Lebenskraft - Ulrike Köstler - E-Book

Lebenskraft E-Book

Ulrike Köstler

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  • Herausgeber: BERGWELTEN
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Auf in die Berge! So nutzen wir die Heilkraft der Alpen für unsere Gesundheit Die Menschen werden dank moderner Medizin und verbesserter Lebensumstände immer älter – umso wichtiger ist es, dies bei guter Gesundheit zu tun. Ulrike Köstler hat ihre persönliche Leidenschaft für natürliche Heilmethoden zur Berufung gemacht und erforscht den positiven Einfluss des alpinen Lebensraums auf Geist und Körper. Frische Luft, körperliche Aktivität und Naturverbundenheit: Die Bergwelt bietet unzählige Möglichkeiten, dem Altern ein Schnippchen zu schlagen. Dieses Gesundheitsbuch zeigt die wichtigsten Faktoren auf und macht Lust auf Ausflüge ins Gebirge. Wer möchte schließlich kein Mittel gegen das Älterwerden, das ganz ohne Nebenwirkungen auskommt? - »Blue Zones«: Warum werden Menschen gerade in diesen Regionen besonders alt? - Anti-Aging-Geheimnisse von Hundertjährigen aus aller Welt - Die sieben wichtigsten Tipps, wie Sie gesund alt werden - Schlaf, Ernährung, Bewegung – aber richtig! So bleiben Sie lange fit - Ein besonderes Geschenk für Bergliebhaber, die noch lange wandertüchtig bleiben wollen Lebensqualität und Wohlbefinden bis ins hohe Alter Ausgewogene Ernährung, ausreichend Schlaf und möglichst kein Stress – all diese Dinge helfen uns, möglichst lange gesund und vital zu bleiben. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen: Ressourcen, die wir aus dem Alpenraum schöpfen, unterstützen uns dabei und fördern unsere Lebenskraft bis ins hohe Alter. Ulrike Köstler lädt ihre Leser dazu ein, in einen inneren Dialog mit sich selbst zu treten und die Impulse aus diesem ganzheitlichen Ratgeber im persönlichen Alltag umzusetzen – für mehr Achtsamkeit, Lebensfreude und innere Balance!

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Seitenzahl: 237

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Ulrike Köstler

Lebenskraft

Wie uns die Alpen gesund, glücklich und jung halten

INHALT

Prolog

Gesund und glücklich jung bleiben

Die simplen Sieben

Natur leben

Bewusst gut essen

Stress begrenzen

Stoff für Gehirn und Denkfähigkeit

Entspannung, guter Schlaf und Regeneration

Bewegung ist Leben!

Lebensquell Liebe und Beziehung

Tipps für Eilige

Literaturverzeichnis

PROLOG

Griaß di!

Als ich mich vor mehr als zehn Jahren dazu entschloss, von Wien endgültig in das Salzkammergut zu ziehen, hat sich mir eine neue Welt erschlossen. Dank meiner Familie bin ich zwar in meiner Kindheit und Jugend sehr naturnah aufgewachsen, und die grüne Lunge Wiens hat auch so einiges an Naturschätzen zu bieten, aber das Leben im alpinen Herzen Österreichs ist doch noch mal ein deutlich anderes.

Das freundliche Griaß di allerorts und das allgemein gebräuchliche ansatzlose Du-Wort haben mich als Städterin, gewohnt an Anonymität und Distanziertheit der Großstadt, zunächst maßlos erstaunt. Woher kennt mich der freundlich Grüßende? Wieso ist mein Gegenüber sofort so vertraut und familiär mit mir? Und natürlich hat es mir zu denken gegeben, dass der soziale Umgang im urbanen Bereich sich wohl grundsätzlich unterscheidet vom Miteinander im alpinen Raum.

Inzwischen sind mir das Griaß di und die damit verbundenen freundlichen Umgangsformen schon dermaßen in Fleisch und Blut übergegangen, dass es mir oft direkt schwerfällt, die »notwendige« urbane Distanziertheit etwa im beruflichen Umfeld einzuhalten.

Dich als geschätzte Leserin, als geschätzten Leser möchte ich jedoch sofort mit einem warmen Griaß di willkommen heißen und damit auch weiterhin die Du-Form in diesem Buch pflegen. Und das hat mehrere Gründe: Erstens entspricht es eben den Gepflogenheiten im alpinen Raum und ist daher für mich selbstverständlich. Hauptsächlich möchte ich dich jedoch damit einladen, beim Lesen dieses Buches auch mit dir selbst in einen inneren Dialog zu treten und so manchen Impuls für dein Leben aufzugreifen und auch umzusetzen. Die distanzierte Form des Siezens stellt eher eine rein beschreibende, vielleicht allzu theoretisch geschilderte Darstellungsweise dar und baut leicht eine unverbindlich-distanzierte Hürde zwischen dem Gelesenen und dem Ich auf. Mir ist es mit diesem Buch jedoch ein Anliegen, deine innere Natur mit der äußeren Natur deines Lebensraums in Verbindung zu bringen. Auch in der zweiten Lebenshälfte soll es dir Spaß machen, den kindlichen Entdeckungsdrang zu erwecken, um zu ergründen, welche Impulse dir die Natur des alpinen Lebensraums für ein erfülltes und fittes Lebens bis ins hohe Alter zu bieten hat.

