Leichter lernen, handeln, leben - Gundula Dorothea Schielicke - E-Book

Leichter lernen, handeln, leben E-Book

Gundula Dorothea Schielicke

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Beschreibung

Ein Buch über unser Leben - wie es ist und wie es sein sollte, wenn wir uns wohlfühlen möchten - und was uns daran hindert. Sie erfahren hier, warum wir unser Leben als so schwer empfinden, auch, warum Erziehung und Bildung oft so beschwerlich sind. Die Autorin beleuchtet die von ihr gesehenen Ursachen für den kämpferischen Zustand der Menschheit und bietet ihren Weg an, in einen anderen, friedlicheren Zustand zu gelangen.

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Seitenzahl: 696

Veröffentlichungsjahr: 2018

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„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Albert Einstein

Für ein verständnisvolles und friedliches Miteinander

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

Der andere Mensch

Neues

Motivation

Wie motivieren wir üblicherweise?

„Was du willst, ist völlig nebensächlich!“

Unser Urschmerz und dessen Folgen

Voraussetzungen für Veränderungen

Wie heilen wir unseren Urschmerz?

Selbst- und Fremdmotivation

Selbstmotivation und evolutionäre Hürden

Fremdmotivation und Verantwortungsübernahme

Unsere Kommunikation

Auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene

Der Weg zur Kommunikation miteinander

Wertschätzende Kommunikation

Klare und sachliche Kommunikation

Liebevolle Kommunikation

Männliche und weibliche Kommunikation

Umgang mit Konflikten

Minenfeld Hausaufgabenerledigung

Erziehung in Schule und Gesellschaft

Tragik und pädagogische Verantwortung

Was wir Erziehung nennen

Wie sieht Erziehung in unserem Schulwesen aus?

Veränderung unserer Erziehung

Schulisches und natürliches Lernen

Begabungen

Hochbegabte sind nicht immer Wunderkinder

Asperger-Autismus

Gefangen in der eigenen Welt

Vermeiden, Verdrängen und Stress

Beziehungen

Liebe

Die Formen der Liebe

Kleiner Exkurs: Geld und Liebe

Die Eigenschaften der Liebe und des Lebens

Selbstliebe

Liebe und Evolution

Transformation und Evolution

Individuelle Heilung und Transformation

Grundvoraussetzungen für die Transformation

Heilung

Der Verlauf der individuellen Transformation

Kollektive Heilung und Transformation

Ausklang

Ein Wort zu Quellenangaben und zur Emanzipation

Vorwort

„Stellt man Schülern die wohlbekannte Frage, ob es ihnen in der Schule gefällt, erhält man im Allgemeinen eine negative Antwort. Dabei sind die Vorfreude von Kindergartenkindern auf die Schule und der Wissensdrang der Kinder ebenso bekannt. Warum gelingt es der Schule nicht, diese Freude zu erhalten und für ihre Ziele auszunutzen? Eine Antwort erhält man, wenn man sich das noch immer geläufige Idealbild vom Unterricht vor Augen hält: Die Schüler lauschen gespannt den Ausführungen des Lehrers, und der Lehrer meint, sein Ziel erreicht zu haben, wenn die Schüler diese Ausführungen wiedergeben können. Aber hat der Schüler wirklich den Stoff begriffen, ihn sich zu Eigen gemacht?… Heranwachsende betrachten die sie umgebende Welt mit Neugier und voller Fragen, so daß sie ursprünglich schon daran interessiert sind, Wissen über die verschiedensten Gebiete zu erwerben. Nur so können die Kinder überhaupt Interessen entwickeln und Berufswünsche daraus ableiten. Die Vermittlung solch allgemeinen Wissens über die Welt ist unbestreitbar Aufgabe der Schule. Doch häufig werden hierbei die Bedürfnisse der Schüler selbst kaum beachtet. Eine „Pädagogik vom Kinde aus“ wird schon seit langem gefordert; bis heute scheint es aber nicht gelungen zu sein, diese in großem Maßstab in die Wirklichkeit umzusetzen. Haben die Lehrer seit Jahrhunderten so viel Angst vor den Schülern, daß sie entweder nur mit Zwang arbeiten oder aber die Augen verschließen vor den entwicklungsbedingten Problemen der Schüler und die Schüler gewähren lassen? Daß die Aneignung eines unter diesen Umständen vermittelten Stoffes keine Freude bereitet, ist offensichtlich und erklärt die Abneigung gegenüber der Schule.“

Geschrieben 1994. Der Beginn meiner Referendararbeit. Ich war auf dem Weg zur Gymnasiallehrerin für Englisch und Russisch. Diplomlehrerin war ich schon. Über Motivation hatte ich damals bereits viel nachgedacht, weil mir auffiel, dass unsere üblichen Motivationsmethoden nicht selten Widerstand auslösen. Ich selbst war (und bin) wissensdurstig und lernfreudig. Das gab mir die Kraft, das schulische Lernen durchzustehen, auch wenn meine Schul- und Studienjahre dadurch eine sehr harte Zeit waren. Aber ich hatte ein klares Ziel vor Augen: ich wollte Lehrerin werden. Eine Lehrerin, die ihre Lernfreude auf die Schüler überträgt und die ihre Schüler auf möglichst natürliche Weise lernen lässt. Ich hatte im Studium auch Vieles erfahren, was dafür nötig ist. Es hätte also losgehen können.

Aber es ging nicht los nach der Referendarzeit. Weil mir in dieser Zeit klar wurde, dass sich meine Vorstellungen von Unterricht und Erziehung erheblich unterschieden vom allgemein Üblichen und staatlich Verordneten. Ich war mit Liebe im Herzen Lehrerin geworden und musste feststellen, dass ich damit in der Schule völlig fehl am Platze war. So wich ich aus in die Erwachsenenbildung. Ich war an privaten Sprachenschulen in Kursen für Arbeitslose und in der Erstausbildung von Jugendlichen tätig. Später machte ich mich als Englischlehrerin selbstständig und unterrichtete Frühenglisch, gab Nachhilfeunterricht und arbeitete im Nachmittagsbereich einer Ganztagsschule bei der Hausaufgabenbetreuung sowie als rechte Hand des Schulsozialarbeiters. So kam ich doch wieder in Kontakt mit der Institution Schule. Zudem bekam ich einen Sohn, der als hochbegabter Asperger überhaupt nicht in unser Schulsystem passt. Das alles führte zu erneuten Erfahrungs-, Denk- und Verstehensprozessen. Mit überraschend allgemeingültigen Erkenntnissen.

Parallel dazu tauchte ich immer mehr in eine noch ganz andere Denk-, Gefühls- und Verhaltenswelt ein. Eine Welt, die auf einem liebevollen Miteinander und Mit-Sich-Selbst-Sein basiert. Aber auch eine Welt, in der man schonungslos die Dinge benennt und bearbeitet, mit denen man sich selbst schadet. Unter denen man leidet. Damit man dann nicht mehr leidet. Es ist eine Befreiung vom Ballast der Vergangenheit. Es ist ein Finden zu sich selbst. Der Weg vom Dunkel der Schmerzen ins Licht des Selbst. Es ist auch die Erfahrung der spirituellen Seite unseres Seins. Es war mein Weg zur Heilerin.

Spiritualität hat für mich nichts mit Karten, Pendeln oder Glaskugel zu tun. Sie hat sich mir als etwas ganz Natürliches gezeigt. Es gibt schon auch die mystische Seite der Spiritualität. Aber wir kennen einfach nur die Erklärung für gewisse Erscheinungen noch nicht. Wir sind aber gerade in rasantem Tempo dabei, unser Weltverständnis zu erhöhen.

Spiritualität ist immer da. Sie gibt uns Zeichen, aber wir sehen, hören, spüren sie nicht, weil wir sie aus unserem Leben verbannt haben. Wir haben uns von unserer Natur sehr weit entfernt. Immer mehr Menschen finden aber inzwischen den Weg zurück zu unserer Natur. Für immer mehr Menschen ist gelebte Spiritualität Alltag. Allerdings gibt es auch viele Menschen, die die spirituelle Seite ablehnen. Ich habe eine Vermutung, warum das so ist. Auch ich hatte mich mit der Spiritualität schwer getan. Dem ist nicht mehr so, seitdem ich meine eigene Wahrheit dazu gefunden habe.

Mein Weg ist nun die Verbindung der materiellen mit der spirituellen Seite unseres Lebens. Ich habe begonnen, diese beiden Seiten zu leben und so verbinden sich diese auch in diesem Buch. Das Wissen der Lehrerin verbindet sich mit dem des Coachs und der Heilerin. Die Heilerin, die Bodenhaftung hat und deshalb keine Wunderheilerin ist. Ich rege die Selbstheilungskräfte der Menschen an durch das Erklären und damit Klären der Zusammenhänge, die ich sehe, die zu unseren Problemen führen.

Mir ist es wichtig, unseren evolutionären Zustand aus der esoterischen Mystifizierung („New Age“) herauszuholen und somit allen Menschen zugänglich zu machen. Ich möchte eine Brücke schlagen zwischen den Erkenntnissen der spirituellen Welt und denen der materiellen Welt. Das scheint mir auch die Entwicklungsaufgabe unserer Zeit zu sein. Die größte spirituelle Erfahrung, die wir alle gerade machen sollen ist meines Erachtens, hier auf der Erde Bedingungen zu schaffen, so dass wir alle glücklich und zufrieden miteinander leben können.

