glauben ist immer auch ein Ruf sich freiwillig zum Leben zu entscheiden - zu einem Lebensstil mit Perspektive, Wachstum und Veränderung. Hier entwickelt sich geistliches Leben und wird gelebt. Hier wird das Jesusleben individuell immer neu greif- und erlebbar und damit relevant weil konkret. Hier entwickelt sich die Persönlichkeit und hier entfalten sich Talente, Gaben und Möglichkeiten. Der Glaube an Jesus setzt mich immer in Bewegung, weil diese Bewegung eine Entwicklung bewirken soll, ein Wachstum hin auf das Ziel und die Verheißung, die dieses Leben mit Gott in sich trägt. Jesus ruft uns auf, dies zu bedenken und dann zu beginnen uns auf den Weg zu machen. Dieses allgemeine „uns“ darf jeder Christ, jede Christin getrost ganz persönlich nehmen, was demzufolge bedeutet: „Jesus ruft dich in die Nachfolge!“ Die Frage, wie das ganz praktisch aussehen kann, soll in diesem und den folgenden Kapiteln bedacht werden. Dieses Buch möchte demzufolge zur (Selbst)Reflektion und zum Fragen stellen anregen. Ganz gewiss wird es dabei um viele Fragen an Gott selbst gehen müssen, der in die Nachfolge ruft, jedoch um mindestens ebenso viele Fragen an die Leserinnen und Leser im Blick auf das jeweils eigene Leben. Das verlangt nicht wenig Offenheit und auch Nüchternheit in Bezug auf die Bewertung der eigenen Position und Situation. Gleiches gilt aber auch für das Bewusstsein oder der Bewusstwerdung einer Sehnsucht nach dem Gott, der in und durch Jesus ruft. Ich würde mich freuen, wenn die folgenden Gedanken an dieser Stelle ganz persönlich werden, indem sie ermutigen, herausfordern und dabei helfen, die Sehnsucht nach einem Leben mit Gott in der Nachfolge Christi (neu) zu entdecken und zu entfachen.
Über sieben Stationen hinweg führt dieses Buch durch Schritte der Nachfolge. Es sind Schritte, die in die Weite führen wollen. Dabei entfalten sich diese Schritte wie die Linien einer Spirale von innen nach außen, wobei der Endpunkt wieder zurück auf den Startpunkt verweist. Deshalb stellt diese Spirale kein starres Schema dar, so wie die Nachfolge Christi selbst weder starr noch schematisch ist. Es geht dabei auch nicht zuerst darum irgendwo anzukommen, etwa an einem möglichen Endpunkt, der das Ziel des Nachfolgeprozesses markiert. Ganz sicher geht es auch nicht darum, eine Art Gradmesser des Fortschritts der eigenen Nachfolge in der Form eines Stufenmodells zu entwickeln. Alle diese Schritte stehen vielmehr in ihrer Dynamik qualitativ ganz gleichwertig nebeneinander. Einen Schritt zurück zu gehen ist deshalb z.B. an dieser Stelle auch nicht negativ als „Rückschritt“ im klassischen Sinne zu werten, sondern ist möglicherweise schlicht eine Notwendigkeit im Entwicklungsprozess der eigenen Nachfolge. Denn genau das ist die Nachfolge Christi - immer persönliche und individuelle Nachfolge und damit auch individuelle Verantwortung. „Was wird mit diesem?“, fragt Petrus einmal Jesus im Hinblick auf seinen Mitjünger Johannes und lenkt damit den Blick von sich selbst weg auf die Nachfolge seines Bruders. Jesus antwortet sinngemäß: „Was geht es dich an (wie sich seine Nachfolge gestaltet) - du aber folge mir nach.“ (Joh 21). Dieser ganz persönliche Weg der Nachfolge stellt sich graphisch wie folgt dar:
Abbildung 1 - Die Dynamik der Nachfolge
Die obige Abbildung zeigt den hier vorgestellten Prozess der Nachfolge schematisiert. Es ist der dynamische Rahmen einer Beziehungsentwicklung in sieben Ausprägungen oder auch Beziehungsaspekten. Diese Entwicklung führt dabei - wie oben schon angedeutet - aus der Mitte in die Weite und wieder zurück in die Mitte. Es geht nämlich darum, den ganzen Gott zu erfahren, weshalb auch der ganze Prozess durchfahren, d.h. erlebt und ausgelebt werden muss. Sieben Wegetappen beschreibt dieses Modell, Wegetappen, die mir sinnvoll und zweckdienlich erscheinen, weil sie sich aus meiner eigenen Erfahrung und der von ungezählten Menschen, die mir begegnet sind, herauskristallisiert haben. Vom „Beginnen“ zum „Begleiten“ führt der Weg. Dies geschieht allerdings nicht auf einer geradlinigen Strecke vorwärts, sondern es gehören auch Schritte zurück zu diesem Weg, sowie Schritte zur Seite und das Verweilen bei bestimmten Etappen. Trotzdem bleibt dieser Weg dabei immer zielgerichtet. Beginner werden zu Begleitern und Begleiter beginnen immer wieder von Neuem.1 Das tun sie dann aber als veränderte Menschen, die schon eine bestimmte Wegstrecke in der Nachfolge zurück gelegt haben. Es ist immer wieder ein Neubeginn, dann aber jeweils als veränderter und gewachsener Mensch. Dieser Neubeginn vollzieht sich demzufolge an Startpunkten, deren innere Dynamiken sich jeweils ähneln, die ich aber je neu als ein in der Nachfolge gewachsener und veränderter Mensch vollziehe. Als Verdeutlichung kann man sich übereinander liegende Spiralen vorstellen, die - obwohl identisch - doch für sich gesehen auf einer anderen Ebene liegen. Die verschiedenen Schritte bleiben also die gleichen, sind aber jeweils auf einer neuen - inhaltlich und nicht qualitativ unterschiedenen - Ebene angesiedelt.
Abbildung 2 - Ebenen der Nachfolge
Dieser Prozess und Weg ist natürlich immer ganz persönlich und individuell, dabei aber niemals einsam oder isolierend. Von Beginn an stellt sich die Frage nach dem Gegenüber, in Gott und anderen Menschen. Wo finden die Beginner einen Begleiter und wo die Begleiter einen Beginner? Der Weg ist damit von Anfang an auf Beziehung ausgelegt und zwar auf eine ganzheitliche Beziehung und darin eingebettet ein ganzheitliches Lernen, das nicht auf das reine Vermitteln von Wissen und Information beschränkt bleibt. Jüngerschaft als Lehrer-Schüler Verhältnis, Gemeinschaft, Glaubenseinladung und Glaubensbegleitung sind demzufolge wesentliche Aspekte der Nachfolge Christi.
Die folgenden Kapitel sind in ihrem Aufbau weit gehend einheitlich gestaltet, um die gedankliche Annäherung an den jeweils unterschiedlichen Schritt in der Nachfolge zu erleichtern und um sich gleichende Strukturen aufzuzeigen. Sie beginnen jeweils mit dem „Kernpunkt“, d.h. mit einem bzw. dem zentralen Aspekt oder Inhalt des jeweiligen Schrittes, dem „roten Faden“ sozusagen. So ist z.B. der Kernpunkt des Schrittes „Beginnen“ die Entscheidung, der des Schrittes „Beruhigen“ wiederum Gelassenheit oder der des Schrittes „Bezeugen“ der Begriff Relevanz. Dieser Kernpunkt markiert somit die zentrale Dynamik oder den zentralen Impuls der jeweiligen Wegetappe. Alle darüber hinaus und weiter gehenden Aspekte ergeben sich im Allgemeinen aus diesem wesentlichen Kernpunkt und können von ihm abgeleitet werden.