Ich will dich mit diesem Buch zu einer inspirierenden Reise durch eine Vielfalt thematischer Landschaften des alpinen Lebensraums einladen. Sie kreisen um das zentrale Thema der Gesundheit in einem ganzheitlichen Sinn. Gesundheit ist der labile Zustand, den jeder Organismus dem Leben durch kluge Anpassung und schonungsvollen Einsatz der Lebenskräfte abtrotzt. Die Alpen fordern und fördern unsere Lebenskraft bis ins hohe Alter – begeben wir uns gemeinsam auf diese Wanderung!

Ulrike Köstler

GESUND UND GLÜCKLICH JUNG BLEIBEN

»Wie du am Ende deines Lebens wünschestgelebt zu haben, so kannst du jetzt schon leben.«

MARC AUREL (121 – 180), RÖMISCHER KAISER

Hilfe, wir vergreisen!

Im 19. Jahrhundert lag die Lebenserwartung in den meisten heutigen Industrienationen noch bei rund 45 Jahren, wobei Frauen durchschnittlich länger lebten als Männer. Im Jahr 1900 betrug das Risiko, vor dem Erreichen des zehnten Lebensjahres an einer Infektionskrankheit zu sterben, noch 22 %! Erst als im späten 19. Jahrhundert das öffentliche Gesundheitswesen in Mitteleuropa weit genug ausgebaut, sanitäre Einrichtungen erheblich verbessert und sauberes Wasser allgemein verfügbar gemacht worden waren, konnte diese Frühsterblichkeit deutlich gesenkt werden. Diese Entwicklung hatte in den Industrienationen sowohl eine Verschiebung der Altersverteilung als auch einen Anstieg der Lebenserwartung zur Folge. Von allen Todesfällen passierten ab nun rund 77 % zwischen dem 65. und dem 95. Lebensjahr. Damit begann sich die Alterungsstruktur der Bevölkerung dramatisch zu verändern.

Die Alterspyramide scheint demgegenüber heute vollkommen verändert. Während derzeit rund 23 % der Bevölkerung ihren 60. Geburtstag schon hinter sich haben, werden es im Jahr 2050 schon etwa 34,5 % sein. Auch werden die Menschen heute immer älter – die im 21. Jahrhundert Geborenen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit ihren 100. Geburtstag erreichen. Eine solche Entwicklung stellt natürlich eine außerordentliche Herausforderung für das Sozialsystem und die zukünftige Arbeitswelt dar.

60 ist das neue 40: Altersgrenzen lösen sich auf!

Einerseits wird unsere Gesellschaft immer älter. Andererseits scheinen die Älteren immer jünger zu werden – oder es werden zu wollen. Es ist deutlich wahrnehmbar, dass Angehörige der Generation 50 plus bewusst versuchen, dynamischer und selbstbestimmter zu leben als in früheren Zeiten. Auf den Punkt gebracht, kann man sich fragen: Werden die Alten jünger? Heute gehen Pensionisten in Sneakers und Jeans ins Fitnesscenter und anschließend noch zum Tanzkurs. Lieber schnell noch auf den Berg, anstatt auf der Bank vorm Haus zu sitzen!

Obwohl der Lebensstil im höheren Alter bei verschiedenen Menschen extreme Unterschiede zeigen kann, scheint sich heute eine »jugendliche« Version durchzusetzen. Nicht umsonst sagt man, dass sich heute 60-Jährige vielfach so fühlen wie früher Menschen mit 40 Jahren. Und sie halten mit ihrem jugendlichen Auftreten auch nicht hinterm Berg. Der Trend zu einer eher aktiven Generation 50 plus scheint evident. Die Babyboomer nehmen aktuell ihr Leben vielfach energisch in die Hand: Outdoor-Aktivitäten wie Wandern, Radfahren oder Mountainbiken erfreuen sich großer Beliebtheit. Die Attraktivität eines aktiven Lifestyles, einer gesundheitsbewussten Lebensführung und einer positiven Beziehung zur Natur ist stark ansteigend. Noch nie gab es so eine große Nachfrage nach Naturheilkunde und Kräuterwissen, nach qualitätvollen Bioprodukten und gesunder Ernährung wie heute bei der Altersgruppe der Best Agers.

Möglichst lange leben – möglichst lange gesund bleiben!