Die Quantenphysik hat inzwischen das intuitive Wissen der Weisen aus dem Osten bestätigt. Jedenfalls scheint es auch mir so zu sein. Das Verstehen der Quantenphysik ist bekanntermaßen nicht jedermanns Sache, was die Nachprüfbarkeit natürlich einschränkt. Wissenschaft und Spiritualität reichen sich aber gerade die Hände. Jedenfalls tun es die Wissenschaftler, die den Elfenbeinturm der strengen Wissenschaft verlassen können. Nur, wenn wir das Undenkbare denken können, ist Entwicklung möglich.

Für mich ist die spirituelle Realität einfach nur die andere Seite der materiellen Realität. So setze ich mich in diesem Buch sowohl mit unseren rein materiell ausgerichteten Ansichten, als auch mit unseren spirituellen Ansichten auseinander. Mit denen, die uns motivieren und mit denen, die uns demotivieren sowie mit denen, die uns nur scheinbar motivieren.

Lernen ist Handeln ebenso wie Handeln auch Lernen ist – und Handeln ist Leben. Die Mechanismen sind immer dieselben, egal, wie wir es nennen. Jedes Handeln ist gleichzeitig ein Lernprozess, denn die Erfahrungen, die wir dabei machen, werden in uns gespeichert. Wir handeln auf der Grundlage unserer bislang gemachten Erfahrungen.

Lernen findet also überall statt. Nicht nur in der Schule. Lebenslanges Lernen ist inzwischen in aller Munde. Ganz eng mit dem Lernen verbunden ist, wie wir miteinander umgehen. In Bezug auf unsere Kinder nennen wir das Erziehung. Ich sehe, dass wir hinsichtlich Lernen, Kommunikation und Erziehung noch einiges nachbessern können und sollten. Das, was uns am Handeln, am Leben, am Lernen hindert – uns also demotiviert – ist meiner Erkenntnis nach unser evolutionäres Erbe. Wir leben jetzt in einer Zeit, in der wir uns dieser Tatsachen langsam bewusst werden. Das eröffnet uns die Chance, dass wir uns jetzt zu einem Leben in freudvoller Motivation entwickeln können. Was uns ein leichteres Lernen, Handeln und Leben ermöglicht. Es gibt bereits verschiedene Kräfte, die gesellschaftliche wie individuelle Veränderungen anregen und befördern. Deren Gedanken habe ich meine eigenen Gedanken hinzuzufügen, die meiner Erfahrung nach den Veränderungsbestrebungen mehr Erfolg bringen.

Anstoß zu diesem Buch gab die Schulverweigerung meines Sohnes. Schule, Therapeuten und Ärzte hatten kein geeignetes Konzept, meinen Sohn wirksam zu unterstützen und auch ich war am Ende meiner Weisheit angelangt. So kam es, dass ich eine SOS-Mail an einen Bekannten schrieb: Hier geht gerade gar nichts mehr. Er glaubte auch nicht, uns helfen zu können (die Hilfe für meinen Sohn kam auch von woanders), aber sein Ratschlag führte zur Kontaktaufnahme zu einer weiteren Bekannten. Das tat ich, allerdings nachdem ich meinem Sohn den Weg in die Schule wieder eröffnet hatte. Sie engagierte mich daraufhin für einen Motivationsworkshop für Eltern hochbegabter Kinder. Dieser Workshop war die Grundlage dieses Buches, weil ich dachte, dass meine Ratschläge auch anderen Eltern helfen könnten. Bald schon weitete sich das Thema auf unser ganzes Leben aus. So ist mein Ausgangsthema „Motivation für die Schule“ zu einem Unterthema geworden. In diesem Buch geht es auch und nicht ganz unwesentlich um Schule und Pädagogik, aber in erster Linie ist es ein Buch über unser Leben.

Mein besonderer Dank gilt daher diesen beiden Menschen sowie meinem Sohn, der mich auf ganz besondere Weise auf meinen Weg, zu meinen Erkenntnissen und zu diesem Buch geführt hat. Dank auch an alle anderen Menschen, die mir auf meinem Lebensweg begegnet sind. An die, die sich mir unterstützend zugewandt haben. Aber auch an diejenigen, die sich von mir abgewendet haben. Sie haben mir damit geholfen, mein Selbst zu finden, das Leben noch tiefer zu verstehen und meine Gedankenwelt abzurunden, die ich hier mitteile.

Ich danke auch mir selbst, dass ich nun meinem Ruf als Heilerin und Coach folge. Erst der Tod eines Verwandten hat mich den Widerstand gegen diesen, meinen Weg aufgeben lassen. Seitdem habe ich die Zusammenhänge in dieser Welt Schritt für Schritt verstanden und konnte alle Puzzleteile, die mir schon lange im Kopf herumschwirrten, zusammensetzen.

Ein ganz spezieller Dank geht auch an meinen Vater für dessen technische Unterstützung bei der Veröffentlichung des Buches ebenso wie an alle anderen Menschen, die zum Gelingen dieses Buches beigetragen haben.

Der Ehrlichkeit halber muss ich sagen: Lesen des Buches auf eigene Gefahr. Ich rüttele an den emotionalen Grundfesten unserer Gesellschaft. Ich tue es mit voller Absicht. Nur, wenn wir die Dinge klar benennen, können wir sie auch ändern. Lesen Sie das Buch am besten mit den Augen und vor Allem den Gefühlen des Kindes, das Sie einmal waren. Aus der Sicht des Erwachsenen können Sie sich angegriffen fühlen, da sich die meisten von uns mit unserem individuellen und gesellschaftlichen Sein identifizieren.

Dieses Buch ist geschrieben für Menschen, die sich selbst und unser Zusammenleben hinterfragen und die bereit sind, in sich selbst etwas zu verändern. Es ist vor allem für die Menschen, die das Gefühl haben, hier auf dieser Welt völlig falsch gelandet zu sein. Ich gebe eine Erklärung, warum es völlig richtig ist, sich hier völlig falsch zu fühlen.

Mein Wunsch ist es, dass die Schulverweigerung meines Sohnes, die eine Verweigerung gegen unsere Art des Zusammenlebens war, durch dieses Buch vielen Kindern und Erwachsenen hilft, einander verstehend, unterstützend und daher glücklich miteinander leben und lernen zu können.

Potsdam, November 2014 – März 2018

Einleitung

Unsere Gesellschaft hat sich verändert. Wir sind freier im Umgang miteinander geworden. Wir wollen keine preußische Disziplin und keinen blinden Gehorsam mehr. Aber es steckt uns noch in den Knochen. In den Genen, wie wir bald sehen werden. Was wir an diese Stelle setzen möchten, ist uns als Gesellschaft noch nicht so ganz bewusst. Wir wissen eher, wogegen wir sind, als dass wir uns Gedanken darüber machen, was wir eigentlich möchten. Aber wir alle spüren etwas: Wir alle möchten freudig, unbeschwert und leicht leben. Wir alle wollen gesehen und beachtet werden.

Der Paradigmenwechsel ist damit eigentlich da. Wir können ihn aber gesamtgesellschaftlich noch nicht leben, weil ihn noch nicht alle mitbekommen haben und, selbst wenn, sich noch nicht genügend Menschen dafür entschieden haben. Und selbst wenn sich die Menschen dafür entschieden haben, fehlt es oft noch an Wissen um die Zusammenhänge und an Konsequenz. Es braucht Konsequenz für diesen Weg, denn wir fallen leicht in alte Verhaltensweisen zurück. Ich zeige Möglichkeiten auf, wie wir den Paradigmenwechsel in unser Leben und damit in unsere Gesellschaft bringen können.

Wenn wir verstehen wollen, warum wir nicht leicht und freudig leben können, d. h. warum wir uns oft nicht so verhalten können, wie wir das eigentlich möchten und wie es uns allen gut tun würde, müssen wir uns unser Verhalten genauer ansehen. Wie es sich äußert und wo es herkommt. Ich beschreibe die Zusammenhänge, die sich mir gezeigt haben. Im Zuge der Beschreibung der Grundlagen einer gelingenden Motivation beschreibe ich den aktuellen Entwicklungsstand sowie die Entwicklungsmöglichkeit unserer menschlichen Gesellschaft. Das eine hängt für mich mit dem anderen zusammen.

Ich konzentriere mich zunächst auf die Beschreibung des Verhaltens, mit dem wir uns schaden. Das liest sich natürlich nicht immer nett. Aber dieses ist nicht unwesentlicher Bestandteil unseres Lebens. Das will ich Ihnen bewusst machen. Nur, wenn wir begreifen, was wir einander antun, können wir es ändern.

Im Anschluss daran beschreibe ich, wie wir dahin kommen, dass wir es besser machen können. Wenn wir anders leben möchten, müssen wir etwas verändern. Wir müssen umlernen, also verlernen und neu lernen. Es gibt bereits Ansätze, dass wir leichter und freudiger leben und netter miteinander umgehen. Wir sind schon auf einem ganz guten Weg (Nov. 2014). Was zeigt, dass wir bereit dafür sind und dass dieser Weg bereits gegangen wird und gangbar ist. Es zieht uns förmlich in diese Richtung – ebenso wie es uns aber gleichzeitig davon wegzieht. Damit der Zug in die für uns hilfreiche Richtung geht, braucht es Unterstützung und Bücher wie diese. Bis zum Jahr 2018 hat es uns wieder ganz schön in unsere alte Richtung zurückgezogen.

Wir alle wollen leicht, frei und selbstbestimmt leben. Wir alle wollen gesehen und beachtet werden. Wie aber sieht unser Leben aus? Wie es in uns aussieht, interessiert kaum jemanden. Nicht einmal uns selbst. Wir hasten von einem Termin zum anderen. Wir haben für nichts mehr richtig Zeit. Mit unseren Gedanken sind wir schon bei der nächsten Verpflichtung. Selbst in der Freizeit haben wir einen vollen Terminkalender. Muße und Ausruhen sehen wir als verurteilenswerten Müßiggang an. Mit aller Kraft suchen wir Entspannung. Für eine Weile gelingt es uns vielleicht sogar, aber kurz danach hasten wir wieder durch das Leben wie vorher. Das alles fühlt sich ganz schön schwer an.

