Lehrbuch Homöopathie - Rose Köhler - E-Book

Lehrbuch Homöopathie E-Book

Rose Köhler

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Beschreibung

Homöopathie - ein Buch mit sieben Siegeln? Das muss nicht sein! Dieses bewährte Lehrbuch der Homöopathie bezieht seine besondere Qualität aus der klaren Sprache und Didaktik von Gerhard Köhler. Es stellt übersichtlich und prägnant das komplette Grundlagenwissen der Homöopathie dar. Die didaktische Aufbereitung bietet Ihnen einen pragmatischen Zugang zu diesem Thema und konzentriert sich auf die für die Praxis wesentlichen Lerninhalte. Einsteigern eröffnet dieses Buch einen sehr guten Zugang zur Homöopathie. Aber auch erfahrene Therapeuten finden hier nützliche Hinweise und Anregungen. Das modern aufgebaute Werk verschafft Ihnen einen schnellen Überblick und erleichtert das Lernen. Bewährtes Grundlagenwissen didaktisch aufbereitet.

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Seitenzahl: 415

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Meiner Frau und Mitarbeiterin

Dr. med. Gerhard Köhler (1916–2002)

Medizinstudium in Freiburg, München, Danzig. 1941 Staatsexamen und Promotion in Leipzig. Klinische Ausbildung in Aachen und Krefeld (Chirurgie, Frauenheilkunde). Nach 1945 Niederlassung und Arbeit im Belegkrankenhaus – Schwerpunkt Chirurgie, Geburtshilfe, Innere Medizin sowie begleitende Anwendung der Homöopathie im klinischen Betrieb.

Lehrbuch Homöopathie

Band 1

Grundlagen und Anwendung

Gerhard Köhler

Bearbeitet von Dieter Gabányi

10., unveränderte Auflage

9 Abbildungen 15 Tabellen

Vorwort

„Der Köhler“ ist im deutschen Sprachraum eines der bedeutenden Standardwerke zu den Grundlagen der Homöopathie. Seine besondere Qualität bezieht das Werk aus der geradlinigen Sprache und Didaktik von Gerhard Köhler; diese Klarheit hat sich wie ein roter Faden durch alle bisherigen Auflagen gezogen. Eine der hochrangigen Forderungen des „Lastenheftes“ für die jetzt vorgelegte, vollständig überarbeitete 9. Auflage war, neben notwendigen Aktualisierungen, die Erhaltung der Qualität der „Köhler’schen Klarheit und Knappheit“.

Die Bewahrung dieses wertvollen Erbes mit einer Aktualisierung des Wissensstandes und der Arbeitsmethodik in der Homöopathie zu verknüpfen war eine nicht leicht zu erfüllende Aufgabe. Sie erforderte eine beständige, intensive Kommunikation zwischen den verschiedenen an der Bearbeitung Beteiligten. Alle Änderungen verfolgen das Ziel, den Prozess des Lernens didaktisch und inhaltlich optimal zu gestalten.

Das vorliegende Werk ist aber nicht nur als Leitschnur für den Anfänger gedacht – auch der erfahrene Homöopath ist eingeladen, von Zeit zu Zeit einen Blick hineinzuwerfen und vielleicht so manches mit der Zeit Vergessene wieder neu zu entdecken. Die Vielfalt der Homöopathie führt mitunter dazu, die Grundsätze zugunsten neuer, attraktiver Strömungen etwas zu vernachlässigen. Der „Köhler“ hilft, den Weg zurückzufinden.

Stuttgart, Herbst 2007

Verlag und Redaktion

Damit jeder seine eigene Methode (Gerhard Köhler, Vorwort 7. Auflage) in der Homöopathie finden kann, soll die Neuauflage dieses Standardwerkes auch den neuen (oder wiederbelebten) Diskussionen und Entwicklungen Platz einräumen. Nach wie vor wird der „Köhler“ ein kurzes, prägnantes und pragmatisches Lehrbuch sein, das den Anfängern Grundlagen vermittelt, den Fortschreitenden an Grundsätzliches und vielleicht Vergessenes erinnert.

Um bei der notwendigen Modernisierung dieses Profil zu erhalten, sind Neuordnungen, Hinzufügungen und auch einige Streichungen erfolgt. Dabei war es dem Bearbeiter ein besonderes Anliegen, die klare Sprache von Gerhard Köhler, der als Dozent dem aufmerksamen Neuling einen bleibenden Eindruck hinterließ, weiterleben zu lassen und auf Modewörter und Anglizismen wenn irgend möglich zu verzichten.

Dem Verlag, all den Mitarbeitern ist natürlich zu danken, ohne sie ist eine solche Arbeit nicht möglich. Mein besonderer Dank gilt den Rettern oder Wiederbelebungskünstlern der deutschen Homöopathie, die vor nunmehr ca. 50 Jahren mit Fortbildungen und organisierten Lernkursen die Voraussetzungen für den heutigen Standard schufen. Zu diesen gehört auch Gerhard Köhler. Seine Bedeutung für die heutige Homöopathie schuf er mit einer gründlichen und verständlichen Zusammenfassung der homöopathischen Theorie sowie – zusammen mit anderen – mit der Wiedereinführung der Repertorisation in der deutschen Homöopathie.

Augsburg, Herbst 2007

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

Die heutige Ärztegeneration könnte glücklich sein – sie hat so viele Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie wie kaum eine Generation vor ihr.

Die analytisch-naturwissenschaftliche Forschung hat der Medizin Erfolge auf vielen Gebieten gebracht; die technische Perfektion der apparativen Diagnostik und Notfallbehandlung ist beachtlich. Chirurgie und Prothetik geben noch Hilfen, wo früher eine Grenze war. Die Tiefenpsychologie hat uns Einblicke in unbekannte Dimensionen der Seele geschenkt. Die psychosomatische Medizin gibt erste Ansätze zum Begreifen der Wechselbeziehungen von Leib und Seele.

Wir könnten eine glückliche Generation von Ärzten sein bei so vielen Erfolgen! Warum erleben wir trotzdem im täglichen Umgang mit unseren Kranken so oft auch einen Therapienotstand? Warum steigt die Zahl der chronisch Kranken – ist dies wirklich nur eine Folge von Zivilisation und erhöhter Lebenserwartung? Warum ist so oft Nutzen und Schaden einer Therapie abzuwägen? Wie sollen Ärzte und Patienten die Gefahren und Kontraindikationen eines Medikamentes abschätzen, die der Hersteller selbst nicht sicher kennt, da sie oft erst nach langer Zeit deutlich werden? Wir erleben in unserer Zeit nicht nur die Gefährdung der natürlichen Umwelt – wir beobachten mit Sorge auch die Rückwirkung auf die Innenwelt des Menschen. Belastungen durch Schadstoffe in der Luft, im Wasser, in der Nahrung, aber auch durch Medikamente sind erkennbar.

Das Wort von der „Krise der Medizin“ beunruhigt seit einem halben Jahrhundert Ärzte und Patienten. Eine Lösung der Krise ist nur möglich, wenn wir uns zuerst um Erkenntnis der Ursachen dieser Krise bemühen, damit wir gemeinsam handeln können. Diese Ursachen hat Bamm in „Ex ovo“ formuliert:

„Die wissenschaftliche Grundlage der Heilkunde ist die experimentelle Biologie. Wir wissen aber nun, dass die experimentelle Biologie zum Gegenstand ihrer Forschung gar nicht das Leben, sondern nur die physikochemischen Bedingungsgrundlagen des Lebens hat. Einer Therapie, die sich ausschließlich auf experimentelle Biologie stützt, sind nur diejenigen Störungen des Lebendigen zugänglich, welche Störungen der physikochemischen Bedingungsgrundlagen des Lebendigen sind. Der Arzt, der vor dem Patienten steht, kommt damit nicht aus.

Die metaphysische Unruhe, die seit einem Menschenalter die Heilkunde bewegt, entspringt der Tatsache, dass die wissenschaftlichen Grundlagen der modernen Medizin von vornherein nicht das umfassen, was die Heilkunde am Krankenbett vor sich hat. Der Arzt hat einen Patienten vor sich, in dessen gestörter Gesundheit die Transzendenz der Person des Patienten mit gestört ist …

Nur eine Heilkunde, die das ganze, entelechial gesteuerte Lebendige in ihre Behandlung einbezieht, hat Aussicht, nicht nur gestörte biologische Funktionen wieder ins gleiche zu bringen, sondern tatsächlich kranke Menschen zu heilen.“ (Bamm 1956)

Ich zitiere bewusst einen neutralen Zeugen, denn das Wort von der „Krise der Medizin“ stammt nicht von der Homöopathie. Es gibt in der Lehrmedizin unserer Zeit genügend sensible Menschen, welche die Unruhe empfinden und nach neuen Wegen Ausschau halten. In dieser Situation sind wir alle aufgerufen, nach erweiterten Therapiemöglichkeiten zu suchen.