Nicht nur die Fortschritte in der Medizin, auch eine gute und gesunde Lebensführung führen dazu, dass Menschen immer älter werden. Mit zunehmender Lebenserwartung wird die bewusste Pflege einer gesunden Lebensführung immer wichtiger, um gewonnene Lebensjahre auch bei guter Lebensqualität genießen zu können. Es stellt sich daher die Frage, wie wir mit der Lebensgestaltung in der zweiten Lebenshälfte und insbesondere im Alter richtig umgehen können. Denn es ist bereits evident, dass mit der Zunahme der Zahl der älteren Menschen auch die Zahl der Kranken und der Menschen mit körperlichen Einschränkungen rapide steigt. Man spricht davon, dass die steigende Lebenserwartung nicht konform geht mit einer gleichlaufenden krankheits- und beschwerdefreien Lebenszeit. Schließlich ist nicht nur eine lange Lebensdauer, sondern vielmehr eine optimale Erhöhung der Gesundheitszeitspanne anzustreben, um das Alter auch möglichst in körperlicher und geistiger Gesundheit genießen zu können (siehe Abb. 1, Seite 16). Die Verlängerung der gesunden Lebensperiode ist ein entscheidender Faktor für eine lange Lebenserwartung. Es geht also um ein langes Leben bei guter Gesundheit und zufriedenstellender Lebensqualität.

Abb. 1: Die optimale Gesundheitszeitspanne (modifiziert nach:1).

Abb. 2: Gesund verbrachte Jahre in Europa (modifiziert nach:2).

Gesunde Lebensjahre

Als gesunde Lebensjahre bezeichnet man die Anzahl der Jahre, die ohne Einschränkung der Aktivität und ohne Berufsunfähigkeit möglich sind. In sieben europäischen Ländern zeigen die Statistiken bei Männern eine höhere Anzahl gesunder Jahre als bei Frauen (siehe Abb. 2, Seite 17). Am stärksten ausgeprägt ist diese Differenz in den Niederlanden (57,8 Jahre bei Frauen, 62,8 Jahre bei Männern). Auf der anderen Seite des Spektrums steht Bulgarien (67,5 Jahre bei Frauen und 64 Jahre bei Männern). Schweden liegt bei der Erwartung gesunder Lebensjahre sowohl bei den Frauen (73,3 Jahre) als auch bei den Männern (73 Jahre) an der Spitze. Schlusslicht ist ebenfalls bei beiden Geschlechtern Lettland (54,9 Jahre bei Frauen, 52,3 Jahre bei Männern). Österreich befindet sich in diesem Vergleich deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Bei Frauen belegt das Land mit 57,1 Jahren den viertletzten Platz unter den 28 EU-Staaten. Männer liegen mit 57 Jahren im internationalen Vergleich an der fünftletzten Stelle.3

Good Aging – aber wie?

Dass wir altern, ist nicht zu ändern. Doch wir können sehr wohl auf die Art des Verlaufs sowie auf die Qualität des Alterungsprozesses Einfluss nehmen. Und natürlich ist es möglich, vorzeitige oder beschleunigte Alterung zu verzögern! Es ist in jedem Fall angenehmer, gesund und erlebnisreich alt zu werden.

Alterungsprozesse sind insgesamt ein multifaktorielles Geschehen, bei denen vielfältige Ursachen eine Rolle spielen wie die Beschaffenheit der Gene, chronische Erkrankungen und Entzündungen, körperliche Abnutzungsprozesse, die lebenslange Schadstoffbelastung, Stress oder Erkrankungen, etwa der Darmflora. Selbstverständlich spielen Ernährung und Lebensstil dabei jeweils für sich eine bedeutende Rolle. Das ist deshalb wichtig, weil Alterungsphänomene gekennzeichnet sind durch fortschreitende und ernste körperliche und geistige Einschränkungen. Die Erkrankungsraten (Inzidenzen) bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei Beschwerden des Bewegungsapparats, bei Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes sowie das Risiko für Krebserkrankungen steigen mit zunehmendem Alter immer stärker an. Das gilt auch für kognitive Defizite, welche die geistige Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit erheblich mindern.

Es stellt sich die Frage, wie sich diese Alterserscheinungen wirkungsvoll hinauszögern lassen, um das Leben bis ins hohe Alter gesund und aktiv genießen zu können. Geht man davon aus, dass unser Leben und unser Altern von drei wesentlichen Faktoren geprägt werden, nämlich von der Genetik, von verschiedenen Umweltfaktoren und von der Art der Lebensweise, so ergibt sich daraus eine Anzahl von Einflussfaktoren, die wir selbst in der Hand haben. Es geht natürlich nicht nur darum, das Leben zu verlängern, sondern dabei auch gesund und vital zu bleiben. Bleibt nur noch die Frage, wie man das erreichen kann. Eine Antwort bietet ein verblüffendes Phänomen: Menschen, die ein besonders hohes Alter bei guter Gesundheit erreichen, leben oft in bestimmten Regionen in größerer Häufigkeit. Schaut man sich diese auf dem gesamten Globus verteilten Gruppen der lebenslustigen Hundertjährigen genauer an, findet man heraus, dass ihr Leben von einem ganz bestimmten gemeinsamen Nenner geprägt ist: Sie folgen dem gesunden Rhythmus der Natur!