Wir gehen gerade kollektiv im Stress unter. Manch einem fällt es gar nicht auf, weil er keine Zeit hat, über das Leben nachzudenken. Manch einem fällt es auf. Manch einer möchte daran etwas verändern. Da Sie zu diesem Buch gegriffen haben (oder zu einem digitalen Lesegerät), nehme ich an, dass Sie zu denjenigen gehören, die das möchten. Wir können etwas daran ändern. Jeder Einzelne kann etwas daran verändern. Auch Sie.

Wir alle sind Schüler des Lebens – wenn wir diese Rolle annehmen können. Die rasante Entwicklung in unserer Zeit hat uns deutlich gemacht, dass es nicht reicht, Schule und Ausbildung durchlaufen zu haben. Es gibt immer wieder Neues zu lernen. Wir müssen immer mehr, auch ganz neues Wissen und Können erwerben. Das betrifft unser Fachgebiet und angrenzende Gebiete. Es macht auch nicht Halt vor unserer gesamten Persönlichkeit.

Wir sind eigentlich eine ganze Persönlichkeit, aber wir halten es für erforderlich, in verschiedenen Lebensbereichen verschiedene Masken aufzusetzen. Wir sollten es anstreben, dass wir wieder eine ganze, einheitliche und damit harmonische Persönlichkeit werden. Wir haben ein Leben voller Qual und Trübsal, weil wir es nicht mehr sind. Am Anfang unseres Lebens waren wir eine solche harmonische Persönlichkeit. Bis die Welt kam und uns zerteilte und in Schubladen ablegte. Junge, Mädchen, Streber, Sitzenbleiber, Kommunist, Katholik, Mutter, Single, … Allen (!) diesen Schubladen haftet immer der Tenor an: „Du bist nicht okay.“ Wie kommt das? Wie kommt es, dass wir verurteilt werden und selbst verurteilen, anstatt in unseren Stärken gesehen zu werden und andere in ihren Stärken zu sehen? Woher kommt unsere Freude am Trennen und am Be- und Verurteilen?

In Anlehnung an die klassische Begründung: Als wir noch in unseren Steinzeithöhlen saßen, mussten wir befürchten, dass alles, was von außen kam, uns existenziell bedroht. Uns töten wollte. Wir mussten daher sehr schnell beurteilen und uns oft auch abgrenzen von dem uns tatsächlich Bedrohenden. Daher rühren, vielen bekannt, unsere Kampf- und Fluchtreflexe. Diese beiden Reaktionsmöglichkeiten haben wir, wenn wir Angst haben.1 Bedrohung und Angst. Wir fühlen uns bedroht, weil unser Leben bedroht ist. Wir haben Angst, unser Leben zu verlieren. Bedrohung löst Stress in uns aus. Wenn die Angst zu groß ist, fallen wir in eine Schockstarre und können gar nichts mehr tun. Das ist für mich der Fluchtreflex in höchster Form.

Mir hat sich noch eine andere, damit zusammenhängende Erklärung gezeigt: Die Hirnforschung2 hat ergeben, dass unser Gehirn in „bekannt“ und „unbekannt“ einteilt. „Bekannt“ wird gleichgesetzt mit „sicher, angenehm“. „Unbekannt“ mit „unsicher, unangenehm, bedrohlich“. Ist nicht alles, was nicht „Ich“ ist, unbekannt? Und damit unsicher, unangenehm, bedrohlich? Ich habe diese Frage mit Ja beantwortet. Damit ergeben sich einige Erklärungen für unser Verhalten.

Der andere Mensch

Unser allererster Impuls, wenn wir einen anderen Menschen kennenlernen, ist – außer bei der Liebe auf den ersten Blick – unbekannt, also Achtung, unsicher, unangenehm, bedrohlich. Was bedrohlich ist, macht Angst. Angst löst einen Widerstand in uns aus. Gefahrempfindung. Wir grenzen uns ab. Wir wehren das von außen Kommende ab. Reflexartig. Wenn wir den Menschen dann näher kennenlernen, müsste sich dieser Impuls legen. Er tut es ein wenig, aber nicht grundsätzlich. Andere Menschen sind nämlich immer irgendwie anders als wir selbst. Es bleibt das Unbekannte, das Anderssein. Das Fremde. Es bleibt ein gewisses Gefahrempfinden. Ab und an handelt der andere dann auch tatsächlich so, dass es uns „befremdet“. Der andere stellt also latent eine Gefahr für uns dar. Zumindest empfindet das unser Körper so.

Unsere Kampf- und Fluchtreflexe sind der Boden für all das, was wir einander antun: Intoleranz, Ausgrenzung, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Krieg, Vernichtung. Wir verurteilen das Unbekannte, das Fremde, weil es uns Angst macht. Wir sind tatsächlich nicht tolerant. Wir sind deshalb auch nicht wirklich kooperationsfähig. Wir könnten uns nun zurücklehnen und sagen: „Es ist unsere Biologie. Wir sind eben so.“ Bisher haben wir mehrheitlich auch so gehandelt.

Gleichzeitig aber gab es schon immer Menschen, denen es gelungen war, sich größtenteils aus unseren Kampf- und Fluchtreflexen heraus zu entwickeln und mit Verständnis, Mitgefühl und Toleranz zu leben. Heutzutage werden es immer mehr Menschen, die sich sagen: „Ichwill dieses Leben im Kampf und Streit nicht mehr.“

Einigen von ihnen gelingt es, anderen nicht so richtig. Es gibt für das Nichtgelingen etliche und sehr tief liegende Gründe, die ich in diesem Buch erläutere. Die fehlende Konsequenz hatte ich schon angesprochen. Neue Gewohnheiten zu erlernen ist wie Sprachenlernen oder ein Musikinstrument spielen zu lernen. Wenn wir nicht dranbleiben, verliert es sich wieder. Oft müssen wir auch umlernen, d. h. uns nicht nützliche Verhaltensweisen zugunsten von uns nützlichen aufgeben. Das macht die Sache noch schwieriger.

Tatsache ist aber:

Wir können unsere Reaktionen verändern.

Wir können uns von unseren Kampf- und Fluchtreflexen unabhängiger machen.

Wie gelingt uns das?

Es gibt dafür inzwischen sogar eine wissenschaftliche Erklärung. Der amerikanische Entwicklungsbiologe Bruce Lipton vertritt die Meinung, „dass die Gene und die DNA durch Gedanken und Einstellungen eines Menschen beeinflusst werden können. Inzwischen sind diese Auffassungen durch die Erkenntnisse der Epigenetik bestätigt worden.“3 Die Epigenetik ist ein relativ neuer Zweig der Biologie, der sich mit der Frage beschäftigt, welche genetischen Informationen weitervererbt werden und wodurch ein Gen aktiviert wird.

Wir sind also auch nicht von unseren Genen abhängig.

Wir brauchen demnach nicht mehr in Angst zu leben, weil unsere Vorfahren Krebs oder Rheuma hatten. Wir müssen auch nicht immer kämpfen oder flüchten. Das gelingt uns, wenn wir unsere Gedanken und Einstellungen ändern. Diese lösen nämlich unsere Stressreaktionen oder die Aktivität eines Gens aus – oder eben auch nicht.

Andererseits hat die Epigenetik auch nachgewiesen, dass sich traumatische Erfahrungen weitervererben. Lieblosigkeit, Unterdrückung, Zwang und Krieg sind lebensbedrohliche Erfahrungen und führen zu Traumatisierungen. Unsere Geschichte ist eine Aneinanderreihung von Kriegen. Sie stecken uns allen in den Genen. Das sind meines Erachtens genug Gründe, sich lebensfördernde Gedanken zuzulegen sowie sich mit traumatischen Erfahrungen auseinanderzusetzen.

Unsere ererbten und aktuellen Traumatisierungen haben unsere Gefühle erstarren lassen. Unsere Gefühle sind aufgrund kollektiver, familiärer und individueller Traumatisierungen äußerst schmerzbeladen, weshalb wir sie, unbewusst, aber durchaus auch bewusst, verdrängen. Es gilt demnach, den Schmerz aus unseren Gefühlen wieder herauszubekommen. Einen konstruktiven Umgang mit Schmerzen haben wir noch nicht gelernt. Auch das ist ein Grund, weshalb wir sie verdrängen. Wir können es jetzt lernen.

Genau das ist auch der Weg, wie wir Abstand zu unseren Reflexreaktionen von Kampf und Flucht bekommen. Diese sind biologisch vorgegeben. Aber bei uns vermischen sich angeborene Reflexe mit erlernten Reflexen. Traumatisierende Lebenserfahrungen verstärken unsere angeborenen Reflexreaktionen, die Angstreaktionen sind. Angst verstärkt Angst. Wir leben ein Leben in Angst und damit in Kampf und Flucht. Deshalb leben wir im Stress. Wir können daran etwas ändern.

Wir können unsere genetische Veranlagung und unsere reflexartigen Stressreaktionen beeinflussen.

Indem wir unser Denken und unsere Gefühle verändern.

Ja, auch unsere Gefühle müssen wir verändern. Diese werden gern vergessen. Von Menschen, die sich eigentlich verändern möchten und auch von Menschen, die Ratschläge zur Veränderung geben. Aber wir bestehen nun mal aus Denken und Fühlen. Unser Handeln basiert auf unserem Denken und Fühlen. Wir können an unserem Denken herumschrauben, wenn wir aber nichts tun, um die mit diesem Denken verbundenen Gefühle zu verändern, dann ändert sich in unserem Verhalten letztlich gar nichts. Wir glauben das nur. Weil wir ja schon so weit gekommen sind. So erleuchtet. Aber wir giften weiterhin unsere Mitmenschen an.