Die Homöopathie kann vieles zur Gesamtmedizin beitragen. Sie ist seit 200 Jahren bewährt, sicher und unschädlich. Außerdem erfüllt sie seit ihrem Bestehen die heute so dringlich erhobene Forderung einer Ganzheitsmedizin. Sie behandelt den kranken Menschen in seiner leiblich-seelischen Ganzheit und begreift ihn als handelnde Person, eingefügt in seine konstitutionelle Anlage und mitmenschliche Umwelt, in die Bedingungen und Belastungen seiner Zeit und Biografie.

Der kranke Mensch in seiner Individualität und untrennbaren Einheit von Geist, Seele, Leib gibt den Maßstab für die homöopathische Arzneianwendung.

Die verschiedenen Therapieverfahren haben im Rahmen der Gesamtmedizin je nach Situation des Kranken ihr Optimum und ihre Grenzen.

Deshalb sollten in unserer Zeit Streit und Hochmut ein Ende finden durch brüderliches Miteinander. Wir alle sind nur dem Kranken verpflichtet keiner Ideologie oder einer bestimmten Therapierichtung. Jeder kann von jedem lernen.

Ich denke in Dankbarkeit an meine Hochschullehrer und klinische Ausbildung. Aber keiner darf bei seinem schulischen Ausbildungsstand stehenbleiben. „Wir haben Grund, über die Heilkunde neu nachzudenken zu müssen. Die Entwicklung der medizinischen Wissenschaften, der Notstand in der medizinischen Ausbildung, die problematischen Strukturen des Gesundheitswesens sowie wachsende Schwierigkeiten einer sinnvollen medizinischen Praxis sind Gegenstand höchster kritischer Aufmerksamkeit. Der Umgang mit Gesundheit, Krankheit und Leid, mit Not, Hinfälligkeit, Hilflosigkeit und Krise ist geprägt von der Spannung zwischen Handlungsmächtigkeit und Handlungsgrenzen der Heilkunde.“ (Seidler 1979)

Wer im täglichen Umgang mit seinen Kranken diese Grenzen erlebt hat, ist aufgerufen, weitere Heilungsmöglichkeiten zu erlernen. Wir sind um unseres Berufes willen, sogar vom Gesetz, dazu verpflichtet.

Über die verschiedenen Anschauungen und Methoden hinweg können wir unser ärztliches Tun und Wollen prüfen an einem Wort von Samuel Hahnemann, dem Begründer der Homöopathie:

„Das höchste Ideal der Heilung ist schnelle, sanfte, dauerhafte Wiederherstellung der Gesundheit oder Hebung und Vernichtung der Krankheit in ihrem ganzen Umfange auf dem kürzesten, zuverlässigsten, unnachteiligsten Wege nach deutlich einzusehenden Gründen.“ (Org., §2)

Viele ältere, aber besonders junge Ärzte und Studenten haben erkannt, dass der Therapienotstand und damit auch eine Krise der Medizin überwunden werden kann, wenn wir uns um natürliche Heilverfahren bemühen.

Freiburg im Breisgau, Frühjahr 1982

Dr. med. Gerhard Köhler

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Aus dem Vorwort zur 1. Auflage

Hinweise

1 Einführung

1.1 Prinzipien der Homöopathie

1.1.1 Definition

1.1.2 Arzneimittelprüfung an Gesunden

1.1.3 Ähnlichkeitsregel

1.1.4 Individuelles Krankheitsbild

1.2 Selbstverständnis und Grenzen der Homöopathie

1.2.1 Kritik an der allopathischen Medizin

1.2.2 Homöopathische Therapie ist Reiztherapie

1.3 Was ist Krankheit?

1.3.1 Akute Krankheiten

1.3.2 Chronische Krankheiten

2 Homöopathische Arzneien

2.1 Quellen der Arzneikenntnis

2.1.1 Arzneiprüfung an Gesunden

2.1.2 Ergebnisse der Toxikologie und Pharmakologie

2.1.3 Anwendung bei Kranken (Ex usu in morbis)

2.1.4 Anwendung bei Tieren

2.2 Arzneimittelbild

2.3 Herkunft und Herstellung der Arzneien

2.3.1 Ausgangsstoffe

2.3.2 Herstellung nach dem Homöopathischen Arzneibuch

2.3.3 Potenzierung

3 Symptomatologie

3.1 Klassifizierung und Bedeutung der Symptome

3.2 Gesamtheit der Symptome

3.3 Das individuelle, auffallende, sonderliche Symptom

3.4 Schlüsselsymptome und Leitsymptome

3.5 Das vollständige Symptom

3.5.1 Ätiologie, Folgen von

3.5.2 Lokalisation

3.5.3 Empfindungen

3.5.4 Modalität oder Art und Weise

3.5.5 Begleitsymptome(Konkomitanzien)

3.6 Allgemeinsymptome

3.6.1 Schlaf

3.7 Gemütssymptome

4 Fallaufnahme in der homöopathischen Praxis

4.1 Voraussetzungen

4.2 Ziele

4.3 Methode

4.3.1 Spontanbericht

4.3.2 Gelenkter Bericht

4.3.3 Indirekte Befragung

4.3.4 Psychische Anamnese

4.3.5 Psychosoziale Anamnese

4.3.6 Biografische Anamnese

4.4 Praxisbeispiele

5 Verschiedene Wege zur Arzneiwahl

5.1 Voraussetzungen

5.1.1 Gute Fallaufnahme

5.1.2 Klare Krankheitserkenntnis

5.1.3 Anpassung an die individuelle Situation

5.2 „Kurze Wege“ der Arzneimittelwahl

5.2.1 Bewährte Indikation

5.2.2 Klinisches Krankheitsbild

5.2.3 Ätiologie

5.2.4 Arzneitypen

5.2.5 Schlüsselsymptome

5.2.6 Intuition

5.3 „Lange Wege“

5.3.1 Gesamtheit und Inbegriff der Symptome

5.3.2 Individualisierung oder das Wesentliche im Krankheitsfall

5.3.3 Auswahl und Wertung der Symptome – die Hierarchisierung

5.3.4 Arzneiwahl durch Vergleich von Symptomenreihen (Repertorisation)

5.3.5 Auswahl des Mittels durch den Abgleich mit der Materia medica

5.4 Schwierige Arzneifindung

5.4.1 Wenige subjektive Symptome

5.4.2 Viele Symptome und Zeichen

5.4.3 Variable Symptome

5.4.4 Vermeidbare Fehler

6 Die Arzneigabe

6.1 Richtlinien der Arzneigabe

6.1.1 Welche Potenzform und -stufe?

6.1.2 Die Anpassung der Dosis

6.1.3 Richtlinien zur Wiederholung der Arzneigabe

7 Die Arzneireaktion

7.1 Beobachtung und Wertung der Arzneireaktion

7.2 Das Hering’sche Gesetz

7.3 Die homöopathische Erstreaktion

7.3.1 Definition

7.3.2 Dauer und Stärke von Erstreaktion und Nachwirkung

7.3.3 Nebensymptome der Arznei

7.4 Bedeutung der Zunahme existierender Beschwerden

7.5 Bewertung neuer Symptome

7.6 Arzneimittelbeziehungen und Antidotierung

8 Die chronischen Krankheiten

8.1 Einführung

8.2 Konstitution und Diathese

8.2.1 Konstitution

8.2.2 Diathese

8.3 Miasmen

8.3.1 Akute und chronische Miasmen

8.3.2 Die pathophysiologischen Reaktionsmuster der Miasmen

8.4 Therapeutische Konsequenzen

8.4.1 Seelisch-geistige Reaktionen

8.4.2 Wertung akuter Symptome bei chronischen Störungen

8.4.3 Nosoden

8.4.4 Reihenfolge der Arzneien

8.5 Heilungshindernisse und Behandlungsfehler

8.5.1 Heilungshindernisse

8.5.2 Flankierende Maßnahmen

8.5.3 Vermeidbare Fehler

9 Besondere Krankheitsformen und ihre Behandlung

9.1 Hauterkrankungen

9.1.1 Hauterkrankungen und konstitutionelle Belastung

9.1.2 Zusammenhänge zwischen psychischen Störungen und Hautphänomenen

9.2 Gemüts- und Geisteskrankheiten

9.2.1 „Psychiatrie“ zu Hahnemanns Zeiten

9.2.2 Endogene Psychosen

9.2.3 Reaktive Psychosen

9.2.4 Symptomatische Psychosen

9.2.5 Metaluische Psychosen

9.3 Psychosomatische Krankheiten

9.4 Neurosen

10 „Organon der Heilkunst“

10.1 Die Sprache des Organon

10.2 Die Geschichte des „Organon“

10.3 Aufbau des „Organon“

10.4 Ein Fragenkatalog für den Leser

10.5 Das Schlusswort hat Samuel Hahnemann

Anhang

Homöopathie von A–Z

Literatur

Sachverzeichnis

Arzneimittelverzeichnis

Hinweise

Querverweise auf die Symptomenverzeichnisse (Repertorien) beziehen sich auf drei häufig verwendete Standardrepertorien. Angegeben ist jeweils die Seite, auf der die entsprechende Rubrik zu finden ist:

KK

steht für die durch Keller & Künzli von Fimelsberg erfolgte Übersetzung des Kent-Repertoriums (Kent 2003).