Lebenslustige Hundertjährige: Die Geheimnisse der Langlebigkeit

Schon im Jahr 2005 erschien im Magazin National Geographic ein Artikel von Dan Buettner, der bei mir einen Stein ins Rollen brachte. Die Reportage berichtet anhand eindrucksvoller Fotografien und einer soliden Datenlage über die weltweite Recherche Buettners zu jenen Orten, deren Bewohner sich durch besondere Langlebigkeit auszeichnen. Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat fünf geografische Gebiete gefunden und untersucht, welche als longevity hotspots (also Langlebigkeitsinseln) bezeichnet werden und in den Medien großes Aufsehen erregten. Seither wurde in ausführlicher Forschungsarbeit nach den Faktoren gesucht, die eine solche günstige Entwicklung ermöglichen. Auf diese Weise hoffte und hofft man, das Geheimnis der Langlebigkeit der Bewohner solcher sogenannter Blue Zones zu entschlüsseln. Wo aber gibt es diese Blauen Zonen? Die prominentesten finden sich in Europa mit den Inseln Ikaria in Griechenland und Sardinien in Italien. In Japan ist es Okinawa, in Amerika Loma Linda, Kalifornien/USA, und in Costa Rica die Insel Nicoya. Im Zuge der umfangreichen Forschungsarbeit wurden noch weitere Langlebigkeitsinseln gefunden.

Als Blaue Zone werden jene demografischen und/oder geografischen Gebiete der Welt bezeichnet, in denen die Lebenserwartung erheblich über dem weltweiten Durchschnitt liegt. Die Wissenschaftler Gianni Pes und Michel Poulain fanden in ihrer Recherchearbeit die ersten Gebiete, welche die höchste Anzahl an langlebigen Menschen, also mindestens Hundertjährigen, aufwiesen. Sie markierten diese auf einer Weltkarte mit einem blauen Stift, daher die Bezeichnung Blaue Zone. Da sich in Europa die Provinz Nuoro auf Sardinien als das Gebiet mit der höchsten Konzentration von Hundertjährigen in der Welt erwies, hat sich auch die italienische Bezeichnung zona blu in den wissenschaftlichen Veröffentlichungen etabliert.

An den Blauen Zonen in Europa, wie zum Beispiel auf den Inseln Sardinien und Ikaria, fällt auf, dass die Hotspots für Langlebigkeit ausschließlich in Bergdörfern im Landesinneren gefunden werden konnten. Einwohner dieser Gebiete weisen den höchsten Prozentsatz an lebenden Hundertjährigen innerhalb der gesamten Region auf. Interessanterweise ist auch der Gesundheitszustand der Bevölkerung in der Umgebung solcher Hotspots im weltweiten Vergleich deutlich besser – die Durchschnittsbewohner sind in solchen Regionen also wesentlich gesünder als anderswo. Nachgewiesenermaßen gibt es in solchen Gebieten häufig 20 % weniger Krebserkrankungen und 50 % weniger Herzkrankheiten, Demenzerkrankungen treten so gut wie gar nicht auf. Solche Forschungsergebnisse sollten in Anbetracht der stetig steigenden Pflegekosten in unserem Land Anlass für eine genauere Betrachtung sein.

Ikaria und seine gemütlichen Alten

Ikaria ist eine kleine bergige Insel in der Ägäis nahe der türkischen Küste. Der Name leitet sich von Ikarus ab. Mit den etwa 8000 Einwohnern ist hier das Leben immer noch relativ gemütlich und scheint dem Traum von einem unverfälschten Griechenland ohne übertriebenen Tourismus zu entsprechen. Betrachtet man die Geschichte der Insel, dann fällt auf, dass sich die Einwohner offensichtlich schon vor langer Zeit als Überlebenskünstler erwiesen haben. Schon im Mittelalter mussten sie sich, um der Piraterie zu entgehen, in die kargen Berge des Inselinneren zurückziehen und ein unauffälliges, einfaches Leben führen. Diese Bergdörfer werden seither von kleinen dörflichen Gemeinschaften bewohnt, die ihren eigenen Lebensrhythmus zu pflegen scheinen. Dieser ist geprägt von Gelassenheit, sozialem Zusammenhalt und den natürlichen Rhythmen der Natur. Tatsächlich wohnen hier auffallend viele alte Menschen, die allerdings auch sehr vital und selbstständig sind. Vor allem leben sie als Bestandteil einer dörflichen Gemeinschaft, die vom Zauberwort Chalarà (Gelassenheit) geprägt ist, und sind in dieser Gemeinschaft verwurzelt.