Dem folgen dann unter dem Punkt „Grundlagen“ einige beispielhafte Texte aus Altem und Neuem Testament, die die jeweilige Dynamik des Schrittes und den Kernpunkt anhand biblischer Begebenheiten verdeutlichen sollen. Die biblische Offenbarung ist die Grundlage für das Leben mit Gott und damit der Nachfolge. In ihren Berichten verdeutlicht sie die Grundstrukturen des Weges, über den in diesem Buch nachgedacht wird. Von hier ausgehend, entfaltet sich die je persönliche Beziehung zu Gott und kann anhand der Grundmuster, die aufgezeigt werden, in die eigene Situation und Persönlichkeit integriert werden. Da es sich in der Nachfolge Christi vor allem um Erfahrungen, um das Erleben Gottes in den unterschiedlichsten Zusammenhängen handelt, ist es gut und geraten, diese Erfahrungen immer neu zu verankern, zu verorten und in einen hilfreichen Deutungsrahmen zu setzen, der die eigene Erfahrung von außen interpretieren kann.
Unter „Konkretionen“ wird das Erwägen der ganz praktischen Fragen und nach dem, was denn nun tatsächlich getan werden kann, zusammen gefasst. Das, was vorausgehend als Kernpunkt und in den biblischen Grundlagen bedacht wurde, möchte sich im Leben konkretisieren. Das ist allerdings nicht immer ganz einfach zu realisieren und es taucht manche Frage auf. Was kann ich tun, wie soll ich es tun und wo fange ich damit an? Deshalb sollen an dieser Stelle einige Anregungen für die ganz praktischen Schritte gegeben werden. Es ist meine Hoffnung, das die Leserinnen und Leser hier etwas finden können, was ihnen entspricht und ihnen damit ganz nützlich und greifbar eine Unterstützung auf ihrem je eigenen Weg in der Nachfolge Christi sein kann.
Die Kapitel schließen jeweils mit den „Fragen“, die eventuelle Schwierigkeiten oder Problematiken aufgreifen. Diese Fragen sollen bei der Reflektion der eigenen Situation helfen. Es sind Impulse, die darauf aufmerksam machen wollen, womit ich mich gedanklich auseinander setzen könnte. Wenn eine Frage mich trifft und für meine Situation relevant ist, so kann daraus im besten Falle ein Gespräch mit Gott über diese spezielle Thematik entstehen. Schlussendlich können dann aus den Fragen Gebete werden und ich befinde mich mitten im Zentrum dessen, was Nachfolge ausmacht, Beziehung zu und Kommunikation mit Gott.
Das oben Vorgestellte stellt sich dann schematisch wie folgt dar:
Damit ist der Rahmen gesteckt, in dem sich die nun folgenden Erwägungen bewegen werden. Es ist meine Hoffnung, dass er in dieser Form hilfreich ist, um die Fülle der Aspekte und Gedanken in sinnreicher und sich im Alltag bewährender Form zu ordnen.
1 Hier, wie auch an allen folgenden Stellen, an denen die maskuline Form verwendet wird, schließt dies selbstverständlich die feminine mit ein und wird in dieser Form ausschließlich aus Lesbarkeitsgründen verwendet.
Kernpunkt Entscheidung
„Es ist gut,
wenn du weißt, was du willst,
wenn du nicht weißt, was du willst,
ist das nicht so gut.“
Ganz Schön Feist (1992)
Niemand kann auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen - so wird gesagt - und zwischen allen Stühlen zu sitzen, ist auf Dauer überaus unbequem. Das sind bekannte und allgemeine Weisheiten, die sich aus der ganz innerweltlichen und alltäglichen Erfahrung des Menschseins selbst speisen. Wir wissen, dass das so ist, wir können es benennen, und in (Sprich)worte fassen, weil wir es irgendwann und immer wieder im Leben selber erfahren. Dabei gilt diese Beobachtung für das Menschsein an sich über alle Generationen und Kulturen hinweg, denn es hat etwas mit unserem ureigenen Wesen als Menschen zu tun. Die innerliche Zerrissenheit, die in diesen Worten zum Ausdruck kommt, ist für keinen Menschen gut, weil dem etwas „Unmenschliches“ anhaftet. Gott, der Schöpfer, der ja schließlich wissen muss, was für seinen Menschen gut ist und was nicht, bestätigt diese Tatsache in seinem Wort. Auch Jesus selbst spricht ja von den beiden Herren (Mt 6, 24), denen man offensichtlich nicht gleichzeitig dienen kann. Sich nicht entscheiden zu können, das ist wie ein Dauerspagat, der einen Menschen mit der Zeit zermürbt, ihn ständig in Spannung hält und am Ende womöglich sogar zerreißt. So eine permanente Anspannung macht den Menschen psychisch und dann auch körperlich krank. Sich alle Möglichkeiten, Wege und Optionen offen halten zu wollen und sich deshalb für keine zu entscheiden, ist schlussendlich keine Freiheit, sondern die Gefangenschaft der ungenutzten Wahl. Sie lähmt und macht am Ende durch die Überforderung der ungezählt unüberschaubaren Wahlmöglichkeiten handlungsunfähig. Vor einiger Zeit habe ich irgendwo den treffenden Spruch gelesen: „Wer sich alle Türen offen halten will, wird sein Leben auf dem Flur verbringen“. So ein Leben auf dem Flur ist, als ein Leben unerfüllter Verheißungen, Träume, Wünsche und nicht durchschrittener Türen, sicherlich nicht erstrebenswert. Der Flur ist ja schließlich nur eine Zwischenstation, ein Durchgangsort und erst im richtigen Zimmer, d.h in seinem, ihm entsprechenden Zimmer, kommt der Mensch zur Ruhe, in dem Zimmer, in dem Jesus auf ihn wartet.
Auf der anderen Seite kennt der Volksmund aber auch das berühmte Kind, das mit dem Bade ausgeschüttet wird oder auch den Menschen, der auf einer Seite vom Pferd fällt. Diese Aussagen beschreiben dann eher den Versuch, die permanente Spannung der ungezählten Wahlmöglichkeiten und des ständigen Entscheidungsdrucks auf eine eher unreflektierte, unbedachte oder vorschnelle Art und Weise aufzulösen. Auch hier hat die allgemeine Erfahrungsweisheit nur allzu menschliche Beobachtungen in prägnante Bilder gegossen oder sie umgangssprachlich aus einem Gedicht heraus ausgesprochen, wie z.B. „Blinder Eifer schadet nur“. Der Umgang mit der Entscheidungsfrage scheint also keine so ganz einfache Sache zu sein. Bleibt aber am Ende womöglich nur die Wahl zwischen einem der oben genannten Pole, und damit eventuell der kompletten Entscheidungsverweigerung oder mit einem blind-eifrigen Hurra gegen die nächste Wand zu laufen, um sich die Entscheidung (scheinbar) leicht zu machen? Wohlüberlegt mit Maß und Mitte zu entscheiden, ohne dabei in Extreme oder Beliebigkeit zu verfallen, ist offensichtlich eine Tugend, die den Menschen nicht so ohne Weiteres in den Schoß fällt. Eine Entscheidung zu treffen, bedeutet dabei offensichtlich immer auch ein bestimmtes Maß an Entlastung - eine Entscheidung ist schlussendlich eine Entlastung. Dabei ist allerdings nicht die kurzlebige Entlastung einer vorschnellen Entscheidung gemeint, die eher einem Ventil zum Spannungsabbau gleicht und sich, wie oben gezeigt, eventuell als Fehlentscheidung entpuppt. Eine Entscheidung kann dann zur dauerhaften Entlastung werden, wenn sie gut begründet und durchdacht, auf eine konkrete Zielvorgabe hin fokussiert ist. Wozu entscheide ich mich, d.h. wohin zielt meine Entscheidung und welches „Ergebnis“ erstrebt sie?