SR

verweist auf das Synthetische Repertorium von Barthel(2005).

Synth.

verweist auf das Synthesis, Edition 9.1 (Schroyens 2005).

Quellenangaben der verwendeten Literatur sind unmittelbar im Text vermerkt und verweisen auf das Literaturverzeichnis. Besonders häufig zitierte Grundlagenwerke sind mit folgenden Kürzeln gekennzeichnet:

Org, § … steht für das Organon in der 6. Auflage (Hahnemann 1999) mit Angabe des Paragrafen.

CK, Bd., Sym. bzw. RAL, Bd., Sym. steht für Die Chronischen Krankheiten bzw. Die Reine Arzneimittellehre (Hahnemann 1991) mit Band- und Symptomennummer. Beide Werke wurden kürzlich in Hahnemann (2007) zusammengefasst. Die Symptomennummern wurden übernommen.

Hering, GS, Bd. steht für The Guiding Symptoms von Hering (1990) mit Angabe der Bandnummer.

Arzneimittelabkürzungen werden entsprechend der deutschen Übersetzung des Kent-Repertoriums (KK) verwendet.

1 Einführung

Homöopathie ist eine Form der arzneilichen Regulationstherapie, die die Selbstheilung des Organismus anregt und steuert.

Der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann, hat ein praktisches System der Arzneianwendung entwickelt, das auf drei Prinzipien gegründet ist:

Arzneiprüfung an gesunden Versuchspersonen

Ähnlichkeitsregel

Individuelles Krankheitsbild

Die Ähnlichkeitsregel fordert, dass Ähnliches mit Ähnlichem behandelt werden soll: Similia similibus curentur.

Das vergleichbare „Ähnliche“ findet sich in den charakteristischen Symptomen der Arzneiprüfung und in den individuellen Symptomen des einzelnen Kranken. Der Vergleich dieser beiden Symptomenreihen (auch Symptomenbilder genannt) führt zur Wahl der Arznei, die dem individuellen Krankheitsfall am ähnlichsten ist. Die Arznei nennt man deshalb das „Simile“.

1.1 Prinzipien der Homöopathie

Die Prinzipien der Homöopathie werden im Folgenden am Lebenswerk von Samuel Hahnemann dargestellt. Dabei zeigt sich, wie modern diese Therapie ist: Durch eine experimentelle Arzneiprüfung (Selbstversuch!) wird eine unerwartete Arzneiwirkung entdeckt, durch gewissenhafte Beobachtung und Nachprüfung das Gesetzmäßige dieser Reaktion erkannt und zu einer kompletten Heilmethode ausgebaut „nach deutlich einzusehenden Gründen“ (Org., § 2).

1.1.1 Definition

Im Rahmen der Gesamtmedizin lässt sich die Homöopathie als Regulationstherapie definieren. Ihr Ziel ist die Steuerung der körpereigenen Regulation mit Hilfe einer Arznei, die jedem einzelnen Kranken in seiner personalen Reaktionsweise entspricht.

Diese moderne Interpretation der Homöopathie wurde im Einklang mit Hahnemanns Einsichten gewählt. Er beschreibt die charakteristischen Phasen der regulativen Wirkungen der Arzneien auf den Organismus: Die Erstwirkung durch den Reiz der Arznei und die Nachwirkung (Heilwirkung) als Antwort des Organismus (Org., §§ 63 – 66).

Die praktische Anwendung der Homöopathie beruht auf drei Prinzipien:

Eine Arznei wird gesunden Versuchspersonen gegeben und die dadurch entstehenden Symptome werden registriert. Aus dieser Prüfung wird das Arzneimittelbild gewonnen. Die Symptome werden in den Repertorien aufgelistet.

Nach der Ähnlichkeitsregel heilt eine Arznei eine Person, deren Krankheit ähnliche Symptome aufweist wie sie die Arznei bei gesunden Personen auszulösen imstande ist.

Das individuelle Krankheitsbild ergibt sich durch die in der Anamnese und Untersuchung erfassbaren Symptome.

Samuel Hahnemann

Der Begründer der Homöopathie war der deutsche Arzt und Dozent Dr. med. habil. Samuel Hahnemann (geboren 10.4.1755 in Meißen an der Elbe, gestorben 2.7.1843 in Paris). Weiterführende Literatur zur Lebensgeschichte findet sich u. a. in den Werken von Haehl (1992) und Tischner (1959) – beide sind als historisch zuverlässig zu bezeichnen. Fritsche (1964) steuerte eine interessante, aber sehr spekulative und esoterische Darstellung bei. Ritter (1974) widmete sich äußerst kritisch dem Lebensweg Hahnemanns. Dessen geniales Werk verblasst hinter der Schilderung des Menschen in seiner Zeit. Robert Jütte (2005) verfasste „Samuel Hahnemann, Begründer der Homöo pathie“, von Willibald Gawlik (1996) stammt die „Synchronopse“.

Abb. 1 Prinzipien der Homöopathie.

Hahnemann wurde zum Arzt in einer Epoche der medizinischen Wissenschaft, die von zwei gegensätzlichen Tendenzen geprägt wurde: auf der einen Seite die geistvolle, aber spekulative „Romantische Medizin“ (Leibbrand) – zum alltäglichen „Handwerk“ des Arztes dieser Zeit jedoch gehörten radikale therapeutische Verfahren. Exzessive Aderlässe, Klistiere und andere ausleitende Maßnahmen (Fontanellen) schwächten die Kranken ohne ersichtlichen Nutzen. Die Arzneitherapie bestand im Zusammenmischen vieler Pharmaka in heroischen Dosen. Deren Wirkung war bis dahin weder irgendwie geprüft noch durch Erfahrung ermittelt worden. Erfahrung und Prüfung wurden durch Spekulation ersetzt und seit Galen mit Autoritätsgläubigkeit von Generation zu Generation weitergetragen – eine Methode, über die sich schon Paracelsus empörte.

Hahnemann stammte aus dem durch den Siebenjährigen Krieg verarmten Sachsen. Sein Vater war Porzellanmaler an der Meißner Porzellanmanufaktur, eine Kunst, die nicht viel einbrachte. Der außerordentlich sprachbegabte Samuel Hahnemann verdiente sich als Werkstudent mit Übersetzungen sein Studium und den Lebensunterhalt. Er beherrschte Griechisch, Lateinisch, Englisch, Französisch, Hebräisch und Arabisch. Durch seine Übersetzertätigkeit erhielt er tiefe Einblicke in das medizinische, pharmakologische und chemische Schrifttum seiner Zeit. Er versah die übersetzten Texte mit eigenen kritischen Bemerkungen und Kommentaren – getreu seinem Wahlspruch: „Aude sapere“, zu deutsch: Wage, weise zu sein, oder – freier übersetzt: – Wage, selbstständig zu denken.

Selbstständiges Denken zwang ihn zum Widerspruch. Bei der Übersetzung eines Werkes des schottischen Pharmakologen William Cullen: „A Treatise of the Materia medica“ (Abhandlung über die Arzneikunde, Zit. nach Klunker 1988, S. 9), stieß er auf die spekulative Behauptung des Verfassers, Chinarinde heile das Wechselfieber (heute besser bekannt als die Malaria) durch ihre „magenstärkende Wirkung“. An dieser Behauptung entflammte sich sein kritischer Geist.

1.1.2 Arzneimittelprüfung an Gesunden

1790 begann Hahnemann, diese von Cullen aufgestellte Behauptung nachzuprüfen – mit genialer Selbstverständlichkeit durch Prüfung einer Arznei auf ihre Wirkung im Selbstversuch. Damit war die Geburtsstunde der Homöopathie gekommen. Das erste Prinzip wurde im Experiment gefunden:

Was eine Arznei bewirkt, wird durch Prüfung an Gesunden ermittelt (s. ▶Kap. 2.1.1).