Die Einwohner der Insel sind stolz auf ihre traditionellen Lebensgewohnheiten. Dazu gehören das hinter dem Haus selbstangebaute Gemüse und die wilden Kräuter der Insel, das frische Quellwasser aus der Bergquelle und ab und zu ein Schlückchen Wein. Fisch kommt ein- bis zweimal die Woche frisch aus dem Meer auf den Tisch, Fleisch nur gelegentlich. Und wer etwas auf sich hält, hat natürlich auch frisch gepresstes Olivenöl von den eigenen Bäumen täglich auf dem Tisch. Außerdem lieben die Menschen den steten frischen Wind vom Meer und die Sonne. Auffallend sind auch die besondere Herzlichkeit und der Sinn für Gemeinschaft auf der Insel. Es ist ganz normal, dass man sich gegenseitig oft und ohne Ankündigung besucht. Die landwirtschaftlichen Arbeiten und die regen sozialen Kontakte erfordern zudem ständige Bewegung auf den bergigen Wegen der Insel – zu Fuß selbstverständlich. Natürlich ist auch die tägliche ungestörte Siesta Fixpunkt im Alltagsleben.

Die Hundertjährigen der wilden Berglandschaft Sardiniens

Ogliastra ist ein extrem bergiges und dünn besiedeltes Gebiet im Südosten Sardiniens mit einer auffallend hohen Anzahl an Hundertjährigen. Interessant ist, dass in der Region Ogliastra die ältesten Männer im weltweiten Vergleich leben. Das heißt unter anderem auch, dass hier Männer und Frauen ungefähr gleich alt werden. Das ist ungewöhnlich, da weltweit im Durchschnitt Frauen deutlich älter werden als Männer.

Auch hier leben die Bewohner der Region kulturell abgeschieden und haben ihren traditionellen Lebensstil samt Ernährungsgewohnheiten beibehalten. Die sozialen Kontakte sind durch ein enges Naheverhältnis zu Familie und Freunden geprägt. Auffallend ist der besondere Respekt vor den Älteren der Gesellschaft: Das soziale Ansehen steigt mit dem Alter. Auch wenn der Alltag hier im tiefsten Sardinien geprägt ist von harter Arbeit und viel Bewegung, so bleibt immer Zeit, zusammen zu lachen, sich auszutauschen oder gemeinsam ein Gläschen Rotwein zu genießen.

Die Einwohner leben bis heute von der eigenen Landwirtschaft. Die Nahrungsmittel kommen von den eigenen Feldern, dem Fischfang und allenfalls Schafen und Ziegen. Viele der Männer arbeiten bis ins hohe Alter als Hirten und legen mit ihren Herden täglich weite Strecken zurück, was einer der Gründe für ihre Langlebigkeit sein könnte. Auf dem Speiseplan stehen hauptsächlich einfache, traditionelle Speisen aus regionalem Gemüse, Kartoffeln, Bohnen und Vollkorngetreide. Der würzige Schaf- und Ziegenkäse stammt von lokalen Weidetieren, deren Fleisch viele Omega-3-Fettsäuren enthält und sein besonderes Aroma den Wildkräutern der Gegend verdankt. Der Namensgeber der Region Ogliastra ist der wilde Olivenbaum Oleaster.

Loma Linda: Der Glaube versetzt Berge

Loma Linda im Süden des US-Bundesstaats Kalifornien ist als größte Gemeinde der Siebenten-Tags-Adventisten mit fast 9000 Mitgliedern bekannt geworden. Diese Gläubigen betrachten ihren Körper als Tempel und verzichten aus religiösen Gründen auf Alkohol, Nikotin, Kaffee und Schweinefleisch. Die meisten Adventisten ernähren sich vollwertig, häufig vegetarisch oder vegan. Die Adventisten von Loma Linda sind auch überzeugt, dass ihr Glaube sie gesund hält und ihnen ein langes Leben beschert.

Mittlerweile gibt es gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse darüber, dass ein starker Glaube, regelmäßiges Gebet und der soziale Zusammenhalt in religiösen Gemeinschaften ein effektiver Beitrag für die Gesundheit und ein langes Leben sein könnten. Es ist jedenfalls evident, dass die Mitglieder der Adventistengemeinschaft von Loma Linda durchschnittlich vier bis zehn Jahre länger leben als die restlichen Bewohner Kaliforniens. Sie führen ein sehr geregeltes, strukturiertes Leben, das sich fest an den vorgegebenen Gebetszeiten und religiösen Vorschriften auch in Bezug auf Tagesablauf, soziale Strukturen und gesunde Ernährung orientiert.

Costa Rica: Reich an Hundertjährigen

Die Halbinsel Nicoya in Costa Rica ist eine der fünf ursprünglichen Blauen Zonen. Hier lebt eine große Anzahl von Hundertjährigen mit ausgezeichneter Gesundheit. Die Bewohner von Nicoya bezeichnen ihr Gebiet als glücklichste Region Amerikas und sind stolz auf ihre hohe Lebenszufriedenheit.

Glück und Gesundheit verschmelzen offensichtlich in diesem winzigen Land. Religion, Familie und soziale Interaktion stellen hier die wichtigsten Werte dar. Finanzielle Ziele oder Statussymbole stehen dagegen nicht an erster Stelle. In Costa Rica leben mehrere Generationen entweder zusammen im selben Haus oder in unmittelbarer Nähe zueinander. Jeder ist hautnah am Leben des anderen beteiligt. Es herrscht ein enger dörflicher Zusammenhalt, in dem Nachbarn oft eher den Status von Mitgliedern einer Großfamilie haben. Menschen kommen und gehen, um sich gegenseitig zu helfen oder einfach nur einen Besuch abzustatten.