Nun ist es ja so, dass der Mensch der nicht losgeht, auch nirgendwo ankommen wird und wer kein sinnvolles Ziel hat, wird wohl auch niemals losgehen. Hinter dieser Feststellung steht die Frage nach dem Motiv und der Motivation, d.h. dem Grundimpuls persönlicher Entscheidung und Bewegung. Was bringt mich dazu, mich aufzumachen und einen Weg zu gehen? Ist es überhaupt meine eigene Entscheidung oder wird sie mir aus irgendwelchen Gründen von außen „aufgedrängt“? Das ist eine sehr grundsätzliche Frage und deshalb steht sie auch am Beginn unseres Nachdenkens über das Leben mit Gott in der Nachfolge Christi. Wenn diese grundlegende Frage nicht geklärt ist, können auch alle weiteren Fragen nicht sinnvoll beantwortet werden. Warum sollte ich denn Energie in irgendetwas investieren? Warum sollte ich meine Zeit einsetzen, Bestehendes ändern und Gewohntes und Bequemlichkeit aufs Spiel setzen? Warum mich auf einen Weg machen und wenn ja, auf welchen denn? Ja, warum sollte ich überhaupt irgendetwas tun oder entscheiden?
Viele Entscheidungen im täglichen Leben stehen scheinbar außer Frage. Warum stehe ich jeden Morgen auf? Warum gehe ich zur Arbeit? Warum mache ich die tägliche Hausarbeit? Weil vieles davon sinnreich ist und sich bewährt hat. Den Tag zu beginnen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen und einen gewissen Standard an Hygiene und Ordnung aufrecht zu erhalten, ist für ein gedeihliches Leben auf dieser Welt sicherlich ratsam, wenn auch nicht immer - je nach persönlicher Lage - gut realisierbar. So ganz viele Alternativen gibt es für diese grundlegenden Anforderungen des Lebens ja auch nicht. Also tue ich diese Dinge ohne mich jedes mal neu dafür entscheiden zu müssen. Das ist eine große Entlastung und setzt Energie frei, die ich dann an anderer Stelle einsetzen kann. Da stellt sich allerdings auch gleich wieder die Frage, wofür ich diese freigewordene Energie und die Zeit, die mir eine sinnvolle Routine schenkt, denn einsetzen möchte. Die Frage, die sich stellt, ist also nicht zuerst die Frage, wie ich mein Leben gestalten soll, sondern eher wozu ich es gestalten soll und will. Das momentane „Wie“ hat viel mit der bewährten täglichen Routine zu tun. Wesentlicher ist aber die Frage nach einer Zieldefinition und Fokussierung. Von der Antwort auf die zweite Frage und damit vom Ziel her, bekommt die erste Frage eine ganz neue Qualität. Was ist der „Masterplan“ für all das? Folgt die tägliche Routine, der sogenannte Alltag, einem größeren Plan und kann ihr von daher ein Sinn verliehen werden? Verfolgt sie damit ein erreichbares Ziel oder dreht sich das Leben um eine reine Art von Selbsterhalt?
Gewiss sind für viele Menschen auf dieser Welt die Prioritäten in Bezug auf diese Fragen ganz anders gewichtet. Krankheit, Armut, Perspektivlosigkeit, Flucht oder äußere Zwänge verlangen immer neu und zwingend eine Antwort auf die Frage nach den grundlegenden Bedingungen für ein menschenwürdiges Leben. Doch wird die Frage nach dem „wozu“ damit nicht einfach zu einem reinen „Luxusproblem“ für Menschen, deren äußere Existenz in allen Belangen gesichert ist. Die Frage nach dem Ziel ändert immer auch die Perspektive und die Interpretation des Jetzt. Die Situation hat sich noch nicht verändert und doch entsteht schon ein durch die Zieldefinition gegebener potentieller Handlungsspielraum. Hier können Entscheidungen fallen und Weichen gestellt werden, selbst, wenn es zunächst rein gedankliche und innere Vorgänge bleiben sollten, solange bis die äußeren Bedingungen auch ein konkretes Handeln ermöglichen. Auch und gerade Christinnen und Christen haben Anteil an dem Elend in dieser Welt. Sie haben Anteil an Armut, Verfolgung, Krankheit und Unterdrückung, sie leiden mit und haben Mitleid. Im Glauben an den auferstandenen Jesus von Nazareth haben sie aber auch immer einen potentiellen Handlungsspielraum, der über das innerweltliche „Wie soll ich leben?“ hinausweist auf das außerweltliche „Wohin soll ich leben?“. Die Entscheidung für das erstrebenswerte „wohin“ wird dann auch das konkrete „wie“ beeinflussen und verändern.
Damit rückt nun aber die Entscheidung für oder auch gegen ein Leben mit Gott in den Fokus. Dieses Leben mit Gott ist immer auch ein Leben zu Gott hin - ein zu gehender Weg, ein Leben der Nachfolge und ein Leben mit Ziel. Wie dieses Leben gestaltet werden kann, definiert sich von diesem Ziel her. Dabei gilt alles das, was oben zum Thema Entscheidung bedacht wurde, auch in Bezug auf die Entscheidung zur Nachfolge. Nachfolge Christi jedoch - was sagt dieser Begriff eigentlich aus? Man kann sich ja schwerlich für etwas entscheiden, wenn man es gar nicht kennt. Deshalb möchte ich diese Überlegungen kurz unterbrechen, um zu verdeutlichen, was ich meine, wenn ich den Begriff Nachfolge benutze:
Die Nachfolge Christi ist die Interpretation des Jesuslebens mit meiner Persönlichkeit
In erster Linie ist die Nachfolge Christi von ihrem Wesen her als eine Exegese, d.h. also als eine Art Auslegung des Lebens und Wesens Jesu mit meinem eigenen Leben anzusehen. In, mit und durch meine Persönlichkeit, meinen Talenten, Begabungen und auch meiner Lebensgeschichte mit allen ihrem Zerbruch und Highlights, wird das Leben Jesu ganz individuell und einzigartig greifbar und interpretiert. Eine Interpretation ist dabei allerdings nicht einfach eine simple Kopie, deshalb spricht Paulus auch von der Nachahmung Christi (1Kor 1, 11, Eph 5, 1). So, wie der Sohn den Vater „auslegt“ und darstellt, so legen seine Nachfolger und Nachfolgerinnen Jesus mit ihrem Leben aus und kommunizieren ihn in diese Welt hinein. Niemand hat Gott jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn kundgemacht. (oder ausgelegt, dargelegt - Joh 1, 18 - vgl. Joh 14, 7). Die Nachfolge Christi ist somit das jeweils individuell ausgelebte Jesusleben. „Christus lebt in mir“, schreibt Paulus an die Galater (2, 20) und definiert damit äußerst prägnant, worum es in der Nachfolge Christi schlussendlich geht.
Diese Nachfolge beinhaltet ganz gewiss noch viele andere Aspekte von Gewicht, wie z.B. die Frage nach der Heiligung, der Jüngerschaft, der Gemeinschaft und all die Fragen nach der ganz praktischen Ausgestaltung dieser Lebensbeziehung zu dem Auferstandenen. Einiges davon wird deshalb auch im weiteren Verlauf unserer Erwägungen aufgegriffen werden. Andererseits ist die individuelle Interpretation des Jesuslebens meiner Meinung nach Zentrum und Grundimpuls der Nachfolge Christi. Deshalb ist auch die Frage nach der Entscheidung für die Nachfolge im Endeffekt die Frage nach der Entscheidung so zu leben, wie Jesus es vorbildhaft tat. Darüber wird im Folgenden nachzudenken sein.