Die Prüfung der Chinarinde im Selbstversuch ergab bei ihm eine Änderung seines Befindens, die den Erscheinungen des Wechselfiebers ähnlich war. Er schreibt:

1.1.3 Ähnlichkeitsregel

Das zweite Prinzip wurde 1796 von Hahnemann formuliert. In „Hufelands Journal“ veröffentlichte er die Arbeit „Versuch über ein neues Prinzip zur Auffindung der Heilkräfte der Arzneisubstanzen“. Das „neue Prinzip“ war die Arzneimittelprüfung an Gesunden. Daraus zog er die geniale Schlussfolgerung:

„Jedes wirksame Arzneimittel erregt im menschlichen Körper eine Art von eigener Krankheit. Man ahme die Natur nach, welche zuweilen eine chronische Krankheit durch eine andere hinzukommende heilt, und wende in der zu heilenden (vorzüglich chronischen) Krankheit dasjenige Arzneimittel an, welches eine andere, möglichst ähnliche künstliche Krankheit zu erregen imstande ist und jene wird geheilt werden; similia similibus.“ (Hahnemann 1796)

Um es ganz deutlich zu machen, hebe ich den Schlussteil des Satzes heraus: „…welches eine künstliche Krankheit zu erregen imstande ist“. Die Arzneiprüfung an Gesunden löst eine künstliche Krankheit aus, deren Symptome der zu heilenden Krankheit möglichst ähnlich sein sollen. Eine Arzneiwirkung als künstliche Krankheit ist uns heute leider durch die Verwendung von Arzneistoffen aus der Retorte nur zu bewusst geworden. In verschämter Verniedlichung läuft diese „künstliche Krankheit“ als „Nebenwirkung“. Die bei einigen Patienten auftretenden verheerenden Wirkungen sind nur mit Understatement als „Nebenwirkungen“ zu bezeichnen. „Aude sapere“ – erinnern Sie sich an den Wahlspruch Hahnemanns: „Wage, selbstständig zu denken.“

Die Ähnlichkeitsregel, welche in dieser Veröffentlichung 1796 erstmals formuliert wird, erfuhr in der Einleitung des „Organon der Heilkunst“ ihre endgültige, klassische Form:

„Wähle, um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden (homoion pathos) für sich erregen kann, als sie heilen soll.“

Dazu setzen wir die lateinische Kurzform „Similia similibus curentur“ als Aufforderung: „Ähnliches möge durch Ähnliches behandelt werden.“ Die Ähnlichkeitsregel basiert auf dem bildhaften Vergleich zweier Sachverhalte: Symptome des Kranken werden mit Symptomen der Arzneiwirkung am Gesunden in ihrer phänomenologischen Ähnlichkeit verglichen. Was ein „Stoff“ macht, kann dieser auch heilen! Es kommt entscheidend auf die Ausgangslage an. Natürliche Krankheit und spezifische Kunstkrankheit müssen sich in ihrer Ähnlichkeit entsprechen.

1.1.4 Individuelles Krankheitsbild

Der Name einer Krankheit, die Diagnose, beschreibt eine Registrierung von pathologischen Fakten, die vom wissenschaftlichen Erkenntnisstand einer Zeitepoche abhängt und sich laufend verändert. Damit ist die Diagnose ein kollektiver Krankheitsbegriff.

Die praktische Anwendbarkeit der Ähnlichkeitsregel verlangt aber aus logischen Gründen die Erfassung der individuellen Symptomatik des Kranken, sie beachtet also die Einzigartigkeit der erkrankten Person und richtet sich nicht nach dem kollektiven Krankheitsbegriff.

Nicht durch die Diagnose, sondern durch den Vergleich der individuellen Symptome des Kranken mit den Symptomen der Arzneiprüfung finden wir die passende Arznei.

Im „Organon der Heilkunst“ wird sehr detailliert beschrieben, mit welcher Anamnesetechnik das individuelle Krankheitsbild erfasst werden kann und welche Symptome für die Arzneifindung von Bedeutung sind (§§ 83 – 104).

1.2 Selbstverständnis und Grenzen der Homöopathie

„Des Arztes höchster und einziger Beruf ist, kranke Menschen gesund zu machen, was man heilen nennt.“ (Samuel Hahnemann, Org., § 1)

Ein gut ausgebildeter Arzt und Homöopath ersetzt nicht die anderen Fachrichtungen der Medizin, wenngleich seine Therapiemöglichkeiten in sehr vielen Bereichen genutzt werden können. Er wird stets bemüht sein, seine Möglichkeiten zu erkennen und zu erweitern, zum Wohle des Patienten aber seine Grenzen in jedem einzelnen Fall beachten und mit anderen Fachgebieten zusammenarbeiten. Die Grenzen sind von seinem Wissen und seiner Erkenntnisfähigkeit gesetzt, sie sind aber genauso abhängig von der Natur der Krankheit und der Heilkraft, die der Patient aufzubringen in der Lage ist. Nicht die Kraft eines homöopathischen Heilmittels – korrekte Herstellung vorrausgesetzt – ist der Schlüssel zur Heilung, sondern die richtige Anwendung der Methode und die Reaktionsmöglichkeiten des Kranken.

Lernziel ist, die Arzneimittel kennen und richtig anwenden zu lernen; ständiges Lernziel des homöopathischen Arztes ist aber auch, die Möglichkeiten anderer Fachgebiete zumindest zu überblicken und dadurch seine eigenen Grenzen besser erkennen zu können. Das ist die Basis eines gedeihlichen Miteinanders zum Wohle der Patienten. Erfreulicherweise verstärkt sich in den letzten Jahren auch an Universitätskliniken die Tendenz zur erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Homöopathen und „Schulmedizinern“ – einer der Schwerpunkte solcher Kooperationen liegt in der Behandlung von Kindern.

Als Regulationstherapie, d. h. die Heilfunktionen des Körpers anregende und unterstützende Therapie, sind der Homöopathie im Prinzip keine Grenzen gesetzt.

Die Grenze der Wirkung liegt in der aktuell (noch) vorhandenen Reaktionsmöglichkeit der Person – wieweit sind Heilungsvorgänge auslösbar, welche Lebenskraft besitzt der Mensch. Ungewollte Nebenwirkungen im klassischen Sinne zeigen sich nicht.

Ausnahme: Bei Autoimmun-Erkrankungen können – selten – Reaktionen ausgelöst werden, die den Zustand des Kranken verschlechtern.

An die Grenzen homöopathischen Handelns stößt man in Fällen, in denen andere Methoden wirksamer sind, ohne dabei dem Patienten zu schaden (z. B. durch Unterdrückung von Heilvorgängen); in Betracht kommen hier chirurgische Maßnahmen oder die apparative Unterstützung bzw. der Ersatz von Organfunktionen. Grenzen treten häufig auch bei Krankheiten im höheren Alter, bei Krebs oder anderen schweren chronischen Erkrankungen im fortgeschrittenen Stadium auf, in denen die Homöopathie meist nur zur Linderung der Beschwerden, aber nicht mehr zur Heilung beitragen kann.

In den 200 Jahren ihres Bestehens hat die Homöopathie unzählig Gutes bewirkt. Dennoch wird sie nach wie vor von manchen Ärzten abgelehnt. Ihrer Verbreitung über die ganze Welt hat dies jedoch keinen Abbruch getan.

In den letzten Jahren gelang der Beweis ihrer Wirksamkeit mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden, die dem individuellen Geschehen einer homöopathischen Therapie eigentlich nicht gerecht werden, ihre therapeutische Effizienz aber nachweisen konnten. Eine systematische Übersicht klinischer Prüfungen findet sich bei Dean (2004) und Albrecht (2005). Ein neueres Beispiel für ein gelungenes Studiendesign lieferten Frei et al. (2005) in einer Studie zur Wirksamkeit klassischer Homöopathie bei ADHS. Therapiestudien wurden in Deutschland unter anderem von Witt et al. (2006) und Möllinger & Schneider (2007) durchgeführt.

Der Nachweis der Wirksamkeit war für den einzelnen Homöopathen nie wichtig, hat er doch den Erfolg der Methode in jedem Heilungsverlauf erlebt. Auf ganz unmittelbare Art ist dies natürlich für die Patienten erlebbar. Gerade durch die Kritik der „Schulmedizin“ sind wir aber auch gezwungen, uns in besonderer Weise als korrekte und gute Ärzte zu erweisen, die sich ihrer Fähigkeiten und damit auch ihrer Grenzen bewusst sind.

1.2.1 Kritik an der allopathischen Medizin

Jede Form von Therapie (medikamentös, physikalisch, chirurgisch, psychologisch etc.) kann eine oder mehrere Zielrichtungen verfolgen:

fehlende Substanzen ersetzen,

Funktionen des Körpers anregen,

Funktionen des Körpers unterstützen,

Funktionen des Körpers unterdrücken.

Die Anregung durch einen vom Arzneimittel induzierten Reiz steht im Zentrum des homöopathischen Prinzips. Wir wollen die Heilkraft (Dynamis nach Hahnemann), über die der Mensch verfügt, solange er lebt, und die im Krankheitsfall gestört ist, durch den Reiz, den das spezielle homöopathische Arzneimittel beim Kranken auslöst, anregen, damit sie ihrer Aufgabe wieder nachkommt.

Allopathie wurde von Hahnemann die der Homöopathie entgegengesetzte Behandlungsmethode genannt. Wenn Homöopathen Kritik an manchen allopathischen Therapievorgängen äußern, darf dies nicht als generelle Absage an die Allopathie verstanden werden, sondern bezieht sich nur auf einzelne Behandlungselemente, die einer Heilung eventuell sogar entgegenstehen (z. B. Antiphlogistika bei Infekten). Häufig erschwert die wirtschaftliche Zwangssituation vieler Ärzte auch das tiefere Eingehen auf den Patienten; unterstützt wird diese Tendenz zugleich von „modernen“ Arzneimitteln, die uns die Situation vermeintlich beherrschen lassen. Die Folgen falscher Lebensweise oder schädlicher Umweltfaktoren werden damit erträglich gemacht, damit vermindert sich der Druck, richtiger oder gesünder zu leben. Wir verbleiben in der krankmachenden Situation.