In diesem von Regenwäldern durchzogenen zentralamerikanischen Land spielen Obst und Gemüse in der Ernährung eine tragende Rolle. Viele der exotischen pflanzlichen Nahrungsbestandteile sind reich an Inhaltsstoffen mit gesundheitlicher Relevanz. Das Trinkwasser der Region hat einen hohen Gehalt an Calcium und Magnesium, beides Mineralstoffe, die Knochen und Stressresistenz stärken. Die Sonne Costa Ricas beschert ihren Bewohnern einen überdurchschnittlich hohen Vitamin-D-Spiegel, der das Immunsystem bis ins hohe Alter fit hält.

Okinawa und die asiatische Gelassenheit

Okinawa ist eine japanische Präfektur mit über 150 Inseln, von denen 49 bewohnt sind. Im Zweiten Weltkrieg war die Inselgruppe schwer umkämpft, und es fand dort eine der letzten großen Schlachten zwischen Japan und den USA statt.

Trotz ihrer schweren Vergangenheit zeichnen sich die Bewohner der Inselgruppe durch ihre entspannte Gelassenheit aus. Sie lassen sich in ihren traditionellen Lebensgewohnheiten nicht aus der Ruhe bringen, obwohl der Alltag hier nach wie vor geprägt ist von körperlicher Arbeit und Anstrengung. Auch die älteren Bewohner legen ihre Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurück und pflegen enge Beziehungen zur Familie und anderen Dorfbewohnern. Übrigens lieben sie ihren täglichen Mittagsschlaf!

Die Bewohner Okinawas sind für ihren herausragenden Optimismus bekannt und dafür, sich nicht unnötig das Leben schwer zu machen. Sie bezeichnen sich selbst als die glücklichsten Menschen der Erde. Der Grund dafür ist ihrer Meinung nach die japanische Philosophie des Ikigai, das bedeutet wörtlich Lebenssinn. Sie beschäftigt sich mit jenen Dingen, für die es sich zu leben lohnt, mit der Freude am Leben und dem eigentlichen Lebensziel. Dazu gehört auch das Streben nach einer Mission oder Berufung, einer Aufgabe oder einer persönlichen Leidenschaft.

Diese bewusste Suche nach dem individuellen Sinn des Lebens steht in Okinawa über dem Streben nach materiellem Erfolg, was einer der Schlüssel zu einem langen, erfüllten Leben der Inselbewohner zu sein scheint. Denn wer auf Okinawa geboren wird, hat eine der höchsten Lebenserwartungen der Welt. Ein Großteil der über Hundertjährigen, die bisher weltweit gefunden wurden, lebte oder lebt hier, vor allem die Frauen brechen Altersrekorde. Im Dorf Ogimi auf der Hauptinsel steht in einen Steinblock graviert: »Mit 70 bist du ein Kind, mit 80 ein Jugendlicher, und mit 90, wenn dich deine Ahnen in den Himmel rufen, bitte sie zu warten, bis du 100 bist.«

Betrachtet man die Ernährungsgewohnheiten, so essen die Einwohner von Okinawa viel Obst und Gemüse, das sie selbst anbauen, darunter vor allem auch Süßkartoffeln und Soja. Der Großteil der Ernährung ist pflanzlich und fettarm. Außerdem essen sie nur kleine Mengen und trinken nach japanischem Brauch eine Tasse grünen Tee nach jeder Mahlzeit. Dieser Ernährungsstil wird als Hara hachi bu bezeichnet und schreibt vor, mit dem Essen aufzuhören, wenn der Magen zu 80 % voll ist.

Insel der Seligen

Diese fünf über die Welt verstreuten Blauen Zonen mit ihrem markant hohen Anteil an überdurchschnittlich vielen Hochbetagten, die im fortgeschrittenen Alter noch bei guter Lebensqualität voll integriert in die soziale Gemeinschaft ihr Leben genießen, bilden erst den Anfang der Forschung über die Grundlagen für ein gutes, langes Leben.

Man könnte fast glauben, dass bei den Bewohnern dieser Orte vorzeitiger Tod etwas nahezu Unbekanntes ist. Das Erstaunlichste daran ist jedoch nicht, dass diese Menschen es schaffen, ein Jahrhundert zu leben. Es ist vielmehr ihre bewundernswerte Fähigkeit, auch in hohem Alter noch ihr Leben mit Freude zu genießen. Auch wenn sich häufig aufgrund eines arbeits- und entbehrungsreichen Lebens so manche körperliche Abnützungserscheinung eingestellt hat, gehören ein gesunder Geist, eine positive Grundeinstellung, Humor und Selbstironie bei diesen Super-Alten durchwegs zur Normalität. Außerdem scheinen diese Senioren auch besonders gut in der Lage zu sein, unabhängig zu leben, zur Gemeinschaft beizutragen und ihren Leidenschaften im Leben nachzugehen.