Vieles hat Jesus selbst zum Thema Nachfolge zu sagen. Nicht Weniges davon hört sich sehr herausfordernd, um nicht zu sagen überfordernd und hart an. Schon ein kurzer Blick auf ein paar beispielhafte Passagen aus den Evangelien mag dies verdeutlichen:
Matthäus 8, 18 - 22: kein Wohnort auf dieser Welt und kein Zögern
Matthäus 10, 38: das Tragen des Kreuzes in dieser Welt
Lukas 9, 57 - 62: zurücklassen und loslassen
Johannes 8, 12: aufdecken aller dunklen Stellen eines Lebens
Johannes 12, 25 - 26: sein Leben verlieren, um es zu gewinnen
Darüber hinaus bildet die Bergpredigt als Beschreibung der inhaltlichen Gesetzmäßigkeiten und der Natur des Reiches Gottes und damit auch der Nachfolge, ein gutes und beständiges Lebensfundament, wenn sie nicht nur gehört, sondern auch umgesetzt wird (Matthäus 7, 24ff). Interessant oder auch frustrierend wird es allerdings erst dann, wenn der Mensch herausfindet, dass er dieser Natur des Gottesreiches nicht entspricht und diese Gesetzmäßigkeiten nicht einhalten kann - zumindest nicht in und aus eigener Kraft. Die Bergpredigt ist somit als Forderung immer auch eine Überforderung und eine Herausforderung und erfüllt damit genau den Zweck, zu dem sie gegeben wurde. Denn da, wo der Mensch die Grenzen seiner eigenen Möglichkeiten erkennt und akzeptiert, werden die Möglichkeiten Gottes zum Ausweg aus dem Dilemma als Heilsangebot offenbar. Damit ist die Bergpredigt auch eine Positionsbestimmung zwischen Gott und Mensch, heilig und profan, der Ohnmacht des Menschen und der Allmacht Gottes. Der heilsame Schrecken über die eigene Unfähigkeit eröffnet den Raum für die heilsame Gnade Gottes in Jesus, der erfüllt, was dem Menschen durch seine von der Lebensquelle Gott getrennte Natur verwehrt ist. So ist einerseits der Zugang zum Reich Gottes nur in und durch Jesus möglich, andererseits ein Leben in diesem Reich nur in der Nachfolge dieses Jesus zu realisieren.
Ein Text aus dem Lukasevangelium (Lukas 14, 25ff) kann an dieser Stelle Aufschluss darüber geben, wie Jesus mit dieser Thematik der Nachfolge konkret umgeht:
Der Ruf in die Nachfolge
triff eine Entscheidungsetze Prioritätensei zielgerichtetbleib fokussiertentspann dich und werde nicht radikal→ lerne den kennen, der dich liebt und ruft
→ lerne dich kennen, der/die gerufen ist
Unmengen von Menschen begleiten Jesus während seines öffentlichen Wirkens. Jeder Einzelne von diesen vielen Menschen wird seine ganz eigenen Beweggründe dafür gehabt haben. Dies mag von der sehr ehrlichen und auch ganz praktischen Hoffnung auf Hilfe und Heilung, bis hin zur reinen "Sensationsgier" und der Hoffnung auf "Nervenkitzel" gegangen sein. Sie alle - unabhängig von ihren Beweggründen - dürfen dabei sein und Jesus begleiten. Sie dürfen ihn erleben, sehen was er tut und hören, was er zu sagen hat. Er verbietet es ihnen nicht und macht keine Unterschiede. Er klagt sie auch nicht an, obwohl er ganz gewiss um die Motive jedes Einzelnen weiß. Andererseits hinterfragt Jesus die Menschen die ihn begleiten, denn diese Menschen sind ihm natürlich nicht gleichgültig. Er tut dies nicht nur und auch nicht immer mit ausgesprochenen Worten, sondern schon alleine durch sein Leben, seine Lehre vom Himmelreich, vom Evangelium und vom Vater und natürlich auch durch sein Handeln in Gnade und Wahrheit (vgl. Joh 1, 14), zugewandt und ungeheuchelt, heilend und vergebend. Denn nicht allein das Zeichen ist es, die Sensation, was die Menschen, die ihn begleiten brauchen, sondern die tiefgehende Veränderung ihres Wesens in der Vergebung ihrer Sünden und ihrer Schuld, d.h. in der Aufhebung ihrer inneren Trennung von Gott und schlussendlich auch von ihren Mitmenschen. Das Zeichen bleibt der Wegweiser, hin auf das Wesentliche. Jesus hinterfragt die Menschen, indem er ihnen hilft, sich selbst die wirklich relevanten und wesentlichen Fragen zu stellen. So verdeutlicht er es immer wieder, wie z.B. an dem gelähmten Mann, den seine Freunde (wohl denen, die solche Freunde haben!) durch das geöffnete Dach herablassen (Lukas 5, 17ff). Was zählt mehr, die äußere und zeitliche Veränderung und Heilung oder die innere, dauerhafte und ewige Veränderung, die Veränderung und Gesundung des Herzens und des Wesens? Wer aber diese Art der Veränderung erfährt, kann nicht mehr reiner Begleiter, reine Begleiterin oder Bewunderer von Jesus bleiben, in einer allein beobachtenden und distanzierten Position verharren, abwartend und passiv. Die Veränderung des Wesens, nämlich die nun heilende Beziehung zu Gott, die Jesus möglich macht, bewirkt zwangsläufig eine Veränderung des Lebens und damit der sichtbaren Seite dieses Seins. Paulus wird später diesbezüglich von der Frucht des Geistes (Galater 5, 22) sprechen, die das Ziel eines geistlichen Wachstumsprozesses ist. Es ist ein Sein, welches immer neu und ganz individuell das Wesen von Jesus in dieser Welt darstellt und damit, anhand der jeweiligen Persönlichkeit, sicht- und greifbar macht. Diese Darstellung Jesu ist nicht alleine Nachahmung dessen was er getan hat und damit eine reine Imitation, Reproduktion oder Kopie des Lebens Jesu, sondern eine Erklärung dessen, was und wer Jesus ist, eine Art Auslegung - wie oben bereits angedeutet - und zwar anhand der eigenen veränderten und sich verändernden Persönlichkeit. Dies ist es schlussendlich, was als Nachfolge Christi bezeichnet wird, als Jüngerschaft und es ist die eigentliche Lebensweise aller Christinnen und Christen. Das Leben mit Gott ist schlussendlich und in erster Linie die Interpretation des Jesuslebens im eigenen Dasein.
Auf andere Art und Weise ausgedrückt ist mein Leben der Nachfolge Jesu meine ganz persönliche und individuelle „Coverversion“ des Lebens Jesu. In der Coverversion eines Liedes, wird ja kein komplett anderes Lied gesungen oder ein neues Musikstück geschrieben und vorgetragen. Das ursprüngliche Lied ist auf jeden Fall wieder zu erkennen und bleibt erhalten. Es wird allerdings von anderen Musikerinnen und Musikern auf ihre je eigene Art und Weise und mit den Instrumenten ihrer Wahl und Begabung neu interpretiert. Die Melodie behält ihren Wiedererkennungswert, ihre Darstellung jedoch wird überraschend anders sein. Das Lied des Jesuslebens ist schon perfekt geschrieben, da fehlt keine Note mehr, aber ich persönlich darf und soll es auf meine ganz eigene und individuelle Art und Weise singen, es sozusagen „covern“. Es bleibt wieder zu erkennen und damit auch eindeutig zuzuordnen. Mit den mir gegebenen Instrumenten meiner Persönlichkeit, Talente und Geistesgaben, interpretiere ich dieses Leben überraschend neu und hoffentlich attraktiv einladend. Dies gilt dann auch - in die „Gemeinschaft der Heiligen“ hinein übertragen - für jede Gemeinschaft von Christinnen und Christen. Je größer aber die Menge derer, die Jesus nachfolgen ist, die also sein Leben mit ihrer je eigenen Persönlichkeit interpretieren und attraktiv darstellen, desto facettenreicher werden die unzähligen Aspekte des göttlichen Wesens in diese Welt hinein kommuniziert. Jeder Mensch kann sich dann selbst, mit seiner individuellen Persönlichkeit, in dieser unbeschreiblichen Vielfalt Gottes, die ihm in den Nachfolgenden von Jesus begegnet, wiederfinden. Das ist aber im Endeffekt der Kern jeder Glaubenseinladung, mehr noch, so gesehen ist Nachfolge, wird sie denn recht verstanden, in sich schon Mission und Weitergabe der einen guten Botschaft des Evangeliums. Das Angebot der Versöhnung mit Gott in Jesus wird ganz greifbar und individuell verständlich, in denen, die es tatsächlich und konkret erleben. Der Glaube erhält also eine spezielle "Attraktivität" durch die Tatsache, dass er offensichtlich "funktioniert", da er sichtbar, greifbar und erlebbar das Wesen von Menschen in positiver Art und Weise verändert.