Im Grunde müsste jeder verantwortliche Arzt, gleich welchen Fachgebietes, im Sinne seines Heilanspruches eine Therapie in Frage stellen, die nur die Symptome zu vermindern oder beseitigen vermag, die Krankheitsursachen oder/und den Krankheitssinn nicht berücksichtigt.

Insofern ist eine solche Kritik nicht gegen die Allopathie gerichtet, sondern gegen die oft zugrunde liegenden Therapievorstellungen.

Ein weiteres generelles Problem der heutigen Medizin ist, dass der Patient zu wenig als Individuum wahrgenommen wird. Unter anderem auch die wissenschaftliche Forschung, so notwendig und erfolgreich sie ist, verleitet zur Einteilung in Diagnoseschemen. Ein Patient hat z. B. eine Hypertonie und Hypertonie ist zu behandeln durch…. Dass dieser Patient die Hypertonie durch eine eigene, besondere Krankheitsgeschichte entwickelt hat, der u. a. seine individuellen Ängste zugrunde liegen, damit individuelle Heilansätze möglich sind, weicht der Feststellung, er müsse sein Leben lang bestimmte Antihypertensiva nehmen. Die allopathische Medizin gibt hier den Anspruch auf, wirklich zu heilen.

1.2.2 Homöopathische Therapie ist Reiztherapie

Das pauschal urteilende Wort „viel hilft viel“ widerlegt sich bei jedem reizenden Heilverfahren selbst. Für die Stärke eines Reizes gibt es keine Norm, keine objektive Maßeinheit. Da nur die Re-Aktion entscheidet, wird ein völlig neues Messinstrument eingeführt: das Individuum, der Patient, der mit seiner Reaktion die Stärke eines Reizes misst.

Für jede Reiztherapie gilt: Nicht die Stärke der Aktion, sondern die Re-Aktion auf den gesetzten Reiz ist entscheidend für den Erfolg.

Der Homöopath muss durch Befragen des Patienten und durch Beobachten der Symptome die Reaktion und damit den Therapieerfolg beurteilen. Da die homöopathische Behandlung eine individuelle Behandlung ist, liegt es nahe, jedes Mal von einem Experiment zu sprechen. Das stimmt insofern, als die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die homöopathischen Arzneien (Arzneimittelversuche am Gesunden, 200 Jahre Beobachtung der Arzneimittelwirkungen) in jedem Fall neu angewendet werden. Genauso ein Experiment ist übrigens die Gabe eines modernen Arzneimittels, denn auch dessen – wesentlich kürzerer – Beobachtungszeitraum gibt nur kollektiv festgestellte Reaktionen an, die im Einzelfall erst bestätigt oder widerlegt werden müssen.

„Gegen jedes Übel ist ein Kraut gewachsen“ – aber welches Kraut gegen welches Übel bei welchen Kranken? Diese Fragen wurden von den alten Heilkundigen durch generationenlange Erfahrung, Beobachtung und naturnahen Instinkt beantwortet. Das Experiment als gezielte Fragestellung an die Natur hat zwar schon Vorläufer in der Antike und im Mittelalter – aber erst mit Francis Bacon (1561 – 1626) gewann es die Bedeutung, die für die wissenschaftliche Erkenntnis der Neuzeit wesentlich geworden ist.

Das Hauptwerk von Bacon trägt den Titel „Novum Organum“ – es ist vielleicht kein Zufall, dass Hahnemann sein Hauptwerk ebenfalls „Organon“ nennt (Klunker 1992): Er beginnt sein Werk mit einem Experiment und tritt damit in die erste Reihe der neuzeitlichen Ärzte, die mit gezielten Fragestellungen das Gesetzmäßige der Heilung erforschen. Seine Fragestellung lautet: Welche Reaktion ruft eine Arznei an gesunden Versuchspersonen hervor? Er begnügt sich nicht mit den überlieferten oder spekulativen Erklärungen der Ärzte und Pharmakologen seiner Zeit, dass Arznei wirke, weil sie „magenstärkend“ oder nutritiv, auflösend oder umstimmend sei. Seine klare Antwort lautet nach den Arzneiprüfungen an Gesunden:

Arznei macht eine Kunstkrankheit. Wie jeder Fremdstoff setzt auch eine arzneiliche Substanz einen spezifischen Reiz (Erstwirkung). Sie wird erst zur heilenden Arznei durch die darauffolgende Reaktion des Organismus (Nachwirkung, Heilwirkung). (Org., §§ 63, 64)

Bei diesen Experimenten, d. h. Arzneimittelprüfungen an Gesunden, wird deutlich, dass eine Arzneiwirkung die Bedingungen der Reiztherapie erfüllt:

Jede Arznei setzt einen spezifischen Reiz, der für diese eine Arznei typisch ist.

Der Reiz muss genau angepasst sein, damit eine sinnvolle Reaktion erfolgen kann.

Die Reaktion ist abhängig von der Ausgangslage des Organismus.

Kleine Reize haben einen stimulierenden Effekt durch die reaktive Nachwirkung des Organismus. Stärkere Reize erzwingen eine direkte Erstwirkung. Überstarke Reize wirken lähmend.

Das Subjekt entscheidet allein durch seine Reaktion über die Angemessenheit eines Reizes.

Am letzten Punkt wird der unterschiedliche therapeutische Ansatz zwischen Allopathie und Homöopathie deutlich.

Für die abführende Wirkung von Aloe als direktem Reiz auf den Darm ist eine starke Dosis „angemessen“. Wenn ein schon gereizter Darm, z. B. bei einer Kolitis, geheilt werden soll, wird eine minimale Dosis Aloe „angemessen“ sein. Aloe produziert als Kunstkrankheit einen Reizzustand. Liegt dieser Reizzustand als natürliche Krankheit schon vor, kann Aloe in feiner Dosierung ihn beheben.

Tab. 1 Allopathische und homöopathische Arzneiwirkungsprinzipien und Anwendungsbereiche

Wirkungsprinzip

Anwendungsbereiche (Beispiele)

Substitution

Ersatz fehlender Stoffe

Eisenmangelanämie, Insulinpflichtiger Diabetes

Kompensation

Ausgleich defekter Systeme

Behandlung nephrogener Ödeme mit harnausscheidenden Wirkstoffen, Therapie bakterieller Infekte mit Antibiotika

Suppression

Unterdrückung unerwünschter oder überschießender Reaktionen

Unterdrückung allergischer Reaktionen mit Cortison, Behandlung der Extrasystolie mit Betablockern

Regulation

Steuerung krankhafter Prozesse

Desensibilisierung mit minimalen Allergendosen Immunstimulation, z.B. Impfung, Homöopathie

Eine homöopathische Arznei ersetzt nicht unmittelbar fehlende Stoffe. Sie strebt nicht die Kompensation eines Teilsystems auf direktem Wege an, auch hat sie keine gegengerichtete Wirkung mit unterdrückenden Effekten. Sie greift regulierend in Steuerungsvorgänge des Organismus ein.

Die Steuerung der körpereigenen Regulation ist nur möglich durch die Berücksichtigung der Ausgangslage jedes einzelnen Kranken. Die Ausgangslage ist erkennbar an individuellen Reaktionen, d.h. an der Symptomatik: Die objektivierbaren Befunde und die Störung des subjektiven Befindens geben Hinweise auf die Abweichung der Reaktionslage im einzelnen Krankheitsfall.

Der objektivierbare Befund ermöglicht es, eine Krankheit zu benennen und somit die Art der Störung einzuordnen. Das subjektive Befinden öffnet darüber hinaus Einblick in eine tiefere Schicht: Der kranke Mensch kann als Person wahrgenommen werden. Der Begriff der „Person“ wiederum kann nur individuell verstanden werden: Die eine Person tritt dem Arzt als Ganzheit von Geist – Seele – Leib entgegen.

Die Regulationsvorgänge, die wir zunächst mehr physiologisch betrachtet haben, gewinnen auf der personalen Schicht eine tiefere Bedeutung: Eine Krankheit ist Ausdruck der Störung der zentral steuernden und lebenserhaltenden Energie. Hahnemann nennt diese zentrale Instanz „geistartige Lebenskraft, Dynamis, Autokratie.“ Aristoteles spricht von der „Entelechie“, Hippokrates verwendet den Ausdruck „Enormon“, viele andere sprechen vom „Lebensprinzip“. Es ist nicht wägbar, lässt sich nicht messen oder experimentell nachweisen.

Als personale Medizin bemüht sich die Homöopathie um die Integration der Seelen- und Körperheilkunde. Sie fasst den Kranken als einmaligen, unteilbaren ganzen Menschen auf:

„Man wird … nie naturgemäß, das ist nie homöopathisch heilen, wenn man nicht bei jedem … Krankheitsfalle zugleich mit auf das Symptom der Geistes- und Gemütsveränderungen sieht.“ (Org., § 213)

1.3 Was ist Krankheit?

Im Rahmen unserer grundsätzlichen Vorüberlegungen werden wir uns mit Fragen zu beschäftigen haben, die dem Arzt eigentlich lange geläufig sind, und deren genauere Definition das homöopathische Handeln erleichtert. Wir werden dabei auch lernen, manche oberflächliche Denkweise zu verlassen.