Inzwischen sind die weltweiten Langlebigkeitszonen weiter beforscht und beschrieben worden. Weitere Populationen mit einem hohen Altersdurchschnitt wurden weltweit entdeckt und beobachtet.

Mittelmeerdiät als Jungbrunnen?

In unseren Breiten ist es vor allem die »Mittelmeerdiät«, die immer noch als gesunde und lebensverlängernde Ernährungsweise angepriesen wird, leider inzwischen aber häufig in einer viel zu oberflächlichen Betrachtungsweise. Denn der Konsum von Fisch und Olivenöl allein ist noch kein Garant für ein langes Leben bei bester Gesundheit. Bei der Lektüre über die vielstudierten Populationen der fitten Hochbetagten im Mittelmeerraum fällt auf, dass diese ihr langes Leben zumeist nicht an der Küste verbracht haben, sondern häufig in bergigen Regionen im Landesinneren zu Hause sind wie die Bewohner der Blauen Zonen auch. Diese Beobachtung hat mich auf die Idee gebracht, die Lebensgewohnheiten der mediterranen Super-Oldies mit jenen bei uns in den Alpen zu vergleichen. Denn auch bei uns findet man gerade im ländlichen Bereich bemerkenswert hochbetagte Alte, die sich sehr vital ihres Lebens erfreuen.

Gerne erinnere ich mich an die Jahre, in denen ich am Wolfgangsee im Salzkammergut gelebt habe. Hier ist mir bei der täglichen Fahrt zur Arbeit nach Salzburg häufig eine alte Bäuerin aufgefallen, die mit Kopftuch, Rucksack, Dirndl und sonnenverbranntem Gesicht mit tiefen Hautfalten regelmäßig am Straßenrand den Daumen hochgehalten hat, um per Autostopp mitgenommen zu werden. Ihr verschmitztes Lächeln ist mir bis heute in Erinnerung. Sie war zwar schon etwas unsicher auf den Beinen und auch nicht mehr so gut zu Fuß unterwegs, hatte aber offenbar auf ihre alten Tage entdeckt, dass man per Autostopp wunderbar mobil sein und seinen Aktionsradius deutlich erweitern kann. Sie erzählte mir, dass sie es unglaublich genieße, im Rahmen ihrer Mitfahrgelegenheiten mit den Leuten ihrer Umgebung oder auch mit neuen Unbekannten ins Gespräch zu kommen. Sie war neugierig, Geschichten aus dem Leben ihrer Chauffeure zu erfahren, und sie hat es geliebt, Anekdoten aus ihrem Leben und ihrer Heimat zu erzählen.

Auch die über 90-jährige »Kräuter-Leni« ist mir in guter Erinnerung. Sie unternimmt auch heute noch Kräuterführungen mit Touristen in die nähere Umgebung. So kann sie ihr reiches Wissen weitergeben – übrigens nicht nur das über die Kräuter der Region! Gerne erzählt sie ihre persönliche Lebensgeschichte, die von entbehrungsreichen Kinder- und Jugendjahren auf einem abgelegenen Bergbauernhof geprägt ist. Lebhaft berichtet sie dabei auch von den einfallsreichen Rezepten ihrer Mutter, die es immer irgendwie geschafft habe, den Hunger ihrer Kinder zu stillen – mit einfachsten Speisen, bereitet aus dem kärglichen Vorhandenen und dem, was die Natur zu bieten hatte, und von den langen, kalten Fußmärschen in die Schule und den harten körperlichen Arbeiten am Hof. Und vom Wissen ihrer Mutter, das sie dann selbst weiter kultiviert hat, um die Gesundheit ihrer Familie mit Hausmitteln und Kräutern zu pflegen.

Schaut man sich genauer an, was hinter dem eindrucksvollen Geheimnis der Methusalems im Mittelmeerraum steckt, kann man feststellen, dass ihre Lebensgewohnheiten und die Ernährung sehr gut vergleichbar sind mit dem bei uns tradierten »alpinen Lebensstil«. Dieser hat durch die vorhandenen Ressourcen durchaus Relevantes für Gesundheit und Well-Aging zu bieten. Es scheint also nicht notwendig zu sein, auf eine der viel besungenen blauen »Inseln der Seligen« auszuwandern, um sehr alt zu werden und dabei gesund zu bleiben! Das lässt sich sicher auch dadurch erreichen, dass wir die Schätze der Natur unseres ureigenen Lebensraums umfassend und achtsam für unsere Gesundheit nutzbar machen.

Ziel dieses Buches ist es, die Erkenntnisse über die Geheimnisse der Super-Alten anderer Länder zu nutzen und mit den gesundheitlichen Ressourcen des alpinen Lebensraums zu vergleichen beziehungsweise darzustellen. Denn die Lebensregeln, welche die ältesten Menschen auf Sardinien, Ikaria oder Okinawa gesund bleiben lassen, können auch mithilfe der Ressourcen des alpinen Naturraums umgesetzt werden.