Deshalb wendet sich Jesus denen zu, die ihn begleiten. "Große Volksmengen gingen mit ihm", heißt es in Lukas 14, 25 und weiter, "und Jesus dreht sich um und spricht zu ihnen." Er fragt sie nicht zuerst nach ihren Motiven ihm zu folgen oder nach dem woher und wohin. Jesus fordert von ihnen keine Erklärungen oder Rechtfertigungen, sie müssen nicht Rechenschaft ablegen, sondern sollen hören und eine Entscheidung treffen. Was er ihnen zu sagen hat, ist dann allerdings mehr als herausfordernd. "Niemand kann mein Jünger sein, wenn er sich nicht von allem lossagt, was er (oder sie - R.B.) hat" (Vers 33). Wer Jesus nachfolgen will, muss Abschied nehmen, denn er oder sie geht auf eine lange Reise und jede Reise beginnt nun einmal zwangsläufig mit einem Abschied. Es ist eine lebenslange Reise und alle, die diese Reise unternehmen wollen, müssen ernsthaft überdenken und abwägen, ob sie für diesen Abschied und diese Reise wirklich bereit sind. Wer losgeht, kann nicht bleiben. Dabei geht es natürlich nicht zuerst um einen Ortswechsel, d.h. um eine Reise im lokalen oder geographischen Sinne. Diese einzigartige Reise beginnt an ganz anderer Stelle. Sie beginnt im Herzen und mit einem immer neu vollzogenem Abschiednehmen von alten Bindungen, Vorstellungen, Überzeugungen oder Vorurteilen, die sich als Hindernisse auf der Reise entpuppen könnten. Es geht hierbei auch nicht darum, an dieser Stelle das oben erwähnte "Kind mit dem Bade auszuschütten". Es ist ja eine Reise, ein Unterwegssein und das Abschiednehmen, das Loslassen und damit auch befreit werden ist ein Prozess, den Gott selbst ganz persönlich und „maßgeschneidert“ für Jede und Jeden vorbereitet hat. Deshalb kann der Beginn dieser Reise auch einen radikalen Abschied bedeuten und zwar deshalb, weil es für diese spezielle Person notwendig und unumgänglich ist. So habe z.B. ich selbst es erlebt und es war mir damals sehr deutlich und klar, dass ich das persönliche Umfeld und Milieu, in dem ich mich bis dahin bewegt hatte, verlassen musste, damit ich meine persönliche Reise beginnen konnte. In einer anderen Situation mag der Beginn dieser Nachfolgereise mit ganz anderen Notwendigkeiten verbunden sein. Wesentlich ist es, hinzuhören und zu verstehen, welche Reihenfolge von Schritten, von „Reiseetappen“ der Gott, der mich in Jesus in die Nachfolge ruft, für mich persönlich vorgesehen hat. Schritt für Schritt vorwärtsgehen in die von Gott vorbereiteten und damit gelungenen Lebensphasen (Epheser 2, 10), das ist das Reisetempo der Nachfolge.
„Wenn jemand zu mir kommen will“ ..., sagt Jesus, dann muss er und sie sich entscheiden. Es ist die Entscheidung loszulassen und zurückzulassen, um eine Lebensgemeinschaft und Liebesbeziehung zu Jesus einzugehen, die dem Leben eine ganz neue Zielorientierung und damit Konsequenz geben wird. Es ist eine wohlüberlegte und gut durchdachte Entscheidung. Kann ich die Nachfolge als eine Beziehung zu Jesus sehen, in deren Licht alle anderen Beziehungen neu eingeordnet werden? Die Beziehung zu den Eltern, Verwandten, Freunden, ja schlussendlich überhaupt zu den Dingen dieser Welt? Jesus stellt mit dieser Herausforderung zur Entscheidung Beziehungen in Relation. Im Vergleich zur Jesusbeziehung müssen alle Beziehungsgeflechte und -ebenen, in denen wir stehen, eine „relativierte“ Bedeutung einnehmen. Sie müssen nicht zwangsläufig aufgegeben oder geringgeschätzt werden, obwohl die Beendigung einer bestimmten Beziehung eventuell auch eine Notwendigkeit sein kann. Dies bezieht sich dann nicht nur auf personale Beziehungen, sondern gerade auch auf Beziehungsgeflechte in die wir uns „verstrickt“ haben, wie schlechte Gewohnheiten, Süchte, Abhängigkeiten von Geld, Prestige o.ä. Oft sind es auch Dinge, die an sich nicht negativ sind und erst im Bezug destruktiv werden, d.h. wenn meine persönliche Beziehung zu diesen Dingen nicht klar und geordnet ist. Unsere Beziehungen müssen deshalb vor allem immer neu bewertet, d.h. in Bezug zur Jesusbeziehung gesetzt und von hier aus gedeutet werden. Jesus ruft also in eine Nachfolgebeziehung zu ihm hinein, deren Auswirkungen lebensverändernd sein werden. „Wenn jemand zu mir kommen will“ ..., dann muss dieser Mensch also dazu bereit sein loszulassen, um sich auf das Abenteuer der Nachfolge einlassen zu können.
Es geht hierbei folglich um die prinzipielle Einsicht und Bereitschaft, das Notwendige zu tun, damit die Reise nicht ins Stocken gerät. Die, die Jesus nachfolgen sind nicht zuerst auf der Reise, sondern sie sind zuerst und primär Reisende. Anders gesagt sind sie nicht Reisende, weil sie auf der Reise sind, sondern sie sind auf der Reise, weil sie Reisende sind. Das klingt verwirrend? Es bedeutet jedoch im Endeffekt schlicht, das man nicht aus dem Handeln heraus zu Jemand wird, sondern handelt, weil man zuerst schon Jemand geworden ist, noch nicht perfekt und am Ziel, sich jedoch des eigenen Seins durchaus bewusst. Ich habe mich entschieden ein Reisender, eine Reisende zu sein und deshalb gehe ich auf die Reise. Erst hier wird sich das, was ich schon bin, entfalten und zur Blüte kommen können, erst hier tritt mein neues Wesen zu Tage. Die tiefe Bedeutung meines Seins, wird nämlich in der Nachfolge und d.h. auf der Reise „erfahren“. Ich lerne etwas kennen, indem ich es durchfahre, mit anderen Worten, es bereise. Ich lerne mein Sein nicht allein theoretisch kennen. Die Jesuserfahrung der Nachfolge wird mir zeigen, wer ich wirklich bin.