Krankheit ist eine Störung der physischen, psychischen, geistigen und sozialen Funktionen der individuellen Person.

Eine der denkbaren Ursachen dafür, dass ein Mensch erkrankt, kann in der unzureichenden Entwicklung seiner individuellen Fähigkeiten gesehen werden – unabhängig davon, ob die Entwicklung von außen behindert oder unmöglich gemacht wurde oder ob innere, im Menschen selbst liegende Ursachen einer verfehlten Entwicklung ausgemacht werden können. Die Identifizierung und Bewertung der Symptome einer Störung sind nicht nur für die homöopathische Heilung bedeutsam, jede Krankheit liefert auch Indizien, welche Faktoren diese Störung möglicherweise ausgelöst und befördert haben. Daraus lassen sich dann Hinweise auf notwendige Veränderungen der Lebensführung ableiten. Vereinfacht gesagt kann man es auch so formulieren: Die Symptome sind die Sprache des Körpers.

Manchmal ergibt die homöopathische Anamnese keinen klaren Hinweis auf die passende Arznei, lässt aber auch dann mögliche Krankheitsursachen oder Heilhindernisse erkennen. Hahnemann listete schon eine Reihe von Heilungshindernissen auf, die aus falscher Lebensweise entstehen.

Die Ursachen von Erkrankungen liegen entweder im Menschen selbst begründet (Erbanlagen, Diathesen, Miasmen; s. ▶Kap. 8) oder sind das Resultat äußerer Einflussfaktoren (Umweltgifte, Trauma etc.) bzw. stellen eine Kombination aus beiden dar.

Alle Naturvorgänge, damit auch Krankheiten, haben einen Sinn, den es zu akzeptieren gilt, ob man ihn erkennt oder nicht. Er steht meist in Verbindung mit der Person und ihrer Lebensweise, tatsächlich beeinflussen Krankheiten häufig den Menschen und dessen Lebensweg.

Krankheit ist oft mit Leid verbunden und sinnloses Leiden widerstrebt uns. Dennoch einen Sinn darin zu finden, setzt voraus, seine Existenz zunächst grundsätzlich zu akzeptieren, auch wenn er uns noch verborgen ist. So besteht z. B. der Sinn einiger Kinderkrankheiten in der Stimulation des Immunsystems, um dadurch spätere (Immun-) Auseinandersetzungen unbeschadeter bestehen zu können. Jede erfolgreich durchlebte Erkrankung stärkt zudem das (unbewusste) Selbstvertrauen in den eigenen Körper – umso mehr, wenn man sie ohne äußere Hilfe überwunden hat.

Die Kunst des Arztes liegt ganz wesentlich in seiner Fähigkeit zur Beurteilung von Krankheitsverläufen. Er muss erkennen können, wann er einzugreifen hat und wann ein natürlicher Verlauf lediglich seiner aufmerksamen Beobachtung bedarf. Keineswegs darf es therapeutisches Ziel sein, Vorgänge, die zur Heilung führen könnten, zu unterdrücken. Zweifellos gibt es aber Krankheitsstadien, in denen die Unterdrückung von Symptomen das Leid des Kranken lindert und dies dann auch ärztliche Aufgabe ist. Dies trifft auf all jene Fälle zu, in denen eine Heilung nicht mehr möglich ist und der weitere Verlauf nur noch zusätzliches Leid für den Patienten bereithalten würde.

1.3.1 Akute Krankheiten

Für die homöopathische Therapie ist es wichtig, eine akute von einer chronischen Krankheit zu unterscheiden, um die Symptome richtig werten und Klarheit über die Prognose und die zu erwartenden Reaktionen und Heilungschancen zu gewinnen.

Eine akute Erkrankung ist ein vorübergehender Zustand, mit dem der Organismus bzw. der Mensch ohne äußere Hilfe fertig wird. Sie dient häufig der individuellen Entwicklung oder der Überwindung eines Zustandes und hinterlässt keine bleibenden Schäden.

Im Verlauf einer akuten Erkrankung sind die Regulationssysteme des Organismus nicht tiefgreifend gestört, allenfalls gilt es, die Heilmechanismen (Auseinandersetzung, Ausscheidungsleistung etc.) zu unterstützen und eventuelle Heilungshindernisse (z.B. Dehydrierung) zu beseitigen. Die akute Erkrankung ist in sich meist eine funktionierende Aufgabenlösung. Sie hat oft auch das Potenzial, tieferliegende Störungen der Dynamis, der Lebenskraft, zu vermindern, gelegentlich sogar vollends zu beseitigen. Denken wir nur an die Entwicklung der Immunkompetenz bei Kindern. Die Auseinandersetzung mit sogenannten natürlichen Krankheiten wie akuten Infekten oder Kinderkrankheiten ist der bedeutsamste Reiz auf dem Weg zur Ausreifung des Abwehrsystems.

Die ärztlichen Aufgaben werden bestimmt durch:

laufende, gründliche Beobachtung,weitgehende Zurückhaltung in der Wahl therapeutischer Eingriffe – zugunsten eines maximalen Lerneffektes der Abwehrkräfte,Vermeidung medikamentöser oder auf sonstige Art induzierter Unterdrückung der körpereigenen Reaktion.

!Cave: Akute Krankheitssymptome sind nicht selten die Exazerbation eines chronischen Krankheitsgeschehens. Dabei sind die Symptome der chronischen Krankheit häufig nur schwierig als solche zu identifizieren.

Um die Gefahr der Verwirrung bei der Arzneimittelwahl möglichst gering zu halten, gilt deshalb: Bei akuten Krankheitserscheinungen ist immer eine Anamnese durchzuführen, die mögliche chronische Aspekte bei der Wahl des Arzneimittels nicht berücksichtigt.

Die Differenzierung zwischen akuter oder chronischer Erkrankung ist oft schwierig genug; vor allem bei Erwachsenen ergibt sich häufig kein eindeutiges Bild. Da wir uns in der Therapie letzten Endes aber trotzdem entscheiden müssen, hilft in solchen Fällen die Beantwortung folgender Fragen: „was steht momentan im Vordergrund der Behandlung?“ und „was wünscht sich der Patient?“ – in den meisten Fällen werden die Antworten natürlich auf die Beseitigung der aktuellen Beschwerden abzielen. Wenn dies dann trotz gut gewählter Mittel und nach anfänglichen Erfolgen letztlich nicht zum Ziel führt und immer weitere Symptome auftreten, so wird es sich dann mit größter Wahrscheinlichkeit um eine chronische Krankheit handeln. Gerade im Anfangsstadium einer homöopathischen Praxis werden solche Situationen gehäuft auftreten – mit wachsender Erfahrung wird man dann in der Lage sein, die Signale chronischer Krankheiten frühzeitig zu erkennen und angemessen zu behandeln.

1.3.2 Chronische Krankheiten

Nach Hahnemann ist die Ursache der Krankheit eine Verstimmung der Heilungsfähigkeit, der Lebenskraft (Dynamis), d.h. bei einer chronischen Erkrankung ist die Lebenskraft und damit die Heilungsfähigkeit chronisch verstimmt.

Chronische Krankheiten sind Ausdruck einer tiefliegenden Störung und können in folgenden Faktoren begründet sein:

Sie können angeboren oder/und erworben werden.Sie können sich als Folge der unzureichenden Behandlung einer akuten Störung entwickeln.Sie können Folge vorangegangener Unterdrückungsmaßnahmen sein.

Die konsequente und qualifizierte Behandlung einer chronischen Störung ist wichtig, um ihrer Fortentwicklung hin zu irreversiblen Zuständen, wie z. B. einer Krebserkrankung, entgegenzuwirken.

Ein wichtiges Merkmal chronischer Erkrankungen ist die Tatsache, dass die Krankheit immer wieder in Erscheinung tritt, wobei die Form, d. h. die Symptomatik, wechseln kann. Daraus kann man den Schluss ziehen, dass die Heilvorgänge unzulänglich sind, meist findet sich auf irgendeiner Ebene der Hinweis auf eine tiefgehende Störung. Auch wenn die akute Symptomatik entweder als Resultat einer Therapie oder auch spontan wieder verschwunden ist, wird damit die chronische Verstimmung der Dynamis nicht unbedingt beseitigt. Bei der chronischen Erkrankung ist der Krankheitsprozess mit dem Rückgang der akuten Symptome nicht abgeschlossen. Wenn dies in sehr seltenen Fällen doch geschieht, spricht man von einer Spontanheilung, deren Ursache nicht feststellbar ist. Im schlimmsten Fall wird gelegentlich durch die Behandlung der akuten Symptome das chronische Geschehen unterdrückt und damit die vollständige Heilung verhindert. Unter Umständen dringt dadurch die Krankheit in tiefere Schichten vor, der Schaden wird zunehmend irreversibel und es kann zu unheilbaren Organschäden kommen.

Die Unterdrückung von Symptomen führt zu chronischen Erkrankungen.