Ein alpines Gleichnis: Das Leben ist eine Bergwanderung

Ich stelle mir die Herausforderungen des Lebens gerne wie das Erklimmen eines Berges vor. Will ich eine Bergwanderung antreten und wohlbehalten und zufrieden den Gipfel erreichen, so bedarf es doch einiger Vorbereitungen und Überlegungen. Zunächst einmal muss ich den Entschluss fassen, dieses Abenteuer überhaupt antreten zu wollen. Ich muss mich aufschwingen aus den Niederungen des Alltags und – statt mich am Wochenende einfach nur auszuruhen – meinen Rucksack packen und mich auf den Weg machen.

Zumeist empfinde ich den ersten Teil des Anstiegs als sehr mühsam und kräfteraubend. Ich muss mich erst an das Bergaufgehen gewöhnen, bin außer Atem und schwitze. Auch der Rucksack auf meinem Rücken ist eine ungewohnte Last. Aber ich freue mich, endlich wieder draußen in der Natur zu sein! Immer wieder bleibe ich daher stehen, um da und dort eine Pflanze, ein Tier oder einen Ausblick zu genießen. Nach der Woche in der Stadt oder im Büro gibt es immer etwas Neues in der Natur zu entdecken, das mich willkommen davon ablenkt, meinen Weg hinauf allzu zügig fortzusetzen. Die Verlockungen einer Wanderstrecke sind groß: ein lustig murmelnder Bach, eine saftige Kräuterwiese oder die erste Rast auf einer Waldlichtung. Es ergibt sich auch oft ein netter Plausch mit anderen Wanderern, denn anfangs sind häufig noch recht viele Leute unterwegs, und die Versuchung, bei der Jause im Rucksack gleich mal kräftig zuzulangen, ist mitunter auch groß.

Setze ich meine Wanderung fort, merke ich bald, dass ich langsam meinen Rhythmus finde. Es hilft mir, meine Geschwindigkeit anzupassen und jeden Schritt bewusst, entsprechend den Gegebenheiten des Untergrundes, zu setzen. Auch mein Atem passt sich meinen Schritten an und geht kräftig, aber regelmäßig. Ich merke dabei, wie gut es tut, mit jedem Atemzug tief Luft zu holen. Das mag auch daran liegen, dass ich nicht mehr so viel rede, wenn ich in Gesellschaft unterwegs bin. Oft unterhalten wir uns dann nur mehr über Themen, die für die Wanderung wichtig sind: die Wegweiser, der Ast, der über dem Kopf gefährlich sein könnte, das Reh, das wir nicht erschrecken wollen, der wunderschöne bunte Schmetterling oder die seltene alpine Orchidee, die wir erfreut entdecken. Die Alltagsgeschichten sind inzwischen auch weit weg und unwichtig geworden, der Blick voraus auf den Weg macht neugierig. Der Marsch nach oben ist nach wie vor anstrengend, aber ich spüre, dass meine Muskeln gut durchblutet sind und meine Körperhaltung sich dem Gehen angepasst hat. Der »Bürobuckel« entspannt sich, der Gang wird aufrechter, die Lungen füllen sich mit Sauerstoff, der Wind zerzaust das Haar und die Wangen werden rosig. Ich merke auch, dass die regelmäßigen Wanderungen mir Kondition beschert haben und mir der aktuelle Aufstieg schon leichter fällt als der vorangegangene.

Inzwischen bin ich schon eine ganze Weile unterwegs und habe zwei Drittel des Anstiegs bereits hinter mir. Oft bin ich stehen geblieben. Entweder weil ich etwas entdeckt habe oder um mir zu überlegen, ob ich überhaupt weitergehen will. Manchmal werde ich zwischendurch müde, stärke mich aus dem Rucksack und setze dann meinen Weg doch fort. Bisweilen muss ich mich über einen steilen Abschnitt kämpfen, der mich an den Rand meiner Kräfte bringt. Ein kleiner Umweg oder ein falscher Pfad kommen durchaus auch vor. Aber ein schöner Weg durch den schattigen Wald, einige Schluck Wasser oder ein übermütig vor mich hingesungenes Lied lassen mich wieder kräftig voranschreiten, und plötzlich ist die Waldgrenze erreicht und gibt den Blick frei auf den Gipfel. Nun weiß ich, dass ich es schaffen werde, denn einen Gutteil des Weges habe ich bewältigt. Statt verschlungener Pfade durch den Wald habe ich jetzt eine weite, sonnige Almfläche vor mir, als ob der Berg seine Arme ausbreitet, um seine Schönheit zu präsentieren. Hinter mir liegt nun das Tal unter einer Dunstschicht, die ich vorher gar nicht wahrgenommen habe. Oben am Berg ist die Luft klar und rein und der Blick überwältigend weit. Alle Anstrengung ist vergessen – die Schönheit des Bergpanoramas und das Glücksgefühl des Gipfelsieges sind unermesslich, und ich weiß mit Sicherheit: Das wird nicht mein letzter Gipfel gewesen sein!

Der Rucksack des Lebens