"Das Salz ist gut", sagt Jesus (Vers 34) weiter. Es ist gut, weil es würzt oder auch konserviert und Dinge schmackhafter macht. Das tut es aber, weil es eben Salz ist, es ist seine Eigenschaft und sein Wesen, genau das zu tun. Nicht alles, was würzt oder konserviert ist Salz aber da wo Salz ist, wird zwangsläufig auch gewürzt und konserviert. Es ist das Wesen des Salzes und hierin liegt seine eigentliche Relevanz und Bedeutung, das, was es wertvoll für die Menschen macht. Im Kontext des Lukastextes und bezogen auf die Nachfolge bedeutet dies, dass die, die Jesus nachfolgen, nämlich seine Jüngerinnen und Jünger, zuerst und primär etwas sind und gemäß ihres Seins handeln. Deshalb ist der Ruf in die Nachfolge eben immer ein Ruf in das Sein und damit auch in ein Wachstum in dieses Sein hinein und nicht zuerst in ein bestimmtes Handeln, ja noch nicht einmal in eine bestimmte Lebensweise hinein. Alles dies ist immer die Konsequenz und Folge und nicht die Grundlage des schon vorhandenen Seins.
Jesus weist in der Folge seiner Erklärungen auf eine prinzipielle Unmöglichkeit hin. „Wenn das Salz nicht mehr salzt“ ... sagt er und das bedeutet, wenn es nicht mehr tut, was seinem Wesen entspricht und damit bezogen auf die Nachfolge „Wenn meine Jüngerinnen und Jünger nicht mehr sind was sie sind“ ..., was kann dann getan werden? Salz, welches nicht salzt, ist kein Salz. Es würde sein eigentliches und wichtigstes Wesensmerkmal verlieren, das, was es zu dem macht, was es ist. Dies aber ist eine Unmöglichkeit, solange denn vom Salz die Rede ist. Es kann aufgelöst oder erhitzt werden, geschmolzen oder in verschiedenster Form neu kristallisiert werden2, es verändert vielleicht seine Form, bleibt dabei aber immer Salz. Es könnte natürlich unter einigem Aufwand in seine Bestandteile Chlor und Natrium zerlegt werden. Dann läge aber kein Salz mehr vor, denn gerade die enge Verbindung dieser Elemente macht ja das Salz zum Salz - so wie die Nachfolge in der engen, untrennbaren Verbindung zwischen Jesus und seinen Nachfolgern und Nachfolgerinnen besteht. Es kann also kein Salz geben, das nicht tut, was seiner Eigenschaft entspricht. Es kann sicherlich auf verschiedene Weise verunreinigt werden, so dass die Wirkung der Verunreinigung die Wirkung des Salzes „übertönt“ oder sogar unmöglich macht. Dann kann es eventuell gereinigt werden oder muss aber beiseite gelegt werden. Das Salz an sich bleibt dabei jedoch unangetastet.
Für die, die Jesus nachfolgen, bedeutet dies, dass sie „nicht nicht sein können, was sie sind“. Ich bin Nachfolger von Jesus auf Grund meiner eigenen, wohlbedachten Entscheidung und man kann zurecht entsprechende Eigenschaften in meinem Leben erwarten. Wenn ich aber verstehe, wer ich in Jesus wirklich bin, es annehme und sich auswirken lasse, wird alles Weitere beinahe „natürlicher Weise“ folgen, denn die neue Natur, das neue Sein bekommen den ihnen entsprechenden Entfaltungsraum. Erst hier werde ich der, der ich im tiefsten Wesen, in meinem neuen Sein im Glauben an Jesus bin. Hier, in der Nähe des Wortes, das Mensch geworden ist, erfahre ich den Freiraum, die Wahrheit über mich zu erkennen, so, wie Jesus es verheißen hat (Johannes 8, 32). Dabei bleibt es allerdings nicht bei dem reinen Erkennen der Wahrheit über mich, dem Erkennen von alten Bindungen, Verletzungen, Lebenslügen und verzerrten Deutungsrahmen der eigenen Realität. Dieser Wahrheit wird die Wahrheit, die Jesus ist und verdeutlicht (Johannes 14, 6) gegenüber gestellt. Es ist die „andere“ Wahrheit über mich, die einzig objektive, die mir zeigen kann, wer ich von Gott her bin und wo ich diesbezüglich bisher einem falschen Selbstbild aufgesessen bin. „Wen der Sohn frei macht, der ist wirklich frei“, sagt Jesus in der Folge (Johannes 8, 36). Meine möglicherweise vorhandenen Lebenslügen zu erkennen macht ja schlussendlich nur dann Sinn, wenn ich damit auch die Möglichkeit bekomme, ihnen eine tragfähige Wahrheit entgegen zu setzen. Die Freiheit, von der Jesus hier spricht und die er in der Nachfolge schenken wird, ist die Grundlage für die Entfaltung einer heilenden Persönlichkeit. Nachfolge ist Persönlichkeitsbildung. Von hier aus entwickelt sich das Sein von dem Jesus spricht, in immer enger werdender Verbindung von Jesus und den ihm Nachfolgenden, um, wie in der oben erwähnten Verbindung von Natrium und Chlor, das zu sein, was man ist.
„Ich bin“, so stellt Gott sich dem Mose vor, nachdem dieser ihn nach seinem Namen fragt (2Mose 3, 14). Mose erwartet einen Gott mit einem konkreten Namen, in dem und durch den dieser Gott zu fassen ist, greifbar wird mit seinen Eigenschaften und Befindlichkeiten. Er erwartet einen Namen, in und mit dem dieser Gott anzubeten ist und dem dann auch die entsprechenden Opfer darzubringen sind. Vielleicht auch einen Namen, durch den dieser Gott in irgendeiner Form manipulierbar wird. Die Antwort fällt anders aus als erwartet. „Ich bin da“, das ist genug (für dich), das ist die göttliche Antwort, die Mose bekommt. Gott ist nicht mit oder in einem Namen greifbar oder handhabbar und erklärbar, denn er ist immer und überall. „Ich bin“ - anwesend, gegenwärtig und auch zukünftig. Präsenz ist nicht zu greifen und muss auch nicht gegriffen werden, man kann und sollte jedoch mit ihr rechnen und auf sie bauen. Hierin gründet ja schlussendlich jedes Gottvertrauen.
Die Gegenwart Gottes ist wie die Luft, die wir atmen. Du kannst soviel davon haben, wie du willst, solange du nicht versuchst, sie zu besitzen und dich daran festzuklammern. (Thomas Keating)
Da es allerdings das göttliche Privileg ist, das Unmögliche möglich zu machen, schafft er es trotzdem, seine Präsenz für den Menschen deutlich greifbar werden zu lassen. So spricht Gott in Bethlehem von Neuem „Ich bin da“ - diesmal jedoch in einem Menschen, dessen Name und Sein das Handeln Gottes, seine Allgegenwart und Fülle, sozusagen „auf den Punkt“ bringt. Der allgemeine Name bekommt einen konkreten Inhalt - Jesus.