Eine destruktive Erkrankung wie Krebs kann sich aus dem fehlgeleiteten Verlauf akuter Erkrankungen heraus entwickeln. Eine den Regeln folgende homöopathische Therapie verhindert die Entwicklung von einer akuten hin zu einer chronischen Krankheit.

Weil viele Menschen akute Krankheiten nicht aushalten wollen und die heutige Medizin in der Lage ist, diesem Wunsch zu entsprechen, werden die Beschwerden (Symptome) oft unterdrückt. Unterdrückt werden damit meist auch die notwendigen Heilreaktionen, sodass der Mensch damit zusätzlich geschwächt wird. Gleichzeitig werden Lernprozesse des Körpers, v. a. des Immunsystems, verzögert, eingeschränkt oder verhindert.

Der spontane körpereigene Versuch einer Selbstheilung wird durch die falsch verstandene ärztliche Hilfeleistung verhindert.

So richtig diese Theorie sein mag, so unausweichlich befindet man sich mit dem ärztlichen Handeln oft im Widerspruch zwischen Helfen und Heilen.

Es wird in jedem Einzelfall zu entscheiden sein, was wir dem Kranken an Beschwerden zumuten müssen oder sollten und in welchen Situationen eine Unterdrückung angezeigt ist. Diese Entscheidung muss immer in enger Absprache mit dem Kranken getroffen werden; die notwendige Voraussetzung dafür ist eine perfekte Aufklärung des Patienten über seinen momentanen Zustand.

Der Anfänger in der Homöopathie sollte sich zunächst mit der Heilung akuter Erkrankungen beschäftigen. Eher selten wird durch die Symptome einer akuten Krise das Simile für die zu Grunde liegende chronische Krankheit gefunden.

Die ersten Misserfolge in der Homöopathie ergeben sich aus der Schwierigkeit, die Symptome einer gesundheitlichen Störung korrekt als Ausdruck der chronischen Erkrankung zu erkennen. Oft bessern sich auch unter der Therapie zu Beginn die Symptome, doch die Krankheit kehrt in der Folge zurück. Spätestens dann sollte die Möglichkeit der chronischen Krankheit in Betracht gezogen werden.

Der philosophisch-religiöse Aspekt der chronischen Krankheit

Nach unserer Definition von Krankheit sind die Aufgaben dieser Erkrankung nicht oder nur teilweise erfüllt, wenn sie noch weiter besteht. Wenn die Krankheitsursachen, wie z. B. Fehler in der Lebensführung, Nichtverwirklichung eigener Fähigkeiten, bestehende Fehlsteuerungen etc. nicht beseitigt sind, so besteht die Krankheit damit aufgrund der Verstimmtheit der Heilfähigkeit (Dynamis) weiter.

Wer also nicht entsprechend seiner Lebens- und Schicksalsvoraussetzungen lebt, neigt zwangsläufig dazu, chronisch krank zu werden. Die chronische Krankheit ist somit zutiefst auch ein philosophisch-religiöses Problem. Sie wirft immer die Frage nach dem richtigen, d. h. dem individuell richtigen Leben, und damit nach der irdischen Verwirklichung des Menschen auf.

Der Körper spricht durch die Krankheit, um dem Menschen damit die Gelegenheit zu geben, seine Lebensführung kritisch zu überdenken.

So klar dies im Einzelfall erscheinen mag (z. B. bei Ernährungsfehlern oder Bewegungsmangel), so schwierig sind körperliche Symptome oft im Kontext der chronischen Krankheit zu interpretieren; die Antworten sind dann außerhalb des schulmedizinischen ärztlichen Wissens zu suchen.

Angeborene oder vererbte Krankheiten

Die moderne Wissenschaft versorgt uns mit einer Vielzahl von Erkenntnissen zu den Zusammenhängen zwischen der genetischen Ausstattung des Menschen und dem Auftreten bestimmter Krankheiten. Dies entspricht auch der Hahnemannschen Erkenntnis, dass die chronische Krankheit „mit einem tief liegenden Ur-Übel zu thun habe“.

Mit der Miasmen-Theorie (s. ▶Kap. 8.4) geht Hahnemann auf die Gründe für dieses „Ur-Übel“ ein. Er hat in seinen jahrzehntelangen Forschungen u. a. festgestellt, dass die chronischen Krankheiten sich fast immer zuerst als Störungen auf der Ebene der Haut zeigen. Auf der Haut und den Schleimhäuten erfährt der Mensch den ersten stofflichen Kontakt mit körperfremden Agenzien, mit denen er sich auseinandersetzen muss, wenn er weiterleben möchte. Wenn diese Auseinandersetzungsfähigkeit (Lebenskraft, Dynamis, Heilungsfähigkeit) von Geburt an geschwächt oder substanziell gestört ist, wird man bei den ersten Kontakten oder Auseinandersetzungen bereits Hinweise auf diese Störungen erhalten.

Naturgemäß ist diesem „Ur-Übel“ überhaupt nicht oder nur schwer abzuhelfen, allerdings sind gerade mit der Homöopathie die daraus resultierenden Folgeerscheinungen und Entwicklungen häufig positiv beeinflussbar.

Wir müssen als Ärzte grundsätzlich differenzieren, welche Symptome direkte Folgen von Erbkrankheiten sind und welche Symptome auf Versuche des Körpers hinweisen, zu einer Heilung zu kommen. Auch wenn eine solche Unterscheidung oft schwierig sein wird, ist sie ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Therapieform.

2 Homöopathische Arzneien

Die Homöopathie bemüht sich um die genaue Kenntnis der Arzneiwirkung mittels

Arzneiprüfung an gesunden Versuchspersonen

Ergebnissen der Toxikologie und Pharmakologie

Anwendung bei Kranken

Anwendung an Tieren

Die Gesamtheit dieser Beobachtungen ergibt das Arzneimittelbild.

Die verwendeten Arzneistoffe stammen überwiegend aus dem Naturreich (Pflanze, Tier, Mineral), einige aus der Retorte. Eine spezielle Art von Arzneimitteln sind die Nosoden; sie werden aus Gewebe oder Sekreten des Organismus gewonnen.

Hahnemann hat eine spezielle Arbeitstechnik (Verreibung oder Verschüttelung) zur Aufbereitung der Rohstoffe vorgeschrieben. Dabei wird stufenweise eine Minimierung und gleichzeitig eine Aufschließung der Ausgangssubstanz mit gleichzeitiger Steigerung ihrer Wirksamkeit erreicht. Hahnemann nannte diese Arzneizubereitungen deshalb Potenzen oder Dynamisationen. Je nach Höhe der Verdünnung pro Arbeitsschritt unterscheidet man C-, D- und Q-Potenzen.

Das Homöopathische Arzneibuch (HAB) ist die amtliche deutsche Pharmakopöe und legt die Herstellungsprozesse der Arzneien verbindlich fest.

2.1 Quellen der Arzneikenntnis

Die Homöopathie bezieht die Kenntnis der Arzneiwirkung aus folgenden vier Quellen:

Arzneimittelprüfung an gesunden Versuchspersonen (Probanden),Ergebnisse der Toxikologie und Pharmakologie,Anwendung bei Kranken (Ex usu in morbis) sowieArzneianwendung bei Tieren und den Ergebnissen der Veterinärmedizin.

Die Bedeutung jeder dieser Quellen erhöht sich in dem Maße, indem sie sich gegenseitig bestätigen.

2.1.1 Arzneiprüfung an Gesunden

Der älteste und immer bewährte Weg zur Erkenntnis ist der Weg der Erfahrung. Das Experiment gibt der Erfahrung Sicherheit und stellt eine neue Erfahrung her. In Bezug auf die Kenntnis zur Wirkung der Arzneimittel kommt es entscheidend darauf an, so viel wie möglich über die Wirkung einer einzelnen Substanz in Erfahrung zu bringen.

Blenden wir noch einmal zurück auf Hahnemanns Selbstversuch mit der Chinarinde (▶Kap. 1.1.2). Die Erfahrung, dass China in bestimmten Fällen von Wechselfieber hilft, war bereits vielfältig bestätigt worden. Aber erst das Experiment in Form des Selbstversuchs zeigte ihm, warum und wann China gesetzmäßig hilft. China erzeugt beim Gesunden Änderungen des Befindens, die dem Krankheitszustand beim Wechselfieber ähnlich sind.

Hahnemann prüfte zuerst im Selbstversuch, dann in seiner Familie. Er gewann Freunde, Patienten und Kollegen, später in seiner Hochschultätigkeit auch Studenten zu Prüfern. Er gab die Prüfstoffe im Anfang in wägbarer Menge als einmalige Gabe und ließ sich genau berichten, welche subjektiven Symptome und welche objektiven Zeichen der Prüfer vermerkt hat. Trat keine Änderung ein, wurde nach ein paar Tagen die Menge erhöht und solange gesteigert, bis eine wahrnehmbare Reaktion auf den Prüfstoff erfolgte. Hahnemann gab für die damalige Zeit präzise Richtlinien für die Durchführung der Prüfung (Org., §§ 105–108, 120–153). Er war der Erste, der überhaupt nennenswerte Arzneiversuche am Menschen durchführte.