Auch Psychotherapeuten arbeiten mit uns an unserem Denken, manche auch an unseren Gefühlen, auch auf der Grundlage der Epigenetik. Ihr Ziel ist unsere Anpassung an die bestehenden Verhältnisse. Mit ziemlich ähnlichen Methoden können wir uns aber auch über die bestehenden Verhältnisse und damit über unser aktuelles Sein hinaus entwickeln. Das ist das Betätigungsfeld der Heiler und der Coachs. Beide Arbeitsweisen brauchen wir, wenn wir unsere Stressreaktionen ablegen möchten. Wenn wir leichter leben möchten.

Es ist schon richtig, dass unser Sein unser Bewusstsein bestimmt. Es ist aber auch genauso richtig, dass unser Bewusstsein unser Sein bestimmt. Dieser Kampf zwischen Materialismus und Idealismus hat sich für mich auf diese Weise aufgelöst. Was bedeutet, dass es wirklich möglich ist, unser Sein durch ein anderes Denken und Fühlen zu verändern, zu transformieren. Sieht man sich die Geschichte an, so ist das auch immer wieder geschehen. Wir haben immer nur das Gefühl, dass wir an den gegebenen Bedingungen nichts verändern können. Dass sich nichts ändert. Tatsächlich findet Entwicklung ständig statt.

Nur unser grundlegendes menschliches Sein hat sich tatsächlich kaum verändert. Unsere steinzeitlichen Stressreaktionen haben sich kaum oder nicht verändert. Auch deshalb haben wir wohl das Gefühl, dass Entwicklung „passiert“, also von uns nicht zu beeinflussen ist. Von dieser Wahrnehmung sollten wir uns jetzt verabschieden. Natürlich erscheint uns das Leben als eine einzige Naturkatastrophe, wenn wir es einfach vor sich hin laufen lassen. Wir werden gelebt. Wir sind Marionetten, die nur reagieren, wenn an unseren Fäden gezogen wird.

Wir leben aktiv und selbstbestimmt, wenn wir unsere Fäden selbst in der Hand haben. Möchten Sie die Fäden Ihres Lebens selbst in der Hand haben? Ich lade Sie ein zur Veränderung Ihrer Gedanken und Gefühle und damit zur Veränderung Ihres Lebens.

Beginnen wir damit: Die Natur hat uns also mit der Fähigkeit ausgestattet, dass wir Gegebenheiten als angenehm oder als unangenehm empfinden. Diese Bewertung, Beurteilung ist meinem Empfinden nach der Regelungsmechanismus unseres Lebens. Daher also unsere Freude am Beurteilen. Damit wir unser Leben lebensfördernd einrichten. Wir müssen also beurteilen. Was angenehm für uns ist, ist lebensfördernd. Was unangenehm ist, ist bedrohlich und damit lebensfeindlich und sollte in unserem Leben keinen Platz haben.

Wir merken, dass wir so nicht leben. Das Unangenehme hat sehr wohl einen Platz in unserem Leben. Das heißt, unsere Fähigkeit zur Beurteilung sollte der Regelungsmechanismus unseres Lebens sein. Ist es aber nicht. Das ist meines Erachtens der Fall, weil wir uns zu selten unserer Gefühle bewusst werden. Wir koppeln zu selten unser Fühlen mit unserem Denken.

Wir nutzen diese Fähigkeit in erster Linie, um die Gegebenheiten zu verurteilen. Unserer Beurteilung folgt meistens lediglich die Verurteilung, weil wir keinen Weg sehen, wie wir das Unangenehme ändern können. Wenn wir keinen Ausweg sehen, scheint die Verurteilung die einzig mögliche Form der Reaktion zu sein. Was es nicht besser macht. Wir sind schon durch das Unangenehme an sich gestresst. Wenn wir keinen Ausweg sehen, verstärkt sich der Stress noch.

Der Mediziner Hans Selye hatte den Begriff „Stress“ geprägt und versteht darunter die Tatsache, dass unter Belastung bestimmte körperliche Reaktionen auftreten. Schon die Wortwahl zeigt, wo bei uns der Hase hinläuft, auch wenn er den Stress in Distress (schädlicher Stress) und Eustress (nützlicher und notwendiger Stress) einteilt. Eine Belastung ist immer unangenehm. Unter psychologischem Aspekt und auf dem Hintergrund der Erkenntnis der Hirnforschung betrachtet, sehe ich Stress deshalb so:

Stress entsteht immer dann, wenn wir die Empfindung „unangenehm“ haben.

Wenn uns also unser Regelungsmechanismus den Hinweis gibt, dass wir in einer Situation sind, die uns schadet. Aber diese Information gelangt viel zu selten von unserem Fühlen in unser Denken. Wir haben bislang unbewusst gelebt. Wir sind von der Grundveranlagung her Tiere. Wir sind uns unseres Menschseins bewusst. Was mit uns geschieht, ist uns weniger bewusst.

So war es möglich, dass zu viel Unangenehmes, Bedrohliches in unser Leben kam. Wir haben uns keine Gedanken darüber gemacht. Es ist einfach passiert. Wir fühlen unsere Belastung, unseren Stress nicht oder kaum. Selbst wenn doch, schieben wir unsere Gefühle beiseite. Wir verdrängen. Wir verdrängen unbewusst, aber inzwischen auch bewusst. Bei einem kleinen oder auch größeren Aufflackern unseres Bewusstseins, wenn wir uns also unseres Stresses bewusst werden, bringen wir unseren Regelungsmechanismus meist schnell zum Schweigen. Aber es fällt uns immer schwerer das zu tun.

Angesichts der Tatsache, dass wir uns sehr häufig in Situationen befinden, die uns schaden, bin ich dafür, dass wir den Begriff „Stress“ nur noch für den uns schädlichen Stress verwenden. Wie wir das umgangssprachlich auch bereits tun.

Bislang sehen wir Stress als etwas Unausweichliches an. Im Leben gibt es nun mal Belastungen. Die müssen wir aushalten. Punkt. Unser bisheriger Umgang mit dem Phänomen Stress war daher Stressmanagement: wie freunde ich mich am besten mit meinem Stress an. Dieses Herangehen hat uns allerdings nicht viel geholfen. Stress ist unser täglicher Begleiter. Wir haben viel zu viel Belastendes, Bedrohliches in unserem Leben. Wir können uns nicht mit unserem Stress anfreunden. Unsere Gefühle sind in Alarmstellung. Unser Körper ist es auch. Ebenso sind es unsere Gedanken.

Wie wäre mal ein anderer Blickwinkel? Mein Herangehen ist dieses: Was können wir tun, damit wir unsere Stressreaktionen nicht mehr brauchen? Was ist unangenehm in unserem Leben? Wir können unsere erlernten Reflex-, also Abwehrreaktionen wieder verlernen. Dazu müssen wir uns allerdings dieser Möglichkeit öffnen. Dann können wir unserem Regelungsmechanismus die Chance geben, unser Verhalten zu regulieren, zu steuern. Dann können wir uns eine lebensfördernde, angenehme Umgebung schaffen. Unsere „Raubtier“reflexe brauchen wir dann nicht mehr. Das ist Stressbewältigung im wahrsten Sinne des Wortes. Unangenehmes ist lebensfeindlich, weil existenzzerstörend.

Nur das Angenehme ist lebensfördernd.

Wir gehen in den Widerstand, wenn wir uns nicht wohlfühlen. Das ist eine natürliche, biologische Reaktion. Solange unsere Umwelt aus so vielem Unangenehmen besteht, ist es schwierig, unseren Widerstand aufzugeben. Aber selbst das ist bis zu einem gewissen Grad möglich. Je mehr ich aus meinem inneren Widerstand herauskomme, desto konstruktiver, also positiv verändernd kann ich mit dem Unangenehmen umgehen. Wir reagieren dann nicht mehr nur auf äußere Einflüsse, sondern agieren auch, handeln also von uns ausgehend.

Wie lernen wir, so zu handeln?

Nehmen wir uns dazu zunächst unser verurteilendes, abgrenzendes, zur Ablehnung führendes Schubladendenken vor. Wir brauchen dafür nicht einmal die Einteilung in Kategorien zu verlassen. Diese brauchen wir nämlich zu unserer eigenen Identifikation und zur Identifikation des anderen Menschen. Eine gewisse Abgrenzung vom anderen Menschen brauchen wir schon. Um uns unserer selbst und des anderen bewusst zu werden. Wir brauchen ein Du, um ein Ich zu werden.

Unser Denken in Kategorien ist aber nicht dafür da, um andere auszugrenzen. Wir dürfen deshalb nun dahingehend an unseren, sich in Alarmstellung befindlichen Gedanken und Gefühlen arbeiten, dass wir verstehen, dass diejenigen, die sozusagen in einer anderen Schublade liegen, uns nicht bedrohen. Die Tage des Säbelzahntigers sind doch wirklich schon lange vorbei. Unser Nachbar ist anders. Ja. Aber wirklich, existenziell bedrohen tut er uns nicht.

Nur, wenn wir denken und/oder fühlen, dass das so ist. Das Leben ist nämlich so nett und bestätigt uns unser Denken und Fühlen. Das ist nun wieder die magische Seite des Lebens: Alles ist so, wie wir das meinen – und eine andere Meinung dazu wird genauso bestätigt. Jeder von uns macht die Erfahrungen, die zu seiner Denk- und Gefühlswelt passen. Wir treffen genau die Menschen, die dazu passen. Fast jeder hat aber auch schon erlebt, dass er nicht mehr zu einer bestimmten Gruppe Menschen oder auch zu einem einzelnen Menschen passt – dann hat er sich verändert oder die andere Seite. Die Wege trennen sich, zumindest solange, bis die sich nicht veränderte Seite nicht eine zumindest ähnliche Entwicklung durchläuft.