Siebenmal nimmt Jesus dieses göttliche „Ich bin“ im Johannesevangelium auf und damit auch für sich in Anspruch und später, in der Nachfolge Jesu, wird auch Paulus mit großer Überzeugung ausrufen können: „Ich bin, was ich bin, durch Gottes Gnade“ (1Korinther 15, 10). „Ich bin da, ich war es und ich werde es sein“ - das ist der Name Gottes und deshalb dürfen wir mit ihm rechnen. Deshalb und verdeutlichend ist Jesus da, als Weg zum Vater, als Wahrheit, als Leben, als Weinstock usw. In Jesus präsentiert sich die Präsenz Gottes ganz greifbar, in konkreter Gestalt, im Reden und Handeln. Deshalb dürfen wir ihn wirken lassen, d.h. in enger Beziehung zu ihm, sein Wesen auf uns einwirken lassen. Als Auswirkung und Folge dieses Wirkens sind dann Menschen wie Paulus da und sind, aus seiner Gnade heraus, was sie sind. Gott ist also Da-Sein und ruft sowohl durch sein schöpferisches Wort, als auch durch sein rettendes Wort ins Dasein. Dieses Dasein ist zunächst noch nicht zielgerichtet und von jedem „Nützlichkeitsgedanken“ frei. Gott ruft den Menschen ins Dasein, ins „Vorgottsein“ und „Wiegottsein“, zu seinem Bild und Gegenüber und es stellt sich damit nicht primär die Frage „Wozu“? Wozu ist dieser Mensch gut, wozu ist er geeignet, wozu können wir ihn gebrauchen, wozu ist er da und nützlich? Dies sind eher Fragen der Effektivität, der Bilanzen und Kosten-Nutzen-Erwägungen, wie sie leider allzu oft an falscher Stelle an der Tagesordnung sind. „Wozu“ ist nicht die angemessene Frage, die an das eigentliche „Da-Sein“, schlussendlich an das Menschsein überhaupt zu stellen ist. „Ich bin da“, sagt Gott und deshalb bist du Mensch da, weil ich - Gott - es so will, weil ich Gott, dich will, als einen, der mir gegenübersteht, der mir ähnlich ist. Das ist eher die Antwort auf die „Warum“ - Frage. Warum bin ich da? Ich bin da, weil Gott da ist und im besten Falle verstehe ich, dass er mir dies in Jesus deutlich vor Augen führt. „In Christus“, so sagt es Paulus dann auch folgerichtig immer wieder, ist dieses Sein der Christinnen und Christen verankert, fundiert und vollendet. In Christus ruft Gott erneut ins Dasein, ein befreites Dasein, das in der Vergebung und Aufhebung der Trennung zwischen Gott und Menschen möglich wird. Im Vertrauen auf ihn, auf sein eigenes „Da-Sein“ für mich, werde ich, was ich eigentlich und wirklich bin. Ich bin da, weil Gott da ist und weil es um Gott geht, geht es immer auch um mich persönlich, an dem etwas von diesem Sein Gottes erkennbar werden soll. Das „Ich bin da“, ist demzufolge die notwendige Voraussetzung für alles Weitere. Denn wer nicht da ist, ist nicht relevant und hat somit auch wenig Bedeutung für andere. Er oder sie ist ja nicht da und wenn er oder sie dann fort ist, ändert sich folglich auch nichts. War da etwa jemand? Deshalb ruft Jesus mit der Aufforderung zur Nachfolge zunächst in das „Da-Sein“ und in das Gegenwärtig-Sein. Aus freier Entscheidung und wohlüberlegt bin ich ... Nachfolger, Nachfolgerin Jesu. Alles, was danach kommt, ist die Auslegung dieser Entscheidung im konkreten Leben. Was immer an Attributen der Nachfolge anzuführen wäre, wie etwa „Heiligung“ und Heilung, Dienst und Gabenausübung, Berufung und Aufgabe und was hier weiter an Stichworten aufgeführt werden könnte, wird im Endeffekt die konkretisierte Entfaltung eines vorher schon vorhandenen Seins sein. „Kommt und seht“ (Johannes 1, 39) ruft Jesus und meint damit eben auch an ihm zu lernen, wie dieses Sein konkret ausgelebt werden kann. Salz zu sein, ist das Eine, gut zu salzen ist offenbar das Andere. Nachfolge bedeutet somit, zu lernen, was man ist und das relevante Potenzial des Salzes entfaltet sich während des Würzens. Dies ist die Schule, in die hinein Jesus ruft.
Johannes der Täufer war der letzte große Prophet des Alten Bundes und als der neue Elia (Mt 11, 13 - 14), aus alttestamentlicher Zeit kommend, kündigt er das direkt bevorstehende Kommen des Messias an. Er sieht sich als Fingerzeig hin auf den, der größer ist als er selber. Konsequent sagt Johannes dann auch, dass er selber abnehmen, jener aber, der Messias, zunehmen müsse (Joh 3, 30). Bei einer Gelegenheit nun (Joh 1, 36) weist er seine Schüler, die sich um ihn geschart haben, auf diesen Messias hin, der leibhaftig an ihnen vorüber geht. „Siehe, das Lamm Gottes“, ruft Johannes. Als sie das hören, ist für zwei seiner Jünger völlig klar, dass hier derjenige ist, über den sie ihr Meister Johannes belehrt hat. Damit ist ihnen auch klar, dass er sie nichts mehr lehren kann. Johannes hat sein Ziel erreicht, sein Hinweis wurde verstanden. Nun ist es Zeit für etwas Neues. Die Jünger folgen Jesus und wollen mehr von und über ihn erfahren. Jesus lädt sie ein mit ihm zu kommen, bei ihm zu sein und zu sehen, d.h. ihn zu erfahren und zu erleben. Er lädt sie damit ein nicht noch mehr über ihn zu erfahren, sondern ihn selbst zu erfahren. Er lädt sie ein, in eine tiefere Dimension der Gottesbeziehung hineinzugehen. Das Neue, welches hier anbricht, ist die natürliche Konsequenz des Alten, die Zielsetzung dessen, was Johannes der Täufer gelehrt hat. Sich diesem Neuen zu verweigern würde damit auch bedeuten, das Alte ad absurdum zu führen. Die beiden Jünger folgen nun Jesus nach und Johannes ist glücklich darüber, denn so wird deutlich, dass seine Mühe nicht vergeblich war.
Die Nachfolge Christi wird sich niemals in reinem Bewahren des Vergangenen erschöpfen können. Ich ehre das Vergangene, die Tradition und die Überlieferung nicht damit, dass ich das Neue ablehne. Denn das Vergangene bekommt seinen Sinn erst darin, dass das Neue, auf das es vorbereitet hat, auch angenommen wird. Dieses Neue ist dann immer auch mit dem Ruf Jesu „Kommt und ihr werdet sehen“ verbunden, es ist nicht Selbstzweck, sondern führt einerseits in ein tiefgehendes Verständnis des Alten Bundes ein und andererseits jeweils in eine vertiefte und erneuerte Jesusbeziehung hinein. So ermahnt auch der Brief an die Hebräer seine Leserinnen und Leser nicht am Ziel vorbeizugleiten oder träge zu treiben (2, 1), sondern das Alte als gut, das Neue aber als besser zu verstehen. Es ist aber nur deshalb besser - wie kann es auch anders sein - weil das Alte schon gut war und ein Hinweis auf das Neue (Hebr 9) ist. Damit aber wird das Vorangehende als Grundlage dessen gewürdigt, worauf es „hingearbeitet“ hat. So ist auch das Hören des Rufes Jesu in die Nachfolge immer auf der Grundlage dessen zu hören, was mein Leben und Glauben bis zu diesem Punkt geprägt hat. Gott hat mich durch all mein Erleben und Erfahren bis zu diesem Punkt gebracht, an dem mich Jesu Ruf trifft. Deshalb darf ich es wertschätzen und keinesfalls als „vertane“ oder vergeudete Zeit betrachten.
Wenn Jesus also dazu auffordert Menschen und Dinge zurück zu lassen und alle Beziehungen in Relation zu der Beziehung zu ihm zu setzen, so fordert er damit auch auf, zu verstehen, dass all dies nun seinen Zweck erfüllt hat. Sich in einer falsch verstandenen Treue daran festzuhalten oder festzuklammern, würde schlussendlich bedeuten, dem Guten den Vorzug vor dem Besseren zu geben. Wenn ich aber das Gute - auch, wenn es negative Erlebnisse gewesen sein mögen - so, wie es ist aus Gottes Hand nehme, erkenne ich sein Handeln darin, welches zum Besseren, nämlich zu Jesus selbst führt. Wer sich also für die Nachfolge Christi entscheidet, entscheidet sich damit auch dafür, seiner Vergangenheit eine bessere Zukunft zu geben. Wenn es in diesem Kapitel also um das Beginnen geht, geht es um den Beginn von etwas Besseren, das nur im Los- und Weitergehen entdeckt werden kann.