Wirkung heißt – das kann nicht deutlich genug gesagt werden –, welche Veränderungen ein arzneilicher Stoff an Leib, Seele und Geist des Individuums, also auf allen drei Ebenen des Seins, bewirkt. Aus seiner Erfahrung mit der Chinarinde hat Hahnemann vermutet, dass Arzneimittel, die bestimmte Symptome beim Gesunden auslösen, ähnliche Symptome, die bei einer Krankheit bestehen, zu heilen imstande sind. Nachdem er diese Vermutung durch praktische Anwendung bewiesen hatte, mussten nun die Wirkungen, die eine Arznei beim Gesunden auslöst, geprüft werden. Der Weg zur Arzneimittelprüfung war beschritten.

Was ein „Stoff“ macht, kann er auch heilen. Er wird dadurch zur Arznei. „Was krank macht, kann damit auch heilsam wirken.“ (Hahnemann)

Jede Droge hat ein Doppelgesicht: Sie kann als Arznei, aber auch als Gift wirken. Genaue Kenntnis der Arzneiwirkung erhält man durch das Studium der durch sie hervorgerufenen Arzneikrankheiten.

Sepia, ein insbesondere im Klimakterium häufig hilfreiches Mittel, wurde vorwiegend an jungen Menschen geprüft. Die einzige ältere Frau (53 Jahre, Prüfer 8) produzierte ein schönes Sepia-Symptom: „Auffallend gleichgültig unangenehmen Angelegenheiten gegenüber, über die sie sich sonst aufregen würde.“ Ein 39-jähriger sensitiver Musiker (Prüfer 6) reagierte mit weinerlicher, trauriger Stimmung, unruhigem Schlaf und allgemeiner Nervosität.

Bemerkenswert ist eine Feststellung Martinis: „Besonders auffällig erscheint dagegen, dass in beiden Versuchsreihen die relative Symptomenhäufigkeit bei den tiefen Potenzen einschließlich der Urtinktur eher geringer war als bei den höheren Potenzen (bis D10).“

Wie real eine solche Prüfung ist, lässt sich an fast alltäglichen Beispielen zeigen. Ich bin sicher, dass Ihnen schon einmal beim Schälen oder Schneiden einer Zwiebel die Tränen aus den Augen liefen, dass die Nase anfing, zu jucken und Sie niesen mussten. Die Reizwirkung der Zwiebel auf Auge und Nase ist eine sichere Erfahrung. Es ist ebenso gesicherte Erfahrung, dass mancher katarrhalische Schnupfen einen ähnlichen Reizzustand an Augen und Nase hervorruft. Sie haben damit Allium cepa, die Küchenzwiebel, geprüft. Sie wird – in homöopathischer Potenzierung – bei ebendiesen Symptomen eines Schnupfens helfen.

Erinnern Sie sich an Ihren ersten Rauchversuch, der vielleicht in die „Hose ging?“ Wie es Ihnen schwindlig wurde, sodass Sie sich festhalten mussten und es Ihnen elendig schlecht war? Sie sahen kreidebleich aus. Erinnern Sie sich noch an die Wirkung von Tabak? Sie haben sicher Patienten erlebt, denen es – aus ganz anderen Gründen – so elendiglich schlecht und schwindlig war, dass sie fahl-weiß und grün im Gesicht aussahen, sich festhalten und hinlegen mussten. Im Kreislaufkollaps sieht ein Mensch so aus. Der Menière’sche Schwindel zeigt sich in solchen Symptomen. Sie haben die Prüfung und das Arzneimittelbild von Tabacum nicotiana erlebt.

Mögen Sie Kaffee? Vielleicht haben Sie nach längerer Zeit der Entwöhnung recht starken Kaffee getrunken. Sie wurden danach richtig „aufgedreht“, das Blut schoss Ihnen in den Kopf, das Herz fing an, hart und schnell zu schlagen. Sie konnten am Abend nicht einschlafen, es fiel Ihnen immer Neues ein, und Sie wälzten sich im Bett herum. Haben Sie von Patienten, z. B. von Frauen im Klimakterium, ähnliche Symptome gehört? Coffea tosta, gerösteter Kaffee ist das zugehörige Arzneimittel.

Alltägliches wird zur Wissenschaft durch experimentelles Ansammeln von Erfahrungen. Dieses Sammeln von Erfahrungen geschieht in der planmäßigen Prüfung der Arzneistoffe.

Ablauf und Richtlinien

Heute werden die Prüfungen nach Richtlinien durchgeführt, die Folgendes berücksichtigen:

In einem

einfach

blinden Versuch weiß allein der Prüfungsleiter, welche Arznei geprüft wird. Der Doppelblindversuch verbietet sich, da der Prüfungsleiter die Verantwortung gegenüber den Prüfern trägt. Er muss abschätzen, welche Risiken mit einer Prüfung verbunden sein können. Der Prüfungsleiter muss auch die individuelle Ansprechbarkeit und die Empfänglichkeit der einzelnen Prüfer durch Steigerung oder Abschwächung der Dosen berücksichtigen. Bei völlig unbekannten Stoffen ist der Prüfungsleiter ohnehin „blind“.

Der eigentlichen Prüfungszeit werden Perioden mit

Placebogaben

entweder vorgeschaltet, zwischen die Prüfzeiten gelegt oder angehängt. Ein Teil der Prüfer erhält ausschließlich das Placebo. Mit diesen Sicherheitsfaktoren wird die wissenschaftliche Aussagekraft erhöht. Echte Symptome der Arznei und Erwartungssymptome des Prüfers können dadurch voneinander getrennt werden. Hahnemann hat bereits viele Ergebnisse der modernen Placeboforschung vorweggenommen. Er machte reichlich Gebrauch von Zwischengaben mit Placebos (Milchzucker).

Die Prüfer sollten bei Beginn und während der Prüfung gesund sein. Es soll vermieden werden, dass Symptome durch krankhafte Störungen verwischt oder verfälscht werden. Erkrankt ein Prüfer an einer interkurrenten Krankheit, so scheidet er aus der Prüfung aus oder es erfolgt ein Eintrag ins Prüfungsprotokoll, um diese Symptome getrennt beurteilen zu können.

Die Prüfungsgruppe soll möglichst breit nach Alter und Geschlecht gestreut sein, um die unterschiedlichen Empfänglichkeiten für den Prüfstoff zu erfassen.

Die Prüfer schreiben ein tägliches

Protokoll

über alle subjektiven und objektiven Abweichungen vom Ausgangszustand. Es sollen möglichst genaue Angaben über Ort, Zeit, Art, Abhängigkeit von Umweltfaktoren der erlebten Befindensänderungen gemacht werden. Die Sicherheit der Ergebnisse der Arzneiprüfung kann vor allem dann wesentlich gesteigert werden, wenn der Prüfungsleiter möglichst täglich mit den einzelnen Prüfern deren Protokolle durchsprechen kann. Böttger (1991) beschreibt, wie durch Rückfragen echte Prüfungssymptome von mehr zufälligen Empfindungen sehr deutlich abgegrenzt werden können.

Der Prüfungsleiter versucht objektive Zeichen durch klinische Untersuchungen zu sichern: BSG, Status von Blut und Urin, biochemische Parameter, EKG, Temperatur- und Pulskontrolle, Blutzucker usw.

Die

Internationale Liga der homöopathischen Ärzte

setzt weltweit Prüfungen in verschiedenen Ländern an, um Klima- und Rassenunterschiede in den Prüfungsergebnissen zu berücksichtigen.

Die Aufnahme in die Arzneimittellehren sollte möglichst wenig durch statistische Auswertungen beeinflusst werden, denn damit besteht die Gefahr der Unterdrückung der wenigen, qualitativ hochwertigen sonderlichen Symptome.

Das European Committee for Homeopathy (ECH) erarbeitet in seinem Proving Subcommittee Qualitätsstandards für Durchführung und Dokumentation von Arzneimittelprüfungen (im Internet unter

www.homeopathyeurope.org

).

2.1.2 Ergebnisse der Toxikologie und Pharmakologie

Die Arzneimittelprüfung an Gesunden hat aus Gründen der Menschenfreundlichkeit Grenzen. Eine Vergiftung mit toxischen Stoffen in massiver Dosierung oder über lange Zeit verbietet sich von selbst. Wir müssen mit der Arzneimittelprüfung im subtoxischen Bereich bleiben. Sie liefert uns hauptsächlich subjektive Symptome, die der Prüfer als Änderung seines Befindens erlebt. Die objektiven Zeichen und Gewebeveränderungen erfahren wir aus der Toxikologie (Lehre der Vergiftungen) und Pharmakologie.

Aus absichtlichen (forensische Medizin) oder unbeabsichtigten Vergiftungen (Unglücksfälle, Arbeitsmedizin) gewinnen wir Kenntnis, welche Organschäden oder tiefe Funktionsstörungen eine Substanz verursacht.

Platon hat uns einen genauen Bericht hinterlassen, wie Sokrates durch die Vergiftung mit Conium maculatum