Hinter der Magie liegt allerdings die einfache psychologische Tatsache, dass all die Reize, d. h. Gegebenheiten, nicht bis in unser Bewusstsein vordringen, die nicht zu unserem Denken und Fühlen und damit nicht zu unseren bisherigen Lebenserfahrungen passen. Der Reiz, die Gegebenheit, auch: die Gelegenheit. Sie geht an uns vorüber oder wir deuten sie so um, dass sie in unsere Erfahrungswelt passt. So bekommen wir unsere Meinung bestätigt. Was für viele von uns ganz wichtig ist. Für Neues sind wir nicht wirklich offen. Selbst wenn wir es ein wenig sind, sortieren wir oft die neue Information so ein, dass sie in unser altes Denken passt.

Daher rührt auch der Effekt, dass zwei Menschen unter der gleichen Sache etwas Unterschiedliches verstehen. Deshalb scheint es anderen auch so, dass wir das ausblenden, was wir nicht sehen möchten. Es passt aber einfach nicht in unseren Erfahrungsbereich. Wir können es wirklich nicht sehen. Da ist nichts in uns, worauf diese Information treffen kann. Wir müssten dieses erst in uns schaffen.

Das heißt, es gibt viel mehr Gegebenheiten, Gelegenheiten, als uns das bewusst ist. Ändern wir unser Bewusstsein, öffnen wir es für die vielfältigen Möglichkeiten. Nehmen wir etwas davon an, ändern sich unser Denken, unsere Gefühle und damit unsere Lebenserfahrungen – und damit unser Sein.

Es gibt schon die eine Wahrheit. Die beschreibt, wie alles tatsächlich ist. Wir nähern uns dieser Wahrheit an. In Abhängigkeit von der Offenheit unseres Herzens und unseres Verstandes.

Solange wir nicht offen sind, können wir also gar nicht wahrnehmen, wie der andere Mensch und wie die Welt wirklich ist. Wir sehen diese nur durch unsere Erfahrungsmaske, die aufgrund unserer vielfältigen bedrohlichen Umstände sehr eingeengt ist. Wir können deshalb auch uns selbst nicht wahrnehmen, wie wir wirklich sind und wie wir sein könnten. Wenn wir unseren Blick und unser Herz weiten, ändert sich das alles.

Interessant in diesem Zusammenhang finde ich die Erkenntnis der Quantenphysik, dass der Beobachter die Beobachtung beeinflusst. Das fasst für mich auch das eben Beschriebene zusammen.

Bezogen auf die Quantenphysik: Nach dem Heisenbergschen Unsicherheitsprinzip beeinflussen bei einem physikalischen Experiment sowohl die Messinstrumente, als auch der Beobachter das Ergebnis des Experiments.4 An anderer Stelle ist zu lesen: „Die Unbestimmtheitsrelation ist der Ausdruck für die Unmöglichkeit, in einem System eine Messung vorzunehmen, ohne mit ihm in Wechselwirkung zu treten: Wechselwirkst du mit mir, wechselwirke ich mit dir!“5

Bezogen auf die Psyche: Die „Messung“, die wir Menschen vornehmen, ist unsere Einschätzung, unsere Bewertung. Ich nehme eine Information anders auf als ein anderer und verändere sie damit in mir. Gleichzeitig kann mich auch eine Information verändern. Ich trete also mit der Information in Wechselwirkung und diese mit mir.

Dieser Zusammenhang zeigt, dass es im Bereich des Mikrokosmos (Quanten) die gleichen Zusammenhänge gibt wie im Bereich des Makrokosmos (z. B. die menschliche Psyche). Nicht von ungefähr dieses: Wie im Großen, so im Kleinen.

Das wirft übrigens auch ein neues Licht auf Studien. Studien bestätigen uns aus diesem Grund nur unsere Meinung. Sie beweisen uns unseren Glauben. Etwas anderes tun sie nicht. Wir alle gehen in unserer ganz eigenen Welt spazieren. Die an einigen Stellen mit der Welt anderer übereinstimmt.

Die Wechselwirkung ist ein zentrales Thema in der Physik. Verschiedene Arten von Wechselwirkungen werden als die Grundkräfte der Physik gesehen. Sie ist also ein physikalisches Grundprinzip. Ich sehe, dass es auch ein Grundprinzip des Lebens ist. Alles tritt mit allem in Wechselwirkung. Alles tritt mit allem in Beziehung. Wechselwirkung ist doch nichts anderes als Beziehung. Unser Leben basiert auf Beziehungen. Zu uns selbst und zu unseren Mitmenschen. So haben Physik und Psychologie bemerkenswerterweise eine Menge gemeinsam. Nicht von ungefähr hat sich die Quantenpsychologie entwickelt.

Nach diesem kleinen Ausflug in die Physik kommen wir nun auf unser Schubladendenken zurück: Wir sollten dahin gelangen, dass wir sowohl sagen dürfen „Ich bin behindert.“, als auch „Ich bin hochbegabt.“ Ohne dass jeder in Mitleid ausbricht (im ersten Fall) oder von mir abrückt (im zweiten Fall). Es sind einfach zwei Formen des Seins, unter vielen anderen.

Wenn Sie möchten, können Sie sich jetzt mal in Folgendes einfühlen:

Welche Empfindungen haben Sie, wenn das jemand zu Ihnen von sich selbst sagen würde?

Ich bin behindert.

Ich bin hochbegabt.

Spüren Sie in sich hinein …

Ja, die Angst vor dem steinzeitlichen Säbelzahntiger, vor dem Anderen, dem Bedrohlichen sitzt tief in uns. Aber überlegen Sie doch einmal: Möchten Behinderte bemitleidet werden? Möchten Hochbegabte ausgegrenzt werden? Fragen Sie sie, wenn sie Ihnen das nächste Mal begegnen. Möchten Sie selbst ausgegrenzt werden? Tausend Menschen fänden tausend Gründe dafür.

Warum muss eine Seinsform besser oder schlechter als eine andere sein? Sie ist es nicht. Alle sind gleichwertig. Sie sind einfach. In der Natur ist alles einfach da. Um herauszufinden, was „richtig“ für uns ist, sehe ich immer in die Natur. Ein Rotkehlchen kommt nicht darauf, die Amsel zu verurteilen, weil sie so schwarze Federn hat. Jedenfalls ist mir nichts dergleichen zu Ohren gekommen.

Auch wir Menschen sind Natur. Und alles andere als die Krone der Schöpfung. Wir sollten da von unserem Baum herunterkommen – und lieber noch einmal vom Baum der Erkenntnis kosten … 6 Wir sollten uns jetzt endlich weder von einem Gott, noch von irgendjemand anderem Erkenntnis verbieten lassen. Erkenntnis ist die Grundlage von Entwicklung. Entwicklung ist Leben. Eine Religion, die gegen Erkenntnis ist, ist gegen Entwicklung und damit lebensfeindlich.

Jede Seinsform hat ihre eigene Ausprägung und demzufolge ihre eigenen Bedürfnisse. Sowohl bestimmte Bedürfnisse durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, als auch ganz individuelle Bedürfnisse der jeweiligen Persönlichkeit. Die Bedürfnisse einer anderen Person mögen uns noch so merkwürdig erscheinen. Was bleibt ist, dass es die Bedürfnisse dieser Person sind. Egal, wie wir darüber denken. Egal, wie wir sie bewerten, beurteilen … verurteilen.

Es gibt noch eine andere Erklärung, warum wir dieses Be- und Verurteilen brauchen. Es hat mit unserer Erziehung zu tun. Dazu später. Diejenigen, die in anderen Schubladen sind, sind nur anders. Sind nur Nicht-Ich. Es gibt noch ein weiteres Nicht-Ich. Das Nicht-Ich, das Fremde ist der Andere bzw. auch das Andere. Das Nicht-Ich ist auch…

Neues

Das Neue ist das, was sich mir zeigt und was ich lernen kann oder auch muss. Das, was es zu lernen gibt, ist immer neu. Also fremd. Ahnen Sie, was dahinter steckt? Das, was ich zu lernen habe, ist unbekannt. Also bedrohlich. Wir haben Angst vor dem Neuen. Deshalb ist auch der Gedanke, uns für Neues zu öffnen, zunächst einmal bedrohlich für uns. Ebenso wie es die neuen Gedanken selbst sind.

Das erklärt auch, warum wir uns keineswegs freuen, wenn es Neuerungen gibt. Unsere erste Reaktion bei wirklichen Neuerungen ist, evolutionsbedingt, Abwehr. Obwohl uns unser Verstand durchaus sagen kann, dass diese Neuerung sinnvoll ist und das Leben erleichtert. Unsere Gefühle befinden sich aber entwicklungsgeschichtlich immer noch in der Steinzeit. Beim uns bedrohenden Säbelzahntiger. Das Neue ist jetzt der Säbelzahntiger. Und der Erfinder, Entdecker natürlich gleich mit. Er mutet uns dieses Neue zu.

Kommen wir zur Schule. Dort gibt es täglich Neues zu lernen. Täglich Fremdes, Bedrohliches. Täglich Angst. Jeden Tag ganz viele Säbelzahntiger, die mich in meiner Existenz bedrohen. Wenn wir uns das so vorstellen, kommt es uns wahrscheinlich eher belustigend vor. Es stimmt eben so nicht. Das wissen wir. Aber wir haben ja noch unsere Gefühle. Diese kommen wieder ins Spiel. Wir denken immer, dass wir vernünftig handeln, von unserem Verstand ausgehend – wir tun es aber nicht. Unsere Gefühle bestimmen unser Handeln stärker, als uns das lieb ist. Wir fühlen oft anders, als wir das denken.