Zum Weiterdenken:
Jesus lässt sich finden: er geht an Menschen vorüber oder eine Menge von Menschen ist in seiner Nähe. Jeder Mensch steht also in einem bestimmten Verhältnis zu dem ihm nahekommenden Jesus. In welcher Position zu diesem Jesus befindest du dich zur Zeit? Nahe oder fern, ablehnend oder skeptisch, verärgert oder zugewandt?Vielfältige Beziehungsgeflechte prägen dein Leben. Familie, Freunde, Arbeitsplatz, die Beziehung zu dir selbst, zum eigenen Körper (Krankheit; Alter) oder auch das Selbstbild. Welche Beziehungen fühlen sich gut an, welche eher negativ? Welche sind förderlich und welche hindern eher dabei, sich zu entwickeln? Welche bremsen eher und welche motivieren?Welche Erfahrungen, Enttäuschungen, Verletzungen aber auch Highlights und glückliche Momente haben dich bis zu diesem Punkt gebracht, an dem du jetzt stehst und an dem dich Jesu Ruf zur Nachfolge trifft? Was hat dich also schlussendlich zu dem Menschen gemacht, der du jetzt bist?Wie es die oben bedachten Ereignisse aus den Evangelien nahelegen, geht es zu Beginn der Nachfolge Christi darum, etwas Neues zu wagen, indem ich abwäge, mich entscheide, loslasse und losgehe. Ich lasse mich darauf ein, in dem Bewusstsein, dass das Alte, welches ich zurücklasse, dadurch keineswegs seinen Stellenwert verliert, sondern als notwendige Voraussetzung für das sich nun auftuende Neue anzusehen ist. Wenn ich mein Leben bis zu diesem Augenblick - da, wo mich der Ruf Jesu trifft, also jetzt, in diesem Moment - betrachte, so kann ich eventuell auch eine Zielrichtung entdecken, eine Vorbereitung Gottes, die mich an diesen Punkt der Entscheidung geführt hat. Was ich loslasse wird also nicht verachtet, sondern bekommt eine ganz neue Bedeutsamkeit in Relation zu dem Neuen, was vor mir liegt. Vielleicht bekommt sogar manche schwere Episode eines Lebens von hier aus betrachtet ganz neu und überraschend Sinn und Perspektive, was ihr nicht das Schwere an sich nimmt, jedoch dabei hilfreich sein kann, sich mit ihr zu versöhnen und sie als wesentlichen Teil in das Leben, die Persönlichkeit und die eigene Geschichte zu integrieren.
Welche Möglichkeiten der praktischen Umsetzung all dessen, was oben erwogen wurde habe ich denn nun? An welchen Stellen kann ich in Bezug auf das Beginnen dieses Weges mit Jesus in der Nachfolge konkret werden? Was ist mein Teil an diesem Punkt und was kann nur Gott alleine in mir und für mich bewirken? Mit Blick auf die bisherigen Gedanken, möchte ich an dieser Stelle einige Aspekte hervorheben, die sich beinahe „von selbst“ aus dem Lukastext ergeben. Natürlich ist bei alledem das eigene Tun immer auch ein Geschenk des Gottes, der mich zu sich zieht. Die zu Grunde liegende Aktivität meinerseits ist demzufolge immer und zuerst die Offenheit für Gott, das „Sich einlassen“ auf Gott und der Mut, Schritte mit diesem Gott zu wagen. Wie oben gezeigt, halten sich viele Menschen im „Dunstkreis“ von Jesus auf und das mit den unterschiedlichsten Erwartungen. Alles beginnt mit der Sehnsucht nach irgend etwas, selbst, wenn es vielleicht ganz diffus und ungreifbar sein mag. Diese Sehnsucht treibt die Menschen offensichtlich in die Nähe Jesu, lässt sie sozusagen „dasein“ und damit hoffentlich auch aufmerksam sein auf das, was Jesus ihnen zu sagen hat. Mit dieser notwendigen Aufmerksamkeit beginnen deshalb sinnvoller Weise auch die folgenden Gedanken.
Sieben Schritte sind es schlussendlich, in denen ich konkret und damit auch ganz persönlich aktiv werden kann, um dieses Losgehen mit Jesus vorzubereiten:
Vom Präsentsein bis zum Losgehen ist es ein Prozess, eine Entwicklung und auch ein Glaubenswachstum, welcher und welches seine ganz individuelle Zeit benötigt. Jesus selbst legt es ja nahe, an dieser Stelle gut zu überlegen und nichts zu überstürzen. Alles braucht seine Zeit und alles hat seine Zeit. Dabei ist mit dieser Zeitspanne natürlich nicht die berühmte „lange Bank“ gemeint, auf der alle ungetroffenen Entscheidungen Platz nehmen dürfen. Der Ruf Jesu trifft den Menschen immer jetzt, schlussendlich ruft er alle, die an ihn glauben, jetzt in seine Nachfolge. Damit ist dieser Ruf immer auch ein Aufruf. Sich nicht entscheiden zu können oder zu wollen, ob ich das möchte, bedeutet dann auch, sich dagegen zu entscheiden. Jede Entscheidung muss reifen, jedoch ist sie dann irgendwann auch einmal reif und will „gepflückt“ werden. Mag also dieser Prozess von der Präsenz bis zum ersten Schritt auch seine notwendige Zeit dauern und zu Recht beanspruchen, so soll er doch nicht zu meinem Lebenswerk werden, dessen Vollendung auf den allseits bekannten „Sanktnimmerleinstag“ vertagt wird, sondern der erste Schritt hin zur hoffentlich positiven Entscheidung werden. Beginnen wir also mit der Voraussetzung für diesen Prozess.
Gott ist gegenwärtig, lasset uns anbeten
und in Ehrfurcht vor ihn treten.
Gerhard Tersteegen
„Ich bin da“ - das gilt für den allgegenwärtigen Gott, dessen Wesen sich in seinem Namen offenbart. Damit ist dann auch die erste Voraussetzung für eine Begegnung mit eben diesem Gott gegeben. Die andere ist es, selber als Gottes Gegenüber auch da zu sein, präsent zu sein und da Gott überall „da“ ist, bedeutet dies tatsächlich, nicht irgendwo da zu sein, sondern hier und jetzt da zu sein. Präsent im Jetzt zu sein ist die Voraussetzung dafür, etwas wahr- und aufzunehmen. Das gilt sowohl für die Dinge, die um mich herum vorhanden sind, als auch für die Dinge, die ich in mir selber finden kann. Daher muss die Frage nach meiner tiefen Sehnsucht, nach dem, wohin es mich ziehen mag, nach meinen Wünschen und Träumen und damit schlussendlich nach meinen Gefühlen und dem, was mein Herz mir sagt, an dieser Stelle der Präsenz und des Da-Seins beginnen. Meine Sehnsucht ist präsent und nur dort in der Präsenz kann ich ihr auch begegnen. Deshalb stellt sich nun auch die Frage, in wie weit ich zu meinem eigenen „Präsentwerden“ beitragen kann. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der „Achtsamkeit“, der offenen Aufmerksamkeit für das Vorhandene, in den letzten Jahren sehr populär geworden. Vieles wird dazu geschrieben und es werden Seminare und Workshops angeboten, oft einhergehend mit Auszeiten, Retraiten oder Klostertagen. Das zeugt zumindest von einer erneuerten Sensibilität dafür, dass das „Da-Sein“ in diesem Moment, das Gewahrwerden dessen, was da ist, etwas Gutes für den Menschen ist aber in einer recht beschleunigten (westlich geprägten) Gesellschaft gar nicht mehr so einfach zu erreichen ist. Viele gute und sinnreiche Angebote werden also an verschiedenen Stellen bezüglich einer „Praxis der Achtsamkeit“ gegeben. Dem muss nicht unbedingt etwas hinzugefügt werden und doch erscheint es mir sinnvoll, an dieser Stelle diesbezüglich ein paar Gedankenanregungen zu geben.