Diese Angst vor dem Säbelzahntiger ist unsere grundlegende Empfindung in der Schule. Ob uns das gefällt oder nicht. Sie ist uns eben nicht bewusst. Aber die meisten von uns werden sich an ein grundlegendes ungutes Gefühl in ihrer Schulzeit erinnern können. Dafür gibt es zwar noch eine weitere Erklärung, wie wir später sehen werden, aber diese gibt es eben auch.

Wir sind allerdings diesen Gefühlen nicht ganz so hilflos ausgesetzt, wie es wahrscheinlich gerade klingt. Lehrer bekommen den methodischen Hinweis, dass sie den neuen Lernstoff mit bekanntem Lernstoff verknüpfen sollten. Das ist nicht nur für den Behaltensprozess hilfreich, sondern mildert auch durch das Einbetten in Bekanntes (= Angenehmes) unsere Angst vor dem Neuen (= Unangenehmes).

Zudem hat uns die Natur mit einem starken Gegenmittel gegen diese Angst ausgestattet: mit Interesse und spielerischer Neugier. Was bei Kindergartenkindern und Schulanfängern noch wunderbar unsere Angst vor dem Neuen aushebelt. Wenig später dann nicht mehr. Damit gelangen wir direkt zur Motivation. Die nicht nur etwas mit der Schule zu tun hat, sondern mit unserem ganzen Leben.

Angst und daraus resultierende Abwehr

motivieren uns logischerweise nicht zum Lernen. Hingegen:

Spielerische Neugier und Interesse motivieren uns.

Aber beginnen wir doch besser von vorn: Was ist eigentlich Motivation?

1 „Fight-or-flight ist ein von dem US-amerikanischen Physiologen Walter Cannon (1915) geprägter Begriff (engl. fight or flight „Kampf oder Flucht“).…Die Fight-or-flight-Reaktion beschreibt die rasche körperliche und seelische Anpassung von Lebewesen in Gefahrensituationen als Stressreaktion.“ https://de.wikipedia.org/wiki/Fight-or-flight, zuletzt gesehen am 13.07.2017

2 Vortrag von Kajsa Johansson „Was Pädagogik von der Hirnforschung lernen kann“ am 10.11.2010. TU Berlin.

3https://de.wikipedia.org/wiki/Bruce_H._Lipton, zuletzt gesehen im Januar 2015

4 Stephen Wolinsky: Die alltägliche Trance. Heilungsansätze in der Quantenpsychologie. Verlag Adolf Lückow. 1996.

5 Harald Lesch und das Quot-Team: Quantenmechanik für die Westentasche. Piper Verlag GmbH. München. 2007.

6 Nach der Bibel hat Gott Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben, weil Eva den Apfel vom Baum der Erkenntnis gegessen hatte. Unser Gott verbietet uns also Erkenntnis.

Motivation

Wir sagen: Ich bin motiviert, etwas zu tun. Wenn dem so ist, handle ich. Weil ich ein Motiv, einen Grund habe, der mich zum Handeln veranlasst. Es können auch mehrere Gründe sein. Woher kommen meine Gründe, etwas zu tun? Sie entspringen meinen Bedürfnissen. Wenn etwas meinen Bedürfnissen entspricht, bin ich neugierig und interessiert. Wenn ich neugierig und interessiert bin, handle ich. Ich bin motiviert zum Handeln. Das ist Motivation. Das ist eigentlich schon alles. Wir wollen aber einmal weiterdenken, denn wir sind uns der Tragweite dieses Zusammenhanges noch überhaupt nicht bewusst geworden.

Genau das ist nämlich auch die Grundlage unserer Demotivation, unserer Nicht-Motivation: Wenn meine Bedürfnisse nicht angesprochen werden, handle ich nicht. Ich habe keinen Grund, etwas zu tun. Genauso gibt es aber auch Gründe, die dazu führen, dass ich nichts tue. Diese Seite zu betrachten wird wichtig, wenn wir ergründen möchten, warum wir gar nichts mehr tun oder etwas Konkretes nicht tun.

Die Beachtung unserer Bedürfnisse motiviert uns.

Die Nichtbeachtung unserer Bedürfnisse demotiviert uns.

Was ich in unserer Gesellschaft beobachte ist, dass wir häufiger demotiviert als motiviert sind. Die meisten Menschen schleppen sich durch das Leben und dessen Anforderungen. Wenn ich durch die Straßen gehe, sehe ich eine Masse müder, träger Menschen. Die Gesichter der Menschen sind leer. Ich sehe traurige Seelen. Manche Menschen schwatzen auch munter miteinander, aber denen, die allein unterwegs sind, sehe ich ihre Erschöpfung oder auch ihre innere Angespanntheit an.

Wir reden von Lebensfreude und meinen doch nur aufgesetzte Spaßigkeit. Wirkliche, aus dem Inneren kommende Lebensfreude sehe ich kaum noch. Nur aufgesetzte, krampfhafte, gekünstelte, belastete Lebensfreude. Wobei wir das durchaus als wirkliche Lebensfreude empfinden. Was dazu beiträgt, dass wir nicht merken, dass wir am Leben vorbei leben.

Es ist völlig richtig, mit Freude durch das Leben gehen zu wollen. Was angenehm ist, ist lebensfördernd.

Was angenehm ist, motiviert uns.

Wir sind von unserem innersten Wesen her vergnügt und fröhlich. Das ist eigentlich unser grundsätzliches Sein. Wir wollen vergnügt und fröhlich leben. Das können wir aber erst, wenn wir auch Gründe dafür haben. Wir haben keine Gründe dafür, solange wir seelische Schmerzen haben.

Wir spüren häufiger einen äußeren Zwang als einen inneren Zwang. Oder sprechen wir hier besser von einem inneren Antrieb. Zwang bedeutet immer eine Disharmonie. Unter äußerem Zwang tun wir Dinge, die nicht unseren Bedürfnissen entsprechen. Deshalb fällt es uns so schwer, sie zu tun. Das Leben fällt uns deshalb so schwer. Wir fühlen uns nicht wohl, wenn unsere Bedürfnisse nicht beachtet werden. Es fehlt der innere Antrieb. Es fehlen spielerische Neugier, Interesse und damit Lebensfreude. Es fehlt unsere natürliche Motivation.

Spielerische Neugier und Interesse ist unsere natürliche Motivation.

Unsere üblichen Tätigkeiten rauben uns unsere Energie und Freude – anstatt uns Energie und Freude zu schenken. So wie das eine Tätigkeit tut, die wir aus innerem Antrieb, aus Neugier und Interesse, also aus unserer natürlichen Motivation heraus tun.

Folgende Verknüpfungen von Grund/Motiv und Handeln motivieren bzw. demotivieren uns:

Beispiel Zeitunglesen: Wenn mein Blick auf eine Überschrift fällt, die mir sagt, dass ich in dem entsprechenden Artikel Informationen zu dem Thema finde, das mich interessiert, dann lese ich den Artikel. (1 und 4) Wenn mich die Überschriften nicht ansprechen, lese ich die Artikel nicht. (3) Wenn ich die Überschrift zu einem Thema sehe, bei dem ich finde, dass schon viel zu lange darüber diskutiert wird und ich deshalb darüber nichts mehr lesen möchte, dann habe ich einen Grund, diesen Artikel nicht zu lesen. (2) Wer möchte denn noch etwas über den BER7 wissen?

Bleiben wir noch ein wenig bei Fall 1. Welche Artikel lesen Sie? Warum lesen Sie sie? – Weil es Themen sind, die Sie interessieren. Bleibt noch eine Frage: Wie lesen Sie sie? Nur so oder mit tieferer innerer Anteilnahme? Beides kommt vor. Es gibt Themen, die uns irgendwie interessieren. Dann gibt es aber auch Themen, mit denen wir uns mit großer Begeisterung beschäftigen. Für die wir Feuer und Flamme sind – wie wir so schön sagen. Hier ist demzufolge unser inneres Feuer. Hier ist unsere Motivation am größten, etwas zu tun. Wenn wir es tun, fühlen wir uns unwahrscheinlich wohl und erfüllt. Weil die Beschäftigung mit diesem Thema unsere tiefsten Bedürfnisse erfüllt. Neugier und Interesse sind hier am größten.

Unser inneres Feuer motiviert uns am intensivsten zum Handeln.

Neugier und Interesse führen uns zu unserem inneren Feuer.

Wenn wir zu unserem inneren Feuer vorgedrungen sind, haben wir schon eine Menge geschafft. Aber wir befinden uns damit immer noch auf der Oberfläche des Lebens. Irgendwann wird etwas von diesen Tätigkeiten, die wir mit innerem Feuer tun, in eine Stille übergehen. Wir werden diese dann mit einer ganz stillen Freude tun. Alles wird dann ganz ruhig in uns. Wir werden ganz ruhig und entspannt und fühlen uns geborgen und sicher. Dann sind wir angekommen bei unserer Seele, bei unserem Selbst. Dann brauchen wir keine überbordenden Emotionen mehr, weder in die eine noch in die andere Richtung. Weder inneres Feuer, noch Apathie, noch alles, was dazwischen liegt. Einfach nur stilles, zutiefst befriedigendes Tun.

Später motiviert uns eine Tätigkeit, die wir aus der Stille unserer Seele heraus tun.

Der Begriff „Motivation“ umfasst noch eine zweite Seite: einen anderen Menschen zu motivieren, zum Handeln zu bringen. Ich bezeichne das als Fremdmotivation. Das andere nenne ich Selbstmotivation. Vor dieser Aufgabe stehen Führungskräfte ebenso wie alle direkt am Erziehungsprozess Beteiligten. Also Eltern, Familienangehörige, Lehrer und die, die wir üblicherweise Erzieher nennen. Ich nenne sie alle „Erzieher“.

Wie motivieren wir üblicherweise?

Wir Erzieher haben eine Vorstellung von dem, was das Kind tun soll. Wir haben eine Erwartung und stellen eine Forderung an das Kind. Was passiert ganz oft? Das Kind will nicht das tun, was wir von ihm möchten. Es leistet Widerstand. Aus dem bisher Gesagten müsste deutlich werden, warum das so ist: was wir von dem Kind verlangen, entspricht nicht seinen Bedürfnissen. Es entspricht unseren Bedürfnissen. Unser Kind hat keinen Grund, etwas zu tun.

Wir möchten, dass unser Kind lernt, seine Schuhe zuzubinden. Wir denken, dass das Kind das jetzt können müsste. Das heißt aber noch lange nicht, dass das Kind das auch will. Widerstand. Oder wir brauchen Ruhe nach einem anstrengenden Arbeitstag. Wir möchten, dass alles reibungslos abläuft und wir uns nicht weiter um unser Kind kümmern müssen. Unser Kind braucht aber unsere Aufmerksamkeit. Widerstand. Oder in der Schule: eines jeden Lehrer Freude sind Kinder, die still und ohne Murren die anstehenden Aufgaben erfüllen. Es gibt diese Kinder – aber die Anstrengung, sie dahin zu bringen, wird immer größer.

Die anstehenden Aufgaben – das sind die Erwartungen, Vorstellungen und Bedürfnisse des Erwachsenen, der Erwachsenenwelt. Es sind nicht die des Kindes. Das ist der Knackpunkt schlechthin. Ich weiß, wir haben das immer schon so gemacht. Das ist aber meines Erachtens keine Garantie dafür, dass es sinnvoll ist. Genau dieses Verhalten hinterfrage ich hiermit. Wir bauen im Kind einen Widerstand auf, gegen den wir dann arbeiten müssen. Unser Kampfreflex freut sich – wir merken aber schon, dass das alles ziemlich anstrengend ist.

Um unsere Bedürfnisse bei dem Kind durchzusetzen, war früher der Rohrstock das Hilfsmittel der Erzieher. Heute sind unsere Methoden feiner, unsichtbarer geworden, aber sie erreichen denselben Effekt: die Bedürfnisse des Kindes verstummen zu lassen. Wir fügen unseren Kindern nicht mehr körperliche Schmerzen zu, aber nach wie vor seelische. Diese sind nicht weniger schmerzhaft.

Wenn wir von einem Menschen verlangen etwas zu tun, das er nicht will, handeln wir respektlos. Um es ganz deutlich zu sagen: wenn wir einen anderen Menschen dazu bringen, etwas zu tun, was er von sich aus nicht machen würde, dann übertreten wir seine persönlichen Grenzen. Wir verlangen immer noch Untertanengeist. Wir müssen ihn zwingen, damit er das tut, was wir von ihm verlangen. Zwang ist Gewalt. Gewalt lehnen wir ab. Soweit sind wir immerhin schon. Damit wir ihn zwingen können ohne sichtbare Gewaltanwendung, manipulieren wir ihn.

Manipulation ist unsichtbare Gewaltanwendung.

Manipulation ist die stille Gewalt unserer Zeit.

Das ist uns wohl nicht bewusst. Die traurige Wahrheit über unsere Motivationsmethoden ist diese:

Was wir Motivation nennen, ist Manipulation, Druck und Zwang.

Manipulation, Druck und Zwang sind nicht angenehm und damit nicht lebensfördernd.

Gegen diesen Zwang, diese Manipulation und damit Bevormundung wehren sich unsere Kinder mit ihrem Widerstand. Zu Recht. Die Zeiten des Gehorsams und Zwangs sollen doch eigentlich vorbei sein. Wir dürfen mündige, selbstständige Bürger werden. Theoretisch. An der praktischen Umsetzung sollten wir jetzt arbeiten.

„Die Würde des Menschen ist unantastbar.“8 Ich taste die Würde eines Menschen an, wenn ich ihn zwinge, manipuliere, bevormunde. Unsere Erziehung ist genau das. Entwürdigend. Wir sollten beginnen, tatsächlich die Würde unserer Kinder zu achten. Ebenso wie die unserer Mitmenschen. Und unsere eigene. Unser Umgang miteinander ist ebenso entwürdigend und respektlos wie unsere Erziehung. Unsere Erziehung basiert auf unserem Umgang miteinander.

Die Trotzphase gibt es meines Erachtens nur, weil die Kinder in dieser Phase besonders merken, dass wir ihre Bedürfnisse übergehen. In dieser Phase brechen wir den Willen unserer Kinder. Je besser uns das gelingt, desto pflegeleichter sind sie danach. Der nächste Knackpunkt ist die Pubertät.

Die Nichtbeachtung unserer Bedürfnisse bereitet uns seelische Schmerzen.

Wir sollten begreifen, dass wir einander hauptsächlich Leid zufügen. Das ist die bittere Wahrheit. Die dunkle Seite unseres Menschseins. Damit müssen wir uns befassen, wenn wir wissen wollen, was uns motiviert und was nicht. Ich gehe mit Ihnen in die Tiefen unseres Menschseins – um dann mit Ihnen in die Höhen unseres Menschseins zu gehen. Beides hat Einfluss auf unsere Motivation. Mit beidem haben wir ein Problem. Sie erfahren hier, warum.

Durch Schatten zum Licht.

Unsere Erziehung ist manipulierend und bevormundend aus einem Weltbild heraus, dass Kinder hilflose, unmündige Wesen sind. Körperlich stimmt das eine Weile, aber der Geist, die Individualität, die natürliche Persönlichkeit ist von Anfang an da. Den Rohrstock haben wir abgeschafft. Was wir noch nicht abgeschafft haben, ist unsere Vorstellung, unsere Kinder nach unseren Erwartungen formen zu wollen.

„Hier sitz‘ ich, forme Menschen nach meinem Bilde …“9 Ich mag Goethe und auch die Grundaussage des Gedichts „Prometheus“. Aber dennoch widerspreche ich ihm: Niemand hat das Recht, einen anderen Menschen zu formen. Wir dürfen seine Formung, also Entwicklung begleiten. Wir dürfen und sollen Entwicklungsanstöße geben. Der andere Mensch, so klein er auch sein mag, ist aber eine Persönlichkeit für sich und weiß am besten, was er gerade braucht.

Gerade in der heutigen Zeit wird das immer deutlicher. Unsere Kinder sind von Anfang an starke Persönlichkeiten. Wenn wir mit unseren althergebrachten Erziehungsmethoden und Umgangsformen kommen, passt das einfach nicht mehr. Mit unseren Methoden erreichen wir genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich möchten. Wir erreichen Demotivation statt Motivation. Da unsere Erziehung nichts anderes als unser Umgang miteinander ist, befindet sich folgerichtig unsere ganze Gesellschaft im Zustand der Demotivation. Wir geben unseren Kindern und uns selbst viele Gründe, nichts zu tun. Oder wir handeln unter Schmerzen.

Was sollten wir stattdessen tun?

Von den Bedürfnissen des Kindes ausgehen.

Von den natürlich vorhandenen Bedürfnissen des Kindes ausgehen. Wenn wir das tun, dann gibt es auch keinen Widerstand mehr, gegen den wir arbeiten müssen. Erziehen und Bilden wird einfacher. Wenn wir das Leben zulassen, in diesem Fall die Bedürfnisse unserer Kinder, dann fließen wir mit dem Leben. Wir lassen uns auf die Bedürfnisse unserer Kinder ein. Wir fragen sie, was sie brauchen und hören ihnen zu, was sie uns zu sagen haben. Sie sagen es uns, wenn sie etwas lernen möchten. Wir machen ihnen Angebote, damit sie das Leben kennenlernen können. Angebote, die sie auch ablehnen dürfen, wenn es zu ihrer Entwicklung momentan oder auch gar nicht passt

Wer jetzt befürchtet, dass das ein Aufruf zur Erziehung kleiner Tyrannen sei, der irrt. Natürlich sind die Bedürfnisse des Erwachsenen auch wichtig. Die Bedürfnisse beider Seiten sind wichtig. Aber schon dieser Gedanke ist für uns Erwachsene schwer verdaulich, weil wir das so nicht kennen:

Die Bedürfnisse unserer Kinder

– oder grundsätzlich: die eines anderen Menschen –

und unsere eigenen Bedürfnisse sind gleich wichtig.

Wir kämpfen gegeneinander, weil wir nicht die Bedürfnisse beider Seiten beachten, achten. Respektieren. Weil wir gewöhnlich nur unsere Seite sehen. Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft. Einer verletzten Gesellschaft. Entstanden durch das, was wir Erziehung nennen. Wir alle sind erzogen worden. Wir alle sind verbogen worden. Wir sind manipuliert und gezwungen worden. Unsere Bedürfnisse spielten kaum eine Rolle. Sie wurden mit Füßen getreten. Das hat uns zutiefst verletzt.

Jeder Einzelne von uns muss zusehen, wie er durch das Leben kommt mit seiner zutiefst verletzten Seele. Wir kennen unsere Interessen, geschweige denn unser inneres Feuer meist nicht. Wenn es sich doch meldet, schieben wir es schnell zur Seite. Wir sind ja nicht okay mit dem, was wir wollen, mit dem, wie wir sind.

Wir verbieten uns zu fühlen, was wir fühlen.

Wir verbieten uns zu haben, was wir brauchen.

Wir verbieten uns zu sein, was wir sind.

Das ist unsere Prägung durch unsere Erziehung. Unsere Erziehung hat uns all das verboten. Wir verdrängen unsere unangenehmen Gefühle und bringen das auch unseren Kindern bei. Wir verfestigen so unser unbewusstes Menschsein. Mehr noch: wir verdrängen auch unsere angenehmen Gefühle. Wir schreiben unseren Kindern vor, was sie gut zu finden haben und was nicht.

Wir machen uns klein, weil wir kleingemacht wurden. Oder aber wir starten durch ohne Rücksicht auf Verluste, d. h. ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer. Um uns gegen diese Prägung durchzusetzen. Um uns gegen die Menschen durchzusetzen, für die es bedrohlich ist, wenn wir unser inneres Feuer leben. Weil sie merken, dass da auch etwas in ihnen ist. Etwas, das weh tut. Weil es nicht leben darf. Unser strahlendes, fröhliches, leuchtendes Selbst. Dieses wurde in unserer Kindheit unterdrückt. Wir brauchen das innere Feuer nur, damit wir über diese Begrenzungen unserer Gesellschaft hinaus aktiv werden können.

Deshalb wird der eine oder andere zum Tyrannen. Er will sich selbst leben. Wir sehen in unseren Kindern den Tyrannen auch nur, wenn wir dem Tyrannen in uns die Macht geben. Wir erleben das im Außen, was wir in unserem Inneren haben. Alles andere können wir nicht wahrnehmen. Was das Herz nicht spürt, kann man dem Verstand nicht erklären. Wenn der Verstand nicht will, was das Herz spürt, hat es keine Chance, gelebt zu werden.

Unsere Erziehung ist das Austreiben unserer Bedürfnisse. Erziehung ist eigentlich nicht dazu da, unseren Kindern unseren Willen aufzuzwingen. Erziehung soll unsere Kinder zum eigenständigen Leben befähigen. Zu ihrem ganz individuellen Leben. Das haben wir so noch nicht verstanden. Wir lehren es, aber wir leben es nicht. Wir wollen es, aber wir können es nicht.

Wir dürfen uns aufgrund dieses Wissens jetzt überlegen und entscheiden, ob wir unseren Kindern diese verletzende Erziehung weiterhin antun wollen oder ob wir nicht vielleicht doch damit aufhören möchten. Motivationstipps, wie ich mein Kind, andere Menschen oder mich selbst immer besser manipulieren kann, nützen nur zeitlich begrenzt. Es nützt nichts, auf der Oberfläche zu polieren, wenn das Fundament nicht trägt. Wir sollten das Fundament verändern.

Wenn Sie mutig sind, können Sie jetzt einmal in sich hineinspüren:

Spüren Sie, dass Ihre Seele eigentlich zutiefst verletzt ist?

Merken Sie, dass da etwas ist, was sehr weh tut?

Weil es so weh tut, verdrängen wir es. Wir wurden auch dazu erzogen, es zu verdrängen. Indianer weinen doch nicht. Die einen werden daher ihre Verletztheit spüren, andere nicht.

Wir halten also fest:

Erwachsene, die nur ihre Bedürfnisse sehen, motivieren Kinder nicht.

Denn: Erwachsene, die nur ihre Bedürfnisse sehen, handeln respektlos und verletzen die Würde des Kindes.

Allgemein gesagt:

Menschen, die nur ihre Bedürfnisse und nicht auch unsere sehen,

motivieren uns nicht zum Lernen, Handeln, Leben. Denn:

Menschen, die nur ihre Bedürfnisse sehen,

handeln respektlos und verletzen die Würde der anderen.

Der Umkehrschluss:

Menschen, die auf die Bedürfnisse der anderen Menschen eingehen,

handeln respektvoll, beachten die Würde der anderen –

und können diese daher motivieren.

Dreh- und Angelpunkt einer gelungenen Motivation ist also die Beachtung unserer Bedürfnisse. Die Tragweite dieser Erkenntnis haben wir nun kennengelernt.

Bleibt noch diese Frage zu klären: Wer kann auf die Bedürfnisse des anderen Menschen eingehen? Es gibt Menschen, die das können. Das sind die Menschen, die zu sich selbst, zu ihren Interessen und Bedürfnissen Kontakt haben.

Demzufolge ist es zunächst wichtig, dass ich meine eigenen Bedürfnisse kenne. Nicht nur die Bedürfnisse, die mir sofort einfallen, sondern auch meine durch die Erziehung verdrängten Wünsche und Träume. Wer bin ich? Was möchte ich? Was brauche ich? Damit es mir gut geht und ich mich wohlfühle. Damit ich glücklich bin. Aus mir heraus.

Wiewohl es unser Wachstum und damit unser Glück befördert, wenn auch unser Umfeld uns und unseren Vorhaben und Taten gegenüber wohlgesonnen ist. Im Moment sehen sich Menschen, die ihren Weg gehen aber eher einer Wand aus Ablehnung, Kritik und Schweigen gegenüber. Wir motivieren, bestärken einander nicht. Wir legen einander eher noch Steine in den Weg. So sind wir.

Wenn ich weiß, wer ich bin und was ich brauche, brauche ich weder zu kämpfen noch zu flüchten. Ich muss mich nicht größer machen, als ich bin. Ich muss mich nicht kleiner machen, als ich bin. Ich bin einfach Ich. Ich ruhe in mir, ich sorge für mich und brauche daher unsere aus der Angst geborenen Reflexreaktionen nicht mehr.

Diese Arbeit lohnt sich also für Sie selbst und für Ihre Mitmenschen. Wer seine eigenen Bedürfnisse, seine Interessen kennt und lebt, kann auch die Bedürfnisse, die Interessen der anderen wahrnehmen und leben lassen. So lebt es sich für alle entspannter, leichter.

Menschen, die ihre Interessen leben,

können auch die Interessen in anderen Menschen

sich entwickeln und leben lassen.

Nur dann, wenn ich mir die oben angeführten Fragen ehrlich beantwortet habe und beginne, meine Bedürfnisse zu leben, bin ich wirklich in der Lage, einem anderen Menschen diese Fragen zu stellen: Wer bist du? Was möchtest du? Was brauchst du? Damit du dich wohlfühlst und es dir gut geht. – Nur dann kann ich eine ehrliche Antwort aushalten und kann gemeinsam mit diesem anderen Menschen Gegebenheiten schaffen, so dass dieser sich weiterentwickeln kann. Dann wird auch er wiederum meine Weiterentwicklung mittragen und befördern.

Wir sehen, dass es einen Zusammenhang zwischen Selbst- und Fremdmotivation gibt: Wenn ich meine Bedürfnisse sehe und lebe, kann ich auch die Bedürfnisse eines anderen Menschen sehen und leben lassen. Wenn ich motiviert bin, kann ich einen anderen Menschen motivieren. Der dann auch mir weiterhelfen kann.

Merken Sie es? Es ist ein Hin und Her, ein Geben und Nehmen. Ich nenne das…

die Balance des Lebens.

Alles auf dieser Welt hat zwei Seiten.

Vielleicht haben Sie schon einmal diese Aussage gehört: Wir leben in einer dualen Welt. Das ist für mich der Ausgangspunkt für die Balance des Lebens. Es gibt z. B. hell und dunkel, rechts und links, kalt und warm, männlich und weiblich. Manch einer sprach von Dialektik, andere von Yin und Yang. Wir alle meinen dasselbe. Beide Seiten existieren getrennt voneinander, gehen aber auch ineinander über. Das eine gibt es ohne das andere nicht.

Betrachten wir wieder die Natur. Es gibt Tag und Nacht, Wachsein und Schlafen, Werden und Vergehen. Der Tag geht in die Nacht über. Der Übergang ist die Dämmerung. Die Nacht geht über die Dämmerung in den Tag über. Kreisläufe. Unser Leben wird bestimmt von Kreisläufen mit jeweils zwei gegenüberliegenden Polen. Auch die Jahreszeiten sind ein schönes Beispiel für die beiden Pole und die Übergange: Sommer und Winter mit den Übergängen Frühling und Herbst.

Das Yin-Yang-Zeichen ist für mich die schönste Darstellung dieses Zusammenhanges. Auch wenn nach meinem Empfinden die Übergänge nicht ganz ideal dargestellt sind. Sie sind da, aber für mich sind sie zu abrupt, zu sehr abgegrenzt. So, wie wir das auch leben. Übergänge sollten wirklich Übergänge sein. Sanft, fließend.

Eine kreative Form des Yin-Yang-Zeichens von Christoph Hiller, Kirchentellinsfurt, Kohlezeichnung

Wir begegnen der Balance des Lebens auch in unserem menschlichen Leben. Oder aber eben auch nicht. Dann fühlen wir uns kraftlos. Weil wir die Balance nicht leben. Weil wir nicht wissen, dass es wichtig ist, ein Leben im Gleichgewicht zu führen. Wir wissen auch gar nicht, was das ist und wie das geht. Wir wissen nicht, dass die Balance des Lebens eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse ist. Für mich ist es das grundlegendste Lebensprinzip, das sich immer wieder zeigt. In seiner Beachtung oder Nicht-Beachtung.

Wir sind motiviert, wenn wir die Balance des Lebens leben.

Die Balance des Lebens ist für mich das Grundgesetz des Lebens.

Wenn ich mich so sein lassen kann, wie ich bin, dann kann ich auch die anderen so sein lassen, wie sie sind. Wenn ich mich entwickle, so wie es mir gut tut, dann kann ich auch die anderen sich entwickeln lassen, wie es ihnen gut tut. Das ist das ganze Geheimnis einer gelungenen Motivation und damit eines gelungenen Lebens.